Erschütternde Erkenntnisse von Varlet ================================================================================ Kapitel 22: Was wäre wenn... ---------------------------- Jodie lag in ihrem Bett und sah nach oben an die Decke. Aus dem Augenwinkel schielte sie allerdings andauernd zu ihrem Wecker auf dem Nachttisch. Sie hatte noch fünf Minuten ehe der schrille Ton erklingen würde und sie aufstehen musste. Jodie schloss die Augen und versuchte an etwas Anderes zu denken. Und kaum das sie langsam wieder wegdämmerte, klingelte der Wecker. Seufzend griff sie nach ihm und stellte ihn aus. Jodie setzte sich langsam auf, gähnte herzhaft und ging anschließend ins Badezimmer. Als sie mit dem Zähneputzen fertig war, begab sie sich wieder in ihr Zimmer und zog sich an. Das junge Mädchen betrachtete sich im Spiegel und kämmte ihr blondes Haar von einer Seite auf die Andere. Anschließend zupfte sie mit den Fingern an ihren Haaren herum. Warum konnte sie bloß nicht schwänzen? „Jodie!“ Das Mädchen ließ den Kopf hängen, schnappte sich ihre Schultasche und ging aus ihrem Zimmer. Nur langsam schritt sie die Treppen nach unten. „Jodie!“ „Ich bin nicht taub, Dad“, gab sie von sich und schlüpfte im Flur in ihre Schuhe. Sie nahm ihre Jacke vom Garderobenständer und sah ihren Vater an. „Kann ich heute nicht zu Hause bleiben?“ „Du weißt, dass das nicht geht“, antwortete der Agent ruhig. Jodie seufzte theatralisch. „Aber die mögen mich alle nicht“, fing sie an. „Sie sehen immer nur die Tochter eines FBI Agenten in mir…und eine Petze.“ Der FBI Agent musterte seine Tochter. „Wir wissen beide, dass das nicht der Wahrheit entspricht. Und jetzt schau nicht so.“ Er strich ihr über die Wange. „Ab heute beginnt ein neues Schuljahr für dich. Du wirst sehen, es wird besser als das vorherige werden. Versprochen.“ „Schlimmer ist auch kaum möglich“, gab Jodie von sich und ging nach draußen. Auf das morgendliche Frühstück verzichtete sie immer häufiger und nutzte die Zeit zum längeren Schlafen. Ihr Vater war damit zwar nicht glücklich, folgte ihr aber kommentarlos zu seinem Wagen und öffnete die Tür. „Kann ich nicht zu Fuß zur Schule gehen? Oder selber fahren? Ich hab doch auch dein Führerschein…“ „Ich bin nicht blöd, Jodie“, entgegnete Starling. „Und jetzt steig ein.“ Jodie nahm auf dem Beifahrersitz Platz. „Das ist so peinlich“, murmelte sie leise. „Alle anderen in der Schule haben schon ihren eigenen Wagen oder dürfen selbst auf dem Weg fahren…und ich werde noch von meinem Papa in die Schule gebracht. Kannst du mich nicht wenigstens zwei Straßen vorher raus lassen? Ich verspreche auch, dass ich wirklich in die Schule gehe. Du kannst meinen Lehrer McAllister anrufen, wenn du mir nicht glaubst.“ Agent Starling setzte sich auf den Fahrersitz, schnallte sich an und startete den Motor. Er sah nach vorne auf die Straße und rollte los. „Eine Straße vorher, ok?“ Jodie wirkte nicht glücklich. „Ich kann mein Angebot auch zurückziehen.“ „Nein…ach Dad…“, sagte Jodie leise. „Na gut…eine Straße vorher.“ Agent Starling nickte und fuhr los. „Vielleicht…könnte ich ja…die Schule wechseln?“, fragte Jodie leise nach. „Jodie.“ Der Agent seufzte leise auf. „Das Thema hatten wir doch. Ein Schulwechsel kommt nicht in Frage. Du wirst in diesem Jahr bestimmt Freunde finden“, fügte er an. „Was ist denn mit dieser Amber? Sie hat dich doch in den Ferien besucht.“ „Ja, schon…und sie gehört zu den Coolen. Und ich…“, Jodie sah an sich runter. „Und wenn sie in der Schule so tut, als würde sie mich gar nicht kennen?“ „Dann lässt du sie auch links liegen. Jeder der nicht erkennt, was für ein großartiges Mädchen du bist, hat deine Freundschaft nicht verdient.“ „Das musst du sagen, weil du mein Vater bist“, gab sie trotzig von sich. Agent Starling lachte und parkte den Wagen am Straßenrand. „Ganz genau der bin ich. Und jetzt raus mit dir.“ Jodie nickte. „Hab dich lieb, Daddy.“ Sie stieg aus dem Wagen und verabschiedete sich winkend von ihrem Vater. Etwa zwanzig Minuten vor dem Unterrichtsbeginn kam Jodie gedankenversunken in der Schule an. Als sie auf den Eingang zuging, spürte sie die vermeintlichen Blicke ihrer Mitschüler. Als sich Jodie umsah, waren alle Schüler in rege Unterhaltungen vertieft. Sie schüttelte den Kopf und versuchte sich ihre Unsicherheit nicht anmerken zu lassen. Auf dem Weg zu ihrem Spind sah Jodie einen Jungen aus dem Sekretariat kommen. Er sah auf seinen Unterrichtsplan und anschließend zu einer Lehrerin. „Wie komme ich am besten zu den Räumen?“ „Sie müssen…“, begann Mrs. Cooper ehe sie Jodie erblickte. „Miss Starling, guten Morgen. Kommen Sie doch bitte zu uns.“ Jodie nickte und gesellte sich zu den Beiden. „Guten Morgen“, sagte sie ruhig. „Was gibt es denn?“ „Wir haben einen neuen Schüler.“ Mrs. Cooper wies auf Dai. „Das ist Mr. Dai Moroboshi. Er geht seit heute in ihren Jahrgang und ich glaube, Sie haben auch einige Fächer zusammen. Bitte zeigen Sie ihm doch die Schule und die Räumlichkeiten, ja? Ich verlasse mich auf Sie.“ „Ähm…“, murmelte Jodie und blickte zu Dai. „Ja…ist gut.“ „Danke.“ Dai sah sie an und wartete bis die Lehrerin wieder im Büro verschwunden war. „Entschuldige, dass sie dich dazu verdonnert hat.“ „Kein Problem“, antwortete Jodie. „Zeig mir mal deinen Stundenplan.“ Jodie nahm ihm diesen direkt aus der Hand. „Mhm…“ Dai sah ihr wartend zu. „Du hast einen recht übersichtlichen Stundenplan. Mrs. Cooper hatte ihm übrigen recht. Wir haben ein paar Fächer zusammen. Hier, schau mal.“ Jodie hielt den Plan so, dass er mit rein sehen konnte. „In jedem Kasten steht ein Fach in seiner Abkürzung. HIS für Geschichte, CHEM für Chemie und so weiter. Direkt darunter findest du das Kürzel des Lehrers. McA steht beispielsweise für McAllister. Am schwarzen Brett unserer Schule, welcher direkt neben dem Sekretariat hängt, findest du alle Kürzel. Du kannst mich aber natürlich auch gerne fragen.“ Dai nickte verstehend. „Unter dem Lehrerkürzel findest du den Raum. Im besten Fall hast du mindestens zehn Minuten für den Raumwechsel. Allerdings gibt es viele Lehrer, die die Hausaufgaben erst nach dem Klingeln bekannt geben und dann musst du hetzen. Besonders schlimm wird es, wenn alle Schüler gleichzeitig auf dem Flur den Raum wechseln wollen. Manchmal spürst du dann den einen oder anderen Ellbogen in der Seite. Und pass auf, dass du nicht hinfällst. Da achtet dann keiner mehr auf dich und wenn du Pech hast, trampelt dir der ein oder andere Mitschüler auf die Hand oder auf andere Stellen…“ „Das krieg ich schon hin“, antwortete Dai. „Im Übrigen verzeihen es dir die Lehrer, wenn du in der ersten Woche noch zu spät kommst. Ab der zweiten Woche sind sie nicht mehr so gnädig mit dir. Die Pläne werden aber meistens so konzipiert, dass die Räume nah beieinander liegen. Manchmal musst du trotzdem laufen, zum Beispiel wenn du ein naturwissenschaftliches Fach hast. Die Räume dafür befinden sich in der ersten Etage.“ „Verstehe.“ Dai wirkte nachdenklich. „Laut Plan hab ich gleich Geschichte.“ Jodie nickte. „Ich auch. Schau mal, Mathe, Geschichte, Chemie und Sport haben wir zusammen. In deiner ersten Woche kann ich dich vor deinen Räumen abholen und zu den Richtigen bringen.“ „Macht dir das auch nichts aus? Nur weil du von Mrs. Cooper dazu verdonnert wurdest, musst du das nicht machen.“ „Ach was, das geht schon in Ordnung. Ich bin eigentlich immer recht schnell, wenn es darum geht von einem Raum in den Nächsten zu kommen.“ „Dann ist ja gut. Aber wenn du wegen mir zu spät kommst, lassen wir das.“ „Versprochen“, sagte Jodie. „Hast du schon einen Spind?“ „Ja, Nummer 332.“ „Gut, dann müssen wir in den westlichen Trakt gehen.“ Jodie sah auf die Uhr. „Und danach müssen wir in Raum 3-04. Das sollten wir schaffen. Dann folge mir mal.“ Jodie marschierte los. „Hier unten sind auch die Räume für Erdkunde, Geschichte und Mathe. Hast du schon deine Bücher bekommen?“ „Die soll ich in der Pause abholen.“ „Okay. Kriegen wir hin. Dann wollen wir mal den ersten Schultag im neuen Jahr überleben.“ Den ersten Schultag hatte Jodie ohne Komplikationen überstanden und verließ das Schulgebäude. Ihr neues Jahr hatte genau so angefangen wie das alte Jahr endete: Ohne Freunde. Aber vielleicht würde es mit Dai anders werden, auch wenn eine große Kluft zwischen Ihnen bestand. Immer wenn sie ihn den Mitschülern vorstellte, wurde er freudig in ihrer Mitte aufgenommen. Er – nicht sie. Dabei gehörte sie beinahe zum Schulinventar. Jodie kniete sich nach unten und schnürte sich den offenen Schuh zu. „Hey.“ Das Mädchen sah nach oben. „Oh, hey.“ Sie stand auf. „Und wie fandest du deinen ersten Schultag?“, wollte sie wissen. „Hätte schlimmer ausgehen können“, antwortete der Junge und streckte sich. „Ja, das kenn ich“, entgegnete Jodie ruhig. „An manchen Tagen fiebert man dem Schulschluss nur noch entgegen.“ Jodie sah sich irritiert um. „Ist alles in Ordnung?“, fragte Dai nach. „Mhm…ja…klar…“ Der Junge hob die Augenbraue. „Du siehst aber nicht danach aus.“ „Eigentlich ist es nichts“, fing Jodie an. Sie zog ihr Handy aus der Tasche und strich über den Display. „Keine Nachricht“, murmelte Jodie. „Komisch…“ „Ist wirklich alles in Ordnung?“ „Moment“, sagte Jodie und wählte die Nummer ihres Vaters. Es meldete sich aber nur die Mailbox. „Hey Dad, ich bins. Du stehst nicht vor der Schule…ich werde jetzt nach Hause gehen. Bis gleich“, sprach sie und sah zu Dai. „Normalerweise holt mich mein Vater immer von der Schule ab.“ Dai sah sie fragend an. „Nicht das was du denkst. Ich bin kein Papakind oder so. Mein Vater arbeitet….fürs FBI und er hat ein paar Feinde, deswegen bringt er mich immer zur Schule und holt mich auch ab.“ „Wurdest du denn schon einmal bedroht?“ „Nicht direkt“, fing Jodie an. „Ich wurde schon einmal vor der Schule beobachtet, aber ehe etwas Passieren konnte, griff das FBI ein. Seitdem ist alles ruhig, doch mein Vater macht sich ständig sorgen.“ „Verstehe“, kam es von Dai. „Soll ich dich nach Hause bringen?“ Jodie dachte kurz nach. „Nur wenn es kein Umweg für dich ist.“ „Ach was…dann seh ich mich hier etwas in der Nachbarschaft um.“ Dai lächelte. „Also? Wohin müssen wir?“ „Hier entlang“, sagte Jodie und machte sich auf den Weg. Als sie etwas mehr als eine halbe Stunde später vor ihrem Elternhaus stand, traute Jodie ihren Augen nicht. „Nein…“, wisperte sie leise. Dai schluckte. „Verdammt“, murmelte er leise. Er zog sein Handy aus der Tasche und rief die Feuerwehr. Die Flammen loderten überall. „Nein, nein, nein….“ Jodie schreckte auf. Sie atmete schnell und war blass um die Nase. „Alles in Ordnung?“, wollte Akai wissen und sah nach vorne auf die Straße. Die junge Amerikanerin nickte. Sie sah wieder aus dem Fenster. „Ich bin wohl etwas eingedöst und hatte…einen komischen Traum.“ „Willst du mir davon erzählen?“, wollte der FBI Agent wissen. „Das war so eine Art Was-wäre-wenn-Traum“, gab Jodie von sich. „Wir beide waren…ich glaube in den Staaten…ja, wir waren in den Staaten…und sind dort zur Schule gegangen. Es war der erste Tag nach den Sommerferien und du warst der Neue. Ich hab sogar von meinem Vater geträumt…er hatte zwar kein Gesicht, aber ich weiß, dass er es gewesen ist“, erzählte sie. „Weil er mich nach der Schule nicht abgeholt hat, hast du mich heimgebracht…und dort stand das Haus meiner Eltern in Flammen.“ Jodie schluckte. „Dann bin ich aufgewacht…aber ich hatte so ein mulmiges Gefühl gehabt.“ „Das war nur ein Traum“, sagte Akai. „Nicht die Wirklichkeit.“ „Ich…ich weiß“, murmelte Jodie. „Er…er war FBI Agent und…die Flammen…vielleicht war das ja so eine Art…Unterbewusstsein, das mir etwas sagen will…vielleicht…bin ich damals ja…tatsächlich entführt worden und hab dann alles…vergessen“ „Mhm…“, fing Akai an. „Das könnte natürlich sein, aber du solltest dich jetzt nicht fertig machen. Du warst damals noch ein Kind und hattest keine andere Wahl. Du musstest mit ihr gehen und irgendwann musstest du die ganzen Lügen glauben. Ich seh dir auch an, dass du nervös bist, es würde jeder verstehen, wenn du das Treffen absagen willst.“ Jodie schüttelte den Kopf. „Nein…keine Absage. Ich will endlich die Wahrheit wissen. Ich kann so nicht weiterleben.“ „In Ordnung.“ Akai lächelte und parkte den Wagen. „Wir sind da.“ Er stieg aus und sah zum Restaurant. „Bereit?“ Jodie atmete tief durch. „Bereit“, antwortete sie. Interessiert beobachtete Agent Camel in seinem Wagen das geschehen und runzelte die Stirn. Das Treffen ist doch auf Morgen verschoben worden…, sagte er sich und zog das Handy heraus. Wenn ich Black jetzt anrufe, hält er mich für verrückt…vielleicht kundschaften die Beiden nur den Ort aus… Camel steckte das Handy wieder in die Tasche und wartete. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)