Sommer Lethargie von Enokie ================================================================================   Der Sommer kommt. Und mit ihm die Hitze.   Pflanzen stehen in voller Blüte. Bäume tragen ihre ersten Früchte. Die Bienen fliegen aufgeregt umher um die Pollen einzusammeln. Nicht in London selber, dafür gibt es zu wenig Plätze an denen sie sich aufhalten könnten. Aber woanders. Außerhalb der Stadt. Das ist immerhin was Sherlock sagt. Niemand würde Sherlock Holmes anschauen und sagen; „Ja, das ist jemand der sich für Bienen interessiert.“. John hatte es mit Sicherheit nicht erwartet. Aber wen man in Betracht zieht das John vieles nicht erwartet was Sherlock betrifft, dann ist das nicht außerhalb der Norm.   Sherlock. Derjenige der kriminellen hinter her jagt ohne an seine eigene Sicherheit zu denken, einfach nur seinem Wissensdrang hinterher. Den er MUSS verstehen. Koste es was es wolle. Genau der Sherlock, der sich für Waffen, Mordopfer und kriminelle Genies begeistert, und seine Lebenskraft daraus zieht. Genau der Sherlock, beschäftigt sich mit Bienen. Einfach nur so. Weil er sich dafür interessiert. Vermutlich sollte John das fördern. Ihn von den zu gefährlichen dingen weg herden.  … Wen es doch nur so einfach wäre. John vermutet das Sherlock noch nie in irgendeine Richtung gelenkt werden konnte in die er nicht gehen wollte. Er könnte Mycroft fragen. Der müsste es am besten wissen. Aber John versucht Gespräche mit Mycroft zu vermeiden, weil Sherlock immer so ein angewiderten Gesichtsausdruck bekommt wen sein Bruder in irgendeiner weise mit ihm zu tun hat.   John wünscht sich er wäre dort. Wo die Bienen sind, außerhalb der Stadt. Weg von dem Lärm und den Gerüchen und dem Staub und den vielen Menschen. Vielleicht hat John doch endlich seine grenze gefunden was Gefahr und Abenteuer angeht. Vielleicht hat er seine Adrenalin Reserven aufgebraucht für die nächsten Monate. Vielleicht sogar Jahre oder leben.   John streckt seine Beine aus. Als er Sand zwischen seinen Zähen spürt zieht er sie ruckartig wieder zurück. Eines seiner Knie gibt ein unglückliches knacken von sich. Er atmet tief ein und hält die Luft an für fünf Sekunden, dann lässt er sie langsam und kontrolliert wieder aus. Er befindet sich grade in London. In der Baker Street, Nummer 221b. Er liegt in seinem Bett, es ist 2:32 Uhr und er kann nicht schlafen. Das Fenster ist ganz offen aber es hilft nicht dabei die stickige Luft aus dem zimmer zu vertreiben. Selbst in der Nacht kühlt sich die Stadt nicht mehr ab und sein Shirt klebt ihm am Körper. Schon seit tagen herrscht eine windstille, stickige Hitze. Und schon seit tagen kann John nicht schlafen. ein Licht blick ist das er anscheinend heute Nacht nicht der einzige ist. Durch die geschlossene Tür hört er die melancholische Melodie von Sherlocks Violine. Er streckt seine Beine langsam wieder aus. Der Sand ist weg.   Er hat bereits eine Tablette genommen, aber die Kopfschmerzen wollen ihn einfach nicht loslassen. Schon die ganze Woche. Mittlerweile vermutet er das es nicht am stickigem Wetter liegt, sondern das sein verstand sich was neues ausgedacht hat. Das anstatt sein Bein zu quälen sich der Schmerz in seinem Kopf angesiedelt hat. Er dreht sich auf die Seite, weg vom Fenster und auf die Schulter die damals die Kugel im Krieg getroffen hatte. Ein stechender Schmerz zieht durch seinen Oberkörper und John sitzt mit einem Fluch abrupt auf. Der Schweiß läuft ihm die Schläfe runter und seine Atmung geht schwer, als er seinen Arm anschaut als ob er ihn betrogen hätte. Das hätte nicht passieren sollen. Ja, das Narbengewebe schmerzt ab und an noch wen er sich falsch oder zu viel bewegt. Aber niemals einfach so, weil er auf der Seite liegt. Mit vorsichtigen Bewegungen dreht er sein Kopfkissen auf die kühlere Seite, tritt den Rest der Decke, die ohnehin nur seine Beine bedeckt hatte zum fußende des Bettes und legt sich langsam wieder auf den rücken. Mit sachten Bewegungen massiert er seine Schulter in der Hoffnung das sie nicht auch noch anfängt zu verkrampfen.   Fast sechstausend Kilometer von Afghanistan entfernt und John spürt immer noch die folgen des Krieges.   Seine Augen fühlen sich irritiert an. Fast so als würde Staub in seinen Augenwinkeln stecken, also schließt er sie. Er atmet tief ein und hält die Luft an für fünf Sekunden, dann lässt er sie langsam wieder aus. Er hört das Violinenspiel nicht mehr. Vielleicht ist Sherlock jetzt schlafen gegangen. Sie haben im Moment keinen Fall aber das hält den Irren nicht davon ab die ganze Nacht wach zu bleiben. John kann nur hoffen das morgen wenigstens Sherlock ein bisschen ausgeruht ist, den er weiß das er es nicht sein wird.   John dreht seinen Kopf zu dem Wecker der auf seinem Nachtisch steht. Die leuchtenden Zeiger sagen ihm das es mittlerweile 3:01 Uhr ist. Vor seinem Fenster hört er wie sich zwei Katzen anfauchen. Er atmet tief ein und hält die Luft an für fünf Sekunden, dann lässt er sie langsam wieder aus. Er schließt wieder sein Augen. Es wird eine lange Nacht werden.   Die Sommerhitze ist unerträglich.     ---     Am nächsten Morgen, oder besser gesagt wen John nicht mehr länger die Wand anstarren will und der Wecker eine angemessene Uhrzeit anzeigt, steht John so langsam wie nur möglich auf. Auch wen Sherlock es zum groß teil geschafft hat sein Phantomschmerz mit Adrenalin und Abenteuern zu vertreiben gibt es doch immer noch Tage an dem sein Bein, zwar nicht genau krampft, aber auch nicht ohne schmerzen ist. Seiner Therapeutin hat er nichts von dem Phantomschmerz erzählt...   Seine Therapeutin Ella. Sie versucht ihm zu helfen aber sie versteht ihn nicht. Das ist wahrscheinlich der einzige Grund warum John noch zu ihr geht. So kann er Harry sagen das er was für sein mentales wohl befinden tut, jedenfalls könnte er ihr das sagen, wen sie an ihr Telefon gehen würde. Und er muss nicht zu tief in seine Psyche tauchen mit seiner es gut meinenden Psychologin. Also sitzt er in ihrem Sprechzimmer und spricht mit ihr über sein Leben, wie es ist und was er und sie darüber denken. Er schreibt den Blog den sie immer noch liest und kontrolliert. Aber er spricht nicht mit ihr über die Nächte, in denen er hochschreckt, weil er von einer Explosion geweckt wurde. Die Nächte in den er sich fast lautlos und im halbschlaf aus dem Bett rollt und mit seiner Waffe hinter die Tür hockt und horcht ob sich feindliche Soldaten versuchen heranzuschleichen. Nur um dann zu merken das es ein Hitzegewitter war bei dem der Donner und Blitz London schon erreicht hatten, aber der Regen noch auf sich warten ließ. Einer dieser Nächte hatte Sherlock die Tür geöffnet weil er ihn aus dem Bett fallen gehört hatte. In seinem desorientierten Zustand hatte er Sherlock die Beine weggetretenen und ihn zu Boden gedrückt mit seiner Waffe im Genick. Es hat einige Minuten sehr schnelles reden und noch schnelleres denken von Sherlock Seite gebraucht um ihn ins hier und jetzt zurück zu holen. Genau aus dem Grund hat John angefangen seine Munition aus der Waffe zu nehmen und auf dem Kleiderschrank zu verstecken.   John zieht sich mit vorsichtigen Bewegungen an. Immer darauf bedacht das er seine Schulter nicht zu sehr bewegt. Heute trägt er nur ein Shirt und eine dünne Stoffhose. Selbst so früh am morgen ist es schon unangenehm warm. Er würde normalerweise duschen aber im Moment glaubt er nicht das es eine gute Idee ist. Das letzte was er heute gebrauchen kann ist das Sherlock ihn aus der dusche ziehen muss weil er ein flashback hatte und nicht mehr weiß wo er ist.   Gott, er hofft das sie bald einen neuen Fall kriegen. Er könnte die Ablenkung gebrauchen. Er ist so erschöpft. John atmet tief ein und hält die Luft an für fünf Sekunden, dann lässt er sie langsam wieder aus, bevor er die Tür öffnet und sein Raum verlässt.     ---     Es ist nicht direkt ein Fall, aber Molly hat angerufen und gesagt das sie ein paar vielversprechende Leichen in der Kühlung liegen hat. Soweit stehen sie als natürliche Tode fest aber man weiß ja nie, wen man nicht sehen kann was Sherlock sieht.   Sherlock ist gerade über eine der Leichen gebeugt mit seiner kleinen Lupe. Er murmelt vor sich hin. John hört ihm nicht wirklich zu. Er weiß das Sherlock nicht mit ihm redet, sondern in seine ungefähre Richtung. Er erwartet keine Antwort oder Leichenanalyse von John. Nicht das er viel dazu beitragen könnte wen seine Gedanken so zerstreut sind das er sie kaum zusammenhalten kann.   Natürlich weiß Sherlock das John die letzte Woche bei weitem nicht genug schlaff bekommen hat, es ist wahrscheinlich das erste was er wahrnimmt wen John morgens dem Raum betritt. Vielleicht kann er an dem falten ihn Johns Shirt ablesen wie viele Stunden er sich hin und her gewälzt hat. Es wundert ihn das Sherlock nicht einfach ohne ihn losgezogen ist anstatt heute morgen mit schon gemachten Tee auf ihn zu warten. Den unausgeschlafen ist John für ihn nicht zu gebrauchen. Wie er sich schon lang und breit vor einiger Zeit zu mehreren Gelegenheiten anhören durfte. Aber das zeugt davon wie sich Sherlock mit der Zeit auf ihn eingestellt hat, das er versucht ihm zu helfen anstatt außen fort zu lassen. Den in dem mentalen Zustand in dem sich John grade befindet weiß er das er keine große Hilfe ist. Aber es scheint Sherlock in seinem Ermittlungen noch nicht so weit zu behindern das er was dazu sagt. Er hofft das er sein Kopf wieder zusammen kriegt bevor es soweit ist. Er will wirklich nicht darüber reden. Schon gar nicht mit Sherlock der jeden seiner Worte in dem zucken seiner Augenbrauen vorher sehen kann. Oder bevor er John einfach zuhause lässt, aber sie beide wissen dass das die Situation nur verschlimmern würde. Wen er oben drauf sich noch nutzlos fühlte.   Wenigstens ist es kühler hier unten. John unterdrückt ein gähnen und lässt den Wortfluss von Sherlock an ihm vorbei ziehen ohne die Bedeutung zu registrieren.   Er blinzelt. Im Hintergrund hört er ein rhythmisches rattern, aber kann nicht sagen von wo es kommt. Ein Tür knallen in der ferne als jemand die Stufen im Flur runter geht. Sherlocks leises reden. John verlagert sein Gewicht auf das gute Bein, die Steine unter seinen Füßen geben ein wenig nach als er sich bewegt. Durch die Tür hört er das quietschen von defekten rädern als jemand einen Rollwagen den Flur entlang schiebt. Er reibt sich irritiert die Augen, überzeugt das sich Sand in ihnen befindet. Er fühlt den Staub an seinen fingern, die trockene Luft auf seiner gereizten haut. Er versucht tief einzuatmen aber die Luft ist zu staubig und warm.   John blinzelt und alles was er sehen kann ist Rauch, Sand und Gebirge in der ferne. Er hört das stampfen von laufenden Männern. Er dreht sich um und schaut zurück zur Straße. Hitze steigt von dem Asphalt auf und lässt alles direkt darüber verschwimmen. Er schließt seine Augen und wisch sich den Schweiß von der Schläfe. Er hört immer noch das rhythmische rattern. Leiser als vorher aber immer noch da. Das Geräusch kommt ihm bekannt vor. Wo hat er das schon mal gehört.  Oh. Richtig. Ein Maschinengewehr. Nur dass das Geräusch was er hört sehr viel leiser ist als ein echtes Maschinengewehr. Es ist ohrenbetäubend laut. Besonders wen man sich direkt daneben aufhält, weil man einen gefallen Soldaten in Deckung zieht und einem Unterdrückungsfeuer unterstützt. Er spürt wie der Sand und die Steine unter seinen Füßen nachgibt als er den bewegungslosen Körper hinter sich her schleift. Alles woran er denken kann ist das der Körper eines gut trainierten Menschen schwerer ist als der Körper eines untrainierten. Dazu kommt die ganze Ausrüstung die ein Soldat mit sich tragen muss.   Viele stellen sich den Krieg voller ständiger Gefahr vor bei der man jede Sekunde aufpassen muss, oder man wird getötet. Die Wahrheit ist das selbst in Ländern in den aktiv Krieg geführt wird, ist nicht jeder ständig an der Front. Es gibt Monate in den es nichts zu tun gibt. Einige Soldaten sehen in der gesamten Zeit nicht ein Feuergefecht.   Die Langeweile ist gefährlich. Sie führt zu Leichtsinn und Unachtsamkeit. Sie führt dazu Equipment abzulegen, weil es so heiß ist und man hat es die letzten 99 Tage ja nicht benötigt. Sie führt dazu seine pflichten lockerer zu sehen und sie nicht mehr so ordentlich wie sonst auszuführen. Nicht immer und nicht jeden Tag aber ab und an. Was macht es schon wen man heute seinen Wachdienst nicht komplett erfüllt. Was macht es schon wen man heute die Straße nicht komplett kontrolliert. Was macht es schon wen man heute keine schusssichere Weste trägt. Die letzten neun Monate ist ja auch nichts passiert. Aber dann kommt dieser hundertste Tag, dieser zehnte Monat und du steht direkt neben einer Explosion weil dein Konvoi über eine Miene gefahren ist, weil genau an dem Tag jemand seinen Job nicht gründlich genug getan hat oder einfach abgelenkt war. Und jetzt liegst du am Boden mit deinem halben Equipment weil du den Rest abgelegt hast. Und du bist nicht der einzige der komplett unvorbereitet aus deiner Langeweile gerissen wurdest. Den die Langeweile ist gefährlich und führt zu Fehlern die töten.   Er atmet tief ein und hält die Luft an für fünf Sekunden, dann lässt er sie langsam und kontrolliert wieder aus.   „ … John?“   Die stimme kommt ihm bekannt vor, aber..   War es alles nur ein Traum? Seine Verletzung, die Infektion und das Fieber das ihn fast umgebracht hätte?   Vielteich hat er nur halluziniert zurück nach London zu kommen und Mike Stamford im Park zu treffen. Und wen man ehrlich ist kann Sherlock Holmes einfach nur aus einer überaktiven Fantasie entsprungen sein. Vielleicht liegt er noch im Krankenhaus und baut sich eine besser Welt in seinem Kopf, voll mit Abenteuer und Freiheit während sein Körper nach und nach dem Kampf ums überleben aufgibt. Oder ist er immer noch in Kandahar und träumt in seinem Feldbett?   Ein kalter Schauer läuft durch seinen Körper bei dem Gedanken. Sein Hals ist so trocken es fällt ihm schwer zu atmen. Die Panik die in ihm hoch steigt macht es nur schlimmer.   „Kannst… hören John?“   Plötzlich verschiebt sich die Realität um ihn herum in einem schwindelerregenden Moment. Er schließt seine Augen aber das macht es nicht besser also öffnet er sie wieder. Und vor ihm sitzt Sherlock.   „Drück …. Hand.. mich verstehst.“.   John schließt die Augen, sein Mund will nicht mit ihm zusammen arbeiten. Aber es ist Sherlock und er braucht keine Worte. Er spürt Sherlocks Hände in seinen eigenen. Nach einigen Momenten drückt Sherlock einmal langsam zu, also macht John es genau so.   „Gut, John. Weißt du wo du bist?“.   Es ist kühl hier unten. Er öffnet die Augen. Sie sind in der Leichenhalle. Er sitzt auf dem Boden mit dem Rücken zur Wand, Sherlock kniet vor ihm, seine Hände in Johns. Was ist passiert? John schaut nach oberen und ja, das rhythmische rattern was er gehört hat kommt von der Klimaanlage. Das Geräusch, zusammen mit dem unnatürlich warmer Sommer und all den schlaflosen Nächten hat anscheinend ausgereicht um ihn in die Abgründe seiner Albträume fallen zu lassen. Und hat ihn wieder zurück nach Kandahar befördert.   Sein Mund will sich immer noch nicht öffnen also nickt er nur und versucht Sherlock ein vorsichtiges Lächeln zu geben. „Wir sind fertig hier. Lass uns nachhause gehen.“ hört er Sherlock sagen als dieser seinen halt von Johns Händen zu seinen Oberarmen wechselt um ihn auf die Beine zu helfen.   Und John war noch nie so dankbar für Sherlocks Freundschaft wie in diesem Moment, als sie gemeinsam das St. Barts Krankenhaus verlassen. Es ist immer noch heiß, der Sommer ist immer noch lang und John wird immer noch Probleme damit haben. Aber es hilft ungemein zu wissen, das er sich auf Sherlock verlassen kann.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)