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Götterträne

Die Zeit der Dämonen und Magie
von

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Unter dem Stapel mit Jainas Erzählung finden sich nummerierte Seiten, der Titel der Arbeit, wie auch die Seiten sind nur teilweise zu lesen. Brand und Blutflecken machen das Lesen zum Teil unmöglich. Und den Anfang macht eine Geschichte, so abenteuerlich und bizarr, dass sie selbst für Zaphods Verhältnisse ungewöhnlich ist.
 

-Der gefallene Engel-
 

Meister Kel’Thusad, Jaina und ich wanderten in den fremden Landen Kanntbeun umher, als wir einer Nomadenschar begegneten. Wir wurden freundlich begrüßt und- gegen ein wenig Bezahlung- durch einen Planwagen geführt, in dem die größten Attraktionen aufbewahrt wurden.

Einige Absätze sind hier durch grässlich viele Brandflecken unkenntlich gemacht, in denen die verschiedenen Attraktionen beschrieben zu werden scheinen. Doch dann folgt ein sehr gut erhaltenes Stück Pergament.

Und ganz hinten, einen Dämonen, gefangen in einem Pentagrammkreis. Jaina betrachtete interessiert die Runen, während Kel’ und ich uns dem im Dunkeln kauernden Dämonen näherten.

Erst als ich eine kleine Flamme heraufbeschwor, konnte man seine Gestalt erkennen. Erstaunt stieß ich einen Pfiff aus- dies war kein gewöhnlicher Dämon! Er sah aus wie ein Engel... „Mit dem einen Unterschied“, brummte Kel’, der gerade das Offensichtliche ansprach und ignorierte Jaina, die bei der Erwähnung des Wortes „Engel“ sofort bewundernde Blicke auf den Dämonen warf, „Dieser hier hat schwarze Flügel“ Dies war ein Tick von Kel’Thusad, den jedermann unsympathisch fand: Er spielte sich mit dem Offensichtlichen immer wieder auf.

Außerdem taten die schwarzen Flügel nichts zur Sache, dies war ein menschenähnlicher Dämonen mit Flügeln- ganz das Musterbeispiel eines Engels und garantiert eine Sensation für jeden Zirkusbetreiber.

„Was ihr nicht sagt.“, krächzte der Dämon trocken und schlenderte gelassen so nah an uns heran, wie die Pentagramme es ihm erlaubten. Fasziniert betrachtete ich ihn genauer. Es war kaum zu glauben, dass dies kein Engel sein sollte. Ich empfand nicht einmal meinen üblichen, Übelkeit verursachenden, Hass ihm gegenüber. Vielleicht, weil er in keiner Weise Ähnlichkeit mit den geistig verwirrten und körperlich abstoßenden Wesen hatte und die Friedlichkeit der Engel ausstrahlte.

In der Hoffnung, durch diese Frage eine Ahnung vom Wesen des Dämonen zu bekommen, fragte ich ein plumpes „Wer bist du?“ Der Dämon begann zu kichern, sah mich aus seinen viel zu menschlichen Augen an und sagte:

„Ein Teil von jener Kraft,

Die stets das Böse will und stets das Gute schafft.“

Mit hochgezogenen Brauen starrten Jaina und ich uns an. Wollte er einen Schabernack mit uns spielen?

„Was ist damit gemeint?“, fragte Kel’ argwöhnisch.

„Ich bin der Geist, der stets verneint!

Und das mit Recht; denn alles, was entsteht,

Ist wert, dass es zugrunde geht;

Drum besser wär’s dass nichts entstünde.

So ist denn alles was ihr Sünde,

Zerstörung, kurz das Böse nennt,

mein eigentliches Element.“

, trug der Dämon wie auswendig gelernt vor. Und auf unsere verwirrten Blicke antwortete er mit kreischendem Lachen:

„Diese Worte werde ich irgendwann einmal, wenn die Dämonen nur noch in der Phantasie der Menschen existieren, einem Dichter in den Kopf setzen, um allen Menschen die beste Beschreibung meiner Person zu geben... Um eure Frage zu beantworten, ich bin Luzifer, auch genannt Mephisto oder Beelzebub- ihr könnt es euch aussuchen.“

„Und... was bist du?“, fragte ich schließlich, denn seine vorige Antwort hatte mir nicht wirklich weitergeholfen. Luzifer lachte kurz in sich hinein (für einen Gefangenen fand ich ihn seltsam fröhlich) und antwortete dann geschwollen:

„Ich bin der Dämon, der alle anderen gebar. Eine gemeine Ironie, einen Nihilisten zum Gründungsvater der Dämonen zu erheben.“, er blickte verträumt an die holzbeschlagene Decke.

Kel’ Zog scharf die Luft ein. „DU bist der erste Dämon? Du wurdest von den Göttern als erster geschaffen?!“ Luzifer sah ihn abwertend an: „Was, du großer Meister, soll man sonst unter ‚Gründungsvater’ verstehen?“ Kel’, der sich selbst genauso wichtig nahm wie die Alltäglichkeiten, die er ständig betonte, lief rot an.

„Ich sehe aus wie ein Engel“, erklärte Mephisto gleichmütig und wandte sich mir dabei interessiert zu, „Weil dies die Ursprüngliche Form unserer Rasse war, das hat dich wahrscheinlich zu deiner Frage gebracht. Und da ich der erste Dämon war, bezieht jeder Dämon aus mir seine Kraft, denn ich bin ein Teil des Willen Gottes.“

„Du hängst dem Monotheismus an?“, fragte Jaina neugierig. „Wurdest du denn nicht von den Göttern geschaffen und hast sie gesehen? Warum glaubst du trotzdem an den einen Gott?“

Luzifer lächelte sie gequält an. „Licht gebiert immer Schatten, meine Liebe. Gott oder Götter, das ist fast das Gleiche. Der Wille aller Götter ist der Wille Gottes. Doch da Gott auch immer die Vernichtung im Bewusstsein hält, wurde ich erschaffen und mir die Saat des Chaos in den Verstand gesät.“ „Euch allen?“, fragte ich überrascht. „Die Engel scheinen mir nicht vom Chaos beherrscht.“

Luzifer grinste mich an. „Du stellst kluge Fragen, mein Junge. Ich weiß selbst nicht genau, warum die Engel und anfangs auch ich von dem Wahnsinn verschont blieben, vielleicht waren wir einfach zu mächtig, als dass der Samen des Chaos von allein hätte aufkeimen können. Der Frieden aber schien in den anderen Dämonen das Chaos so richtig aufblühen zu lassen.“, er lachte mit irrem Blick auf. „Früher hatte ich das bedauert, doch heute finde ich diese Ironie köstlich!“ „Moment“, wandte Kel’ ein, „so wie du es darstellst wärst du, wenn es ihn denn gäbe, ein Teil Gottes. Aber auch unsere Götter wären dann Teile Gottes- maßt du dir etwa ihre Macht an?“

Luzifer verzog das Gesicht: „Solche Fragen sind doch ohne Sinn- meine Macht misst sich nie mit der ihren- doch bin ich, von allen Wesen auf Erden, ihnen am nächsten. Schließlich bin ich, wie auch sie, unsterblich! Ich bin weder Engel noch Dämon, weder göttlich noch sterblich doch unter denen, die unter der Sonne wandeln bin die unangefochten mächtigste Gestalt- der gefallene Engel Luzifer.“

„Ein gefallener Engel?“, warf ich ein, „Das heißt dann ja wohl, dass du einst ein echter Engel gewesen bist, trotz deiner hohen Worte.“ Luzifer kicherte vergnügt und nickte hastig: „Ganz genau, du großer Schüler eines“, er warf Kel’ einen vernichtenden Blick zu, „kleinen Meisters.“

„Und wie kamst du dazu, zu fallen?“, fragte Kel’ grollend, wohl wissend, dass Luzifer auf genau diese Frage wartete. „Seht ihr,“, sagte Luzifer schmierig, „ich war damals der höchste Engel. Stolz befolgte ich jede Weisung der Götter, auch nachdem ihr erster Versuch einer Rasse mit freiem Willen misslungen war- natürlich ganz nach dem Plan des einzig wahren Gottes.

Doch dann befahl mir der Gott des Friedens- ausgerechnet! – Die Vernichtung der Dämonen, bevor sie der Welt noch größere Schäden beifügten. Doch ich konnte nicht.. Ich brachte es nicht über mich, meine Söhne und Töchter zu ermorden!“, hatte er schon während er sprach traurig geklungen, zuckte er nun endgültig wie von einem gewaltigen Schluchtzehn geschüttelt zusammen. Doch erklang kein Schluchzen- ein wahnsinniges Kichern drang aus seiner Kehle. Er lief hysterisch lachend und ohne Ziel in seinem Gefängnis umher und das Licht meines Feuers spielte äußerst furchterregende Spiele mit seinem Körper, was den Eindruck des Wahnsinns noch mehr verstärkte.

Seine Flügel zuckten nun bei jedem Wort vor verhaltenem Kichern: „Ich konnte, nein! Ich wollte nicht tun, was mir dieser Gott befohlen hatte- sterbliche Wesen werden dafür mit dem Tod bestraft- doch leider bin ich unsterblich.

Sie klagten mich, nicht zu unrecht, dem Ungehorsam an, sie verstießen mich aus den Scharen der Engel und quälten mich auf eine Weise, die kein sterblicher sich auch nur vorstellen kann.

Doch schlimmer als alle körperlichen Qualen war der Streit meines Gewissens- ich konnte meine göttliche Pflicht nicht verletzten. Doch hätte das den Mord an meinen Kindern bedeutet, und den konnte ich auch nicht mit meinem Gewissen vereinbaren.

Durch diesen Zwist gebar ich den Wahnsinn, den ihr nun vor euch seht, ihr kleinen Menschen! Ich fragte mich immer wieder, wie ich aus dieser Situation wohl entkommen könnte.

Und dann, nach einer, wie immer, durchwachten Nacht, wusste ich es: Ich- und mit mir alle Götter- mussten zugrunde gehen! Oder aber...“, er brach wieder in ein unkontrolliertes kichern aus und winkte ab, als ob der nächste Gedanke viel zu lächerlich sei, um ihn zu erklären.

Er war mit Abstand der interessanteste Dämon, der mir je begegnet war. Er war eindeutig Wahnsinnig, doch auf eine ganz andere Weise als es normale Dämonen waren. Und bei all seinem Wahn schien er sehr klare Gedanken fassen zu können, denn er klang mitunter sehr vernünftig.

„Wenn du der erste bist,“, überlegte ich laut, „hast du dann vielleicht auch deine eigene Schöpfung miterlebt?“

Luzifer zuckte zusammen, als hätte ich ihn geohrfeigt. Er funkelte mich erschrocken und zugleich zornig an. „Wieso wagst du es so einfach, mich daran zu erinnern, wie ich einst entstanden bin!“, kreischte er los und beugte sich so weit zu mir herüber, wie es ihm von den Pentagrammen erlaubt war, und spreizte bedrohlich seine schwarzen Flügel. Geifer spritzte mir entgegen: „Es gab keine größere Qual als diese! Hast du mir nicht zugehört?!“

Er starrte mich einige Atemzüge lang in einem verrückten Wahn an, dann wandte er sich ab und murmelte gekränkt: „Habt ihr denn alle nicht gehört? ‚Alles was entsteht, ist wert, dass es zugrunde geht! Drum besser wär’s wenn NICHTS“, er fuhr herum und schrie mich erneut an, „entstünde!’“

Er setzte sich friedlich in die Mitte seines Gefängnisses. „Es gab einst eine Zeit, zu der ich die Schöpfung gut gesinnt war, doch seit dem Fall der Dämonen... nein, erst seit meinem Fall, interessierten mich die Fragen wie...“, er amte die Stimme eines grübelnden, alten Mannes nach, „Wo komm’ ich her?“, er brach ab und fuhr mich mit kreischender Stimme an, „ES IST SCHLIMM GENUG, DASS ICH DA BIN!“ Er atmete kurz durch und wechselte wieder zum Professorentonfall, „Wo geh’ ich hin?“, nun wieder das Geschrei: „HOFFENTLICH INS NICHTS, DAS MICH GEBAR!“ Ruhig fuhr er wieder fort, „Und wie viel Zeit werd’ ich noch haben? – MÖGLICHST WENIG, HOFFE ICH!“, er brüllte so laut, dass die Holzwände erzitterten.

„Ich frage mich seit langem nur noch eines:“, sagte er mit mühsam beherrschter Stimme. „Nämlich, wie ich alles Enden lassen kann! Mein Leben ganz zuvorderst!“ Ich runzelte die Stirn. „Du willst alles vernichten, weigerst dich aber, bei den Dämonen anzufangen?“

Luzifer nickte ernst. „Ja genau! Ist das nicht eine wunderbare Idiotie?“, er lachte trocken auf, „Und als mir dann dieser Gott befahl die Dämonen zu vernichten...“ , er erging sich erneut in einem Bericht über seinen Fall, amüsierte und erboste sich, nimmer müde, immer in der gleichen Weise. Er war in eine Erzählschleife geraten und wiederholte bald schon zum fünften Male seine Geschichte.

Doch als er sie zum sechsten Mal zu erzählen begann, hob ich die Hand und schlagartig verstummte er und betrachtete mich lauernd, als ob er nicht wüsste ob ich sie zum Gruße oder zur Ohrfeige gehoben hatte.

„Wenn ich deine Geschichte so höre“, sagte ich bedächtig, „dann klingt das, als bräuchtest du einen Mittelsmann für die Vernichtung der Dämonen, der dir deinen Auftrag abnimmt, und seine statt deiner Hände im Blut deiner Kinder zu tränkt, oder?“, fragte ich gespannt.

Luzifer sah mich lange an und für einen Moment meinte ich Gier in seinen Augen zu sehen. Dann kicherte er wieder unhaltbar los. Als er sich beruhigt hatte, sagte er: „Pass auf! Wer sich mit dem Teufel einlässt, riskiert alles, um Nichts zu erschaffen.“

Auf meinen herausfordernden Blick sagte er schließlich grinsend: „Nun gut, ich gebe zu, du hast Recht, das wäre die Lösung. Doch Menschen können meine Kinder nicht länger bezwingen- nicht ohne mehr Macht. Eure Armeen sind den ihren längst nicht mehr gewachsen.“

Kel’ sog scharf die Luft ein: „Ich dachte du warst schon drei Jahre gefangen? Woher weißt du..“, doch er kam nicht dazu, seinen Satz zu vollenden. Luzifer hatte ihn nämlich schon ziemlich verblüfft gefragt: „Ihr... denkt tatsächlich, dass ich hier gefangen bin?“ Kel’ kräuselte die Lippen im Anflug eines Lächelns und deutete auf die Runen zu Füßen Luzifers: „Sieht mir nicht gerade danach aus, als seiest du hier ein freier Gast.“

„Gast?!“, kreischte Luzifer vergnügt, „Ich bin kein Gast in diesem Zirkus ich bin der Grund seines Überlebens! Diese Zigeuner da draußen wären verhungert ohne mich- und ich gebe zu, für jemanden, der alles Vernichten will, ist die Lebensretterei keine gute Angewohnheit.“ Er lachte hysterisch auf, doch als Kel’ gerade etwas sagen wollte, verfiel Luzifer sofort in Schweigen und funkelte ihn böse an.

„Ich nutze diese Menschen, um mit wenig Ärger in das Herz eurer Städte zu gelangen, damit ich Magier und Krieger finden kann, die ich mit der Bekämpfung meiner Kinder guten Gewissens auftragen kann.“, sagte er geschäftsmäßig.

Kel’ warf erneut einen Blick auf die Pentagramm und murmelte: „Sicher...“ Doch das war ein großer Fehler: Noch während er sprach, kam Luzifer mit weiten Schritten zu ihm gelaufen und funkelte ihn mit wildem Zorn an. „Denkst du wirklich, du ignoranter Mensch, dass ich, der mächtigste aller Dämonen, mich einfach so von ein paar Heimatlosen Bauern und diesen primitiven Runen gefangen nehmen ließe?“

Er trat direkt an die Pentagrammlinie heran und dann, ganz gemächlich, hob er ein Bein- und schritt über die Pentagramme hinweg, die sich währenddessen grell Leuchtend über diese Überschreitung beschwerten, um sich schließlich aufzulösen und nur einen Brandfleck ohne jede Form zurückzulassen. Jaina stöhnte erschrocken auf.

„Wisst ihr, ich habe diese netten Runen selbst gezogen.“, sagte Luzifer gehässig und trat nun mit jedem Wort einen Schritt näher an Kel’, der sich im Gegenzug immer weiter von ihm zu entfernen suchte, sein Blick verschleiert von fassungslosem Schrecken.

„Ich bin sowieso einer der wenigen, der die Wirkungsweise der Runen ganz versteht. Und ich sehe auch magische Potentiale in den Wesen, die mir begegnen- und wie du“, Kel’ war gerade an der Holzwand angelangt, und presste sich nun hilflos gegen sie, während Luzifer sich Schritt für Schritt näherte, „einen höheren Rang bekleiden kannst als dieser junge Mann hier“, er winkte lässig hinter sich und deutete genau auf die Stelle, an der ich stand, „ist mir ein absolutes Rätsel! Du könntest nicht einmal einen Lehnstuhl heraufbeschwören, wenn dein Leben davon abhinge!“, er war Kel’ nun so nahe, dass er ihm mit dem Finger auf die Brust tippen konnte. „Was steht ihr da so rum?!“, stieß Kel’ panisch aus und sah flehentlich zu Jaina und mir herüber.

Ich weiß nicht, warum wir nicht schon vorher reagiert hatten- vielleicht war es der Schock, dass sich ein Dämonen unversehrt über Runenmagie hinweggesetzt hatte, vielleicht der Eindruck, dass Luzifer Kel’ garantiert nichts antun würde, oder einfach die Annahme, dass Kel’ sich selbst hätte verteidigen können, wenn er wollte.

Doch in all der Zeit, in der ich mit ihm schon gereist war, hatte ich ihn noch nie so Verängstigt gesehen. Seine sonst so gebieterischen Züge waren eingefallen, seine Wangenknochen zeichneten sich deutlich gegen die ungewohnt faltige Haut ab. Sein Blick war in starrem Schrecken auf Luzifer gerichtet, und ein fürchterliches Schütteln hatte seinen Körper ergriffen.

Als wir realisiert hatten, dass er vor Panik völlig wehrlos war, kamen wir in Bewegung. Luzifer hatte zu Lachen begonnen und war dabei, sich Kel’ einen letzten Schritt zu nähern. „Angst?“, stieß er noch kichernd aus, bevor sein Lachen schlagartig erstarb.

Raziel, rot glühend, hatte seine Wange gestreift und ungewöhnlich hellrotes Blut rann aus der Schnittwunde heraus, während sich der Schimmer der Schockmagie langsam auf Luzifers Körper ausbreitete. Seine Augen wanderten kurz über die Klinge. Ein Grinsen erschien auf seinem Gesicht, während er scheinbar demonstrativ seinen halb ausgeführten Schritt vollenden wollte.

Er erstarrte verwirrt, als er bemerkte, dass sein Kraftaufwand nur einen kleinen Ruck durch seinen Körper hatte gehen lassen. Er blickte zu seinen Füßen und sah belämmert, dass ich seine Füße an den Boden festgefroren hatte und sich langsam Eiskristalle auf ihnen abzusetzen begannen.

Er wandte mir seinen Blick zu und starrte mir in die Augen. Kel’, der Luzifer nur noch aus dem Profil sah, hörte auf zu zittern, doch als ich Luzifers Starren erwiderte, stöhnte Kel’ ein weiteres Mal verängstigt auf. Diesmal kannte ich den Grund.

Die ruhigen, grünen Augen Luzifers hatten sich geweitet und ich fühlte mich nicht länger in der Lage, den Blickkontakt zu lösen. Dann schienen mich die schwarzen Pupillen einzusaugen. Einzusaugen in eine Welt meiner Erinnerungen.

Das erste Mal, dass ich einen Dämonen sah. Der erste Dörfler, der vor meinen Augen getötet worden war. Mein Vater und einige andere, umringt von niederen Dämonen, die ihm ihr Blut einflößten. Rote Augenpaare, die aus dem Gesicht meines Vaters leuchteten...

Ich merkte, dass die Angst in mir hoch stieg, denn die Bilder wechselten sich immer öfter ab, gebaren neue, schreckliche Visionen der Vergangenheit und paarten sich immer wieder zu schrecklichen Szenarien, die ich niemals erlebt hatte und niemals würde sehen wollen.

Doch bevor ich mich in meiner Angst verlor, blitzte kurz das Bild von Minotaurus auf. Dieser Anblick weckte eine uralte Wut in mir, die alles, auch die Furcht, die durch diese Visionen erweckt wurde, überwand. Ich konnte zwar den Blick nicht von Luzifer lösen, doch zumindest nahm ich sein Gesicht wieder wahr. Und ich versuchte, trotz der Bilder, die in seinen dunklen Augenhöhlen noch immer tanzten, mich zu konzentrieren.

Eigentlich wollte ich ihm nur ein wenig die Haare anzünden, doch meine Konzentration auf seine flammenden Haare wurde immer mehr davon verdrängt, dass die Wunde seiner Wange, gemeinsam mit dem Blutrinnsal Feuer fing- die Erinnerung an Minotaurus brachte anscheinend viele alte Erinnerungen zurück.

Und tatsächlich fiel es mir sehr leicht, mir vorzustellen, dass das Blut Luzifers langsam Feuer fangen würde. Einige Momente später züngelten auch schon die ersten Flammen aus dem Blut an seiner Wange herauf. Kaum dass er das spürte, löste er endlich den Blick Kontakt, hob langsam einen Finger an das schon recht ordentlich brennende Rinnsal. Er bohrte den Finger kurz in den Schnitt, und betrachtete dann interessiert seinen nun brennenden Finger.

„Interessant.“, murmelte er. „Eure beiden Begleiter, Kel’ Thusad, Magiermeister des Turms von Ranleda, sind wirklich beeindruckende Menschen.“, er sah lässig von mir zu Jaina, deren Schwertklinge nun seinem Hals gefährlich nahe war.

„Um ihretwillen wird euch doch nicht der Wahnsinn meines Geistes befallen“, flüsterte er eindringlich. Kel’ sank langsam an der Wand auf den Boden, sein Gesicht war Schweiß gebadet. Seine Augen blickten fiebrig umher.

Doch Luzifer würdigte ihm nun keines Blickes mehr und blickte herab zu seinen noch immer fixierten Füßen. „Interessante Eismagie – und du beherrschst auch noch das Feuer“, lobte er mich, „Und außerdem hast du nicht einmal Sprechen müssen, um die Magie zu wirken. Das ist beeindruckend, selbst dann noch, wenn man den Maßstab für Dämonen anlegt.“, dann lachte er auf, ruckte noch einmal heftig an seinen Füßen und runzelte dann kurz die Stirn. Nichts geschah.

„Oho“, sagte Luzifer überrascht und besah sich seinen Körper anscheinend genauer. Auch ich bemerkte erst jetzt, dass der Lähmzauber Raziels sich langsam auf Luzifers ganzem Körper ausgebreitet hatte- ein feiner rötlicher Schimmer umgab seinen ganzen Leib. Magie unter dem Einfluss dieses Zaubers zu wirken war ziemlich schwierig und das hatte auch Luzifer zu spüren bekommen. Er kratzte sich nachdenklich den Kopf und drehte sich dann, so gut es mein Zauber erlaubte, zu Jaina um. „Eure Runenmagie ist ebenso beeindruckend. Wie viele Bluttropfen habt ihr verwendet, junge Meisterin?“, er wartete nicht die Antwort ab, sondern betrachtete nur die einzelne Rune auf Raziels Klinge. Er brummte überrascht und sagte dann, fast schon beunruhigt, „Nur ein einziger Tropfen Blut?“

Jaina nickte leicht. Sie hielt seinem Blick stand, doch offenbar befiel sie langsam der gleiche Schrecken, der mir zuvor aus Luzifers Augen entgegen gesprungen war. Ihre Mine wurde deutlich härter, und langsam weiteten sich ihre Augen. Doch nach kurzer Zeit schüttelte sie energisch den Kopf und schnitt mit Raziel drohen in den Hals Luzifers. „Hör auf damit!“, keuchte sie mit zitternder Stimme.

Luzifer senkte sofort den Blick und Jainas Klinge entfernte sich ein wenig von seinem Hals. Der rote Schimmer um Luzifer war deutlich intensiver geworden. „Verzeihung, Meisterin Jaina.“, sagte Luzifer mit einer schwerfälligen Verbeugung. Er sah erneut auf seine Füße und sagte dann nach einigen Sekunden Konzentration: „CheWei“, sofort schmolz die Tauschicht auf seiner Haut und machte dem roten Schimmer des Lähmzaubers Platz.

Luzifer indes kniete sich hin und zog schwerfällig eine komplizierte Rune. Erst als er sie vollendet hatte, konnte ich erkennen, wofür sie stand: „Freiheit“, eine der schwierigsten Runen des Alphabets, genauso akkurat gezogen wie von Jaina, die sie mir gezeigt hatte.

Luzifer indes biss sich in den Finger und ließ einen Tropfen Blut auf die Rune fallen, die in wütendem Rot erstrahlte. Als ihr Schein erloschen war, trat er mit einem Fuß auf sie. Sofort zischten Flammen unter seinem Fuß herauf und überzogen kurz seinen ganzen Körper. Dann erstarben sie genauso schnell, wie sie erwacht waren und hinterließen Luzifers unversehrten Körper. Der lähmende rote Schimmer aber war verflogen.

Jaina und ich sahen uns hilflos an und schreckten erst auf, als Luzifer gemächlich in den durchbrochenen Pentagrammkreis zurück kehrte. Er kniete sich hin und zog mit seinem blutigen Finger über den Brandflecken der alten Runen neue Pentagramme, die jeweils kurz die Umgebung erhellten.

Erst, als ein zittriges Stöhnen ertönte, wurde Jaina und mir bewusst, dass Kel’ noch immer in haltlosem Zittern an der Wand lehnte und aus panischen Augen die Gegend bestarrte. Doch kaum hatten wir uns ihm auch nur um einen Schritt genähert, quiekte er schriller als jedes Schwein im Schlachthof. „Ach lasst diesen Narren.“, sagte Luzifer verächtlich. „Er kann die Realität noch nicht von der Fiktion unterscheiden... Er dürfte euch entweder für böse Mörder oder aber gigantische Dämonen halten. Gebt ihm ein paar Stunden und er ist so überheblich wie eh und je.“
 

Ich sah Kel’ machtlos an, wie er sich immer weiter in die dunkelste Ecke zurück drängte, um sich dort zu einem zitterndem Haufen Elend zusammen zu kauern. Doch da er mir immer wieder zornig- panische Blicke zuwarf, die seinen Ausflug in den Wahn gelungen unterstrichen, wandte ich mich schließlich wieder Luzifer zu, der gerade das Letzte Pentagramm gezogen hatte und sich zurück in die Mitte seines Pentagrammkreises setzte.

„Es wird mir eine Freude sein,“, sagte er salbungsvoll, „euch in den Geheimnissen zu unterweisen, die selbst viele Dämonen nicht kennen“ Jaina und ich warfen uns gegenseitig ratlose Blicke zu. Fragen, die ich mir eigentlich schon viel früher hätte stellen sollen, fuhren mir durch den Geist:

Warum hatten wir Luzifer nicht einfach getötet, als er uns ganz offensichtlich verzauberte? Und warum, schoss es mir gleich danach durch den Kopf, dachte ich nicht eher daran, ihn wenigstens jetzt zur Strecke zu bringen, bevor er Zeit für noch gefährlichere Magie hätte?

„Weil ihr genau wisst, dass meine Macht die eure bei weitem übertrifft.“, erklärte Luzifer, der mich gelangweilt ansah. Ich runzelte die Stirn. Hatte ich diese Überlegungen gerade laut geäußert?

Luzifer kicherte: „Na, das wenigstens kann ich verneinen. Du hast nichts gesagt, was mir deine Gedanken hätte offenbaren können. Aber wichtiger ist wohl, dass du nichts gesagt hast, um sie vor mir zu verschließen.“, er blickte vom Boden her zu mir auf und bleckte seine Zähne zu einem grässlichen Grinsen.

Er wandte sich Jaina zu und seufzte gelangweilt. „Nun kommt schon, schöne Runenmeisterin! Natürlich lese ich eure Gedanken- ich bin vieles, doch ein Prahler bin ich nicht. Ich konnte aus dem Augenwinkel beobachten, wie Jaina verschreckt ein paar Schritte zurück wich.

„Ihr solltet euch daran gewöhnen- obwohl... besser wär’s wenn nicht- dass eure Gedanken gelesen werden können. Die hohen und Mächtigen Dämonen sind allesamt dazu in der Lage.“ Er fuchtelte umständlich mit seinen Händen. „Menschen dürften dieses Kunststück mit Übung und ein wenig Talent auch beherrschen. Allerdings denke ich nicht, dass auch nur einer von euch die dazu nötige Macht freisetzen könnte.“, er kicherte freudig erregt und blickte immer wieder von mir zu Jaina.

„Ich warte auf eure Frage“, verlangte er, noch immer lachend. „Los, los, ich weiß sie liegt euch auf der Zunge!“, feuerte er uns an. Jaina seufzte ergeben und fragte gehorsam: „Wer ist eigentlich Mary Sue?“

Luzifers Gesichtszüge entgleisten einen Moment. „Wer bitte?“, fragte er sichtlich verwirrt. Jaina und ich lachten schallend los, denn er sah sich verdutzt um und schien ernsthaft über Jainas Frage loszugrübeln. Dann sah er zu uns beiden auf, die wir noch immer über seine Reaktion lachten und sah ein wenig grimmig drein.

„Nun gut, nun gut. Ein Scherz auf eure Kosten. Eine Mary Sue gibt es hier wohl nicht-“, sagte er und blickte sich verschwörerisch um, dann fügte er „Hoffe ich jedenfalls...“, hinzu.

„Aber ich werde mir den Namen merken- Kein Wesen wird ihn in späteren Zeiten noch tragen wollen, da seid euch sicher.“, er fing wieder irre an zu kichern. Was auch immer er mit dieser Aussage meinen sollte, das wissen wir bis Heute nicht, zumal Jaina zugab, den Namen einfach erfunden zu haben.

„Nun gut nun gut“, winkte Luzifer ab, „wenn ihr keinen neuen Weg erfahren wollt, die Dämonen zu schlagen, dann kann ich euch wohl nicht daran hindern, über mich zu Lachen.“ Und da hatte er meinen Nerv getroffen. Ich schluckte das Lachen hinunter und blickte ihn ernst an.

„Du sprachst von Macht und davon, Magie zu beherrschen.“, sagte ich zögerlich, ich hatte auf den Scherz von Jaina hin schon beinahe Luzifers Worte vergessen. „Gibt es denn da einen Unterschied?“, fügte Jaina hinzu, als sie merkte, dass ich nach einer passenden Frage suchte.

Luzifer klatschte in die Hände. „Ihr wollt also doch lernen“, sagte er vergnügt. „Dann habe ich erst einmal eine Frage an dich, Zaphod.“, er blickte uns mit seinem wohl alltäglichen, irrem Grinsen an. „Könntest du das hier auch?“

Er hob eine Hand und schnippte einmal. Im ganzen Raum flackerten Feuersäulen auf die aber auf keinen noch so brennbar aussehenden Gegenstand in ihrer Umgebung übergriffen. Mit einem zweiten Fingerschnippen verwandelten sich die Feuer in Wassersäulen, die ohne Halt in dem Raum standen. Ein weiteres Schnipsen verwandelte sie in solide Steinsäulen, dann klatschte Luzifer einmal in die Hände und die Säulen lösten sich, von einem seichten Wind begleitet, in Luft auf.

Ich schluckte- diese Beherrschung der Elemente hätte mich einiges an Konzentration und vor allem Kraft gekostet. Doch ich wollte es Luzifer zeigen. Er sollte wissen, mit wem er es zu tun hatte, hier stand die Ehre der Ranleda Magier auf dem Spiel! Ich schloss kurz die Augen und konzentrierte mich auf die drei verschiedenen Säulenarten, mit denen dieser Raum Augenblicke zuvor noch gefüllt gewesen war.

Dann Blickte ich Luzifer fest mit triumphierendem Blick an und schnippte. Sofort erwachten die Feuersäulen zu neuem Leben, es waren sogar ein paar mehr als zuvor. Mit hochgezogenen Brauen sah sich Luzifer um. Ich ließ erneut den Finger schnippen und wie zuvor erstarb das Feuer ringsum augenblicklich, um von stehenden Wassersäulen ersetzt zu werden. Und auf das letzte Schnippen entstanden tatsächlich auch Säulen- sogar mit einigen spartanischen Verzierungen. Und schließlich lösten sie sich auch noch in Luft auf, während ich in die Hände klatschte.

Ich sah ihn an und sagte selbstgefällig: „Ich denke, ich könnte das nachahmen, ja.“ Luzifer sah sich gedankenverloren nickend im Raum um. Dann fixierte er mich mit einem belustigten Blick. „Sieh dich an und du begreifst, was ich mit ‚Macht’ meinte.“

Verwirrt blickte ich an mir herunter. Ich bemerkte nichts außergewöhnliches an mir, ich war lediglich ein wenig verschwitzt und außer Atem, was aber vorauszusehen war, nach einem solchen Zauber... Moment! Ich wischte mir mit der Hand über die verschwitzte Stirn und betrachtete einen Moment lang die glänzenden Fingerkuppen. Dann, mit einem schrecklichen Verdacht, spähte ich zu Luzifer.

Kein Schweißtropfen glitzerte auf seinem freien Oberkörper. Luzifer nickte mit einem überlegenen Lächeln. „Wie du siehst, beherrschst du eine gleich starke Magie wie ich. Aber mich hat ihre Anwendung nicht im geringsten Angestrengt, während es dich sichtlich Mühe gekostet hat, die Magie dafür aufzubringen. Daher bin ich Mächtiger, mit mehr Magie erfüllt, als du.“ Er lächelte mich an. „Dämonen beherrschen jede Magie, die ihnen ihre eigene Macht ermöglicht. Doch geht eine Magie über ihre eigene Macht hinaus, haben sie keine Möglichkeit, sie jemals zu beherrschen.“

Ich stutzte. Das mochte vielleicht sein, aber war diese Aussage wirklich wichtig? Wem nutzte es Etwas zu beherrschen, wenn man es nicht erzeugen konnte?

Doch Luzifer ging nicht weiter auf das gesagte ein, sondern drehte sich zu Jaina um. „Auch bei der Runenmagie spielt die Macht eine Rolle. Zieht doch bitte mit mir die Rune ‚Feuer’ aber auf einen Meter Radius, bitte“, sagte er sanft. Sie beide zeichneten recht lange eine einfache aber ziemlich ausladende Rune. Als Jaina fertig war, sah sie Luzifer bei den letzten Schwüngen zu und blickte ihn dann fragend an. Er biss nur erneut in seinen Finger und sagte: „Lasst einen einzelnen Tropfen auf die Rune fallen. Die Rune ist groß genug um die Demonstration in einem Erträglichen Zeitrahmen zu halten.“

Sofort brannten zwei riesige Freudenfeuer im Raum auf, doch zum Glück entzündete ein Runenfeuer nur innerhalb eines bestimmten Bereiches einen umliegenden Gegenstand. Luzifer lehnte sich zurück und starrte einen Moment lang liebevoll ins Feuer, dann lächelte er Jaina an. „Ihr habt eure Rune sehr gut gezogen, für einen Menschen sogar außerordentlich gut. Das richtige Aussehen macht einen großen Teil der Wirkung aus. Hättet ihr schlampig gearbeitet, wäre das Feuer nicht so groß sondern sehr viel kleiner und das Blut wäre verschwendet.“, dann setzte er sich vor sein Feuer und betrachtete es verliebt.

Er saß einige Minuten schweigend dort und überließ Jaina und mich unseren Gedanken. Kel’ wimmerte nicht länger in der Ecke, doch kauerte er noch immer mit einem furchtbar ängstlichen Gesicht in ihr. Dann flackerte Jainas Feuer auf, und verbrannte das letzte bisschen Magie, dass sie am Leben hielt, mit einer Stichflamme.

„Seht ihr? Mein Feuer wird noch drei Mal länger brennen.“, sagte Luzifer und erhob sich, um sich an den Rand der Pentagramme zu begeben. „Aber keine Sorge, Jaina. Eure Macht ist der hoher und höchster Dämonen ebenbürtig- nur leider könnt ihr euch nur in der Runenmagie mit ihnen Messen.“, er sah sie ein wenig mitleidig an. „Im Kampf könnt ihr euch leider nur auf die Runen eures Schwertes verlassen, und in einem Kampf gegen große Dämonen ist das bei weitem nicht genug.“

Er schüttelte den Kopf und blickte zwischen Jaina und mir hin und her. „Was haben sich die Götter nur gedacht, den Menschen zu verwehren, Macht und Kontrolle über Magie in zwei Blutlinien aufzuteilen?“, er seufzte schwer. „Muss eine Art Prüfung für euch sein.“, grinste er dann böse.

Langsam wurde ich ungeduldig. Was hatte dieser Dämon denn nun bitte mit uns vor? Er hatte uns Geheimnisse Versprochen, durch die wir in der Lage sein würden, gegen die höchsten Dämonen zu kämpfen! Und doch hatte er uns bisher nur vorgeführt, dass er eigentlich viel besser für diese Aufgabe geeignet wäre. Und dann lobte er uns wieder so sehr, dass man glauben mochte, dass Jaina und ich die ganze Welt von Dämonen säubern könnten.

„Na los Jaina!”, fuhr Luzifer sie nach einer Weile Schweigen an, „Zaphod hat sich längst die Frage gestellt, die ich jetzt vor allem von dir erwartet hätte!“, er zog innerhalb seines Pentagrammkreises wütende Bahnen. „Da stehe ich und sage, dass Menschen entweder Magie genauso gut beherrschen könnten wie die höchsten Dämonen, oder aber deren Macht besäßen.“, während er so vor sich hin lamentierte umkreiste er in immer engeren Bahnen sein Feuer. „Und warum fragst du dich nicht endlich, was euch diese Erkenntnis nützen soll?!“, brüllte er Jaina dann unvermittelt an und blieb vor seinem Feuer stehen. Er starrte sie böse und erwartend an. Schließlich realisierte sie, dass sie etwas sagen musste „Nun... Warum? Was bringt uns diese Erkenntnis, Luzifer?“

„Na endlich!“, donnerte er und von Kel’, den wir beinahe vergessen hätten, kam ein leises Wimmern. „Dann kläre sie auf Zaphod!“, wandte er sich zu mir. „Ich weiß, dass du einen Weg kennst.“

Ich runzelte die Stirn. Er konnte nur eines meinen- doch... „Sie existieren wirklich?“, fragte ich ungläubig. Luzifer zeigte ein grässlich verrücktes Grinsen. „Ja, natürlich. Und ich bin der Einzige, der wirklich weiß, wie sie wirken.“

„Magieverstärker!“, keuchte ich freudig erregt. „Jaina! Diese Gegenstände sollen einem Magier ermöglichen, nicht nur die Elemente, sonder die ganze Schöpfung zu verändern. Vögel werden zu Tischen und ein Baum schrumpft gerne mal auf die Größe einer Ratte!“, ich war fiebrig- sollten diese Gegenstände wirklich existieren? „Das beste an ihnen soll aber sein, dass sie selbst scheinbar unbegabten zu außergewöhnlicher Magie befähigen!“ Jainas Augen glänzten vor Vorfreude immer heller- sie schöpfte ganz offensichtlich neue Hoffnung, gesprochene Magie zu beherrschen.
 

-Magieverstärker-
 

Luzifer seufzte aber und schüttelte traurig den Kopf. „Jaina, steigert euch nicht in solche Wunschträume. Ein Magieverstärker versorgt nur die Machtlosen mit der Macht, eine Magie, deren Kraft ihre eigenen Möglichkeiten übersteigt, zu erschaffen. Sie steigert leider nicht die Kontrollfähigkeit über sie. Selbst ein mächtiger Magieverstärker würde euch nicht zu einer Wortmagierin machen können.

Jainas Züge fielen vor Enttäuschung in sich zusammen. „Allerdings könntet auch ihr von einer Stärkung der Wortmagier profitieren- schließlich wäre es für gestärkte Magier ein leichtes, die Runen eures Schwertes je nach Situation den Gegebenheiten anzupassen... Wie dem auch sei,“, seufzte er, „auch diese Taktik allein wäre wohl nicht genug, um gegen die größten Dämonen zu bestehen. Allerdings handelt es sich bei den Magieverstärkern dennoch um eine große Waffe gegen die Dämonen. Und ich möchte euch beiden alles darüber beibringen.“

Luzifer begann aufgeregt zu berichten. Er erzählte uns von den Ursprüngen der Magie, doch schon nach wenigen Sätzen verlor der aufgeregte Ton seine Wirkung und mein Geist schweifte von dem immer monotoner werdenden Vortrag ab. Nur ab und zu schnappte ich äußerst belanglose Sätze auf und mir schlich langsam in den Kopf, dass Geschichte der Magie wohl die langweiligste Lehrstunde meines Lebens sein würde.

Jaina schien diesem Monolog deutlich besser ertragen zu haben als ich, denn abschließend fragte sie: „Also erschafft jedes Leben eine mehr oder weniger starke Magie?“ Luzifer nickte zufrieden und starrte mich dann mahnend an. „Hast du es in diesen Worten endlich auch begriffen? Dafür, dass du ein so ausgezeichneter Magier bist, scheint deine Konzentration bei anderen Dingen doch sehr ungenügend.“

Ich sah ihn mit einem schwachen Lächeln an. „Wenn du es hättest einfach ausdrücken können, warum hast du es dann nicht getan?“, fragte ich ihn gelangweilt. Auch Luzifer sah mich grimmig an. „Ich dachte, dass es euch beide interessiert... aber so hatte wenigstens Jaina etwas davon.“

Jaina schien kurz ein Lachen unterdrücken zu müssen und Luzifer sah noch grimmiger drein.

„Jedenfalls“, fuhr er verdrießlich fort, „Ist der Grundgedanke eines Magieverstärkers, Dinge, die große magische Stärke besitzen, zu finden und die ihnen innewohnende Magie Nutzbar zu machen. Problem hierbei ist allerdings, dass nicht viele Materialien eine Macht besitzen, die der eines Dämonen gleich kommt.“ „Ein wenig von Jainas Blut zum Beispiel?“, fragte ich sofort und erntete einen etwas entrüsteten Blick von Jaina. Dachte sie, ich würde sie notfalls schlachten wollen?
 

„Ah“, machte Luzifer und machte ein Gesicht, als hätte er gerade auf den Kern einer Kirsche gebissen. „Du hast das Talent, den Finger direkt auf die Wunde zu legen, weißt du das? Blut wäre natürlich Ideal- kein anderer Stoff beherbergt mehr Magie.

Doch leider hat es einige Nachteile. Blut ist ein ganz besonderer Saft. Es ist die Währung der Seele. Ein Teil des Willens ist mit in ihm enthalten, daher kann man nicht frei über die ihn ihm enthaltene Magie verfügen- im schlimmsten Falle würde selbst die einfachste Magie nicht mehr gelingen.“, er lächelte gequält.

„Außerdem, selbst wenn man damit zu leben lernte, ein Magieverstärker, gespeist von Blut, würde nicht ewig halten. Mit dem Tod vergeht die Magie des Blutes, selbst wenn der Spender wieder ins Leben zurückgebracht werden würde- und glaubt mir, das ist durchaus möglich- die Magie im Blut würde langsam verebben und schließlich wäre der ehemalige Magieverstärker nutzlos.“

„Was wären denn sonst noch Gegenstände, die der Macht eines Dämonen gerecht werden können?“, fragte ich- warum musste er sich jedes Detail erst abringen lassen?

„Na Teile von Wesen, die eine den Dämonen ebenbürtige Macht haben!“, fuhr mich Luzifer gereizt an und brachte Kel’ damit zu einem erneuten ängstlichen quieken. „Der Phönix! Drachen! Einhörner!“, rief Luzifer aus und zählte die Geschöpfe an seinen Fingern ab. „Wesen, die nur über tierhafte Intelligenz, aber unglaubliche Magische Kraft verfügen!“

„Und wo sollten sich deren Mächte, außer im Blut, noch sammeln?“, fragte ich nicht minder gereizt. Ich hatte gedacht der wollte uns helfen, was machte er die ganze Sache dann so nebulös? „Federn, Haar, eine Schuppe oder eine Faser Fleisch, ganz egal!“, blaffte er zurück. „Jedes Körperteil- Hauptsache es war lange genug mit dem Wesen verbunden!“, herrschte er mich an.

Jaina sah angewidert aus. „Eine Faser Fleisch?“, wiederholte sie mit verzogenem Gesicht. „Was davon hat denn die meiste Macht inne?“, fragte sie dann leicht unbehaglich. „Magie erfüllt, wie ich deutlich erklärt habe, den Körper gleichmäßig.“, erklärte Luzifer betont geduldig, als erklärte er uns, dass Feuer heiß sei.

„Es sollte sich nur möglichst lange am Körper des Wesens befunden haben. Haut ist daher ungeeignet, also sind Haare Federn oder Fasern aus den Organen eines dieser Wesen wohl die beste Wahl. Fleisch aus dem Phönix zu reißen ist übrigens unmöglich, daher bleibt euch hier nur die Feder und auch die dürfte schwer zu beschaffen sein...“

Er hielt inne, als er bemerkte, dass er sich immer mehr vom eigentlichen Thema entfernt hatte. Dann winkte er wütend ab und sagte bestimmt: „Aber lasst mich weiter erzählen! Wie ihr euch wohl denken könnt, ist es äußerst unpraktisch, eine Faser Fleisch in Händen zu halten, während man Zauber spricht. Die Gefahr, dass sie verdirbt oder gar verloren geht, wäre einfach zu groß. Daher muss man sie in einen Träger betten.“

Und wieder folgte ein langweiliger Vortrag darüber, dass eine festere, größere Form auch dazu beitragen würde, schwierige Zauber einfacher zu gestalten, indem man für sie bestimmte Bewegungen einführt, durch die sich die Konzentration erhöhen sollte. (Diesen Inhalt hatte mir Jaina natürlich erst später klar zusammengefasst.)

„Holz ist natürlich einer der besten Trägerstoffe.“, war nach einer langen Weile der erste Satz, der durch seine Einfachheit bestach. „Es ist ja selbst von ein wenig Magie durchdrungen.“, fuhr Luzifer fort. „Und da gibt es auch gleich ein Problem: Holz strahlt selbst Magie aus, und zwar in alle Richtungen. Um gute Kontrolle über die Magie im inneren des Magieverstärkers zu haben, muss aber eine bestimmte Form haben, damit die Magie auf wirklich nur in den Anwender fließt.“ Ich überlegte, ob ich mich dem wieder wachsenden Gefühl des Desinteresses hingeben oder mich doch zu einigen weiteren Momenten der Konzentration zwingen sollte.

„Daher ist für einen Holzträger nur die Form eines kurzen, spitz zulaufenden Stabes geeignet.“, schloss Luzifer gerade eine Analyse der Anforderungen an die Form des Holzes. „Dabei ist zu beachten, dass der Magier hierbei nicht erst die magische Kraft aus dem Verstärker zieht um sie dann zu nutzen. Das ist zwar der Wünschenswerteste Fall, aber bei Holz nicht sehr effektiv. Viel eher benutzt der Magier die Magie innerhalb des Magieverstärkers ohne Umwege, um sie dann in der Spitze des Stabes zu konzentrieren und zu verwirklichen.“

„Die Zauber brechen also immer aus der Spitze des Stabes hervor?“, unterbrach ich Luzifer. „Nicht gerade nützlich, wenn ein Dämon zu nahe an einen heran kommt.“ Ich hatte mir eigentlich praktischere Magieverstärker gewünscht, als kurze Stöckchen, die auf die Nähe höchstens benutzt werden konnten, um dem Gegner ein Auge auszustechen.

Luzifer wirkte verstimmt: „Ich bin auch gerade dabei aufzuzählen, warum sich eine Suche nach einem metallenen Träger lohnen würde.“ Luzifer sah mich tadelnd an. „Verstehst du wenigstens, warum das ein so großer Vorteil für die Menschen wäre oder hat dein Gehirn schon ganz die Arbeit verweigert?“, fragte er mich bissig. Ich überlegte kurz. Dann sah ich ihn Schulterzuckend an und schüttelte den Kopf. Nicht nur Luzifer, auch Jaina... und sogar Kel’ seufzte auf.

„Nun wirklich! Wozu mache ich mir denn diese Mühe, wenn du nicht zuhörst? Da war es befriedigender, Äpfel zu bewachen!“, fuhr mich Luzifer an. „Also noch einmal: Metall leitet Magie nicht, daher muss man nicht auf seine Form achten. Wenn man nun Metall als Träger auswählte, was wäre da der Vorteil?“, fragte er mich nervtötend geduldig. „Man könnte es schmieden.“, sagte ich dumpf.

„Ganz genau!“, applaudierte Luzifer doch dann fuhr er wieder in dem enervierend geduldigen Tonfall fort, „Aber das bringt uns dann zu welchem Problem?“ Noch dumpfer erwiderte ich seufzend: „Dass Metall eben keine Magie leitet.“ „Und das bedeutet für den Zweck eines Magieverstärkers was?“, bohrte Luzifer, noch immer geduldig, nach. „Das bedeutet, dass Metall als Trägerstoff eines Magieverstärkers nicht geeignet ist.“, seufzte ich ergeben. Langsam wuchs in mir der Wunsch, diesem Vortrag zu entkommen. Luzifer war, als er dem Wahnsinn erlegen war, wesentlich interessanter gewesen.

„Nun kommen wir zu einem letzten Punkt. Wie würdest du versuchen, ein Metall zum magischen Leiter zu machen?“ „Ich schmiede es mit Magie.“, sagte ich sofort und dieses mal erntete ich einen anerkennenden Blick von Luzifer. „Ich sehe, dein Verstand ist wieder erwacht.“, bemerkte er grinsend. „Genau- du schmiedest es mit Magie... außerdem sind edle Metalle wie Silber oder Gold von vornherein für Magie empfänglicher als plumpes Eisen.“

Luzifer langweilte uns noch einige Stunden mit unglaublichsten Kleinigkeiten über Magieverstärker. Er breitete viele Details vor unseren müden Ohren aus, ließ sein ganzes Wissen in monotonem Tonfall auf uns rieseln. Und erst, als auch der letzte Tropfen seines schier unerschöpflichen Wissens auf unser Haupt gefallen war, sagte er endlich: „Nun, meine... Freunde... ich denke, ich habe euch genug gesagt. Zieht aus, und bringt mit meinem Wissen so viele Dämonen zur strecke wie möglich.“

Kel’ hatte sich inzwischen so weit erholt, dass er aufrecht auf dem Pferd sitzen konnte und so machten wir uns, nach einigen Stunden Schlaf, auf den Weg. Die Zigeuner und Luzifer sollte ich nie wieder sehen. Und doch bleibe ich bis heute dabei. So langweilig Luzifers Vorträge auch gewesen waren, sie waren umso nützlicher. Mein ganzes weiteres Leben hatte ich nach der Forschung verschrieben.

Ich wusste, wie ich die Dämonen vernichten wollte: Durch meine eigene Hand, in der ein Schwert lag, mächtiger als Raziel. Ich wollte sie mit einem metallenen Magieverstärker vernichten. Und ich würde einen Weg finden, einen zu erschaffen.
 

Ein neuerlicher Tagebucheintrag kurz nach diesem Ereignis schließt für uns diese Zeit aus Zaphods Leben ab. Die Lehrlings- und Gesellenjahre liegen dann hinter uns und wir schreiten mit großen Schritten voran in die Jahre des legendären Meistermagiers vom Turm Ranleda- „Zaphod mit den Göttertränen“.
 

Monat der Sonne. Dreißigstes Jahr, fünfundzwanzigster Tag.

Ich habe Jaina meine Liebe gestanden. Natürlich wusste sie es schon seit langer Zeit, Frauen spüren das doch immer kommen. Doch ich wurde damit überrumpelt. Sie saß wie so oft am Feuer, Kel’ Thusad, immer noch wegen Luzifers Spuk leicht angeschlagen, hatte sich früh ins Zelt zurück gezogen. Vielleicht war es das ungewöhnliche Rot des Feuers. Vielleicht das Lichtspiel auf Jainas Lippen. Eine bestimmte Bewegung, ein leichtes Zittern, ich weiß es nicht. Aber Irgendetwas veranlasste mich dazu, Sie in den Arm zu nehmen.

Kaum spürte ich die wärme ihres Körpers an dem meinen, brandete ein altes Verlangen, Jahre lang während der Reisen mit ihr unterdrückt, in mir auf. Ich küsste sie. Sie küsste mich. Und dann seufzte sie: „Wurde auch Zeit.“



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