Chrimbo - Pubertät 7
Kapitel 11:
Chrimbo - Pubertät 7
Seulgis Sicht
Es ist schon wieder Samstagmorgen und Papa ist mit Lydia weg, einkaufen. Mit Sanji ist abgemacht,
dass ich den Tisch decke und mache mich deswegen sofort ans Werk. In einer Woche ist schon
Weihnachten... Von oben her höre ich aus heiterem Himmel einen Bohrer! Sanji war zuvor im Haus
herumgeschlichen, aber was will er denn ein Loch in die Wand machen? Ich lasse die noch
aufgestapelten Teller stehen und begebe mich in Sanjis Zimmer, aus dem der Krach kommt. Ich warte,
bis er von selbst aufhört die Wand zu quälen. Sein Regal hat er verschoben und bohrt auf Bauchhöhe
das Loch. Endlich schaltet er das lärmende Gerät ab und dreht sich zu mir um. „Was soll denn das
werden?“ möchte ich wissen. Er richtet sich auf und lächelt mich an. „Dreimal darfst du raten!“ Anstatt
auf sein Spielchen einzugehen komme ich ihm näher und küsse ihn charmant. „Sag’s mir doch einfach.“
Wie zu erwarten kann er mir nicht länger den Sinn seines Aktes vorenthalten. „Ich erkläre dir jetzt, was
das wird.“ Er zieht mich näher zu sich heran, sodass ich meine Arme um seine Hüfte legen kann. „Durch
dieses Loch können wir uns zusammengerollte Zettel zuschieben.“ Mit Verwunderung sehe ich ihn an.
Zettel zuschieben? Wann denn und wozu? Wie kam er auf die Idee? „Aha und dann?“ frage ich mit
abgehackter Stimme. Er fährt fort. „Dann weiß niemand, dass wir uns heimlich Briefe schreiben. Guck,
wenn wir das Möbel hier davor schieben sieht man es nicht. Und du musst auch bloß irgendetwas vorne
dranmachen oder ein Bild aufhängen.“ Ich wüsste zu gerne, was in seinem Kopf vor sich geht, aber
dieser Geniestreich ist ihm echt gelungen. Mit einem Lächeln schüttele ich den Kopf.
///
Ich sitze im Badezimmer, mit dem Rücken an der Heizung gelehnt. Dabei lese ich im Buch ’Sophies
Welt’ und bin so darin vertieft, dass ich kaum bemerke, dass Sanji hereinkommt. „Kuckgucks!“ hockt er
sich direkt vor mich hin. Doch anstatt ihn zu beachten, möchte ich noch die letzten vier Zeilen zu Ende
lesen. „Hallo?“ Ja, gleich! Er drückt mich ungeduldig am Fuß herum und mit einem ungewollten Lächeln
lege ich das Buch ihm zu liebe weg. Er trägt eine schwarze Hose und einen sehr schönen Pullover, sowie
ich einen Rolli anhabe. Es ist wirklich bitterkalt geworden, schon seit einer Woche schneit es
ununterbrochen. Deshalb sitze ich auch gerne im Bad, weil es hier am Wärmsten ist. „Was gibt’s?“
möchte ich nach seinem Erscheinen wissen. „Hast du Lust, mit mir raus zu gehen? Wir packen uns warm
ein und machen einen Spaziergang.“ Der Vorschlag hört sich gut an, ich brauche mir also nur noch eine
Strumpfhose unter die Jeans anziehen und das war’s. „Geht klar.“ lächele ich wieder mal und stehe auf.
Die Wärme der Heizung bleibt noch in meiner Kleidung hängen und ich sehe, dass die Badezimmertür
halb zu ist. Also riskiere ich einen Kuss, dann gehen wir beide nach unten. „Wir gehen ein bisschen
raus.“ ruft Sanji in Richtung Wohnzimmer, um Bescheid zu sagen. „Okay!“ kommt es von seiner Mutter
zurück, während wir schon unsere Winterstiefel anziehen.
Wir laufen am alten Uferweg entlang, der Himmel ist leicht bewölkt und die Temperatur liegt weit unter
Null. Leider halten wir keine Händchen, aber was will man machen? Wenn uns jetzt ein Bekannter über
den Weg läuft, wäre das unangenehm. Auf Geländern, Autos, Bäume und der Straße hat sich Frost
gebildet und beim Sprechen kann man den eisigen Atem sehen. Auch wenn ich eher ein Sommertyp bin,
ist dieser Winter etwas ganz Besonderes für mich, da ich ihn mit Sanji gemeinsam erlebe. So glücklich
verliebt war ich noch nie... Unsere Hände streifen beim Laufen einander und wir halten immer für
Millisekunden ein paar Finger ineinander verhakt, wirklich nur ganz kurz. Schon wieder berühren sie
sich leicht und eine Wärme macht sich in mir breit. Schräg von der Seite sehe ich ihn an. Ich liebe
seinen schwarzen Wintermantel, der so gut zu der schwarzen Hose passt! So einen Style finde ich
umwerfend gut aussehend und zu seinen blonden Haaren passt das so gut, als wäre diese Kombination
von Klamotten nur für ihn entworfen worden. Schwarz macht ihn kein bisschen blass, sondern nur
attraktiver. Was soll ich ihm bloß zu Weihnachten schenken? Es muss etwas normales sein, aber beim
genaueren Betrachten muss es auch was Besonders haben, immerhin ist es für Sanji! Und ich lass mich
mal überraschen, was er sich für mich ausdenkt. Die Vorfreude könnte gar nicht größer sein darauf,
ganz echt nicht.
///
Gestern war Heiligabend und dazu noch ein ganz toller Tag. In der Kirche habe ich neben Sanji
gesessen und unsere Knie haben sich berührt. Zuhause gab es ein unübertreffliches Weihnachtsessen
und abends war die Bescherung. Sanji hat sich riesig über meinen selbst gemachten Kalender gefreut,
und Papa und Lydia haben von mir auch etwas Gebasteltes bekommen. Sanji schenkte mir ein
Plüschtier, einen Eisbären, der ist sooooo süß und richtig kuschelweich! Das ist für mich das schönste
Geschenk von allen, der hat sogar ein rosa Herz auf der linken Brust aufgemalt und sich somit einen
Ehrenplatz auf meinem Bett verdient. Im Moment räume ich mein Zimmer auf, da Carmen noch
vorbeikommen wird. Auch wenn heute der erste Weihnachtsfeiertag ist, dürfen wir rausgehen. Mir fehlt
gerade die Schippe mit dem Feger und ich gehe runter, wo Papa und Lydia noch mal die Kerzen vom
Weihnachtsbaum angezündet haben, damit die ganz runter brennen. Es richt noch immer überall in der
Wohnung nach Zimt und ich hole mir den gewollten Gegenstand. Sanji ist leider auch mit Freunden weg
und ich fühle mich, als ob mir etwas fehlen würde, dabei weiß ich ja, dass er Schuld ist. Ich kehre den
Staub zusammen und hole dann das Geschenk für Carmen raus, das ich ihr nicht vorher gegeben habe.
Wenn ich daran denke, dass in knapp einer Woche schon Sylvester ist, finde ich, dass das Jahr ziemlich
schnell vorbeigegangen ist. Ob wir dieses Jahr auch Raketen abschießen werden? Hauptsache ich bin
dann in Sanjis Nähe, da ist es mir egal, was um uns herum geschieht. Unten klingelt es, das wird wohl
Carmen sein! Den Dreck kippe ich in den Mülleimer und laufe die Treppe nach unten, um ihr
aufzumachen.
erstellt am 13.04.2007
4Kolibris,
Elena