Mach die Augen zu... von Taoya (Es geht weiter!) ================================================================================ Kapitel 6: Cremefarben ---------------------- Kanaeel war dabei seine Treppen zu saugen. Die Musik war laut aufgedreht um den Staubsauger zu übertönen und er summte und sang mit und wackelte im Takt mit den Hüften, während er sich von unten nach oben arbeitete. Es war Samstagnachmittag. Draußen regnete es und ihn hatte plötzlich die Putzwut ergriffen. Den ganzen Tag schon war er mit Eimer, Lappen und Besen durchs Haus gewuselt und hatte für Ordnung gesorgt. Das Erdgeschoss war schon geschafft, Küche, Gästebad und Wohnzimmer glänzten wie neu. Eine kleine Regenpause um Mittag rum hatte er genutzt um sich die Fenster vorzuknöpfen. Jetzt nieselte es wieder leicht und er war auf dem Weg in die erste Etage. Das Bad, sein Schlafzimmer und das Arbeitszimmer warteten auf ihn. Er war nun dazu übergegangen mit zu pfeifen und versuchte die Musik, die aus den Lautsprechern im Wohnzimmer schallte, noch zu übertönen. Er hatte ganz einfach gute Laune! Fogy hatte er seit fast zwei Wochen nicht mehr gesehen. Zuerst war es ihm recht gewesen, er hatte Angst abhängig zu werden. Nach ungefähr einer Woche jedoch fing er an ihn zu vermissen. Vor allem die abendlichen Gespräche fehlten ihm. Er spürte ihn zwar noch ab und an ganz leicht, vor allem beim Motorradfahren, aber Fogy sprach nie. Kanaeel hatte versucht ihn zu rufen, leider vergebens. Vorgestern Abend jedoch hatte Fogy geantwortet. Ganz schwach nur, so als wäre er sehr weit weg, aber es war dennoch deutlich genug gewesen. Er hatte `Bald! Bald…´ gerufen und das hatte ihn seltsamerweise mehr als beruhigt. Fogy würde wieder kommen. In nicht mehr allzu langer Zeit. Während er Stufe um Stufe erklomm und dabei gekonnt die Staubflusen aus den Ecken der Treppe mit dem Staubsauger vernichtete stahl sich ein breites Lächeln auf sein Gesicht. Die Zuversicht, bald wieder in Fogys- naja, sagen wir *fast* leiblicher Gestalt- zu sehen, machte ihn glücklich. Diese Angst vor der Abhängigkeit hatte er abgelegt. Er hatte viel darüber nachgedacht, über dieses Gefühl, welches ihm so bekannt vorkam. Es hatte eine Weile gedauert, doch dann hatte er es wiedererkannt. Es war dasselbe, wie bei Lilibee. Allerdings bevor sein Vater krank wurde und alles den Bach hinunter ging, wie Kanaeel es selber gerne ausdrückte. Doch in Lilibee war er verliebt gewesen. Und genau das war der Unterschied, das kleine Detail was ihm die Erleichterung brachte. In Fogy war er nicht verliebt, wie sollte er es denn auch sein? Er wusste ja noch nicht einmal, was *genau* Fogy war, woher er kam oder was er von ihm wollte. Und wenn er nicht verliebt war, würde er auch nicht abhängig werden! So lautete seine einfache Schlussfolgerung. Er war fast ganz oben angekommen als er das wohlbekannte Kribbeln im Nacken wieder spürte. Fogy war da. So schnell schon! „Hallo Fo…“ Kanaeel sah auf. Ihm blieb der Mund offen stehen und ein äußerst unmännliches „Ahhiiwäähhh…“ entwich seinen Stimmbändern. Unbewusst wich er nach hinten aus und verpasste prompt eine Treppenstufe. Er bereitete sich mental schon mal auf den Aufprall einige Stufen weiter unten vor, aber der blieb aus. Stattdessen spürte er hinter sich eine starke Präsenz und war noch geistesgegenwärtig genug sich am Geländer fest zu krallen. Warme Hände stellten ihn wieder gerade hin und er fasste den Mut sich erneut umzudrehen. ~ Hallo Kanaeel. ~ sagte Fogy leise. ~ Tut mir leid, ich wollte dich nicht erschrecken. ~ Kanaeel hustete kurz und machte eine abwehrende Handbewegung. „Ach nicht der Rede wert.“ Seine Knie straften allerdings seiner Worte Lügen und gaben nach. Wieder waren es die warmen Hände, die ihn sanft in eine sitzende Position beförderten. Kanaeels Herz beruhigte sich etwas und er begann sich die Person vor ihm genauer anzusehen. Weiß. Alles weiß. Die Haut an Armen und Beinen und auch das Gewand, das Fogy trug. Es sah ein wenig aus wie eine Toga. Und soweit man das bei einem Nebelwesen beurteilen konnte sah es ziemlich gut an ihm aus. Bei genauerem Hinsehen bemerkte er jedoch, dass Fogys Haut nicht reinweiß war wie er zuerst gedacht hatte. Da war so ein Schimmern… Wie würden Frauen das nennen? Cremefarben? Ja, das wäre es, ein cremefarbenes Schimmern. Nur ein ganz zarter Hauch, sodass man es erst kaum wahrnahm. ~ Soll ich wieder gehen? ~ Erstaunt blickte Kanaeel hoch und erschauderte kurz, bevor er die Augen leicht abwandte. „Ähm… Nein. Ich muss… muss mich wohl nur erst an deinen Anblick gewöhnen.“ Fogy trat unruhig von einem Fuß auf den anderen. ~ So schlimm? ~ fragte er, fast ein bisschen schüchtern. Die Füße, die unter dem Gewand hervor lugten, waren zierlich und sahen fast etwas edel aus, wie Kanaeel belustigt bemerkte. Aristokraten-Latschen. „Nun ja… Mir begegnet nicht jeden Tag ein kopfloser Geist auf meiner Treppe!“ Seine Mundwinkel zuckten mit dem Anfang eines ironischen Grinsens. ~ Ach, aber ich bin kein Geist! ~ warf Fogy ein. Dadurch neugierig gemacht sah Kanaeel auf. „Nein? Kein Geist? Was bist du denn dann?“ Die Gestalt vor ihm lies die Arme sinken. ~ Das kann ich dir leider immer noch nicht sagen. ~ Er machte eine kleine Pause. ~ Aber ich könnte es bejahen, wenn du es errätst! ~ verkündete er, fast stolz. „Hast du das neu gelernt?“ Sein Grinsen wurde breiter, aber auch weicher. ~ Ja, habe ich, zusammen mit dem Körper. ~ Diesmal schwang wirklich Stolz in der Stimme mit. ~ Es gibt nur wenige von uns, die das so schnell lernen. ~ „Soso…“ Er langte mit einer Hand zum Staubsauger und schaltete ihn ab. „Warst du deswegen so lange weg?“ ~ Ja. Hast du mich vermisst? ~ Es klang verschmitzt. „Ein bisschen.“ Er stand auf und nahm den Staubsauger in die Hand. „Komm mit nach unten ins Wohnzimmer, da ist es gemütlicher als hier auf der Treppe.“ Er spürte wie Fogy nickte und die beiden machten sich auf den Weg nach unten. Kanaeel holte sich ein Glas Wasser aus der Küche und nahm es mit ins Wohnzimmer. Dort machte er es sich auf der Couch bequem, Fogy ließ sich langsam und geschmeidig im Sessel nieder. „Und was nun?“ fragte Kanaeel nach ein paar Momenten. Fogy zog die Schultern hoch. ~ Ich weiß es nicht. ~ meinte er etwas schüchtern. ~ Du hattest nach mir gerufen, und hier bin ich nun. ~ Kanaeel lächelte. „Dann hast du mein Rufen also doch gehört?“ ~ Natürlich. Ich höre immer, wenn du mich brauchst. – Oder wenn du meinen Namen rufst… ~ fügte er nach einer kleinen Pause hinzu. „Aber warum kommst du kopflos?“ wollte Kanaeel wissen. Es fiel ihm immer noch schwer die Gestalt vor sich direkt anzusehen. Der Hals hörte, wie damals die Hand, nicht abrupt auf, sondern wurde immer blasser. Trotzdem war es gespenstisch. Er kam sich ein bisschen vor wie in der Geisterbahn, auch wenn er sich nicht vor Fogy fürchtete. ~ Das Gesicht und den Namen, das sind die schwersten Dinge für uns. Wir geben sie eigentlich nie Preis. Jemand, der unser Gesicht gesehen hat, der unseren Namen kennt, hat uns praktisch in der Hand. Das ist gefährlich. Wir könnten fallen. ~ Kanaeel legte den Kopf schief und betrachtete sein Gegenüber aufmerksam. „Ist es dann nicht gefährlich, wenn du mir das so einfach erzählst?“ ~ Nein, ~ meinte Fogy lächelnd. ~ Ich vertraue dir. ~ Er strich eine Falte in seinem Umhang glatt. Kanaeels Wangen röteten sich leicht. „Danke…“ Er warf einen Blick nach draußen und lächelte. Es hatte aufgehört zu regnen und langsam schob sich die Sonne durch die Wolken, wobei sie die Regentropfen an den Fensterscheiben zum funkeln brachte. Fogy sah auch nach draußen und lächelte ebenfalls. Irritiert wandte Kanaeel ihm wieder den Blick zu und fragte: „Warum kann ich eigentlich immer fühlen wo du hinsiehst, ob du lächelst und sogar wenn du rot wirst!? Ich seh’ dein Gesicht nicht und trotzdem weiß ich, was du tust! Das ist… das… so spooky!“ Fogy sah beschämt lächelnd nach unten und Kanaeel liefen kalte Schauer den Rücken hinunter. „Siehst du? Das ist genau *das*, was ich meine!“ Es klang fast ängstlich. ~ Es tut mir leid, dass ich dich ängstige. Das war nie meine Absicht. Ich projiziere wohl sehr stark, wenn du das alles siehst, auch ohne mein Gesicht zu kennen. Du bist sehr sensibel. ~ Kanaeel verzog das Gesicht. ~ Ich meinte nicht in Richtung weich, sondern aufmerksam. ~ „Mh.“ Mehr brachte er nicht zustande, aber seine Gesichtsmuskeln entspannten sich wieder. „Das war dann wohl ein Kompliment?“ fragte er nach einigem Zögern. Fogy nickte lächelnd und Kanaeel musste sich zusammenreißen um nicht zu erschreckt zu kucken. Man, das war aber auch seltsam… Er räusperte sich und sah wieder zum Nebel hinüber. „Und was machen wir jetzt?“ ~ Das weiß ich nicht. Du warst mit Staubsaugen beschäftigt, als ich kam. Du möchtest sicher weiter machen. ~ Kanaeel überlegte eine Weile, dann schüttelte er den Kopf. „Nein, nicht wirklich. Ich hätte eher Lust auf eine kleine Spritztour mit dem Motorrad. Die Sonne scheint so schön und es werden jetzt noch nicht so viele Leute unterwegs sein, da der Regen eben erst aufgehört hat. Was ist, kommst du mit?“ ~ Ich bin immer da. ~ Damit war die Sache entschieden und Kanaeel suchte seine Lederklamotten. Es war eine sehr ausgedehnte Tour geworden und die beiden kehrten erst spät in Kanaeels Haus zurück. Die letzten Sonnenstrahlen erreichten sein Wohnzimmerfenster und tauchten das ganze Zimmer in warmes orange-rot. Kanaeel blieb eine Weile einfach nur in der Wohnzimmertür stehen und beobachtete das Farbspiel, den Helm und die Schlüssel noch in der Hand. Fogy hatte nach einer Weile die Haustür geschlossen und stand jetzt hinter Kanaeel und betrachtete ebenfalls die Farben. Dann sah er zur Seite und beobachtete Kanaeel selbst. Ein sanftes, fast wehmütiges Lächeln hatte sich in sein Gesicht geschlichen und Fogy konnte den Blick nicht davon losreißen. Nach einer schieren Ewigkeit drehte Kanaeel sich um und stieß fast mit Fogy zusammen, der gerade noch nach hinten ausweichen konnte. Kanaeel lachte etwas verlegen und marschierte dann in den Flur zurück um seine Motorradkluft loszuwerden. Dann ging er in die Küche und suchte sich ein kleines Abendessen zusammen. Während sein Tee durchzog ging er, mit einem Käsebrot in der Hand, ins Wohnzimmer und blickte in seinen Garten. Die Sonne war jetzt komplett untergegangen und das Licht war fahl. Man erkannte kaum die Farben der Blüten draußen. Er lächelte noch einmal leicht und ließ die Rollläden hinunter. Dann piepte der Wecker in der Küche, der Tee war fertig. Kanaeel zog sich mit der kleinen Kanne ins Wohnzimmer auf die Couch zurück und schnappte sich sein Buch, was auf dem gläsernen Couchtisch lag. Fogy war ihm die ganze Zeit wie ein Schatten gefolgt und setzte sich nun in den Sessel, der Couch gegenüber. Er schien es sich bequem zu machen, er zog sogar die Beine mit hoch und lehnte sich entspannt zurück. Kanaeel sah belustigt zu ihm hinüber, das offene Buch schon in der Hand. Fogy versteifte sich etwas. ~ Es ist doch in Ordnung, wenn ich hier sitze…? ~ fragte er zögernd. „Natürlich, kein Problem. Wie lange bleibst du?“ ~ Bis du eingeschlafen bist. ~ kam die ruhige Antwort und der kopflose Körper entspannte sich. Kanaeel zog eine Augenbraue hoch, lächelte aber. „Möchtest du irgendwas zu lesen oder so?“ Fogy schüttelte den Kopf. Kanaeel liefen wieder Schauer über den Rücken. „Du hast gerade den Kopf geschüttelt, nicht?“ Fogy errötete. ~ Ja. Es tut mir leid, dass es dir solch ein Unbehagen bereitet. ~ Kanaeel grinste schief und winkte ab. „Lass nur, ich werd mich schon daran gewöhnen.“ Dann wandte er sich seinem Buch zu und versank darin. Drei Stunden später sah Kanaeel gähnend von auf. Fogy saß immer noch im Sessel. Sein Blick wanderte zu seinem Videorekorder und der dazugehörigen Uhr. Schon nach zwölf. „Es ist Zeit fürs Bett.“ Er gähnte noch einmal. Beide erhoben sich und machten sich auf den Weg nach oben. Fogy wartete im Schlafzimmer auf Kanaeel, während der noch schnell unter die Dusche sprang. In einen weichen, blauen Bademantel gewickelt kam Kanaeel wenig später ins Zimmer. Seine Haare waren nass und ein paar Tropfen rannen über seine Schläfen das Gesicht hinunter. Er zog sich um und öffnete das Fenster. Die Regenwolken hatten sich komplett verzogen und man sah ganz viele Sterne am Himmel. Eine Weile versank Kanaeel in deren Anblick und sog die frische Nachtluft in tiefen Atemzügen ein. Dann wandte er sich um und stakste zum Bett. Lächelnd kuschelte er sich in die weiche Decke und löschte das Licht. Fogy saß am Fußende. Die cremefarbene Haut leuchtete ein wenig in dem schwachen Licht, das von draußen kam. „Du siehst fast aus wie ein Engel…“ flüsterte Kanaeel schläfrig. Fogy versteifte sich kurz, lächelte dann aber. ~ Gute Nacht, Kanaeel. Ich wünsche dir schöne Träume. ~ „Mh-hm.“ Und weg war er. *************** Es hat Ewigkeiten gedauert, aber hier ist es nun! Ich steckte bzgl. dieser Story in einem sehr tiefen Krea-Tief, und ich hoffe, ich habe es erstmal überwunden. Wie immer freue ich mich über Kritik&Kommentare!^_^ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)