Altercation - Pubertät 11
Kapitel 19:
Altercation - Pubertät 11
Lydias Sicht
Was hab ich nur falsch gemacht? Wie konnte das nur passieren? Mein kleiner Sanji ist mit Seulgi
zusammen? Er ist zwar groß geworden, und dass er sich eine Freundin suchen würde, war mir auch klar
gewesen, aber dass er etwas mit... mit unserer ’neuen Familie’ hatte? Ich hatte es mir so schön
ausgemalt, mit Jeff und Seulgi zusammenzuleben. Sanji würde einen Vaterersatz haben und mit einer
kleinen Schwester aufwachsen, das hätte alles so perfekt funktioniert. Aber dass die zwei andere Pläne
hatten... Wieso haben Jeff und ich nichts von alledem gemerkt? Hatten sie es uns etwa die ganze über
verheimlicht? Und wie lange schon? Dass Sanji so was machen würde hätte ich nie gedacht... Das Jeff
gestern so ausgetickt ist, hat mir total Angst bereitet. So wütend hab ich ihn noch nie erlebt. Aber das
war ja eine Ausnahmesituation... Ich hoffe mal, dass das ein gutes Ende nimmt. Wir müssen irgendeine
Lösung finden, dass unser harmonisches Familienleben wieder hergestellt wird. Jeff kann ja nicht ewig
auf ihnen herumhacken, ich finde, sie sollen zusammen sein dürfen, aber es muss Grenzen geben. Das
alles darf nicht weiter ausschreiten.
Ich bin heute Morgen aufgewacht und Jeff hat sich unmöglich aufgeführt. Da fragt man sich doch echt,
ob er noch ganz dicht ist, ohne dass ich übertreibe. Er hatte die Kinder gestern Nachmittag eingesperrt
in ihre Zimmer, und sie die ganze Nacht nicht raus gelassen. Heute wollte ich dann Kaffee machen, da
ließ er Seulgi raus. Er hat sie ins Bad gescheucht und kam dann zu mir, mit einer sehr üblen Laune. Ich
sprach ihn natürlich nicht darauf an, ich bin immer noch eingeschüchtert, wenn mein Freund, oder eben
Mann, Aggressionen bekommt. Das muss ich unbedingt noch ändern... Sanji hatte mir mal
vorgeschlagen, zu einem Psychiater zu gehen, doch dazu hatte es immer an Geld gefehlt. Jetzt mit Jeff
könnte ich zwar, da wir ja stabilen Boden unter uns haben, aber ich dachte, es wäre nicht mehr nötig. Er
kam dann zu mir und sagte auch kein Ton. Bald darauf kam Seulgi in die Küche, sah zwar von der
Dusche gepflegt, aber vom Erscheinungsbild her unausgeschlafen aus. Man konnte ihr gut ansehen,
dass sie einen schlechten Tag hinter sich hatte. Jeff gab nur Befehle wie ’Setz dich.’ oder ‚’Iss was.’
Seulgi sah keinen von uns direkt an und führte die Befehle gehorsam aus. Jeff holte auch Sanji aus
seinem Zimmer, der ins Bad sollte. Als Seulgi mit ihrem knappen Frühstück fertig war, nahm Jeff ihre
Schultasche und rief sie zu sich. Er wollte sie persönlich in die Schule bringen. Dabei dachte ich mir
nicht viel, er wollte ja sicherlich nur auf der Hinfahrt mit ihr in Ruhe sprechen. Sanji kam dann auch
runter und aß etwas. Er war auch verstummt, obwohl wir beide alleine waren. „Du sollst den Bus
nehmen, hat Jeff gesagt.“ teilte ich ihm mit. Er sah stur an die Wand und beachtete mich nur bedingt,
was ich eben schlucken musste. Das würde ja schon wieder werden.
Jeff kam dann zurück und ich gab ihm eine Tasse Kaffee. Wir saßen uns an den Tisch und er begann,
sich aufzuregen. „Das hätt ich von Seulgi nie gedacht! So hab ich sie ganz sicher nicht erzogen!“ „Hast
du auf der Hinfahrt mit ihr geredet?“ „Nein! Sie war stumm wie ein Fisch. Sie hatte sich mir noch nie
widersetzt!“ Seine Augenbrauen waren zugezogen und die Stirn in Falten gelegt. Wir würden das ganz
sicher meistern. „Sanji hat auch kein Wort von sich gegeben.“ pflichtete ich ihm bei. „Dein Junge ist an
allem Schuld! Er hat meine Tochter verführt!“ Dass er so eine Grenzlinie zwischen unsere Kinder ziehen
würde, hatte ich nicht erwartet. „Ich werde Seulgi wieder von der Schule abholen. Die beiden werden
sich jetzt erstmal nicht mehr zu Gesicht kriegen.“ Bei seinen Vorstellungen kamen mir schon Bedenken.
„Aber Jeff, das kannst du nicht jeden Tag durchziehen, das weißt du schon!?“ Er gab bloß ein Grummeln
von sich und ich blieb lieber still. In dem Moment dachte ich noch nicht groß weiter, immerhin gab es in
der Pubertät unserer Kinder immer solche Phasen, wo sie sich mal gegen uns auflehnen oder
widersetzen, doch Jeff hatte sich da richtig in etwas hineingesteigert. Gegen halb Zehn fuhr er an die
Schule und meinte, dass er dort nur Aufpassen will, dass die beiden sich nicht in der Pause trafen und
miteinander sprachen. Das war dann allmählich schon zu viel, immerhin spioniert man seinen Kindern
nicht so hinterher. Aber er fuhr wirklich dorthin, um sie am Schulgeländer zu beobachten. Ich war mir
sicher, dass er auch eingegriffen hätte, wenn sie miteinander Kontakt aufgenommen hätten.
///
Ich bin gerade am Kochen und Jeff hatte genau dasselbe Programm durchgeführt, wie gestern schon.
Für die große Pause behielt er sie im Visier und arbeitete ansonsten von Zuhause aus. Heute haben
beide gleich lang Schule und wir werden darum gemeinsam Essen. Hoffentlich ergibt sich da die erste
Gelegenheit, über alles zu sprechen. Gestern Nachmittag hatte Jeff sie nochmals zu Hause eingesperrt,
was viel zu übertrieben war! Er kann ihnen ja nicht auf Dauer die Freiheit nehmen, höchstens
Stubenarrest erteilen, wobei das ja nichts an ihren Gefühlen ändern würde. Ich decke den Tisch und
warte ab. Da kommt Jeff mit den Kindern herein und ich begrüße sie. „Hallöchen.“ Doch Sanji fehlt. „Wo
ist denn Sanji?“ Jeff gibt mir eine monotone Antwort. „Der kommt mit dem Bus.“ Ich möchte fragen,
warum er ihn nicht einfach mitgenommen hat, doch unterlasse es. Seulgi grüßt mich leider nicht und
will direkt in ihr Zimmer laufen, doch ich halte sie auf. „Ich hab Essen gemacht. Du kannst gleich hier
bleiben, es ist schon fertig.“ Also dreht sie sich um und läuft zum Tisch. Ich eile in die Küche und gieße
die Kartoffeln ab, sodass es dampft. Ich tue ihnen auf. „Warten wir nicht auf Sanji?“ wende ich mich an
Jeff, doch er tut gleichgültig. Mitten im Essen geht die Haustür auf und Sanji kommt herein. Ich freue
mich natürlich und stehe auf, um ihn zu begrüßen. „Hallo, Spatz. Wir essen grade.“ Er hat sich entweder
abreagiert oder seine Wut angestaut, ich kann seine Laune nicht einschätzen. Doch ich bleibe
freundlich, vielleicht färbt auf ihn ja etwas ab. „Hab keinen Hunger.“ sagt er und möchte auf sein
Zimmer, doch da ruft Jeff ihn. „Hier geblieben, junger Mann. Komm her und setz dich.“ Er legt den
Ranzen weg und geht tatsächlich ins Esszimmer, ich folge ihm. Ich glaube, er hält kurz Augenkontakt
mit Seulgi, bis er sich Jeff zuwenden muss. „Setz dich.“ wiederholt sich Jeff und Sanji tut es. „Tu ihm
was auf, Lydia.“ Normal nehme ich solche Anweisungen nur mit ’Bitte’ an, aber heute will ich mal nicht
so sein. „Ich will aber nichts essen.“ beharrt Sanji und ich bleibe stehen, unklar, wie ich vorgehen soll.
Jeff sieht zu Seulgi und dann wieder auf meinen Sohn. Ich will nicht, dass das in Streit ausartet, also
greife ich ein. „Ich tu dir nur wenig auf, du musst was Warmes im Magen haben.“ Sanji antwortet nicht
und schaut auf den Tisch. Ich begebe mich in die Küche und hole einen Teller.
Das Telfon klingelt und ich breche mein Vorhaben abrupt ab, um das Gespräch entgegenzunehmen. Es
ist eine Bekannte und ich muss sie eigentlich abwimmeln, was nicht so leicht wird. Ich gehe in den
Eingangsbereich, wo ich nichts von dem Gespräch im Esszimmer mitbekomme, das würde jetzt nur
ablenken. Sie redet mich mit der letzten Chorprobe zu und lässt sich offenherzig über den
Gruppenleiter aus und ich muss höflicherweise zustimmen. Die Unterhaltung kann ich dann doch
irgendwann beenden und lege gerade auf, da höre ich laut werdende Stimmen. „DU KANNST UNS NICHT
VERBIETEN ZUSAMMEN ZU SEIN!“ Ich komme zurück, stehe in der Tür und sehe, dass Sanji hinter Seulgis
Stuhl steht und sich auch Jeff erhoben hat. Das darf nicht eskalieren, ich muss den Streit unterbinden.
„Sanji!“ Er sieht zu mir und zeigt dann auf Jeff. „Mama, das kann er nicht machen! Er kann uns nicht
jeden Abend wegsperren und sogar in der Pause aufpassen, dass wir nicht zusammen sind! Ich meine –
das ist doch total krank was hier abgeht!“ Seulgi sagt jetzt auch zum ersten Mal was, seit ich
gekommen bin, im überredenden Ton. „Papa, das kann doch so nicht weitergehen. Wieso lässt du uns
nicht einfach zusammen sein? Wir lieben uns wirklich.“ Beim letzteren Satz wird ihre Stimme leiser und
ich überlege, mich für sie einzusetzen. „Sei still!“ herrscht Jeff sie an und spricht zu Sanji weiter. „Ich
hab dir doch schon gesagt, dass du die Finger von ihr lässt!“ Er beschuldigt nur ihn, wobei Seulgi doch
genauso mit dran beteiligt ist. Dazu gehören schließlich immer zwei, wenn man heimlich zusammen
ist. „Aber was soll das bringen!? Du kannst doch eh nichts-“ fängt Sanji an, bekommt aber das Wort
abgeschnitten. „Ich kann sehr wohl und du hörst auf mich! Ich hab das Sorgerecht für dich, ist dir das
klar?“ Daran habe nun ich zu schlucken. Durch unsere Heirat haben wir die beiden gegenseitig
adoptiert, das war nicht gut. Also nicht, wenn er das jetzt gegen ihn verwendet! Das macht Sanji
natürlich wütend. „Jetzt spiel dich hier nicht so auf! Ich kann machen, was ich will! Und du brauchst mir
gar nichts zu sagen, kapiert? Ich liebe Seulgi und spätestens wenn ich 18 bin gehen wir eh von hier
weg, dann sind wir dich los!“ Das Sanji so gut kontern kann, wusste ich nicht. Das hat Jeff bestimmt
getroffen, was kann ich jetzt noch machen? Das gibt ein großes Donnerwetter, wenn sich die beiden
weiter so auslassen.
„Du willst mir meine Tochter wegnehmen!?“ Jeffs Stimme klingt drohend, was mir gar nicht gefällt.
„Sanji! Papa! Könnt ihr mal aufhören??“ Sanji hakt ein. „Aber Seulgi, das kann doch nicht angehen, dass
der uns extra getrennt in die Schule bringt und abholt und nachts sogar einsperrt! Das ist KRANK!“ Ich
will nicht, dass Sanji jetzt austickt! „Hey ihr zwei, beruhigt euch doch mal.“ beschlichte ich sie, doch
ohne Erfolg. Meine Stimme ist einfach zu dünn, um da durchzudringen. Er dreht sich zwar zu mir um,
doch jetzt bekomme ich alles ab. „Von wegen beruhigen! Merkst du eigentlich, was hier abgeht!? Das ist
VERRÜCKT!“ Er tippt mit dem Zeigefinger an den Kopf und wirft dann wieder alle möglichen
Rechtfertigungen an Jeffs Kopf. „Das geht so nicht an! Ich lass mir von dir nichts mehr befehlen, du
kannst Seulgi und mich nicht auseinander bringen!“ Sein voller Einsatz zeigt bei dieser aber keine große
Wirkung, sie wünscht sich auch, dass die Streithähne aufhören und nicht von ihr reden, als wäre sie
nicht da. Ich versuche es noch mal, mich einzumischen. „Frag sie doch mal selber, was sie will! Du
sprichst von ihr und sie hat keine Chance, mal selbst was zu sagen!“ Jetzt muss sie die Initiative
ergreifen. Sie sieht ihren Vater an und sammelt nach Worten, weiß aber auch nicht recht, was sie jetzt
tun soll. „Papa, könnt ihr nicht einfach aufhören euch zu zanken? Also, ich meine... Sanji hat schon
Recht, ich wäre gerne mit ihm zusammen, aber ich will doch auch nicht, dass ihr euch deshalb so in die
Haare kriegt.“ Sie schluckt und ich stütze meine Hände auf der Rückenlehne eines Stuhls. Jeff hält einen
Moment inne. „Seulgi, ich möchte nicht, dass du in die falschen Hände gerätst, das ist alles.“ „VON
WEGEN!“ ruft Sanji und wird immer wütender. „Grad weil ich mich nicht um sie kümmern könnte! Du
hast doch keine Ahnung von NICHTS!“ Ich melde mich wieder zu Wort. „Sanji, beruhige dich!“ Doch er
hört nicht auf. „MANN, ist doch wahr, du hast keinen Schimmer was ich alles für Seulgi tun würde! Ich
schwöre dir dass ich sie wirklich liebe und- keine Ahnung was du von mir denkst ich weiß nur- ach –
Pfffff! Ich scheiß auf das, was du mir vorschreibst!“ Er hat sich total verhaspelt und ich hoffe mal, dass
ihm das alles nur rausgerutscht ist. Jeff wird wieder drohend und kommt ein Stück um den Tisch
herum. „Mein Freundchen, du wirst dich meinem Willen beugen, das wirst du schon sehen!“ „Hey, dein
Programm kannst du nicht jeden Tag durchziehen! Da hab ich auch noch ein Wörtchen mitzureden!“
Ihre Köpfe sind total rot, merke ich jetzt erst. Ich knabbere an meinen Fingernägeln, ein Stress-Abreg-
Ding. „Du halbe Portion willst MIR drohen!?????? Übernimm dich bloß mal nicht! Ich hab noch ganz
andere Mittel auf Lager!“ „Papa!!“ Sanji kontert wieder. „Mir ist das scheiß egal was du mir auf den Hals
hetzen willst, ich lass mir von dir nix mehr sagen! Spätestens mit 18 bin ich hier weg!“ „Das dauert aber
noch ne Weile, und wo du dann hinkommst ist mir auch Schnuppe! Ob du auf der Straße landest oder
sonst was!“ „Mann fick dich doch! Du kannst mir nix anhaben! Wenn du willst schlag mich doch, aber
das hast du Memme überhaupt nicht drauf!“ Dass Sanji ihn jetzt so provoziert geht reichlich zu weit.
„Sanji!“ Jeff lässt sich zum Glück nicht zum Handgreiflichen mitreißen. „Das hab ich nicht nötig, ich lass
lieber Taten sprechen! Ich könnt dich auf die Straße setzen, aber-“ ein leichter Lachansatz ist zu
vernehmen und er deutet kurz mit dem Kopf zu mir; „da hat deine Mutter auch noch ein Wörtchen
mitzureden. Ich denk ich hab die ideale Lösung!“ „Achja!? Das interessiert mich nen
Scheißdreck!“ „KÖNNT IHR NICHT AUFHÖREN!?“ schreit Seulgi und steht hastig auf. „Mann, das ist
furchtbar! Lasst doch mal gut sein!“ Jeffs Augen funkeln und er hebt drohend die Hand, ohne auf Seulgi
einzugehen. „Ich kann dich hier ganz leicht aus dem Haus holen! Du kommst einfach ins Internat!“
Jeff macht doch nur alles schlimmer, als es ist! Sanji soll ins Internat!? Wie kann Jeff das einfach so
festlegen und für mich mitentscheiden!? Einen Augenblick bricht die totale Stille, aus, bis sich Sanji
wieder regt. Leicht geschockt und abwertend lacht er auf. „Mich einfach so abschieben, das ist so
typisch! Was Besseres fällt dir jetzt auch nicht mehr ein, was?“ „Papa das kannst du nicht machen!“ „Jeff,
das wirst du nicht tun!“ Seine Stimme ist mächtiger als die von uns dreien zusammen. „Ich kann, das
werdet ihr noch sehen! Die werden dir wenigstens Manieren beibringen, und das du auch tust, was man
dir sagt!“ Sanji stürmt auf ihn zu. „Halt’s Maul, du Arsch! Das kannst du nicht machen, das bringst du
nicht fertig!“ Zu solchen Beleidigungen greift er normal nicht, in meiner Gegenwart zumindest, und ich
muss hier wirklich Einhalt gebieten. „Sanji, lass ihn los! Und Jeff, das wirst du ganz sicher NICHT tun!“
Ich werde schon wieder überhört. Jeff stößt ihn von sich weg. „Dir wird gar nichts anderes übrig
bleiben, dort kannst du dann deine Launen ausleben! Und du findest sicher wieder eine, die du
rumkriegen wirst! Ich lass jedenfalls nicht zu, dass du meine Tochter noch mal mit deinen
Schmutzfingern anfasst!“ „Papa! Lass ihn in Ruhe! Du hast doch keine Ahnung, Mensch!“ Sanji stiert ihn
sauer an und ich weiß nicht, wie das weitergehen soll. Unser friedliches Miteinander ist erst mal im
Eimer und ich weiß nicht, ob wir das noch mal herstellen können.
erstellt am 24.04.2007
4Kolibris,
Elena