Nosiness
Kapitel 57:
Nosiness
Namis Sicht
Mir wurde vorher furchtbar heiß, wenn ich auch nur daran dachte, am Nachmittag zu Sanji zu gehen.
Wir hatten uns schon gestern verabredet, dann war das in der Pause und heute sollte ich schon zu ihm
gehen, ich war ja sowas von aufgeregt! Doch nun, wo wir bei ihm waren, fühlte ich mich pudelwohl und
meine ganze Aufregung war wie weggeblasen. Schon als er mich zur Begrüßung geküsst hatte,
schwebte ich auf Wolke Sieben und ich fühlte mich so richtig wie Zuhause. Er wollte dann für mich
kochen, nicht mit mir, sondern explizit für mich. Ich stand neben ihm und wollte ihn liebend gerne
dabei von hinten umarmen, aber Pustekuchen, ein Koch war immer in Bewegung und ich hätte ihn bei
seiner Arbeit nur behindert. Ich guckte ihm aufmerksam zu, fand es wie immer erstaunlich, was für ein
Handgeschick er hatte und fragte auch manchmal, wieso er was briet oder garte. Er schenkte mir immer
wieder ein paar Küsse, so könnte ich echt leben, mich einfach zurücklehnen, bekochen lassen und
zwischendurch von meinem Traummann geküsst zu werden. Die anderen waren entweder blind oder
sonst was, jedenfalls hatten die noch nicht gemerkt, dass wir am Vortag Händchengehalten haben.
Erstmal würden wir unser Glück zu zweit genießen und erst später die anderen daran teilhaben lassen.
Irgendwann bat mich Sanji mit Hundeblick ins Esszimmer zu gehen, ich sollte den Rest abwarten, das
Dessert war eine Überraschung. Es war unmöglich, ihm das abzuschlagen, denn er hat mich ganz
hinterhältig aus der Küche geschoben, mit seinen Händen auf meiner Hüfte und dabei geküsst, von
daher musste ich mich geschlagen geben. So war ich im Esszimmer gelandet, wobei ich sofort in sein
Zimmer verschwunden bin.
In seinem Zimmer war ich nun auch schon mehrere Male, hatte mich dort ja immer heimlich umgesehen
und auch dieses Mal reizte es mich, in seiner Nachttischschublade zu wühlen. Sanji brauchte in der
Küche eh noch zehn Minuten oder so, keine Ahnung, und ich hatte ja irgendwo auch die Erlaubnis, mich
dort umzusehen, immerhin war ich ja seine Freundin. Dieses Recht nahm ich mir einfach heraus, er
würde bestimmt nichts dagegen haben. In der Schublade waren nur noch zwei Bücher, eines war wohl
von einem Freund ausgeliehen oder so und dann war da noch das Tagebuch, das ich schon mal
gesehen hatte, in dem Dunkelgrün mit roten Tupfern und dem Schloss dran. Ich holte es zum zweiten
Mal in meinem Leben raus und setzte mich damit auf die Bettkante. Es war wirklich sehr dick, er musste
dort Sachen ausgeschnitten oder ausgedruckt und eingeklebt haben, oder es waren Fotos. Vielleicht
gehörte das Buch ihm gar nicht? Ich hätte gerne gewusst, was da drin war und mir kam ein naiver
Gedanke. Ich würde einfach zu Sanji gehen und ihn fragen, ob ich es mir ansehen dürfte, ich fand das
schließlich richtig interessant. Ein Lächeln machte sich auf meinem Gesicht breit und ich stand auf. Ja,
Sanji würde mir den Schlüssel holen und ich dürfte es mir ansehen, wenn er etwas reingeschrieben
hatte, würde ich es auch nicht lesen, versprochen. So wollte ich es machen, klemmte mir das dicke
Etwas unter den Arm und schloss die Schublade, ging zurück zur Küche.
„Sanji?“ Ich war zur Tür vorgelehnt und wartete, bis er herauskam, bevor ich hereinkommen würde, was
er ja nicht wollte. Schnell wurde die Tür geöffnet, er trat zu mir vor und lehnte die Tür hinter seinem
Rücken wieder an, lächelte mich hingebungsvoll an. Bevor ich meinen Fund vorzeigen konnte, beugte er
sich zu mir vor und stahl mir einen Kuss, wieder fühlte ich mich zu ihm hingezogen wie noch nie in
meinem Leben zuvor zu einem Jungen. Ich musste so glücklich lächeln, dass mir fast wieder entfallen
wäre, weshalb ich ihn aus seinem Reich geholt hatte. „Was gibt’s?“ wollte er neugierig wissen, dann
zeigte ich ihm das dunkelgrün-rotgetupfte Buch. „Das hab ich in deiner Nachttischschublade gefunden.
Gehört das dir?“ Er sah das Buch an, schien kurz zu überlegen und nahm es mir dann aus den Händen,
um es in den seinen noch länger betrachten zu können. Vielleicht wusste er ja nicht mehr, dass er es
hatte? Vielleicht erkannte er es nicht mal wieder, konnte doch gut sein, oder? „Was ist?“ fragte ich
belustigt, da er das Bündel in seinen Händen total fixiert hatte. Dann sah er mich an. „Ja, das gehört
mir. Wieso?“ Er hatte nicht mal gefragt, was ich in seinem Zimmer zu suchen gehabt hatte, also war er
mir nicht böse, aber das hätte er sowieso nicht sein können. Ich setzte einen unschuldigen und
unwiderstehlichen Blick auf und trat einen Schritt näher an ihn ran. „Hättest du was dagegen, wenn ich
es mir ansehe? Ich wüsste gern, was da drin ist.“ Ich dachte, so würde ich ihn rumkriegen oder
wenigstens ein Hin-und-Her-Spiel anfangen, dass ich ihn so lange löchern würde, bis er nachgab, doch
ganz wider Erwarten blockte er vollkommen ab. „Nein, das darf niemand sehen. Da machst du keine
Ausnahme.“ Er war überhaupt nicht auf mein Schmollgehabe eingegangen und hatte einen ganz
normalen ernsten Tonfall, als er mir das verbot, also kein bisschen Verliebtheit war herauszuhören, was
mich leicht stutzig machte. „Warum nicht?“ fragte ich nach, doch Sanji war nicht mehr in Schmuse –oder
Überredungsstimmung, ich konnte es vergessen, dass er mir den Schlüssel geben würde. „Weil das was
Persönliches ist.“ Nachträglich lächelte er mich an, wahrscheinlich wollte er mir auch nichts
ausschlagen, aber er drückte mir das Buch zurück in die Hand. „Leg es bitte zurück in die Schublade,
ich muss in der Küche weitermachen.“ „Okay.“ sagte ich enttäuscht, denn ich hatte geglaubt, er würde
mich es ansehen lassen. „Nicht böse sein, okay?“ Er fasste mich am Kinn und hob es an, er wollte nicht,
dass ich deswegen nachträglich war, doch dann lächelte ich schon wieder. „Bin ich nicht, ich find’s ja
nur schade. Du weißt doch, wie neugierig ich bin.“ Sanji erwiderte mein Lächeln und war wohl
erleichtert, dass ich es ihm nicht übel nahm. Klar verstand ich ihn, mein Tagebuch hätte ich ihm auch
nicht so mir nichts dir nichts überlassen, von daher war es okay.
Ich lief zurück in sein Zimmer und kniete mich vor den Nachttisch und öffnete die Schublade, da fiel ein
Bild aus dem Buch raus. Es landete mit der Bildseite nach oben und beim Aufheben sah ich, dass eine
Jugendliche mit langen, hellbraunen Haaren darauf abgebildet war. Ich erkannte sie sofort wieder, ich
hatte sie einmal im Auto sitzend gesehen, dass musste ganz sicher seine Stiefschwester sein. Es war
kein echtes Foto, sondern am PC ausgedruckt und in mir tauchten gleich mal Fragen auf, weshalb er sie
einfach so fotografiert hatte. Sie stand auf dem Bild in ihrem Zimmer –ich nahm einfach mal an, dass es
sich um ihr Zimmer handelte- und sah auf das Regal vor sich, wahrscheinlich hatte sie die Kamera nicht
einmal bemerkt. In mir keimte eine gewisse Eifersucht, ich fand sie viel hübscher als mich, mit ihren
langen, gut gepflegten Haaren und ihrem hübschen Gesicht. Sie war wohl sehr fotogen und ich wurde
wieder nachdenklich. Wieso wollte mir Sanji nicht Bilder von seiner Stiefschwester zeigen? Schämte er
sich etwa dafür, dass sie blind war? Er sprach nie über sie, ich hatte sie ja auch erst in der Stadt damals
zum ersten Mal gesehen – zufällig. Vielleicht waren da auch Bilder von seiner Mutter drin, und er wollte
sie deshalb keinem zeigen, weil es sich eben um seine Familie handelte. Vielleicht war auch was von
seinem Vater drin, wer weiß? Ich wurde richtig neugierig und fand es schade, dass mir Sanji es nicht
zeigen wollte, ich hätte gerne mehr von seiner Familie gesehen. Wenn da nur Bilder von Familie und
Freunden drin waren, hätte er es mir doch zeigen können, fand ich auf jeden Fall so. Ich würde ihm
auch ein Bild von meiner Mama zeigen, wenn er mich fragen würde. Ich war wegen seiner Ablehnung
zwar nicht verletzt, aber in mir reifte ein Verlangen danach, die restlichen Bilder zu sehen. Da war doch
nichts dabei, oder? Letztendlich resignierend stand ich auf und verließ das Zimmer. Sanji müsste bald
fertig sein.
„Schmeckt es dir?“ stellte mir Sanji diese unnötige Frage und ich schaukelte mit meinem Bein, sodass
ich sein Schienbein mehrmals streifte. „Überhaupt kein bisschen.“ äußerte ich mich und führte
absichtlich einen gut gehäuften Löffel zu meinem Mund, um ihm zu zeigen, dass es mir wirklich absolut
nicht schmeckte. Sanji stand auf, lief zwei Schritt um die Ecke des Tisches in meine Richtung herum
und küsste mich, obwohl ich was im Mund hatte. Das Eis auf meiner Zunge schmolz zwar und ich
konnte den vollen Geschmack schmecken, doch das war nichts im Vergleich zu einem Kuss von Sanji! Er
setzte sich dann schon wieder zurück auf seinen Platz und ließ mich erstmal schlucken. Ich fühlte mich
richtig wohl, er hatte speziell für mich gekocht und er liebte mich. Um ein Gespräch anzufangen, wollte
ich wissen, was er morgen vorhatte, vielleicht würden wir uns wieder sehen. „Sag mal, was machst du
denn morgen?“ Er nahm einen Schluck Apfelsaftschorle und dachte kurz nach. „Ich glaub, Zorro wollte
was von mir. Keine Ahnung.“ Zorro wollte was von Sanji? Ich machte „Hm.“ und trank auch etwas. „Also
hast du keine Zeit?“ zog ich dann einen Schmollmund und tat wie ein sehnsüchtiger Teddy, der wie
bestellt und nicht abgeholt dasaß. „Doch, bestimmt.“ war er sogleich überredet und ich freute mich,
dass er das für mich einrichtete. „Schön, wann kommst du dann?“ erkundigte ich mich weiter und
bekam zur Antwort: „Wann immer du willst.“ Dabei nahm er meine linke Hand, weil ich mit der rechten
noch aß, und küsste mir den Handrücken. „Bist du abends zu Hause?“ Ich nickte. Wunderbar, unser
nächstes Treffen war erst morgen, also in genau vierundzwanzig Stunden. „Noch so lange warten.“ tat
ich niedergeschlagen und er lachte süß auf. „Wir sehen uns doch schon vorher in der Schule.“ Ein
Lächeln war nicht zu verkneifen und ich beugte mich zu ihm vor, um einen Kuss zu ergattern. „Ich weiß,
zum Glück.“ sagte ich und küsste ihn noch weitere Male, bis ich mich wieder auf meine vier Buchstaben
setzte und das angefangene Eis zu Ende löffelte.
Sanji wollte mich zwar nach Hause begleiten, doch ich blockte ab, das war echt nicht nötig. So ganz
anhänglich wollte ich nicht wirken, klar war ich unsterblich gerne in seiner Nähe und das Herzklopfen
nahm einfach nicht ab, doch ich brauchte auch mal die paar Minuten für mich alleine. Die recht kühle
Luft tat mir in den Lungen wirklich gut und Sanji hatte eigentlich den ganzen Tag nicht geraucht, soviel
ich mitgekriegt hatte. Bei dem Gedanken war ich stolz auf mich, ich hatte echt eine Chance, es ihm
abzugewöhnen. Na, wenn das kein Liebesbeweis war, was dann? Gut gelaunt lief ich in die
Nachbarstraße entlang und ließ meinen Gedanken freien Lauf. Sein Tagebuch hätte ich ja schon
ziemlich gern gelesen, nur konnte ich das ohne Erlaubnis nicht bringen. Vielleicht sollte ich seine
Schwester einfach mal besuchen? Sie würde sich bestimmt über Besuch freuen, wenn sie nur die ganze
Zeit im Krankenhaus war. Ich brauchte bloß ihre Adresse und das alles, aber da wusste ich schon eine
Lösung, wie ich da dran kommen würde. Das war eine gute Idee, dann könnte ich mit ihr ein wenig über
Sanji reden und vielleicht würde ich mich auch ganz gut mit ihr verstehen. Ich kannte niemanden privat,
der eine Behinderung hatte, und ich fand das eigentlich total interessant, mal mit solchen Leuten zu
reden. Dabei standen noch nicht mal die Chancen so schlecht, bald eine neue Freundin zu finden, dann
würden Sanji und ich sie gemeinsam besuchen und er würde mir gegenüber geöffneter über seine
Familie sein. Ja, das war ein guter Plan und zufrieden latschte ich den kurzen Weg zu meinem Zuhause
hin, bis ich vor der Haustür stand und die Schlüssel zückte.
erstellt am 29.05.2007
4Kolibris,
Elena