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Mutation - Kapitel 2

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Kapitel 2: Die Rebellen
 

"Natürlich ist das gute Ware! Was denkt ihr denn von mir? Ich verkaufe doch keinen Shit!" meckerte die kleine Schwarzhaarige. Der Typ mit der Igelfrisur schaute zu seinem Kumpel, der neben ihm saß. Dieser blätterte den Stapel Papier durch, welchen das Mädchen an die Beiden verkaufen wollte. Einen Stapel voller Informationen.

Der Typ mit den Papieren in der Hand runzelte die Stirn. Ein paar Strähnen seines braunen Haars hingen ihm im Gesicht. Die blauen Augen huschten schnell hin und her und er verarbeitete die Informationen fast so schnell wie ein Computer.

Der Blonde mit dem Igelschnitt, Xylon, beobachtete seinen Kumpanen noch eine Weile, bevor er sich wieder der Schwarzhaarigen zuwandte: "Woher haste die Infos eigentlich?"

Das Mädchen verschränkte die Arme und gab giftig zurück: "Berufsgeheimnis!"

Xylon rollte innerlich mit den Augen. Dieses vorlaute Mädel war vielleicht gerade mal 15 Jahre alt und zog schon solche Geschäfte ab. Ziemlich gefährliches Leben für das Alter, aber er selbst war ja auch schon im Geschäft seitdem er neun war. Das übliche Schicksal eines Waisen. Wahrscheinlich hatten ihre Eltern sie auch verstoßen.

"Diese Infos sind Schrott. Wir sind nicht daran interessiert." Xylon schaute seinen Begleiter ebenso irritiert an wie das Mädchen.

"Aber... es ist doch genau das, was ihr wolltet! Du hast sie durchgesehen! Es gibt kein zurück! Ich will mein Geld!" giftete das Mädchen.

Typische Reaktion, dachte Xylon. Er hatte es auch schon allzu oft erlebt, abgewiesen zu werden. Da macht man sich nun die Mühe und riskiert Kopf und Kragen, und dann wird man nicht mal bezahlt.

"Das kannst du doch nicht machen!" flüsterte Xylon seinem Kumpel zu. Aber dieser blieb wie üblich ernst. "Nein. Tut mir leid, aber wir können die Infos halt nicht gebrauchen."

Xylon wußte, dass diese Entschuldigung nicht ernstgemeint war. Das Mädchen hatte Tränen in den Augen vor Zorn und schrie nun: "Du hast mich losgeschickt was zu besorgen, also bezahl mich gefälligst auch!"

Der Braunhaarige schaute ihr nun direkt in die Augen, was sie sichtlich nervös machte. Immerhin waren Xylon und er bewaffnet. Sie besaß zwar auch eine Pistole, aber sie hatte nie wirklich Gebrauch davon gemacht. Zudem war sie eindeutig in der Unterzahl und die Beiden sicher Profis.

Vorsichtig schlug sie vor: "Ich kann dir vielleicht noch andere Infos holen. Aber dann für den doppelten Preis."

Sie hatte ihre erste Lektion gelernt, dachte Xylon. Verhandeln ist verdammt wichtig, wenn du als Infoscanner arbeitest. Der braunhaarige Große strich sich sein Haar aus dem Gesicht und schien darüber nachzudenken.

Xylon musterte die schwarzhaarige erneut. Sie hatte sich in eine knappe Jeans gezwängt und trug ein altes Armyshirt. Auch ihre Turnschuhe waren wohl schon älter, denn sie waren so verdreckt, dass man denken könnte, dass sie seit zehn Jahren keinen Kontakt mehr mit einer Schuhbürste hatten.

Um ihr linkes Handgelenk war eine (wahrscheinlich selbst zusammengebaute) Uhr geschnallt. Das rechte Handgelenk hingegen war mit mehreren Freundschaftsbändern geschmückt. Ihre kurzen, schwarzen Haare waren zurück gekämmt und mit Gel fixiert. Ihr rechtes Ohr war mit Ohrringen, welche man schon fast als Piercings bezeichnen konnte, übersät. Sie war viel zu stark geschminkt und man sah, das sie künstliche Wimpern trug.

Für Xylons Geschmack war sie einfach nur auffällig und als Infoscanner ungeeignet. Wie kam sie bloß so aufgedonnert ungesehen an Infos? Als nächstes stempelte er sie als junges Ding ab, welche mit ihrer Weiblichkeit an Infos 'rankam. Kurz gesagt: Xylon mochte sie nicht, auch wenn sie einem Leid tun konnte.

Der Dunkelhaarige namens Nightwind schaute Xylon nun an: "Was meinst du? Sollen wir ihr für ihre Mühe was geben?"

Xylon hob beide Augenbrauen. Nightwind wußte, dass er immer dafür war, fair zu bezahlen. Warum fragte er dann noch?

"'türlich!" schoß es aus Xylons Mund.

Nightwind nickte. Dann schaute er wieder das Mädchen an. Sie schaute erwartungsvoll zurück. Nach einer Weile meinte Nightwind dann: "Vielleicht bringen die anderen Infos ja mehr. Ich geb' dir noch eine zweite Chance. Entweder besorgst du uns brauchbare Ware, oder du tauchst nie wieder bei uns auf, klar?"

Die 15-jährige schluckte. Alle wußten, was Nightwind damit gemeint hatte.

Entweder du bist nützlich, oder du wirst gegrillt. Einfaches Scannergesetz. Aber es war hart. Verdammt hart. Vor allem für jemanden, der noch so jung war.

Xylon gefiel Nightwinds Verhandlungsweise immer weniger. Später mußte er unbedingt mit ihm darüber reden.

"Klar." Gab das Mädchen kleinlaut zurück.

"Bring' sie bitte zum Ausgang." meinte Nightwind zu Xylon. Augenrollend erhob sich Xylon und öffnete die Tür. Das Mädchen folgte ihm kurz darauf. Nightwind blieb allein zurück und schaute sich nun weiter die Informationen an.

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Sonja preßte sich flach an die Wand neben der Tür. Ein blonder Typ mit hochgestachelten Haaren schlenderte mit den Händen in den Hosentaschen zum Ausgang. Wenig später kam ein aufgedonnertes Mädchen ebenfalls durch die Tür und ging zu dem Typen, welcher gerade ein Schlüsselbund herausholte.

Vorsichtig lugte Sonja hinter der Tür hervor. Der Blonde machte sich nun an den vielen Schlössern zu schaffen, während das Mädel ungeduldig daneben stand. Beide schienen abgelenkt genug, Sonja nicht zu bemerken.

Also nutzte sie die Gelegenheit, die Lage weiter zu Peilen. Ein kurzer Blick in den Raum, aus dem die Beiden kamen, ließ sie ihr Problem erkennen. Es war der Typ, welcher so saß, das er nur aufblicken mußte, um sie zu entdecken. Er war das Problem, weil er sichtbar gut bewaffnet war und Sonja um einen Kopf überragte.

Sie konnte es sicherlich mit den anderen Beiden aufnehmen. Das Mädchen war überhaupt nicht gefährlich und der Blonde hatte seine Pistole am falschen Platz um sie rechtzeitig ziehen zu können. Außerdem war er im Moment zu beschäftigt mit dem aufschließen der Schlösser. Vielleicht konnte sie den Großen niederschlagen, bevor er reagieren konnte. Aber im Moment konnte sie seine Reaktionsfähigkeit nicht einschätzen. Zudem hatte sie immer noch starke Schmerzen, was es ihr unmöglich machte große Kraftanstrengungen auszuhalten.

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"Nightwind?" fragte Xylon.

"Was ist?" antwortete dieser genervt.

"Die Tür geht nicht auf."

Man konnte hören, wie Papier zur Seite gelegt wurde: "Vielleicht klemmt sie nur."

Xylon rüttelte wiederholt an der Tür: "Tut sie nicht. Kann es sein, dass der Riegel von draußen vorgeschoben wurde?"

Nightwind trat nun aus dem Raum und ging leicht gebeugt zur Tür, da er etwas zu groß für den niedrigen Flur war. Sonja sah, das auch Xylon kleiner als er war.

Das Mädchen wich respektvoll einen Schritt zurück. Nightwind rüttelte nun ebenfalls an der Tür. "Hm. Frag mal bei Ally nach. Vielleicht hat sie was damit zutun."

Xylon nickte knapp und huschte dann an Sonja, die immer noch hinter der Tür stand, vorbei und klopfte an die Tür daneben, ohne Sonja zu entdecken.

Eine weibliche Stimme rief: "Einen Moment, bitte."

Ungeduldig tippte Xylon mit dem Fuß auf und ab. Als sich die Tür endlich öffnete, wurde er rot. Danach schaute er zu Boden.

"Was ist denn los, Xylon?" fragte die junge Frau belustigt über seine Reaktion.

"Die Tür scheint von außen verriegelt zu sein." stotterte er fast.

Als die Frau nun aus dem Raum trat um sich die Sache selbst anzusehen, wußte Sonja auch warum Xylon so nervös war.

Die Frau war nur in ein Badehandtuch gewickelt und hatte Badelatschen an. Wahrscheinlich hatte sie gerade geduscht. Die roten Haare hingen tropfnaß an ihr herunter.

Man konnte erkennen, dass auch Nightwind etwas nervös wurde, was Sonja daran bemerkte, dass Nightwind versuchte seinen Blick nicht an Allys Körper hängen zu lassen. Mit dem Unterschied, das Nightwind ihr ernst in die Augen schaute und keinerlei Schwäche zeigte. Jeder andere Mann hätte zumindest die Miene verzogen oder irgendeine emotionale Reaktion gezeigt. Aber Nightwind hielt entweder nichts von Frauen oder hatte Tomaten auf den Augen.

Ally hingegen schien das alles nicht zu interessieren und rüttelte nun auch an der Tür:

"Das ist seltsam..."

Xylon trat neben Ally.

"Was ist?"

"Eigentlich dürfte im Moment keiner von uns außer Haus sein. Niemand von uns kann den Riegel vorgeschoben haben."

Die Schwarzhaarige schaute nervös zu Xylon und Ally:

"Heißt das, wir sitzen hier fest?"

"So könnte man es auch nennen."

Antwortete Nightwind nüchtern.

Xylon schaute Nightwind nun böse an. Die Schwarzhaarige riß sich zusammen um nicht los zu weinen. Ally schaute einmal kurz in die Runde und meinte dann:

"Bevor ich hier erfriere ziehe ich mir erstmal was an. Ihr könnt euch ja in der Küche was Warmes machen."

Als das Mädchen nun alleine neben Ally stand, da die beiden Männer in den Raum gegenüber gegangen waren, meinte Ally zu ihr:

"Nightwind meint es nicht so. Er ist eben einfach ein bißchen steif. Wenn du Probleme hast wende dich einfach an mich. Wir werden ja jetzt wohl oder übel eine Weile hier festhängen. Mein Name ist Ally, und deiner?"

Erfreut darüber jemanden gefunden zu haben, der wie ein Mensch mit ihr sprach, lächelte die Schwarzhaarige: "Linn, ich heiße Linn Miller."

Ally lächelte nun auch. "Gut, Linn. Ich schlage vor, du wärmst dich unter der Dusche auf, oder was meinst du?"

Linn nickte: "Gute Idee." Worauf sich die beiden jungen Frauen zum Gehen wandten.

Dummerweise entdeckten sie dabei Sonja.
 

Linn und Sonja starrten sich eine ganze Weile an, bis Linn zu Ally sagte:

"Schau' mal, gehört die auch zu euch?"

Als Ally ihren Kopf in Sonjas Richtung drehte trat diese ihr mit voller Wucht gegen das Schienbein. Ally schrie laut auf und fiel dann verwundet hin. Linn hingegen stand einfach nur da. Diese Gelegenheit nutzte Sonja, um in Allys Zimmer zu laufen, welches man abschließen konnte, wie sie hoffte.
 

Alarmiert durch Allys Schrei, kamen nun auch die beiden jungen Männer in den Flur gerannt. Xylon lief sofort zu Ally, um nach ihrem Befinden zu fragen. Nightwind hingegen tat das einzig Richtige und verfolgte Sonja mit gezogener Waffe.

Durch die, nun stärker gewordenen, Schmerzen war Sonja nicht einmal halb so schnell wie sonst. Sie knallte die Tür hinter sich zu und sah, das die Tür nur mit einer Tastenkombination gesichert war, die der Große sicherlich kannte.

Sie schaute sich schnell nach einem anderen Fluchtweg um. Dabei hätte sie in ihrer großen Eile beinahe die Treppe übersehen, welche durch einen Vorhang verdeckt war. Sie rannte so schnell ihre Schmerzen es zuließen auf den Vorhang zu und riß ihn zur Seite. Dann hörte sie die schweren Schritte ihres Verfolgers stehenbleiben. Er hatte die Schalttafel erreicht.

Sie stolperte mehr die Treppe hinunter, als das sie ging, da viel Unrat und Kleidung auf den Stufen lag.

Unten angekommen stand sie erstmal in vollkommener Dunkelheit. Aber sie hatte nicht lange Zeit zum nachdenken, da oben bereits die Tür aufgestoßen wurde.

Sonja stolperte durch den Raum, irgend etwas kippte um und zerbrach. Wahrscheinlich eine Vase oder ein Glas. Sonja kümmerte sich nicht weiter drum und fand endlich die Tür, welche sie vermutet hatte. Nun öffnete sie die Tür und schlüpfte hindurch.

Keine Sekunde zu früh.

Noch während sie die Tür schloß hörte sie den Schuß einer Waffe. Die Kugel ging zwar durch die Tür durch, aber Sonja wurde nicht getroffen. Einen Augenblick starrte sie das Loch an, welches nun die fünf Zentimeter dicke Stahltür zierte. Was, zum Teufel, hatte der Typ für Munition geladen?!

Ein zweiter Schuß ließ sie aufschrecken. Der Flur, in dem sie nun stand, war hell erleuchtet und die Türen waren fast so aufgebaut wie oben. Sie kannte sich hier nicht aus, also saß sie in der Falle. Sie steuerte die Tür an, durch die man oben in die Toilette gekommen wäre.

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Nightwind fluchte, als er mit dem Knie gegen ein Möbelstück stieß.

Warum mußte Xylon bloß all seinen Krempel hier liegen lassen? Gut, es war sein Zimmer, aber er wußte ganz genau, das alle hier durch mußten, um nach unten zu gelangen! Später mußte er unbedingt mit ihm darüber reden. Aber zuerst mußte er diese Person einfangen.

Ally hatte erzählt, dass Tom mal wieder einen Ausraster bekommen hatte und sie sich deshalb um diese Göre kümmerten. Scheinbar hat sich der Patient selbständig gemacht. Und ausgerechnet er mußte sie jetzt wieder zurückholen.

Xylon hätte ihm eh nur wieder im Weg gestanden. Dieses... Mädchen konnte ihm überhaupt nicht helfen und Tom hat ja eh noch nichts davon mitbekommen. Abgesehen davon hätte Nightwind ihn sowieso niemals um Hilfe gebeten. Lieber würde er sich erschießen.

Nightwind stieß die Tür auf und blickte auf den leeren Flur. Wo könnte sie hinein gerannt sein?

Er schaute sich nachdenklich um. Jetzt mußte er vorsichtig werden. In einem Labyrinth aus Türen konnte man leicht selbst in die Falle tappen.

Eigentlich müßte sie ja unbewaffnet sein. Aber der gezielte Tritt ließ auf ihre Erfahrung schließen. Sie war sicherlich mehr als ein typisches, nervendes Mädchen. Nightwind hatte den starken Bluterguß gesehen. Ziemlich kräftig, die Göre.

Obwohl er bis jetzt nur zwei Schüsse abgegeben hatte lud er die Waffe nach. Manchmal konnten eben ausgerechnet diese zwei Schüsse über Leben und Tod entscheiden.

Über was für einen Quatsch dachte er da überhaupt gerade nach? Es war nur eine junge Frau, mehr nicht! Wovor hatte er Angst?

Nightwind schüttelte den Kopf um diese unsinnigen Gedanken los zu werden. Aber sie blieben in seinem Kopf und er konnte nichts dagegen tun. Sicher, er wollte nicht noch einmal von einer Frau reingelegt werden.

Erinnerungen kamen in ihm hoch, was ihm überhaupt nicht paßte. Er brauchte seine volle Konzentration! Aber er mußte sich erinnern, so sehr er sich auch dagegen auflehnte.
 

"Du bist nicht, wer du glaubst zu sein. Alle deine Fähigkeiten basieren auf Mutation. Ich weiß, es ist schwer zu glauben, aber es ist wahr. DU BIST EIN MUTANT."
 

Nightwind erinnerte sich, wie er damals auf die Frau losging. Er wollte ihr nicht glauben. Er wollte nicht zuhören. Wenn er wirklich eines dieser unmenschlichen Monster war... Nein, er wollte nicht daran denken! Damals hatte er sie angeschrien, sie sei eine Lügnerin. Doch heute wußte er, dass sie recht hatte.

Leider.
 

Auch wenn er dieses Dasein verfluchte, so hatte er es doch jetzt seinen besonderen Fähigkeiten zu verdanken, zu wissen, in welchen Raum die Blonde gegangen war.

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Sonja fand sich in einem Treppenhaus wieder.

Da ihre einzige Möglichkeit darin bestand weiter nach unten zu rennen tat sie das auch. In dem ebenfalls erhellten Flur des zweiten Kellergeschosses lag ausnahmsweise mal ein Teppich. Früher mußte er mal grau gewesen sein, aber durch den vielen Dreck war er jetzt fast schwarz. Die Bewohner schienen nicht viel Zeit für die Inneneinrichtung zu investieren.

Hier unten gab es wieder insgesamt sechs Türen. Die Treppe führte noch weiter nach unten, aber der Schimmel und die vielen Spinnennetze sagten Sonja, das diese Treppe wohl schon seit Jahren nicht mehr benutzt worden war. Ihr Verfolger würde sofort wissen, wenn sie diese Treppe herunter läuft, dass sie diesen unsicheren Weg ins Nichts genommen hatte.

Sie lief ein paar Schritte geradeaus. Dann blieb sie unsicher stehen.

Unsicher? Sie war niemals in ihren Missionen unsicher gewesen! Was ließ sie jetzt zögern? Als Befehlsleiterin hatte sie schon viele Leute angeführt. Die meisten waren sogar älter als Sonja und hatten dennoch einen niedrigeren Rang. Sie rannte los, als sie schnelle Schritte die Treppe herunter laufen hörte. Hatte er etwa schon all die anderen Räume durchsucht? Der Typ schien schnell zu sein. Sie mußte aufpassen!

Sie nahm die erste Tür links und stellte mit Freude fest, dass sie sich abschließen ließ. Leider war hier Endstation, da es keine weitere Tür oder Treppe gab, aber so leicht würde er hier nicht hereinkommen. Obwohl ihr klar war, das sie so einfach nicht aus diesem Bunker herauskommen würde. Früher oder später würde er sie haben. Wenn es nach ihr ginge, dann später.
 

Nightwind blieb nun am Ende der Treppe stehen. Er wußte ganz genau, das sie nur in dieser Etage sein konnte. Er hatte das Gefühl, dass er ihre Wunde fast riechen konnte. Es war eine unangenehme Sinneswahrnehmung, aber sie half ihm dennoch.

Langsam ging er den Flur entlang. Er hörte laut und deutlich ihren schweren Atem. Ihre Wunde schien sie mehr zu belasten, als sie wahrscheinlich zugeben wollte. Sie war eine zähe Kämpferin, aber er würde sie finden. Er war wieder auf der Jagd.

Ein erschrockener Schrei ließ ihn herumfahren. Sein Puls raste. Seine Ohren schmerzten. Er hatte sich zu sehr auf seine Sinne konzentriert, dass nun jeder leichte Seufzer sich in seinen Ohren wie ein tosender Orkan anhörte. Schlimmer noch, sein Trommelfell fühlte sich an, als wollte es jeden Moment platzen. Er schaute seinen Gegenüber zornig an.

"Was, verdammt, willst du hier?!"

Das junge schwarzhaarige Mädchen fuhr erschrocken zusammen. Nightwinds Adrenalinspiegel hatte die natürliche Grenze weit überschritten, also war Nightwind kurz vor dem Berserkerzustand.

Vorsichtig sagte Linn zu ihm: "Ich... Ally wollte wissen, ob du die Frau schon eingefangen hast..."

Nightwinds Augen wurden zu schlitzen. Das war Allys Art jemanden unter Druck zu setzten. Aber heute hatte sie sich den falschen Tag ausgesucht. Obwohl Linn nichts dafür konnte schrie er sie dennoch an. Er mußte halt irgendwo ein Ventil finden und Linn war im Moment genau die richtige dafür.

"UND DANN SCHICKT ALLY DICH HIERHER? AUSGERECHNET EINEN AMATEUR? WEGEN DIR WEISS DIE GÖRE JETZT WO ICH BIN! DU BIST DOCH WAHNSINNIG! VERZIEH' DICH!"

Linn preßte die Lippen zusammen um ihre Tränen zu unterdrücken. Sie hatte ihm doch gar nichts getan! Warum hackten bloß alle immer ausgerechnet auf ihr herum? Es war absolut ungerecht! Sie schluckte und ging dann mit hängendem Kopf die Treppe wieder hinauf. Hoffentlich hing sie nicht allzu lange mit diesem Arschloch in dem Bunker fest.

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Sonja schaute sich verdutzt um. Anscheinend war sie in einem Quartier gelandet. Einer dieser Typen schien hier zu wohnen. Aber dieses Zimmer war so... kalt.

Es hingen keine Bilder an den Wänden und es gab keinen Teppich. Das Bett war schlicht und die Klamotten lagen auf einem Haufen neben einem einsamen Stuhl. Es gab weder einen Tisch noch einen Schrank. Wer auch immer hier wohnte, mußte eine seltsame Vorstellung von Gemütlichkeit haben. Wohl fühlen könnte sie sich hier sicher nicht. Dieser Raum hatte nichts lebendiges. Alles wirkte tot.

Sonja runzelte die Stirn. Was dachte sie da eigentlich? Natürlich ist ein Raum normalerweise tot, da Fels und Gestein nun mal nicht leben. Aber dennoch war dieser Raum sonderbar... Es war schwer sich vorzustellen, dass hier drinnen jemand ,lebte'...

Sonja war plötzlich heiß und kalt zugleich. Lange würde sie in diesem Raum nicht bleiben. Sie hatte das Gefühl es war noch etwas in diesem Raum... etwas zerstörendes... Sie biß sich auf die Lippe um nicht vor Schmerz aufzuschreien. Ihr Wunde hatte sich wieder geöffnet und kündigte das mit einem stechenden Schmerz an. Kurz danach wurde ihr schwarz vor Augen und sie fiel zu Boden.

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Nightwind hockte sich auf den Boden. Er versuchte vergeblich seinen, nun auf Hochtouren laufenden, Körper zu beruhigen. Wenn er weiterhin soviel Energie verbrauchte würde er bald zusammenklappen!

Er versicherte sich, dass die nervtötende Göre außer Reichweite war und ließ dann endlich zu, was sein Körper von ihm verlangte. Die gesteigerten Sinne rissen ihn nun völlig mit. Bemüht, die Sinne alle auf einmal aufzunehmen spürte er auch wieder den Blutrausch, den er jedesmal fürchtete, wenn seine Fähigkeiten ihn beherrschten, aber auch immer wieder herbeisehnte, um den aufgestauten Aggressionen Luft zu machen.

In einem Tranceähnlichem Zustand erhob er sich langsam wieder. Seine Waffe steckte er wieder ein. Mit den Fäusten zuzuschlagen machte viel mehr Spaß. Außerdem war er dann schneller erschöpft und seine verstärkten Sinne würden schneller in den Normalzustand zurück kehren. Soweit man es normal bezeichnen konnte.

Jeder andere, der ihn jetzt hätte sehen können würde ein flackern in seinen Augen erkennen, welches den unbändigen Zorn und die unvorstellbare Wut widerspiegelte. Er ballte seine Hände zu Fäusten und trat die Tür ein, welche zu seinem Zimmer gehörte.

Doch er fand nur die junge Frau, welche auf dem Boden lag.

Irgendwo jedoch mußte er die aufgestaute Energie loswerden und so schlug er auf die Wände ein und zerstörte den einzigen Stuhl im Zimmer. Danach brach er erschöpft zusammen. Es war keine angenehme Erschöpfung, aber er war froh, dass seine mutierten Kräfte nicht mehr über ihn herrschten.

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Linn kam heulend nach oben. Xylon, der gerade Allys Bein bandagierte schaute zu ihr auf. Er hatte damit gerechnet, das sie so aufgelöst sein würde. Aber nicht etwa, weil Linn wohl eh eine Heulsuse war, sondern weil er Nightwind kannte. Heute war seine Phase am Höhepunkt. Xylon war interessiert, was er heute wohl wieder demoliert hatte.

Ally schaute hingegen besorgt und fragte: "Was ist los, Linn?"

Das Mädchen wirkte jetzt noch kleiner und verletzlicher als zuvor. Ihre Augenschminke war total verlaufen und ihr Haar wirkte nun auch zerzaust. Sie brachte keinen zusammenhängenden Satz zustande, sodass Xylon dann meinte:

"Er ist ausgerastet, richtig? Aber daran mußt du dich wohl oder übel gewöhnen. Manchmal hat er eben so seine Phasen. Am besten, man geht ihm dann aus dem Weg."

Jetzt war es Linn, die schrie: "AUS DEM WEG?! IHR HABT MICH DOCH NACH UNTEN GESCHICKT! IHR..."

Weiter kam sie nicht. Das Wort blieb ihr im Hals stecken. Ungläubig und mit offenem Mund starrte sie den großen, jungen Mann an, welcher gerade aus Allys Zimmer kam.

Ally hingegen lächelte und schaute ihn freundlich an.

Dieser jedoch musterte Xylon erstmal mit einem kalten, abwertendem Blick. Xylon schaute giftig zurück und sagte dann vorwurfsvoll zu Ally: "Wen hast du jetzt wieder angeschleppt?!"

"Darf ich vorstellen... Christian Buckner."

Der Braunhaarige meinte zu Linn: "Nenn' mich Chris, dass machen alle meine Freunde."

Linn war sichtlich begeistert von dem schlanken Kerl und ihr Gesicht hellte sich sofort auf. Von ihrem Heulkrampf von eben sah man nur noch die verlaufene Schminke.

"Ich heiße Linn." sagte sie wie Trance.

Chris nickte ihr zu und sagte dann zu Ally: "Weißt du zufällig, wo Nightwind ist? Ich muß unbedingt mit ihm reden."

Xylon hob mißtrauisch eine Augenbraue: "Du kennst ihn?"

Xylon ignorierend schlug er seinen grauen Mantel um, so dass eine seltsam glänzende Dose an seinem Gürtel zu erkennen war. "Nun?"

Ally schaute nachdenklich Xylon und Linn an: "Ich glaube nicht, dass es im Moment gut ist mit ihm zu reden. Er... hat heute einen extrem schlechten Tag..."

Chris lächelte: "Macht nix'. Ich hab schon mit Leuten Geschäfte abgewickelt, während die gerade beim abkratzen waren..."

Angeber, dachte Xylon. Aber mit Nightwind wirst du nicht fertig, Babyface!

Als hätte Chris Xylons Gedanken gelesen, drehte er den Kopf nun zu ihm:

"Wirklich, ich bin der beste, wenn's ums Geschäft geht. Ob du's glaubst oder nicht, Zwerg."

Xylon schaute nur giftig zurück. Okay, vielleicht war Xylon kleiner als dieser Möchtegernmacho, aber er war dennoch groß genug für einen jungen Mann im Alter von 19 Jahren und sicherlich um einiges kräftiger als Chris. Was bildete sich der Typ eigentlich ein? Nur weil zwei Mädels hier waren kehrte er gleich den Superhelden heraus!

Xylon wußte, dass auch Nightwind ihn nicht mögen würde. Wären die Mädels nicht dabei, hätte er diesem Chris schon lange seine Faust ins Gesicht geschlagen. Der konnte einen ja sogar noch mehr aufregen als Nightwind!

Was war eigentlich mit dem? Solange hatte er noch nie gebraucht um jemanden einzufangen. Vor allem nicht in diesem Bunker, den er doch wie seine Hosentasche kannte!

Chris' Blick fiel auf das verbundene Bein von Ally.

"Was ist passiert?" fragte er fast beiläufig.

Linn antwortete, noch ehe Ally überhaupt den Mund aufmachen konnte:

"So eine, die verletzt wurde und deswegen hier untergebracht war, ist ausgebrochen und hat Ally dann getreten. Nu' ist sie runter in den Keller und Nightwind verfolgt sie. Ich war eben unten, aber da hatte er sie noch nicht..."

Wahrscheinlich wollte Linn noch mehr sagen, aber Chris hob die Hand um sie zum Schweigen zu bringen. "Und warum steht ihr hier noch rum? Helft ihm doch."

Xylon verschränkte die Arme. Obwohl er Chris nicht mochte mußte er zugeben, dass er Recht hatte. Schlaues Bürschchen.

"Ich wollte ihm ja helfen, aber er hat mich wieder weggeschickt." meinte Linn.

Chris lächelte wieder, diesmal war es aber nur eine Maske: "Du bist auch nicht für so etwas geeignet, Kleine. Wenn die Dame, die ihr sucht, nämlich bewaffnet ist, muß man da schon vorsichtig sein. Es ist kein Spiel, verstehst du? So etwas erfordert viel Geschick."

Kein Spiel. Ja, ja. Tu mal so, als wüßtest du alles. Wahrscheinlich war es für Chris gar nichts anderes als ein Spiel. Xylons Hände schlossen sich. Aber noch hielt er seine Fäuste versteckt. Er wollte ja nicht so ,unhöflich' wirken wie dieses Babyface.

Und Nightwind meinte immer, Xylon wäre zu impulsiv. Leider hatte er damit recht, aber manchmal hatte Xylon sich einfach nicht mehr unter Kontrolle.

Linn war eher begeistert von Chris' Worten, als dass sie die kleine Beleidigung bemerkte. "Kannst du ihm nicht helfen?" fragte sie gutherzig.

"Eh..." Chris schien sichtlich überrascht. "Ich?"

Xylon mußte sich ein Lächeln verkneifen.

"Ja, du bist doch auch bestimmt bei so etwas ein Profi. Vielleicht..."

Chris bemerkte aus den Augenwinkeln, wie Xylon schmunzelte. Elender Aasgeier! Aber wenn man einmal damit angefangen hat...

"Gut, der Zwerg kann ja auch mitkommen."

"Mein Name ist Xylon!"

Chris wendete sich zum Gehen und meinte dann noch zu Ally: "Du solltest das Wasser unten nicht laufen lassen, wenn du duschst, sonst haben wir hier irgendwann noch eine Überschwemmung. Sei froh, dass ich es noch abgedreht habe. Komm endlich, Zwerg!"

Xylon spannte sich an. Lange würde er sich das nicht mehr gefallen lassen! Dennoch trottete er Chris hinterher. Wenn sie schon zu Nightwind gingen, dann wollte er wenigstens dabei sei, wenn er Chris fertigmachte...
 

Linn schaute den Beiden nachdenklich nach und fragte dann Ally: "Wo kommt Chris eigentlich her? Ich meine, er kam doch aus dem Keller..."

Ally lächelte und antwortete: "Er war im Computerraum. Wir haben unten viele Räume. Ich habe ihn im ,Blue Devil' aufgegabelt. So wie Xylon auf dich gestoßen ist. Im ,Blue Devil' treffen wir die meisten Kontaktpersonen..."

Die Beiden jungen Frauen schwiegen eine Weile.

"Was hältst du von ihm?"

Ally blinzelte: "Was?"

Linn lehne sich gegen die Wand: "Na, Chris mein ich! Wie findest du ihn?"

Ally lächelte wieder. Dieses junge Ding hatte sich doch nicht etwa verguckt?

"Er ist ganz nett und ein prima Informant. Er beherrscht die Kunst des Handels, aber sonst hat er eigentlich nicht unbedingt... Köpfchen."

Linn seufzte. "Also auch wieder so ein... Idiot. Warum immer solche Prahler? Immer verknalle ich mich in sie... warum?"

Ally schaute sie verständnisvoll an: "Wer viel heiße Luft von sich gibt, macht auf sich aufmerksam. Vielleicht fallen sie dir einfach nur zuerst auf? Du solltest dir mal Zeit nehmen einen Charakter eingehend zu studieren um wirklich alle Vor- und Nachteile zu erkennen. Man sollte die Personen wirklich gut kennen, bevor man sich da auf was einläßt. Jedenfalls denke ich, dass es so das Richtige ist. Du mußt deinen eigenen Weg finden. Das kann ich dir nicht vorschreiben..."

Linn verschränkte die Arme. Das sagte Ally so einfach. Sie ging an die Sache viel zu nüchtern ran. Gefühle kann man nicht ignorieren... Linn konnte es zumindest nicht...

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Chris viel nun schon zum vierten mal hin. Fluchend rappelte er sich wieder auf.

"Kannst du hier nicht mal aufräumen? Ich hab mir schon fast das Genick gebrochen, als ich hier rauf wollte!"

Xylon lächelte. Es gefiel ihm, das Chris keinen ausgeprägten Gleichgewichtssinn hatte. Außerdem war er froh, das die Lampe immer noch kaputt war. Sonst hätte Christian wahrscheinlich einige Dinge gefunden, die nicht für seine Augen bestimmt waren. Persönlicher Kram, der Xylon an seine Vergangenheit erinnerte. Es hatte ihm gereicht, dass Tom ihn damit aufgezogen hatte. Da mußte nicht noch so ein Volltrottel davon erfahren.

Xylon öffnete die Tür und ging hindurch, machte sie hinter sich aber wieder zu. Er hörte, wie Chris gegen die Tür stieß. Schadenfroh drehte er sich wieder um und öffnete die Tür wieder, um in das wütende Gesicht von Chris zu blicken.

Er schien sich die Nase gestoßen zu haben.

"Danke, sehr freundlich von dir!" sagte er ironisch.

Xylon lächelte ihn aber nur an und antwortete übertrieben: "Gern geschehen."

Beide wußten, dass er das total ernst gemeint hatte. Schweigend gingen sie nun den Gang entlang und zum Treppenhaus. Diesmal öffnete Chris zuerst die Tür. Aber Xylon ging vorsichtshalber erst hindurch, als Chris bereits einige Stufen herunter gegangen war.

Dennoch schlug die Tür vor seiner Nase zu.

Eine Hand an die rechte Wange haltend rappelte Xylon sich wieder auf. Eben stand er noch in der Tür, aber die Wucht des Hiebes hatte ihn zurück geworfen. Seine Wange war ganz heiß und er spürte das Blut zwischen seinen Fingern hindurch sickern. Er hatte die Kante der Tür dagegen bekommen.

Ihm war etwas schwindelig, so dass er sich mit der anderen Hand an der Wand festhalten mußte. Um sein Gleichgewicht kämpfend schaute er irritiert die Tür an, welche nun wieder geöffnet war. Von unten hörte er Chris ungeduldig sagen:

"Was ist, Zwerg? Kommst du endlich?"

Am liebsten wäre Xylon jetzt nach unten gerannt und hätte dieses Arschloch zu Brei geschlagen, aber der Dusel und die Schmerzen ließen das im Moment nicht zu.

Wie, zum Teufel, hatte er es geschafft, die Tür zuzuschlagen, obwohl er nicht in ihrer Reichweite war? Wind gab es hier unten logischerweise nicht. Eine vernünftige Erklärung fand Xylon nicht, also ging er vorsichtig durch die Tür, als es ihm wieder einigermaßen gut ging.

Unten angekommen wurde er von Chris überrascht angeschaut.

"Was hast du denn gemacht?"

Xylon schaute böse. Chris wußte doch ganz genau, was passiert war! Warum fragte er dann noch?

"Sehr witzig." murmelte Xylon und ging zur Tür.

Chris sah immer noch ziemlich erstaunt aus, meinte dann aber zu Xylon:

"Die Tür geht nicht auf, ich habe es eben auch schon versucht."

Hab' mich eh' schon gewundert, warum du gewartet hast, dachte Xylon und schaute dann auf die Signallampe über der Tür. Sie leuchtete rot.

Xylon runzelte die Stirn. War Nightwind etwa wirklich heute auf dem Höhepunkt seiner aggressiven Phase?

"Was bedeutet das?" fragte Chris irgendwann.

Xylon überlegte noch, ob er ihm antworten sollte, als eine Alarmsirene losging.

Erschrocken fuhren Beide herum. Die Tür über ihnen wurde durch eine Automatik geschlossen und verriegelt. Nein, sicher war es nicht die Automatik gewesen, die Xylon erschlagen hatte.

"Und was jetzt?" fragte wieder Chris.

Xylon musterte ihn mißtrauisch. War er etwa wirklich so ein Planloser Kerl? Scheinbar hatte er Chris falsch eingeschätzt. Also blieb mal wieder alles an ihm hängen.

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Linn fuhr erschrocken herum. Die Tür zu Allys Zimmer schloß sich mit einem lauten Knall. Ally schaute wieder auf.

"Auweia."

Linn guckte sie an und fragte:

"Was ist?"

Ally versuchte sich hinzustellen, was ihr aber nur mit Linns Hilfe und unter großen Schmerzen gelang.

"Das bedeutet nichts Gutes."

Nun wurde Linn ungeduldig: "WAS denn, verdammt noch mal?"

Ally mußte sich an die Wand lehnen: "Wenn die Türen zu gehen und die Sirene losgeht ist der Computer der Meinung, wir haben ein Nukleares Leck."

Linn machte ein erstauntes Gesicht: "Nuklear? Hier in der Stadt? Aber..."

Ally lächelte gequält und antwortete: "Hat man dir nie erzählt, das es selbst hier in Feng-Lay noch eine atomare Verseuchung gibt?"

Linn stand der Mund offen. Sie sagte nichts mehr.

Ally schüttelte den Kopf. Deswegen mochte sie diese ,Regierung' nicht. Das einfache Volk wurde nur über das Notwendigste informiert. Aber das alles wurde von dem Oberhaupt MONOTRON organisiert. Die Menschheit ließ sich doch tatsächlich von einem Computer beherrschen!

Nach einer Weile hatte Linn wieder ihre Sprache gefunden und fragte:

"Aber Chris ist noch da unten! Und auch die anderen! Wie kommen die denn jetzt da wieder raus?"

,Die anderen'? Sie schien wirklich nur besorgt um Chris zu sein. Ally machte sich eigentlich eher um Tom Gedanken. Er mußte eigentlich auch noch irgendwo da unten sein. Aber wieso war die Sirene losgegangen? Nightwinds Strahlung war zu gering um sie auszulösen!

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Chris hockte sich auf den Boden. Er beobachtete Xylon, welcher vor der Tür auf und ab ging. Ziemlich nervös der Typ.

Xylons Wunde blutete immer noch, aber das schien ihn im Moment nicht weiter zu interessieren. Er überlegte eher, wie er aus diesem Treppenhaus wieder herauskam. Hoffentlich ging die Sirene bald aus. Das nervtötende Geräusch war ja nicht mehr auszuhalten! Außerdem wollte Xylon nicht länger mit Chris in einem Raum festhängen, da er ihm nun ganz und gar nicht mehr geheuer war.

Er hatte irgendwie... irgend etwas, was Xylon an Nightwind erinnerte. Nicht vom Charakter, sondern eher von der... Aura. Dieses unmenschliche, alles zersetzende...

Nachdenklich schaute er nun noch einmal zur oberen Tür.

Ihm wären fast die Augen aus dem Kopf gefallen. Dort, wo vor einigen Momenten eben noch die Tür war, sah er nun ein zerfressenes Stahlgebilde. Der Türgriff existierte gar nicht mehr und die Tür wurde von einem riesigen Loch geziert, durch das man fast schon hätte hindurch steigen können.

Durch den erschrockenen Laut, den Xylon ausgestoßen hatte, schaute nun auch Chris zur Tür. "Hups, was ist das denn?"

Xylon drehte sich nach einer Weile zu Chris um. Irgendwie kaufte er ihm seine Überraschung nicht ab. Er hatte ganz sicher auch etwas damit zutun!

"Was hast du gemacht?" fragte er Chris nun drohend.

Dieser schaute ihn jedoch irritiert an. "ICH? Was soll ich schon gemacht haben? Du glaubst doch nicht wirklich, ich habe..."

Er unterbrach sich, da die Überreste der Tür nun scheppernd zu Boden gingen. Xylon duckte sich instinktiv und war damit um Haaresbreite einem Metallstück ausgewichen, welches sicher seinen Kopf getroffen hätte.

Irgendwie hatte es diese Tür auf ihn abgesehen, denn ein anderer Teil der nun ganz und gar zerstörten Tür traf ihn in der Kniekehle. Er sackte sofort in sich zusammen und viel auf die Knie. Sein Gelenk schmerzte wie die Hölle. Dennoch biß er die Zähne zusammen und stand wieder auf. Doch bereits der nächste Hieb ließ ihn wieder zu Boden sinken.

Als endlich der Schauer an Bruchstücken vorüber war, hockte Xylon auf allen Vieren. Man sah ihm seinen Schmerz an dem verzerrten Gesicht an. Langsam hob er den Kopf. Leider mußte er feststellen, dass Chris nicht mal einen Kratzer abbekommen hatte. All der Schutt lag um Xylon herum. Chris jedoch war nicht mal zwei Meter an das Zeug herangekommen. Xylon hatte genau an der falschen Stelle gestanden.

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Linn stützte Ally, als diese sich an dem Zahlenschloß zu schaffen machte.

"Und du willst da wirklich runter?" fragte Linn.

Ally drückte nun die Türklinke herunter und antwortete: "'türlich! Ich bin die Anführerin, ich muß auf meine Leute aufpassen, ich bin für sie verantwortlich."

Linn sagte verwundert: "Aber du bist doch verletzt... du kannst denen doch gar nicht helfen..."

Ally rollte mit den Augen und wankte in ihr Zimmer. Da Ally nichts sagte fragte Linn noch etwas:

"Was meinst du, woher dieses... Loch kommt?"

Ally hielt in der Bewegung inne: "Leck, es heißt Leck. Ich weiß es auch nicht..."

"Hast du denn keine Vermutung?"

Man, konnte die nerven!

"Nein, eigentlich nicht." Sagte Ally dennoch freundlich.

"Vielleicht... eure Gariatoren. Vielleicht sind die ja kaputt?"

Ally runzelte die Stirn: "Was? Gariatoren? Was meinst du damit?"

Linn sah jetzt aus wie ein kleines Kind. "Na Gariatoren! Die Dinger, die Strom machen!"

JETZT klingelte es bei Ally: "Du meinst GENERATOREN! Nein, wir haben hier unten keine. Wir zapfen die öffentlichen Stromleitungen an. Das kostet uns nichts und ist ungefährlicher."

"Aha." Linn war sichtlich interessiert, aber Ally wollte sich jetzt nicht weiter mit ihr darüber unterhalten. Also humpelte sie zur Treppe und kletterte mit Linns Hilfe herunter. Beinahe wären Beide die Stufen hinuntergefallen, da Linn auf einer von Xylons Hosen ausgerutscht war.

Als die beiden Frauen sich wieder gefangen hatten, mußten sie plötzlich loslachen. Es war keine einfache Hose gewesen, auf der sie da ausgerutscht waren. Ally kannte keinen anderen Mann, der seine Boxershorts auf einer Treppe rumliegen ließ. Aber die Krönung waren die rosa Schmetterlinge auf dem babyblauen Hintergrund.

Linn hob die Hose schmunzelnd auf: "So hab ich den gar nicht eingeschätzt. Wußtest du das?"

Ally schüttelte schnell den Kopf. Von Xylon? So nah ist sie ihm jedenfalls noch nicht gekommen. Sie hatte sich ja eher in Tom verguckt. "Nein, wußte ich nicht. Aber du hast recht, dass paßt gar nicht zu ihm."

Linn steckte die Hose ein und ging dann weiter.

"Was machst du denn da?" fragte Ally irritiert.

Linn lächelte, schwieg aber. Dann schlängelte sie sich durch das Chaos und kam dann bei der Tür an, welche durch ein tiefes Schußloch geziert wurde. Ally folgte ihr mit viel Mühe. Als Linn an der Tür rüttelte, meinte Ally zu ihr: "Die wirst du so nicht aufbekommen. Die ist computergesichert."

"Und wie geht's jetzt weiter?" fragte Linn ungeduldig.

Ally rollte mit den Augen. Warum mußte sie sich eigentlich immer eine Lösung ausdenken?

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Christian war an die Wand gelehnt und betrachtete Xylons kümmerliche Gestalt. Dieser atmete schwer, da er ziemlich viele Wunden davongetragen hatte. Er war voller Blut und es gab fast keine Stelle mehr, die ihm nicht schmerzte. Durch die Schmerzen war ihm schwindelig und er kämpfte um sein Bewußtsein. Dennoch spürte er den Schadenfrohen Blick von Chris wie brennende Pfeile. Anstatt herum zu stehen, hätte er ihm ruhig helfen können.

Als die Sirene endlich Entwarnung gab, öffnete sich auch die Tür wieder. Chris ging sofort heraus und ließ Xylon alleine. So ein Arschloch, dachte Xylon und versuchte aufzustehen. Leider war das ein Fehler. Er war nicht kräftig genug, seinen angeschlagenen Körper aufrecht zu halten und fiel sofort wieder zu Boden. Er schlug mit dem Kopf auf und verlor kurz darauf das Bewußtsein.

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Linn hatte sich derweil etwas umgeschaut. Dabei hatte sie ein zerknittertes Photo entdeckt, auf dem Xylon zu sehen war. Auf dem Bild hatte er alte Skater an und trug eine ziemlich demolierte Schutzausrüstung. Er war damals vielleicht gerade mal 13 Jahre alt gewesen, aber Linn fand, das er mit seinen zerschrammten Knien und Ellenbogen irgendwie interessant aussah. Im Hintergrund waren wohl ein paar Kumpel von ihm zu sehen. Sie waren alle älter als er, aber Linn interessierte sich plötzlich nur noch für ihn. Irgendwie sah er total glücklich aus. Seine Mimik war nicht so traurig.

Richtig. Beim ersten Treffen hatte sie in ihm jemanden gesehen, der zerstört von seiner Kindheit, total mitgenommen aussah. Aber nach einem Gespräch hatte sie in ihm eher den impulsiven Partylöwen gesehen. Er hatte eine Vorliebe für Thaiboxen und trug ständig diese mit Eisen beschlagenen Handschuhe. Eigentlich wirkte er wie ein typischer Schlägertyp, aber durch seine Art wirkte er fast ulkig. Ein Draufgänger mit Grips.

Da Linn verträumt auf das Photo schaute, schrak sie hoch, als Ally sie ansprach:

"Die Tür geht wieder auf, laß uns weitergehen."

Linn steckte das Photo verlegen ein und drehte sich dann zu Ally um. Die Tür war tatsächlich geöffnet.

Linn ging zu Ally und stützte sie. Gemeinsam gingen sie nun durch die Tür und schauten auf den Flur. Ally deutete zum Treppenhaus. Irritiert meinte sie:

"Wo ist denn die Tür abgeblieben?"

Linn runzelte die Stirn. Ally hatte recht. Es gab zwar einen Türrahmen, aber es war weit und breit keine Tür zu sehen. Erst als die beiden Frauen direkt davor standen, sahen sie, dass ein paar Bruchstücke der Tür auf dem Boden lagen. Linn schaute die Stufen herunter und entdeckte dabei den verletzten Xylon. Nach einem entsetzten Schrei lief sie die Treppe herunter.

Ally humpelte zum Treppengeländer und schaute ebenfalls nach unten. Auch sie sah jetzt den blutenden Xylon. Doch sie wußte, das sie in ihrem Zustand nicht helfen konnte. Langsam stieg sie die Stufen hinunter und sah dabei Linn zu, wie diese sich sorgsam um Xylon kümmerte.

Es war fast rührend, wie Linn vorsichtig Xylon betrachtete. Sie setzte ihn behutsam auf und schaute sich die Wunden an. Das ihre Kleidung nun auch blutverschmiert war, schien sie im Moment weniger zu interessieren.

"Sieht ziemlich böse aus. Es scheint hier kaum ein Teil der Tür zu geben, dass ihn nicht erwischt hat. Das ist doch nicht normal."

Ally nickte nur und quälte sich weiter die Treppe herunter.

Linn hatte sich nun so hingehockt, dass sie Xylon vollkommen stützte. Sie musterte gerade die Prellung an seiner Wange, als er sich wieder bewegte. Er hielt sich sofort an ihr fest und biß die Zähne zusammen vor Schmerz.
 

Xylons erste Erinnerung nach seinem Sturz war der höllische Schmerz. Er hatte das Gefühl, dass sich alles um ihn drehte, also hielt er sich instinktiv irgendwo fest, da er glaubte, sonst wieder umzufallen. Erst einig Sekunden später bemerkte er, dass er bereits lag.

Langsam öffnete er die Augen, aber auch nur einen Spalt, da er durch einen Schleier aus Schmerzen blicken mußte. Er sah ein Gesicht vor sich, aber er konnte nicht erkennen, wer es war. Die Person sagte irgend etwas, aber seine benebelten Sinne ließen es nicht zu, das er irgend etwas verstand. Er nahm nur war, dass die Person wahrscheinlich eine Frau war.

Ally vielleicht?

Er biß die Zähne zusammen, als die Schmerzen schlimmer wurden. Schlagt mich wieder K.O., dachte er, dann muß ich die Schmerzen nicht mehr ertragen.

Er kannte dieses Gefühl zwar, das einem wirklich alles schmerzte, da er beim Boxen natürlich auch schon oft etwas abbekommen hatte, aber so schlimm war es noch nie gewesen. Wie konnte das nur passieren? Normalerweise hätte der meiste Teil der Tür oben liegenbleiben müssen! Unfähig weiter darüber nachzudenken, ließ er sich lieber in die schützenden Arme zurückfallen. Er versuchte lieber nicht die Augen weiter zu öffnen, sondern schloß sie wieder. Da aber die Schmerzen ihm keine Ruhe ließen, konnte er leider nicht sofort einschlafen, wie er gehofft hatte.

"Er scheint große Schmerzen zu haben." Sagte Linn besorgt.

Ally war mittlerweile unten angekommen und nickte. Es hatte ihn wirklich schwer erwischt. Was war hier bloß passiert und wo war Christian?

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Chris betrachtete seit einiger Zeit die eingetretene Tür zu Nightwinds Zimmer und die beiden Personen, die darin lagen. Nun ging er vorsichtig herein und entdeckte den zerstörten Stuhl. In der Wand waren einige tiefe Dellen.

Er musterte Nightwind nachdenklich. Von ihm ging eine leichte Strahlung aus. Wahrscheinlich hatte auch er eine Begabung. Er sah ziemlich fertig aus. Scheinbar war es mit ihm durchgegangen.

Die junge Frau, welche gar nicht mal so schlecht aussah, hatte eine tiefe Wunde unter der Brust. Die Wunde blutete und schien ihr ziemliche Schmerzen gemacht zu haben. Chris ging zu ihr und drehte sie um. Auch von der Vorderseite blutete die Wunde. Ein Schußloch also. Hatte Nightwind auf sie geschossen? Wahrscheinlich.

Chris hob die junge Frau mehr oder weniger auf und schleppte sie aus dem Raum. Die Strahlung hier drin war zu hoch für einen Nichtmutanten. Scheinbar hielt sich Nightwind hier öfter lange auf.

Christian lehnte die Verletzte gegen die gegenüberliegende Wand und ging dann wieder zu Nightwind. Auch diesen mußte er erst umdrehen. Er schien sich die Handgelenke und die Fingerknochen gebrochen zu haben. Ziemlich harter Schlag, dachte Chris. Mit dem wollte er sich lieber nicht prügeln.

Als er auch ihn aus dem Zimmer schleppen wollte, spürte er, wie heiß Nightwinds Körper war. Er konnte ihn gerade mal ein paar Meter ziehen, bevor er ihn wieder loslassen mußte. Chris schätze, das Nightwinds Körpertemperatur bei mindestens 50° liegen mußte, was eigentlich gar nicht möglich war. Scheinbar war es doch möglich, denn Chris hatte jetzt Brandblasen an den Händen. Der Strahlungspegel von Nightwind mußte ziemlich hoch sein.

Aber wenn Chris sich entlud, war das wesentlich tödlicher. Die Sache mit Xylon war nicht mal sein Höchstwert gewesen.

Oh, ja, Xylon.

Er hatte sich einfach zu sehr über diesen Zwerg aufgeregt. Auch wenn er nach außen hin anders wirkte, brodelte es in ihm immer noch. Ab und zu passierte es halt, das er sich entlud. Und dann passieren eben solche netten Geschichten. Aber erst, als die Tür auf Xylon niedergeprasselt war, hatte er sich wieder besser gefühlt. Wegen ihm war auch die Sirene losgegangen. Es war eben ziemlich viel nukleare Strahlung zum Einsatz gekommen. Man nannte ihn nicht umsonst Magier.

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Sonja fand sich in einer Wüste wieder. Es war ziemlich heiß und der Sand unter ihren nackten Fußsohlen brannte sich in ihre Haut. Der Wind fuhr durch ihre Haare und trug den heißen Wüstensand in ihre Augen. Sie hielt schützend den Arm vor ihr Gesicht, aber das machte es auch nicht besser. Sie war vollkommen nackt, was ihr aber nicht peinlich war, denn es war ja niemand anderes hier. Oder jedenfalls dachte sie es.

Der junge Mann war ihr vollkommen fremd, aber dennoch fühlte sie sich mit ihm verbunden. Wahrscheinlich aber nur, weil sie Beide das einsame Schicksal teilten. Beide waren verloren in der Wüste. Ohne Anfang, ohne Ende.

Seine kristallblauen Augen wanderten fasziniert über ihren Körper und auch sie musterte ihn. Sie vergaß alles um sich herum, als er auf sie zukam und durch ihr Haar strich.

Doch der schöne Moment wurde durch die plötzlich Hitze gestört. Der Geruch nach verbranntem Fleisch ließ Sonja zurückweichen. Ihr Gegenüber stand lichterloh in Flammen und schien es nicht einmal zu merken. Die Flammen verbrannten ihn auch nicht wirklich, denn sein braunes Haar blieb unversehrt. Er lächelte sie freundlich an und streckte einladend seine Hand aus.

Seine Mimik hätte sie fast dazu verleitet, wieder auf ihn zuzugehen, aber etwas anderes hinderte sie daran. Denn plötzlich war zwischen den Beiden eine endlose Wand aus Eis. Selbst sein Feuer vermochte dieses Eis nicht zum schmelzen zu bringen. Es erlosch so plötzlich, wie es entflammt war und sein Körper wurde langsam kalt. Während Sonja immer noch wegen der brennenden Hitze schwitzte, fror sein Körper langsam ein.

Zwischen Beiden entstand ein riesiger Graben. Um ihn herum wurde alles zu Eis. Sie jedoch stand immer noch in der Wüste. Zwei Welten, grundverschieden und doch gleich. Sie zerstörten Leben und dennoch waren sie selbst das pure Leben.

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Sonja fuhr erschrocken hoch. Benebelt schaute sie sich um. Vor ihr stand ein junger Mann mit einem langen Mantel und ebenfalls ziemlich langem Haar, welches er zum Zopf gebunden hatte. Durch ihr plötzliches Erwachen drehte er sich nun zu ihr um, und lächelte sie an.

"Na, wieder wach?" sagte er und ging auf sie zu.

Wie sie mit einem schnellen Rundblick feststellte, war sie immer noch im Bunker. Mißtrauisch musterte sie den langen Kerl.

Er hatte das typische Babyface und war wahrscheinlich einer dieser Aufreißertypen.

Genau die Sorte Mann, die Sonja nicht mochte.

Sein dunkelgrauer Mantel und die enge Schlaghose ließen ihn wie einen Cowboy wirken. Aber das schwarze Hemd mit den draufgestickten silbernen Runen widersprach dem.

Fast wie so ein Fanatiker der Magie, dachte sie.

Der Mann lächelte immer noch und meinte:

"Du scheinst ja ganz schön was abbekommen zu haben."

DU?

Sonja erinnerte sich. Sie war ja immer noch wie ein Teenager gestylt. Aber wahrscheinlich war es wohl sowieso die Art von diesem Typen, jemanden gleich zu duzen. Seine braunen Augen schauten sie keck an und er streckte ihr die Hand aus, damit sie aufstehen konnte.

Da Sonja sich aber grundsätzlich nicht von Männern helfen ließ, stemmte sie sich aus eigener Kraft hoch.

Und fand sich in seinen Armen wieder.

Ihr war so schwindelig, dass sie das Gleichgewicht verloren hatte. Es gefiel ihr gar nicht, dass sie nun doch auf diesen Kerl angewiesen war.

"Du solltest vorsichtiger sein, deine Wunde ist nicht zu unterschätzen."

Glaub mir, ich hab Ahnung davon, fehlte jetzt noch, dachte Sonja. Sie hatte ihn richtig eingeschätzt, er war ein Macho. Aber er ging die Sache noch nicht allzu professionell an. Wahrscheinlich war er sogar noch nicht oft mit dem anderen Geschlecht in Kontakt gekommen. Armes Bürschchen.

Ein Geräusch lenkte sie ab. Sie sah, dass noch jemand anderes am Boden lag. Der Große, der sie verfolgt hatte!
 

Chris merkte, wie die junge Dame nervös wurde. Scheinbar hatte sie schlechte Erfahrungen mit Nightwind gemacht, aber das war ja normal. Nightwind war halt schwierig.

"Ich heiße Chris, und du?" versuchte er das Mädel abzulenken.

Diese jedoch löste sich aus seinem Griff und stützte sich an der Wand ab. Ihre ganze Aufmerksamkeit war auf Nightwind gerichtet.

Dieser setzte sich vorsichtig auf und schaute sich um. Sein Blick blieb an den Beiden haften. Erst schaute er Chris an und gleich darauf Sonja. Er musterte sie irritiert.

Sonja wären fast die Augen aus dem Kopf gefallen. Jetzt wußte sie, warum er ihr so bekannt vorkam! Es war der Typ aus dem Traum! Sie war sich nicht ganz sicher, aber auf den ersten Blick war er es ganz bestimmt! Ob er davon wußte? Hoffentlich nicht.

Ihre Beine knickten ihr weg, so dass der Typ leider schon wieder die Gelegenheit bekam, sie zu stützen. Ihr wurde plötzlich wieder schwindelig und kurz darauf war ihr schwarz vor Augen. Sie verlor ein weiteres Mal das Bewußtsein.
 

Chris hielt irritiert den Bewußtlosen Körper der jungen Frau in den Händen. Nach einiger Zeit ließ er sie vorsichtig zu Boden sinken und lehnte sie wieder gegen die Wand.

Nightwind konnte erst nach einer sehr langen Zeit seinen Blick von ihr nehmen. Diese Ähnlichkeit... Nein, das konnte nicht sein! Er schüttelte den Gedanken aus seinem Kopf. Er wollte sich nicht jetzt damit auseinandersetzten.

Chris drehte sich wieder zu Nightwind um: "Na, du. Wie geht's dir jetzt?"

Nightwind stand auf, antwortete aber wie üblich nicht. Was machte Chris sich über ihn Sorgen? Er sollte sich um seinen eigenen Kram kümmern.

Plötzlich bemerkte Nightwind die Schmerzen in seinen Händen. Er spürte, das er sie nicht mehr bewegen konnte. Wahrscheinlich hatte er sich die Gelenke gebrochen, als er gegen die Wand geschlagen hatte. Heute hatte er es wirklich übertrieben.

Chris blieb einen Moment unschlüssig stehen, ging dann aber durch eine andere Tür, um Verbandszeug zu holen. Man sollte seinen Handelspartner nicht im Stich lassen.

Zwar schien Nightwind nicht begeistert zu sein, dass Chris ihm nun seine Hände bandagierte, aber er wußte auch, dass es das beste für ihn war. Er biß die Zähne zusammen, als Chris ihm die Hände wieder gerade rückte und sie daraufhin mit den Mullbinden einwickelte, beschwerte sich aber nicht.

"Jetzt siehst du aus wie Xylon. Du solltest auch anfangen zu boxen." scherzte Chris, als er sein Werk betrachtete.

Nightwind antwortete nur mit einem giftigen Blick und ging dann zum Treppenhaus. Dabei hätte er beinahe die Tür abbekommen, die nun gerade aufgestoßen wurde. Nightwind schaute Linn böse an, worauf diese ein entschuldigendes Lächeln aufsetzte.

"Sorry, war nicht mit Absicht. Hast du..."

Sie brach den Satz ab und blickte nun zu Chris.

"Ach, da bist du ja. Kannst du uns mal helfen? Xylon ist ziemlich angeschlagen."

Ausgerechnet ER sollte Xylon helfen? Das Blut auf Linns Kleidung verriet, dass Xylon nicht so leicht davon gekommen war.

"...hm..."

Bevor Chris irgendeine sinnvolle Äußerung von sich geben konnte ging Nightwind an ihm vorbei zu Xylon.

Ally saß neben ihm und schaute sich gerade sein Knie an, als Nightwind hereinkam.

"Er hat ziemlich viele Prellungen. Teilweise scheinen ihn scharfe Kanten erwischt zu haben, er blutet..."

Als Ally bemerkte, dass sie überhaupt nicht mit Chris, sondern mit Nightwind redete, hatte sie plötzlich vergessen, was sie sagen wollte.

Nightwind hingegen würdigte ihr keines Blickes, sondern versuchte Xylon wach zu halten. Dieser jedoch war zu keiner Kommunikation fähig.

"Er braucht einen Arzt. Solange er mir nicht sagen kann, wo es ihn schmerzt, kann ich nichts tun. Wir sollten versuchen die Tür aufzubekommen, damit wir hier endlich rauskommen."

Ally nickte. Vielleicht konnte Tom helfen. Sie mußte jemanden losschicken, um ihn zu suchen.

"Linn? Kannst du mal herkommen?"



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2002-06-02T12:50:41+00:00 02.06.2002 14:50
Cool!!! Du hast echt nen tollen Schreibstil^-^


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