The Saga - Blossom of Eternity von Pansy ================================================================================ Kapitel 14: Chapter 14: Ardour of wicked vein --------------------------------------------- Chapter 14: Ardour of wicked vein Sanft strich Jake über Kiaras Kopf, die auf dem Beifahrersitz leicht döste. Lange schaute er in ihr hübsches Gesicht und wandte erst nach vielen Minuten den Blick ab. Während er sie aus der Kirche getragen hatte, hatte sie sich weiterhin fest an ihn geklammert. Am ganzen Körper hatte sie gezittert... Notdürftig verarztete Jake nun seine aufgerissenen Hände. Das getrocknete Blut versuchte er mit ein bisschen Wasser wegzuwischen und riss dann ein T-Shirt entzwei und band das kleinere Stück um seine Rechte und das größere um seine Linke, die wesentlich mehr schmerzte als er sich eingestand. Nachdem der letzte Knoten gesetzt war, hob er die Hände vors Gesicht und drehte sie ein paar Mal hin und her. /Wie hätte ich sie sonst da raus holen sollen!? Welch Hindernis es auch sein mag.../ Dong...dong... Mit erzürntem Blick beugte er sich nach vorne und sah zur massiven Glocke empor, die schwerfällig von einer Seite zur anderen schwang. Das dumpfe Läuten schien eine Ewigkeit nachzuhallen, bis es sich endlich in der wohl ersehnten Weite verlor. /Dachte ich es mir doch... aber warum war mir das nicht schon vorher aufgefallen? Ich hab direkt daneben gestanden und... ich hab.../ Sein Blick wanderte wieder zu Kiara. /...versagt./ "Er war verhüllt, ich konnte ihn nicht sehen. Aber als er mich berührte, durchflutete mich eine eisige Kälte." Bei dem Gedanken erschauerte Kiara. "Und plötzlich war ich wieder in der Kirche und da warst du..." /... sieh mich nicht so dankbar an, das habe ich nicht verdient... Mein Scheitern ist unverzeihlich./ "Ah Jake, was", sie legte behutsam eine Hand auf seine, "ist passiert?" "Halb so wild, nichts Ernstes." /Wenn ich dir sagen würde, dass ich sie zwischen die Türhälften gepresst habe, um zu dir zu gelangen... wenn ich sagen würde, dass ich einen Teil meiner Haut dort zurückgelassen habe,... würdest du dir nur Sorgen machen... die ich nicht verdient habe.../ "Aber-" "Nein wirklich, es tut auch gar nicht weiter weh." Er zwang sich zu einem ehrlichen Lächeln, das ihm anscheinend recht gut gelang, da sie nicht weiter nachhakte. "Jake?", begann sie, als sie sich wieder zurückgelehnt hatte. "Es war kein-" /Traum./ Das letzte Wort wollte ihr nicht über die Lippen gehen. "Ja?" "Ähm, kein schöner Ort." "Nein, das war er wirklich nicht." Sie wusste nicht, warum sie es ihm nicht sagen konnte. Ein Teil von ihr wollte es irgendwie für sich behalten. Nachdenklich blickte sie hinaus. Der Regen hatte wieder eingesetzt und ergoss sich nun in Strömen. Die Äste der Buche zur Linken der Kirche wogen friedlos im Wind... "Lass uns endlich weggehen von hier." Sie fuhren mindestens zwei Stunden, bis sie ihr Ziel erreichten. Der Abend hatte schon seine Züge genommen und die Nacht brach mit all ihren Facetten an. Wo die vielen Sterne und der fast volle Mond sein sollten, waren nur dicke Wolken, die ein tiefes Grau bis Schwarz annahmen. Zaghaft beleuchteten die orange schimmernden Laternen den Weg. "Darf ich bitten?" Mit seiner bandagierten Hand zeigte Jake auf eine cremefarbene Tür, die die Nummer 21 in eisernen Lettern trug. Lediglich ein mattes Lächeln entgegnete Kiara. Ihre ganze Erscheinung war deutlich von den Erlebnissen des Tages gezeichnet. Ihr kam es so unwirklich vor, dass sie am Morgen noch so überglücklich gewesen war. Wie in weiter Ferne schien die innige Berührung mit Jake zurückzuliegen... dieses wohlige Gefühl der vergangenen Nacht hätte sie zu gern wieder verspürt, doch es blieb ihr verwehrt. Eher suchte sie nun eine tief gehende Leere heim, die sie zu verdrängen versuchte... "Ich wünsche dir eine erholsame Nacht, Kiara." /Und hoffe, dass du in Ruhe schlafen kannst./ Behutsam küsste er sie auf die Stirn und ließ einen Finger über ihre kalte Wange streifen. "Gute Nacht.", murmelte sie abwesend. Besorgt ließ er die Tür zum Schlafzimmer ins Schloss fallen und legte sich selbst schlafen. Er machte es sich auf der Couch gemütlich, die in der Mitte des Hauptraumes stand. Zu dem kleinen Apartment, das er gemietet hatte, gehörte noch ein tristes Bad. Aber nachdem er froh war, überhaupt eine Übernachtungsmöglichkeit gefunden zu haben, nachdem sie um einiges verspätet im Forest of Eagle angekommen waren, hatte er keinen Grund, irgendetwas am seltsamen Geschmack der Einrichtung zu bemängeln. Eine kaputte Feder spießte ihm in den Rücken, doch er wollte daran keinen Gedanken verschwenden. Es gab nun wichtigeres und das war ein bisschen schlafen, um Kraft zu tanken. Die Wogen der Finsternis beginnen zu wallen, siehst du die schwarzen Federn fallen? Bleib den stechenden Augen fern, sie haben frisches Blut viel zu gern... Der nächste Morgen brach herein. Warme Sonnenstrahlen fielen durchs Fenster und weckten Jake. Sich dehnend und streckend stand er auf und sah hinaus. Nur noch wenige Wolken trübten den Himmel und nichts von der bedrückenden Atmosphäre des Vortages war mehr sichtbar. Die Sonne tauchte den Wald unter ihm in ein friedvolles und angenehmes Licht. Die hohen Baumspitzen reckten sich den gut gesinnten Strahlen entgegen. Leise drangen die Geräusche der Natur, unter anderen helle Vogelstimmen, ins Zimmer. Jake erfreute sich sehr daran. Ein tiefer Atemzug entwich seiner Kehle. /Was gestern geschah, hätte sich nicht ereignen dürfen. Wie sie die Begegnung wohl wegsteckt? Ich hätte dies niemals zulassen dürfen./ "Guten Morgen." Kiara war lautlos eingetreten und gesellte sich zu ihm ans Fenster. Ein wenig erschrocken sah er sie an und legte dann einen Arm um sie, drückte sie an sich. "Wie geht´s dir?", fragte er sie mit sanfter Stimme. /Deine Augen verraten mir, dass du nicht glücklich bist... sie ersehnen Frieden, den ich dir geben möchte.../ "Alles in Ordnung." Mit einem breiten Lächeln schaute sie zu ihm auf und wandte dann den Blick nach draußen. "Wunderschöner Ausblick." /Warum lügst du mich an? Warum sagst du mir nicht, wie es wirklich um dich steht?/ Aber Jake hatte nicht das Recht, ihr Vorwürfe zu machen. Schließlich wusste er mehr als er ihr sagen konnte. Ja, er lebte auch viel in Unwissenheit, doch das bisschen, das er wusste, war weitaus mehr als er ihr preisgegeben hatte. "Ja ist eine wunderschöne Gegend. Was hältst du davon einen kleinen Spaziergang zu machen?" Sie nickte, gab ihm einen flüchtigen Kuss auf seine Lippen und verschwand dann im Bad. /Du versuchst, die Pein zu überspielen... hoffentlich versinkst du nicht in den schrecklichen Erlebnissen... wir brauchen dich, die Welt braucht dich... ich brauche dich... und ich werde mich für dich opfern, wenn es die Umstände erfordern sollten.../ Sie liefen durch den Wald, kühlten ihre Hände in einem kleinen Bach, der so klar war, dass man jeden einzelnen Stein am Grund deutlich erkennen konnte, und beobachteten einen Adler, der seine Kreise zog. Es schien, als ob nie was passiert wäre; als ob es keinen Mann von Stoff umhüllt gegeben hätte, der Kiara zu nahe gekommen war... "Ich hab immer dasselbe Motiv gemalt. Meine Kunstlehrerin verzweifelte schon an mir." Ein Lächeln huschte über Kiaras Lippen. "Sie meinte, ich sei besessen von diesen Augen..." "..." "Wobei sie da gar nicht unrecht hatte.", fügte sie leise hinzu. "Frederic meinte dafür, ich sollte das endlich mal zu Papier bringen, was ich in meinen Träumen sehe, um endlich damit aufzuhören, ihm immer und immer wieder dasselbe zu erzählen. Er war manchmal richtig genervt von mir." Ihre Blicke trafen sich kurz und dann lachten beide los. Plötzlich ergriff Jake Kiaras Arm und sie blieben stehen, das Lachen verstummte. Er sah sie nun ernst und lange an. "Ich hoffe, du weißt, dass du mir alles sagen kannst. Auch wenn wir uns erst vor einigen Tagen zum ersten Mal gesehen haben, kennen wir uns doch schon viel länger... Ich möchte dir hiermit sagen,... dass ich für dich da bin." /Hast du mir überhaupt zugehört? Deine Augen bergen plötzlich eine solche Leere... sie spiegeln nichts wider... nicht einmal mein Abbild.../ Minuten des Schweigens zogen dahin. Kiaras blasser Teint hob sich nicht im Geringsten vom weiß-grauen Felsen hinter ihr ab. Ein leichter Windzug blies ihr Haar ins Gesicht, doch sie reagierte nicht einmal mit einem Lidschlag darauf. Das leise Pfeifen, das zu ihnen drang, wenn sich die Luft in den Ritzen des Berges fing, hallte lange in Jakes Verstand nach. Seine Sorge um Kiara wuchs zunehmend, denn sie wirkte so starr, fast leblos. "Kiara?" "Ja ich weiß, dass du für mich da bist.", sagte sie glücklich und ihre Gesichtszüge waren wieder unerwartet lebendig. /Von einem Moment auf den anderen.../ Irritiert zog er sie fest an sich. "Hey nicht so fest, du erdrückst mich noch.", sagte sie neckisch. /...warst du weggetreten... und nun bist du wieder... gänzlich gegenwärtig./ Er beugte sich zu ihr hinab und begann sie zu küssen... Ab diesem Moment war Kiara wieder völlig sie selbst. Den restlichen Tag schienen beide zu genießen. Es tat ihnen unwahrscheinlich gut, ungestört zu sein. Sie redeten viel, durchforsteten die Gegend und hatten Spaß. Als sie durch das kühle Wasser wateten, bespritzten sie sich gegenseitig vergnügt, und als sie den großen Felsen erklommen, zog Jake Kiara freudig hinter sich her. Für diese Stunden gab es keinen Psalm 21, es gab keinen Mann in Stoff gehüllt, es gab keinen, der sie ängstigte. Für diese Stunden gab es einzig und allein sie beide. Selbst Jake, der sehr besorgt um Kiara war, ließ sich von den warmen Sonnenstrahlen und dem blauen Himmel hinreißen. All die trüben Gedanken schoben beide weit von sich weg. Für beide zählte für diese Augenblicke nur noch der jeweils andere... "Hast du dich auch mal gefragt, was dort oben noch so alles ist?" Kiara deutete auf den klaren Himmel. Ihr Kopf lag auf Jakes Brust und sie konnte den rhythmischen Takt seines Herzschlages vernehmen. "Sehr oft sogar. Vor allem abends, wenn ich bei uns zuhause allein auf der Terrasse saß, sah ich immer gen Horizont. Meine Sehnsucht nach dir war so groß und ich durfte nicht zu dir... und da blickte ich immer hoch zu den Sternen und empfand sie näher als dich..." Seine Hand streichelte ihren Arm, während er sprach. "Und da stellte ich mir vor, wie wir uns dort oben träfen... irgendwo dort oben in der Ferne." "Mh-mhh, dort oben zwischen den Himmelskörpern tanzen..." "Sich frei und ungebunden in den Armen des anderen wieder findend-" "dahinschweben.", beendete Kiara Jakes Gedanken. Kiara erhob sich nun so weit, dass sie mit purem Glanz in den Augen Jake ansehen konnte. "Lass mich schweben!", flüsterte sie hauchzart in die Luft. Ihre Lippen näherten sich den seinigen und die Berührung zwischen ihnen entfachte erneut eine Leidenschaft, die Kiara erbeben ließ. Langsam fuhr sie mit einer Hand über sein Gesicht und vergrub sie dann in seinen weichen Haaren. Sie küssten sich innig und Jakes Finger wanderten unter ihre Bluse, fuhren ihren warmen Rücken auf und ab. Leicht zitternd tastete sich ihr Mund zu seinem Hals und liebkoste mit der Zunge seine erhitzte Haut. Sie hörte, wie sein Atem immer schneller wurde. Kurz ließ sie von ihm ab, suchte aber bald wieder seine Lippen auf. Die Begierde wuchs rasch und sie verloren sich allmählich in ihrer Erregung. Ihre Zungen spielten miteinander und ihre Hände glitten vom Kopf bis zur Taille des anderen. Sie konnten nicht voneinander ablassen, bis plötzlich ein schriller Schrei die Stille durchbrach. Zugleich, als sie sich erschrocken umsahen, folgte ein zweiter ohrenbetäubender Laut. Kurz darauf näherten sich zwei Adler wild mit den Flügeln schlagend. Ihre hakenförmig gebogenen Schnäbel und besonders ihre scharfen gelben Augen wirkten Furcht einflößend. Mit lautem Geschrei und weit gespannten Flügeln zogen sie mehrere Kreise über Jakes und Kiaras Köpfe hinweg und ließen sich dann auf einem Felsvorsprung ganz in ihrer Nähe nieder. "Sie sind ganz schön aufgebracht." Kiara sah zu den beiden Vögeln und betrachtete das braune Gefieder, das im Sonnenlicht teils gräulich glänzte. "Irgendwie wirken sie..." "Beunruhigt.", ergänzte Jake. Die Augen des etwas kleineren Steinadlers wanderten ständig zwischen den beiden hin und her, bis sein Blick letztendlich auf Kiara ruhen blieb. "Seltsam. Ich dachte, der Aquila chrysaetos hält sich nicht in der Nähe von Menschen auf." "Der was?" "Aquila chrysaetos ist der lateinische Name für diese Gattung... schau mich nicht so verblüfft an, das habe ich mal gelesen." "Mh..." "Eventuell sind sie Menschen in ihrer unmittelbaren Umgebung gewohnt, doch... dass sie sich so nah aufhalten, wundert mich sehr." "Jake!? Sieh mal genau hin!" Obwohl er mehr als eine Minute lang die zwei Adler begutachtete, wusste er nicht, auf was Kiara hinauswollte. "Was meinst du?" "Siehst du das nicht?" "Was soll ich sehen?" "..." "Komm sag schon." "Naja, vielleicht bilde ich mir das auch nur ein." Ein wenig gereizt drehte er seinen Kopf zur Seite und blickte Kiara an, deren lockiges Haar in verschiedenen Erdtönen funkelte. "Bitte Kiara." Ihren Namen sprach er mit besonderer Betonung aus. "Das Gefieder... es wirkt so... unecht." Gerade als Jake noch einmal genauer hinsehen wollte, erhoben sich die Adler wieder kreischend in die Lüfte. Ihre Flügel schwangen flink hin und her und in sekundenschnelle waren sie so hoch, dass man sie nur noch als schwarze Punkte am Himmel ausmachen konnte. "Zu spät." "Möglicherweise täuschte das nur durch die Reflexion des Lichtes..." /Ewig könnte ich in seinen kräftigen Armen liegen... für immer könnte ich seinen warmen Atem in meinem Nacken spüren. Du bereitest mir stets diese angenehme Gänsehaut, die sich auf meinem gesamten Körper ausbreitet. Der Rhythmus deines Herzens wird zu meinem./ "Kannst du noch mal einen von ihnen sehen?" Jake schirmte seine Augen mit einer Hand ab, um sie gegen die hellen Sonnenstrahlen zu schützen, und suchte den blauen Himmel ab. "Nein, keine Spur von ihnen." "Vielleicht sitzt einer dort vorne in der Baumkrone und beobachtet uns heimlich." Ein amüsiertes Lächeln zierte nun seine Gesichtszüge und er sagte sanft: "Kiara, komm schon, allmählich machst du dich lächerlich. Seit einer halben Stunde fragst du mich, wo die beiden Adler sind, ob ich sie noch einmal gesehen habe oder ob sie vielleicht ganz in der Nähe sind. Ja es war ungewöhnlich", fügte er hastig hinzu, als er Kiaras Unmut spürte, "dass sie sich so nah bei Menschen, in diesem Falle uns, aufhielten, doch ich glaube kaum, dass das irgendwas zu bedeuten hat." "Ha, und falls doch?" Kiara löste sich aus seinen Armen und stand auf, streckte sich und ging anschließend ein paar Schritte nach vorne. Jakes Blick ruhte halb belustigt, halb besorgt auf ihr. "Das waren doch nur zwei Vögel." "Und was war mit ihrem Gefieder?" "Auf das ich nicht geachtet hatte!? Eventuell hast du dir das doch nur-" "Naaa danke." Beleidigt entfernte sie sich noch ein paar Meter von ihm. Nun war sie dem Baum, in dem sie mindestens einen von den beiden Adlern vermutete, recht nahe. Neugierig betrachtete sie ihn und indem sie ihren Kopf schief legte, versuchte sie, zwischen dem dichten Blätterwerk was erkennen zu können. "Es tut mir leid.", ertönte Jakes vertraute Stimme nicht weit von ihr entfernt. "Ich habe die gestrigen Erlebnisse nicht vergessen und möchte dir nun nicht unterstellen, dass du nicht ernst zu nehmen seiest. Dennoch kann ich deine Vermutungen nicht bestätigen, da ich nichts gesehen habe." "Ach schon gut. Hilf mir lieber da rauf!" Mit ihrem rechten Zeigefinger deutete sie auf den hoch gewachsenen Baum und blickte über ihre Schulter zu ihrem verdutzten Freund. "Ähm, willst du wirklich da hoch klettern?" "Warum nicht?" Obwohl Jake immer noch recht verwirrt war, baute er mit Kiara eine Räuberleiter und verhalf ihr auf diesem Weg auf den ersten kräftigen Ast, der vom Boden aus erreichbar war. Behände stieg sie ein paar weitere Reihen nach oben und drehte sich immer wieder nach allen Richtungen. "Siehst du irgendwas?" Nachdem sie zwei, drei Schritte auf dem Ast balanciert war, rutschte sie plötzlich mit einem Fuß aus und kam ins Rudern. Mit den Händen konnte sie sich noch rechtzeitig abfangen und damit vor einem Sturz drei Meter in die Tiefe bewahren. Jake hatte laut ihren Namen geschrieen und bat sie nun inständig, wieder herunterzukommen. "Jaja, ich komm wieder runter. Und nein, ich habe nichts entdeckt." Als sie wieder sicher vor Jake stand, fügte sie hinzu: "Aber ich habe nicht viel sehen können, dazu war ich nicht weit genug oben. Glaub also nicht, dass ich meine Behauptung einfach so fallen lasse." "Ich bin froh, dass dir nichts passiert ist." Auf Kiaras Gesicht breitete sich ein Grinsen aus. "Also das war doch nicht gefährlich." /Wie nennst du dann den gestrigen Tag?/ Gerade als er einen Arm um ihre Taille gelegt hatte und sie ein wenig vom Baum weg schob, zeichnete sich für einen kurzen Augenblick ein dunkler bewegter Schatten vor ihnen am Boden ab, der aber von beiden unbemerkt blieb. Die Wogen der Finsternis beginnen zu wallen, siehst du die schwarzen Federn fallen? Sieh sie nicht näher an, denn sie ziehen dich in ihren Bann... "Das war wirklich schön heute." Müde sah Kiara Jake an und vergaß dabei nicht zu lächeln. Ihr Haar fiel in seidigen Locken über ihre Schultern und ein zartes Rosa zierte ihre Wangen. Ihre braunen Augen fixierten ihren Freund, der ihren Blick unablässig erwiderte. "Ja es-" /Da ist es wieder!/ Schweigen trat ein. Nur das Ticken seiner Armbanduhr hallte wie hundert Mal verstärkt an den dünnen Wänden des kleinen Apartments wider. /Diese Leere, die komplementärer zu dem eigentlichen Strahlen nicht sein könnte. Jeglicher Glanz ist verschwunden, als ob dein Körper nur noch eine leblose Hülle wäre./ Mit einer Hand streifte Jake über eine ihrer Wangen und er fühlte kalte Haut. Zärtlich strich er ein paar Locken hinter ihr rechtes Ohr. Langsam beugte er sich hinunter, so dass seine Lippen fast ihren Hals berührten. "Kiara, lass es nicht zu." Jake konnte sich inzwischen denken, was mit Kiara passierte. Vor etwa einer Stunde war ihm eine Idee gekommen, die sich immer mehr in seinem Gehirn zusammenspann. Seitdem hatte er jeden Augenblick damit gerechnet, dass das passierte. Dass sie für wenige Minuten wie weggetreten war. Doch auch wenn er darauf eingestellt war, war es erneut ein ziemlicher Schock für ihn. Sie so ohne jegliches Leben zu sehen, versetzte ihm einen gewaltigen Stich im Herzen. Seine eigenen Vorwürfe gegen ihn selbst flammten wieder in ihm auf. Er könnte sich dafür schelten, dass er sie in diese Kirche gehen gelassen hatte. Dass er sie allein dort hinein gelassen hatte. "Bezwinge es.", flüsterte er ihr hauchzart ins Ohr. Die fast untergegangene Sonne warf das letzte Licht des Tages in den Raum, der nun in ein tiefes Gelb bis Orange getaucht wurde. Die Fensterscheibe reflektierte die schwachen Strahlen und warf hinter der kleinen durchsichtigen Vase, die auf der Fensterbank stand, ein Meer aus vielen winzigen Lichtern, die vergnügt auf und ab tanzten. Kiaras Schatten, der weit in die Länge gezogen war, rührte sich nicht, nicht mal ein klein wenig. Allmählich wurde Jake unruhig. Wie lange würde sie so verharren? Er hatte nicht damit gerechnet, dass sie länger als zwei Minuten in dieser Art Trance bleiben würde. Nervös lief er im Zimmer auf und ab, stets mit Blick auf Kiara. /Komm zurück, komm schon... ich hätte sie nie dazu überreden dürfen, mit mir wegzugehen. Ich habe sie aus dem Schutz ihrer Familie gerissen. Aber meine Eltern haben... sie haben es tatsächlich getan. Und ich lasse nicht mit mir spielen! Dennoch ist es unverzeihlich, dass ich sie im entscheidenden Moment allein gelassen habe. Erst der Psalm, dann das.../ Während Jake mit sich focht, strichen einige Minuten dahin. Er blieb stehen, baute sich vor Kiara auf und legte seine Hände auf ihre Schultern. /Als ER dich berührte... hat er wohl... ein Band geschaffen... und möchte so... die Kontrolle über dich... erzwingen./ "Das wird nicht geschehen!", sagte er bestimmt. Plötzlich sank ihr Kopf auf ihre Brust und Jake wich vor Schreck einen Schritt von ihr zurück. Als er sich ihr wieder nähern wollte, kehrte wieder vollends Leben in sie zurück und sie hob ruckartig ihren Arm, der nun als Abstand zwischen ihnen diente. Er stieß gegen ihre abwehrende Hand, deren unnatürliche Hitze durch sein Hemd drang und ihn wieder zum Rückzug zwang. "Bleib weg von mir!" Ihre Stimme klang eine halbe Oktave tiefer als gewöhnlich. Schlangenartig richtete sie sich auf und sah durch pechschwarze Augen abwertend auf Jake, dem die Fassungslosigkeit förmlich ins Gesicht geschrieben stand. Er konnte nicht begreifen, was gerade vor sich ging. Soeben hatte er noch mit Kiara gesprochen, seiner Kiara, deren sympathische Ausstrahlung ihn immer bann, und nun stand er einer gegenüber, die nicht weniger von der wirklichen haben konnte. Mit sich ringend bemühte er sich etwas zu sagen, doch er brachte kein einziges Wort über die Lippen. Sein Mund ging also wortlos auf und wieder zu. Da er sich nicht weiter zu helfen wusste, streckte er seine Hände von sich und wollte sie Kiara oder besser der Person, die vor ihm stand, auf die Schultern legen, um damit den Abstand zwischen ihnen zu tilgen. Kiara musste doch da sein, irgendwo da drinnen sein. Zögerlich machte er einen Schritt auf sie zu. "Wage es nicht!" Der abweisende, verachtende Klang ließ Jake erneut zurückweichen. /Die Finsternis hat Besitz ergriffen... sie nimmt meine Geliebte ein und ich muss tatenlos zusehen. Der Schmerz, der in meinem Herzen bebt, zehrt an mir... zeigt mir, wie dumm ich gewesen bin. Die Verantwortung trage ich für... das hier. Kiara, bitte lass es nicht zu.../ "...bitte..." Mit ausdruckslosen Augen schaute Kiara auf Jake und endlose Sekunden zogen dahin. Auf einmal verzogen sich ihre Mundwinkel und sie begann verächtlich zu grinsen. "Was für eine Schmach. Dies soll der Mann an ihrer Seite sein!? Wie lachhaft!... N-e-i-n!" Abrupt löste sich Jake aus seiner Starre, denn er erkannte den Klang der Stimme. "Kiara?" Nun zögerte er nicht mehr und griff nach dem Mädchen, von der sich ein Teil strikt dagegen wehrte, der andere sich tief danach sehnte. Der innere Kampf, den Kiara bestritt, dauerte ein wenig an. Jake redete derweil immer wieder auf sie ein, appellierte an das Gute in ihr. Ihre Rechte, die sich weit in das Fleisch seines Armes grub, verbrannte die Haut, die sie berührte, doch Jake ließ sich nicht beirren. "Glaub an dich, du kannst es verhindern... denk an was schönes, denk mit all deinen Gefühlen." Das Mädchen in seinem Griff wand sich und wimmerte. Das Blut in seinen Adern gefror bei dem Anblick. "Kiara liebe mit deinem ganzen Herzen." Mit aller Kraft versuchte er seine Stimme ruhig zu halten. Ihre Hand grub sich immer tiefer in seinen Arm und er biss sich auf die Unterlippe, um nicht aufgrund des stetig wachsenden Schmerzes laut aufzuschreien. Die Bandagen, die er am Morgen sorgfältig um seine Hände gewickelt hatte, tränkten sich allmählich mit Blut. Lange würde er nicht mehr durchhalten können und dessen war er sich bewusst. "Liebe Kiara, liebe!"... Genau in dem Moment, in dem er dachte, er stirbt vor Schmerz, ließ sie von ihm ab. Er seufzte mit gequältem Gesicht laut aus. Hatten sie es überstanden? "Kiara?", hörte er sich zweifelnd fragen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)