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Erschütternde Erkenntnisse

von

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Countdown

Langsam öffnete sich die Tür des Arbeitszimmers. Ein kleines Mädchen, mit Teddybären in der Hand, blickte mit großen Kulleraugen auf die Schauspielerin. „Wer sind Sie?“

Vermouth war überrascht, fing sich aber schnell. „Das ist ein großes Geheimnis. Ich kann es dir nicht verraten….“

„Das ist Papas Brille“, kam es von dem Mädchen.

„Oh. Entschuldige“, sagte sie. „Hier, nimm sie.“

Jodie sah zu ihrem Vater. „Was ist mit ihm? Ist er eingeschlafen?“, fragte sie in ihrer kindlichen Art. „Dabei hat er mir eine Gute-Nachtgeschichte versprochen.“ Auf einmal wirkte das Mädchen traurig.

„Es tut mir leid. Bleibst du an seiner Seite, bis er wieder aufwacht?“

„Ja“, nickte Jodie und lief zu ihm. Sie setzte sich neben ihren Vater. „Können wir die Tischlampe anlassen? Ich habe Angst im Dunkeln.“

„Natürlich“, antwortete Vermouth. In dem Licht würde das Mädchen die Verletzungen ihres Vaters nicht wahrnehmen.

Langsam verließ die Schauspielerin den Raum und ging nach unten. Aus dem Wohnzimmer holte sie ihre Tasche und einen Kanister mit Benzin. Danach ging sie in den Keller. Die Kombination stimmte und als sie die vielen Akten sah, war sie überrascht. Hatte Starling so viel über sie und die Organisation herausgefunden? Mit den Fingerspitzen strich sie über den Ordnerrücken. Sie hatte keine Zeit um die Informationen zu prüfen und tränkte die Räume mit Benzin. Sollten sie doch wissen, dass die Organisation dahinter steckte. Es wäre ihnen eine Lehre und ein Versprechen zugleich.

Vermouth verließ den Keller und bereitete auch das Erdgeschoss entsprechend vor. Sie warf einen Blick auf die Treppe und zögerte. Die Schauspielerin zog ihr Handy heraus und wählte die Nummer die sie einst auswendig gelernt hatte. Es war ihnen verboten diese zu speichern und in der Anrufliste zurück zu lassen.

„Wie weit bist du?“, wollte die Stimme am anderen Ende der Leitung wissen.

„Fertig. Warum hast du mich belogen? Das Kind ist hier“, zischte sie.

„Hast du etwa Skrupel? Bring es zu Ende!“

Bevor Vermouth etwas erwidern konnte, wurde aufgelegt. Sie sah ein weiteres Mal nach oben und verfluchte den Tag. Zwei Treppenstufen auf einmal nehmend, begab sie sich in den oberen Flur und öffnete die Tür des Arbeitszimmers.

Jodie hockte weiterhin neben ihrem Vater und döste. Etwas in ihr hatte sich geregt.

„Jodie?“, fragte die Schauspielerin leise.

Das Mädchen setzte sich richtig auf und rieb sich die Augen. „Mhm…wo ist meine Mama?“, wollte sie leise wissen.

„Sie schläft“, antwortete Vermouth. „Was hältst du davon, wenn wir deine Eltern schlafen lassen und ihnen morgen einen Tag nur für sich allein lassen?“

„Und was ist mit mir?“, fragte das Mädchen.

„Du kannst heute Nacht mit zu mir kommen. Ich hab eine große Wohnung.“

Jodie überlegte. „Papa sagt, ich darf nicht mit Fremden mit gehen.“

„Aber ich bin keine Fremde, ich bin eine Freundin deines Papas. Wollen wir ihn wecken und fragen?“, kam es von der Schauspielerin.

„Au ja“, sagte Jodie sofort. Sie sah zu ihrem Vater hoch. „Papa…“, begann sie und rüttelte an seiner Hose.

„Du darfst ruhig mit ihr gehen“, antwortete Vermouth mit der Stimme ihres Vaters. „Sie wird auf dich aufpassen. Sei ein braves Mädchen und tu, was sie dir sagt, ja?“

„Jaaaa“, kam es von Jodie. Sie stand auf und nahm ihren Teddybären. In der anderen Hand hielt sie immer noch die Brille ihres Vaters. „Ich komm morgen wieder. Versprochen. Dann kannst du mir die Gute-Nachtgeschichte vorlesen.“

„Das werde ich. Schlaf gut, ich hab dich lieb.“

„Ich hab dich auch lieb, Papa“, sagte das Kind und umarmte ihren Vater.

Vermouth schluckte. Dafür würde Anokata bezahlen. Irgendwann. „Gehen wir.“ Sie ging wieder zur Tür und als Jodie ihr folgte, marschierte sie nach draußen zu ihrem Wagen. Vermouth setzte das Mädchen nach hinten. „Warte hier. Ich muss noch meine Tasche holen.“

Jodie nickte und legte sich auf die Rückbank. Sie schlief schnell ein.

Vermouth ging zurück zum Haus, zog eine Schachtel Streichhölzer hervor und zündete eines an. Sie betrachtete die Flamme, ehe sie das Streichholz in den Hausflur warf. Sofort setzte sich das Feuer in Gang und folgte den Spuren des Benzins. Die Schauspielerin lief zurück zu ihrem Wagen und setzte sich auf den Fahrersitz. Sie warf einen flüchtigen Blick auf Jodie, ehe sie los fuhr. Das würde sie Anokata erklären müssen.

Die Schauspielerin seufzte leise auf. Durch den Rückspiegel warf sie einen weiteren Blick auf Jodie. Was hatte sie sich nur dabei gedacht? Eine Handlung aus Affekt gehörte nicht zu ihrem Portfolio und trotzdem hatte es das Mädchen irgendwie geschafft, dass sie ihre Prinzipien über Bord warf. Vermouth hoffte inständig, dass niemand aus der Organisation ihren Fehler mitbekam.

Sie sah wieder nach vorne auf die Straße. Es dauerte nur wenige Minuten bis sie die Sirenen der Feuerwehr hörte. Sharon wurde hellhörig. Wurde sie etwa bei der Flucht gesehen? Aber wie sollte das gehen? Sie hatte die ganze Zeit auf alles geachtet und den Schutz der Dunkelheit genutzt. Schwarze Kleidung, Haare nach oben gesteckt und die Mütze tief ins Gesicht gezogen. Es gab keine Zeugen. Die Starlings waren tot und konnten nichts ausplaudern.

Dennoch würde sie in den nächsten Tagen vermehrt die Nachrichten überprüfen und sich aus der Öffentlichkeit zurückziehen. Vermouth fuhr das Haus an, welches sie nur sehr selten bewohnte und von dessen Existenz niemand wusste. Niemand außer ihrem Boss.

Sie parkte den Wagen und hob Jodie vom Rücksitz. Langsam und vorsichtig brachte sie das Mädchen in das Haus und legte sie ins Bett in der oberen Etage. Vermouth sah ihr einen kleinen Moment zu, schüttelte dann den Kopf und ging nach unten. Die Schauspielerin seufzte ein weiteres Mal und setzte sich auf das Sofa. Sie zog den Laptop – der sich unter dem Wohnzimmertisch befand – heraus und fuhr ihn hoch. Sofort recherchierte sie die letzten Stunden und wunderte sich nicht, dass es der Brand bereits in die Medien geschafft hatte. Vermouth verschränkte die Arme vor der Brust und tippte mit dem Fuß auf dem Boden. Als ihr Handy klingelte, zog sie dieses aus der Handtasche heraus. Sie sah auf das Display und seufzte ein drittes Mal.

Anokata. Ihr Boss.

Sein Timing war wieder einmal grandios. Die Schauspieler nahm das Gespräch entgegen. „Boss…“, fing sie an.

„Hast du deinen Auftrag erledigt, Vermouth?“, wollte er wissen.

Vermouth war überrascht. Anokata wusste, dass sie immer jeden Auftrag zu seiner vollsten Zufriedenheit erledigte. Bisher hatte er noch kein einziges Mal nachgefragt und ihr immer vertraut. Aber scheinbar hatte sie dieses Vertrauen verloren. Wodurch auch immer war ihr unbekannt. „Selbstverständlich“, antwortete sie. „Der Agent ist tot und alle seine Akten über mich und uns, sind vernichtet. Es gibt nichts, was uns in Verbindung damit bringt“, fügte sie an.

Der Boss nickte verstehend, auch wenn sie es nicht sehen konnte. „Was ist mit dem Kind?“

Vermouth schluckte. „Kein Risiko für uns.“

„Hast du sie in den Flammen zurück gelassen?“, wollte er wissen.

Sharon ballte die Faust. Die Fragen kamen gezielt, weswegen sie ahnte, dass er die Wahrheit kannte. „Wie schon gesagt, sie ist kein Risiko.“

„Du hast sie also nicht getötet, Vermouth“, zischte er. „Du wirst weich, alte Freundin.“

Sharon verengte die Augen. „Sie ist noch ein Kind“, kam es von ihr. „Sie weiß nichts über uns und ist keine Gefahr. Ich werde sie morgen wegbringen und dann…“

Er unterbrach sie sofort. „Du wirst sie wegbringen? Und wohin?“, fragte er. „Sie hat dein Gesicht gesehen. Kinder sind viel aufmerksamer und aufnahmefähiger als ein Erwachsener. Wenn es dazu kommt, dass sie befragt wird, wird sie dich identifizieren. Damit ist sie unser aller Untergang.“

„Boss, sie…“ Vermouth biss sich auf die Unterlippe. „Wir müssen das Kind nicht töten. Wir machen sie zu einer von uns.“

Anokata schwieg.

„Boss?“

„Rede nur weiter. Ich will hören, was du zu sagen hast.“

„Das FBI wird das Mädchen suchen, aber wir haben gute Kontakte. Wir bringen sie außer Landes. Einige unserer Leute ziehen das Mädchen wie ihr eigenes Kind auf und wenn sie alt genug ist, erledigt sie ein paar Aufträge für uns. Sollte uns das FBI Jahre später auf die Spur kommen, werden sie beschämt feststellen, dass die Täterin die Tochter ihres Kollegen ist. Wir schlagen zwei Fliegen mit einer Klappe. Wir werden ein neues Mitglied haben, welches wir von Anfang an selbst formen können. Sie wird tun, was wir wollen und nichts hinterfragen. Gleichzeitig verhöhnen wir das FBI.“

Anokata überlegte. „Du bist für sie verantwortlich. Wenn sie etwas ausplaudert, ziehe ich dich zur Rechenschaft. Macht sie einen Fehler, machst du einen Fehler. Hast du das verstanden?“

„Natürlich“, entgegnete die Schauspielerin ruhig.
 

Jahrelang konnte sie sich problemlos im Ruhm sonnen und ihre Privilegien genießen. Aber das war nicht immer so. Die Drohung ihres Bosses hatte seine Wirkung nicht verfehlt und Vermouth lebte in ständiger Angst. Angst, dass Jodie einen Fehler machte oder den falschen Menschen vertraute. Das Mädchen war eine tickende Zeitbombe. Sie weinte viel und wollte immer zu ihren Eltern zurück. Es war nur eine Frage der Zeit, bis das FBI auf sie aufmerksam werden würde.

Auch wenn Chris zu ihrer Entscheidung von damals stand, hätte sie mittlerweile ganz anders gehandelt. Aber das Mädchen hatte es ihr nie leicht gemacht.
 

Jodie weinte bitterlich. Das kleine Mädchen hielt ihren Teddybären im Arm und schüttelte den Kopf. „Ich will zu meiner Mama und meinem Papa…“

Vermouth rollte mit den Augen. „Das geht jetzt nicht“, antwortete sie.

„Ich will…zu Mama…und zu Papa…“

Die Schauspielerin seufzte. Sie kniete sich zu Jodie. „Jodie, hör mal“, fing sie an und legte ihre Hände auf die Schultern des Mädchens. „Wir hatten doch zwei gute Tage zusammen, nicht wahr?“

Jodie schniefte und nickte. „Aber jetzt…mag ich nach Hause. Bitte…bring mich zu Mama und Papa. Sie sollen mich abholen.“

„Das ist nicht so einfach“, begann Vermouth ruhig. „Weißt du, Jodie, deine Mama und dein Papa hatten dich sehr, sehr, sehr lieb, aber manchmal reicht das nicht aus. Deine Eltern möchten, dass du fortan bei mir bleibst.“

Das kleine Mädchen schüttelte den Kopf und drückte ihren Teddy ganz fest an sich. „Ich mag zu Mama und Papa.“

Vermouth seufzte ein weiteres Mal. „Jodie, hast du mir zugehört?“, wollte sie mit ruhiger Stimme wissen.

Jodie nickte.

„Deine Eltern möchten, dass du bei mir bleibst. Du wirst leider nicht mehr zu ihnen nach Hause gehen.“

„Dann sollen sie es mir selber sagen“, gab Jodie trotzig von sich.

„Das geht nicht“, fing die Schauspielerin an. „Sie wollen nicht mehr mit dir reden.“

Jodie schluckte und sah Vermouth mit geröteten Augen an. „War…war…ich böse?“, fragte sie leise. „Haben Mama und Papa mich nicht mehr lieb?“

Der Schauspielerin brach es beinahe das Herz. Trotzdem musste sie in ihrer Rolle bleiben. „Das stimmt leider. Deine Eltern möchten nicht, dass du nach Hause kommst.“

Jodie schluchzte.

Vermouth atmete tief durch. „Wir werden wegziehen. Ich bringe dich zu Freunden. Bei ihnen wird es dir gut gehen.“

Jodie sah sie verunsichert an. „Du willst…mich auch nicht?“, wisperte sie leise.

„Darum geht es doch nicht, Jodie. Ich kann dir kein richtiges zu Hause bieten. Und meine Freunde haben bereits zwei Kinder. Du wirst dich sicher gut mit ihnen verstehen.“

Jodie schluchzte.
 

Vermouth sah in den Spiegel und schüttelte den Kopf. Warum dachte sie ausgerechnet jetzt an die Vergangenheit?

Jodie war schon immer eine tickende Zeitbombe. Bei ihrem ersten Auftrag tat sie der Schauspielerin leid und suchte Rat bei ihr. Aber was sollte sie ihr sagen? Du bist Amerikanerin, nutz es aus? Oder hätte sie ihr die Flucht und ein sorgloses Leben ermöglichen sollen? Nein, das war nichts, was der Boss für sie geplant hatte. Als Amerikanerin war man in Japan etwas Besonderes und viele Männer wollten dieses besondere Etwas für sich haben. Jodie musste lernen wie man sich in der Welt behauptet. Und entgegen aller Erwartungen erfüllte sie jeden Auftrag zur vollen Zufriedenheit der Organisation. Aber je älter Jodie wurde, je mehr sie ihren Eltern ähnelte und je selbstständiger sie agierte, umso wütender wurde Vermouth. Jodie wurde immer noch vom FBI gesucht und auch wenn sie keine Familie mehr hatte, gab es trotzdem Menschen denen sie wichtig war.

Und was hatte Chris?

Nichts außer ihren Identitätswechsel.

All die Jahre strengte sie sich an die Nummer eins beim Boss zu sein. All ihre Privilegien hatte sie sich hart erarbeitet und war dabei über mehr Leichen gegangen als das es Nudeln in der Tüte gab. Doch egal was sie tat, es hatte nie ein Ende. Ihr Boss erinnerte sie zudem regelmäßig an seine Drohung. Macht sie einen Fehler, machst du einen Fehler.

Ihr Leben war von Jodies Handeln abhängig und langsam wurde sie es leid, immer wieder nach der Amerikanerin sehen zu müssen.

„Tut mir wirklich leid, Jodie“, sagte sie zu ihrem Spiegelbild. „Aber du hast, wie dein Vater, die falsche Seite gewählt und jetzt sichere ich mir mein Überleben“, fügte sie an und steckte ihre Waffe in die Jackeninnentasche.

Ein weiteres Mal beobachtete sie sich im Spiegel und zupfte an ihren Haaren. „The Show must go on“, sprach sie ruhig. „Showdown.“



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