Zorro und die Agentin des Königs von abgemeldet ================================================================================ Prolog: Ein heißer Tag - eine heiße Nacht ----------------------------------------- Es war heiß obwohl es erst 11 Uhr vormittags war, die Luft flirrte über den vertrockneten Wiesen und in der Kutsche war es so heiß, daß das Atmen schwer viel. Sie schob den Vorhang vor den letzten Spalt, durch den die Sonne ins Innere scheinen konnte, doch er wollte nicht halten. Sie schaute auf ihre Taschenuhr, die holprige Fahrt würde noch mindestens 8 Stunden dauern. Über vier Tage war sie schon unterwegs, durch Spaniens heißen Süden. Sie haßte es. Viel lieber wäre sie geritten, sie hätte bei Nacht reisen können, wenn es kühl war und bei Tage hätte sie rasten können. Doch so etwas schickte sich nicht für eine Dame, erst Recht nicht, wenn man ihr Ziel hatte. Und mit einer Kutsche bei Nacht zu reisen, das war viel zu gefährlich, die konnte man nicht verteidigen, das wußte sie auch. "8 Stunden noch." Sie schloß die Augen und versank in Gleichmut. Sie lagen versteckt in den Büschen. Die Grillen zirpten und der Mond stand am Himmel. Gonzales erschlug eine Mücke auf seiner Wange. "Lieutenant, wie lange müssen wir uns denn hier noch verkriechen?" "So lange bis Zorro mit den Rebellen hier vorbei kommt!" "Aber wer sagt uns denn, daß die hier vorbei kommen? Wir warten doch schon die halbe Nacht." "Weil Oberst Jekyll und Lieutenant Placid an allen anderen Straßen, die zum Hafen führen, Sperren errichtet haben, deshalb. Und jetzt halten Sie gefälligst die Klappe." "Hey Zorro, wie lange wollen wir denn noch hier rumsitzen und warten?" Santo wurde langsam ungeduldig. Am Tag zuvor hatte die Armee ihn und Peppo dabei erwischt, wie sie ein Munitionslager ausräumen wollten. Der Kommandant hatte angeordnet, sie noch am selben Abend hinzurichten, doch Zorro hatte das verhindert. Seitdem saßen sie am See im Wald und warteten. "Das Schiff läuft um 7 Uhr aus, wenn wir jetzt schon zum Hafen fahren, dann erwischen sie Euch." "Aber sie werden uns suchen und hier sitzen wir auf dem Pressentierteller!" "Die suchen uns nicht, die haben sich an der Straße versteckt und warten auf uns." "WAS? Und wie wollen wir dann zum Hafen kommen?" "Nur Geduld, das ist gar nicht so schwer. Der kleine Zorro wird gleich kommen und dann fahren wir los" Einige Minuten später konnte man einen Wagen hören, der sehr langsam näher kam. Der Kleine Zorro saß auf einem riesigen Heuwagen. "Was soll denn das werden? Der Trick ist so alt, auf den fällt die Armee bestimmt nicht rein!" Santo schaute sich grimmig den Heuberg an. "Ich hab was ganz anderes vor, wartet es ab.", meinte Zorro verschmitzt. Gonzales gähnte. "Lieutenant, meinen Sie wirklich, dass die noch kommen? Die Sonne geht ja schon auf." Ein heller Schein am östlichen Horizont kündigte den neuen Tag an. "Die kommen noch.", knurrte Gabriel. Und als ob die Aussage des Lieutenants bestätigt würde, sah man weit entfernt einen Wagen heran rollen. "Paßt auf jetzt, wenn der Wagen auf gleicher Höhe ist, schlagen wir zu!" Langsam, sehr langsam kam das Gefährt näher. Im Schein der langsam aufsteigenden Sonne konnte man erkennen, das es sich um einen Heuwagen handelte, der von einem alten Mann geführt wurde. Von der Stadt hörte man die Kirchenglocken schlagen, es war 6 Uhr. 5 Minuten später gab der Lieutenant das Zeichen und die Soldaten stürzten auf die Straße. "Stehen bleiben und Hände hoch, was hast Du da im Heu versteckt?" "Wie? Was meinen Sie denn? Ich will doch nur mein Heu zum Hof bringen." "Sie bleiben jetzt hier. Durchsucht das Heu!" Die Soldaten schauten auf den riesigen Wagen. Er war bestimmt 3 Meter hoch und es würde nicht einfach werden ihn zu durchsuchen, ohne daß er umfiel. Als sie gerade dabei waren, raste ein weiterer Wagen heran. Die Ladefläche war mit einem Tuch abgedeckt und der Kleine Zorro führte ihn. "Halt! Haltet ihn argh" Der Lieutenant konnte den letzten Satz nicht zu Ende sprechen, denn er hatte Zorros Peitsche um den Hals. Der alte Mann hatte seine Verkleidung abgeworfen. Im selben Moment kippte das gesamte Heu auf die Soldaten und der Wagen mit den Rebellen konnte ungehindert zum Hafen weiterfahren. Das Duell mit dem Lieutenant dauerte nur kurz und die beiden Zorros kamen nach einer langen Nacht endlich zur Ruhe. Erst gegen Mittag ließen sich beide wieder blicken, was von Maria mit einer Standpauke erster Ordnung quittiert wurde. "Ich versteh das einfach nicht *schluchts* wieso ist aus Diego nur so ein träger Mensch geworden *schluchts* er war doch immer so begabt." Grimmig drehte sie sich zu Diego um. "Dann tut wenigstens etwas vernünftiges und fahrt einkaufen!" Maria drückte Diego einen Korb in die Hand und verschwand Kopfschüttelnd im Haus. In der Stadt "So, was brauchen wir jetzt noch...." *rums* "Oh Verzeihung" Diego schaute den Mann an, den er umgestoßen hatte. Er war älter und gut gekleidet. Er hatte ihn noch nie zuvor gesehen. "Das ist nicht so schlimm junger Mann, ich habe auch nicht aufgepaßt." "Ich hab Sie hier noch nie gesehen, sind Sie neu angekommen?" "Bernard, sei nicht so frech!" "Aber, aber, schimpfen Sie doch nicht mit dem Jungen. Ja, ich bin vorgestern mit dem Schiff hier angekommen. Ich bin Notar, müßt Ihr wissen und ich suche das Haus eines Senior Valdez, wißt Ihr zufällig wo das ist?" "Ja natürlich. Der alte Valdez lebte in einem Haus an der Straße nach San Sebastian. Er hat nach Gold gesucht aber nie was gefunden. Vor etwa einem Jahr ist er dann gestorben." "Ich weiß, deshalb bin ich hier. Senior Valdez hatte eine Nichte und die hat das Haus geerbt. Ich bin jetzt hier um es für die Gräfin bewohnbar zu machen." "Die Gräfin???" "Sagt bloß, das wißt ihr nicht? Der Senior war ein Graf. Er hatte sich mit seiner Familie zerstritten und ist nach Californien gegangen. In seinem Testament hat er festgelegt, daß seine Nichte alles erbt und falls die Gräfin hierher kommen möchte, soll sie in ein bewohnbares Haus einziehen. Im Testament stand, daß das Haus in keinem guten Zustand sei." "Das kann man wohl sagen, das ist eine alte Bruchbude mit ein paar Bäumen und einer Wiese drum herum. Wir kommen nachher daran vorbei, wenn Sie wollen, können wir Sie mitnehmen." "Das wäre sehr schön, vielen Dank." Sie ist endlich angekommen. Gerädert steigt sie aus der Kutsche. "Gnädige Frau, Ihr Gepäck wird soeben in Ihr Zimmer gebracht. Ich werde ihnen zeigen, wo alles ist, bitte folgen Sie mir." Sie sah sich um. Vier Jahre war sie nicht mehr hier gewesen, damals nach dem Tod ihres Vaters hatte man versucht sie hier zu halten. Doch im Gegensatz zu ihren Schwestern hatte sie sich hier nie wohl gefühlt. Viel zu frei war ihr Leben zuvor gewesen, als daß sie sich hier in goldene Ketten hätte legen lassen. Sie hatte in den zwei Jahren jedes Fettnäpfchen mitgenommen, daß die Etikette ihr vor die Füße geworfen hatte. Sie war eben nicht das, was der Hof aus ihr hatte machen wollen. Sie durchschritt die Gänge und bemerkte sofort, wie die Blicke ihr nachwanderten, wie getuschelt wurde hinter ihrem Rücken. Es hatte sich nichts verändert. Was er wohl von ihr wollte? Er wußte, daß sie sich hier am Hofe nicht wohl fühlte. Sie zog Ihre Taschenuhr aus dem Mantel. Es war 20 Uhr. Heute würde sie keine Antwort auf ihre Fragen mehr bekommen. Sie erreichten das Zimmer. Es war prächtig ausgestattet, so wie man es vom königlichen Palast erwarten konnte. "Wenn Sie irgend etwas wünschen, klingeln Sie nur, ich bin für Sie da." "Vielen Dank, für heute brauche ich Sie nicht mehr." "Dann wünsche ich Ihnen eine gute Nacht." Die Hofdame machte einen Knicks und verschwand. Sie ging zum Fenster und öffnete die Balkontür. Vor ihr lag der Park, entfernt konnte sie die Pferde im Stall wiehern hören. Das hob ihre Laune. Sie würde morgen früh ausreiten. Danach würde sie sich wieder schicklich benehmen aber ganz früh am Morgen, wenn noch niemand auf war, da würde sie ausreiten. Es war 10 Uhr und niemand hatte ihren morgendlichen Ausflug bemerkt, außer Francesco natürlich, doch der Stallmeister würde darüber Stillschweigen bewahren, wie früher schon, wo der morgendliche Ausritt das einzige war, was ihre Seele in der höfischen Enge am Leben erhalten hatte. Jetzt sah sie so aus, wie man es von ihr erwarten konnte. Ein prächtiges Kleid, eine perlenverzierte Frisur, ein gepudertes Gesicht, jetzt war sie eine Dame, doch hoffte sie im tiefsten Inneren, daß sie bald wieder ein Mensch sein durfte. "Euer Majestät, sie ist eingetroffen." "Ich lasse bitten." "Nun General, hoffen wir, daß sie die Richtige ist, für dieses Vorhaben." "Mit Verlaub Euer Majestät, wenn sie nur halb so gut ist wie ihr Vater, dann wird sie diese Aufgabe mit Bravour erfüllen." Sie trat ein und verbeugte sich. "Isabella, ich freue mich sehr Dich wieder zu sehen." "Die Freude ist ganz auf meiner Seite, Euer Majestät." "Du fragst Dich gewiß, was Dich hierher führt, nun ich will es Dir sagen. Du sollst Deinen Vater beerben, nicht nur im Titel, wie Du es schon getan hast, nein auch im Rang." "Wie darf ich das verstehen?" "Wir haben von einem Agenten beunruhigende Nachrichten aus Californien erhalten. Die dortigen Truppen scheinen es mit der Königstreue nicht so genau zu nehmen. Du sollst dort den Rang, die Befehlsgewalt und die Funktion tragen, die dein Vater inne hatte und die Ordnung wieder herstellen. Dazu untersteht Dir Oberst Juan de Cantella. Er befindet sich mit seinen Truppen bereits im Norden Californiens. Du wirst Dich in San Tasco inkognito aufhalten und Beweise sammeln. Als Gräfin de Valdez wirst Du im Haus des verstorbenen Grafen Fernando de Valdez leben und Dich als seine Nichte ausgeben. Es ist bereits ein Agent dort, um alles vorzubereiten, Du kennst ihn, es ist Antonio de Guevara, der frühere Adjutant Deines Vaters. Er wird Dich auch vor Ort nach Kräften unterstützen. Wenn die Zeit reif ist, hast Du die Berechtigung einzugreifen, so wie es die Funktion vorsieht. Das Schiff legt in einer Woche in Barcelona ab. Bis dahin wird General da Silva Dich über alles informiert haben." Kapitel 1: Californien ---------------------- Sie saß am Schreibtisch und durchblätterte Papiere. Das knarren der Planken hörte sie nicht mehr, sie hatte sich daran gewöhnt. Sie mochte das Reisen per Schiff. Auf dem Meer herrschte eigentlich immer eine leichte Brise und dieser jodhaltige Wind machte die Sonne in den tropischen Breiten erträglicher. Sie würden im Laufe der Nacht in San Tasco ankommen. Sie hatte die Akten eigentlich schon oft genug studiert, die wichtigsten Fakten hatte sie im Kopf. General da Silva hatte ihr bereits eine komplette Recherche übergeben. Die bestand aus dem Bericht des Agenten, den Personalakten der Verdächtigen, soweit diese in spanischen Archiven zu finden waren, und einer Akte über die Südindische Handelsgesellschaft. Diese hatte in nahezu jedem größeren spanischen Hafen ein Stützpunkt und versorgte jeden Ort des Kolonialreiches mit allen benötigten Gütern, zum entsprechenden Preis natürlich. Dagegen war grundsätzlich nichts einzuwenden, allerdings fand sich im Bericht des Agenten der Hinweis, daß die Handelsgesellschaft für verschiedene Betrügereinen verantwortlich war. So hatte sie, allem Anschein nach, Getreidelager durch Brandstiftung zerstört um ihre eigene Ware zu Wucherpreisen verkaufen zu können. In diesen Lagern befanden sich jedoch auch die Abgaben an die spanische Krone, was das ganze auch für den König interessant machte. Ging das Getreide durch ein natürliches Feuer oder Schiffbruch verloren, war das höhere Gewalt, aber so konnte die Zerstörung eventuell sogar als Hochverrat gesehen werden. Außerdem stand in dem Bericht, daß die Armeeführung eventuell an den illegalen Machenschaften beteiligt war, sie zumindest aber tolerierte und deckte. Sie würde herauszufinden müssen, ob die Anweisung zur Brandstiftung und zu anderen Vergehen eigenmächtig vom Vertreter der Handelsgesellschaft vor Ort kam oder aus Valencia, dem Hauptsitz. Der Verdacht, daß der Befehl aus Spanien kam, war sicherlich auch der Grund, warum ausgerechnet sie die Untersuchung leiten sollte. Die Südindische Handelsgesellschaft gehörte zu verschiedenen Teilen angesehenen Kaufmanns- und Adelfamilien, allein der Herzog von Valencia hielt 20% und das war das Problem. General da Silva war ein fähiger Mann mit tadellosem Ruf aber er hatte nicht den Gesellschaftlichen Rang, um es sich erlauben zu können, einen Herzog anzuklagen. Der Vertreter der Südindischen Handelsgesellschaft in San Tasco war ein gewisser Senior Capital. Er entstammte einer angesehenen Kaufmannsfamilie in Valencia, sonst gab es nichts über ihn. Ein Mann mit weißer Weste, sie hatte nichts anderes erwartet. Solche Leute machten sich nie selbst die Finger schmutzig. Sie legte die Papiere in eine Mappe und schob sie zurück in das Geheimfach unter ihrer Kleiderkiste. Der zweite Hauptverdächtige war der Kommandant von San Tasco, ein gewisser Raymond. Über ihn hatte sich im Militärarchiv einiges finden lassen. Er war mit Mitte zwanzig schon Hauptmann und der Kommandant einer kleinen Grenzstation im Norden Spaniens. Dort handelte er aber vor allem nach dem Prinzip, das jeder Mensch seinen Preis hat. Der Preis des Kommandanten war 1/10 des Gewinns, den die Schmuggler mit ihrer Ware machten. 'Wie bescheiden.' Allerdings hatte er auch einen Preis, wenn es darum ging, Personen über die Grenze zu schmuggeln. Durch einen englischen Spion flog er auf. Um seinen Hals zu retten, hatte dieser nämlich verraten, wo und wie er nach Spanien gelangt war. Raymond erwartete dennoch keine all zu harte Strafe, denn er hatte die baskischen Rebellen in seiner Gegend gut im Griff gehabt. Er wurde degradiert und in die Kolonien strafversetzt. "Strafversetzt" Sie schüttelte mit dem Kopf. Schon ihr Vater hatte mehrfach darauf hingewiesen, wie gefährlich diese Praxis war, Offiziere schonend zu bestrafen. Wenn sie sich in Spanien noch zurückgehalten haben, merkten sie doch relativ schnell, daß es nahezu unmöglich war, daß man sie in den Kolonien erwischte. Die meisten dieser Kandidaten würden während ihrer gesamten Laufbahn im Kolonialdienst keinen einzigen spanischen Kontrolleur zu Gesicht bekommen und die Gouverneure waren meist mehr mit ihrem eigenen süßen Leben beschäftigt, als damit ihren Offizieren auf die Finger zu schauen. Sie stand auf und nahm aus Gewohnheit den Sonnenschirm vom Haken, auch wenn sie ihn hier an Bord nicht brauchen würde, in Californien würde ihr der versteckte Degen unter Umständen gute Dienste leisten. Sie ging den Gang hinunter zum Deck und trat ins Freie. "Hey, Isabella, schau mal wo ich bin" Die Sonne blendete, erst einige Sekunden später konnte sie sehen, wer ihr da zurief. Felipe hing in der Takelage und winkte herunter. Er war gerade 16 geworden und mit Begeisterung dabei. Antonio hätte es gern sehen, wenn sich sein Enkel bewähren würde, aber sie hatte da noch so ihre Zweifel. Er war mutig und ein guter Kämpfer aber eben auch sehr ungestüm. Vor Ort würde sie ihn erst einmal kurz halten. Für ihn würde es nur Ernst werden, falls sie die Truppen von Oberst de Cantella bräuchten, dann würde er sie nämlich holen müssen. "Das ist wirklich ein mutiger junger Mann, der da mit ihnen reist." "Wohl er ein draufgängerischer. Ich hoffe, er hat ihnen keinen Ärger gemacht." Der erste Offizier war neben sie getreten und schaute zu Felipe hinauf. "Aber mit nichten, gnädige Frau. Wir werden im übrigen erst im Laufe des Vormittags in San Tasco ankommen, der Wind hat gedreht." Tatsächlich flatterten die Fahnen in eine andere Richtung als noch am Morgen. "Der Kapitän läßt ihnen übrigens ausrichten, daß Sie und ihre Begleitung zum Abschiedsessen heute Abend eingeladen sind." "Bitte teilen Sie dem Kapitän mit, daß wir sehr gern kommen werden." Sie mochte das Getue nicht, doch sie machte gute Miene zum bösen Spiel. "Ich werde es ihm ausrichten, aber jetzt muß ich wieder an die Arbeit, Sie entschuldigen mich." Der erste Offizier verschwand in Richtung Oberdeck. Ihre Gedanken wanderten zurück zu ihrer Mission. Über Lieutenant Gabriel, den zweiten Offizier, der im Bericht erwähnt wurde, hatte sich nichts finden lassen. Er war wohl in Californien geboren und aufgewachsen, weshalb es in Spanien keine Aufzeichnungen über ihn gab. Sie würde vor Ort recherchieren müssen, aber vielleicht hatte Antonio ja bereits nähere Informationen, er war ja schließlich schon einige Wochen in San Tasco. Sie hoffte sehr, daß er auch über einen gewissen Zorro brauchbare Informationen hatte. In den Berichten der Armee hieß es, er sei ein gefährlicher Rebell, im Bericht des Agenten wird beschrieben, daß er unter anderem die kriminellen Machenschaften der Handelsgesellschaft bekämpft, also das tut, was eigentlich die Armee machen sollte. Sie seufzte. Oberst de Cantella war mit seinen Truppen in den Bergen bei Los Angelos stationiert, das war drei Tagesritte entfernt. Eine Nähere Stationierung würde jedoch das Risiko erhöhen, daß sie entdeckt würden und die Verdächtigen wären gewarnt. Falls ein schnelles Eingreifen nötig würde und die gesamte Armee zum Hochverrat bereit wäre, dann müßte sie auf die Hilfe der Bevölkerung setzten. Nach dem Bericht des Agenten ist Zorro bei den Menschen sehr beliebt, doch würde ein Rebell für den König kämpfen? Ein kräftiger Windstoß riß aus ihren Gedanken. Das Gewicht des versteckten Degens machte es mehr als schwer, den Sonnenschirm festzuhalten. Sie entschloß sich wieder unter Deck zu gehen. Am Horizont versank die Sonne schon langsam im Meer, sie würde sich ein wenig hinlegen. Der nächste Tag würde anstrengend genug, sie wußte schließlich nicht, was sie erwartete. Es war 6 Uhr morgens als sie an Deck kam. Sie waren in der Nacht wohl doch schneller gefahren, zumindest konnte man die Küste schon sehen. Es würde jetzt noch ungefähr eine Stunde dauern, sie wußte es, sie war in ihrem Leben schon oft genug auf Schiffen unterwegs gewesen. Da vor ihr lag also Californien. Sie war schon einmal hier gewesen, allerdings weiter nördlich, in Los Angelos. Damals war sie 10 und es war eine wunderschöne Zeit. Sie hatte während der vielen Reisen mit ihrem Vater nie wieder solche Freunde gefunden, wie hier in Californien. Diesmal jedoch, würde es keine Vergnügungsreise werden, das hatte sie im Gefühl. Etwa 2 Stunden später stand sie neben ihren Sachen am Pier, 6 große Kisten und 3 Koffer waren übereinander gestapelt. Sie schaute sich um. Der Hafen bestand aus einem einzigen langen Pier, das zur See hin von einer Mole geschützt wurde. Es war ein typischer kleiner Kolonialhafen. Auf der Straße, die am Pier entlang führte, herrschte reges Treiben, Waren wurden be- und entladen, Passagiere wurden verabschiedet oder Willkommen geheißen und eine Menge Leute standen neben ihren Sachen und warteten, so wie sie selbst. Antonio hatte versprochen, sie abzuholen, er würde bestimmt noch kommen. Felipe war inzwischen im Laderaum, er sollte den Matrosen helfen, Trueno zu entladen. Sie hatte darauf bestanden, ihren schwarzen Andalusierhengst mitzunehmen. "Sehen Sie mal, hoher Besuch" Oberst Jekyll deutete in Richtung einer Frau, die neben einem Berg aus Kisten und Koffern stand. Sie trug ein langes, wallendes, orangefarbenes Seidenkleid mit weißen Rüschen und einen weißen Sonnenschirm. "Eine solch vornehme Dame habe ich hier noch nie gesehen." "Das wird bestimmt die Gräfin sein" meinte Lieutenant Placid unbeeindruckt. "Welche Gräfin?" "Die Nichte des alten Valdez. Diego hat mit davon erzählt. Ihr Notar ist seit einigen Wochen hier um das Haus bewohnbar zu machen. Sie hat es geerbt" "Die Bauarbeiten am Haus sind mir auch aufgefallen, aber das mit der Gräfin, wußte ich nicht." Sie bemerkte, wie einige Leute neugierig zu ihr herüberschauten. Es wunderte sie nicht. Ihr Kleid und ihre Aufmachung waren für diese Stadt einfach zu vornehm. Keine der Frauen ihres Alter trug ein derart mit Rüschen verziertes Kleid oder einen Sonnenschirm. Hier war man ehr fürs Praktische. Nervös schaute sie die Strasse entlang. Hoffentlich war Antonio bald da. Sie fühlte sich unbehaglich. So wie sie gekleidet war, war es unmöglich nicht aufzufallen. Die beiden Offiziere, die gerade um die Ecke geritten kamen, bemerkte sie nicht mehr, denn im selben Moment ging am anderen Ende des Schiffes ihr geliebter schwarzer Hengst durch. Er hatte sich vor irgend etwas erschreckt und Felipe war nicht stark genug, um ihn zu halten. Sie ließ den Sonnenschirm fallen, stellte sich dem Pferd in den Weg und schnappte sich einen Zügel. Die ruhigen Worte und sanften Berührungen seiner Herrin brachten den wilden Trueno allmählich wieder zur Besinnung. "Seniorita, ist ihnen etwas passiert?" "Mir geht es gut, vielen Dank." "So ein wildes Pferd hier frei rumlaufen zu lassen, das ist ja unverantwortlich. Den Besitzer werde ich mir gleich mal vorknöpfen." "Dann tun Sie das am besten sofort, ich bin der Besitzer." Oberst Jekyll schaute sie etwas irritiert an. "Oh, na wenn das so ist. Das ist aber trotzdem ein sehr temperamentvolles Pferd für so eine zierliche Dame wie Sie." "Da täuschen Sie sich mal nicht, ich kenne diesen Hengst seit er ein Fohlen war, ich habe ihn im Griff." Sie lächelte ihn an. "Nun gut aber seien Sie das nächste mal vorsichtiger mit ihm." "Das werde ich, vielen Dank" 'Puh, das war knapp.' Sie drehte sich um und sah, daß inzwischen sämtliche Blicke auf sie gerichtet waren. Aus der Menge kam ein Mann auf sie zu, es war Antonio. "Isabella, schön Dich zu sehen. Ich hoffe, Du hattest eine angenehme Reise" Nervös blickte er dem Oberst hinterher. Dieser ging zu einem anderen Offizier, der etwas abseits mit den Pferden wartete, er stieg auf, nickte noch kurz und ritt mit dem Anderen weiter. "Beruhige Dich Antonio, er hat mich nicht erkannt.", flüsterte sie ihm zu. "Aber das muß ja nichts heißen, vielleicht fällt es ihm noch ein, Du hast ihn ja auch erkannt!" "Das ist 7 Jahre her und ich hatte damals mehr von einem Jungen als von einem Mädchen. Dich hat er ja auch nicht erkannt und Du hast Dich nicht so sehr verändert." Sie gingen langsam mit dem immer noch leicht nervösen Pferd hinüber zu den Kisten. "Das solltest du nicht überbewerten, ich habe mich hier fern von ihm gehalten und an der Akademie war ich nur Zuschauer, Dein Vater hat den Unterricht geführt und Du hast sogar einmal gegen ihn gefochten, wenn ich mich richtig entsinne." "Das stimmt und er war nicht schlecht, deshalb erinnere ich mich ja auch nur an ihn, ich merke mir nur die ebenbürtigen Gegner." Sie zwinkerte Antonio zu und lächelte verschmitzt. "Aber nun laß uns zusehen, daß wir hier verschwinden, ich stehe nicht gern im Mittelpunkt." Nach dem die Sachen auf den Wagen geladen waren, fuhren sie los. Sie sah sich alles ganz genau an. Antonio hatte ihr zu verstehen gegeben, daß sie erst zu Hause über den Stand seiner Ermittlungen informiert würde, er hatte wohl Angst, es könnte jemand etwas aufschnappen. Ihre Gedanken kreisten um den Offizier vom Hafen. Sie konnte sich zwar an ihn erinnern, aber seinen Namen wußte sie nicht mehr, das war einfach zu lange her. Er war damals ein guter Fechter und hatte eine vielversprechende Karriere vor sich. Immerhin durfte er an der Akademie der königlichen Garde den Kurs ihres Vaters besuchen und das, obwohl er nicht von Adel war. Was ihn wohl hierher verschlagen hatte? Sie ließen die Stadt hinter sich und fuhren einen leichten Hügel hinauf, hinter ihnen lag das Meer, vor ihr eine weite Landschaft mit grünen Wiesen, gelben Feldern, Obstplantagen und einigen größeren Waldgebieten im Hinterland. Zwischen diesen Feldern und Wiesen duckten sich immer wieder kleine Anwesen ins Grün, weiß getünchte Häuser mit knallig roten Dächern. Sie konnte sehen, wie sich die Straße vor ihr über flachere Hügel bis zum Horizont erstreckte. Von der Straße führten immer wieder andere Wege in die grün-gelben Flächen links und rechte ihres Weges. Im Nord-Osten konnte man im Dunst der Morgensonne hohe Berge erkennen. Eine schöne Landschaft, grüner als ihre heiße Heimat und der Wind blies hier stärker. "Wir sind gleich da, dort unten, das ist das Haus." Sie folgte seinem Blick. Links neben der Straße führte ein Weg etwa 50 Meter leicht den Hang herab, dort stand, von 5 großen Bäumen umgeben, die Hazienda. Auch sie war weiß getüncht und hatte ein rotes Dach. Vom schlechten Zustand war nichts mehr zu erkennen, Antonio hatte ganze Arbeit geleistet. Rings um das Haus erstreckte sich eine riesige Wiese, die wiederum leicht einen Hügel hinab führte. Blumen blühten und auf einem abgezäunten Bereich grasten 6 Pferde. Ein schönes Anwesen. "Sie mal Diego, da zieht jemand in das Haus vom alten Valdez ein." Lolita deutete auf den Wagen unter den großen Bäumen. "Das wird bestimmt die Gräfin sein, von der ich Dir erzählt hab." "Stimmt, dann laß sie uns doch mal begrüßen." "Gute Idee" Diego lenkte den Wagen den Pfad zur Hazienda hinunter. Antonio und ein etwa fünfzehnjähriger Junge waren gerade dabei, eine große Kiste von der Kutsche zu heben. "Hey Antonio, sollen wir euch helfen?" Bernard und er hatten den Notar in den letzten Wochen näher kennengelernt. Er war ein paar mal zum Essen bei den Vegas gewesen. "Hallo Diego, das wäre wirklich sehr nett. Guten Morgen Seniorita, ich glaube wir kennen uns noch nicht, mein Name ist Antonio und das ist mein Enkel Felipe" "Sehr erfreut, ich bin Lolita" Sie war nach oben gegangen um sich umzuziehen, das Kleid war einfach nichts für diese Gegend. Sie zog ein kürzeres, hellviolettes Kleid ohne Rüschen an und ging die Treppe hinunter. Fünf Kisten standen bereits im Flur. Vor dem Haus hörte sie Stimmen, wie es schien, hatten sie Besuch bekommen. Sie ging hinaus. "Ah, Diego, Lolita, wenn ich vorstellen darf, Gräfin Isabella de Valdez." "Hallo. Aber bitte sagt einfach nur Isabella zu mir." Kapitel 2: Die üblichen Verdächtigen ------------------------------------ Sie saßen auf der Terrasse, tranken Tee und aßen Kekse. Sie hatte immer noch nicht mit Antonio über die Situation sprechen können, doch das störte sie nicht. Diego und Lolita waren eine angenehme Gesellschaft und auf diese Weise bekam sie auch einen ersten Eindruck von San Tasco. "Und was wollen Sie dann hier machen? Ihr Onkel hatte ja nach Gold gesucht, aber gefunden hat er nie etwas." Sie mußte lachen. "Nein, nein, Gold suche ich bestimmt nicht, ich habe vor, Weinbau zu betreiben. In Andalusien haben wir auch einige Weinberge. Mit dem nächsten Schiff müßte eigentlich alles ankommen, was wir brauchen, dann geht es los." "Das klingt ja spannend, aber so ein Weinberg macht bestimmt auch eine Menge Arbeit." Lolita rührte gedankenverloren in ihrer Tasse. "Später auf jeden Fall, aber in diesem Jahr möchte ich erst einmal ausprobieren, welche Rebsorte hier am besten wächst." "Verzeihen Sie, wenn ich störe..." Louisa, die Haushälterin kam auf die Terrasse und schaute etwas unsicher in die Runde. "... dieser junge Herr hier sucht einen gewissen Diego." Bernard lugte frech hinter Louisa hervor. "Bernard, was ist denn los, hast Du uns gesucht?" "Ich hab euren Wagen draußen stehen sehen und da dachte ich, daß ihr bestimmt hier seit." "Möchte der junge Mann auch einen Tee?" Bernard schaute zu der Frau hinüber, die ihn angesprochen hatte. Sie war hübsch und strahlte irgendwie etwas vornehmes aus. ,Ah', da fiel es ihm wieder ein, die Sache mit der Gräfin. Und er hatte sie nicht mal begrüßt und sich vorgestellt. Was mußte sie wohl jetzt von ihm denken? "Oh, bitte entschuldigen Sie, daß ich mich noch nicht vorgestellt habe, mein Name ist Bernard." "Angenehm, ich bin Isabella. Möchtest Du nun eine Tasse Tee?" "Im Augenblick nicht, trotzdem vielen Dank." Bernard setzte sich auf den Stuhl neben Diego und stupste ihn mehrfach mit den Füßen an. Diego schaute zu ihm herunter und verstand. "Bitte entschuldigen Sie uns für einen Augenblick, ich glaube Bernard möchte mir etwas erzählen aber er ist ein wenig schüchtern." Diego lachte verlegen und kratzte sich am Hinterkopf. Die beiden gingen ums Haus. "So schüchtern wirkte er gar nicht." Isabella blinzelte etwas unschlüssig. Einige Minuten später kamen die beiden zurück. "Es tut mir sehr Leid Isabella, aber wir müssen jetzt leider gehen. Kommst Du, Lolita?" "Aber Diego, das ist unhöflich. Was ist denn eigentlich los?" Lolita wurde ärgerlich, sie wollte gern noch bleiben. Isabella machte einen netten Eindruck und sie hatte bestimmt noch eine Menge zu erzählen, nach so einer langen Reise. "Sie können ruhig noch bleiben, Lolita. Ich kann Sie nachher auch nach Hause bringen, wenn Diego und Bernard jetzt weg müssen. Dann sehe ich wenigstens gleich mal etwas von der Gegend." "Wenn ihnen das keine Umstände macht, ich würde gern noch bleiben." "Ganz bestimmt nicht." "Dann wäre ja alles geklärt, auf Wiedersehen und noch mal vielen Dank für den Tee." Bernard und Diego stürzten zum Wagen und fuhren weg. Isabella, Antonio und Lolita unterhielten sich noch eine ganze Weile weiter, Felipe war gar nicht erst zum Tee geblieben, er wollte lieber die Umgebung erkunden. Eine gute Stunde später hörte man von der Strasse her das Getrappel mehrer Pferde. Einen Augenblick darauf kam Louisa erneut auf die Terrasse: "Verzeihen Sie gnädige Frau, hier sind einige Soldaten, die Sie sprechen möchten." Isabella war sofort hellwach, ein Blick zu Antonio ergab, daß der zwar nicht wußte, was die Soldaten wollten, er aber ebenfalls alarmiert war. "Ich lasse bitten." Noch während sie das aussprach, drängte sich ein Offizier energisch an Louisa vorbei. Er war groß, blond, braungebrannt und machte auf sie keinen übermäßig sympathischen Eindruck. "Seniorita, wir müssen ihr Haus durchsuchen! Sie werden so lange hier warten!" ,Na das ist doch...' "Das werden Sie nicht." "Wie bitte?" "Erstens haben Sie sich gefälligst vorzustellen, wenn Sie mit solch einer Forderung in mein Haus kommen." "Aber..." "Und Zweitens möchte ich dann zumindest erfahren, was Sie hier eigentlich zu finden glauben." Mit einem ruhigen, energischen Blick sah sie ihn an. "Was fällt ihnen ein..." "Lieutenant Gabriel! Die Seniorita hat recht." ,Lieutenant Gabriel', jetzt wurde es doch interessant. Sie drehte sich um. Der Offizier vom Hafen stand am Aufgang zur Terrasse. "Bitte verzeihen Sie Seniorita, daß wir ihnen Umstände machen. Ich bin Oberst Jekyll. Wir suchen einige Aufständische und müssen dazu jedes Haus an der Straße nach San Sebastian überprüfen. Wir würden gern einen Blick in jedes Zimmer werfen, um sicherzustellen, daß die Verdächtigen nicht hier sind. Das gilt übrigens auch für die Ställe." "Aber Oberst, sie ist heute erst angekommen, wieso unterstellen Sie ihr, sie würde hier Rebellen verstecken?" Lolita hatte die Arme in die Hüfte gestemmt und schaute die Soldaten giftig an. "Laß gut sein Lolita, ich denke nicht, das er das tut. Außerdem befolgt er gewiß nur seine Befehle." Sie schaute mit stolzem Blick zu Oberst Jekyll hinüber, doch der ließ sich davon nicht beeindrucken. "Also gut, ich bin einverstanden, schauen Sie in jedes Zimmer. Aber in die Stallungen komme ich mit, ich möchte nicht, daß mein Pferd schon wieder durchgeht.", sagte sie in Richtung Oberst Jekyll, doch auch darauf reagierte er nicht. "Lieutenant Gabriel, Sie und ihre Männer durchsuchen das Haus! Aber machen Sie keine Unordnung! Gonzalez, Sie kommen mit mir und der Seniorita!" Gemeinsam gingen sie zu den Stallungen. Sie musterte ihn im Augenwinkel, er wirkte sehr ernst, wie schon am Hafen. Sie schob die Stalltür auf. In einer geräumigen Box tänzelte ihr geliebter schwarzer Hengst. Sie nahm eine Leine vom Haken und ging zu ihm, legte sie ihm an und führte ihn hinaus auf den Gang. Der Oberst vermied es sie anzuschauen, so kam es ihr jedenfalls vor. Er warf einen flüchtigen Blick in die Box und gab ihr zu verstehen, daß sie das Pferd wieder hineinführen konnte. "Oberst Jekyll, ich habe niemanden gefunden." Gonzales war die restlichen Boxen abgegangen. "Ich habe auch nichts anderes erwartet.", murmelte der Oberst. "Soll ich auch noch auf dem Heuboden nachsehen?" "Ich denke nicht, daß das nötig ist. Lassen Sie uns gehen." Sie folgte Gonzales und dem Oberst, er hatte sie die ganze Zeit nicht angesehen. "Und, haben Sie was gefunden Lieutenant?" "Nein Oberst!" "Dann bitte ich nochmals um Entschuldigung, für die Umstände. Lassen Sie uns gehen!" Sie gingen um das Haus herum zu ihren Pferden und ritten weiter. "Warum haben Sie sich das einfach so gefallen lassen, Isabella?" Lolitas Augen blitzen immer noch. "Der Oberst. Ich war ihm sozusagen noch etwas schuldig." "Wieso denn das?" Sie erzählte Lolita die Geschichte mit dem Pferd am Hafen und nutzte gleich die Gelegenheit, um etwas mehr über die Armee und speziell über Lieutenant Gabriel und Oberst Jekyll von ihr zu erfahren. Es war inzwischen später Nachmittag. Sie hatte Lolita nach Hause gebracht und saß nun bei einem Glas Rotwein mit Antonio im Lesezimmer. Die Tür war abgeschlossen, sie konnten also endlich ungestört miteinander reden. "Nun, wie ist Dein Eindruck?" "Welchen meinst Du? Da war doch eine Menge los heute, wenn man bedenkt, daß ich noch keinen Tag hier bin." Nachdenklich schwenkte sie ihr Weinglas. "Erzähl mir mal, was Du über diesen Oberst Jekyll weißt?" "Er steht meiner Meinung nach auf der Liste der Verdächtigen ziemlich weit unten, zumindest nach jetzigem Stand der Ermittlungen." "Was entlastet ihn denn?" "Entlasten ist zuviel gesagt, ich habe einfach nichts schlechtes über ihn gehört. Vor allem die Haushälterin der Vegas hat sich diesbezüglich als gute Quelle erwiesen, sie hält mit ihrer Abneigung gegen einige Offiziere und Soldaten nicht gerade hinter dem Berg, wenn Du verstehst. Nun ja und über den Oberst hat sie nichts wirklich Schlechtes gesagt." "Hm" Isabella nahm einen kräftigen Schluck aus ihrem Weinglas. "Und was ist mit den Verdächtigen aus dem Bericht?" "Die üblichen Verdächtigen eben. Den Lieutenant kennst Du ja inzwischen, er war, glaube ich, der einzige, über den es in den Archiven nichts gab. Was hattest Du denn für einen Eindruck von ihm?" "Er ist ein arroganter Schnösel, den irgend jemand in eine Offiziersuniform gesteckt hat und jetzt hat er mehr Macht als er vertragen kann." Antonio mußte lachen doch Isabella sprach ungerührt weiter: "Allerdings macht er auf mich nicht den Eindruck, als ob er eine Verschwörung anzetteln könnte, dafür ist er viel zu narzißtisch." "Ich denke damit triffst Du es so ziemlich. Bis heute kannte ich ihn auch nur vom Hörensagen, aber so, wie er sich hier aufgeführt hat, soll er wohl immer sein. Außerdem scheint er so etwas wie die rechte Hand des Kommandaten zu sein." "Also ein sehr sympathischer Zeitgenosse.", meinte Isabella zynisch. "Und was weißt Du über den Kommandanten?" "Noch nicht allzu viel. Er ist gut befreundet mit Senior Capital von der Südindischen Handelsgesellschaft und nach dem, was ich so über ihn gehört habe, scheint er immer noch sehr an der Vermehrung seines eigenen Vermögens interessiert zu sein." "Also alles so, wie ich es erwartet habe. Weißt Du sonst noch etwas über die Südindische Handelsgesellschaft?" "Tja, was soll ich sagen. Der Bericht scheint da vollkommen zu stimmen. Ich denke auch, daß diese Durchsuchung heute Mittag letztlich auf ein krummes Geschäft der Handelsgesellschaft zurück zu führen ist." "Da weißt Du doch was Bestimmtes, erzähl!" "Nun ja, ich habe etwas gehört, aber Beweise dafür habe ich keine, ich sollte mich ja zurückhalten, bis Du da bist. In den Bergen gab es wohl vor einiger Zeit vielversprechende Kupferfunde und seitdem versucht die Südindische Handelsgesellschaft den Bergbauern ihre Grundstücke zu viel zu niedrigen Preisen abzukaufen. Wer nicht verkauft, wird terrorisiert und die Armee weiß angeblich von nichts. Seit ein paar Wochen haben sich die Bauern nun wohl zusammengeschlossen und bekämpfen die Schläger der Handelsgesellschaft mit Waffengewalt. Der Kommandant hat das jetzt zur Rebellion erklärt und läßt so die Bauern als Rebellen verhaften und enteignen. Die Grundstücke kauft die Handelsgesellschaft dann zum Spottpreis von der Armee. Einige dieser rebellischen Bauern sind aus den Bergen geflohen und die suchen sie jetzt wohl." "Der Kommandant benutzt also die Armee als verlängerten Arm der Südindischen Handelsgesellschaft und verdient dabei bestimmt ordentlich mit, das ist wirklich ein starkes Stück. Wenn man das Beweisen könnte, wäre unsere Arbeit schon so gut wie erledigt." "Man muß es eben nur beweisen! Zugeben wird er das auf keinen Fall." "Vielleicht sollte ich dem Büro des Kommandanten mal einen nächtlichen Besuch abstatten, womöglich findet sich da ja etwas." Sie leerte ihr Weinglas und stand auf. "Ich werde mich mal umziehen" Sie stand vor dem Spiegel und betrachtete sich. So würde sie bestimmt niemand erkennen. Sie trug eine violette Hose, schwarze Stiefel, eine weise Bluse und eine violette Weste. Außerdem hatte sie ihre langen, dunkelbraunen Haare unter einer glatten, blonden Perücke mit Pony versteckt, die ihr bis zum Kinn reichte. Darüber trug sie eine violette Maske. Die Tür knarrte, Antonio hatte die Geheimkammer betreten. "Na, wie sehe ich aus?" Sie machte eine Drehung. "Erkennen wird man Dich so bestimmt nicht, aber bitte sei trotzdem vorsichtig." "Das werde ich. Ich habe den Grundriß der Garnison im Kopf, ich werde schon finden, was ich suche, ohne daß mich jemand entdeckt." Isabella schlich durch den Wald. Sie hatte sich eines der braunen Pferde von der Weide genommen und es am Waldrand festgemacht, Trueno war zu auffällig für diese nächtliche Aktion. Es war Vollmond, das kam ihr gerade recht, so konnte sie wenigstens etwas sehen. Sie kam ihrem Ziel langsam näher, zwischen den Bäumen konnte sie schon die Mauer der Garnison erkennen. Sie blieb stehen. Es kamen Schritte auf sie zu und zwar von zwei Seiten. Mit einem kühnen Sprung rette sie sich auf den Ast eines dicken Baumes, von da konnte sie nun sehen, daß es sich um zwei Patrouillen handelte, die sich ziemlich genau unter ihrem Baum treffen würden. "Habt Ihr schon irgend etwas entdeckt?" "Nein, Ihr?" "Nein." Die Patrouillen gingen weiter. ,Schon irgend etwas entdeckt' Es schien, als erwateten sie Ärger. Sie beschloß den gefährlicheren Weg über die Bäume zu nehmen, um zur Mauer zu gelangen. Das Risiko doch noch von irgendwelchen Wachen entdeckt zu werden, war ihr einfach zu groß. Sie sprang elegant von einem dicken Ast zum nächsten. Etwa 10 Meter vor der Mauer hielt sie an. Sie schnaufte leicht. In den letzten Jahren hatte sie das Training etwas vernachlässigt, das machte sich jetzt bemerkbar. Es fehlte ihr nicht an Sicherheit aber etwas an Kondition. Sie sah zur Mauer hinüber. Der Abstand zwischen dem letzten Ast und dem etwas höher gelegenen Geländer betrug etwa 5 Meter, sie würde also etwas Schwung brauchen. Sie nahm Anlauf, sprang und landete zielsicher. ,Na also, ich bin doch noch fit genug.' Sie ging erst einmal in Deckung und schlich sich unauffällig zur Tür. Vorsichtig späte sie ins Innere, auch hier liefen Patrouillen auf und ab. Was war hier nur los? Sie paßte einen günstigen Moment ab und rannte flink und leise den Gang hinunter. Es dauerte eine Weile, bis sie zum Büro des Kommandanten gelangt war, immer wieder mußte sie sich in letzter Sekunde in irgendwelche Zimmer retten, um nicht entdeckt zu werden, doch nun hatte sie es gefunden. Sie sah sich um. Der Mond schien durchs Fenster und tauchte alles in ein fahles Licht. Sie zündete eine Kerze an und stelle sie hinter dem Schreibtisch auf den Boden, damit man den Schein nicht durchs Fenster sehen konnte. Etwa eine Stunde durchsuchte sie die Dokumente, ohne Erfolg. Sie wollte sich gerade das Bücherregal vornehmen, da wurde es hektisch auf dem Gang. Sie löschte die Kerze und lauschte an der Tür. Eine Menge Leute liefen den Gang hinunter, etwas entfernt klang es, als ob Degen gegeneinander trafen, es wurde gekämpft. Sie wartete bis auf dem Gang keine Schritte mehr zu hören waren und öffnete leise die Tür. Es war niemand zu sehen. Sie beschloß die Gelegenheit zu nutzen und zu verschwinden, es war in dieser Nacht einfach zu viel los in der Garnison. Wie sie gekommen war, rannte sie die Gänge zurück zur Terrasse und trat vorsichtig hinaus. Was sie da sah, konnte sie gar nicht glauben. Irgend jemand hatte auf der anderen Seite der Garnison ein Loch in die Mauer gesprengt, durch das jetzt eine Menge Leute in zivil hinaus liefen, auf Pferde sprangen und davon ritten. Es schien, als wären auch Frauen und Kinder unter ihnen. "Zorro, stehenbleiben!" Sie schreckte auf und drehte sich um. ,NEIN, ausgerechnet der.' Sie war so sehr abgelenkt gewesen, daß sie nicht bemerkt hatte, wie Oberst Jekyll hinter ihr auf die Terrasse getreten war. Jetzt stand er ihr mit gezogenem Degen gegenüber und schaute sie grimmig an. Sie wollte nicht gegen ihn kämpfen, selbst wenn er sie so nicht erkannt hatte, könnte er doch ihren Fechtstil wiedererkennen. Widerwillig zog sie ihren Degen. Sie würde so passiv bleiben, wie sie konnte, doch es dürfte trotzdem schwer werden, sie hatte den Oberst als guten Fechter in Erinnerung. Der Kampf begann. Sie parierte zwar jeden seiner Angriffe, doch wie erwartet war es nicht leicht ihm so Stand zu halten. "Was ist mit Dir los Zorro, warum kämpfst Du nicht?" Im selben Moment viel sie auf eine Finte herein und der Oberst landete einen Treffer, passiver Kampf lag ihr eben nicht. Sie konnte sich im letzten Moment zur Seite drehen, so daß zwar ihre Weste zerfetzte, sie aber unverletzt blieb. "EIN MÄDCHEN? Du bist nicht Zorro! Wer bist Du?" Die nun leicht geöffnete Bluse gab den Blick auf ihre halb entblößte Brust frei und verwirrte den Oberst offenbar so, daß er seinen Angriff abbrach. Sie nutzte die Situation und stürzte sich in die Bäume. ,Das war knapp' Vorsichtig schlich sie zu ihrem Pferd, stieg auf und wollte gerade auf die Straße, als sie einige Pferde heran galoppieren hörte. Im Schutz der Büsche sah sie, wie ein Mann, gekleidet wie sie, nur in schwarz und mit Hut und Umhang, an ihr vorbeidonnerte, verfolgt von der halben Garnison, so schien es ihr jedenfalls. ,Zorro' schoß es ihr durch den Kopf. Nun wunderte sie auch nicht mehr, weshalb der Oberst so verwirrt war. "Um Gottes Willen, Isabella, was ist denn passiert?" Antonio hatte in der Geheimkammer gewartet und sah nun, wie die etwas ramponierte Isabella hereinschlich und sich Perücke und Maske vom Kopf streifte. "Es ist alles in Ordnung, Antonio." "Isabella, bist Du auch wirklich nicht verletzt? Du siehst ja furchtbar aus, was ist denn nur passiert?" Sie ging hinter den Paravent, zog Bluse und Weste aus, trat vor den Spiegel und betrachtete ihren entblößten Oberkörper. "Mir ist nichts passiert, ich habe noch nicht mal einen Kratzer." Sie drehte sich um, zog Stiefel und Hose aus, streifte sich einen Morgenmantel über und trat wieder hervor. "Bitte Antonio, ich werde Dir morgen nach dem Frühstück alles erzählen, aber jetzt möchte ich nur noch schlafen." Kapitel 3: Das Fest ------------------- Um 6 Uhr war sie aufgestanden, hatte sich ein weiß-rotes Kleid angezogen und war zum Stall gegangen. Normalerweise ritt sie lieber in Hosen, aber nach dem Debakel der vergangenen Nacht, wollte sie nicht das Risiko eingehen, daß sie so vielleicht doch noch jemand erkennt. Trueno stand ruhig in seiner Box, er hatte sich inzwischen an seine neue Umgebung gewöhnt. Sie hatte während der restlichen Nacht kaum geschlafen, es hatte sie zu sehr geärgert, daß sie so unvorsichtig gewesen war. Jetzt würde sie erst einmal ausreiten, danach fühlte sie sich meistens besser. Sie würde erst einmal die Gegend erkunden und anschließend bei den Vegas vorbeireiten. Zum einen war sie neugierig auf die Haushälterin und zum anderen hatte sie beschlossen, am Abend ein kleines Fest zu geben, nur so würde sie die Leute hier schnell besser kennen lernen. Sie hatte den großen Fehler begangen, sich in die Ermittlungen zu stürzen, ohne die Verhältnisse genau zu kennen. Auf Zorro war sie nicht vorbereitet gewesen, letzte Nacht, sie war von der Situation überrollt worden und das hätte böse enden können. Antonio würde ihr das nachher gewiß auch noch vorhalten. Langsam führte sie Trueno die Wiese hinauf, er tänzelte, sie spürte förmlich, wie er losjagen wollte. Wer konnte es ihm verübeln? Er hatte viel zu lange keinen Auslauf mehr gehabt. Sie ritt gemächlich die Straße Richtung Wald, er mußte sich erst aufwärmen, bevor er sich austoben durfte. Eine gute viertel Stunde später lenkte sie ihn den Hang wieder hinunter und gab die Zügel frei. Der Wald war etwa 5 bis 6 Kilometer entfernt und sie donnerten parallel dazu über die Wiese. Je weiter sie sich von der Straße entfernten, desto höher wurde das Gras. Sie lenkte das galoppierende Pferd auf einen schmalen Pfad, der wenigstens eine Richtung in dem inzwischen fast mannshohen Pflanzenmeer vorgab. Der Pfad machte einen weiten Bogen und nach etwa einer weiteren viertel Stunde schien Trueno sich wieder etwas beruhigt zu haben. Obwohl sie das Grundstück eigentlich schon längst umrundet haben mußten, galoppierten sie weiter den Pfad entlang. Dieser war hinter einem Knick plötzlich zu Ende. Mit einiger Mühe brachte sie ihr Pferd mitten auf der Kreuzung gerade so zum stehen und sah nur im Augenwinkel, daß sie beinahe jemanden umgeritten hätte. "Sie schon wieder!" Oberst Jekyll schaute mürrisch auf den tänzelnden Hengst und seine junge Reiterin. "Haben Sie nicht gesagt, Sie hätten ihn im Griff?" "Das habe ich auch, ich war nur zu schnell. Es tut mir sehr Leid." Sie lächelte ein wenig verlegen zu ihm hinüber und tatsächlich beruhigte sich Trueno sofort. "Sie sind aber sehr früh unterwegs, Gräfin." "Bitte sagen Sie doch Isabella zu mir. Ich bin es gewohnt sehr früh morgens auszureiten, in Andalusien, wo ich herkomme, ist es zu späteren Tageszeiten einfach zu heiß dafür." Andalusien also, das paßte. Er musterte sie unauffällig. Sie trug ein wallendes weiß-rotes Kleid, das auch einer Flamencotänzerin gut gestanden hätte, ihre Haare hatte sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden und dazu noch dieses feurige Pferd. Sie ritten langsam nebeneinander her. "Und was führt eine andalusische Dame in diese Gegend, wenn ich fragen darf? Sie machen nicht den Eindruck, als ob Sie Gold suchen wollten, so wie Ihr Onkel." "Das gewiß nicht, ich habe vor Wein anzubauen." "Wein anbauen, dafür brauchen Sie aber eine Lizenz vom spanischen König." "Ich weiß, ich habe eine. Sie können sie gerne einsehen, wenn Sie möchten." Sie mußte sich doch sehr zusammennehmen, um nicht laut loszulachen, eine derart korrupte Garnison und er interessierte sich tatsächlich für ihre Weinbaulizenz. Irgendwie wurde sie einfach nicht aus ihm schlau. "Ich denke nicht, daß das nötig ist, ich glaube Ihnen. Wo wollen Sie denn eigentlich hin? Sie sehen mir nicht so aus, als wüßten sie, wo Sie hier sind." "Da haben Sie nicht ganz Unrecht, ich weiß es wirklich nicht, eigentlich wollte ich zu den Vegas." "Da sind Sie hier sogar auf dem richtigen Weg, Sie müssen nur nachher an einer Kreuzung abbiegen, ich zeige Ihnen wo." "Vielen Dank, das ist wirklich sehr freundlich. Darf ich auch fragen, was Sie so früh hier vorbei führt?" Sie wollte die Gelegenheit beim Schopfe packen und den Oberst ein wenig auszufragen. "Wir haben die ganze Nacht im Wald nach Rebellen gesucht." "Dieselben wie gestern Mittag?" Er zuckte zusammen. Irgendwie hatte er geahnt, daß das noch Ärger geben würde. Eine Gräfin würde eine solche Maßnahme nicht so ohne weiteres hinnehmen, er kannte doch den Adel. "Es tut mir sehr Leid wegen gestern Mittag, ich kann mich nur noch einmal bei Ihnen entschuldigen." "Aber bitte, das brauchen Sie wirklich nicht." Er schaute etwas irritiert zu ihr hinüber. Sie schien das wirklich ernst zu meinen. "Wir hatten die Rebellen schon geschnappt, doch Zorro hat sie letzte Nacht befreit.", fuhr er fort. ,Also doch, der maskierte Reiter war Zorro!' "Zorro?" "Ach das können Sie ja noch gar nicht wissen, Zorro ist ein gefährlicher Rebell, der uns immer wieder Schwierigkeiten macht." "Das tut mir Leid, ich hoffe doch, daß Sie ihn bald erwischen." "Das werden wir, darauf können Sie sich verlassen. Da vorn müssen Sie übrigens rechts abbiegen, wenn Sie zu den Vegas wollen." "Vielen Dank nochmals. Ach wenn Sie mögen, können Sie heute Abend gerne bei mir vorbei schauen, ich gebe ein kleines Fest und ich würde mich freuen, wenn Sie auch kommen. Auf Wiedersehen." "Auf Wiedersehen." Sie lenkte ihr Pferd in Richtung der Vegas. Oberst Jekyll schaute ihr ein wenig irritiert nach. "Eine seltsame Gräfin." Sie holte ihre Taschenuhr hervor, es war jetzt 8:30, ob bei den Vegas schon jemand auf war? Sie würde einfach mal vorbei schauen. Maria war gerade beim fegen, als sie die junge Frau auf den Hof reiten sah. Sie war vornehm gekleidet und das Pferd machte einen edlen Eindruck. "Guten Morgen Seniorita. Was führt Sie denn zu so früher Stunde hierher?" Das mußte Maria sein, eine resolute, stämmige Frau Mitte 40, so hatte Antonio sie beschrieben. "Guten Morgen, mein Name ist Isabella de Valdez. Ich wollte fragen, ob Diego vielleicht schon auf ist." "Diego" Maria zog eine Schnute. "Der ist noch nicht auf, der kommt meistens erst so gegen 10Uhr aus dem Bett gekrochen. Aber ich kann ihn wecken, wenn Sie möchten." "Oh nein, nein, lassen Sie ihn ruhig schlafen, so wichtig ist es auch nicht." "Der kann ruhig auch mal früher aufstehen, er tut ja sonst auch bloß nichts. Nehmen Sie doch bitte Platz, ich werde ihn holen." Maria deutete auf einen Tisch mit zwei Bänken und ging ins Haus. Isabella machte Trueno am Zaun fest und setzte sich. Irgendwie fühlte sie sich unwohl, so wichtig war das Fest nun auch nicht, daß sie Diego extra wecken mußte. "Hey Diego, aufstehen!" "Hmhm" "Du hast Besuch!" "Besuch?" Verschlafen blinzelte er unter der Bettdecke hervor. Er hatte eine anstrengende Nacht hinter sich. Mit mehren Rebellen hatte er die Familien der Bergbauern aus dem Gefängnis befreit und sich danach stundenlang mit der Armee gejagt und sie so abgelenkt, damit Bernard die Familien in den Verstecken der Rebellen in Sicherheit bringen konnte. Sie waren erst gegen 5 Uhr ins Bett gekommen. "Was denn für Besuch?" "Die Gräfin de Valdez!" "Isabella?" "Ganz genau, sie sitzt im Hof und wartet auf Dich." Diego beeilte sich mit dem Umziehen und kam herunter. Bernard ließ er schlafen. "Guten Morgen Isabella, was führt Sie denn so früh hierher?" "Guten Morgen Diego, tut mir Leid, ich wollte nicht, daß sie Dich weckt, aber sie hat darauf bestanden." "Das ist nicht so schlimm, also, was führt Dich denn her?" "Nun ja, ich kenne hier ja noch nicht so viele Leute und da dachte ich, es wäre eine gute Idee, heute Abend ein kleines Fest zu geben, um alle Nachbarn kennenzulernen. Ich wollte Dich fragen, wen ich, außer Lolita und Dir, noch einladen könnte?" "Hm, ich denke, da werden wir schon einige zusammenbekommen." Sie saßen eine Weile beisammen und besprachen die Gästeliste, da kam jemand auf den Hof geritten. "Guten Morgen Diego, Du bist ja schon auf." Sergeant Gonzales machte sein Pferd ebenfalls am Zaun fest und kam herüber. "Morgen Gonzales, dasselbe könnte ich Sie auch fragen?" "Ach hör bloß auf, wir sind die halbe Nacht hinter Zorro hergejagt und erwischt haben wir ihn trotzdem nicht. Oh, guten Morgen Seniorita." "Guten Morgen Sergeant. Da scheinen Sie ja eine ganz schön harte Nacht hinter sich zu haben. Oberst Jekyll hat vorhin auch schon so etwas angedeutet." "Oberst Jekyll?" "Ja, ich habe ihn auf dem Weg hierher getroffen. Er war so nett, mir zu zeigen, wo ich lang muß. Ich habe ihn übrigens auch zum Fest heute Abend eingeladen." "Ein Fest, na ich glaube nicht, daß er da kommt, der Oberst ist niemand, der gern feiert." "Und Sie Sergeant, feiern Sie gern?" "Oh, na wenn Sie so fragen, eigentlich schon." "Dann sind Sie selbstverständlich auch eingeladen." "Na, schikanieren Sie immer noch die Leute?" Maria war mit einem Tablett zum Tisch gekommen, knallte es hin und schaute grimmig zu Gonzales. Der schaute bedrückt auf die Tischplatte. "Ich kann doch nichts dafür, das sind nun mal die Befehle, ich finde es ja auch nicht richtig, die Leute von ihrem Land zu vertreiben, sie haben ja eigentlich gar nichts Schlimmes getan." "Ach tun Sie doch nicht so, es ist immer dasselbe mit der Armee. Was für ein Glück, daß wir Zorro haben." "Ich hätte da mal eine Frage, wer ist dieser Zorro eigentlich?" Isabella schaute abwechselnd zu Diego, Maria und Gonzales. "Zorro ist ein Held!", meinte Maria mit stolz geschwellter Brust. Sie erzählte daraufhin die Geschichten, die Isabella schon von Antonio kannte, allerdings etwas ausführlicher, während Gonzales nur schweigend auf die Tischplatte starrte. "Oberst Jekyll und Lieutenant Placid ist das ja auch nicht ganz geheuer, doch was sollen wir machen, Befehl ist Befehl. Vermutlich werden wir heute wieder den ganzen Tag Rebellen suchen, ich mag nicht mehr." Gonzales verkroch sich in seiner Uniform. Draußen auf der Straße kamen einige Reiter näher, es waren Soldaten. Isabella erkannte in einem der Offiziere den, der mit dem Oberst am Hafen war. Er schaute zu ihnen herüber. "Hey Gonzales, kommen Sie?" "Ich bin schon unterwegs, Lieutenant." "Und wer ist denn das?", flüsterte Isabella zu Diego hinüber. "Lieutenant Placid. Er ist noch nicht sehr lang hier." "Ist er auch so furchtbar wie dieser Gabriel?" Diego lachte leise. "Nein, nein, Lieutenant Placid ist schon in Ordnung. Aber woher kennen Sie Lieutenant Gabriel?" Sie erzählte von der Durchsuchung am Vortag und Diego wurde ungewöhnlich ernst. "Lolita sollten Sie sich nicht zum Vorbild nehmen, was Lieutenant Gabriel angeht. Halten Sie sich bei ihm lieber etwas zurück, er kann gefährlich werden, wenn man sich mit ihm anlegt." Eine gute halbe Stunde später war sie wieder auf dem Heimweg, allerdings verwirrter als zuvor, diesmal hatte der Ausritt mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet. Es war inzwischen 10Uhr. Sie betrat das Lesezimmer und hatte plötzlich eine Degenspitze vor dem Gesicht. "Ich habe schon gedacht, Du bist wieder abgereist.", meinte Antonio zynisch. Er trug eine Fechtweste und einen Gesichtsschutz. "Es tut mir Leid, ich wollte nur den Kopf frei bekommen." Sie schob die Degenspitze aus dem Gesicht, zog sich ebenfalls Fechtweste und Gesichtsschutz über und nahm sich einen Degen von der Wand. "Und, hat es funktioniert?" "Nein, ich bin verwirrter als vorher." Sie nahm ihre Position ein und das Duell begann. Hätte sie jetzt jemand gesehen, er hätte nicht geglaubt, daß sie sich einen Abend zuvor so einfach hatte schlagen lassen. Sie war schnell und treffsicher, Antonio hatte Mühe ihre Attacken zu parieren. "Also was ist letzte Nacht passiert, an Deinen Fechtkünsten kann es ja nicht gelegen haben." Er war ihr im letzten Moment ausgewichen. "In dem Fall doch, der Oberst hat mich erwischt und ich war gezwungen, einen defensiven Kampf zu führen. Ich wollte nicht, daß er meinen Fechtstil wiedererkennt." "Da hast Du aber gehöriges Glück gehabt, das hätte auch anders ausgehen können." "Ich weiß." Sie startete einen sehr schnellen Angriff, der Antonio sichtlich in Bedrängnis brachte, eine geschickte Finte und schon hielt sie seinen Degen in der Hand. "Ich hab da mal eine Frage." Sie warf ihm den Degen zurück und ging wieder in Position, sie fochten erneut. "Wann ist der Punkt erreicht, an dem wir eingreifen müssen?" "Wie meinst Du das?" "Ich habe mit Maria gesprochen. Sie hat erzählt, daß sie die Familien der Bauern als Geißeln genommen hatten und gedroht haben, sie hinzurichten, wenn die Männer sich nicht ergeben. Wenn Du mich fragst, ist das ein Vorgang, den wir nicht nur beobachten dürfen." "Da magst Du Recht haben, aber wie willst Du ihnen denn helfen. Wir können uns nicht offenbaren, solange wir keine Beweise haben." "Ich weiß, deshalb möchte ich es ja auch so machen wie Zorro." "Wie Zorro?" "Ich werde mit der Verkleidung von letzter Nacht versuchen den Leuten zu helfen. Wenn Zorro das kann, kann ich das auch." "Hm. So wie ich Dich kenne, kann ich Dir das sowieso nicht ausreden. Aber halte Dich dann dieses Mal zumindest von Oberst Jekyll fern." "Das werde ich." Sie startete einen neuen Angriff und auch diesmal gelang es ihr in kürzester Zeit, Antonio zu entwaffnen, er war halt auch nicht mehr der Jüngste. Es war später Nachmittag. Sie hatte die letzten Stunden damit zugebracht an ihrem Bericht zu schreiben, jetzt hatte sie sich umgezogen. Sie trug ein hellblaues Andalusisches Kleid mit einer Menge weißer Rüschen. Die ersten Gäste würden bald kommen. Sie hatte ein großes Büfett auf der Terrasse aufbauen lassen, dazu gab es Musik und Wein von den Gütern der Familie de Valdez; was ihre Tarnung betraf, gab sie sich keine Blöße. Sie ging hinunter um die Gäste zu begrüßen, zwei Stunden später waren etwa 30 Leute eingetroffen, darunter auch Oberst Jekyll und Sergeant Gonzales. Sie hatte inzwischen die wichtigsten Leute kennen gelernt, unter anderem Diegos Vater und Lolitas Eltern, Carlos und Catherina. Sie machten allesamt einen netten Eindruck, wobei Lolitas Mutter etwas überdreht wirkte. Das Fest war in vollem Gange und es schien allen eine Menge Spaß zu machen, nur der Oberst stand etwas abseits. Sie wollte gerade zu ihm gehen, da bat Lolitas Vater sie um den nächsten Tanz. Sie nahm an und zeigte den Anwesenden, daß sie ihr Flamencokleid nicht zu Unrecht trug. "Isabella kann wirklich ausgezeichnet tanzen." Catherina sah, daß ihr Mann mit dem tänzerischen Feuer der Gräfin ziemlich überfordert war. "Tja, sie ist eben eine echte Andalusierin.", meinte Lolita. Etwas verlegen registrierte Isabella, daß ihre Vorstellung von den Anwesenden mit Applause bedacht wurde. Sie machte einen leichten Knicks und verließ mit Don Piedro die Tanzfläche. Der Oberst stand immer noch abseits an die Hausmauer gelehnt, sie nahm sich zwei Weingläser und ging zu ihm. "Mein Fest scheint Ihnen nicht besonders zu gefallen." Sie reichte ihm eines der Gläser. "Oh nein, Ihr Fest ist fantastisch.", meinte er ausweichend. "Sie sind nicht gern auf Festen, was?" "Das könnte man so sagen." Er nahm einen Schluck Wein. "Ich irritiere Sie!" Sie war fest entschlossen endlich herauszufinden, was es mit dem Oberst auf sich hatte, dazu war sie auch bereit, ihn ein wenig zu provozieren. "Wie kommen Sie darauf?" "Es würde mich nicht wundern, ich irritiere die meisten Menschen." Sie gingen langsam den Hügel hinunter zu den Pferdekoppeln. Es war Vollmond, wie am Tag zu vor. "Es tut mir Leid, falls ich etwas unfreundlich wirke, aber ich mußte lernen, mir nichts gefallen zu lassen." "Das ist nicht so schlimm, ich denke übermäßig höflich war ich auch nicht." "Hat das einen bestimmten Grund?" "Es hat nichts mit Ihnen zu tun, ich habe nur einige schlechte Erfahrungen mit Mitgliedern des Adels gemacht." Sie grinste. "Das kann ich sogar nachvollziehen, ich fühle mich unter meines Gleichen auch nicht besonders wohl, im Gegenteil." "Wieso denn das?" "Ich habe ein sehr freies Leben geführt, bis mein Vater starb. Danach hat mein Onkel mütterlicherseits versucht, mich zu einer braven und fügsamen höheren Tochter zu machen, die man familienpolitisch gut verheiraten kann. Ich mußte zwei Jahre darum kämpfen, endlich über mich selbst bestimmen zu dürfen. Das hat mich so werden lassen, wie ich bin." Trueno trabte an den Zaun und ließ sich streicheln. "Und was haben sie für schlechte Erfahrungen mit dem Adel gemacht?" Er drehte sich um und schaute hinauf zum Fest. "Wissen Sie, ich habe viele Jahre in Spanien gedient, doch egal was man dort auch leistete, wenn man nicht von Adel war, kam man in keine verantwortungsvollen Positionen. Deshalb bin ich in die Kolonien gegangen, hier spielt der Stand keine so große Rolle wie in Spanien, hier kann sich auch ein Mann aus einfachen Verhältnissen mit Fleiß und Ehrgeiz nach oben arbeiten." Das war es also, sie konnte es verstehen. Sie erinnerte sich wieder an jenen Abend in der Taverne, wo sich sämtliche adeligen Offiziersschüler ihres Vaters über ihn lustig gemacht hatten, nur weil er keinen Titel trug. Eigentlich hätten sie ganz still sein müssen, denn vom Können her übertraf er sie alle bei weitem, doch sie hatten ja ihre Titel, ihnen war die Aufnahme in die königliche Garde ja sowieso schon sicher. Lieutenant Placid kam ums Haus und schaute in die Runde, weder Oberst Jekyll noch Sergeant Gonzales waren unter der feiernden Menge zu entdecken. Der Sergeant hatte ihm von dem Fest erzählt, nun hoffte er die beiden hier zu finden. Er entdeckte Diego, der sich etwas abseits mit einem älteren Mann unterhielt. "Hallo Diego, hast Du zufällig Sergeant Gonzales und Oberst Jekyll gesehen?" "Guten Abend, Lieutenant. Der Sergeant ist dort drüben." Diego deutete zum Büffet. "Oberst Jekyll habe das letzte Mal gesehen, als er mit Isabella sprach, aber das ist auch schon eine Weile her. Was ist denn los?" "Lieutenant Gabriel hat das Versteck der Rebellen im Wald entdeckt, jetzt braucht er Verstärkung. Ich werde mal Gonzales fragen, vielleicht weiß er, wo der Oberst ist." Diego war sofort hell wach. Er schaute nach Bernard und entdeckte ihn schlafend auf einer Bank, das war gutes Alibi, er würde sagen, daß er Bernard nach Hause bringt. "Sergeant Gonzales, die Pflicht ruft." Der sah von seinem Teller hoch und erblickte Lieutenant Placid. "Haben sie zufällig Oberst Jekyll gesehen?" "Er ist vor einer Weile mit der Gräfin dort den Berg hinunter gegangen." Gonzales würgte den letzten Bissen runter und deutete in Richtung der Koppel. "Was ist denn passiert?" "Das erzähl ich Ihnen gleich." Lieutenant Placid rannte in die angegebene Richtung. Er sah die Silhouetten von zwei Personen am Koppelzaun stehen und lief auf sie zu. "Oberst, es tut mir Leid, wenn ich Sie störe aber wir haben die Rebellen im Wald aufgespürt." "Was sagen Sie da? Ich komme sofort. Bitte entschuldigen Sie mich Gräfin, die Pflicht ruft." Sie schaute den beiden nach. Auf dem Fest schien sie niemand zu vermissen. Sie schlich sich ins Haus, zog sich in der Geheimkammer um und ritt Richtung Wald. Antonio würde das Fest auch ohne sie über die Bühne bringen, das hier war wichtiger. Kapitel 4: Nacht der Duelle --------------------------- Etwa einen Kilometer vor ihr lag der Wald, sie konnte den Umriß schon im Mondlicht erkennen. Sie hatte das Pferd etwas weiter entfernt zurückgelassen und rannte jetzt geduckt durch das hohe Gras neben der Straße in Richtung der schwarzen Silhouette. Etwas entfernt konnte man das Wiehern und Schnaufen einiger Pferde hören, das lauter wurde, je näher sie kam. Als sie noch etwa hundert Meter entfernt war, vernahm sie auch leise Stimmen. Vorsichtig schlich sie sich an. Zwei Soldaten saßen auf einem umliegenden Baumstamm und unterhielten sich, sie sollten offenbar auf die vielen Pferde aufpassen, die am Wegrand an den Büschen festgebunden waren. Sie machte einen leichten Bogen und schlich sich ins Unterholz. Der Wald hier war dichter, als der an der Garnison, die Bäume waren höher und es gab eine Menge Büsche und Sträucher, teilweise höher als sie selbst, so daß sie trotz des Mondlichts kaum etwas erkennen konnte. Sie würde extrem vorsichtig sein müssen, im Wald hatte der Ortskundige alle Vorteile auf seiner Seite und sie kannte sich hier ja nun überhaupt nicht aus. Sie beschloß das Beste aus ihrer Situation zu machen und wieder den Weg über die Bäume zu nehmen, dort oben war die Sicht besser und sie lief niemandem unerwartet über den Weg. Sie sprang auf einen Ast, doch auch von hier oben war nichts zu erkennen. Sie lauschte. Man konnte Vogelrufe und vereinzeltes Rascheln im Unterholz hören, doch keines dieser Geräusche hatte einen menschlichen Ursprung, es war viel zu ruhig für die vielen Pferde am Waldrand. Sie sprang so leise wie möglich von einem Baum zum nächsten, doch auch tiefer im Wald war nichts zu entdecken. Sie beschloß erst einmal abzuwarten und setzte sich auf einen Ast. Leise krochen sie durchs Dickicht. Diego hatte Bernard alles erzählt und jetzt waren sie auf dem Weg zu den Rebellen. Er hoffte sehr, daß sie noch rechtzeitig kommen würden, hören konnten sie zwar nichts, doch das beruhigte ihn wenig, im Gegenteil. Wenn Lieutenant Gabriel sich irgendwo im Unterholz versteckt hatte, dann würden sie ihm womöglich direkt in die Arme laufen. Er hatte den Eindruck, daß jedes Knacken unter ihren Füßen wie ein Kanonendonner durch den Wald hallte, obwohl das natürlich Unsinn war, so leise wie sie sich bewegten. Das Versteck befand sich hinter einer Lichtung. Dort gab es eine Höhle, in der sie normalerweise Waffen, Munition und Vorräte versteckten, gestern jedoch hatten sie ein Teil der Familien in diese Höhle gebracht. Sie hatten über vierzig Personen aus der Garnison befreit und es gab einfach nicht genug Möglichkeiten um sie alle in Scheunen oder Häusern zu verstecken. Er blieb stehen und gab Bernard ein Zeichen. Etwa 50 Meter vor ihnen krochen einige Soldaten durchs Unterholz, er konnte die rote Uniform von Sergeant Gonzales erkennen. "Kleiner Zorro, Du bleibst hier!" "Aber warum denn Zorro?" "Ich werde ihnen über die Bäume folgen und da kannst Du nicht mit." "Aber..." "Kein aber, Du wartest hier!" Diego schaute zu den Soldaten hinüber, doch die schienen ihr geflüstertes Gespräch nicht mitbekommen zu haben. "Außerdem brauch ich Dich nachher vielleicht noch für den Rückzug." Er nickte Bernard zu, sprang auf einen Baum und verschwand in der Dunkelheit. Bernard kroch unter einen nahegelegenen Busch und setzte sich. Normalerweise wäre er ihm hinterhergeschlichen, doch diesmal würde er sich an Diegos Worte halten. Er gab es zwar ungern zu, doch dieser Wald war ihm irgendwie nicht geheuer. "Lieutenant Gabriel, wie ist der Stand der Dinge?" Oberst Jekyll, Lieutenant Placid, Sergeant Gonzales und etwa 20 weitere Soldaten hatten sich so leise wie möglich durch den Wald gekämpft, jetzt saßen sie neben Gabriel in den Büschen. Vor ihnen lag eine halbrunde größere Lichtung, die leicht einen Hügel hinauf führte und in etwa 30 Meter Entfernung von einigen Büschen und einem großen Felsen begrenzt wurde. "Wir haben einen der Rebellen bis hierher verfolgt! Die haben sich vermutlich in der Höhle dort versteckt." Er deutete in Richtung einer kleinen Öffnung, die hinter einem großen Busch fast nicht zu erkennen war. "Wir wollten auf Nummer Sicher gehen und den ganzen Berg umstellen." ,Verdammt' Zorro war den Soldaten unbemerkt bis zum Versteck gefolgt und sah nun von einem Baum aus, wie diese sich rund um den Hügel mit der Höhle verteilten. Es gab noch einen zweiten Ausgang auf der anderen Seite, doch dort wartete jetzt Lieutenant Gabriel, sie saßen also in der Falle! Er wollte ihm gerade auf die Rückseite folgen, da gab der Oberst das Zeichen zum Angriff und ein paar Soldaten schlichen geduckt zum Eingang der Höhle. Auf der Hälfte des Weges warfen sie sich zu Boden und auch die noch in den Büschen verbliebenen Soldaten gingen in Deckung, vor dem Eingang der Höhle standen plötzlich zwei Rebellen und eröffneten das Feuer. ,Schüsse!' Ein lautes Knallen grollte aus einiger Entfernung durch den Wald. Sie sprang auf und lief in die Richtung, aus der die Schüsse kamen. Während sie von einem Ast zum nächsten sprang, wurde erneut geschossen. Als sie näher kam, sah sie, daß auch gefochten wurde. Auf einer größeren Lichtung kämpften mehrere Rebellen gegen eine Übermacht an Soldaten, Zorro duellierte sich mit Oberst Jekyll und auch Lieutenant Placid und Sergeant Gonzales waren mit jeweils einem Rebellen beschäftigt. Sie beschloß das Ganze erst einmal zu beobachten, die vergangene Nacht sollte sich ja nicht wiederholen. Der Oberst kämpfte ebenso energisch gegen Zorro, wie er die Nacht zuvor gegen sie gekämpft hatte und jetzt wurde ihr auch klar, woher diese Hartnäckigkeit rührte. Zorro war ein hervorragender Kämpfer! Es machte ihr regelrecht Freude, den beiden zuzusehen. Technisch waren sie sich ebenbürtig, doch Zorro hatte den besseren Stil, er kämpfte eleganter, spielerischer und mit mehr Leichtigkeit, das war sein Vorteil. Vor sehr vielen Jahren hatte sie sich selbst einen ähnlichen Stil angeeignet, ein Freund ihres Vaters hatte sie mehrere Monate unterrichtet, da war sie vierzehn und seitdem hatte sie kaum jemand mehr in einem Duell geschlagen. Je länger sie Zorro zusah, desto mehr hoffte sie, daß sie ihn für ihre Mission gewinnen konnte. Der Gedanke, gegen ihn kämpfen zu müssen, gefiel ihr überhaupt nicht. "NEIN!" Ein lauter Schrei erregte ihre Aufmerksamkeit. Lieutenant Gabriel zerrte eine junge Frau neben sich her und hielt ihr seinen Degen an den Hals. "Ergebt euch oder sie stirbt!" Jetzt war also der Moment gekommen, wo sie eingreifen mußte. Sie zog ihr Pistole, zielte auf seinen Degen und schoß. "Arg" Noch bevor irgend jemand auf die Forderung des Lieutenant reagieren konnte, hatte der seinen Degen fallen lassen, hielt seine rechte Hand und machte ein schmerzverzerrtes Gesicht. "Wer war das?" "Ich war das!" Auf einem Baum stand eine Gestalt, die aussah wie ein zweiter Zorro. Sie sprang herunter, zog ihren Degen und stellte sich dem Lieutenant, dieser hatte seinen Degen inzwischen wieder aufgehoben. "Wer bist Du?" "Nennen sie mich Violetta!" Es war das einzige, was ihr auf die Schnelle einfiel, sie hatte sich noch keinen Namen für ihre Verkleidung überlegt und violetter Zorro konnte sie sich ja schlecht nennen. "Na warte, das wirst Du bereuen!" Das Duell begann. Sie ging es mit Ruhe an, in seiner Wut war der Lieutenant leicht zu durchschauen. Sie parierte seine Angriffe ohne größere Probleme, doch das ließ sie ihn nicht merken, sie wollte erst einmal herausfinden, wie gut er eigentlich war. Ein paar Sekunden später hatte er sich schon wieder so weit gefangen, daß er anfing richtig zu fechten und nicht nur versuchte, wild auf sie einzuschlagen. Er war technisch gar nicht schlecht aber er kämpfte weiterhin zu berechenbar, daß war ihr ganz recht, so konnte sie sich etwas zurückhalten. Oberst Jekyll war immerhin ebenfalls in der Nähe, auch wenn er noch mit Zorro beschäftigt war. Der Kampf dauerte nur kurz, dann überrumpelte sie ihn mit einem schnellen Angriff und hielt sie seinen Degen in der Hand. "So, jetzt drehen wir den Spieß doch mal um. Alles was hier Soldat ist, läßt die Waffen fallen oder der Lieutenant wird aufgespießt!" Es brauchte einige Sekunden, bis die Kämpfe zum erliegen kamen, alle schauten jetzt auf Oberst Jekyll. Nach kurzem Zögern ließ dieser seinen Degen fallen, man konnte ihm jedoch ansehen, daß er innerlich kochte. Die anderen Soldaten folgten seinem Beispiel. "Und jetzt?" Zorro war mit immer noch gezogenem Degen zu "Violetta" herangetreten. "Das wollte ich Dich gerade fragen. Du mußt doch wissen, was Ihr jetzt vorhabt." "Wie bitte?" Ungläubig blinzelte er sie an. Das überraschte ihn jetzt schon, dieses Mädchen maskierte sich, legte sich mit der Armee an und bedrohte Lieutenant Gabriel, ohne zu wissen, was eigentlich los war? "Hey Ricardo, bringt die Familien in Sicherheit, ich bleibe hier und halte die Soldaten in Schach." Er hatte jetzt keine Zeit, sich über dieses seltsame Mädchen zu wundern. Ein paar Minuten später saßen die Soldaten vor dem Felsen und Zorro stand mit gezogener Pistole vor ihnen, die Rebellen flüchteten mit den Familien in die andere Richtung durch den Wald. Die maskierte Unbekannte war geblieben und stand jetzt neben ihm. "Warum bist Du eigentlich hier, wenn nicht gar nicht weißt, was hier eigentlich vorgeht?" "Ich habe gedacht, Du könntest vielleicht etwas Hilfe gebrauchen." "Hm, das ist zwar sehr nett gemeint aber so etwas solltest Du nicht tun, das ist viel zu gefährlich." "Ungefährlich ist es für Dich aber auch nicht und Du mußt zugeben, daß mein Erscheinen für Dich doch recht vorteilhaft war." Sie lächelte ein wenig verschmitzt. "Trotzdem solltest Du jetzt gehen. Ich komme hier auch gut allein zurecht und ich möchte nicht, daß Du weiter hier bleibst und Dich in Gefahr begibst!" Er traute ihr nicht, das spürte sie. Sie wollte ihm gerade widersprechen, da fiel ihr etwas ein. Wenn die meisten Soldaten hier im Wald saßen und Zorro sie bewachte, dann würde in der Garnison nicht all zu viel los sein, sie hätte also Gelegenheit, da weiter zu machen, wo sie am Abend zu vor aufgehört hatte. "Also gut Zorro, aber paß auf Dich auf!" Sie lief zurück ins Unterholz und sprang auf einen Baum, man wußte ja nie. Seitlich vor ihr zeigte ein heller Schein den Waldrand und obwohl das offensichtlich eine andere Richtung war, als die, aus der sie eigentlich gekommen war, folgte sie diesem Weg. Sie sprang wieder von einem Ast zum nächsten, bis sie auf einen traf, der unter ihr wegbrach, einige Aste rissen ihr an Bluse und Perücke und sie landete etwas unsanft in einem Busch. Den Jungen, der keine zwei Meter neben ihr in diesem Busch hockte, bemerkte sie ebensowenig, wie die Tatsache, daß die goldene Kette ihrer Taschenuhr an einem der Äste hängen blieb und abriß, sie sprang nur auf und lief weiter. Bernard kroch aus dem Busch und hob den goldenen Anhänger auf, den die unbekannte Gestalt verloren hatte. Es war ein Medaillon, auf der Forderseite befand sich ein Art Wappen, auf der Rückseite war etwas eingraviert, doch hier im Wald war es zu dunkel, um es entziffern zu können. Er würde es später Diego zeigen, vielleicht konnte der ja etwas damit anfangen. Sie schlich sich an den Soldaten am Waldrand vorbei, lief zu ihrem Pferd und ritt zur Garnison. Auch dort nahm sie wieder den Weg über die Bäume, doch es waren diesmal keine Patrouillen unterwegs. Sie sprang auf die Terrasse und sah sich um. Vor dem Loch auf der anderen Seite der Mauer standen einige Posten, doch sonst war niemand zu sehen, auch auf den Gängen liefen diesmal keine Wachen auf und ab. Sie war trotzdem vorsichtig und schlich leise den Flur entlang. Vor dem Zimmer des Kommandaten blieb sie stehen, man konnte unter der Tür Licht durchscheinen sehen. Sie schaute durchs Schlüsselloch, drinnen sah sie zwei Männer, der eine war etwa Mitte 30, groß, blond und trug eine Offiziersuniform. ,Raymond!' Der Andere war älter, hatte graue Haare und war gut gekleidet, sie schätzte ihn auf Ende 50. Sie lehnt sich vorsichtig gegen die Tür und lauschte: "...wird in den nächsten Tagen ankommen, dann werden Sie mit den Rebellen keine Probleme mehr haben." "Das will ich doch hoffen, es nimmt langsam über Hand." "Haben Sie Angst, daß man Sie dafür verantwortlich machen könnte?" "Ich habe Angst, daß man mich zu früh dafür verantwortlich machen könnte." "Wie meinen Sie das?" "Sie glauben doch wohl nicht, daß ich diese Waffe nur gegen die Rebellen einsetzten werde? Wenn ich sie erst habe, wird sich mir so schnell niemand mehr in den Weg stellen. Was sollte mich also davon abhalten, sie zum Beispiel dafür zu verwenden, dem Generalgouverneur zu verdeutlichen, daß er hier nicht mehr gebraucht wird?" "Wie bitte? Wollen Sie damit etwa sagen, sie wollen..." "Genau das, ich werde mir endlich das nehmen, was mir zusteht." "Stehenbleiben!" Sie hatte im letzten Moment bemerkt, daß ein Wachposten um die Ecke kam, doch es war zu spät, er hatte sie entdeckt und gab Alarm. Raymond riß die Tür zu seinem Büro auf und sah, wie eine Gestalt den Gang hinunter lief. "Zorro!" "Nanu, was ist denn da los?" Lieutenant Placid und die Anderen ritten in die Garnison und sahen, daß eine Menge Soldaten aufgeregt umherliefen. "Zorro ist hier!" Einer der Wachposten am Tor hatte die Worte des Lieutenant gehört. "Da ist er aber verdammt schnell gewesen, bis eben war er doch noch im Wald." "Ich denke nicht, daß es Zorro ist! Gonzales, folgen Sie mir!" Oberst Jekyll drehte sein Pferd und galoppierte um die Garnison herum. Sie war den selben Weg zurückgelaufen, auf dem sie gekommen war, es war ihr niemand begegnet, die Soldaten suchten sie wohl noch in der Garnison. Etwa 10 Meter von ihrem Pferd entfernt sprang sie vom Baum. "Stehengeblieben, diesmal entkommst Du mir nicht!" Oberst Jekyll und Sergeant Gonzales traten mit gezogenem Degen hinter einem Busch hervor und verstellten ihr den Weg. ,Verdammt!' Diesmal würde sie nicht so davon kommen, diesmal mußte sie das Risiko eingehen und richtig gegen ihn kämpfen. Sie zog ihren Degen und stelle sich dem Oberst zum Duell. Er wußte jetzt, daß sie nicht Zorro war, das merkte man, er kämpfte dieses Mal vorsichtiger. Deshalb war er aber nicht weniger gefährlich, im Gegenteil, er kämpfte berechnender. Sie tasteten sich ab, niemand wollte den Fehler machen, den Gegner zu unterschätzen. Dann griff er an, sie parierte und startete ihrerseits einen Angriff. Sie mußte das Tempo erhöhen, ein langsamer Kampf lag ihr nicht, dem Oberst dafür um so mehr. Sie startete mehrer schnelle Attacken, doch er parierte sie alle. Das würde ein hartes Stück Arbeit werden. "Hey Bernard, aufwachen!" "Diego? Was ist denn los?" Er hatte sich wieder unter den Busch gesetzt und mußte da wohl eingenickt sein. "Die Familien sind in Sicherheit und die Soldaten sind weg, wir können nach Hause." Er rappelte sich auf und folgte Diego durch den Wald. Sie kletterten auf ihre Pferde und ritten los. "Du Diego, das wirst Du mir wahrscheinlich nicht glauben, aber vorhin ist jemand in den Busch neben mir gefallen, der sah aus wie ein zweiter Zorro!" "Was sagst Du da?" Er dachte sofort an das seltsame Mädchen, das ihnen beim Kampf mit der Armee geholfen hatte. "Ja und er hat etwas verloren." Er reichte Diego den Anhänger. "Auf der Rückseite ist etwas eingraviert." Diego hielt ihn so, daß er die Inschrift im Mondlicht lesen konnte. " 'Meiner lieben Tochter zu ihrem fünfzehnten Geburtstag. José' Weißt Du, was das ist? Das ist eine Uhr!" "Eine Uhr? So eine kleine Uhr hab ich noch nie gesehen." "Das ist eine Taschenuhr, so etwas ist ziemlich teuer." Diego klappte sie auf. Auf der Rückseite des Deckels befand sich ein Portrait, doch richtig erkennen konnte er es nicht, dafür war es dann doch zu dunkel. "Vorn ist ein Wappen oder so etwas drauf." "Wirklich?" Diego klappte die Uhr wieder zu. Tatsächlich war auf der Vorderseite ein Wappen eingraviert, doch auch das konnte er in der Dunkelheit nicht richtig erkennen. Er steckte sie ein, zu Hause bei Licht würde er sie sich noch einmal genauer ansehen. Sie fochten zwar noch nicht sehr lang, doch sie hielt sich trotzdem nicht mehr zurück, der Oberst war einfach zu gut und je länger der Kampf dauerte, desto wahrscheinlicher wurde es, daß auch andere Soldaten darauf aufmerksam würden. Sie mußte ihn mit ihrem nächsten Angriff besiegen, dabei setzte sie ganz auf Tempo und Leichtigkeit, mit einem schnellen Wechsel von Attacken und Finten brachte sie den Oberst aus dem Konzept. Sie wollte ihm ihren Rhythmus aufzwingen und widererwarten gelang ihr das gleich beim ersten Versuch. Sie setzte energisch nach und überrumpelte ihn, es gelang ihm nicht mehr ihre letzte Attacke abzuwehren und sein Degen landete irgendwo in den Büschen. Sie hielt dem Oberst ihren Degen entgegen und schaute zu ihrem Pferd. Dort stand Sergeant Gonzales und schaute sie irritiert an. Sie drehte sich um und ging auf ihn zu, da wich die Verunsicherung in seinem Gesicht plötzlich Entschlossenheit, sie würde also auch gegen ihn kämpfen müssen. Er stieß einen Schrei aus und stützte auf sie los, das war sein Fehler. Sie wich ihm aus, stellte ihm ein Bein und schlug ihn nieder, dann lief sie zu ihrem Pferd, sprang auf und ritt davon. Am Horizont konnte man schon einen leichten hellen Schein erkennen, wie spät es wohl sein würde? Sie suchte nach ihrer Taschenuhr, doch sie konnte sie nicht finden. ,Nein, nicht das auch noch!' Sie hatte sie verloren. Das ärgerte sie mehr als alles andere, die Uhr war schließlich ein Geschenk ihres verstorbenen Vaters. Während sie darüber nachdachte, wo das wohl passiert sein konnte, fiel ihr noch etwas anderes ein. Was wenn sie die Uhr beim Duell mit dem Oberst verloren hatte? Panik stieg in ihr hoch. Auf der Uhr war ihr Familienwappen, wenn es irgend jemand erkennen würde, dann wäre sie enttarnt! Kapitel 5: Endlich Beweise? --------------------------- Sie betrat die Geheimkammer und zog sich um, dieses Mal wartete Antonio nicht auf sie. Sie ging in ihr Zimmer und sah auf die Wanduhr, es war bereits 5 Uhr, da lohnte es sich nicht mehr zu Bett zu gehen. Sie würde sich lieber noch einmal die Akten vornehmen. Der Mann in Raymonds Büro war bestimmt Senior Capital, er hatte Raymond irgendeine Waffe besorgt, mit der er die Rebellen bekämpfen wollte, nur was konnte das sein? Sie würde sich intensiv mit den Gütern beschäftigen müssen, die die Handelsgesellschaft im- beziehungsweise exportierte, das waren über 200 Seiten und bis jetzt hatte sie es nicht für nötig gehalten, diese durchzulesen, doch nun kam sie nicht mehr drum herum. Gute zwei Stunden später klopfte es an der Tür. "Isabella, bist Du schon auf?" "Ja, komm ruhig rein Antonio." Er nahm sich einen Stuhl und setzte sich zu ihr an den Schreibtisch. "Warst du diese Nacht erfolgreicher?" "Das kann man so sagen, ich hatte Gelegenheit Raymond und Capital zu belauschen." "Ich dachte, Du wolltest in den Wald und den Bauernfamilien helfen?" "Da war ich auch, allerdings kam Zorro sehr gut allein zurecht und da die meisten Soldaten dort mit ihm beschäftigt waren, bin ich in die Garnison. Antonio, ich habe einige beunruhigende Sachen in Erfahrung gebracht." "Darf ich fragen was?" "Capital hat Raymond irgendeine Waffe besorgt, die in den nächsten Tagen hier eintreffen soll. Er will damit die Rebellen bekämpfen und wenn ich seine Aussage richtig deute, plant er mit dieser Waffe sogar einen Putsch, deshalb sitze ich jetzt auch hier über den Akten. Hast Du gewußt, daß die Südindische Handelsgesellschaft eine komplette Armee ausstatten könnte? Sie handeln mit so ziemlich allem was tödlich ist, Degen, Gewehre, Munition, Pulver, Waffen aus dem fernen Osten, ja selbst Katapulte und Kanonen kann man kaufen!" "Das ist mir bekannt, allerdings müssen sie bei schweren Waffen, Schießpulver oder größeren Mengen eine Verkaufserlaubnis vom König einholen." "Sie müßten es, das ist richtig. Man kann diese Regel allerdings ganz leicht umgehen, in dem man die Waffen direkt aus dem Ausland in die Kolonien importiert. Sieh Dir das an, hier ist aufgelistet, wo welche Waffen hergestellt werden. Nehmen wir zum Beispiel eine Kanone aus Frankreich, die wird in Nantes verladen, das Schiff müßte jetzt eigentlich nach Spanien, um die Kanone anzumelden. Wenn sie aber in den Ladepapieren nicht auftaucht und das Schiff nur Proviant aufnimmt, um in die Kolonien weiterzufahren, wird es in Spanien kaum jemand kontrollieren und vier Monate später geht die Kanone in San Tasco an Land, ohne das in Spanien irgendwer etwas davon gemerkt hat!" "So habe ich das überhaupt noch nicht gesehen." "Das kann man mit so ziemlich jeder Waffe auf die gleiche Weise machen, Gewehre aus Holland, Degen aus Italien und so fort, so lange das Schiff in Spanien nicht be- oder entladen wird, wird dort auch niemand einen Blick in den Laderaum werfen. Von der Munition und dem Schießpulver wollen wir mal gar nicht erst reden, das können sie direkt aus Argentinien hier her bringen ohne das es jemand merkt." "Und Du meinst, es geht um eine Kanone?" "Ich halte es für sehr wahrscheinlich." "Hm, das setzt uns ziemlich unter Druck, wenn er die Waffe in seinem Besitz hat, hätten wir zwar Beweise, doch das nützt uns dann vielleicht nichts mehr, wenn wir ihn dann nicht mehr unschädlich machen können." Antonio stand auf und schaute nachdenklich aus dem Fenster, draußen war es inzwischen hell, doch ein leichter Dunstschleier streifte über die Wiesen. "Ich weiß, ich möchte Oberst de Cantella trotzdem noch nicht holen, ich will erst die Beweise. Wir können uns dann immer noch überlegen, wie wir die Sache zu Ende bringen." "Dann sollten wir Felipe aber trotzdem schon einmal zu ihm schicken, damit er darauf vorbereitet ist, daß sie hier eventuell mit schweren Waffen Widerstand leisten." "Ich denke nicht, daß das nötig ist, den Oberst können darüber auch noch informieren, wenn wir ihn anfordern und Felipe ist mir hier lieber. Falls man uns enttarnt, würde alles an ihm hängen." "Warum sollten wir denn enttarnt werden? Was ist passiert?" Antonio bemerkte erst jetzt, daß Isabella leicht nervös war. "Ich habe letzte Nacht meine Taschenuhr verloren und falls irgend jemand das Wappen erkennt, würde meine Identität auffliegen." Etwa drei Stunden später saßen Diego und Bernard gemeinsam beim Frühstück. Bernard gähnte, Diego konnte es ihm nicht verübeln, sie hatten in den letzten Tagen viel zu wenig Schlaf bekommen. "Du Diego, was ist jetzt eigentlich mit dieser Uhr?" "Die Uhr." Er hatte sie ganz vergessen, schließlich war er auch etwas übermüdet. Diego griff in seine Tasche, holte sie hervor und klappte sie auf. Das Portrait zeigte einen Mann von Ende 40, er trug eine Jacke mit einem goldbesetzten Kragen und machte einen mehr als vornehmen Eindruck. Er konnte sich erinnern, in Spanien hatte er öfters solche Herren gesehen, sie waren eigentlich immer entweder von Adel oder Offiziere der königlichen Garde, letztere waren im allgemeinen beides. Er klappte die Uhr wieder zu und betrachtete das Wappen. "Hm" "Was ist? Kennst Du das Wappen?" Bernard war von seinem Platz aufgesprungen und schaute es sich ebenfalls an. "Nicht wirklich." Er sagte das in erster Linie, um Bernard nicht zu beunruhigen, er wollte sich seiner Entdeckung erst einmal selbst gänzlich bewußt werden. Er kannte das Wappen zwar tatsächlich nicht, doch ihm war da etwas anderes aufgefallen. Das Wappen enthielt ein Symbol, das ihm aus einem Anderen wohl bekannt war. "Was meinst Du mit ,Nicht wirklich', kennst Du es nun oder nicht?" "Sieh es Dir einmal genau an Bernard, fällt Dir etwas auf?" "Hm" Er starrte auf das Wappen, doch etwas besonderes konnte er nicht erkennen. "Sieh Dir mal dieses Symbol an." Diego zeigte auf das Bild eines roten Löwen mit einer Krone. "Kommt Dir das irgendwie bekannt vor?" "Ah, das ist doch... Diego, das Symbol ist auch im Wappen des spanischen Königs!" "Ganz genau." "Und was hat das zu bedeuten?" "Das bedeutet, daß die Besitzerin dieser Uhr höchst wahrscheinlich mit der spanischen Königsfamilie verwandt ist!" "Mit der Königsfamilie? Aber..." Weiter kam er nicht, denn im selben Moment trat Maria ins Zimmer und Diego ließ die Uhr wieder unauffällig in seiner Tasche verschwinden. Bernard schaute mißmutig zu ihm hinüber, er hätte zu gern noch mehr über das Wappen erfahren. "Ihr schafft es aber auch nie mal früher aus dem Bett, was?" "Maria, was bist Du denn so sauer?" "Was für ein Tag ist heute?" "Dienstag?" "Ganz genau und was solltet ihr heute machen?" "In die Stadt fahren und einkaufen! Es tut uns Leid Maria, wir fahren sofort los." Isabella saß neben Felipe auf der Kutsche und hielt ihren weißen Sonnenschirm in der Hand. Sie hatte sich etwas herausgeputzt, zu ihrem hellvioletten, halblangen Kleid trug sie weiße geschnürte Stiefel. Dafür war es zwar eigentlich viel zu warm, doch der Schirm sollte schließlich nicht auffallen, da mußte das Gesamtbild stimmen. Sie waren auf dem Weg zum Hafen, sie wollte versuchen etwas über das Schiff in Erfahrung bringen, daß die Waffe des Kommandanten nach San Tasco bringen sollte. Wenn sie wüßte, welches der Schiffe der südindischen Handelsgesellschaft in den nächsten Tagen hier ankommt, könnte sie sich besser vorbereiten. Vielleicht konnte man mit Hilfe der Strecke, auf der dieses Schiff unterwegs war, sogar herausfinden, was genau da ankommen sollte. Felipe lenkte den Wagen durch die Stadt zum Pier, vor dem Büro des Hafenmeisters blieb er stehen und Isabella stieg ab. Die geduckten Gestalten, die neben der Tür auf einer Bank saßen, fielen ihr sofort auf. Raymond und Capital gingen also davon aus, daß sich der Spion der vergangenen Nacht über die Schiffe schlau machen würde, sollten sie sie ruhig belauschen, sie hatte ein gutes Alibi. Sie klappte ihren Schirm zusammen und betrat das stickige Zimmer. Einige Leute standen vor ihr in einer Schlange und einige warteten auf den Bänken an der Seite, die Kapitäne wollten ihre Schiffe an oder abmelden. Auf einer der Bänke hing ebenfalls ein Mann zusammengekauert in der Ecke, sie beachtete ihn nicht weiter und reihte sich in der Schlange ein. "Guten Morgen Seniorita, was kann ich für sie tun?" Der alte, bärtige Mann hinter dem Tresen sprach sie an, ohne von seinen Papieren aufzusehen. Sie hatte ungefähr zehn Minuten warten müssen. "Guten Morgen, mein Name ist Isabella de Valdez und ich wollte fragen, ob sie schon Informationen haben, wann die ,Maravilla' hier eintrifft?" "Einen Augenblick." Er stand auf und ging gemütlich zu einem Schank an der Rückseite des Zimmers. Währenddessen schaute sie unauffällig auf die Liste, die auf dem Schreibtisch des alten Seebären lag. In den nächsten Tagen würden sieben Schiffe hier ankommen, die Namen konnte sie sich leicht merken. "Sie kommt in etwa zwei Wochen hier an." Der bärtige Alte stand vor dem Schrank und murmelte es mehr vor sich hin, als daß er es ihr sagte. "Ich danke ihnen vielmals. Auf Wiedersehen." Sie trat aus dem Büro hinaus, ging zu ihrer Kutsche und stieg auf, im Augenwinkel sah sie, wie die Gestalt aus dem Büro ihr folgte. "Und wo fahren wir jetzt hin?" "Zum Markt, Louisa hat mir noch eine Einkaufsliste mitgegeben." "Haben wir jetzt bald alles?" Bernard zog den großen Einkaufskorb mehr hinter sich her, als daß er ihn trug. "Ich denke schon, wir brauchen bloß noch Obst und Gemüse." Diego fuhr mit seinem Finger die Einkaufsliste ab. "Hey Diego, sieh mal da drüben." Bernard deutete zu einem Brotstand, an dem sich Isabella gerade einen Leib in ihren Einkaufskorb legen ließ, Felipe stand etwas gelangweilt daneben. "Guten Morgen Isabella." "Hallo Diego, mit ,Guten Morgen' bist Du aber etwas sehr optimistisch." "Wie meinen Sie denn das?" "Nun ja für die meisten Menschen ist es jetzt eigentlich schon Mittag." Wie zur Bestätigung ihrer Worte schlugen die Kirchenglocken im selben Moment 12 Uhr. Diego lief über das ganze Gesicht rot an und kratzte sich verlegen am Hinterkopf, Isabella mußte lachen. "Ist ja nicht so schlimm, jeder hat schon mal das Zeitgefühl verloren. Seit ihr auch zum einkaufen hier?" Sie wollte dem armen Diego aus seiner peinlichen Situation heraushelfen. "Ja und wir haben auch schon fast alles. Aber wie kommt es, daß Sie hier selbst einkaufen? Ist das nicht etwas unüblich für eine Gräfin?" "Unüblich ist es vielleicht schon aber praktisch, wir waren sowieso in der Stadt und da konnten wir die paar Sachen auch gleich mitbringen. Ach kennst Du hier zufällig ein gutes Gasthaus, in dem wir zu Mittag essen könnten?" "Bei Juan kann man gut essen, da müssen sie dort die Straße hinunter und dann... , ach wissen Sie was, wir kommen gleich mit, etwas Hunger hab ich nämlich auch und den Rest können wir auch nachher noch besorgen." Diego nahm Bernard den schweren Korb ab und führte Isabella und Felipe zum Gasthaus. Er bemerkte dabei, wie ihnen ein Mann folgte. Der trug einen grauen Mantel und versteckte sein Gesicht unter einem schwarzen Hut, er erkannte ihn trotzdem, es war einer der Schläger der Südindischen Handelsgesellschaft. Was der wohl von ihnen wollte? "Da vorn ist es." Isabella folgte Diegos Blick quer über den staubig-sandigen Platz. Es war ein weißgetünchtes zweistöckiges Haus, die zweite Etage ruhte auf einem Säulengang, darunter im Schatten standen einige Tische an denen Leute zu Mittag aßen, Wein tranken oder Karten spielten, auch einige Soldaten machten dort Pause. "Diego, sieh mal, das ist doch Gonzales." Der Sergeant saß an einem der Tische und schaufelte einen Teller Suppe in sich hinein, um seinen Kopf hatte er einen Verband. "Hallo Gonzales, was ist denn mit ihnen passiert?" "Oh, hallo Diego, Guten Tag Seniorita. Das mit dem Kopf, das ist letzte Nacht passiert, eine unangenehme Geschichte." Die letzten Worte verschluckte er halb mit dem nächsten Löffel Suppe. Sie nahmen allesamt bei Gonzales Platz und bestellen sich ihrerseits etwas. Der unheimliche Mann mit dem grauen Mantel setzte sich an einen der Nachbartische. "Ich wurde letzte Nacht von Zorros Doppelgänger niedergeschlagen, ich kann immer noch nicht glauben, daß das ein Mädchen war, so wie mir der Schädel brummt." "Zorros Doppelgängerin?" "Wir wollten gestern im Wald die Rebellen verhaften, doch da ist uns erst Zorro dazwischen gekommen und dann kam dieses Mädchen. Sie hat Lieutenant Gabriel den Degen aus der Hand geschossen und ihn dann im Duell besiegt und als Zorro uns dann endlich laufen ließ, da war sie in der Garnison. Die haben dort gedacht, sie wäre Zorro, doch Oberst Jekyll war der Meinung, daß es das Mädchen aus dem Wald war, diese Violetta." Der Sergeant nahm einen neuen Löffel Suppe und sprach mit vollem Mund weiter. "Sie hat den Oberst dann ebenfalls im Duell besiegt und mir hat sie eins übergezogen." Gonzales faßte sich vorsichtig an seinen Hinterkopf. "Der Kommandant glaub allerdings immer noch, daß der Eindringling in der Nacht Zorro war." Diego hörte dem sehr aufmerksam zu. Er fragte sich schon die ganze Zeit, wer dieses Mädchen wohl war und was sie hier wollte. "Und was führt Euch in die Stadt?" Gonzales kratze die letzten Reste aus seinem Teller. "Wir waren einkaufen und auf dem Markt haben wir Isabella getroffen." "Sie kaufen selbst ein, Gräfin?" Sie lächelte etwas verlegen. "Ja, aber ich versteh immer noch nicht, was daran so besonders ist. Wir waren am Hafen, ich wollte wissen, wann meine Weinstöcke hier ankommen. Wir müssen schließlich noch einiges vorbereiten, bevor wir anpflanzen können und da bot es sich an, die Besorgungen gleich mit zu erledigen." "Ach richtig, ihr Weinberg. Wann geht es denn los?" Diego hatte seine Gedanken erst einmal beiseite gelegt, zu Hause würde er mehr Ruhe haben um über die Ereignisse nachzudenken. "Das Schiff kommt in zwei Wochen hier an, dann werden wir die ersten Rebstöcke pflanzen." Während sie sich unterhielten setzte sich eine zweite Gestalt zu dem Mann im grauen Mantel und flüsterte kurz mit ihm, einen Augeblick später gingen beide fort. Sie hatten vermutlich ihre Geschichte überprüft und hielten sie für glaubhaft. Ein paar Minuten später wurde das Essen serviert. Obwohl sie unter den Säulen im Schatten saßen, wurde es immer wärmer, die Sonne brannte auf den Platz vor der Taverne und der strahlte die Hitze auch auf die letzten schattigen Ecken. Es war bald so unerträglich, daß Isabella sich insgeheim dafür verfluchte, die Stiefel angezogen zu haben. Die Soldaten an den Nachbartischen hielten allerdings selbst diese mörderischen Temperaturen nicht davon ab, becherweiße Wein in sich hineinzuschütten, sie wurden immer lauter und es war nicht zu übersehen, daß einige inzwischen ziemlich betrunken waren. Sie entdeckten ein junges Mädchen, daß etwa 30 Meter von der Taverne entfernt einen Blumenstand betreute, sie mochte vielleicht sechzehn, siebzehn Jahre alt gewesen sein. Die obszönen Kommentare der betrunkenen Soldaten wurden von den anwesenden Gästen überhört, jedenfalls mischte sich niemand ein, auch nicht als einer der Soldaten zu ihr ging und sie bedrängte. Erst als das Mädchen einen schrillen Schrei ausstieß, richteten die Leute ihre Aufmerksamkeit auf die Szenerie. Fassungslos erkannte Isabella, daß auf dem ganzen Platz dennoch niemand bereit war, der Kleinen zu helfen. "Diego, Gonzales, warum hilft ihr denn keiner?" "Es tut mir ja sehr Leid, Seniorita, aber was soll ich machen." Diego antwortete nichts, er schaute nur wütend zu den Soldaten und ballte die Fäuste. "Aber man muß ihr doch irgendwie helfen!" Sie hatte den Satz kaum zu Ende gesprochen, da stürzte Felipe auf den Soldaten los. "Felipe, um Gottes Willen, komm zurück!" Daß er dem Mädchen helfen sollte, hatte sie nicht gemeint. "Na warte, Du Schwein!" Er warf sich mit ganzer Kraft gegen den Soldaten und sie gingen gemeinsam zu Boden. Isabella seufzte. So etwas hatte sie befürchtet, Felipe war halt einfach noch zu ungestüm. Der Soldat hatte sich zu erst aufgerappelt und traf Felipe mit einem Faustschlag ins Gesicht, der taumelte zurück und wischte sich das Blut vom Mund. Sie standen sich jetzt lauernd gegenüber. "Sergeant, ihrer Degen." Einer der Soldaten reichte dem Getroffenen die Waffe, Isabella stockte der Atem. Unauffällig entfernte sie die Sicherung an ihrem Sonnenschirm, und ebenso unauffällig zog langsam ihren Degen. ,Ach Felipe, warum tust Du mir das an.' "Den brauch ich nicht, mit der halben Portion werde ich auch so fertig." Es lief also auf einen Faustkampf hinaus. Vorsichtig schob sie ihren Degen wieder komplett zurück in die Scheide, allerdings sicherte sie ihn nicht. Felipe wirkte regelrecht verloren auf dem Platz, der Sergeant war im Vergleich zu ihm ein regelrechter Hüne, er überragte Felipe um fast zwei Köpfe und war doppelt so breit. Sie machte sich dennoch keine Sorgen um ihn, er war schnell, hatte eine gute Technik und sein Gegner war betrunken. Außerdem mußte er lernen, die Konsequenzen für sein Handeln selbst zu tragen. Der Sergeant machte den ersten Schritt, er holte aus und ließ seine Faust in Richtung des Jungen krachen, der wich ihm geschickt aus und trat ihm statt dessen sein Knie in die Magengrube. Der Sergeant keuchte, mit einem solchen Schlag hatte er nicht gerechnet. Felipe nutzte dieses Anzeichen von Schwäche und schlug ihm mit verschränkten Händen so fest er nur konnte ins Gesicht. Der Sergeant taumelte zurück und landete unsanft auf dem staubigen Boden. "Na warte Du kleiner Bastard, Dich mach ich fertig! Gebt mir meinen Degen!" "Verdammt." Isabellas anfänglicher Optimismus wich von einer Sekunde auf die Andere der puren Verzweiflung. Widerwillig griff sie erneut zu ihrem Degen. Sie schaute sich um, es mußte doch noch eine andere Möglichkeit geben ihm zu helfen, eine, die sie nicht selbst enttarnen würde. Ihr Blick fiel auf den Degen von Sergeant Gonzales. Sie lächelte, das war die Lösung! "Mein armer Felipe!" Sie spielte die verzweifelte Dame und warf sich Gonzales um den Hals. Der war darüber so überrascht, daß er gar nicht bemerkte, wie sie ihm blitzschnell den Degen stahl. "Felipe, fang auf!" Sie warf ihm den Degen zu, er fing und stelle sich dem Sergeant zum Duell. "Seniorita, das können Sie doch nicht machen!" Gonzales war über die Blitzaktion regelrecht schockiert. "Es tut mir Leid Sergeant, aber das ging nicht anderes." Der andere Sergeant schaute derweil grimmig zu Felipe. "Der Degen wird Dir auch nichts nützen, Du zögerst es nur hinaus!" Der Kampf begann und er verlief erneut nicht im Interesse des Sergeants, Felipe war schnell und treffsicher, er gab alles und lies den Sergeant aussehen, wie einen Anfänger. "Nein!" Isabella traute ihren Augen nicht, wie konnte der Junge nur so dumm sein, konnte er sich nicht ein wenig zurückhalten? Er hatte das Fechten von seinem Großvater und während der Reise von ihr gelernt, sie hatten also in etwa den selben Stil. Diego hatte Isabellas geflüstertes ,Nein' gehört und sah nun, wie Felipe förmlich mit dem Sergeant spielte, er kämpfte leicht und schnell, fast wie ein Schmetterling und dieser Stil kam ihm bekannt vor, er hatte ihn schon einmal irgendwo gesehen. Felipe hatte unterdessen sein Glück etwas zu sehr herausgefordert. Anstatt die Gelegenheiten, die sich ihm boten, zu nutzen und den Sergeant zu entwaffnen, hatte Felipe das Duell zu einem Spiel werden lassen. Jetzt verließen ihn langsam die Kräfte und der Sergeant gewann mehr und mehr die Oberhand. Verbissen kämpften die mittlerweile gleichstarken Gegner miteinander, da schreckte ein Schuß Duellanten und Zuschauer auf. Isabella drehte sich um. Auf einem Pferd saß ein Offizier, den sie bisher nur vom Sehen und aus ihren Akten kannte. ,Raymond!' Neben ihm ritten Lieutenant Placid und Lieutenant Gabriel, das bedeutete eine Menge Ärger. "Was ist hier los?" Der Kommandant schaute den kämpfenden Sergeant an und als der keine Antwort gab, wanderte sein Blick weiter zu Sergeant Gonzales, der zuckte zusammen. "Ja Kommandant wissen sie, das war so, äh,..." "Ihre betrunkenen Soldaten haben die Seniorita dort belästig und mein Stallbursche sah sich daraufhin genötigt, deren Ehre zu verteidigen!" Isabella hatte beschlossen, in die Offensive zu gehen und hoffte, daß sie so das Schlimmste verhindern konnte. "Ihr Stallbursche? Darf ich fragen, wer sie sind?" Raymond musterte sie mißtrauisch. "Mein Name ist Isabella de Valdez, ich bin die Nichte des Grafen Fernando de Valdez." "Sie sind also die Gräfin, von der alle sprechen." Raymond wandte sich wieder an Sergeant Gonzales. "Ist das wahr, was sie sagt?" "Nun..., wie soll ich sagen..., also so im Großen und Ganzen..., ja." Gonzales duckte sich leicht, so als erwartete er ein Donnerwetter. "Lieutenant Placid, sie führen die Soldaten zurück in die Garnison. Ich betrachte die Angelegenheit damit als erledigt, oder haben Sie noch irgendein Anliegen, Seniorita?" Raymond schaute mit einem herausfordernden Blick zu Isabella, er wollte wohl wissen, wie aufsässig sie wirklich war. "Ich habe kein Anliegen, bitte verzeihen Sie die Unannehmlichkeiten." Sie machte einen leichten Knicks. Hoffentlich war sie nicht übers Ziel hinausgeschossen, sie konnte es sich nicht leisten, Mißtrauen zu erregen. Raymond und Gabriel ritten jedoch unbeirrt weiter, während Lieutenant Placid den Befehl zum Aufbruch gab, sie hatten wohl alle noch einmal Glück gehabt. "Wieso lassen Sie ihr das so einfach durchgehen, Kommandant?" Gabriel schaute etwas irritiert zum Platz zurück. Er mochte Isabella nicht und es ärgerte ihn, daß er die Gelegenheit nicht nutzen konnte, um ihr die Demütigung bei der Durchsuchung heimzuzahlen. "Sie ist eine Adelige, wenn wir uns mit ihr anlegen, beschwert sie sich womöglich beim Generalgouverneur und den kann ich hier in nächster Zeit nicht gebrauchen. Außerdem ist sie keine Rebellin, soweit ich gehört habe, ist sie mit Oberst Jekyll befreundet." "Das Eine schließt das Andere ja nicht aus, wenn Sie verstehen." "Lieutenant, sie werden sich von der Gräfin fern halten, das ist ein Befehl!" ,Verdammte Aristokraten!' Gabriel kochte vor Wut, doch er ließ es sich nicht anmerken. Felipe hatte unterdessen den Degen fallen lassen und lief freudestrahlend zu Isabella. "Hey Isabella, hast Du das gesehen? Ich war...." Fatsch Den letzten Satz konnte er nicht zu Ende sprechen, denn er hatte sich von Isabella eine saftige Ohrfeige eingefangen. "Hast Du gänzlich den Verstand verloren? Was um alles in der Welt sollte das werden?" "Aber ich wollte doch nur..." "Kein aber, sollte ich Dich jemals wieder auch nur in der Nähe von irgendwelchen Duellen oder Schlägereien antreffen, dann fährst Du mit dem nächsten Schiff zurück nach Spanien, ist das klar!" "J...Ja" Felipe war überrascht und gab sich kleinlaut, seine Begeisterung war mit einem Mal verflogen. Isabella hatte ihn vor den Augen der ganzen Stadt zurechtgewiesen und so langsam dämmerte ihm auch, was er da beinahe angerichtet hätte. Isabella entschuldigte sich bei Lieutenant Placid und Sergeant Gonzales, verabschiedete sich von Diego und Bernard und machte sich mit Felipe auf den Heimweg. Zu Hause machte sie sich wieder an ihre eigentliche Arbeit, sie verglich die Namen der Schiffe, die im Laufe der Woche ankommen sollten, mit der Liste, auf der die Route jedes einzelnen Handelsschiffes verzeichnet war. Antonio kam etwas später zu ihr, er hatte seinem Enkel ebenfalls noch einmal ins Gewissen geredet. "Es tut mir Leid Isabella, ich habe wirklich gedacht, er wäre schon reifer." "Es ist ja nicht Deine Schuld Antonio, aber er muß endlich lernen, daß er mit seinem übermütigen Verhalten die gesamte Mission und unser aller Leben in Gefahr bringt und was noch wichtiger ist, er muß lernen, Befehle zu befolgen. Wenn ich zu ihm sage, er soll zurückkommen, dann ist das ein Befehl, auch wenn ich dabei keine Uniform trage. Bitte mach ihm klar, wie knapp das heute war und daß er beim nächsten Mal keine zweite Chance bekommen wird." "Das werde ich tun, sei unbesorgt." "Nun gut, kommen wir mal wieder zu den anderen Erkenntnissen des heutigen Tages zurück." Sie nahm die Liste vom Schreibtisch und reichte sie ihm. "Ich denke, ich habe das betreffende Schiff gefunden, die ,Santa Anna' soll am Donnerstag hier eintreffen und befährt folgende Route: Barcelona, Nantes, Jerez de la Frontera, Puerto de la Luz, Callao, San Tasco, Los Angelos und zurück. Ich bin der Meinung, das ist unser Schiff." "Hm, damit steht dann allerdings auch endgültig fest, daß sie tatsächlich eine Kanone hierher bringen. Wir haben also noch anderthalb Tage Zeit, um Beweise zu finden und sie vorher festzunehmen. Das dürfte uns kaum gelingen, zumal es Oberst de Cantella niemals rechtzeitig hierher schaffen würde. Wir werden die Dinge auf uns zukommen lassen müssen." "Das gefällt Dir nicht." "Wie sollte es auch? Raymond ist uns in nicht einmal zwei Tagen technisch vollkommen überlegen und wir können nichts dagegen tun." "Also ich finde die Entwicklung gar nicht so verkehrt." Isabella packte die Akten wieder zusammen und versteckte sie im Geheimfach. "Wenn die Kanone in seinen Händen ist, haben wir die Beweise, wir können dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit zugreifen und er muß ja erst einmal mit den Rebellen fertig werden, bevor er einen Putschversuch wagen kann, wir haben also durchaus noch genügend Zeit." "Du hörst Dich an, als hättest Du einen Plan." "Ich habe einen Plan, allerdings braucht der noch etwas Vorbereitung und ein paar Gewißheiten." Kapitel 6: Fragen über Fragen ----------------------------- Es war inzwischen 18 Uhr und Isabella hatte sich zu einem abendlichen Ausritt aufgemacht. Sie wollte sich noch einmal in aller Ruhe alles durch den Kopf gehen lassen, das konnte sie am besten, wenn ihr der Wind um die Nase wehte. Sie war die Straße zur Stadt entlang geritten, bog nun aber ab in Richtung Küste. Der Weg führte einige Hügel hinauf und auf der anderen Seite die Dünen wieder hinunter. Vor ihr lag der Strand. Er war einige Kilometer lang und wurde zu beiden Seiten von hohen Klippen begrenzt. Es war ein sehr breiter, flach abfallender Sandstrand, ein leichter Wind blies und die Wellen schäumten sanft an Land. Die Sonne stand flach über dem Horizont, sie würde innerhalb der nächsten Stunde im Pazifik versinken. Diese Szenerie erinnerte sie sehr an ihre andalusische Heimat, auch hier gab es kilometerlange Sandstrände und den Sonnenuntergang im Meer. Trueno trabte gemächlich durch die Brandung und Isabella hatte Gelegenheit in Ruhe über alles nachzudenken. Sie hatte Antonio angelogen, einen Plan hatte sie nicht, zumindest keinen, den er akzeptieren würde, es war vielmehr eine Idee. Sie wollte versuchen, Zorro für ihre Mission zu gewinnen. Raymond hatte vor, mit den Kanonen gegen die Rebellen kämpfen, diese mußten also ebenfalls ein Interesse daran haben, ihm die Kanonen wieder abzunehmen. Sie hoffte, daß die Rebellen stark genug waren, ihn zumindest so lange in Schach zu halten, bis Oberst de Cantella hier war. Allerdings mußte sie auch damit rechnen, daß sich die Rebellen dann doch gegen sie stellen würden. Antonio hatte recht, sie zur Vorsicht zu mahnen, was die Armee betraf. Sie mußte davon ausgehen, daß Oberst Jekyll vielleicht nicht mehr der loyale Offizier war, den sie vor fast zehn Jahren auf der Akademie kennengelernt hatte. Dennoch war er gewiß nicht so dumm, gegen die königliche Garde zu kämpfen, zumindest da war sie sich sicher. Womöglich stellten sich dann doch einige Offiziere und Soldaten gegen die Verschwörer und sie könnten den Putsch so ohne Blutvergießen niederschlagen, sie hoffte es sehr. Letzten Endes hatte sie den Plan, es zu versuchen. Antonio würde allerdings Gewißheiten wollen, die hatte sie nicht zu bieten. Sie mußte irgendwie versuchen Zorro für sich zu gewinnen ohne ihn einzuweihen, keine einfache Aufgabe. Was, wenn er bemerkte, was gespielt wird? Was wenn er dann nicht bereit wäre, für den König zu kämpfen? Sie seufzte. Es ergab sich ja auch noch ein grundsätzliches Problem, wie sollte sie die Rebellen finden oder gar Zorro? Und selbst wenn ihr das gelänge, wie sollte sie sie überzeugen, ohne sich zu verraten? Sie konnte es drehen, wie sie wollte, wenn sie in San Tasco keine Verbündeten fand, stand ihre Mission auf der Kippe. Sie würden den Putsch auf jeden Fall niederschlagen, doch zu welchem Preis? Diese Gedanken quälten sie, sie mußte sie irgendwie aus ihrem Kopf vertreiben. Sie gab die Zügel frei und Trueno preschte durch die Brandung. Das Wasser peitschte unter seinen Hufen hoch und ihr Kleid durchnäßte immer mehr, doch das bewerkte sie nicht. Sie brauchten etwa zehn Minuten, bis sie die Felsen an der anderen Seite des Strandes erreichten. Sie bremste Trueno ab und lenkte ihn auf einem schmalen Pfad die Klippen hinauf. Von hier oben bot sich ihr ein atemberaubender Ausblick. Etwa zwei Kilometer vor ihr lag San Tasco, sie konnte den Hafen erkennen. Er lag in einer natürlichen Bucht, die von der Mole zusätzlichen Schutz erhielt. Die Klippen waren der perfekte Platz um die Geschehnisse am Pier zu beobachten, das erkannte sie sofort. Sie würde sich am Donnerstag hier auf die Lauer legen und das Entladen der Kanonen beobachten, etwas anderes konnte sie sowieso nicht tun. Ihr Blick wanderte weiter. Hinter den Hafengebäuden begann die Stadt, die Abendsonne ließ die weiß getünchten Häuser orange-rot erstrahlen. Weiter im Osten lagen die grünen Wiesen und gelben Felder, die sie schon bei ihrer Ankunft gesehen hatte. Auch sie strahlten das warme Licht der untergehenden Sonne zurück. "Was für ein zauberhafter Flecken Erde." Sie war der einzige Mensch weit und breit, kein Wunder, über den Bergen im Nordosten hing bereits die Nacht. Das mahnte sie, ebenfalls langsam den Heimweg anzutreten. Sie hatte sich entschieden. Sie würde es mit Zorro zu versuchen. In nicht einmal zwei Tagen sollte das Schiff in San Tasco ankommen, dann mußte sie ihn gefunden haben, dann mußte sie wissen, ob sie auf ihn zählen konnte. Diego saß in seinem Zimmer und starrte auf die Taschenuhr. Vor ihm auf dem Tisch lag ein heraldisches Buch. Er hatte es bereits 3 mal durchgeblättert, doch das Wappen war nicht zu finden gewesen. Jetzt wollte er jedes Symbol des Wappens einzeln heraussuchen, vielleicht würde er ja so in Erfahrung bringen, um welche Familie es sich handelte. Es klopfte. "Diego, kann ich reinkommen?" "Natürlich." Er hatte Bernard in die Stadt geschickt. Die Kirche hatte eine kleine Bibliothek, vielleicht gab es dort ja ein neueres Buch. "In der Stadt hatten sie kein Wappenbuch, tut mir Leid Diego. Hast Du schon etwas herausbekommen?" "Nein, das Wappen war nicht zu finden, aber vielleicht finde ich ja die restlichen Symbole." "Hast Du es auch nicht übersehen? Ich denke, es stehen alle Wappen der spanischen Adeligen in diesem Buch?" "Wenn Mitglieder der königlichen Familie heiraten, bekommen sie meistens einen neuen Titel und dementsprechend auch ein neues Wappen. Dieses Buch gehört meinem Vater und es ist schon fast 30 Jahre alt. Ich vermute mal, das Wappen ist neuer." "Verstehe." Diego hatte sich den ganzen Nachmittag den Kopf über die Ereignisse der letzten Tage zerbrochen und er blieb immer wieder bei ein und derselben Frage hängen: Warum kämpft ein Mitglied der königlichen Familie gegen die Armee? Um diese Frage zu beantworten, mußte er zuerst in Erfahrung bringen, wer dieses Mädchen eigentlich war, dann konnte er vielleicht auch herausfinden, was sie hier wollte. Und so hoffte er, in dem Buch doch noch einen Hinweis auf die Besitzerin der Uhr zu finden. In der Garnison saßen die meisten Soldaten beim Abendessen. Die einfachen Soldaten saßen in einem Großen Saal an langen Bänken, die Unteroffiziere hatten einzelne Tische am Rand des Saalbereichs, unterhalb des Offiziersbereichs. Dieser war um etwa zwei Meter erhöht und wurde von einem Geländer begrenzt. "Das hättet ihr sehen sollen, der Junge ist flink wie ein Wiesel und hat den Schlag eines Boxers, so etwas habe ich überhaupt noch nicht erlebt!" Sergeant Gonzales saß an einem der Unteroffizierstische und erzählte von den Ereignissen des Nachmittags, während er Unmengen an Brot und Wurst in sich hinein stopfte. Das Duell vor der Taverne hatte sich inzwischen herumgesprochen und so lauschten 4 Sergeants den Worten von Gonzales. "Und als er dann gefochten hat, ich konnte es kaum glauben. Wenn ich nicht wüßte, daß der Junge erst seit zwei Tagen hier ist, ich würde darauf wetten, daß er Zorro ist." "Aber Gonzales, hat er nicht mit ihrem Degen gefochten?" Gonzales zuckte zusammen und sprach kleinlaut weiter. "Ich kann doch nichts dafür, wenn mir die Gräfin plötzlich um den Hals fällt, was hätte ich denn machen sollen?" "Na da wissen sie ja jetzt wenigstens, wie sie bei den Frauen landen können." Die Soldaten brachen in Gelächter aus. Gonzales, dem dieser Teil der Geschichte offensichtlich mehr als peinlich war, lief hoch rot an. Er hatte sich vor lauter Schreck an einem Stück Brot verschluckt und fing nun furchtbar an zu husten. Die Soldaten um ihn herum begannen noch mehr zu lachen, was Gonzales gänzlich aus der Fassung brachte. Oberst Jekyll saß mit Lieutenant Placid an einem Offizierstisch, genau oberhalb von Gonzales und hatte die Geschichte mit angehört. "Sie waren doch auch in der Stadt, Lieutenant, sagen Sie, wie alt würden sie den Jungen schätzen?" "Auf das Alter habe ich nicht wirklich geachtet. Ich würde sagen, er dürfte fünfzehn oder sechzehn sein." "Hm. Gonzales, Sie haben den Jungen doch länger gesehen, was meinen Sie, wie alt er ist?" Gonzales hatte den Kampf mit dem Brot zwar inzwischen gewonnen, allerdings hatte er Tränen in den Augen und hustete immer noch. "Ich schätze ihn auf etwa sechzehn, Sir" "Sechzehn. Nicht älter?" "Vielleicht siebzehn oder achtzehn aber älter ist er auf keinen Fall." "Hm, achtzehn. Das ist zu jung." Jekyll hatte den Satz leise vor sich hin gemurmelt. "Tut mir Leid Oberst, ich hab sie nicht verstanden, was meinten Sie?" "Nichts weiter, Lieutenant. Ich habe noch etwas zu erledigen, bitte entschuldigen sie mich." Er stand auf und ließ seinen halbvollen Teller zurück. Lieutenant Placid sah ihm irritiert nach. Oberst Jekyll ging in den Keller eines Seitenflügels der Garnison. Er öffnete eine Tür und zündete eine Kerze an. Vor ihm lag ein langgestreckter Raum mit vielen Regalen voller Akten, sie reichten bis zur Decke. Er schritt die Gänge ab, blieb vor einem Regal stehen und nahm einen der Ordner heraus. "Hm" Er stellte die Kerze auf einen Tisch, setzte sich und begann zu lesen. Es war 5 Uhr morgens. Isabella ritt zu dem Wald, wo sie zwei Abende zuvor Zorro und den Rebellen geholfen hatte. Sie hoffte, eine Spur zu finden, die sie zu ihnen führen konnte, obwohl die Chancen dazu doch ehr gering waren. Sie machte ihr Pferd dieses Mal nicht am Waldrand fest, sondern ritt bis zur Lichtung. Das war keine leichte Aufgabe, sie mußte im Slalom um die Bäume reiten und immer wieder tief hängenden Ästen und dichten Sträuchern ausweichen. Sie wollte sich möglichst unentdeckt im Wald bei der Höhle umsehen, deshalb wäre es am besten gewesen, noch bei Dunkelheit loszureiten. Um jedoch etwas sehen zu können, hatte sie bis zur Morgendämmerung warten müssen, jetzt hatte sie es eilig. Die Lichtung war nach kurzer Zeit erreicht und sie band Trueno an einen Baum. Es war noch etwas dämmrig, den Eingang zur Höhle konnte sie trotzdem schon erkennen. Sie zündete sich eine Fackel an und ging hinein. Die Höhle war ziemlich eng, an der breitesten Stelle vielleicht zwei Meter, kaum zu glauben, daß sich hier so viele Menschen verkrochen hatten. Auf dem Boden lagen einige Decken, feucht vom Morgentau klebten am steinigen Untergrund. In einer Nische entdeckte sie einige Krüge, die Meisten waren zerbrochen. In einer weiteren Nische lagen Kisten mit Äpfeln und Brot, es hatte bereits angefangen zu schimmeln. Außer einem Gewehr und ein paar leeren Kisten fand sich nichts weiter, kein Hinweis auf die Rebellen. Sie ging wieder hinaus ins Freie und schaute sich um. Der Felsen der Höhle mochte etwa sieben Meter hoch sein, vielleicht konnte sie von dort oben etwas entdecken. Sie versuchte an verschiedenen Stellen hinauf zu klettern, doch es wollte ihr nicht gelingen. Das Gestein war viel zu rutschig, sie fand einfach keinen Halt. "Mist." Wenn sie doch noch einen Hinweis auf die Rebellen finden wollte, blieb ihr nichts anderes übrig, als in die Richtung weiter zu reiten, in die sie mit den Familien an jenem Abend geflüchtet sind. Das war eine Entscheidung, die sie bald bereute. Der Wald wurde immer Dichter, sie mußte teilweise um zugewucherte Bereiche weit herumreiten, so daß es immer schwerer wurde, die Orientierung zu behalten. Sie beschloß, wieder zurückzureiten. Das Risiko, sich in diesem Dickicht zu verirren, war ihr dann doch zu groß. Als sie sich wieder aus dem Wald herausgekämpft hatte, stand die Sonne bereits über den Bergen. Sie hatte keine Uhr, doch ihr Gefühl sagte ihr, daß sie über eine Stunde durch den Wald geirrt sein mußte. Sie ritt im leichten Trab die Straße in Richtung Stadt entlag. Nach etwa 2 Kilometern machte diese einen weiten Bogen und führte eine leichte Anhöhe hinauf. Von hier oben konnte sie Rauch am Horizont erkennen, irgendwo in Richtung der Stadt brannte es. Als sie ihre Hazienda fast erreicht hatte, stürmten einige Soldaten unter der Führung von Oberst Jekyll an ihr vorbei, dieser nickte ihr kurz zu. "Die haben es aber eilig, was da wohl passiert ist?" Nachdem sie Trueno auf die Weide gebracht hatte, zog sie sich um. Es war fast acht, in einer halben Stunde würde es Frühstück geben und für danach hatte sie Felipe in die Bibliothek bestellt. Sie war immer noch der Meinung, daß er sich nicht mit dem Soldaten hätte anlegen sollen. Im Laufe des vergangenen Tages war in ihr allerdings die Überzeugung gereift, wenn er sich schon mit jemandem duelliert, dann sollte er gefälligst auch gewinnen. Sie würde mit ihm Fechten üben, das machte sich in einem Kleid nicht all zu gut. Sie zog sich eine grüne Hose, schwarze Stiefel und eine weiße Bluse an und ging ins Eßzimmer. Antonio und Louisa saßen bereits am Tisch und tranken Tee, Felipe war noch nicht im Zimmer. Sie begrüßte die beiden, setzte sich an den Tisch und goß sich ebenfalls eine Tasse Tee ein. "Sag mal, wo steckt eigentlich Felipe?" "Ich vermute mal, der schläft noch. Ich habe ihm ausgerichtet, daß Du ihn nach dem Frühstück zu sprechen wünschst. Deinem Aufzug nach zu schließen, hast Du vor, ihm eine Fechtstunde geben. Hältst Du das für eine gute Idee, nach dem, was gestern passiert ist?" "Er hat gefochten wie ein Anfänger! Ohne Beherrschung hat er seinem Gegner sämtliche Tricks offenbart und mit ihm so lange Katz und Maus gespielt, bis ihn selbst die Kräfte verlassen haben. Wenn er schon öffentlich gegen einen Soldaten kämpft, dann hat er sich zurück zu halten und nur das zu zeigen, was nötig ist, um seinen Gegner so schnell wie möglich zu entwaffnen. Das hat er nicht getan und deshalb werden wir es heute üben." "Wie Du meinst. Ich möchte Dir trotzdem dazu raten, Dich möglichst bald wieder etwas weiblicher zu kleiden. Sollten wir Besuch bekommen, dürfte es schwer werden dem zu erklären, weshalb Du eine Hose trägst." Diego war früh aufgestanden. Er hatte sehr spät in der Nacht ein Wappen gefunden, daß mehrere Symbole enthielt, die auch auf dem Wappen der Uhr zu finden waren. Laut Buch gehörte es der Grafenfamilie de Bonares, der Name sagte ihm nichts. Er hatte sich deshalb einen Atlas aus der Bibliothek seines Vaters geholt und suchte nun verzweifelt nach einem Ort oder einer Gegend mit dem selben Namen. Es war manchmal so, daß der Herkunftsort und der Name übereinstimmten, vielleicht hatte er ja Glück und die Familie de Bonares war so ein Fall. Es klopfte und Bernard kam ins Zimmer. "Guten Morgen Diego, hast Du etwas gefunden?" "Vielleicht. Ich will es gerade überprüfen." "Weißt Du, ich habe mir überlegt, warum fragen wir nicht Isabella nach dem Wappen?" "Isabella?" "Ja. Ich meine sie ist doch eine Adelige, vielleicht kennt sie sich ja mit Wappen aus und kann uns sagen, wem es gehört." Während Bernard das erzählte, hatte Diego eine Entdeckung gemacht. ,Das ist ja interessant.' "Ich denke nicht, daß wir sie fragen sollten. Womöglich wäre es nicht gut, wenn irgend jemand weiß, daß der Besitzer des Wappens hier ist. Wir werden bestimmt auch so herausfinden, was es mit dieser Uhr auf sich hat." Er lächelte optimistisch zu Bernard hinüber und klappte den Atlas wieder zu. Es war besser, wenn er Bernard noch nichts von seiner Entdeckung erzählte, es war einfach zu verwirrend. Er hatte jetzt zwar einen Hinweis, woher die Familie de Bonares stammte, trotzdem paßte noch lange nicht alles zusammen. Er würde noch weiter recherchieren müssen, denn das, was er herausgefunden hatte, war nicht sehr aufschlußreich. Isabella stand in der Bibliothek und übte einige Angriffsschritte mit Degen um sich aufzuwärmen. Felipe würde in den nächsten Minuten zu ihr kommen. Sie hatte vor, ihm seine Grenzen aufzuzeigen. Einen Augenblick später klopfte es und Felipe trat ein. Er schaute etwas irritiert zu Isabella, die Fechtjacke und Fechtmaske trug. "Schau nicht so entgeistert, zieh Dir lieber die Schutzkleidung über." Sie deute auf eine Fechtjacke und einen Fechtmaske, die auf einem Lesesessel lagen. Etwas zögernd ging Felipe darauf zu und zog sie sich über. Als er sich zu Isabella umdrehte, warf die ihm einen Degen zu. "Ich dachte, ich soll nicht mehr fechten." "Sollst Du auch nicht, aber falls Du es irgendwann einmal mußt, dann sollst Du keine so miserable Vorstellung abliefern, wie gestern." "Wieso miserabel, ich hätte ihn fast besiegt!" Felipe fühlte sich zu tiefst gekränkt. Er war der festen Überzeugung, ausgezeichnet gekämpft zu haben. "Du hast ihn aber nicht besiegt, im Gegenteil. Hätte Raymond das Duell nicht unterbrochen, dann hättest Du verloren." Felipe zog eine Schnute, Isabella mußte grinsen. Er hätte ihn leicht besiegen können, wenn er effektiver gefochten hätte. Sie hielt es allerdings für besser, ihm das so nicht zu sagen. "Dann beweis mir, daß Du es besser kannst!" Sie stellte sich auf, stemmte ihren linken Arm in die Hüfte und hielt ihm ihren Degen entgegen. Felipe stellte sich ebenfalls auf und sie begannen zu fechten. Felipe war vorsichtig. Er hielt sich zwar für einen hervorragenden Fechter, aber er wußte dennoch, daß er Isabella nicht gewachsen war. Ihr konnte er nichts vormachen, sie kannte alle seine Tricks, immerhin hatte sie sie ihm selbst beigebracht. Außerdem kannte sie noch eine ganze Menge Tricks mehr und er würde mit Sicherheit darauf hereinfallen. Das Berechnende lag ihm nicht, er konnte einfach nicht vorausschauend kämpfen. Antonio hatte sein Bestes versucht, um ihm den Scharfblick beizubringen, doch irgendwie hatte er einfach kein Gefühl dafür. Er konnte auch mit dem Schachspiel nichts anfangen und er wußte wie sehr seinen Großvater dieses mangelnde Verständnis für Logik ärgerte. Er führte seinen Degen sicher aber zurückhaltend und auch Isabella blieb passiv. "Was ist mit Dir los, gestern hast Du Dich doch auch nicht zurück gehalten. Zeig mir was Du kannst!" Isabella war die Ruhe selbst, sie parierte seine halbherzigen Versuche wie im Schlaf. Felipe blieb passiv. Sie wußte, daß er Respekt vor ihren Fechtkünsten hatte, sie mußte ihn irgendwie aus der Reserve locken, also begann das Tempo etwas zu erhöhen und setzte gelegentlich eine Finte. Felipe parierte die meisten davon, doch er fiel auch auf manche herein. Wenn sie gewollt hätte, wäre seinen Degen schon längst los. Es war ein Drama mit dem Jungen, bei ihr kämpfte er zu vorsichtig, bei einem fremden Gegner konnte er sich nicht zurückhalten. "Eines solltest Du wissen, Du kommst heute erst hier raus, wenn Du mich entwaffnet hast." "Wie bitte?!" Felipe sah sie entgeistert an. Das sie nutze aus, um ihm den Degen abzunehmen. Sie warf ihn zurück und sie fochten erneut. "Ich will, daß Du alles gibst. Du sollst etwas lernen und das wird nichts, wenn Du hier nur herumhüpfst." Es brauchte noch eine ganze Weile, bis Felipe auftaute, doch dann hatten sie das Tempo erreicht, bei dem es interessant wurde. Felipe war an diesem Morgen ernsthafter bei der Sache, als die Male zuvor, die Standpauke seinen Großvaters hatte anscheinend doch etwas genützt. Es war fast Mittag und sie trainierten immer noch. Antonio hatte sich zwischenzeitlich verabschiedet, er wollte in die Stadt und noch ein paar Ermittlungen anstellen. Gegen 11:30 Uhr klopfte es und Louisa trat ins Zimmer. "Verzeihen sie Seniorita, ein Oberst aus der Garnison wünscht sie zu sprechen." "Was? So ein Mist! Bitte bring ihn in den Salon, ich werde mich so schnell wie möglich umziehen." Noch während sie das sagte, zog sie sich die Schutzkleidung aus und warf sie zu Felipe hinüber. "Räum das bitte weg und zieh Dir ebenfalls die Fechtsachen aus. Es wäre nicht gut, wenn er uns so sieht." Sie spähte aus der Tür und wartete bis Louisa hinter Oberst Jekyll die Tür schloß und ihr ein Zeichen gab. Anschließend schlich sie die Treppe hinauf, zog sich die Stiefel und die Bluse aus und streifte sich ihr rot-weißes Kleid über. Sie hoffte, daß ihre Hose darunter nicht auffallen würde und eilte die Treppe hinunter. Als sie den Salon betrat, stand der Oberst vor dem Kamin und betrachtete das Bild darüber. Es zeigte ein kleines, dunkelhaariges Mädchen mit einem rosafarbenen, rüschenverzierten Kleid. Es saß auf einem schwarzen Pferd, den Hintergrund bildete eine mediterrane Landschaft. Sie erschrak etwas, doch das verflog sofort wieder. Selbst wenn der Oberst auf die Idee kommen würde, daß sie dieses Mädchen war, er würde gewiß nicht erkennen, von wem dieses Bild gemalt wurde. "Guten Tag Oberst, was kann ich für sie tun?" Sie trat auf ihn zu und lächelte. Der Oberst löste seinen Blick nur zögerlich von dem Gemälde, drehte sich dann allerdings doch um und begrüßte Isabella. "Bitte verzeihen, Sie falls ich störe." "Aber ich bitte sie, sie sind mir jederzeit willkommen." Sie nahmen auf den Sofas platz, die im Halbkreis vor dem Kamin angeordnet waren. "Ich habe dennoch nicht die Absicht, sie lange aufzuhalten. Es gibt da nur etwas, was ich gern mit ihnen besprochen hätte. Es betrifft ihren Stallburschen." "Oh, nun, ich habe es bereits ihrem Lieutenant gesagt, der Vorfall gestern tut mir wirklich aufrichtig Leid. Er ist halt noch sehr unvernünftig und es ist nicht immer leicht, ihn zu bremsen." Sie schaute den Oberst mit einem gequälten Lächeln an. Der blickte nachdenklich auf den flachen Tisch vor ihnen und sprach weiter ohne auf ihre Worte einzugehen. "Sagen sie, wie lange kennen Sie den Jungen schon?" "Felipe? So etwa ein halbes Jahr." Das entsprach sogar der Wahrheit. Sie hatte Antonio nicht mehr gesehen, seit sie Madrid vor vier Jahren verlassen hatte, damals war sein Enkel noch ein Kind gewesen und lebte bei Antonios Sohn und dessen Frau in Barcelona. "Und wie haben sie ihn kennengelernt, wenn ich fragen darf?" Isabella wurde langsam stutzig. Wieso interessierte sich der Oberst so sehr für Felipe? "Seine Eltern stehen in Spanien in den Diensten meines Notars. Er war der Meinung, daß es dem Jungen nicht schaden könnte, mal etwas von der Welt zu sehen." "Verstehe." "Darf ich erfahren, warum sie mich das alles fragen?" "Bitte verzeihen Sie, das kann ich ihnen leider nicht sagen." "Oberst, gibt es irgend etwas, was ich wissen sollte?" Sie wollte nicht so einfach klein bei geben. "Nein, es ist wirklich nichts, machen sie sich bitte keine Gedanken. Sie sollten nur dafür sorgen, daß ihr Stallbursche in Zukunft keinen Ärger mehr macht." "Das werde ich." Sie war mehr als verwirrt. Es hatte keinen Sinn, weiter nachzuhaken, der Oberst würde ihr doch nichts erzählen, das war klar. Dennoch machten sie diese Fragen mehr als nervös. Nachdem er sich verabschiedet hatte, setzte sie sich auf die Terrasse und beobachtete die Pferde. Antonio war noch nicht aus der Stadt zurück und Felipe hatte die Gelegenheit genutzt und sich aus dem Staub gemacht. Louisa würde bald das Mittagessen fertig haben, dann würde sicherlich auch Antonio wieder da sein. Sie mußte diesen Zwischenfall unbedingt mit ihm besprechen. Etwa eine halbe Stunde später kam Antonio aus der Stadt zurück. Er setzte sich mit ernster Miene zu Isabella auf die Terrasse. "Du schaust ja so besorgt aus, was ist denn passiert?" "Du hattest doch heute morgen bei Deinem Ausritt Rauch gesehen." Sie hatte Antonio nicht erzählt, daß sie nach den Rebellen gesucht hatte. "Ja, es sah aus, als kam es aus der Stadt." "Es kam nicht aus der Stadt, es war ein Getreidelager der Südindischen Handelsgesellschaft etwas außerhalb. Die Rebellen haben es letzte Nacht geplündert und danach in Brand gesteckt." "Ach so?" "Ja und Raymond scheint jetzt ernst zu machen. Überall in der Stadt und im Umland wimmelt es von Soldaten, sie durchsuchen jede Scheune, jede Hütte, jeden Stall, jedes Haus und jeden Wagen und mit durchsuchen meine ich durchsuchen!" "Dann sollten wir wohl besser einige Sachen in die Geheimkammer bringen." "Das wollte ich Dir auch vorschlagen. Ich hoffe bloß, daß niemand sie findet. Du siehst aber auch nicht übermäßig glücklich aus, Isabella." "Nun ja, ich hatte vorhin Besuch von Oberst Jekyll." Antonio schreckte förmlich hoch, als sie das sagte. Er traute dem Oberst nicht. Die meisten Soldaten der Garnison waren nicht besonders helle und die, die es waren, hatten keinen Grund sie in irgendeiner Weise zu verdächtigen. Bei Oberst Jekyll war das anders, er kannte sie, auch wenn er sich daran bis jetzt offensichtlich nicht erinnern konnte. Außerdem unterstellte er dem Oberst eine gewisse kombinatorische Intelligenz, er machte sich Gedanken und das war für ihre Mission in höchstem Maße gefährlich. "Hat er etwas über uns herausgefunden?" "Tja, wenn ich das wüßte. Er hat mich über Felipe ausgefragt." "Über Felipe?" "Er wollte wissen wie lange ich ihn schon kenne und woher." "Hat er auch gesagt, warum er das wissen will?" "Nein, das ist es ja. Er meinte nur, ich solle dafür sorgen, daß er keinen Ärger mehr macht." "Hm. Ich denke, Felipe sollte sich ab sofort lieber auf dem Grundstück aufhalten, zumindest bis wir wissen, was der Oberst von ihm will. Wo steckt er eigentlich?" "Er hat sich abgesetzt, als ich Jekyll empfangen habe. Zum Essen wird aber bestimmt wieder hier auftauchen." "Als ob wir nicht schon genug Probleme hätten. Ich werde dafür sorgen, daß er sich in Zukunft als Soldat sieht und nicht als Abenteurer." Antonio stand ärgerlich auf und ging ins Haus. Isabella beobachtete noch eine Weile die Pferde auf der Weide. Die Armee suchte also in der ganzen Gegend nach den Rebellen, das war nicht gut. So würde es noch schwerer werden, sie zu finden. Am nächsten Tag sollte das Schiff mit den Kanonen in San Tasco eintreffen und ihr lief unaufhaltsam die Zeit davon. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)