Ein Austausch mit Folgen von SuperCraig ================================================================================ Kapitel 93: Ein Freifach mit Einladung -------------------------------------- Der nächste Schultag gestaltete sich deutlich anders, als die Vorherigen. Ich war, wie gewohnt, und was auch mittlerweile kein großes Ding mehr war, mit Kaiba in die Schule gefahren. Auch war es normal, dass sich eine Horde Leute darum prügelten, vom CEO ein Autogramm zu erhalten. Dieses Mal war es aber nicht nur Kaiba, den man belagerte. „Hey, David - ein Autogramm bitte für meinen großen Bruder!“ Ich blinzelte erstaunt, als ein Vierzehnjähriger mit Zettel und Stift auf mich zukam. „Ich eins für meine kleine Schwester!“ Ein Seitenblick zu Kaiba verriet, dass dieser süffisant schmunzelte. Ich musste mich erst einmal durch zig Autogramme und kurze Gespräche, sowie Verbeugungen und auch Hände, welche geschüttelt werden wollten, kämpfen, bevor der Eingang zur Schule auch nur in greifbare Nähe rückte. „Wie hältst du das den ganzen Tag aus?“, fragte ich Kaiba, der seine Aktentasche schulterte. „Übung“, stellte er knapp fest. „Mir geht das jetzt schon auf den Keks“, schnaubte ich genervt. „Gewöhn dich lieber dran. Du bist jetzt ein Teil der Kaiba Corporation. Die Präsentation ist live übertragen worden.“ Ich schluckte schwer. Es war beim Duell mit Pegasus schon nicht auszuhalten gewesen, aber jetzt das. Wenn noch eine Horde weiblicher Groupies dazukam, konnte ich mir gleich die Kugel geben. „Du siehst aus, als hätte man dich durch einen Fleischwolf gedreht. Schlecht geschlafen?“ Yugi grinste mir entgegen. „Ich bin diesen Trubel um mich einfach nicht gewohnt. Dir und Kaiba scheint das ja nichts auszumachen.“ „Das wird schon, glaube mir. Komm, bevor wir zu spät in die erste Stunde kommen.“ Der König der Spiele und ich hatten uns für ein Freifach mit dem Thema „Schreiben und der Sprache einen Namen geben“ angemeldet. Die Teilnehmer entpuppten sich als bunter Haufen, vom Alter von 14 bis 18 Jahren. Ausnahmslos jeder schien Yugi und mich zu kennen, was mir zusätzlich unangenehm war. „Damit sind wir ja vollzählig“, lächelte die Leiterin, Frau Masako und bedeutete uns allen Platz zu nehmen. „Es freut mich sehr, dass sich dieses Jahr so viele für ein philosophisch-sprachliches Fach angemeldet haben. Im Rahmen der ersten Einheit möchte ich alle bitten, sich kurz vorzustellen, und was sie dazu bewogen hat, teilzunehmen.“ Wenigstens die Lehrerin drehte nicht durch. Wir hatten alles dabei: Freigeister, Leute, die einen Ausgleich suchten, ein paar Draufgänger, bei einem Mädchen war ich mir sicher, sie war wegen Yugi im Kurs, einen Streber, der aber sehr nett wirkte… „Mein Name ist Yugi Muto. Ich bin 17 Jahre alt und mein Großvater betreibt den Kame Gameshop. Ich nehme am Kurs teil, weil ich großen Spaß am Schreiben und Lesen habe, und außerdem einen Ausgleich zu Duel Monsters suche.“ Die Runde schenkte Yugi einen freundlich-ehrfurchtsvollen Blick, bis sich die gesamte Aufmerksamkeit auf mich richtete. Ich stand zögerlich auf und räusperte mich: „Mein Name ist David Pirchner. Ich bin 17 Jahre und nehme als Austauschschüler an einem Programm teil. Eigentlich bin ich aus Österreich. Ich nehme am Kurs teil, weil ich sehr gerne schreibe, und in einem geschützten Raum gerne sachliche Kritik und Verbesserungsvorschläge erhalten möchte. Außerdem bin ich mit meinem besten Freund hier.“ Unweigerlich wanderte mein Blick zu Yugi, der leicht errötete. Irgendwie schien es ihm peinlich zu sein, dass ich ihn erneut in den Fokus rückte. Wir wurden nach der Vorstellungsrunde in Paare eingeteilt, wobei ich mit Shin, dem 18-jährigen Kapitän der Schulfußballmanschaft zusammengesteckt wurde. „Du bist also David. Freut mich.“ Der Schwarzhaarige verbeugte sich leicht. „Freut mich auch, Shin. Ich habe schon von dir gehört. Die Mädchen schwärmen alle von dir.“ „Was ich nur zurückgeben kann“, grinste der Japaner. „Manchmal könnte ich Kaiba erwürgen“, murmelte ich gedankenverloren. „Mach das besser nicht, oder sein Fanclub killt dich.“ Ich griff mir an den Mund. Das hatte ich wohl eine Spur lauter gesagt, als gewollt. „Andererseits, deine eigene kleine Fangemeinde kämpft bereits darum, dich genauso beliebt zu machen, wie den großen Kaiba“, lachte Shin und schob mir einen Stuhl mit dem Fuß zu. „Setz dich, und zieh nicht so ein Gesicht, ja?“ Irgendwie mochte ich meinen Teampartner. Er war ganz anders als Yugi: Temperamentvoll, extrovertiert und er lachte außerordentlich gern. Dazu war er verboten hübsch. Nicht, dass ich Interesse gehabt hätte, ich war mit Joey glücklich, aber ich konnte die Mädchen ein wenig verstehen, dass sie so auf ihn flogen. Er war größer als ich, durchtrainiert, hatte eine noble Blässe, ein freches Grinsen und eine nette Art. „Du bist sehr detailverliebt, hm?“, fragte mich Shin, als wir gemeinsam die gestellte Aufgabe, einen Charakter zu erstellen, bearbeiteten. „Wie kommst du darauf?“ „Ich bin schon fertig, während du noch immer beim Eigenschaftsprofil sitzt.“ „Hm, kann sein“, zuckte ich mit den Schultern. „Wie heißt denn dein Charakter?“ „Liam Tomphson, ein Engländer, der in den brasilianischen Ghettos mit den dortigen Kindern Fußball spielt.“ „Ein Engländer?“, stellte ich verwundert fest. „Ja, mein Vater kommt aus Wales.“ Ich kam nicht umhin, Shin eingehender zu betrachten. Die japanischen Gene seiner Mutter waren eindeutig dominant gewesen. Mir wäre nicht aufgefallen, dass es sich bei meinem Gegenüber um einen Mischling handelte. „Und warum Brasilien?“ „Naja, gerade in den Slums und Ghettos kann ein wenig Ablenkung nicht schaden. Außerdem bringt Sport, und vor allem Fußball, die Menschen zusammen.“ „Mh, da ist was Wahres dran“, nickte ich beipflichtend. „Und dein Charakter?“, wollte Shin wissen. „Ist mies. Ich verwerfe ihn wieder, glaube ich.“ „Das weißt du doch noch gar nicht. Komm, erzähl.“ Der Halbjapaner rückte mit dem Stuhl näher heran und begutachtete neugierig mein Blatt. „Soo-Ri, ein Biathlet aus Südkorea“, las er laut vor. „Ich weiß, bescheuert, außerdem hat er noch nicht einmal einen Nachnamen.“ „Was genau ist daran bescheuert?“, fragte er und schrägte dabei seinen Kopf ein wenig. „Weiß nicht, tappe auf der Stelle.“ „Na, es sind ja nur ein paar Kleinigkeiten. Alter, Aussehen und auch die meisten Eigenschaften hast du ja bereits. Interessierst du dich für Biathlon?“ „Ein wenig.“ „Läufst du auch selbst?“ „Ab und an, wieso?“ Shins Gesicht hellte sich schlagartig auf. Er grinste wie ein Honigkuchenpferd. „Wir haben in 14 Tagen einen Staffelbewerb mit den Schulen aus den Nachbarorten und uns fehlt noch ein Mann.“ „Da muss ich dich enttäuschen. Ich bin ein mieser Schütze. Außerdem habe ich meine Ausrüstung nicht dabei“, wiegelte ich gleich ab. „Das ist kein Problem. Wir haben sicher was Passendes im Schulkeller. Das ist ein rein freundschaftliches Match“, versuchte mir Shin den Bewerb schmackhaft zu machen. „Bis ich es versaue. Dann seid ihr alle angepisst“, blockte ich weiter ab. „Ah komm, gib dir einen Ruck. Es wird ein großer Spaß und wäre für dich ein wenig Ablenkung von deinem Dasein als Duellant.“ Ich zog die Augenbrauen in die Höhe. Shin kannte mich außerordentlich gut. Das, oder ich war einfach in letzter Zeit sehr leicht zu lesen. Ich liebte diesen Sport tatsächlich sehr, weniger das Schießen, als das Laufen. Bei Letzterem war ich auch ganz gut. Zuhause war ich im Schulbewerb immer unter den ersten fünf Läufern gewesen. „Naja, wenn es wirklich so dringend ist…“, gab ich schlussendlich nach. „Ist es. Sonst können wir nicht starten.“ „Wenn es aber freundschaftlich ist, hättet ihr ja auch irgendwen fragen können?“ „Schon, aber blamieren wollen wir uns ja auch nicht“, gab Shin zu Bedenken. „Also von mir aus“, seufzte ich und schlug bei meinem Partner ein. „Cool. Ich werde dem Rest Bescheid geben. Hast du morgen Abend Zeit? Damit wir uns einmal um die Ausrüstung kümmern können.“ „Ich denke schon.“ Ich konnte einfach nicht nein sagen. Darüber beklagte ich mich auch bei Yugi, der nach der Stunde gemeinsam mit mir aus dem Klassenzimmer schlenderte. „Du lächelst trotzdem, wenn du davon erzählst“, neckte mich mein Freund, der einen finsteren Blick kassierte. „Tue ich nicht.“ „Tust du wohl.“ „Tue ich nicht.“ „Doch.“ „Gott, bist du kindisch“, schmunzelte ich und rollte mit den Augen. „Ich passe mich nur dir an“, meinte Yugi und streckte mir die Zunge heraus. Eigentlich freute ich mich wirklich auf morgen. Shin war echt nett gewesen, und ich mochte ihn. Wenn der Rest auch so drauf war wie er, dann würde mir das ganz gut tun. Einmal etwas ohne Duel Monsters oder Kaiba. Den Park der Kaibavilla kannte ich inzwischen auswendig, wenn ich meine Laufrunden am Abend drehte, genauso wie die umliegenden Straßen. Immer nur Eigengewichttraining und dröger Ausdauersport waren auch nicht erfüllend, zumal es sich dabei immer um den gleichen Ablauf handelte. „Schade ist nur, dass meine Sachen zuhause sind.“ „Macht das so einen Unterschied?“ Yugi sah mich neugierig an. „Schon, ja. Fast so, als würdest du mit einem fremden Deck spielen müssen“, stellte ich einen passenden Vergleich auf. „Dann muss der Unterschied immens sein.“ „Ist er auch. Ich meine, das Gewehr ist mehr oder minder egal. Da kann ich in der Hand halten was ich will, es wird nicht besser werden, aber meine Skier, die bräuchte ich.“ Die Mittagspause verbrachten wir gemeinsam mit Tea, Joey, Tristan und Bakura, der inzwischen wieder aus England zurück war. „Du hast dich echt mit Shin unterhalten? Der ist total schwierig zu fassen. Dass der ein Interesse an Literatur hat“, kommentierte Tea die Erzählung über unsere erste Stunde im neuen Freifach. „Kam mir nicht so vor, im Gegenteil“, entgegnete ich und machte mich über mein Mittagessen her. „Doch, ist er. Shin ist furchtbar wählerisch, was seinen Umgang angeht, in jeglicher Hinsicht. Duke und mich hat er nicht im Team haben wollen, obwohl wir sportlich gut drauf sind“, warf Tristan ein und nippte an seinem Eistee. „Wohl wieder der Kaiba-Bonus“, seufzte ich genervt. „So ist Shin nicht. Er kann Kaiba auch nicht sonderlich ausstehen“, meinte Bakula dann. „Die beiden streiten sich öfter, weil Seto unbedingt einige seiner besseren Bekannten in die Mannschaft bringen will. Er ist schließlich der Sponsor der ganzen Sportvereine an der Schule.“ Vielleicht wollte er Kaiba dann eins auswischen? Oder er wollte mich vorführen? Das glaubte ich aber nicht. Auf mich wirkte Shin eher unvoreingenommen und neutral. Meine Menschenkenntnis hatte mich aber bei Joeys Mutter anscheinend auch im Stich gelassen. Von daher traute ich meinem Werturteil nicht mehr sonderlich über den Weg. Den restlichen Schultag verbrachte ich mit Joey und Tristan als Banknachbarn, denen ich beiden in Englisch unter die Arme griff. Joeys Defizite wurden aber von Mal zu Mal kleiner, was ihn sichtlich stolz machte. Seine Einstellung zur Schule generell schien sich verändert zu haben. Er war heute nicht zu spät gekommen, hatte sich im Unterricht eingebracht, und eine gute Note auf die Hausaufgabe erhalten. „Schläfst du heute zuhause?“, fragte ich ihn, als wir gemeinsam über den Schulhof gingen. „Hatte ich vor, jap“, nickte der Blondschopf. „Warum?“ „Ich mag es einfach nicht, wenn ich wach werde, und die Bettseite ist leer.“ „Dann hol dir Mokuba“, grinste mein Freund, der sich unter meiner flachen Hand hinwegduckte. „Blödmann“, schnaubte ich belustigt. Zuhause angekommen stellte ich fest, dass ich alleine war. Die beiden Hausherren waren ausgeflogen: Kaiba hatte noch ein wichtiges Meeting, während Mokuba sich mit Freunden ins Kino verzogen hatte. Das kam mir sogar ein wenig gelegen, weil ich so erstens das Menü für heute bestimmen konnte, und zweitens Zeit zum Ausspannen hatte. „Was möchten Sie heute essen?“, fragte mich der Koch, als ich ins Esszimmer ging, und meine Schultasche neben meinem Stuhl abstellte. „Wenn Sie dahaben, Lachs mit Bratkartoffeln und Reis.“ „Natürlich, wie Sie wünschen“, verbeugte er sich und verschwand dann wieder in sein Reich. „Ich frage mich, was sich Shin davon erhofft, einen Fremden in sein Team zu holen“, murmelte ich gedankenverloren. „Nun, vielleicht glaubt er an deine Fähigkeiten und Qualitäten?“, gesellte sich Mahad zu mir. Dessen durchsichtige Gestalt saß auf dem Stuhl gegenüber und lächelte mir freundlich entgegen. „Das glaube ich kaum. Ich habe eher die Vermutung, er möchte Kaiba eins auswischen“, entgegnete ich. „Hm, ich bezweifle das.“ „Warum?“ „Shin wirkte nicht so, als ob er eine solche Form der Demütigung nötig hätte.“ „Na dein Wort in Gottes Ohr, Mahad.“ Hungrig verschlang ich das Essen, mit einem Lob und Dank an den Koch, spülte es mit Mineralwasser hinunter, und zog mich dann in mein Zimmer zurück. Ich war inzwischen so weit, dieses Zimmer wirklich mein Eigen zu nennen. Hier störte mich niemand ungefragt; Kaiba kam selten zu Besuch, und wenn, dann klopfte sogar er an. Mokuba hatte auch gelernt, dass ich ein gewisses Maß an Privatsphäre brauchte und wollte. Müde ließ ich mich aufs Bett fallen und breitete die Arme aus. Die Decke war mit einem Poster des Schwarzen Magiers versehen worden. „Dass ein Kartenspiel in der Lage war die ganze Welt zu verändern“, ging es mir durch den Kopf. Duel Monsters war nach wie vor ein tolles Spiel, das ich gerne spielte, vor allem, seitdem ich ein guter Duellant war. Mir gefiel nur nicht der Ernst, der diesem Hobby anhaftete. Zuhause, in der Schule, war es einfach nur ein Zeitvertreib gewesen; heute erschien es wie ein realer Kampf, jedes Mal, wenn man sein Deck in die Duel Disk schob. Eine Frage schob ich immer wieder vor mir her. Was tat ich, wenn ich wirklich auf eine Götterkarte traf? Mein Gegner würde ein ausgesprochen guter Duellant sein, der um mehr spielte, als bloß einen Preis in einem Turnier. „Alles zu seiner Zeit“, sagte ich zu mir selbst und stand auf. Gähnend fuhr ich mir durchs Gesicht und ging ins Badezimmer. Zuallererst stand Shins Staffel auf dem Tagesplan. Danach musste ich mich Kaiba und der Abstimmung widmen. Erst dann war es notwendig, sich über das Turnier den Kopf zu zerbrechen. Nach meiner abendlichen Körperpflege schlüpfte ich in meine Schlafsachen und ging ins Bett. Im Fernsehen lief ein japanischer Zeichentrick, zu dem ich schlussendlich einschlief. Auf das Probetraining war ich gespannt, und welche Figur ich dabei abgeben würde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)