Disclaimer : nicht nötig
Erklärung : Ihr müsst sie nicht kennen, um sie zu verstehen
Jetzt hat sie es geschafft. Die Würfel sind gefallen. Rien ne vas plus.
Er ist ihr wichtiger. Wichtiger als Alles um uns herum.
Ich kann ihr dankbar sein. Sie hat mir eine Entscheidung abgenommen.
Die Antwort auf eine drängende Frage geliefert.
Dauernd tickte sie in meinem Hirn. Reizte mich. Nervte mich. Brachte Unruhe in den indifferenten Zustand, den ich als Leben bezeichne.
Emotional abgeschaltet. Gefühle unbekannt. Fatalismus als persönliche Weltanschauung. Nichts erwarten, gleich null Enttäuschung.
Flatline im Inneren gibt Stärke. Die ich verdammt brauche.
Mir wurde nichts geschenkt. Kampf von Anfang an. Meine früheste Erinnerung.
Gegen die anderen Kids. Um die wenigen Süßigkeiten.
Gegen die Typen, die sich gegen meinen Willen amüsieren wollten.
Gegen den Kerl, der mich so lange in seiner Gewalt hatte.
Oft verloren, aber immer gelernt. Stärker werdend, den nächsten Fight suchend.
Und immer öfter gewonnen. Bis zum Showdown.
Selbst ihn habe ich geschafft. Hat lange gedauert, aber dann lag er vor mir.
Entsetzte Überraschung im toten Gesicht. War sich so sicher, mich in der Hand zu haben. Dass meine Angst vor ihm zu groß sei. Hat wohl nicht mehr mit mir gerechnet. Hatte mich zu oft schon niedergeknüppelt. Und dachte, ich hätte keinen Schneid mehr.
Irrtum. Ich habe ihn nur taktisch klug verborgen. Bis ich es wagen konnte.
Noch ein Mal. Alles auf eine Karte gesetzt. Mit ganzer Kraft. Voller Einsatz.
Keine Schonung. Nicht mal für mich.
Harte Sache. Gewinner sehen anders aus. Hinterher. Irgendwie war ich nur Überlebende. Aber das war der Sieg. Bitter. Herb. Schmerzhaft.
Trost gab nur die Freiheit. Sie legte sich über die Wunden.
Verhüllte die Narben.
Heute noch ist sie das Wichtigste.
Berauschend in ihrer würzigen, aromatischen, wilden Süße.
Scharf im Nachgeschmack. Nachdrücklich. Unverkennbar.
Abstand halten ist Pflicht. Gefahr droht durch Bindung.
Nähe schmälert Freiraum.
Einsamkeit ist der Deal. Nur allein bin ich wirklich frei. Und zufrieden.
Wärme fehlt manchmal. Ein bisschen. Dann setze ich mich in die Sonne.
Genieße deren Küsse auf der gebräunten Haut.
Fühle den Wind um meinen Kopf. Löse den Zopf, lasse meine Mähne wehen.
Offenes Haar. Zeichen der Freien. Unendliche Kostbarkeit.
Dann stand sie mir gegenüber. Auf der anderen Seite. Als Gegner.
In der seltsamen Atmosphäre knisternder Gewaltbereitschaft.
Ein weiblicher Bodyguard. Japanerin.
Klein, zierlich, nahezu zerbrechlich. Und hübsch.
Unerschrocken trat sie mir entgegen. Stellte tollkühn eine Forderung.
Streckte mir auffordernd eine Hand hin. Sprach leise, aber deutlich.
Und ich?
Ich reagierte auf das Kommando, den Befehl. Übergab ihr die Waffe.
Und überlegte, ob ich sie einfach angreifen soll. Überwältigen. Testen, ob sie so hart ist, wie sie tut. Wann sie wohl aufgibt. Wie viel sie verträgt.
Wann sie weint.
Wann sie ihr Benehmen dem mädchenhaften Aussehen anpasst.
Und ob ihre Haut überall so zart ist, wie an ihrem Handgelenk.
Das ich absichtlich berührt habe, berühren musste. Weil es so irreal war.
Schmal, weiß, blaue Linien unter der Oberfläche. Elfen haben solche Glieder.
So schöne Finger. Unvernarbt. Seidenweich.
Sie muss eine gute Kämpferin sein. Sonst stünde sie nicht im Dienst des angesehenen Hauses.
Unwillkürlich ziehe ich Vergleiche. Ein guter Ruf bei einem Gegner reizt meinen Kampfeswillen. Fordert meinen Ehrgeiz. Bringt mein Blut in leichte Wallung.
In roten Lettern hämmert es durch meinen Willen, wer ist besser? Teste es.
Und ich vergleiche unsere Hände. Meinen sieht man an, wie oft sie einstecken mussten. Und ausgeteilt haben. Meine Handgelenke sind stark. Meine Finger hässlich. Die vielen Verletzungen machen sie nicht schöner. Die Narben heben sich ab, in unterschiedlicher Verblassung begriffen.
Sie, mit der schönen, unversehrten Haut, sie sieht aus wie ein hell strahlendes Pendant von mir. Unverbraucht. Unverdorben.
Älter als ich, aber nur an Jahren.
Uralt bin ich, nach dem Erlebten. Dem Überlebten.
Und sehne mich nach ihrer hellen Lebendigkeit. Der Selbstverständlichkeit, mit der sie ins Licht tritt. Das Dunkel hinter sich lässt. Es nur kurz durchquert.
Und ich trete in die Schwärze zurück und beobachte sie.
Nehme ihren Duft wahr. Rein, klar, natürlich.
Nicht der metallene, zähe, hartnäckige Blutdunst, der sonst überall in der Luft liegt.
Bei allen Treffen wittere ich ihre Unschuld. Sie hat keine Leichen hinterlassen. Höchstens in Notwehr vielleicht. Das zählt nicht.
Und immer wieder, kommt mir blitzartig die Wut hoch.
‚Greif sie an. Zerstöre ihre Gelassenheit. Bring sie zum Schreien. Gib ihr Schmerz.’
Und wie der Donner dem Blitz folgt, kommt das Verlangen hinterher.
‚Greif sie an. Nimm sie in die Arme. Drück sie an Dich. Lege den Kopf vorsichtig auf ihr Haar. Atme ihren Duft. Und halte sie fest, bis sie sich nicht mehr wehrt. Bis sie merkt, dass sie in Sicherheit ist.’
Ich hätte sie in Schutz genommen. Als Mein beansprucht, aber geschützt.
Niemand hätte ihr Leid zufügen dürfen. Ich hätte sie hinter mein breites Kreuz geschoben. Mit meinem Körper verteidigt. Gegen Alle. Erfolgreich.
Sie wäre in absoluter Sicherheit gewesen. Und ich in ihrer Nähe.
In der Nähe der Unschuld, der Jugend, der Frische, der Helligkeit, der Wärme.
Aber jetzt ist es klar. Sie verteidigt den Typen, in den sie anscheinend verknallt ist.
Gegen jede Vernunft. Mit aller Macht. In riesiger Gefahr. Ohne Grund.
Wir hätten ihm nichts getan. Nicht viel jedenfalls.
Er ist zu unwichtig für uns.
Aber wichtig ist die Erkenntnis, dass ich nun kein Problem mehr habe.
Keine Unruhe mehr. Klarheit.
Wenn wir angreifen, dann richtig. Keine Verwirrung, keine Rücksicht, keine Schonung.
Und keine Sehnsucht nach der mädchenhaften Reinheit. Und der zarten Haut.
Angriff pur.