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Erschütternde Erkenntnisse

von

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Abschied

Irritiert hatte Andre Camel das Auftauchen seines Vorgesetzten im Restaurant beobachtet. Hatte er sich doch in dem Tag geirrt und das Treffen fand jetzt statt? Camel runzelte die Stirn und nahm sein Handy heraus. Er wählte die zuletzt eingegangene Nachricht und las sie sich durch. Es gab keinen Zweifel. Das Treffen wurde auf den morgigen Tag verschoben. Aber warum waren jetzt alle schon da?

Camel hatte ein ungutes Gefühl bei der Sache. In Amerika konnte er sich immer auf sein Bauchgefühl verlassen, aber seit er in Japan war, kam er sich wie ein Anfänger vor. Dennoch musste er erneut mit Black sprechen und wählte die Nummer seines Vorgesetzten. Nach einem kurzen Gespräch war beiden Agenten die Situation klar: Akai lief in eine Falle.

Sie mussten einen kühlen Kopf bewahren und einen günstigen Augenblick abwarten, um den Agenten aus dieser heiklen Situation zu retten. Zunächst wollte sich der echte James Black auf den Weg zum Restaurant machen und dann die Lage bewerten. In der Zwischenzeit sollte Camel das Geschehen weiterhin beobachten und Bericht erstatten, sobald es brenzlig wurde. Kaum dachte er an das Worst-Case-Szenario, kamen Akai und Jodie aus dem Restaurant. Hinter ihnen befand sich der falsche Black und innerhalb der nächsten Minuten wurde das Feuer auf das ungleiche Paar eröffnet. Ehe Camel reagieren konnte, liefen Akai und Jodie zum Wagen und fuhren mit quietschenden Reifen los. Der falsche Black hingegen zog sein Handy hervor, wählte eine Nummer und lief auf die Parkplätze zu. Er stieg in seinen Wagen und fuhr dem Agenten hinterher.

Camel startete ebenfalls den Motor und fuhr los. Er wählte die Nummer seines Vorgesetzten und steckte das Handy in die Freisprechanlage. „Camel hier“, fing er an. „Die Lage ist außer Kontrolle geraten. Agent Akai flieht mit der Frau. Ich fahre Ihnen hinterher und sammel Sie unterwegs auf.“
 

Wie in einem schlimmen Traum drehte sich der Wagen auf dem Asphalt und landete letzten Endes auf dem Dach. Der Airbag hatte die Beiden auf ihren Sitz gepresst und fiel Sekunden später in sich zusammen. Allein durch den Sicherheitsgurt hingen sie kopfüber auf ihren Plätzen.

Shuichi stöhnte leise auf. „Jodie…?“, fragte er und öffnete seine Augen.

Sie reagierte nicht.

Sein Kopf schmerzte und die Platzwunde am Hinterkopf hörte nicht auf zu bluten. Bis auf ein paar Schrammen im Gesicht und an den Händen sowie der Wunde am Hinterkopf, war er mit dem Schrecken davon gekommen. „Jodie…sag doch was…“, wisperte er leise. Langsam löste der Agent seinen Sicherheitsgurt und stützte sich mit den Armen ab, um aus der kopfüber hängenden Stellung zu kommen. Er musste unbedingt aus dem Wagen raus, Jodie retten und mit ihr verschwinden.

„Mhm…“

Akai sah zu Jodie. „Jodie? Hörst du mich?“, wollte er wissen.

„Mhm…“, stöhnte Jodie ein weiteres Mal. Sie öffnete langsam ihre Augen und brauchte einen Moment um die Situation zu erfassen. Nicht nur ihr Kopf, auch ihr gesamter Körper schmerzte. „Was…was ist…passiert?“

„Der Wagen hat sich überschlagen“, erklärte Akai. „Wir müssen hier raus. Wer weiß, wo sie gerade sind und wann sie…bei uns sind.“ Er sah zu ihr und atmete tief durch. „Kannst du deinen Gurt lösen? Du musst dich dann sehr schnell mit den Armen abstützen, damit du nicht nach vorne fällst. Falls du eine Gehirnerschütterung hast, wirst du einen Moment brauchen, damit die Übelkeit aufhört. Danach musst du so schnell wie es geht aus dem Wagen klettern.“

„Ich versuch es“, antwortete Jodie und löste langsam ihren Gurt. Sie stützte sich mit den Armen ab und kniete auf der Innenseite des Daches. Jodie atmete schwer und schloss die Augen.

Akai versuchte sich weiter zu orientieren. Die Karosserie seines Wagens war verbeult, die Türen teilweise eingedrückt und die Fenster gesplittert. Überall lag Glas herum, aber dies würde seine kleinste Sorge sein. Akai betätigte den Türgriff auf seiner Seite und sah zu, wie die Tür aufsprang. „Kannst du deine Tür öffnen?“, wollte der Agent wissen. „Jodie? Jetzt sag doch was.“

„Ich…arbeite…daran“, murmelte die Gefragte und betätigte langsam den Türgriff. Die Tür ging zwar auf, aber Jodies Kraft reichte nicht mehr aus, um diese gänzlich aufzudrücken.

Akai zwängte sich nach draußen und blieb auf allen Vieren. Er wischte sich das Blut, welches an seiner rechten Schläfe entlang lief, weg. Shuichi atmete tief durch und stand langsam auf. Er brauchte erneut einen Moment um sein Gleichgewicht zu finden und wischte sich anschließend den Schweiß von der Stirn. Augenblicklich waren wieder alle seine Sinne geweckt. Gefahr lag in der Luft. Akai sah sich unverzüglich um. Sie standen hier wie auf dem Präsentierteller und konnten aus jeder Richtung angegriffen werden. Befand sich der Schütze hingegen auf dem Dach, hätte ihr letztes Stündlein geschlagen. Sie konnten aber auch nicht einfach in eine Richtung laufen und auf ihr Glück setzen. Aber eines war klar: Sie mussten unbedingt verschwinden und verarztet werden.

„Jodie?“, fragte Akai leise und erhielt erneut keine Antwort. Er ging um den Wagen herum und kniete sich hin. „Jodie“, sagte er ihren Namen ein weiteres Mal und öffnete ihre Tür. „Jodie…was…?“

„Ich brauch…nur einen Moment“, gab sie leise von sich. „Tut mir leid…ich…“

„Dir muss nichts leidtun“, entgegnete er ruhig. „Versuch ganz langsam aus dem Wagen zu klettern. Geht das?“

„Ich…versuchs…“, murmelte sie.

Shuichi sah ihr zu. Er war froh, dass kein Öl aus dem Wagen auslief und damit die Wahrscheinlichkeit für ein Feuer gering gehalten wurde. Würde hingegen ein Schuss fallen, konnte er für nichts garantieren. Als Jodie endlich die Freiheit erlangte, half Akai ihr beim Aufrichten. „Geht’s?“

Sie nickte, obwohl es nicht der Wahrheit entsprach. Jodies Jacke war blutdurchtränkt und auch ihr Bein war in Mitleidenschaft gezogen worden. Ihre Schusswunde blutete weiterhin und die Kopfschmerzen wollten nicht aufhören.

„Gut“, gab Akai von sich und sah nach oben. Ob der Scharfschütze Calvados bereits auf einem der Dächer Position bezogen hatte? Oder hatten sie noch etwas Zeit? Akai brauchte einen Plan und das am besten schnell.

„Dai“, fing Jodie leise an. „Du musst…hier so schnell…wie möglich…weg…“, wisperte sie.

„Die Frage ist, welchen Weg wir am besten nehmen.“ Er sah nach hinten. „Die Schüsse kamen zwar von dort hinten, aber soweit ich das abschätzen kann, ist uns der Wagen nicht weiter gefolgt. Mir stellen sich zwei Fragen: Wo haben sie Stellung bezogen und waren sie zusammen im anderen Auto? Darum mache ich mir später Gedanken. Kommt dir hier etwas bekannt vor?“ Shuichi überlegte. „Ich frage mich, wie sie uns so schnell finden konnten. Eigentlich hatten wir sie abgehängt und trotzdem scheinen sie geahnt zu haben, dass wir hierher unterwegs sind.“

„Peilsender“, murmelte die Amerikanerin. „Entweder am Auto oder…sie hat ihn uns vorhin untergejubelt“, fügte sie hinzu. „Calvados ist ein exzellenter Schütze, aber er ist auf die Distanz spezialisiert“, erzählte sie. „Sie wird ihn auf dem Dach in Position gehen lassen.“ Jodie sah sich um. „An ihrem Lagerhaus werden sie uns…vielleicht erwarten. Am besten ist es, wenn du…wenn du die Wege zwischen den Lagerhäusern und Containern…nimmst. Geh nicht immer geradeaus…lauf Umwege, dann kommst du zur Straße.“

„Wir“, entgegnete Akai und legte seine Hände an ihre Schultern. „Du glaubst doch nicht, dass ich dich hier allein zurücklasse. Ich weiß, dass unsere Chancen sehr gering sind und je länger wir hier bleiben und nichts tun, desto schneller finden sie uns“, fügte der Agent hinzu. „Also? Wohin gehen wir?“

Jodie lächelte. „Dai“, sprach sie leise.

„Shuichi“, antwortete er. „Nenn mich, Shuichi.“

Sie nickte. „Ich…ich hab dich vorhin angelogen“, begann sie leise. „Die Kugel hat mich nicht nur gestreift…Ich bin dir jetzt…“

„Schh…“ Er legte seinen Zeigefinger auf ihre Lippen. „Das hab ich doch bemerkt“, fügte er hinzu und brachte sie mit einem Kuss zum Schweigen. Als er ihn wenige Sekunden später löste, strich er ihr über die Wange. „Ich lass dich sicher nicht zurück.“

„Du musst“, gab Jodie von sich. „Ansonsten überlebt keiner von uns. Dai…nein, Shuichi…du hast bessere Chancen als ich. Und…vielleicht schaffe ich es auch raus. Aber…dafür müssen wir uns für die Flucht trennen. Wenn wir unterschiedliche Richtungen einschlagen…“

Akai schluckte. Sagte sie ihm gerade Lebewohl? „Du versprichst mir, dass du nicht hier bleibst und dich opferst, ja? Ich will, dass du ebenfalls versuchst zu entkommen.“

Jodie nickte. „Natürlich“, fing sie an. „Ich nehme einen anderen Weg. Auch wenn meine Wunde schmerzt…ich werde mich in einem der Lagerhäuser verschanzen und dort warten, bis die Luft rein ist. Wenn ich…sicher bin, dass hier keiner mehr ist, melde ich mich bei dir. Ansonsten musst du morgen früh herkommen…dann beginnen wieder die Arbeiten und…sie werden nicht zuschlagen…“

„Warum habe ich nur das Gefühl, dass du mir gerade Lebewohl sagst?“, wollte er wissen.

Jodie schüttelte den Kopf. „Mach dir darum keine Sorgen…wir werden uns wiedersehen. Und jetzt geh. Sie werden bald hier sein.“

Shuichi löste sich von ihr. Er hatte kein gutes Gefühl bei der Sache, aber Jodie hatte Recht. Gingen sie zusammen, hatten sie keine Chance. „Ich tu das wirklich nicht gerne…“

„Ich weiß“, murmelte die Amerikanerin. „Geh jetzt…bitte…sonst…“

Der Agent machte ein paar Schritte nach hinten, dann lief er auf ein Lagerhaus zu. Ehe er in dem Gang zwischen den Häusern verschwand, blickte er sich zu Jodie um, lief dann aber weiter.

Sie humpelte vom Wagen weg. Die Anstrengung war ihr ins Gesicht geschrieben. Wenige Sekunden später wurde der Unfallort durch das Scheinwerferlicht eines anderen Fahrzeuges erhellt. Vermouth – die die Maske von James Black bereits entfernt hatte – stieg aus.

„Du bist hier ja ganz allein.“ Vermouth sah sich um.

Jodie schluckte. „Wenn…wenn du mich erschießen willst, dann tu es. Ich hab keine Angst.“

„Natürlich hast du keine Angst. Du bist schließlich bei uns aufgewachsen“, gab die Schauspielerin von sich. „Und wenn ich einen falschen Schritt mache, erschießt mich dann dein FBI Agent oder hat er dich hier allein gelassen?“

„Er wird…die Organisation vernichten. Du und die anderen…ihr werdet eure gerechte Strafe erhalten.“

Vermouth lachte. „Das hat bisher keiner geschafft. Warum glaubst du, dass ausgerechnet er es schaffen kann?“

Jodie machte einen Schritt nach hinten. Ein Schuss fiel. Sie taumelte und bemerkte das rote Mal an ihrem Brustbereich nicht. Sekunden später fiel der zweite Schuss und Jodie ging zu Boden.

„Sayonara.“
 

Als der erste Schuss fiel, blieb Akai stehen. Der Schuss hallte in seinem Kopf nach und seine Augen waren geweitet. Er machte sich sofort auf den Weg zurück. Als er dem Unfallort immer näher kam, wurde er langsamer. Auch wenn seine Sorge um Jodie groß war, musste er sich an den Feind heranpirschen und nicht überstürzt handeln.

Akai zog seine Waffe heraus. Der Lauf war durch den Unfall etwas gebogen, doch es stellte kein Problem dar, wenn er den neuen Flugwinkel der Kugel miteinkalkulierte. Dann würde seine Waffe ihren Dienst nicht versagen.

Für Shuichi verging eine gefühlte Ewigkeit, ehe er am Unfallort wieder ankam. Er drückte sich gegen die Wand des Lagerhauses und sah den beiden Frauen zu.

Der erste Schuss hatte Jodie verfehlt, dennoch verlor sie beinahe das Gleichgewicht und taumelte. Shuichi machte einen Schritt nach vorne, stoppte dann aber und hielt nach Calvados Ausschau. Dann sah er den roten Punkt auf Jodies Brust.

Calvados.

Akai biss sich auf die Unterlippe. Gerade als er seine letzten Reserven mobilisierte, fiel der zweite Schuss und Jodie ging zu Boden. Shuichi sah dem Szenario geschockt zu. Es lief wie in Zeitlupe ab und er hatte das Gefühl, sich nicht bewegen zu können.

Akai atmete schwer. Im nächsten Moment spürte er eine Hand auf seinem Mund und jemand schlug ihm in den Nacken. Er fühlte die Benommenheit, hielt sich aber noch auf den Beinen. Doch je mehr Zeit verstrich, desto schwerer wurde es für ihn und schließlich hatte er keine andere Wahl als nachzugeben.

Shuichi spürte, wie er vom Ort des Geschehens weggeschleift wurde. „N…nein…“, murmelte er. Er wurde auf die Rückbank eines fremden Wagens gelegt und realisierte erst dann, wer ihn soeben aus der misslichen Lage befreit hatte.

Ihn - nicht sie. Sie kümmerten sich nicht um Jodie. Sofort ergriff ihn die Angst, doch sein Körper hatte nicht mehr die Kraft um darauf zu reagieren. Er bewegte sich nicht. „Jo…jo…die…?“

James Black sah betroffen drein. Er schüttelte den Kopf. „Wir kamen zeitgleich mit Ihnen am Unfallort an und haben nur gesehen, wie Miss Sta…Saintemillion niedergeschossen wurde“, fing James an.

„Ein Eingreifen in dieser Lage wäre für uns kein Vorteil“, fügte Camel hinzu. „Wir…wir müssen der Wahrheit ins Auge sehen.“

Black sah auf den Boden. „Wir können leider nichts mehr für sie tun. Ich glaube nicht, dass sie…dass sie…“ Seine Stimme versagte, aber Akai wusste genau, wie der Satz enden sollte. …dass sie den Schusswechsel überlebt hat…

Shuichi schloss die Augen und schüttelte den Kopf. „Jo…die…“, sagte er noch ein letztes Mal, ehe er bewusstlos wurde.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Es ist geschehen! Erschütternde Erkenntnisse ist abgeschlossen. Ich hoffe, die Geschichte hat euch gefallen.
Aber keine Sorge, es geht weiter: Fremder Feind Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Youdid
2020-01-06T06:19:40+00:00 06.01.2020 07:19
Ein großes Lob für Erschütternde Erkenntnisse. 😁 Mir hat die Story sehr gut gefallen. Ich fande die Abwechslung, dass Jodie in der Orga aufgewachsen ist sehr interessant.
Das "böse" Ende war eine echte Überraschung. Aber gerade das hat mir sehr gut gefallen. Es kann ja nicht immer ein Happy End geben. Ich bin schon auf deine nächste FF gespannt 😊
Antwort von:  Varlet
06.01.2020 19:19
Danke für deinen Kommentar.
Ich muss sagen, ich wollte auch immer eine Geschichte schreiben, wo mal Jodie "die Böse" ist. Und das Ende hatte ich schon im Kopf als ich die Geschichte anfing. Ich bin froh, dass es so geklappt hat, wie ich es vorhatte :D


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