Limetree Leaves von Riyo ================================================================================ Etwas kühl war es schon geworden. Schnell stieg sie in das Bahnabteil, wickelte den grauen, großen Schal vom Hals und setzte sich auf einen Sitz in einer Vierersitzgruppe. Sie wollte das Buch lesen, dass ihr die alte Frau von neben an geschenkt hatte. Das war an ihrem letzten Geburtstag, bei dem es viel von ihrem Lieblingskuchen gab. Sie hatte die Frau sehr gerne, wenn es nicht sogar ihre beste Freundin war. Durch die Kälte erkannte das junge Mädchen kaum Buchstaben und packte die Lektüre zurück in ihre saphirfarbene Tasche. Noch über 10 Stationen hatte sie zu fahren. Wie fast jeden Tag, und so beschloss sie ein wenig zu schlafen. "Nächster Halt: Schollstraße". Kurz öffnete sie ihre himmelblauen Augen, nur um zu sehen, ob jemand zugestiegen war. Beim Anblick des großen, dünnen Mannes mit der seltsamen Narbe im Gesicht schloss sie die Augen auch schnell wieder. Ein Rucken ging durch die Bahn. Endstation. "Verdammt, eine Station zurücklaufen..." dachte sie bei sich und stand auf. Der Unbekannte war bereits ausgestiegen, doch neben ihr lag ein seltsames Kuvert. Darauf war ein ominöses Lindenblattmuster in feiner roter Tinte gezeichnet. Ohne zu überlegen nahm sie es. Vielleicht kann man es beim Fundbüro abgeben. Natürlich war es nicht wärmer geworden und in diesem eisigen Wind nach Hause zu laufen ließ sie ein wenig deprimiert dreinschauen. "Hey, Aya. So spät noch unterwegs? Komm steig auf!" Da war er: blondiert, braune Augen, das hübscheste Gesicht überhaupt und verdammt gut aussehend. Nazir. Aushilfe im Minimarkt, bester Freund und ihre heimliche Leidenschaft. Ohne zu zögern begab sich Aya auf das wahrscheinlich älteste Moped, das man bekommen kann und vergaß den Regen, der beide bedeckte. In ihrer Wohnung sah sie dann den Brief. "Zeig her!", "Der gehört nicht mir!" "Kennst du die Adresse?....oh, Gott....willst du mich verschaukeln? Seit wann triffst du dich mit Perversen?" "Ich hab doch gesagt, es ist nicht meiner. Wurde mir zugesteckt!" "Gut, wir gehen da hin..." "Was bitte?...was steht denn da?...Du willst...?" "Ja, genau, solche Leute müssen gefasst werden." Nazirs Gerechtigkeitssinn. Aber nachzuvollziehen. Er wurde einmal entführt, weil man ihn verwechselte. Mittlerweile hat er das Trauma überwunden. "Gut, okay....was steht da?...Cafe am grünen Hain...." Als ein wenig riskant empfand sie es, doch wenn er dabei war, machte sie sich keine Gedanken. Da saßen sie nun. Schon seit einer halben Stunde. Doch dann bemerkte sie es. Auf ihrer Serviette war eine Adresse, ganz fein geschrieben. Mit roter Tinte. Ein Lindenblatt zierte die Nachricht. "Schnell, ehe wir sie verpassen." Das waren die Worte, die sich Aya nicht gewünscht hatte, doch sie folgte ihm. Alleine konnte sie ihn nicht hingehen lassen. Es goss wie aus Kannen. Gerade so konnte man die Hausnummer entziffern. Völlig verschmiert, der gesamte Block. Im Briefkasten war der Schlüssel. Die Wohnung lag ganz unten. Die Eingangstür mit dem Lindenblattsymbol weckte in Aya großes Misstrauen. Ein letztes Mal atmete Nazir tief ein. Beim ausatmen öffnete er behutsam die verklebte Tür. Eine düstere Wohnung offenbarte sich. Einzige Lichtquelle: eine rote Lampe, die alles in dieses unerträglich drückende Rot einhüllte. In der Ecke auf dem kalten Fußboden: ein Körper. Scheinbar leblos. Langsam näherte sich Aya dem Menschen und stellte fest, dass der Mann noch lebte. Nur mit einem Seil gefesselt und nackt lag er wimmernd auf dem Kalten Fliesenboden. Mit dem Messer, das sie zur Sicherheit mitgenommen hatte, schnitt sie ihm die Hände frei. Sachte löste sie das Tuch von seinem Mund, welches ihn knebelte. Der Mund des Mannes öffnete sich mit einem Grinsen, "Willkommen im Paradies!" Schreckhaft sprang Aya zurück und klammerte sich an ein Männerbein, sah nach oben und schrie als sie merkte, dass der mysteriöse Mann aus der Bahn ein Messer auf sie richtete. Sie rannte in Richtung Terrassentür, blieb mit ihrem langen schwarzen Haar hängen und rannte mit Schmerzen in die dunklen Gassen. Schritte. Rennen. Sie wurde verfolgt. "Aya....Süßes! Bleib stehen, mein Engel!" Woher kannte er ihren Namen? Ihr Puls raste. Überall sprangen ihr Ratten und Spinnen entgegen und ständig blieb sie irgendwo hängen. Es tropfte pausenlos Regen und undefinierbare Batzen auf sie herab. Immer und immer wieder drehte sie sich um, sah nur den Schatten ihres Verfolgers. Immer näher und näher kam er. Beinahe blieb ihr das Herz stehen. Dann passierte es: Aya stürzte. Schnell wischte sie sich den klebrigen Schleim aus dem Gesicht und wollte weiter. Vor ihr baute sich ein Schatten auf. Gigantisch. Mächtig. Zitternd wich sie zurück und dann sah sie es klarer: Es bellte sie doch nur ein großer Hund an. Doch die Schritte verfolgten sie immer noch und schnell hechtete sie hinter die nächste Ecke. Ein Zusammenstoß. Mit einem Klatschen lag sie im Matsch. Bibbernd vor Angst schaute sie nach oben. "Nazir, du..." "Psst...hier sind wir erstmal sicher." Lange saßen sie zusammengekauert hinter dem laweden Zaun. Nass. Frierend. Keuchend vor Schmerz blickte sie zu ihm. Sehr ängstlich sah er nicht aus. Auf einmal fühlte sie sich sicher, geborgen, beschützt. Gerade wollte sie sehen, ob sie noch jemand verfolgte, da spürte sie, wie etwas auf ihren Kopf fiel. Dann wurde alles um sie herum schwarz. Schmerzerfüllt war das Erwachen. Was hatte das zu bedeuten? War es ein Traum? Sie öffnete ihre Augen sachte. Ein bedrückendes Rot nahm sie ein. Sie war nackt. Überall im Raum war diese anregende, zarte Musik. Dieses Aroma. Ganz besondere Räucherstäbchen. Sie fühlte sich sonderbar wohl. Doch sie konnte nicht aufstehen. Überall war sie gefesselt und ihr waren Dinge angezogen worden, die dem Begriff Bekleidung unwürdig waren. Irgendetwas stimmte nicht. Sie fühlte Berührungen und ihre Haut bedeckte eine seltsame Flüssigkeit. Nun sah sie deutlicher: Ein wenig ab von ihr saßen zwei Gestalten, die sich küssten. Wild, innig, nahezu schmutzig. Auch sie waren nackt. Sie sahen zu ihr rüber. Lasziv. Es waren der Mann aus dem Zug und das vermeintliche Opfer. Dann packte sie jemand fest an den Haaren. Ein vertrautes, warmes Gesicht. Nazir. Sie hatte Schmerzen. Nun nicht mehr nur am Kopf. "Sollen wir dir deine Wunden lecken? Armes Engelchen... Gefällt es dir bei uns? Genieße es, bald ist es vorbei." Obwohl sie noch sehr benebelt war, hatte sie Angst und unerträgliche Schmerzen machten sich von Kopf und Genitalbereich über den gesamten Körper breit. Schmerzerfüllt schloss sie die Augen. Küsse wurden ihr aufgedrückt. Überall. Sie waren hart und verlangend. Dann stoppte es. Aya öffnete die Augen. Wo waren sie hin? War das real? Dieser Schmerz... Da blitzte etwas auf. Eine Klinge. So glänzend und schön. Die Klinge eines dünnen, gewaltigen Messers. Der ehemals geknebelte Mann hielt das Katana in den Händen. Vorfreude blitzte aus seinen Augen. Dies wurde von den wohlwollend grinsenden Gesichtern der anderen beiden unterstrichen. Langsam setzte er das Schwert an. Leicht wie eine Feder und doch schmerzvoll durchzog es ihren Leib. Zart bahnte sich das rote Blut von unterhalb ihrer Rippen bis oberhalb ihrer Hüfte. Da hielt er es in der Hand. Ein zartrosa Stück von ihr. Nie hatte sie solche Schmerzen gehabt. Wie gelähmt lag sie da. Genüsslich führte man das Fleisch von Mund zu Mund. Nur für eine kurze Berührung. Auch ihr Mund wurde mit dieser scheinbaren Köstlichkeit umspielt. Schließlich war es bei ihm. Er, dem sie schon immer vertraute. Sein Antlitz erstrahlte gerade zu. Langsam wurde er mit einem Teil von ihr gefüttert. Geschmeidig liebkoste seine Zunge dieses zweifelhafte Objekt der Lust. Voller Schmerzen holte sie die Ohnmacht wieder ein. Warme Sonnenstrahlen kitzelten ihre Wimpern. Ein zarter Kuss holte sie aus ihrem Schlaf. Nun lag sie da. In weißer Bettwäsche. Neben Nazir. In seiner Wohnung. Ein leichter Schreck ließ sie sich aufrichten. "Was hast du?" Wieder war sie nackt. Aber angenehmer. War sie endlich mit ihm zusammengekommen? Liebte er sie? War am Ende alles nur ein Traum? Waren diese Erinnerungen böse Fiktion? "Du hast gestern ganz schön getrunken. Geht es dir schlecht?" Sie genoss seine sanfte Stimme. "Hmm...nein. Alles okay. Sag mal, ... , waren wir gestern noch in diesem Cafe?" "Haha, du bist mir ein Mäuschen! Was für ein Cafe denn? Ich weiß nicht, was du meinst." Er schenkte ihr ein wunderbares Lächeln. "Ach, ist schon gut. Hab anscheinend einen fiesen Kater..." Aya stand auf, um sich frisch zu machen. Glücklich und dennoch nachdenklich und verwirrt. Langsam tropfte das klare Wasser ihren Körper hinab. Irgendwie hatte sie Hunger. Sie wollte sich nur schnell abspülen und dann endlich mit ihrem Liebsten frühstücken. Hüpfend stieg sie aus der Badewanne, wischte flink mit dem Handtuch über ihren Körper und verließ das Badezimmer. Sie schritt in den verspiegelten Flur. Sie fühlte sich so nackt und rein. Sie sah in die Küche, wo Nazir sie bereits erwartete. Gerade wollte sie die Küche betreten, da verlor sie ihr Handtuch. Sie wendete sich, bückte sich, um es aufzuheben. Dabei streifte ihr Blick den Spiegel. Langsam und ängstlich legte sie den Kopf zur Seite. Trügten sie ihre Augen? Über ihren Bauch entlang zog sich eine große Narbe in Form eines Lindenblatts. Im Spiegel sah sie sein trügerisches Lächeln. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)