Zorro und die Agentin des Königs von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 5: Endlich Beweise? --------------------------- Sie betrat die Geheimkammer und zog sich um, dieses Mal wartete Antonio nicht auf sie. Sie ging in ihr Zimmer und sah auf die Wanduhr, es war bereits 5 Uhr, da lohnte es sich nicht mehr zu Bett zu gehen. Sie würde sich lieber noch einmal die Akten vornehmen. Der Mann in Raymonds Büro war bestimmt Senior Capital, er hatte Raymond irgendeine Waffe besorgt, mit der er die Rebellen bekämpfen wollte, nur was konnte das sein? Sie würde sich intensiv mit den Gütern beschäftigen müssen, die die Handelsgesellschaft im- beziehungsweise exportierte, das waren über 200 Seiten und bis jetzt hatte sie es nicht für nötig gehalten, diese durchzulesen, doch nun kam sie nicht mehr drum herum. Gute zwei Stunden später klopfte es an der Tür. "Isabella, bist Du schon auf?" "Ja, komm ruhig rein Antonio." Er nahm sich einen Stuhl und setzte sich zu ihr an den Schreibtisch. "Warst du diese Nacht erfolgreicher?" "Das kann man so sagen, ich hatte Gelegenheit Raymond und Capital zu belauschen." "Ich dachte, Du wolltest in den Wald und den Bauernfamilien helfen?" "Da war ich auch, allerdings kam Zorro sehr gut allein zurecht und da die meisten Soldaten dort mit ihm beschäftigt waren, bin ich in die Garnison. Antonio, ich habe einige beunruhigende Sachen in Erfahrung gebracht." "Darf ich fragen was?" "Capital hat Raymond irgendeine Waffe besorgt, die in den nächsten Tagen hier eintreffen soll. Er will damit die Rebellen bekämpfen und wenn ich seine Aussage richtig deute, plant er mit dieser Waffe sogar einen Putsch, deshalb sitze ich jetzt auch hier über den Akten. Hast Du gewußt, daß die Südindische Handelsgesellschaft eine komplette Armee ausstatten könnte? Sie handeln mit so ziemlich allem was tödlich ist, Degen, Gewehre, Munition, Pulver, Waffen aus dem fernen Osten, ja selbst Katapulte und Kanonen kann man kaufen!" "Das ist mir bekannt, allerdings müssen sie bei schweren Waffen, Schießpulver oder größeren Mengen eine Verkaufserlaubnis vom König einholen." "Sie müßten es, das ist richtig. Man kann diese Regel allerdings ganz leicht umgehen, in dem man die Waffen direkt aus dem Ausland in die Kolonien importiert. Sieh Dir das an, hier ist aufgelistet, wo welche Waffen hergestellt werden. Nehmen wir zum Beispiel eine Kanone aus Frankreich, die wird in Nantes verladen, das Schiff müßte jetzt eigentlich nach Spanien, um die Kanone anzumelden. Wenn sie aber in den Ladepapieren nicht auftaucht und das Schiff nur Proviant aufnimmt, um in die Kolonien weiterzufahren, wird es in Spanien kaum jemand kontrollieren und vier Monate später geht die Kanone in San Tasco an Land, ohne das in Spanien irgendwer etwas davon gemerkt hat!" "So habe ich das überhaupt noch nicht gesehen." "Das kann man mit so ziemlich jeder Waffe auf die gleiche Weise machen, Gewehre aus Holland, Degen aus Italien und so fort, so lange das Schiff in Spanien nicht be- oder entladen wird, wird dort auch niemand einen Blick in den Laderaum werfen. Von der Munition und dem Schießpulver wollen wir mal gar nicht erst reden, das können sie direkt aus Argentinien hier her bringen ohne das es jemand merkt." "Und Du meinst, es geht um eine Kanone?" "Ich halte es für sehr wahrscheinlich." "Hm, das setzt uns ziemlich unter Druck, wenn er die Waffe in seinem Besitz hat, hätten wir zwar Beweise, doch das nützt uns dann vielleicht nichts mehr, wenn wir ihn dann nicht mehr unschädlich machen können." Antonio stand auf und schaute nachdenklich aus dem Fenster, draußen war es inzwischen hell, doch ein leichter Dunstschleier streifte über die Wiesen. "Ich weiß, ich möchte Oberst de Cantella trotzdem noch nicht holen, ich will erst die Beweise. Wir können uns dann immer noch überlegen, wie wir die Sache zu Ende bringen." "Dann sollten wir Felipe aber trotzdem schon einmal zu ihm schicken, damit er darauf vorbereitet ist, daß sie hier eventuell mit schweren Waffen Widerstand leisten." "Ich denke nicht, daß das nötig ist, den Oberst können darüber auch noch informieren, wenn wir ihn anfordern und Felipe ist mir hier lieber. Falls man uns enttarnt, würde alles an ihm hängen." "Warum sollten wir denn enttarnt werden? Was ist passiert?" Antonio bemerkte erst jetzt, daß Isabella leicht nervös war. "Ich habe letzte Nacht meine Taschenuhr verloren und falls irgend jemand das Wappen erkennt, würde meine Identität auffliegen." Etwa drei Stunden später saßen Diego und Bernard gemeinsam beim Frühstück. Bernard gähnte, Diego konnte es ihm nicht verübeln, sie hatten in den letzten Tagen viel zu wenig Schlaf bekommen. "Du Diego, was ist jetzt eigentlich mit dieser Uhr?" "Die Uhr." Er hatte sie ganz vergessen, schließlich war er auch etwas übermüdet. Diego griff in seine Tasche, holte sie hervor und klappte sie auf. Das Portrait zeigte einen Mann von Ende 40, er trug eine Jacke mit einem goldbesetzten Kragen und machte einen mehr als vornehmen Eindruck. Er konnte sich erinnern, in Spanien hatte er öfters solche Herren gesehen, sie waren eigentlich immer entweder von Adel oder Offiziere der königlichen Garde, letztere waren im allgemeinen beides. Er klappte die Uhr wieder zu und betrachtete das Wappen. "Hm" "Was ist? Kennst Du das Wappen?" Bernard war von seinem Platz aufgesprungen und schaute es sich ebenfalls an. "Nicht wirklich." Er sagte das in erster Linie, um Bernard nicht zu beunruhigen, er wollte sich seiner Entdeckung erst einmal selbst gänzlich bewußt werden. Er kannte das Wappen zwar tatsächlich nicht, doch ihm war da etwas anderes aufgefallen. Das Wappen enthielt ein Symbol, das ihm aus einem Anderen wohl bekannt war. "Was meinst Du mit ,Nicht wirklich', kennst Du es nun oder nicht?" "Sieh es Dir einmal genau an Bernard, fällt Dir etwas auf?" "Hm" Er starrte auf das Wappen, doch etwas besonderes konnte er nicht erkennen. "Sieh Dir mal dieses Symbol an." Diego zeigte auf das Bild eines roten Löwen mit einer Krone. "Kommt Dir das irgendwie bekannt vor?" "Ah, das ist doch... Diego, das Symbol ist auch im Wappen des spanischen Königs!" "Ganz genau." "Und was hat das zu bedeuten?" "Das bedeutet, daß die Besitzerin dieser Uhr höchst wahrscheinlich mit der spanischen Königsfamilie verwandt ist!" "Mit der Königsfamilie? Aber..." Weiter kam er nicht, denn im selben Moment trat Maria ins Zimmer und Diego ließ die Uhr wieder unauffällig in seiner Tasche verschwinden. Bernard schaute mißmutig zu ihm hinüber, er hätte zu gern noch mehr über das Wappen erfahren. "Ihr schafft es aber auch nie mal früher aus dem Bett, was?" "Maria, was bist Du denn so sauer?" "Was für ein Tag ist heute?" "Dienstag?" "Ganz genau und was solltet ihr heute machen?" "In die Stadt fahren und einkaufen! Es tut uns Leid Maria, wir fahren sofort los." Isabella saß neben Felipe auf der Kutsche und hielt ihren weißen Sonnenschirm in der Hand. Sie hatte sich etwas herausgeputzt, zu ihrem hellvioletten, halblangen Kleid trug sie weiße geschnürte Stiefel. Dafür war es zwar eigentlich viel zu warm, doch der Schirm sollte schließlich nicht auffallen, da mußte das Gesamtbild stimmen. Sie waren auf dem Weg zum Hafen, sie wollte versuchen etwas über das Schiff in Erfahrung bringen, daß die Waffe des Kommandanten nach San Tasco bringen sollte. Wenn sie wüßte, welches der Schiffe der südindischen Handelsgesellschaft in den nächsten Tagen hier ankommt, könnte sie sich besser vorbereiten. Vielleicht konnte man mit Hilfe der Strecke, auf der dieses Schiff unterwegs war, sogar herausfinden, was genau da ankommen sollte. Felipe lenkte den Wagen durch die Stadt zum Pier, vor dem Büro des Hafenmeisters blieb er stehen und Isabella stieg ab. Die geduckten Gestalten, die neben der Tür auf einer Bank saßen, fielen ihr sofort auf. Raymond und Capital gingen also davon aus, daß sich der Spion der vergangenen Nacht über die Schiffe schlau machen würde, sollten sie sie ruhig belauschen, sie hatte ein gutes Alibi. Sie klappte ihren Schirm zusammen und betrat das stickige Zimmer. Einige Leute standen vor ihr in einer Schlange und einige warteten auf den Bänken an der Seite, die Kapitäne wollten ihre Schiffe an oder abmelden. Auf einer der Bänke hing ebenfalls ein Mann zusammengekauert in der Ecke, sie beachtete ihn nicht weiter und reihte sich in der Schlange ein. "Guten Morgen Seniorita, was kann ich für sie tun?" Der alte, bärtige Mann hinter dem Tresen sprach sie an, ohne von seinen Papieren aufzusehen. Sie hatte ungefähr zehn Minuten warten müssen. "Guten Morgen, mein Name ist Isabella de Valdez und ich wollte fragen, ob sie schon Informationen haben, wann die ,Maravilla' hier eintrifft?" "Einen Augenblick." Er stand auf und ging gemütlich zu einem Schank an der Rückseite des Zimmers. Währenddessen schaute sie unauffällig auf die Liste, die auf dem Schreibtisch des alten Seebären lag. In den nächsten Tagen würden sieben Schiffe hier ankommen, die Namen konnte sie sich leicht merken. "Sie kommt in etwa zwei Wochen hier an." Der bärtige Alte stand vor dem Schrank und murmelte es mehr vor sich hin, als daß er es ihr sagte. "Ich danke ihnen vielmals. Auf Wiedersehen." Sie trat aus dem Büro hinaus, ging zu ihrer Kutsche und stieg auf, im Augenwinkel sah sie, wie die Gestalt aus dem Büro ihr folgte. "Und wo fahren wir jetzt hin?" "Zum Markt, Louisa hat mir noch eine Einkaufsliste mitgegeben." "Haben wir jetzt bald alles?" Bernard zog den großen Einkaufskorb mehr hinter sich her, als daß er ihn trug. "Ich denke schon, wir brauchen bloß noch Obst und Gemüse." Diego fuhr mit seinem Finger die Einkaufsliste ab. "Hey Diego, sieh mal da drüben." Bernard deutete zu einem Brotstand, an dem sich Isabella gerade einen Leib in ihren Einkaufskorb legen ließ, Felipe stand etwas gelangweilt daneben. "Guten Morgen Isabella." "Hallo Diego, mit ,Guten Morgen' bist Du aber etwas sehr optimistisch." "Wie meinen Sie denn das?" "Nun ja für die meisten Menschen ist es jetzt eigentlich schon Mittag." Wie zur Bestätigung ihrer Worte schlugen die Kirchenglocken im selben Moment 12 Uhr. Diego lief über das ganze Gesicht rot an und kratzte sich verlegen am Hinterkopf, Isabella mußte lachen. "Ist ja nicht so schlimm, jeder hat schon mal das Zeitgefühl verloren. Seit ihr auch zum einkaufen hier?" Sie wollte dem armen Diego aus seiner peinlichen Situation heraushelfen. "Ja und wir haben auch schon fast alles. Aber wie kommt es, daß Sie hier selbst einkaufen? Ist das nicht etwas unüblich für eine Gräfin?" "Unüblich ist es vielleicht schon aber praktisch, wir waren sowieso in der Stadt und da konnten wir die paar Sachen auch gleich mitbringen. Ach kennst Du hier zufällig ein gutes Gasthaus, in dem wir zu Mittag essen könnten?" "Bei Juan kann man gut essen, da müssen sie dort die Straße hinunter und dann... , ach wissen Sie was, wir kommen gleich mit, etwas Hunger hab ich nämlich auch und den Rest können wir auch nachher noch besorgen." Diego nahm Bernard den schweren Korb ab und führte Isabella und Felipe zum Gasthaus. Er bemerkte dabei, wie ihnen ein Mann folgte. Der trug einen grauen Mantel und versteckte sein Gesicht unter einem schwarzen Hut, er erkannte ihn trotzdem, es war einer der Schläger der Südindischen Handelsgesellschaft. Was der wohl von ihnen wollte? "Da vorn ist es." Isabella folgte Diegos Blick quer über den staubig-sandigen Platz. Es war ein weißgetünchtes zweistöckiges Haus, die zweite Etage ruhte auf einem Säulengang, darunter im Schatten standen einige Tische an denen Leute zu Mittag aßen, Wein tranken oder Karten spielten, auch einige Soldaten machten dort Pause. "Diego, sieh mal, das ist doch Gonzales." Der Sergeant saß an einem der Tische und schaufelte einen Teller Suppe in sich hinein, um seinen Kopf hatte er einen Verband. "Hallo Gonzales, was ist denn mit ihnen passiert?" "Oh, hallo Diego, Guten Tag Seniorita. Das mit dem Kopf, das ist letzte Nacht passiert, eine unangenehme Geschichte." Die letzten Worte verschluckte er halb mit dem nächsten Löffel Suppe. Sie nahmen allesamt bei Gonzales Platz und bestellen sich ihrerseits etwas. Der unheimliche Mann mit dem grauen Mantel setzte sich an einen der Nachbartische. "Ich wurde letzte Nacht von Zorros Doppelgänger niedergeschlagen, ich kann immer noch nicht glauben, daß das ein Mädchen war, so wie mir der Schädel brummt." "Zorros Doppelgängerin?" "Wir wollten gestern im Wald die Rebellen verhaften, doch da ist uns erst Zorro dazwischen gekommen und dann kam dieses Mädchen. Sie hat Lieutenant Gabriel den Degen aus der Hand geschossen und ihn dann im Duell besiegt und als Zorro uns dann endlich laufen ließ, da war sie in der Garnison. Die haben dort gedacht, sie wäre Zorro, doch Oberst Jekyll war der Meinung, daß es das Mädchen aus dem Wald war, diese Violetta." Der Sergeant nahm einen neuen Löffel Suppe und sprach mit vollem Mund weiter. "Sie hat den Oberst dann ebenfalls im Duell besiegt und mir hat sie eins übergezogen." Gonzales faßte sich vorsichtig an seinen Hinterkopf. "Der Kommandant glaub allerdings immer noch, daß der Eindringling in der Nacht Zorro war." Diego hörte dem sehr aufmerksam zu. Er fragte sich schon die ganze Zeit, wer dieses Mädchen wohl war und was sie hier wollte. "Und was führt Euch in die Stadt?" Gonzales kratze die letzten Reste aus seinem Teller. "Wir waren einkaufen und auf dem Markt haben wir Isabella getroffen." "Sie kaufen selbst ein, Gräfin?" Sie lächelte etwas verlegen. "Ja, aber ich versteh immer noch nicht, was daran so besonders ist. Wir waren am Hafen, ich wollte wissen, wann meine Weinstöcke hier ankommen. Wir müssen schließlich noch einiges vorbereiten, bevor wir anpflanzen können und da bot es sich an, die Besorgungen gleich mit zu erledigen." "Ach richtig, ihr Weinberg. Wann geht es denn los?" Diego hatte seine Gedanken erst einmal beiseite gelegt, zu Hause würde er mehr Ruhe haben um über die Ereignisse nachzudenken. "Das Schiff kommt in zwei Wochen hier an, dann werden wir die ersten Rebstöcke pflanzen." Während sie sich unterhielten setzte sich eine zweite Gestalt zu dem Mann im grauen Mantel und flüsterte kurz mit ihm, einen Augeblick später gingen beide fort. Sie hatten vermutlich ihre Geschichte überprüft und hielten sie für glaubhaft. Ein paar Minuten später wurde das Essen serviert. Obwohl sie unter den Säulen im Schatten saßen, wurde es immer wärmer, die Sonne brannte auf den Platz vor der Taverne und der strahlte die Hitze auch auf die letzten schattigen Ecken. Es war bald so unerträglich, daß Isabella sich insgeheim dafür verfluchte, die Stiefel angezogen zu haben. Die Soldaten an den Nachbartischen hielten allerdings selbst diese mörderischen Temperaturen nicht davon ab, becherweiße Wein in sich hineinzuschütten, sie wurden immer lauter und es war nicht zu übersehen, daß einige inzwischen ziemlich betrunken waren. Sie entdeckten ein junges Mädchen, daß etwa 30 Meter von der Taverne entfernt einen Blumenstand betreute, sie mochte vielleicht sechzehn, siebzehn Jahre alt gewesen sein. Die obszönen Kommentare der betrunkenen Soldaten wurden von den anwesenden Gästen überhört, jedenfalls mischte sich niemand ein, auch nicht als einer der Soldaten zu ihr ging und sie bedrängte. Erst als das Mädchen einen schrillen Schrei ausstieß, richteten die Leute ihre Aufmerksamkeit auf die Szenerie. Fassungslos erkannte Isabella, daß auf dem ganzen Platz dennoch niemand bereit war, der Kleinen zu helfen. "Diego, Gonzales, warum hilft ihr denn keiner?" "Es tut mir ja sehr Leid, Seniorita, aber was soll ich machen." Diego antwortete nichts, er schaute nur wütend zu den Soldaten und ballte die Fäuste. "Aber man muß ihr doch irgendwie helfen!" Sie hatte den Satz kaum zu Ende gesprochen, da stürzte Felipe auf den Soldaten los. "Felipe, um Gottes Willen, komm zurück!" Daß er dem Mädchen helfen sollte, hatte sie nicht gemeint. "Na warte, Du Schwein!" Er warf sich mit ganzer Kraft gegen den Soldaten und sie gingen gemeinsam zu Boden. Isabella seufzte. So etwas hatte sie befürchtet, Felipe war halt einfach noch zu ungestüm. Der Soldat hatte sich zu erst aufgerappelt und traf Felipe mit einem Faustschlag ins Gesicht, der taumelte zurück und wischte sich das Blut vom Mund. Sie standen sich jetzt lauernd gegenüber. "Sergeant, ihrer Degen." Einer der Soldaten reichte dem Getroffenen die Waffe, Isabella stockte der Atem. Unauffällig entfernte sie die Sicherung an ihrem Sonnenschirm, und ebenso unauffällig zog langsam ihren Degen. ,Ach Felipe, warum tust Du mir das an.' "Den brauch ich nicht, mit der halben Portion werde ich auch so fertig." Es lief also auf einen Faustkampf hinaus. Vorsichtig schob sie ihren Degen wieder komplett zurück in die Scheide, allerdings sicherte sie ihn nicht. Felipe wirkte regelrecht verloren auf dem Platz, der Sergeant war im Vergleich zu ihm ein regelrechter Hüne, er überragte Felipe um fast zwei Köpfe und war doppelt so breit. Sie machte sich dennoch keine Sorgen um ihn, er war schnell, hatte eine gute Technik und sein Gegner war betrunken. Außerdem mußte er lernen, die Konsequenzen für sein Handeln selbst zu tragen. Der Sergeant machte den ersten Schritt, er holte aus und ließ seine Faust in Richtung des Jungen krachen, der wich ihm geschickt aus und trat ihm statt dessen sein Knie in die Magengrube. Der Sergeant keuchte, mit einem solchen Schlag hatte er nicht gerechnet. Felipe nutzte dieses Anzeichen von Schwäche und schlug ihm mit verschränkten Händen so fest er nur konnte ins Gesicht. Der Sergeant taumelte zurück und landete unsanft auf dem staubigen Boden. "Na warte Du kleiner Bastard, Dich mach ich fertig! Gebt mir meinen Degen!" "Verdammt." Isabellas anfänglicher Optimismus wich von einer Sekunde auf die Andere der puren Verzweiflung. Widerwillig griff sie erneut zu ihrem Degen. Sie schaute sich um, es mußte doch noch eine andere Möglichkeit geben ihm zu helfen, eine, die sie nicht selbst enttarnen würde. Ihr Blick fiel auf den Degen von Sergeant Gonzales. Sie lächelte, das war die Lösung! "Mein armer Felipe!" Sie spielte die verzweifelte Dame und warf sich Gonzales um den Hals. Der war darüber so überrascht, daß er gar nicht bemerkte, wie sie ihm blitzschnell den Degen stahl. "Felipe, fang auf!" Sie warf ihm den Degen zu, er fing und stelle sich dem Sergeant zum Duell. "Seniorita, das können Sie doch nicht machen!" Gonzales war über die Blitzaktion regelrecht schockiert. "Es tut mir Leid Sergeant, aber das ging nicht anderes." Der andere Sergeant schaute derweil grimmig zu Felipe. "Der Degen wird Dir auch nichts nützen, Du zögerst es nur hinaus!" Der Kampf begann und er verlief erneut nicht im Interesse des Sergeants, Felipe war schnell und treffsicher, er gab alles und lies den Sergeant aussehen, wie einen Anfänger. "Nein!" Isabella traute ihren Augen nicht, wie konnte der Junge nur so dumm sein, konnte er sich nicht ein wenig zurückhalten? Er hatte das Fechten von seinem Großvater und während der Reise von ihr gelernt, sie hatten also in etwa den selben Stil. Diego hatte Isabellas geflüstertes ,Nein' gehört und sah nun, wie Felipe förmlich mit dem Sergeant spielte, er kämpfte leicht und schnell, fast wie ein Schmetterling und dieser Stil kam ihm bekannt vor, er hatte ihn schon einmal irgendwo gesehen. Felipe hatte unterdessen sein Glück etwas zu sehr herausgefordert. Anstatt die Gelegenheiten, die sich ihm boten, zu nutzen und den Sergeant zu entwaffnen, hatte Felipe das Duell zu einem Spiel werden lassen. Jetzt verließen ihn langsam die Kräfte und der Sergeant gewann mehr und mehr die Oberhand. Verbissen kämpften die mittlerweile gleichstarken Gegner miteinander, da schreckte ein Schuß Duellanten und Zuschauer auf. Isabella drehte sich um. Auf einem Pferd saß ein Offizier, den sie bisher nur vom Sehen und aus ihren Akten kannte. ,Raymond!' Neben ihm ritten Lieutenant Placid und Lieutenant Gabriel, das bedeutete eine Menge Ärger. "Was ist hier los?" Der Kommandant schaute den kämpfenden Sergeant an und als der keine Antwort gab, wanderte sein Blick weiter zu Sergeant Gonzales, der zuckte zusammen. "Ja Kommandant wissen sie, das war so, äh,..." "Ihre betrunkenen Soldaten haben die Seniorita dort belästig und mein Stallbursche sah sich daraufhin genötigt, deren Ehre zu verteidigen!" Isabella hatte beschlossen, in die Offensive zu gehen und hoffte, daß sie so das Schlimmste verhindern konnte. "Ihr Stallbursche? Darf ich fragen, wer sie sind?" Raymond musterte sie mißtrauisch. "Mein Name ist Isabella de Valdez, ich bin die Nichte des Grafen Fernando de Valdez." "Sie sind also die Gräfin, von der alle sprechen." Raymond wandte sich wieder an Sergeant Gonzales. "Ist das wahr, was sie sagt?" "Nun..., wie soll ich sagen..., also so im Großen und Ganzen..., ja." Gonzales duckte sich leicht, so als erwartete er ein Donnerwetter. "Lieutenant Placid, sie führen die Soldaten zurück in die Garnison. Ich betrachte die Angelegenheit damit als erledigt, oder haben Sie noch irgendein Anliegen, Seniorita?" Raymond schaute mit einem herausfordernden Blick zu Isabella, er wollte wohl wissen, wie aufsässig sie wirklich war. "Ich habe kein Anliegen, bitte verzeihen Sie die Unannehmlichkeiten." Sie machte einen leichten Knicks. Hoffentlich war sie nicht übers Ziel hinausgeschossen, sie konnte es sich nicht leisten, Mißtrauen zu erregen. Raymond und Gabriel ritten jedoch unbeirrt weiter, während Lieutenant Placid den Befehl zum Aufbruch gab, sie hatten wohl alle noch einmal Glück gehabt. "Wieso lassen Sie ihr das so einfach durchgehen, Kommandant?" Gabriel schaute etwas irritiert zum Platz zurück. Er mochte Isabella nicht und es ärgerte ihn, daß er die Gelegenheit nicht nutzen konnte, um ihr die Demütigung bei der Durchsuchung heimzuzahlen. "Sie ist eine Adelige, wenn wir uns mit ihr anlegen, beschwert sie sich womöglich beim Generalgouverneur und den kann ich hier in nächster Zeit nicht gebrauchen. Außerdem ist sie keine Rebellin, soweit ich gehört habe, ist sie mit Oberst Jekyll befreundet." "Das Eine schließt das Andere ja nicht aus, wenn Sie verstehen." "Lieutenant, sie werden sich von der Gräfin fern halten, das ist ein Befehl!" ,Verdammte Aristokraten!' Gabriel kochte vor Wut, doch er ließ es sich nicht anmerken. Felipe hatte unterdessen den Degen fallen lassen und lief freudestrahlend zu Isabella. "Hey Isabella, hast Du das gesehen? Ich war...." Fatsch Den letzten Satz konnte er nicht zu Ende sprechen, denn er hatte sich von Isabella eine saftige Ohrfeige eingefangen. "Hast Du gänzlich den Verstand verloren? Was um alles in der Welt sollte das werden?" "Aber ich wollte doch nur..." "Kein aber, sollte ich Dich jemals wieder auch nur in der Nähe von irgendwelchen Duellen oder Schlägereien antreffen, dann fährst Du mit dem nächsten Schiff zurück nach Spanien, ist das klar!" "J...Ja" Felipe war überrascht und gab sich kleinlaut, seine Begeisterung war mit einem Mal verflogen. Isabella hatte ihn vor den Augen der ganzen Stadt zurechtgewiesen und so langsam dämmerte ihm auch, was er da beinahe angerichtet hätte. Isabella entschuldigte sich bei Lieutenant Placid und Sergeant Gonzales, verabschiedete sich von Diego und Bernard und machte sich mit Felipe auf den Heimweg. Zu Hause machte sie sich wieder an ihre eigentliche Arbeit, sie verglich die Namen der Schiffe, die im Laufe der Woche ankommen sollten, mit der Liste, auf der die Route jedes einzelnen Handelsschiffes verzeichnet war. Antonio kam etwas später zu ihr, er hatte seinem Enkel ebenfalls noch einmal ins Gewissen geredet. "Es tut mir Leid Isabella, ich habe wirklich gedacht, er wäre schon reifer." "Es ist ja nicht Deine Schuld Antonio, aber er muß endlich lernen, daß er mit seinem übermütigen Verhalten die gesamte Mission und unser aller Leben in Gefahr bringt und was noch wichtiger ist, er muß lernen, Befehle zu befolgen. Wenn ich zu ihm sage, er soll zurückkommen, dann ist das ein Befehl, auch wenn ich dabei keine Uniform trage. Bitte mach ihm klar, wie knapp das heute war und daß er beim nächsten Mal keine zweite Chance bekommen wird." "Das werde ich tun, sei unbesorgt." "Nun gut, kommen wir mal wieder zu den anderen Erkenntnissen des heutigen Tages zurück." Sie nahm die Liste vom Schreibtisch und reichte sie ihm. "Ich denke, ich habe das betreffende Schiff gefunden, die ,Santa Anna' soll am Donnerstag hier eintreffen und befährt folgende Route: Barcelona, Nantes, Jerez de la Frontera, Puerto de la Luz, Callao, San Tasco, Los Angelos und zurück. Ich bin der Meinung, das ist unser Schiff." "Hm, damit steht dann allerdings auch endgültig fest, daß sie tatsächlich eine Kanone hierher bringen. Wir haben also noch anderthalb Tage Zeit, um Beweise zu finden und sie vorher festzunehmen. Das dürfte uns kaum gelingen, zumal es Oberst de Cantella niemals rechtzeitig hierher schaffen würde. Wir werden die Dinge auf uns zukommen lassen müssen." "Das gefällt Dir nicht." "Wie sollte es auch? Raymond ist uns in nicht einmal zwei Tagen technisch vollkommen überlegen und wir können nichts dagegen tun." "Also ich finde die Entwicklung gar nicht so verkehrt." Isabella packte die Akten wieder zusammen und versteckte sie im Geheimfach. "Wenn die Kanone in seinen Händen ist, haben wir die Beweise, wir können dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit zugreifen und er muß ja erst einmal mit den Rebellen fertig werden, bevor er einen Putschversuch wagen kann, wir haben also durchaus noch genügend Zeit." "Du hörst Dich an, als hättest Du einen Plan." "Ich habe einen Plan, allerdings braucht der noch etwas Vorbereitung und ein paar Gewißheiten." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)