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Erschütternde Erkenntnisse

von

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Überraschender Besuch

Shuichi saß in seinem Wohnzimmer und starte auf das leere Word-Dokument auf dem Bildschirm. Die Jalousien waren heruntergelassen und nur das Licht der Schreibtischlampe und des Computers erhellten das Zimmer. Wann immer es ging, schrieb er alles nieder was er über die Organisation in Erfahrung brachte und schickte es an seine Vorgesetzten in den Staaten. Er würde nicht den gleichen Fehler machen wie Agent Starling und sein Wissen für sich behalten. Aber heute brachte er kein einziges Wort aufs Papier. Er hatte eine Blockade und das nur, weil er sie wieder sah.

Es waren drei Wochen vergangen seitdem Jodie ihn mit ihrem Wissen konfrontierte. Drei lange Wochen in denen er fast täglich versuchte sie telefonisch zu erreichen. Entweder sie drückte ihn weg, ließ es lange klingeln oder schaltete ihr Handy aus. Er hatte es sogar in ihrer Wohnung versucht, aber selbst wenn das Licht im Inneren brannte, öffnete sie die Haustür nicht. Es war unmöglich mit Jodie zu reden, geschweige denn sie zu sehen. Aber er musste es unbedingt versuchen – auch wenn die Möglichkeit bestand, dass sie ihn erschießen würde.

Akai füllte sein Glas mit Bourbon und nippte daran. Auch wenn er Jodie noch gar nicht so lange kannte, hatte er ihren Zwiespalt schon frühzeitig bemerkt. Er hatte gewusst, dass sich Jodie nie freiwillig für ein solches Leben entschieden hätte und hätte sie die Wahl, würde sie aussteigen. Allerdings schien sie selbst noch nicht wirklich zu wissen, was sie wollte und sein Verrat machte es nur noch schlimmer.

Außerdem gab es noch das Problem, dass er Jodie sehr mochte – auch wenn er es eigentlich gar nicht durfte. Die Organisation war ein Auftrag, private Bande zu knüpfen war ein Fehler. Aber wenn er konnte, würde er Jodie sicher in die Staaten bringen und ihr dabei helfen, sich mit der Vergangenheit ihrer Familie auseinander zu setzen.

Wenn.

Er konnte Jodie noch immer nicht wirklich einschätzen. Seit drei Wochen hatte sich nichts in der Organisation verändert. Aber hieß das auch, dass sie die Wahrheit der Organisation verschwieg? Oder wurde er von der Organisation nur in Sicherheit gewogen? Egal was es war, Akai würde sich nicht verstecken. Dennoch ließ er in den letzten Wochen seine Umgebung nicht aus den Augen. Er war vorbereitet, wenn sie ihn hinterrücks attackieren würden. Wenigstens dann…

Ausgerechnet zur Mittagszeit war er ihr begegnet. Sie saß mit einem fremden Mann in einem Café und schien fröhlich zu sein. Ein Auftrag. Das hatte er sich immer wieder gesagt und trotzdem starrte er sie durch die Scheibe an. Für einen kurzen Moment dachte er daran, das Café zu betreten und sie anzusprechen. Doch er rührte sich nicht. Und dann sah sie aus dem Fenster. Ihr schockiertes Gesicht sprach Bände. Schnell wich Jodie seinem Blick aus und konzentrierte sich wieder auf ihren Gegenüber.

Akai seufzte leise auf. Er fragte sich was passiert wäre, wäre er geblieben. Wie hätte sie reagiert, wenn er sich einfach dazu setzte, sie ansprach oder draußen wartete?

Hätte.

Ein einfaches Wort, aber es machte nicht ungeschehen was passiert war. Hätte sich Agent Camel nicht so einfach austricksen lassen, wäre alles beim Alten und er müsste nicht hinter jeder Ecke eine Verschwörung vermuten oder sich an das traurige Gesicht von Jodie erinnern. Shuichi schloss seine Augen. Er durchlebte den Augenblick ein weiteres Mal. Hätte er die Zeichen nur eher erkannt…

„Ich habe mir bereits gedacht, dass du einen wichtigen Auftrag gehabt haben musst. Deswegen wollte ich nicht stören und dir nicht in die Quere kommen.“

Jodie nickte und ging in sein Wohnzimmer. „Ich brauchte eine Weile um wieder einen klaren Gedanken zu fassen.“

„War es so kompliziert? Oder gefährlich? Hat dir der Kerl irgendwas getan?“

Jodie sah zu ihm. „Mhm?“ Sie schüttelte den Kopf. „Entschuldige, ich bin irgendwie nicht bei der Sache.“

Der Agent ging zu ihr. „Ist schon gut“, begann er. „Wenn du darüber reden willst, bin ich da. Soll ich uns was zu trinken holen?“

„Gern“, murmelte Jodie und ging an das Fenster.

„Alles in Ordnung?“ Shuichi stellte zwei Tassen und eine Flasche auf den Tisch. Er ging zu Jodie und legte seine Hand an ihren Rücken. „Wenn es dir nicht gut geht…“, fing er an.

Jodie drehte sich abrupt um. „Alles in Ordnung. Ich bin einfach etwas müde. Wahrscheinlich hätte ich nicht herkommen sollen.“

„Oder du bist gerade deswegen hergekommen?“, wollte er ruhig wissen.

„Mhm?“

„Um mich zu sehen, mein ich“, hauchte er gegen ihre Lippen.

Sie küssten sich heiß und innig. Shuichi drückte sie an sich und hob sie langsam nach oben.

„Was wird das?“, flüsterte Jodie.

Shuichi schmunzelte und trug sie in sein Schlafzimmer. „Ich dachte…wir machen es uns hier gemütlicher“, antwortete er. „Ein wenig Entspannung“, fügte er hinzu und setzte sie auf das Bett. Wieder fing er an sie zu küssen. Jodie keuchte leise auf. Mit einem Mal versteifte sie sich und drückte Akai von sich weg. Er landete unsanft auf dem Boden und sah Jodie irritiert an.

„Jodie?“ Akai hatte sich etwas aufgerichtet. „Ist alles in Ordnung bei dir?“

Sie blickte ihn an. Verletzt und wütend. Plötzlich saß Jodie rittlings auf ihm. Aus ihrem Knöchelholster zog sie die kleine Waffe und richtete diese auf das Gesicht des Agenten.

Akai schluckte. „Jodie“, begann er ruhig. „Was soll das?“, wollte er wissen.

„Halt den Mund“, schrie sie. „Alles was du sagst, ist eine Lüge. Alles…“

Shuichi atmete ruhig ein und aus. Er zeigte keine Angst.

„Das hier ist kein Test, Dai“, entgegnete die Amerikanerin. „Ich kenne die Wahrheit. Ich weiß, dass du die Organisation infiltriert hast, um sie zu zerstören. Ich weiß, dass du ein Agent bist und ich weiß auch, wer dein Kontaktmann ist. Aber nicht mit mir. Du glaubst, du mir was vormachen? Nein…ganz und gar nicht. Ich werde…ich werde…“

„Was wirst du, Jodie?“, fragte der FBI Agent.

„Du fühlst dich sicher, weil mir keiner glauben wird. Aber das macht nichts“, erklärte sie. „Ich werde mich jetzt um dich kümmern und wenn ich dich erschießen muss, dann ist das kein Problem. Du vergisst wer ich bin, ich weiß, wie ich deine Leiche verschwinden lassen kann.“

„Du wirst mich nicht erschießen“, sagte der Agent wieder mit ruhiger Stimme.

„Ach ja? Das glaubst auch nur du“, kam es sofort von Jodie. „Du wirst gleich sehen, dass ich das mache…ich mache es….ich mache es…“

Akai schüttelte den Kopf. „Und warum weinst du dann?“, wollte er wissen.

„Ich weine nicht“, gab Jodie von sich. „Ich weine nicht…“

Shuichi legte seine Hand an ihre Wange und wischte die Tränen weg.

„Lass das…“, wisperte sie. „Ich weine…nicht…ich…“

„Lass uns in Ruhe über alles reden, ja?“, fragte Akai.

Jodie schüttelte den Kopf. „Ich kann das nicht“, murmelte sie und stand langsam auf. „Ich kann…nicht…ich…“

„Jodie, das…“ Shuichi erhob sich ebenfalls.

„Sei still“, schrie sie ihm entgegen. Sie schloss die Augen und schüttelte den Kopf. Als sie sie wieder öffnete und in das Gesicht des Agenten blickte, machte sie einen Schritt nach hinten. „N..nein…“, fügte sie leise hinzu und lief aus dem Zimmer und aus der Wohnung.

Er seufzte erneut. Als es an der Tür klingelte, wurde aus seinen Gedanken gerissen. Shuichi sah auf die Uhr. Es war spät. Er versteifte sich. Stand jemand von der Organisation vor seiner Tür? Akai verengte sofort die Augen. Sie würden sicher nicht diesen Weg wählen, außer es war eine Falle. Der Agent stand auf und ging in den Flur. Er war für alles bereit. Er öffnete die Tür. Die Anspannung wich, als er in Jodies Gesicht blickte. Aber war das auch ein gutes Zeichen?

„Jodie“, begann er ruhig.

„Kann ich rein kommen?“ Sie sah müde und erschöpft aus.

„Natürlich.“ Akai trat zur Seite und ließ sie rein.

Jodie zog ihre Jacke aus und hing sie an seinen Garderobenständer.

„Möchtest du etwas Trinken?“

Jodie schüttelte den Kopf und ging in sein Wohnzimmer. Shuichi folgte ihr und setzte sich auf das Sofa. Auch wenn er es nicht zeigte, war er nervös. Jodie stellte ihre Tasche auf den Boden und nahm ebenfalls Platz. Sie faltete die Hände ineinander und dann schwiegen sie sich an. Keiner war auf das Treffen vorbereitet. Keiner wusste, was er dem Anderen sagen sollte. Keiner kannte die Regeln für eine solche Konversation. Minuten später ergriff Jodie das Wort. „Wir können frei reden“, fing sie an. „Ich hab ein Störsignal in der Tasche.“

Der FBI Agent nickte. „Wird es nicht auffallen?“

„Du weißt, was meine Aufgaben in der Organisation sind. Viele betuchtere Geschäftsmänner könnten mit Wanzen oder Kameras ausgestattet sein. Wenn ich also ein Störsignal benutze, fällt es kaum auf. Außerdem wissen sie, dass wir uns hin und wieder privat Vergnügen. Und wenn ich mal vergessen das Störsignal zu deaktivieren, ist es kein Weltuntergang.“

„Ich verstehe.“

„Ist Dai dein richtiger Name?“

Er schüttelte den Kopf.

„Dachte ich mir“, murmelte sie. „Wäre er es, hättest du gewusst, dass du die Mission nicht überlebst. Ich werde dich nicht nach deinem richtigen Namen fragen“, entgegnete sie.

Shuichi wirkte überrascht. „Jodie, ich…“

Jodie krallte sich mit der Hand an ihrer Hose fest. „Ich habe es keinem gesagt.“ Sie sah nach unten. „Noch nicht.“

„Dafür danke ich dir. Ich weiß, du musst mich nicht schützen. Und ich weiß auch, dass mein Leben vorbei ist, wenn die Organisation die Wahrheit erfährt. Aber…“

„Aber?“

„Was ist mit dir? Wenn du es ihnen nicht sagst…“

Jodie zuckte mit den Schultern. „Dann werden sie mich auch umbringen“, antwortete sie. „Aber das Risiko gehe ich ein. Ehe ich mich entscheide, habe ich noch ein paar Fragen an dich. Nenn es meinetwegen Verhör…“

„Auch wenn ich es nicht muss, werde ich dir alle Fragen wahrheitsgemäß beantworten.“ Er würde es zumindest versuchen und die Antworten so gestalten, dass er das FBI nicht verriet.

„Danke“, wisperte die Amerikanerin. „Wer ist dein Auftraggeber?“

„Das FBI.“

Jodie schluckte. „Das FBI ist in Amerika tätig, sie können nicht…“

„Dürfen und machen sind zwei paar Schuh“, entgegnete Akai. „Außerdem besteht der Verdacht, dass ein paar Amerikaner ebenfalls Mitglied in der Organisation sind. Wir vermuten auch, dass sie in den Staaten bereits an Einfluss gewonnen haben.“

„Deswegen bist du hier…um uns zur Strecke zu bringen…“

„Richtig“, nickte der Agent. „Als Japaner war es für mich am einfachsten Mitglied zu werden. Wir waren uns von Anfang an im Klaren, dass der Auftrag nicht in paar Wochen erledigt ist und dass es wichtig ist, die Hintermänner zu bekommen.“

„Ich hatte von Anfang an bei dir ein komisches Gefühl“, murmelte sie leise. „Aber du hast jeden Hintergrundtest bestanden.“

Akai nickte. „Mein Lebenslauf wurde von fähigen Agenten erstellt und ein Teil Wahrheit steckt auch darin. Außerdem war ich bereit für diesen Auftrag alles zu tun.“

Sie nickte verstehend. „Dann war kein Zufall, dass ich…das wir…du weißt schon…“

„Das Ziel war es durch Akemi Einstieg in die Organisation zu bekommen. Sie selbst weiß nicht, dass ich für das FBI tätig bin, was auch gut ist. Dass wir uns trafen, war purer Zufall.“ Shuichi sah sie an. „Ich habe dich nicht benutzt, Jodie, unsere gemeinsame Zeit gehörte nicht zu meinem Auftrag. Und alles was ich dir in den privaten Stunden gesagt habe, entsprach der Wahrheit.“

„Okay…“, murmelte sie leise und biss sich auf die Unterlippe. „Dann sollte ich jetzt besser gehen. Ich habe meine Antworten.“

„Wirst du mich verraten?“, wollte er wissen.

Jodie schluckte. „Ich…“ Sie brach ab.

„Jodie?“

„Ich kann…nicht…ich weiß nicht…warum…aber ich kann nicht…“

Shuichi schenkte ihr ein Lächeln. „In Anbetracht der Lage ist es wichtig, dass ich dir noch etwas erzähle. Eigentlich sollte es mein Boss machen.“

Jodie wurde hellhörig. „Du willst mich ausliefern…“ Sie stand sofort auf.

„Was? Nein.“ Shuichi erhob sich ebenfalls und legte die Hände an Jodies Schultern. „Entschuldige, dass hatte sich falsch angehört. Wir können mit ihm telefonieren…du musst dafür nicht in die Staaten…Ich werde dafür sorgen, dass du heil aus der Sache raus kommst. Ich verspreche es dir.“ Er würde sein Versprechen einhalten. Komme was wolle.

„Warum? Warum soll ich mit ihm reden?“

Jetzt musste es raus. Und vielleicht war es auch gut so, weil sie endlich zu ihren Wurzeln finden könnte. „Ich habe gehört, dass dich deine Eltern als kleines Kind bei Freunden ließen und nie wieder abholten. Ich…mein Boss glaubt, dass du das entführte Kind eines Agenten bist. Deswegen sollte er dir die ganze Geschichte erzählen.“

Jodie wurde blass. „Was? Was sagst du da?“, fragte sie leise. „Das kann nicht…“ Jodie sank zusammen. „Meine Eltern…“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich hab damit abgeschlossen.“

„Ich weiß, es ist lange her“, fing Akai an. „Und zum jetzigen Moment können wir uns nicht sicher sein, aber die Indizien sprechen eine deutliche Sprache.“

Jodie verkrampfte. „Ich…ich..“

„Ich kann verstehen, wenn dir das zu viel ist. Wenn du noch nicht dazu bereit bist, musst du nicht mit ihm reden.“

„Ich…ich will ihn treffen“, wisperte sie leise. „Ich will…dass er mir dabei ins Gesicht sieht…ich will seine Reaktion sehen…“

„Bist du dir sicher?“

Die Amerikanerin nickte. „Ja…ich will endlich die Wahrheit wissen.“



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