Meereswind von PrincessNeptune ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Meereswind Sie sitzt am Fenster, wie so oft, es ist ihr Lieblingsplatz im Haus, dort in ihrem Zimmer vom großen Fenster aus, kann sie das Meer sehen, ihr Meer. Sie liebt es, manchmal ist es ruhig so wie sie, manchmal ist es verspielt so wie sie in ihrem tiefsten Innern und manchmal ist es stark und unberechenbar, nur dass sie so niemals sein dürfte. Nein, sie hatte immer ruhig und höflich zu sein, ein wohlerzogenes liebes Mädchen. Sie hasst es. Hineingeboren in einen goldenen Käfig, ihr Leben darin verbracht. Sicher sie hat eigentlich alles, was man für ein gutes und angenehmes Leben braucht: teure, hübsche Kleider, gutes Essen im Überfluss, eine luxuriöse Villa, Privatlehrer und Dienstboten. Doch all das bedeutet ihr nichts. Nicht das Geringste. In ihren Träumen ist sie ein normales, freies Mädchen, hat viele Freunde, darf einfach mal Spaß haben und bekommt auch emotionale Zuwendung von ihren Eltern. In der Realität fühlt sie sich wie eine Puppe. Eine zerbrechliche aus Porzellan. Sie wird fein angezogen und stolz den hohen Gesellschaften präsentiert. Von morgends bis abends hat sie den Wünschen und Vorstellungen ihrer Eltern gerecht zu werden. Eine Aufgabe die ihr immer schwerer fällt, da deren Ansprüche an ihre Tochter sehr hoch sind. Leise seufzt sie als sie hört, dass sie von ihrer Mutter gerufen wird, traurig wirft sie noch einen Blick auf die Möwen die frei über ihr geliebtes Meer fliegen, indem sie noch nie gewesen ist, bevor sie sich auf den Weg zu ihrer Mutter macht. Ihre Eltern verbieten ihr das Grundstück zu verlassen, trotzdem liebt sie das Meer, es ist das Einzige, dass die Kraft besitzt sie zu trösten. "Ja Mutter?",schüchtern neigt sie den Kopf und faltet die Hände vor dem Schoß, dabei glänzen ihre langen türkisenen Haare in der untergehenden Sonne, die durch das hohe Fenster in den Raum fällt. Ihre Mutter schaut sie missbilligend an "Du hast schon wieder am Fenster gesessen und vor dich hingeträumt, nicht wahr?" Das Mädchen schweigt entschuldigend. Ihre Mutter schüttelt nur resigniert den Kopf "Ich habe dir schon so oft gesagt, dass sich das für ein junges Mädchen aus gutem Hause einfach nicht gehört! Verstehst du denn nicht, dass sich das einfach nicht schickt?" Das Mädchen nickt stumm, ihre Mutter streicht ihr Kleid glatt "Na gut. Nun zu etwas anderem. Wie du sicher weißt werden uns heute Abend Geschäftsfreunde von Vater beehren, wir erwarten von dir höfliches Benehmen, ein gepflegtes Auftreten und Zurückhaltung, verstanden?" Das Mädchen hat den Kopf immer noch gesenkt, insgeheim fragt sie sich wozu sie bei diesen Anlässen überhaupt anwesend sein muss. Die Mutter schaut leicht erschrocken auf die große goldene Uhr an der Wand "Es wird Zeit, geh nun und richte dich hübsch zurecht!" Ein müdes Nicken ist die einzige Antwort die sie bekommt, bevor sich ihre Tochter in Richtung der Bäder begibt. Um Punkt 20 Uhr betritt sie den Speisesaal mit einem bezauberndem Lächeln. Alle Blicke richten sich bewundernd auf das hübsche Mädchen im ozeanblauen Abendkleid und der aufwendigen Hochsteckfrisur. Ihr selbst ist überhaupt nicht nach Lächeln, doch sie tut es, so wie immer wenn es von ihr verlangt wird. Immer noch lächelnd setzt sie sich an den freien Platz neben ihrer Mutter, legt vorbildlich erst ihre Serviette und dann die Hände in den Schoß. Der restliche Abend verläuft wie immer. Die Männer reden neben dem Essen über Politik und Geschäfte, während die Frauen am Tisch ihnen interessiert zulächeln und gelegentlich einen Bissen essen, eben so wie es von ihnen verlangt wird. Am liebsten würde sie schreien, doch ihr fehlt die Kraft dazu, zu lange schon hat sie sich ihren Eltern, speziell ihrem Vater untergeordnet, als dass sie jetzt dagegen ankämpfen könnte. Nach dem Essen genehmigen sich die Männer Zigarren und Alkohol, während sich die Frauen im Nebenzimmer über unwichtige Dinge, wie den neusten Klatsch, unterhalten. Müde erklärt sie, dass sie sich nun lieber in ihre Gemächer zurückziehen würde, da sie müde ist. Ihre Mutter erlaubt es ihr natürlich mit einem liebenswürdigen Lächeln, doch in ihren Augen erkennt das Mädchen deutlich den Ärger über ihr Verhalten und weiß, dass dieser am nächsten Tag zu einer Strafpredigt führt. Doch das ist ihr jetzt merkwürdigerweise egal, das Einzige woran sie denken kann ist, dass sie unter keinen Umständen so werden will wie ihre Mutter und die anderen Frauen. Doch sie weiß genau, dass auch ihr Leben so verlaufen wird. Sobald sie volljährig ist wird sie einen erfolgreichen, reichen Mann heiraten müssen, der ihr natürlich von ihren Eltern ausgesucht wird. Dann wird sie ihm, so wie jetzt ihrem Vater, gehorsam sein müssen. Nein, das will sie nicht! Niemals! Verzweifelt setzt sie sich in ihrem Zimmer auf die breite Fensterbank dem großen Fenster und starrt das Meer an, in welchem sich der Vollmond spiegelt. Es ist ganz ruhig und sie wünscht sich, dass auch sie innerlich so friedlich sein könnte. In ihren Gedanken bittet sie das Meer um Hilfe, immer und immer wieder, bis ihr schließlich vor Verzweiflung die Tränen kommen. Doch sie wischt sie nicht ab, sie bittet weiter und hofft auf ein Wunder. Dann schläft sie vor Erschöpfung ein. "Komm!", erschrocken fährt sie hoch und sieht sich um "Wer ist da?". Sie springt vom Fensterbrett und muss gleichzeitig daran denken was ihre Mutter wohl über dieses Verhalten sagen würde. Bei diesem Gedanken huscht ein Lächeln über ihre Lippen. Sie sieht sich weiter im Zimmer um, doch auch wenn es im Schein des Vollmonds liegt, kann sie darin keine weitere Person ausmachen. Da fährt ein Windstoß durch ihre Haare und einige lockere Strähnen fallen nun sanft über ihre Schultern. Ihr ist als hätte sie die Stimme wieder gehört und fragt sich gleichzeitig woher der Wind kommt. Irritiert tritt sie ans Fenster und erschrickt leicht, als der Wind die schweren Vorhänge ins Zimmer weht. Langsam geht sie darauf zu und stellt erstaunt fest, dass eines ihrer Fenster geöffnet ist. Sie fragt sich wieso, denn sie ist sich sicher, dass es verschlossen gewesen ist als sie einschlief, da ihre Eltern angeordnet hatten die Fenster geschlossen zu halten. "Komm!", dieses Mal hört sie die Stimme deutlicher, es ist eine sanfte Stimme und irgendwie hat sie das Gefühl, dass von ihr keine Gefahr ausgeht.. Sie steigt wieder auf das Fensterbrett und wird sofort vom Wind umweht. Sie weiß nun, was sie tun muss. Sie schließt die Augen und schluckt kurz, bevor sie energisch abspringt. Unsanft landet sie auf dem gepflegten Rasen, doch obwohl sie aus 2 Metern Höhe gesprungen ist, ist sie nicht verletzt. Einzig ihr Kleid, dass sie ja noch immer trägt, ist eingerissen und beschmutzt. Es ist ihr egal. Im Moment ist ihr alles egal, für sie zählt einzig und allein die Stimme, der sie zu folgen versucht. Sie rappelt sich auf und rennt hastig durch das gigantische Anwesen um zum Tor zu gelangen. Das Tor, das bisher die Grenze ihrer Welt war. Der Wind und die Stimme begleiten sie. Als sie das verhasste Tor endlich erreicht, versucht sie mühsam darüber zu klettern, da es um dieses Uhrzeit fest verschlossen ist. Beim Klettern verletzt sie ihren linken Arm an einer der Zierspitzen und Fetzen ihres Kleides bleiben auch daran hängen, werden vom heruntertropfenden Blut dunkel gefärbt. Sie beobachtet das Ganze unbeteiligt, ihre Augen nehmen einen seltsamen Ausdruck an, sie verspürt keine Schmerzen. Schließlich klettert sie weiter und lässt sich auf die andere Seite gleiten. Kurz bleibt das Mädchen noch vor dem Tor stehen, es von dieser Seite zu sehen ist merkwürdig, ein komisches, neues Gefühl breitet sich in ihr aus. Fühlt sich so etwa Freiheit an? Doch dann weht der Wind wieder durch ihr Haar, diesmal energischer. Sie wirft noch einen letzten Blick auf das Haus, dass ihre bisherige Welt dargestellt hat und geht dann Richtung Strand. Es war kein trauriger Blick. Zuerst geht sie nur, doch je wilder der Wind sie umweht, desto schneller rennt sie, sie lässt sich von ihm leiten. Dann kommt sie an, ihr ist es als sei sie am Ziel. Sie weiß nur noch nicht ganz genau von was. Das Mädchen hält kurz inne und geht dann langsam, fast bedächtig mit erhobenem Kopf die Klippe hinauf. Ganz oben angekommen sieht sie den steilen Abgrund hinunter, auf das Meer, ihr Meer, welches wild tobt. Der Wind umweht sie jetzt stärker denn je und die Wellen brechen so hoch, dass das Wasser sie sogar hier auf der hohen Klippe erreichen kann. Das Salzwasser brennt in ihrer Wunde, doch trotzdem ziert ein glückliches, befreites Lächeln das Gesicht des hübschen Mädchens und es ist ihr erstes Lächeln, das wirklich tief aus ihrem Herzen kommt. Der Wind und das Meer spielen miteinander, treiben sich gegenseitig immer mehr an und ihr ist als würde sie nun zwei Stimmen wahrnehmen. Aufeinmal ist es ihr größter Wunsch ins Meer einzutauchen, das Wasser um sich zu spüren, wie einen Schutz, um ihr trostloses Leben zu vergessen. Die nächste Welle kündigt sich mit einem gewaltigen Tosen an, sie geht wie in Trance noch direkter zum Abgrund und dann als die nächste Welle an der harten, steinigen Klippe bricht und das Wasser sogar bis über sie hinausspritzt, lässt sie sich in das unbekannte und dennoch geliebte Element gleiten. Das Meer schließt sie ein, überall um sie herum ist Wasser, es hat das Mädchen aufgenommen. Nun weiß sie endlich wie sich Freiheit anfühlt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)