ZdM von RandomThoughts (Der Zirkel der Macht - Buch 1) ================================================================================ Kapitel 8 --------- 8 Vier Wochen waren vergangen. Es war Ende März und der Frühling hatte begonnen. Überall begann es zu grünen, auch auf dem ehemaligen Fabrikgelände. Tonmüller hatte Wort gehalten und es Beatrice überschrieben. Nach eingehender Prüfung ihres Kontos hatte Beatrice den kleinen Bungalow, in dem früher die Verwaltung saß renovieren lassen. Er hatte jetzt wieder Strom und Wasser, die Toiletten waren in einem Zustand, in dem man sie benutzen konnte, eine moderne Heizungsanlage war eingebaut worden, es gab sogar ein kleines Badezimmer mit Dusche und Wanne. Weiter hatten ihre Ersparnisse nicht mehr gereicht. Alles weitere mussten sie und ihre Freunde selbst machen. Der Bungalow hatte fünf große Räume, jeder an die 70 Quadratmeter groß. Einen wollten sie als Küche und Esszimmer herrichten, die anderen sollte jeweils einer von ihnen bekommen. Die Nacht auf Beas Couch in Erinnerung hatte Dana diesen Vorschlag vehement vorgetragen. Auf dem Papier war Bea die Eigentümerin des Grundstücks und sie bezahlte die Renovierung, aber sie hatte keinen Widerspruch erhoben, als Alexander den Vorschlag gemacht hatte, dass es ihnen allen gemeinsam gehören solle. So kam es, dass jeder von ihnen seinen eigenen Raum bekommen sollte. So weit waren sie aber noch lange nicht. Gerade waren sie dabei, den ersten Raum herzurichten. Nachdem die Handwerker Mittwoch Nachmittag abgezogen waren, hatten Alex, Bea und Dana die nächsten zwei Tage damit verbracht, alle Räume auszuräumen und den Boden sauber zu machen. Es handelte sich um alten Linoleumboden, der schon an etlichen Stellen Risse und Löcher auswies. Bei nächster Gelegenheit wollten sie Teppich darauf legen, aber das hatte noch Zeit. Samstag Früh hatten Alex und Bea dann zunächst einmal Farbeimer und Pinsel gekauft, alte Zeitungen ausgelegt und angefangen, die Räume zu streichen. Dana konnte ihnen dabei nicht helfen, da sie seit neun Uhr Morgens im Bus nach Liverpool saß. Sie nahm dieses Jahr an einem Schüleraustausch teil und würde eine Woche bei einer Gastfamilie in der englischen Hafenstadt verbringen. Dafür hatte Eva jedoch versprochen, heute vorbei zu kommen und zu helfen. Die zwei Tage zuvor hatte sie damit verbracht, auf die demnächst bevorstehenden Klausuren zu lernen. "Weißt du, was mir gerade durch den Kopf geht?", fragte Alexander Bea, als sie gerade eine kleine Pause einlegten. "Was?" "Die Räume hier sind doppelt so groß wie mein Zimmer im Wohnheim. Wenn wir erst einmal fertig sind mit renovieren sehen sie wahrscheinlich auch besser aus und weiter zur Uni hab ich’s von hier aus auch nicht. Ich überleg mir echt, ob ich nicht ganz hier einziehen soll." Bea blickte ihn eine Weile nachdenklich an, ehe sie antwortete. "Warum nicht?", meinte sie dann schulterzuckend. "Ich meine, wir haben hier alles, Dusche, WC, Küche, Telefon, alles was noch fehlt ist ein Anschluss für den Fernseher und das kann man ja auch noch machen. Großes Zimmer, riesiges, verwildertes Grundstück, was will man mehr?" Bea hatte nichts gegen Alexanders Idee einzuwenden und so ließ sie ihn noch eine Weile reden, ehe sie ihn unterbrach und ihn daran erinnerte, dass er nie hier einziehen könne, wenn sie nicht weiterarbeiteten. Gegen vier Uhr Nachmittag traf Eva dann ein. Sie half noch eine gute Stunde mit, dann hatten Alex und Bea keine Lust mehr. Sie hatten die Hälfte ohnehin schon geschafft. Die Sachen einfach in einem der frisch gestrichenen Räume stehen lassend setzten sie sich in die große Halle, in der die Quelle lag. Hier blühte und wucherte schon alles und die Luft war auch um einige Grad wärmer. Die Kraft, die dieser Ort ausstrahle in sich aufnehmend saßen sie da und redeten. Es waren keine besonders tiefgründigen Gespräche. Alex und Bea hatten mehrere Stunden hart gearbeitet und nun war ihnen einfach nach belanglosem Small Talk. Als es langsam dunkel wurde meinte Eva, sie müsse bald nach Hause. Alexander bat ihr an, sie heimzubringen und sie nahm gerne an. Bea ihrerseits wollte noch etwas an der Quelle meditieren und blieb deshalb. In der S-Bahn plauderten sie zunächst auch wieder über Belanglosigkeiten, nach einer Weile wurde Eva jedoch ernst. "Ich hab wieder von dem Spiegel geträumt", verriet sie Alexander. "Wie ist es diesmal gelaufen?", wollte er wissen. "Überhaupt nicht. Ich habe mich nicht getraut, ihn zu berühren." "Verstehe" Eva hatte sich dem Spiegel schon drei mal gestellt. Jedes mal war es gleich abgelaufen. Sie war gescheitert. "Ich hatte einfach nicht den Mut. Ich kann es doch eh nicht", gab sie ihm kleinlaut zu verstehen. Verständnisvoll blickte er sie an. "Du findest schon noch eine Lösung, ganz bestimmt", ermutigte er sie. Ohne es zu merken legte er ihr den Arm um die Schulter und drückte sie an sich. "Ja, vielleicht", entgegnete sie leise. "Ganz bestimmt!" Schweigend fuhren sie weiter. Evas Kopf lag auf Alex' Schultern und sie lächelte zufrieden, er sah nachdenklich aus dem Fenster in die Dämmerung hinaus. Plötzlich ruckte sein Kopf hoch, sein ganzer Körper spannte sich an. "Was ist los?", fragte Eva besorgt. "Ich weiß nicht. Irgendetwas war da." "Was denn?" "Ich weiß auch nicht, irgendetwas..." Die S-Bahn war inzwischen weitergefahren und die Stelle, an der Alex geglaubt hatte, irgendetwas gesehen oder gespürt zu haben war inzwischen lange außer Sicht. Er entspannte sich langsam wieder. "Wie war das eigentlich, als du erwacht bist?", wollte Eva wissen. "Das weißt du doch. Alle Leute um mich herum stachen plötzlich aus der Umgebung heraus. Es war fast so, als ob sie sich plötzlich in meinen Kopf drängen würden." "Bei mir ist das in letzter Zeit fast, als wäre da ein Splitter in meinem Kopf, der da nicht hingehört, der immer zieht. Meinst du das?" "Eigentlich nicht, obwohl, doch, in gewisser Weise schon." Ohne sich umzudrehen behaupte er: "Zwei Bänke hinter uns sitzen drei Leute, richtig?" Ein kurzer Blick bestätigte ihr, dass es so war. "Ich musste mich nicht einmal konzentrieren, um das zu wissen", erklärte er ihr. "Ich weiß es einfach. Der linke ist in der letzten Station eingestiegen und zwei andere sind ausgestiegen, die davor eine Bank weiter hinten saßen." "So ähnlich geht es mir, wenn ich euch sehe, oder wenn ich zur Quelle komme. Jeder von euch hat seine eigene Melodie. Ich kann sie immer schon hören, bevor ich euch sehe." "Du benutzt die Musik auch zum Zaubern, nicht wahr?" "Ja. Wenn ihr irgendetwas schweben lasst ist das immer eine ähnliche Melodie. Wenn ich mir ähnliche Melodien vorstelle hilft mir das, wenn ich irgendetwas schweben lassen will. Vielleicht finde ich sogar eine Art Grundmelodie, aus der sich alle anderen Schwebemelodien herleiten." "Hm, kann ich irgendwie gar nichts mit anfangen." "Wie empfindest du die Magie denn dann?" "Du weißt doch, dass ich das nicht kann!" "Auch nicht, wenn du selbst zauberst? Ich meine, du musst die Kraft doch irgendwie lenken." "Das hängt immer ganz vom Zauber ab." "Ach so?" "Ja. Je nach Zauber verwende ich ein anderes Symbol, eine andere Zauberformel, ein anderes Ritual." "Und weiter?" "Nichts weiter. Mehr gibt’s bei mir nicht. Ist natürlich klar, wenn ich irgendetwas durch die Luft schweben lasse, muss ich es bewusst steuern und mich darauf konzentrieren." "Wir müssen hier raus!" Damit war das Thema erst einmal vergessen. "Weißt du eigentlich, dass du sehr hübsch bist?", fing Alex an, als sie aus der S-Bahn draußen waren. "Danke" "Ich meine es ernst! – Wo müssen wir hin?" Eva schien sich nicht an der Plumpheit des Kompliments zu stören. "Du hast keinen Freund?", erkundigte Alex sich auf dem nun folgenden Fußweg. "Nein", entgegnete Eva lächelnd. "Das kann ich gar nicht verstehen. Ein so hübsches Mädchen wie du..." Schweigend gingen sie weiter. "Da sind wir", eröffnete Eva kurz darauf. Sie standen vor einem mehrstöckigen Mietshaus. Eva sperrte auf und gemeinsam gingen sie in den zweiten Stock. Als Eva die Wohnungstüre öffnete und sie gerade am hineingehen waren erklang aus einem Zimmer die Stimme ihrer Mutter. "Eva, bist du das?", wollte sie wissen. "Ja, Mama" "Wurde auch langsam Zeit. Wir haben schon gegessen." In dem Moment kam die Mutter in den Eingangsflur. Sie war etwas größer als ihre knapp einen Meter und sechzig große Tochter, hatte aber die selbe schlanke Figur. Sie wirkte jedoch kräftiger, nicht so zierlich. Ihre Haare hatten fast den selben dunkelbraunen Farbton wie die ihrer Tochter, waren aber sehr kurz geschnitten. Überrascht sah sie Alex an. "Hallo Mama, das ist Alex", erklärte Eva ihr, "ein Freund von mir. Er hat mich nach Hause gebracht." Ihre Mutter fing sich wieder und begrüßte Alex freundlich. Noch bevor Eva ihn in ihr Zimmer führen konnte wurde sie von ihrer Mutter jedoch mir der Frage, wie weit sie mit dem Lernen sei überfallen. "Das weißt du doch, Mama, ich hab Mathe komplett durch und Bio mache ich Montag und Dienstag." "Na gut" Evas Zimmer war etwas größer als Alex' Bude im Wohnheim. In der Ecke stand ein sauber gemachtes Bett, vor dem Fenster ein Schreibtisch, daneben an der Wand ein Regal. An der gegenüberliegenden Wand, wenn man ins Zimmer kam rechts, stand ein schicker Spiegelschrank. Über dem Bett war ein Brett mit Stofftieren, vor dem Schreibtisch stand ein Drehstuhl. Das erste, das Alex auffiel war die Ordnung, die im Zimmer herrschte. Auf dem Boden lag überhaupt nichts, die Bücher und Schulhefte auf dem Tisch waren ordentlich aufeinandergestapelt und das Regal war ebenfalls sauber eingeräumt. Ganz unter im Regal lag ein Klarinettenkoffer oder so etwas ähnliches, weiter oben standen einige Kisten und Kästchen, danach kamen nur noch Bücher und Hefte. Eva hatte ihm den Stuhl angeboten und sich selbst auf die Bettkante gesetzt. "Hübsches Zimmer", behauptete Alex, als er sich setzte. Vom Regal aus wanderte sein Blick weiter zu dem Bild, das daneben an der Wand hing. Es zeigte drei spielende Katzen. Eigentlich mochte Alexander Ölgemälde nicht besonders, aber das war ganz nett. Grinsend wandte er sich wieder Eva zu. "Danke", erwiderte sie auf sein Kompliment. "Und so sauber." Als sie nicht weiter darauf einging fuhr er nach kurzer Pause fort: "Sag mal, lernst du wirklich so viel?" "Ja, schon" "Siehst du, ich mache immer gerade mal das Nötigste", erklärte er ihr in beinahe schon entschuldigendem Tonfall. In dem Moment ging die Türe auf und der Kopf von Evas Mutter kam herein. "Kann ich euch etwas zu Trinken bringen?", wollte sie wissen. Als sie beide Alexander fragend anblickten antwortete er zurückhaltend "Ja, danke, das wäre nett." "Mir auch bitte. Mama", schloss sich Eva an. Nachdem sie wieder alleine waren fuhr Alex fort: "Ich sehe überhaupt keine magischen Utensilien. Bea hat dir doch einiges mitgegeben, oder nicht?" Grinsend entgegnete Eva "Meine Eltern müssen ja nicht alles wissen", als sie zum Regal hinüber ging und eine blaue Kassette herausnahm. Als sie sie öffnete sah Alex im Inneren Kreiden, Kerzen, einige Halbedelsteine und was sie sonst noch so benutzte. "Meine Aufzeichnungen sind hier", erklärte sie weiter, während sie einige Schulhefte aus dem Regal holte. Als sie sie gerade Alex reichte kam ihre Mutter mit einem Tablett herein. Neben zwei Gläsern, Apfelsaft und Mineralwasser stand außerdem noch eine Packung Kekse darauf. Eva nahm ihr das Tablett sofort ab und stellte es auf den Schreibtisch. Da hatte ihre Mutter aber bereits den Inhalt der Kassette entdeckt. "Was ist denn das?", fragte sie neugierig. "Das brauchen wir für Kunst", log ihre Tochter. "Was macht ihr denn da?" "Das soll eine Art Plastik werden." "Und das nennt sich Kunst!", murmelte ihre Mutter verständnislos und verlies kopfschüttelnd den Raum. "Mama würde das nicht verstehen", meinte sie rechtfertigend. "Wissen deine Eltern davon?" "Nein", entgegnete er knapp. "Muss schwierig sein, so auf Dauer. Besonders wenn du im Koma liegst. Du siehst deine Eltern nicht oft, oder?" "Nein!" Dieses Mal kam die Antwort noch schroffer als zuvor. Endlich fiel Eva auf, dass irgendetwas mit Alex nicht stimmte. "Ist dir das Thema irgendwie unangenehm?", fragte sie verunsichert. "Ja. Mir wäre es lieber, wenn wir über irgendetwas anderes reden könnten", entgegnete er bestimmt. Eva war sichtlich verunsichert und es dauerte eine Weile, bis sie wieder zu einem halbwegs ungezwungenen Gespräch zurückgefunden hatten. Gegen halb zehn meinte Eva, Alex solle vielleicht langsam gehen, ehe ihre Eltern etwas sagen konnten. Sie brachte ihn noch zur Türe. "Tut mir leid, dass ich vorhin so komisch war", sagte er ihr, als sie im Freien standen. "Ich rede einfach nicht gerne über meine Eltern." Mit fragendem Blick sah sie ihn an. "Sie leben nicht mehr. Sie sind bei einem Autounfall gestorben, letzten Sommer." Man merkte Eva an, wie betroffen sie war, als er ihr das eröffnete. "Mach's gut, wir sehen uns!", verabschiedete er sich. "Du auch", murmelte Eva, als Alex sich umdrehte und ging. Er hatte versucht, unbeschwert zu wirken, aber sie spürte, dass das nur Fassade war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)