When fire and ice collide von -Raven- ================================================================================ Kapitel 16: Masken ------------------ 16: MASKEN Ein früher Abend schleicht im Haus herum, Er löscht die Farbe deiner Wangen aus Und hängt dir seine Blässe um. Maibäume stehen im Regen gebückt, Die Berge dampfend voll Wolken wehen, Deine Brust ist dumpf wie der Abend bedrückt. Das Dunkel geht nicht aus den Dingen heraus, Dein Gesicht allein leuchtet weiß hinaus Und sieht starr wie die Maske des Kummers aus. (Max Dauthendey, "Das Dunkel geht nicht aus den Dingen heraus") Noch nie hatte Harry sich so sehr an einen anderen Ort gewünscht, von den Begegnungen mit Voldemort vielleicht einmal abgesehen. So ungern er es sich eingestand - der Tag mit Cho war unangenehmer, als es jede Unterrichtsstunde bei Snape oder seiner verwilderten Nichte jemals hätte sein können. Seit Stunden bereits sprach sie über Cedric Diggory, schleifte Harry an alle Orte, an denen sie jemals mit dem Hufflepuff-Sucher gewesen war... Das war jedoch noch bei weitem nicht das schlimmste. Nachdem sie sich in einem ekelerregend mit rosa Plüsch und feisten, grinsenden Engelsfiguren ausgestatteten Café niedergelassen hatten, stellte Cho wieder diese Frage. "Wie war es, als Cedric gestorben ist ? Wie ist es passiert ?" Seufzend rührte Harry in seinem (im übrigen pinkfarbenen...) funkensprühenden Tee. "Cho... Das habe ich dir jetzt schon fünf oder sechs Mal..." "Ich muss es wissen, Harry ! Und zwar ganz genau ! Verstehst du das denn nicht ?" Ebenfalls zum fünften oder sechsten Mal innerhalb von drei Stunden füllten sich ihre dunklen Augen mit Tränen. Wieder einmal spürte Harry diese lähmende Hilflosigkeit, die es ihm unmöglich machte, vernünftig zu reagieren. Natürlich hatte er gewusst, dass Cho und Cedric miteinander ausgegangen waren - aber dass sie sich so nahe gestanden hatten... "Bitte heul' doch nicht schon wieder !" Noch bevor er den Satz beendet hatte, wurde ihm klar, dass er wieder einmal einen Fehler gemacht hatte. Den wievielten heute, wusste er nicht, und eigentlich spürte er nicht das geringste Bedürfnis, es nachzuzählen. Er hatte doch nun wirklich genug um die Ohren ! Die Visionen, diese ominöse Prophezeiung... und nicht zuletzt die Aussicht, heute Abend eine Privatstunde Okklumentik bei Snape über sich ergehen lassen zu müssen. Der Lehrer für Zaubertränke hatte ihm diese unerfreuliche Mitteilung gemacht, kurz bevor Harry und Cho nach Hogsmeade aufgebrochen waren. "Ich dachte, du wärst anders als die anderen. Aber..." Widerstrebend richtete der Jugendliche seine Aufmerksamkeit wieder auf das weinende Mädchen vor ihm. "Wenn du immer nur an Cedric denkst, warum wolltest du dann mit mir ausgehen ? Nur um mich darüber auszufragen, wie er gestorben ist ?" Augenblicklich bereute er seine harten Worte, doch es war zu spät: Cho sprang schluchzend auf und lief hinaus. "Klasse", murmelte Harry bitter. Warum mache ich eigentlich immer alles falsch ? "Das üben wir aber noch mal", tadelte ihn die kleine, rundliche Wirtin sanft. "Eine Frau zum Weinen zu bringen ist nicht der richtige Weg zu ihrem Herzen." Tatsächlich nicht? Darauf wäre ich nie gekommen. "Ich weiß. Wie viel bekommen Sie ?" "Sei nicht zu hart zu ihm, Onkel Severus." Liebevoll sah Morgaine zu ihrem Onkel hinüber; er hatte sie auf dem Astronomieturm abgeholt und darauf bestanden, ihren Besen für sie zu tragen. Vermutlich hatte De Corson gepetzt... "Warum bleibt so was immer an mir hängen ? Dumbledore könnte doch auch..." "Du bist nun einmal der Beste auf diesem Gebiet. Sieh es als Kompliment." "Ein Kompliment ? Zusätzlicher Unterricht für Potter ?" Er spie den Namen aus, als sei er giftig. "Es muss sein. Und das weißt du auch. Oder denkst du, ich wäre hier, wenn es nicht zwingend notwendig wäre ? Ich kann mir schöneres vorstellen, als einem Haufen Kinder Dinge zu erzählen, die sie eigentlich längst wissen sollten." Severus grinste schief. "Einen hübschen blutigen Kampf, zum Beispiel ?" "Oder einen knusprigen Hauselfen am Spieß", lachte Morgaine. Manchmal war selbst sie von dem verdrehten Humor ihres Onkels überrascht. "Ein Schreibtisch voller auszufüllender Papiere ?" "Ein Abendessen mit Desplechin." "Gemeinschaftsunterricht mit Sybill Trelawney ?" "Eine Partie Schach mit der Umbridge." Sein Gesicht verfinsterte sich. "Du solltest dich nicht mit ihr anlegen. Sie kann dir ernsthafte Schwierigkeiten machen." "Das siehst du falsch. Sie hat sich mit mir angelegt - nicht umgekehrt." "Morgaine..." Urplötzlich blieb er stehen und legte ihr die Hand auf die Schulter. "Ich habe von deinem kleinen... 'Experiment' im Unterricht der Gryffindors gehört. Du lehnst dich zu weit aus dem Fenster ! Wenn das Ministerium das erfährt..." "Berufe ich mich auf mein Recht auf freie Meinungsäußerung. Und die Schüler dürften wohl alt genug sein, sich ihre eigene Meinung zu bilden." "Bist du sicher, dass Umbridge und Fudge das genauso sehen werden ?" Mit einem Schlag war die bleierne Müdigkeit wieder da. Ich will diese Diskussion nicht führen. Ich will nicht mehr kämpfen. Ich will... "Sie werden keine diplomatischen Konsequenzen riskieren. Cormac Duguay steht hinter mir." "Stellt sich nur die Frage, wie weit er gehen kann und wird, um dich zu schützen." "Er schützt nicht mich, er schützt unsere Sache. Das ist ein gravierender Unterschied." "Aber..." Abwehrend hob sie die Hand. "Bitte - ich bin sehr müde. Ich würde jetzt gerne schlafen gehen." Sein obsidianschwarzer Blick wurde weich. "Natürlich. Entschuldige." "Ich werde zu alt für so was. Ich sollte in Rente gehen." "Du bist erst zwanzig." "Ich fühle mich wie zweihundert." "Hör auf zu jammern. Schlaf lieber ein bisschen." "Spar' dir deine Ratschläge." Mißmutig sah sie ihren Schutzgeist an; der Wolf erwiderte den Blick freundlich. "Du bist müde und überreizt. Ich werde jetzt nicht mit dir diskutieren." Wütend schnaubend feuerte Morgaine ihren Besen in die Ecke. "Würdest du bitte aufhören, mich zu behandeln wie ein kleines Kind ?" Wieder dieses sanfte Wolfslächeln. "Im Vergleich zu mir bist du das." "Angeber." Natürlich konnte sie ihm nicht wirklich böse sein - was er leider nur zu gut wusste. "Du hast Post", bemerkte Scátach beiläufig. Und tatsächlich lag auf ihrem (wie immer überfüllten) Schreibtisch ein kleines Päckchen, sorgsam in tiefrotes Papier gewickelt, aber ohne Absender. Nachdem sie es routinemäßig auf Flüche und Explosionszauber geprüft hatte, öffnete die Elementarhexe es. "Merde..." Sie musste ihre hellseherischen Fähigkeiten nicht einsetzen, um zu wissen, wer ihr das Tigeraugen-Collier hatte zukommen lassen. "Maudit bâtard¹ ! Fils de pute² !" "Du warst schon kreativer." Ohne den Geist zu beachten inspizierte Morgaine die beiliegende Karte. Eine kleine Aufmerksamkeit zu unserem Jahrestag. In Liebe, L. "Unser Jahrestag ? Welchen verfluchten Teil von 'Nein' hat er nicht verstanden ? Macha !" Sie überlegte kurz, ob sie eine passende Antwort auf die Karte schreiben oder wenigstens das Kästchen mit einem Schnappzauber belegen sollte, bevor sie es zurückschickte, entschied sich dann aber dagegen. "Du solltest es behalten." "Spinnst du ? Ich bin doch nicht käuflich !" "Nein, und das solltest du ihm auch mitteilen. Aber wenn er schon so dämlich ist, dir das Collier zu schenken... Und stell' dir vor, du schickst es ihm zurück und Narcissa bekommt es in die Finger." "Das will ich doch schwer hoffen !" Scátach gähnte. "Versuch' das bei jemandem, der dich noch nicht so lange kennt. Und überhaupt - das Ding ist eine Menge wert. Behalt' es als Reserve für schlechte Zeiten." "So was macht man nicht." Wieder einmal wurde Morgaine bewusst, warum ihr Schutzgeist zu Lebzeiten des öfteren Konflikte mit diversen Gesetzeshütern gehabt hatte... "Hast du dich jemals dafür interessiert, was 'man' macht ? Verpack' es in einigen höflichen, offiziellen Zeilen. Immerhin bist du eine international anerkannte Expertin im Umgang mit verfluchten Gegenständen. Und Lucius hat dir freundlicherweise dabei geholfen, ein besonders gefährliches Stück aus dem Verkehr zu ziehen. Dein Dank wird ihm ewig nachschleichen und ihn doch nie einholen. Punkt, mit freundlichen Grüßen im Namen des französischen Ministeriums und so weiter." "Wenn ich es nicht tue, wirst du mich dann den ganzen Abend lang weiternerven ?" "Und die Nacht. Und den darauffolgenden Tag. Und..." "In Ordnung !" Sie verfasste einen kurzen, betont amtlichen Brief, unterschrieb ihn mit "M. LaMort, Aurorin" und übergab ihn ihrer Eule, die sich inzwischen dazu herabgelassen hatte, ihrem Ruf zu folgen. Kaum hatte sich der Vogel auf den Weg gemacht, warf sich die junge Frau auf ihr Bett. "Zieh deine Stiefel aus", mahnte der Wolf. "Ja doch..." Grinsend machte es sich der Geist auf ihren Füßen bequem; sein Glück, dass sie zu müde war, um ihn zu verscheuchen... Nach Chos zugegeben filmreifem Abgang hatte Harry keine Lust mehr, in Hogsmeade zu bleiben. Die anderen würden nur dumme Fragen stellen und versuchen, ihm noch mehr gute Tipps zu geben... Aus einer plötzlichen Eingebung heraus machte er sich auf den Weg zu Hagrids Hütte. Durch die Aufregung der letzten Tage war er noch gar nicht dazu gekommen, seinen Freund zu besuchen - von Ron und Hermine mal ganz zu schweigen. Die sind doch viel zu sehr damit beschäftigt, einen auf Vertrauensschüler zu machen ! Natürlich war dieser Gedanke unfair, aber Harry hatte momentan wirklich nicht die Nerven, gerecht zu sein. Schließlich war ja auch niemand ihm gegenüber gerecht, oder ? Wenigstens Hagrid freute sich aufrichtig, ihn wiederzusehen. Nachdem er Harry beinahe in seiner überschwänglichen Umarmung zerquetscht hatte, setzte er ihm Tee vor und ließ sich ausgiebig sämtlichen Schulklatsch erzählen. Irgendwann wurde es Harry schließlich zu viel. "Wie war es bei den Riesen, Hagrid ?" "Öhm... Ich darf dir nichts sagen, Harry. Tut mir leid." Nicht schon wieder ! Viel zu heftig stellte Harry seine Tasse ab; heißer Tee schwappte über seine Hand. "Immer Vorsicht mit den jungen Hippogreifen ! Hast du dir was getan ?" "Nein", schnappte der Teenager übellaunig. "Schlechte Laune ?" "Alle behandeln mich wie ein Kind ! Niemand erzählt mir irgend etwas, weder Dumbledore noch Sirius noch die LaMort oder sonst wer ! Dabei bin ich doch derjenige, um den es hier geht !" Seufzend ließ sich der riesenhafte Wildhüter ihm gegenüber nieder. "Weißt du, Harry... Vielleicht ist es besser, wenn du manche Sachen noch nicht weißt. Würde dich nur nervös machen. Professor Dumbledore weiß, was er tut. Und Professor LaMort auch." "Sirius nicht ?" "Du bist heute aber wirklich giftig. Hey, ich hab' ne Überraschung für dich. Morgen." Da Hagrids Überraschungen meistens bissen, giftig waren, Feuer spien oder zu viele Beine hatten, hielt sich Harrys Freude in Grenzen. "Was denn ?" "Wirst schon sehen. Das wird echt toll ! Professor LaMort meint..." Aaaaaargh ! "Bitte nicht ! Sag' mir bitte, dass du nicht auch noch in sie verknallt bist !" Hagrid machte ein überaus verdutztes Gesicht, soweit man das hinter seinem wuchernden Bartgestrüpp überhaupt erkennen konnte. "Nö. Zu dünn. An 'ner Frau muss was dran sein. Und zu klein ist sie auch." "Wenigstens du bist noch klar im Kopf. Aber was hat sie denn jetzt mit der Überraschung zu tun ?" "Hab' ich doch gesagt: wirst du schon sehen." Die alte Wanduhr schepperte sechsmal. Harry erstarrte. "Oh Mist ! Ich muss los ! Ich muss um sechs Uhr bei Snape sein !!!" Aus fünf Minuten Verspätung (die schon schlimm genug gewesen wären) wurden zehn, da Harry zu allem Unglück auch noch Argus Filch über den Weg lief. "He, Bürschchen ! In den Gängen wird nicht gerannt ! Komm mal mit !" Erst als Harry Snapes Namen erwähnte, machte der Hausmeister überhaupt Anstalten, ihm zuzuhören. "Professor Snape ? Gute Idee. Soll ihm sowieso Bescheid sagen, wenn du dich mal wieder daneben benimmst. Gehen wir." "Herein." Snapes Stimme war noch kälter als gewöhnlich, und von seinem Blick hätte man Frostbeulen bekommen können. "Potter." "Hab' ihn erwischt, Professor. Er ist in den Gängen gerannt, und..." "Schon gut, Filch. Ich kümmere mich um alles weitere." Der Schülerhasser verzog enttäuscht seinen ohnehin schon schiefen Mund. "Keine Daumenschrauben ?" "Nein. Danke, Filch." "Wie wäre es denn mit Brenneisen ? Ich habe ein paar in meinem Büro..." "Ich sagte vielen Dank." Brummelnd trollte Filch sich, seine grässliche Katze wie immer im Schlepptau. Kaum hatte sich die Tür hinter ihm geschlossen, richtete Snape seine glitzernden Augen auf Harry. "So. Mister Potter hat sich also doch noch dazu durchringen können, hier zu erscheinen. Wie überaus gnädig." Der Junge schluckte. "Entschuldigung, Professor. Ich habe nicht auf die Zeit geachtet." "Natürlich haben Sie das nicht. Ein Potter hat so etwas nicht nötig. Warum auch ? Alle um ihn herum geben sich ja die größte Mühe, ihn zu beschützen. Warum sollte Mister Potter also auch selbst einen Beitrag dazu leisten ?" Zorn stieg in Harry auf. "Sie..." "Schweigen Sie, Potter. Zu viele große Zauberer und Hexen haben ihr Leben geopfert, nur um Sie zu schützen - und ich spreche nicht von Ihren Eltern. Aber das bedeutet Ihnen ja nichts." Der Hass in der Stimme seines Lehrers ließ den Teenager erschauern. "Ich..." "Setzen Sie sich. Wir fangen an." Ein böses Lächeln kroch über Snapes markantes Gesicht. "Im übrigen würde ich Ihnen raten, zu Professor LaMorts... 'Nachhilfeunterricht' nicht zu spät zu kommen." "Wie...wieso Professor LaMort ?" "Hat der Schulleiter es Ihnen noch nicht mitgeteilt ? Aufgrund Ihrer erbärmlichen Leistungen im Fach 'Verteidigung gegen die Dunklen Künste' wird Professor LaMort Ihnen Nachhilfe erteilen - und zwar im Wechsel mit meinen Zusatzstunden. Ganz Hogwarts wird Sie für einen Versager halten, Potter. Sind das nicht erfreuliche Aussichten ?" Bei dem bloßen Gedanken an Draco Malfoys Reaktion auf diese Neuigkeiten wurde Harry ganz anders. Er konnte sich die Slytherin-Sprechchöre bei dem Quidditch-Match in drei Tagen sehr gut vorstellen... "Legilimens !" Ohne Vorwarnung drang Snape in seinen Geist ein. Es war ähnlich wie der Kontakt mit der Elementarhexe in London - aber nicht ganz so unangenehm. "Wehren Sie sich, Potter !" Ich weiß nicht, wie... "Natürlich weißt du das nicht. Das ist ja der Witz an der ganzen Sache." Erschrocken versuchte Harry, einen klaren Kopf zu bekommen. Waren das etwa Snapes Gedanken gewesen ? Der geistige Klammergriff wurde gelockert; benommen sank Harry in sich zusammen. "Gefallen Sie sich in der Rolle des Opfers, Potter ? Oder warum haben Sie nicht einmal versucht, sich zu wehren ?" "Ich... wie ?" Mit angewiderter Miene begann Snape, in seinem Büro auf- und abzugehen. "Die Okklumentik ist einer der effektivsten Defensivzauber...", begann er. Harry hatte das Gefühl, dass es ein sehr langer, sehr unangenehmer Nachmittag werden würde - und dass er das Quidditch-Training für heute vergessen konnte. ¹: maudit bâtard - verdammter Bastard ²: fils de pute - Hurensohn Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)