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Fremde Welten (#1)

Das Reich der Schatten ist gar nicht so gruselig.
von

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Fliederfarbener Himmel

Für Alex (Furu). Du bist an diesem Schlamassel Schuld! Ich habe dir von dieser kleinen dummen Idee für eine Fanfiction erzählt, und du hast mich dazu gebracht, sie dann auch noch in die Tat umzusetzen! Jetzt sieh dir an, was du verbrochen hast. Nichts mit klein und kurz...
 

Anmerkungen der Autorin
 

Diese Geschichte spielt nach dem Film, der ja bekanntlich nach Battle City spielt. Es kommen mehr oder weniger deutliche, homosexuelle Handlungen vor, also an dieser Stelle die übliche Warnung: Wer das nicht mag, soll es nicht lesen. Ich halte mich aber nicht damit auf, irgendwelche Pärchen zu verkuppeln, entsprechende Stories gibt es zur Genüge. Es wird sich zeigen, wer mit wem zusammen ist. Warnung vor Dreiecksbeziehungen: Magst nicht? Lies nicht.
 

Ich habe die Namen aus der Serie benutzt, nicht aus dem Manga, weil erstere wohl bekannter sind und außerdem nicht so fremdartig erscheinen. Nur Herrn Mutou habe ich nach dem Manga benannt, weil ich nicht mehr ganz sicher bin, wie er in der Serie heißt. Sullivan? Schreibt man das so? Vergesst es!
 

Marik-Fans kommen hier schlecht weg, dafür entschuldige ich mich nicht. Der Typ hält sich vorwiegend in Ägypten auf, aber ich habe der dunklen Seite eine Rolle zugedacht. Da Marik und der böse Marik nicht wirklich durch einen Millenniumsgegenstand miteinander verbunden sind, benutze ich nicht die in vielen Fanfictions üblichen Namen Marik und Malik, sondern nur Marik. Sein anderes Ich kriegt bei Bedarf einen Arbeitstitel.

Ich benutze aber selbstverständlich Yami und Yugi. Bakura und der Geist des Ringes werden meistens Ryou und Bakura genannt, obwohl das Vor- und Nachname derselben Person sind. Zur besseren Unterscheidung übernehme ich das, auch wenn ich es nicht mag. Jeder sollte einen ganzen Namen haben.
 

Ich habe mich ansonsten einer Namensrechtschreibung bedient, die ich für angemessen halte, z.B. Thea mit h. Ich habe gehört, die Amis beschweren sich immer über den Namen, weil man ihn wie das Getränk schreibt. Das Problem ergibt sich hier nicht.

Pegasus heißt bei mir mit Vornamen Maximilian, weil mir die Schreibweise Maximillion zu blöd ist. Als ob sich das auf sein Geld bezieht, ist bestimmt ein Katakana-Übersetzungsfehler.

Die Monster heißen größtenteils auch so wie im Fernsehen, weil viele Namen da cooler sind. Beispielsweise hört sich "Schwarzer Magier" gefährlicher an als "Dunkler Magier", und "Magier des Schwarzen Chaos" ist auch schöner als "Dunkler Magier des Chaos". Naja, das ist meine Meinung. Bei der individuellen Namensgebung für die Monster habe ich mich aller möglichen Ableitungen bedient, das wird später in der Charabeschreibung näher erläutert.
 

Yami nennt Yugis Großvater auch Großvater, obwohl dieser weiß, wann er mit dem Pharao redet und wann mit Yugi. Aber erstmal hat er das schon immer gemacht und außerdem ist es in Japan nicht unüblich, nahe stehende Menschen mit Mutter, Vater, Onkel, Schwester usw. anzureden, je nach Alter und wie eng die Beziehung ist.
 

Ach ja... Ich kenne mich mit medizinischen Dingen nicht besonders aus, also kann es sein, dass die Krankenhausszenen nicht ganz korrekt sind. Aber sie sollen vor allem der Unterhaltung dienen. Dies ist eine Komödie! Also lacht!
 

So, und jetzt geht's aber los!
 


 

Kapitel 1: Fliederfarbener Himmel
 

Yugi schlug die Augen auf und fand sich auf einem sehr harten, steinigen Untergrund wieder. Dies war auf keinen Fall sein Bett, also warum hatte er geschlafen? Oder, *hatte* er geschlafen? Er versuchte, sich aufzurichten. Ein kleines Pelztier nahm Reißaus.

Alles tat ihm weh. Bewusstlosigkeit war also wahrscheinlicher als Schlaf. Etwas störte ihn, doch er konnte es im Moment noch nicht näher bestimmen. Was war denn bloß geschehen? Vielleicht wusste Yami... *Yami.*

*Das* war es, was hier nicht stimmte. Yami war nicht bei ihm. Und das Millenniumspuzzle fehlte auch. Er musste es bei dem Sturz - oder was auch immer - verloren haben. Panikartig sah Yugi sich um. Hier waren überall Steine, das Puzzle konnte sonst wo sein! Vielleicht verschüttet unter einer Gerölllawine! Yugi fühlte sich kaum in der Lage, es allein zu suchen, aber sicher waren seine Freunde nicht weit, das waren sie doch nie. Er sah sich um. Wie spät mochte es sein?

Der sonnenhelle Himmel war *fliederfarben*. Alles klar, einer dieser verrückten Träume. Also kein Grund zur Sorge, es galt nur zu warten, bis der Wecker klingelte oder so. Aber warum tat sein Körper dann so weh? Zu harter Sex?!

Über ihm kreisten jetzt irgendwelche Flugungeheuer. Sie kreischten wie Saurier. [Genau, ich lasse mich von so einem Vieh fressen, dann werde ich aufwachen.] Yugi raffte sich auf und hinkte zur nächsten schuttfreien Stelle, wo die Gefahr, weiter abzurutschen, nicht so groß erschien. Er befand sich offenbar in einer Einöde morscher Felsen und Berge, und einer davon hätte ihn augenscheinlich fast unter sich begraben.

Plötzlich bewegte sich das Geröll erneut. Etwas kam darunter hervor, viele Etwasse, um genau zu sein. Wesen mit großen, bezahnten Mäulern, die nach Verwesung stanken. Wie in Setos Videospiel, dachte Yugi angewidert. Nur dass da der Himmel nicht fliederfarben war.

"Hilfe, Hilfeee!" schrie er, sodass die Flieger auf ihn aufmerksam wurden. Er hatte keine Angst, schließlich träumte er nur, aber er wollte lieber von einem Flugmonster als von einem untoten Dinozombie gefressen werden. Eigentlich hatte er es sich cooler vorgestellt, einen Traum zu haben, in dem er wusste, dass es ein Traum war. Sollte er jetzt nicht selber fliegen können oder so?

Einer der halb verwesten Kadaver wollte sich über Yugi hermachen. Sein fauler Atem - falls es das war - stank zum Würgen. Wie ein Komposthaufen, in dem ein toter Hund verrottete.

[Ich will nicht von etwas Totem gefressen werden!] Yugi kniff die Augen fest zu, jetzt musste er doch jeden Moment aufwachen!!!
 

***
 

"Waaah!" er riss die Augen auf und starrte an eine unbekannte Zimmerdecke.

"Yugi, ein Glück, endlich!"

"Hey, Alter, wir haben uns Sorgen gemacht!"

"Warte, Tristan! Ich glaube, das ist immer noch Yami!"

"Was? Aber wieso, Yugi wird immer zu Yugi, wenn er schläft... Naja meistens, nehme ich an."

"Yu... Yugi...?" Yami versuchte, sich hinzusetzen, aber sein Schädel dröhnte. Der Raum drehte sich plötzlich, und er überlegte es sich anders. Er konnte Yugi nicht spüren. Das war bedenklich, normalerweise kam das nicht einmal dann vor, wenn einer von ihnen das Puzzle zum Duschen oder so ablegte.

"Dein Millenniumspuzzle ist auf dem Nachttisch, die Ärzte haben darauf bestanden, dass du es ablegst. Mach dir keine Sorgen, es ist noch heil," sagte Thea.

Yami runzelte die Stirn. "Welche Ärzte?"

"Nach dem Duell mit Bakura warst du fast drei Stunden ausgeknockt," erklärte Joey.

Tristan nickte ernst. "Wir haben uns furchtbare Sorgen um dich gemacht, Kumpel. Ihr habt's echt übertrieben, das halbe Klassenzimmer verwüstet! Gut, dass sonst niemand mehr da war!"

"Die Lehrer haben gedacht, ihr habt euch geprügelt. Seto hat den Schaden bezahlt."

"Ja, das wird Folgen haben."

"Aber erst musst du noch hier bleiben. Du hast wahrscheinlich eine Gehirnerschütterung."

"Und ein verstauchtes Handgelenk. Du wirst eine Weile keine Karten mehr halten können!" Joey grinste.

Doch Yami hörte gar nicht zu. *Yugi.* Sollte er es ihnen sagen? Nein, vorerst nicht. Vielleicht war Yugi im Puzzle. Doch selbst dann hätte er ihn spüren müssen. Yami tat so, als hätte er starke Kopfschmerzen. Stimmte ja auch. "Leute... Sorry, aber könntet ihr mich eine Weile in Ruhe lassen? Ich bin noch gar nicht ganz bei mir..."

Dafür hatten sie vollstes Verständnis.

"Übrigens bist du nicht allein, Ryou ist auch hier!" teilte Joey ihm noch schnell mit. "Gleich nebenan."

"Ryou? He, Augenblick, wo bin ich hier?" Yamis Augen wollten die Umgebung irgendwie nicht klar wiedergeben, und es strengte ihn an, sie überhaupt offen zu halten.

"Na, im Krankenhaus," antwortete Joey. "Du hast ja ganz schön was abgekriegt. Ruh dich aus, wir rufen inzwischen Seto an."

"Ja, bitte. Und kannst du mir das Puzzle geben, bevor du gehst?"

"Sicher." Joey hängte ihm das Millenniumspuzzle um, ehe er das Zimmer verließ.

Yami seufzte und gestatte sich, die Augen zu schließen. Das Gewicht des Puzzles drückte unangenehm auf seine Brust, vielleicht hatte er da Prellungen. Er schob es so hin, dass es neben seinem Kopf zu liegen kam. Dann machte er sich auf die Suche nach Yugi.
 

***
 

"Hey, weg da, Kind!"

Yugi wurde geschubst, ehe er reagieren konnte. Er hörte ein widerliches Geräusch von einer stumpfen Waffe, die gammeliges Fleisch traf. Als er hinsah, stellte er fest, dass ein Held zu seiner Rettung erschienen war. Ein großer, schlanker Typ mit langen Beinen und hellblauer Haut. Nun ja, letzteres musste einen wohl nicht wundern, wenn der Himmel lila war.

Fasziniert musterte Yugi seinen Retter, der jetzt zwischen den Monstern wütete, als wäre es seine größte Freude. Der Mann hatte lackschwarzes Haar, das er zu einem langen Zopf geflochten trug.

"Iiiiah! Huh! Uuuahaah!" schrie der Fremde mit hoher Stimme, wobei er mit einem langen Kampfstab auf mehrere gammelige Zombiemonster in schneller Folge eindrosch. Dabei verteilte er seine Tritte und Hiebe fast tänzerisch. Er schien das wirklich zu genießen. Yugi musste an einen Agentenfilm denken, wo der Held es ganz allein mit einer feindlichen Übermacht aufnahm.

Der Chaot hier sah aber nicht so aus. Er hatte ein enges, ärmelloses Shirt an, das vielleicht mal schwarz gewesen war, nun aber eine fleckige staubgraue Farbe aufwies. Dazu trug er eine figurbetonte erdbraune Hose, die ebenfalls nicht einheitlich gefärbt war, und dünne, aber stabile Wanderstiefel aus abgenutztem, dunklem Leder.

Er brauchte kaum eine Minute, dann hatte er die stinkenden Viecher erledigt, und sie standen nicht wieder auf. Hoffnungsvoll blickte er nach oben, aber die Flieger hatten es sich anders überlegt. Yugi hielt den Atem an. War das wirklich sein Freund? Vielleicht hatte er nur die Beute für sich haben wollen...

Der androgyne Fremde schulterte lässig seinen Stab und verlagerte sein Gewicht auf das rechte Bein. "He, Kleiner. Alles klar?" Seine Stimme war tief, wenn er normal redete.

[Abgesehen davon, dass ich keine Ahnung habe, was hier los ist, dann tut mir alles weh, mein Millenniumspuzzle ist weg, Yami ist weg und überhaupt...] Yugi verkniff sich die Antwort, die ihm vorschwebte, und nickte nur. Träume mussten ja nicht logisch sein.

Der Mann hockte sich vor ihn hin. "Bist du gefallen? Dein Gesicht und deine Arme sind ganz zerkratzt."

Yugi stellte fest, dass er die Jacke seiner Schuluniform nicht trug. Er hatte nur ein weißes, halb zerfetztes Hemd als Oberteil an. Wenn er es sich so recht überlegte, müsste er in der Schule sein, zumindest erinnerte er sich gar nicht, nach Hause und ins Bett gegangen zu sein. Warum zum Henker schlief er dann?

"Verstehst du meine Sprache?" erkundigte sein Retter sich. "Du kommst mir irgendwie bekannt vor."

Yugi starrte ihn an. "Mm... du kommst mir auch bekannt vor, aber wir sind uns bestimmt noch nie begegnet..." [An einen Kerl mit blauer Haut würde ich mich erinnern.]

Der Fremde hatte weinrote Augen. Diese waren nachdenklich auf Yugi gerichtet, als der Blauhäutige seine Stirn in Falten legte. "Ich bin sicher, dass ich dich kenne," murmelte er. "Ach ja, meine Freunde nennen mich Blacky."

[Okay, das muss einfach ein Traum sein, sonst hätte er einen cooleren Namen. Andererseits... es ist offenbar nicht sein richtiger.] "Ähm... und ich bin Yugi."

"Yugi..." Blacky kramte in seinem Gedächtnis. "Nee... aber es fällt mir schon noch ein. Kannst du laufen?"

"Ich kann humpeln," meinte Yugi und kam sich im nächsten Moment wie ein Idiot vor.

Doch sein neuer Freund grinste amüsiert. "So siehst du auch aus. Zum Glück ist es nicht weit. Komm, ich nehme dich huckepack. Bist ja nur ein Fliegengewicht."

Und so ritt Yugi eine Minute später auf einem blauhäutigen Jüngling durch die Steppe. Was für ein Traum, wie immer man das jetzt auch verstehen wollte. Blacky hielt mit einer Hand ihn, mit der anderen seinen Stab fest. Der Stab hatte schon zahlreiche Kerben und Flecken von häufiger Benutzung. Yugi war fast eingeschlafen, als sein Retter stehen blieb.

"Du bist doch nicht allergisch gegen Magie?" erkundigte Blacky sich.

"Eh?" Yugi blickte müde um sich. Da wurde er auch schon von einer Wand aus schwarzem Licht umgeben, und er sah einen Kreis aus unbekannten Symbolen auf dem Boden. Im nächsten Augenblick hatte sich die Umgebung verändert. Sie befanden sich in einem Zimmer voller Bücher mit dem gleichen Kreis am Boden. Aber es schien keine Bibliothek zu sein, eher ein privater Raum, wo allerhand Bücher durcheinander gestapelt waren, weil sie nicht mehr in die Regale passten, die alle Wände bedeckten außer da, wo die halbrunden Bogenfenster waren.

Blacky lehnte seinen Stab gegen ein Bücherregal, schlängelte sich über einen schmalen Pfad zu einem Hocker, von dem er erst einmal drei Bücher herunternehmen musste, und setzte Yugi darauf ab. Er ließ einen Becher mit Wasser aus dem Nichts erscheinen und drückte ihn dem Jungen in die Hand. "Bleib kurz hier sitzen, ich mache dir mein Bett fertig, da kannst du dich erstmal ausruhen. Wo sind denn deine Eltern, hm?"

"He! Ich bin siebzehn!" ärgerte Yugi sich. Dass er aber auch nicht wuchs! Irgendwann musste ihn doch mal so ein verspäteter Wachstumsschub treffen! Er trank gierig das Wasser, als würde das helfen. Aber er war ja auch durstig.

Blacky sah ihn entgeistert an. "Siebzehn?" Er machte eine Handbewegung, worauf Yugi von einer Anzahl Glitzerpunkte eingehüllt wurde. Siebzehn blieben am Ende übrig. "Tatsächlich. Kommst du von einem Zwergenvolk?"

"Nein, aus Japan! Ich bin klein für meine Art! Ich bin ein Mensch! Aber was zum Teufel bist du?"

"Oh, ein Bastard von irgendwelchen Rassen. Spielt nicht wirklich eine Rolle."

"Äh... aha."

Blacky durchquerte das Zimmer und fing an, Bücher und andere Dinge umzulagern, so dass er schließlich sein Bett freibekam. Bei der Menge, die da drauf gelegen hatte, war es unwahrscheinlich, dass er jede Nacht dort schlief.

"Benutzt du das Bett sonst nicht?" erkundigte Yugi sich.

"Ich schlafe meistens bei Dark," meinte der Blauhäutige leichthin.

Er schüttelte das Bettzeug auf und setzte eine Staubwolke frei. Aber letztendlich hatte er es benutzerfreundlich hergerichtet, und Yugi fand den Anblick schon sehr verlockend. Blacky half ihm, die Distanz zu überwinden, was mehr wegen der herrschenden Unordnung als wegen der Verletzungen schwierig war, und der Junge schlief, kaum dass er lag. Er hörte gerade noch, wie Blacky ankündigte, er werde einen Heiler holen.
 

***
 

"Ja, danke... und bitte verzeihen Sie, er hatte als Kind einen ziemlich inkompetenten Arzt, der ihm unnötig wehgetan hat, seitdem hat er Angst vor Spritzen..." grinste Kaiba verlegen, sich am Hinterkopf kratzend.

Die Krankenschwester lächelte verständnisvoll. "Die Ergebnisse werden in einer Stunde vorliegen."

Die Tür fiel zu. Der Firmenchef drehte sich zum Bett um. "Also wirklich, und sowas war Pharao. Als ob du nicht schon Schlimmeres überlebt hast..."

"Ich habe eine Gehirnerschütterung. Das soll dazu führen, dass man sich übergibt."

"Nur eine leichte. War es denn wirklich so schlimm?"

Yami war weiß wie die Wand. Er schämte sich für seine Schwäche, aber ihm war noch nie zuvor Blut abgenommen worden. Und er hatte sich noch nie vor Zeugen in eine Kotzschüssel übergeben, während er nur ein dünnes weißes Krankenhaushemdchen trug. Unbewusst rieb er das Pflaster an seinem Arm.

"Wenn Yugi hier wäre, hätte ich kein Problem damit." presste er hervor. "Ich habe immer sein Wissen, sodass mir alles selbstverständlich erscheint, auch Dinge, mit denen ich selbst keine Erfahrung habe. Ich kann mich sicher in einer Welt bewegen, die ich nie gekannt habe. Aber ohne ihn bin ich unsicher... Dinge erscheinen mir fremd, die für ihn normal wären. Mir war nicht klar, wie sehr ich von ihm abhängig bin."

"Na komm schon, er ist doch dein Freund, nicht?"

"Muss ich darauf antworten?" Yami schaffte ein Lächeln.

"Ich mache mir doch auch Sorgen," versicherte Kaiba. "Ich brauche euch beide. Hast du denn keine Idee, was mit ihm geschehen sein könnte?"

Yami biss sich auf die Unterlippe. "Ich habe ihn im Puzzle gesucht. Er ist nicht dort. Aber ich fand Erinnerungen an das, was vor dem Unfall, wenn man es so nennen kann, geschehen ist."

Kaiba war überrascht. "Normalerweise erinnert man sich nicht an Dinge, die kurz vor einer Ohnmacht geschahen."

"Ich bin nicht normal, Seto."

"Richtig, wie konnte mir das entfallen. Also?"

"Bakura und ich haben uns duelliert, und ich war dabei, seine wundervolle Strategie zu untergraben und zu gewinnen. Er wurde wütend und aktivierte die Macht seines Ringes. Yugi wollte übernehmen, aber ich bin im Reich der Schatten stärker als er, deshalb ließ ich es nicht zu. Aber es war anders als sonst. Was immer Bakura gemacht hat, es traf Yugi an meiner Stelle. Er wollte mich beschützen..."

Kaiba nahm Yamis zitternde Hand und drückte sie tröstend. "Denkst du, er ist im Reich der Schatten?"

"Ich hoffe es beinahe, denn ich will mir nicht ausmalen, was noch schlimmer sein könnte. Aber wie sage ich es den anderen? Großvater bringt mich um!" Yami war den Tränen nahe. Er war sonst immer der Stärkere, aber momentan fühlte er sich mit der Situation einfach überfordert. In seinem angeschlagenen Zustand konnte er Yugi nicht helfen, und das belastete ihn zusätzlich. Er hatte schreckliche Angst um den Freund, der in letzter Zeit soviel mehr für ihn geworden war...

Seto teilte Yamis Gefühle. Aber er war es gewohnt, eine Maske zu tragen, und um Yamis Willen musste er den Starken spielen. Sein Freund brauchte jetzt Halt, und den konnte er ihm bieten. Yugi war vielleicht klein, aber gewiss nicht schwach. Sie mussten darauf vertrauen, dass er vorerst allein zurechtkam...
 

***

Fortsetzung folgt

Bäder und chaotische Zimmer

OK, ich wollte eigentlich die Kapitel wöchentlich hochladen, aber es hat mir so in den Fingern gejuckt...
 

Kapitel 2: Bäder und chaotische Zimmer
 

Yugi erwachte von den streitenden Stimmen eines Mannes und einer Frau.

"Blacky, wann räumst du dieses Chaos auf?"

"Was denn! Ich finde alles wieder, was ich suche!"

"Man kann hier nicht treten!"

"Da ist der Weg. Warum beschwerst du dich dauernd?"

"Du hast mich hergebeten, weil du ein Kind aufgegabelt hast, da könntest du wenigstens dafür sorgen, dass ich gefahrlos ins Zimmer komme! Ich habe keine Lust, von Büchern erschlagen zu werden! Ist mir egal, was du sonst machst, aber das ist bald nicht mehr witzig! Wie hält Dark es mit dir bloß aus?"

"Er fesselt mich ans Bett."

"Ah. Das ist wahrscheinlich das einzig Sinnvolle."

Im nächsten Moment hatte sich die Frau zu Yugi durchgekämpft. Sie stellte seufzend einen Weidenkorb auf dem Bett neben ihm ab und räumte eine Ansammlung von Behältern mit zweifelhaftem Inhalt vom Nachttisch, um für ihre eigenen Sachen Platz zu haben. Auch sie hatte blaue Haut. Ihr Haar war hellbraun und zu einem Dutt frisiert. Sie trug ein einfaches gelbes Leinenkleid.

"Ich muss mich für meinen Bruder entschuldigen. Er hat keine Manieren," sagte sie. "Ich bin Mystic, und ich werde versuchen, deine Verletzungen heilen. Zieh dich aus."

Yugi schoss die Röte ins Gesicht, aber Mystic machte einen so entschiedenen Eindruck, dass er gehorchte. Er zog sein lädiertes Hemd aus, dann seine Socken und seine Hose. Bei der Unterhose hörte er auf, und sie schien damit zufrieden zu sein. Sie untersuchte zuerst Yugis verletzten Knöchel und verband ihn, nachdem sie dick Salbe aufgetragen hatte. Dann kam der Rest seines Körpers an die Reihe, und sie entdeckte Schrammen und Prellungen, die er vorher gar nicht bemerkt hatte. Er wurde gedreht und gewendet, bis alles mit Salbe eingerieben und eventuell verbunden war. Dann gab Mystic ihm einen Stapel Stoff.

"Hier, das kannst du anziehen. Ich lasse deine Sachen waschen. Blacky wird dich zum Speisesaal bringen, damit du was in den Magen kriegst," sagte sie.

"Oh ja, ich habe einen Bärenhunger. Danke, Mystic."

Sie nickte nur und bahnte sich ihren Weg hinaus.

Yugi begutachtete die Kleidung, die sie ihm gebracht hatte. Sie war gebraucht, aber das störte ihn nicht. Es war ein Gewand, in dem er sich etwas merkwürdig vorkam, aber in dieser Welt war es wohl ganz normal. Das Teil war beige und wurde mit einer Kordel um die Hüften zusammengehalten. Fast war es ihm zu lang, aber mit seinen Turnschuhen ging es. Die weiten Ärmel krempelte er ein wenig um.

"Eine Lehrlingsrobe," grinste Blacky. "Da musst du aber noch reinwachsen."

"So lange wollte ich eigentlich nicht bleiben."
 

Blacky diente ihm als Stütze, als er unter seiner Führung zum Speisesaal hinkte. Schon von weitem hörten sie zahlreiche Stimmen. Yugi erkannte, dass er in einer Art Burg war. Durch die Fenster, an denen sie ab und zu vorbei kamen, sah er, dass es früher Abend sein musste. Hatte er etwa einen Zeitsprung ins Mittelalter hinter sich?

"Wo ist das hier? Welches Jahr haben wir? Und hast du eine Ahnung, wie ich hierher gekommen bin?" erkundigte er sich. Er wusste nicht, ob es weise war, so viele Fragen zu stellen, aber soweit er Blacky kannte, hielt er ihn für vertrauenswürdig. Immerhin hatte der Mann ihn gerettet.

Blacky hob eine fragende Augenbraue. "Kannst du dich an nichts erinnern? Du hast vorhin meine Frage nach deinen Eltern nicht beantwortet."

"Ich lebe bei meinem Großvater."

"Ah. Nun, du bist in der Burg Drachenfels. Hier leben hauptsächlich Magier, weil man hier auch ausgebildet werden kann. Einige sind Lehrer. Ich persönlich habe für sowas keinen Nerv."

Yugi grinste, das konnte er sich wirklich vorstellen.

"Das Jahr?" fuhr Blacky fort. "Wir haben natürlich das sechzehnte Jahr des dritten roten Stieres."

"Äh... ja, natürlich."

Blacky runzelte die Stirn. "Du bist wohl nicht von hier."

Yugi sah etwas ängstlich zu ihm auf. "Wäre das schlimm? Werde ich dann eingesperrt oder so? Ich glaube, ich bin durch einen Unfall hergekommen..." Ja, ein Traum war das wohl doch nicht. Aber er traute sich nicht, genauer nachzufragen, weil er Angst vor der Antwort hatte. [Bin ich im Reich der Schatten gelandet?]

"Du isst jetzt erstmal. Tu so, als wärst du der neue Schüler. Ich lasse mir eine Geschichte einfallen. Und sag auf keinen Fall, wie alt du bist. Es ist besser, wenn man dich für ein Kind hält. Wir werden uns später in etwas privateren Kreisen um das Problem kümmern," schlug Blacky vor.

Yugi nickte besorgt. "Aber bitte lass mich da drin nicht alleine, ich kenne hier niemanden außer dir und Mystic!"

"Ich muss Dark aufsuchen. Aber ich werde einen Beschützer für dich finden," versprach Blacky.

Sie gelangten über einige Treppen zu einem großen Saal, in dem lange Reihen von Tischen und Bänken aufgebaut waren. Die Tische ächzten unter einer Last von verschiedenen Braten, Gemüseplatten, Schüsseln mit Früchten, Brot und nicht zuletzt Krügen voll Wein oder Bier. Yugis Magen meldete seine Wünsche an.

Doch als der Junge sich umblickte, entdeckte er, dass diese Gesellschaft aus allerhand seltsamen Gestalten bestand. Fast hatte er erwartet, in einem Land voller blauhäutiger, elfenhafter Leute zu sein, aber Blacky und Mystic schienen da eher die Ausnahme zu bilden. Die meisten Menschen hier hatten weiße oder dunkle Haut, also etwas, das Yugi als normal empfand. Aber es waren auch Kreaturen dabei, die wie Reptilien auf zwei Beinen aussahen, oder solche, die einem Fantasyfilm entsprungen sein mussten. Ein altehrwürdiger Mann mit einem weißen Bart und spitzen Ohren ging mit einem Krug in der Hand an ihnen vorbei zu seinem Platz und tätschelte dabei den kleinen orangefarbenen Drachen auf seiner Schulter. Doch ein Traum, entschied Yugi, nur um einen Grund zu haben, nicht gleich die Flucht zu ergreifen. Er versuchte, normal auszusehen, aber vielleicht war ein schüchternes, ängstliches Kindergesicht am unauffälligsten.

Blacky war sehr groß und konnte den Raum gut überblicken. "Ah, da ist er. Komm mit, Yugi. Keine Sorge, keiner frisst dich auf."

Yugi hielt sich hinter Blacky, der sich einen Pfad durch die Leute bahnte. Es war relativ eng zwischen den Tischen, und wenn einem dann jemand entgegen kam, musste man aufpassen. Yugi bemerkte jedoch schnell, dass der Weg für Blacky freigemacht wurde. Nun, er hatte ihn kämpfen sehen, wahrscheinlich war er ein ziemlich mächtiger Chaot.

Sie gelangten zu einem Platz am unteren Ende des Saales, wo ein junges, goldblondes Mädchen in einem schwarzen Kleid sich mit einem aschblonden Mann in grünlicher Tunika unterhielt. Sie sah niedlich und verspielt aus und hatte rosa Bäckchen. Yugi schätzte sie auf vielleicht 15 Jahre. Der Mann wirkte etwas ernster. Auf seiner Stirn waren zwei rote Punkte nebeneinander zu sehen, vielleicht so eine Art traditionelles Zeichen. Beide trugen Pferdeschwänze. Doch Yugis Aufmerksamkeit wurde von dem Essen auf ihren Tellern abgelenkt. Das Fleisch sah saftig aus...

Blacky blieb vor dem Blondschopf stehen. "Mava. Dies ist Yugi, ich habe ihn, äh, gefunden. Seine Eltern wurden von Monstern getötet. Ich glaube, er hat magisches Talent." Er machte ein unauffälliges Zeichen mit der Hand, um Mava eine geheime Botschaft zu übermitteln. "Ich muss zu Dark, kannst du eine Weile auf den Jungen aufpassen?"

"Nur, wenn du zu Dark musst, um mit ihm über dieses Kind zu reden," meinte der Blonde schmunzelnd. "Ich spiele nicht den Babysitter, damit du dich amüsieren kannst."

"Es geht um den Jungen, ja. Fürs erste muss er was essen. Später könnte er sicher ein Bad vertragen. Er kann in meinem Bett schlafen."

"Ja, das ist ja ohnehin immer leer," warf das Mädchen neben Mava frech ein.

"Hüte deine Zunge," mahnte Blacky. "Danke, Mava, ich weiß das zu schätzen."

"Heee! Ich habe nicht zugestimmt!"

Doch Blacky verschwand bereits in der Menge. Mava seufzte und streckte die Hand in die Luft. Von irgendwo kam ein Teller angeflogen, dann auch ein Becher. Er belud den Teller für Yugi mit Speisen, und der Besucher aß gierig, nicht darauf achtend, dass er die meisten Sachen nicht kannte. Zu trinken gab es für ihn einen Fruchtsaft, der entfernt nach Orange schmeckte. Yugi fing an, seinen Traum zu mögen.

"Wie hast du es geschafft, ausgerechnet Blacky über den Weg zu laufen?" wollte das Mädchen wissen. Sie gab Yugi von dem Brotfladen, den sie sich gerade geangelt hatte.

"Ich war in der Einöde, und er hat mich gerettet," sagte Yugi wahrheitsgemäß. "Aber ich erinnere mich nicht mehr genau, was geschehen ist."

"Du armer, das ist bestimmt schlimm. Es scheint, Blacky hat dich schon adoptiert! Pass auf, dass du nicht in seinem Chaos versinkst. Ah, ich heiße übrigens Magi. Werde mir bei Gelegenheit 'nen cooleren Namen zulegen."

"Wieso, der ist doch ganz nett."

"Hm." Sie zuckte mit den Schultern. "Jedenfalls ist es bei uns üblich, dass jemand, der einen anderen rettet, sich um ihn kümmert, bis er selbst für sich sorgen kann."

Yugi verschluckte sich fast an seinem Stück Brot. "Dann meintet ihr das ernst, dass er mich adoptiert hat!"

"Na klar!" strahlte Magi.

Mava zupfte an Yugis Gewand. "Das ist eine von meinen alten Lehrlingsroben. Hier, nimm das noch dazu." Er nahm eine Kette aus roten Perlen mit einem schwarzen Kristall als Anhänger von seinem Hals und hängte sie seinem Schutzbefohlenen um.

Yugi staunte. "Aber... sowas Wertvolles..."

"Der Stein wird dich ein wenig schützen. Kannst es brauchen."

"Um... vielen Dank!"

Mava lächelte nur und schob ihm noch ein Stück Fleisch hin. Es schmeckte weder nach Rind noch nach Schwein oder Geflügel, doch Yugi fragte nicht nach.
 

***
 

Krankenhausessen war eines Pharaos unwürdig, aber Yami war weit davon entfernt, sich zu beschweren. Wenigstens behielt er es bei sich.

Sein Bluttest war gut ausgefallen, aber die Ärzte waren noch nicht ganz zufrieden. Er fand es faszinierend, was man alles aus dem Blut herauslesen konnte. Zu seiner Zeit hatte man das auch schon gemacht, aber es hatte natürlich nicht so viele Deutungen zugelassen.

Seto hatte ihm nach einem kurzen Besuch bei Ryou berichtet, dass dieser viel besser dran war. Er hatte eine Platzwunde an der Stirn und eine angeknackste Rippe, ansonsten war er schon ganz okay. Ihn hatte nur der Rückstoß des Millenniumspuzzles erwischt, als Bakura mit der Magie des Ringes angegriffen hatte. Von den beiden Geistern, die im Körper den Weißhaarigen lebten, war keiner verschwunden.

Im Moment war Großvater bei Yami, während der Firmenchef ein paar wichtige Telefonate durchführte. Herr Muto war nicht auf den Kopf gefallen, und er konnte sehr wohl Yami von Yugi unterscheiden. Der Geist des Millenniumspuzzles hatte ihm pflichtschuldigst erzählt, dass Yugi vermisst wurde. Großvater, der selber schon in Ruinen verschüttet und in Spielkarten gefangen gewesen war, reagierte gefasst.

"Ich bin sicher, dass mein Enkelsohn durchhalten wird, bis du ihn findest. Ihr beide habt doch bisher alles geschafft," meinte der alte Mann zuversichtlich.

Yami hatte nicht das Herz, ihm zu sagen, was er Seto gesagt hatte. Und so nickte er einfach. "Ja, natürlich. Ich werde einen Weg finden."

Großvater klopfte ihm ermutigend auf die Schulter.

Yami schob sein Essen weg und legte sich zurück. "Ich fühle mich so schlecht... hoffentlich passiert Yugi nichts, bloß weil ich krank bin... In diesem Zustand bin ich ihm keine Hilfe."

"Keine Angst, ich war selbst über eine Woche im Reich der Schatten. Es war nicht sehr angenehm, aber auch nicht so schlimm, wie man denkt. Vielleicht ist Yugi in einer Art Alptraum gefangen, aber er ist bestimmt nicht in Lebensgefahr."

[Falls er im Reich der Schatten ist.] Sie wussten nicht mit Bestimmtheit, wo Yugi war, aber auch das sagte Yami dem alten Mann nicht. Es war gut, dass wenigstens einer zuversichtlich sein konnte, warum ihm die Hoffnung nehmen.
 

***
 

Nach dem Essen gab es im Saal ein Unterhaltungsprogramm. Zauberlehrlinge führten vor, was sie schon gelernt hatten. Es gab auch Krieger, die ihre Kampfkünste zur Schau stellten. Immerhin konnten Magier nicht ganz allein auskommen, sondern brauchten ein paar starke Hände, die zur Not zuschlagen konnten. Jemand zeigte eine Nummer mit dressierten Wolfshunden. Yugi amüsierte sich.

Als die Runde etwas feucht-fröhlicher wurde, befand Mava, dass es Zeit für das Bad war. "Wir haben eine Heilquelle, das wird deinen Verletzungen gut tun. Es ist ein Gemeinschaftsbad, also mach dir nichts draus, wenn schon ein paar Männer da sind. Der Bereich für die Frauen ist abgeteilt."

Yugi stellte sich das der Beschreibung nach wie ein Onzen vor, und so war es auch. Er musste sich in einem Vorraum ordentlich waschen und durfte dann in eine Art Garten. Das Gebiet war umzäunt und wurde von einem großen, natürlichen Teich beherrscht. Da es bereits dunkel wurde - dunkelviolett -, brannten Fackeln zur Beleuchtung. Einige Männer lehnten gemütlich am Rand des Teiches oder saßen weiter in der Mitte auf Steinen unter der Oberfläche.

"Es ist nicht tief hier vorne, du kannst problemlos rein," bemerkte Mava, als er Yugis zweifelnden Blick bemerkte.

Einige Köpfe wandten sich interessiert zu ihnen um. Zum Glück beachteten sie Yugi kaum, da sie anscheinend über Mavas Erscheinen sehr erfreut waren.

Ein ebenfalls blonder, kräftigerer, junger Mann winkte ihm. "Mava! Lange nicht gesehen! Suchst du mich?"

"Das hättest du wohl gerne, Neo." Yugis Begleiter lächelte jedoch viel versprechend.

[Du liebe Zeit, meine Vorlieben spiegeln sich in meinen Träumen wider. Fehlt noch, dass Yami oder Seto hier auftauchen. Beide auf einmal wäre eine Premiere.]

"Wer ist der Kleine?" wollte Neo wissen. "Ein neuer Schüler? Ich wusste nicht, dass du unterrichtest."

"Blacky hat ihn mir anvertraut. Hat ihn in der Wüste oder so aufgegabelt. Er heißt Yugi. Yugi, sag Neo guten Tag."

Yugi ging ins Wasser, gefolgt von Mava, und nickte dem anderen Mann zu. Er beherzigte Blackys Rat und benahm sich wie ein Kind. "Hallo, Neo. Bist du ein Zauberer?"

Neo grinste. "Manchmal. Habe aber auch ein Schwert."

"Neo!" empörte Mava sich.

"Ist doch so, ich meine das ernst! Was du immer denkst!"

Mava lief rot an und ärgerte sich offenbar. Die anderen Männer lachten. Yugi ließ sich entspannt bis zum Hals ins heiße Wasser sinken. Aus irgendeinem Grund hatte er gar keine Angst zwischen all den Fremden. Einer in seiner Nähe hatte blaue Haare, ein anderer sah alt und grimmig aus. Es störte ihn nicht. Mava bestritt die Konversation, und so brauchte er sich um nichts weiter zu kümmern. Das Wasser schien wirklich seinen Verletzungen zu helfen. Aber er wurde davon auch müde. Die Erinnerung an Blackys gemütliches Bett meldete sich zu Wort.

Neo und einige seiner Kumpels waren schon gegangen, als Mava Yugi aus seinen Träumereien weckte. "Hey. Du gehst wohl jetzt besser raus. Zu lange soll man nicht drin bleiben, sonst überhitzt sich der Körper."

Yugi nickte und watete zum Rand, wo er sich in ein großes Tuch wickelte, das dort bereitlag. Er trocknete sich rasch ab und schlüpfte wieder in seine Robe. Mava begleitete ihn zu Blackys Zimmer - zum Glück, man konnte sich leicht verlaufen. Der Raum lag auch noch in einem besonders entlegenen Winkel der Burg, im dritten Stock.

Yugi entschied, dass seine Neugier befriedigt werden wollte, und fragte: "Mava, sag mal... ist es bei euch üblich, dass Männer mit Männern... Äh, dass zwei Männer... sich lieben?"

Mava lachte. "Wo kommst du denn her, dass es dir so peinlich ist, danach zu fragen? Überhaupt... gibt es einen Ort, wo das nicht so ist?"

"Ja, also... ich habe davon gehört," redete Yugi sich heraus.

"Oh je." Das schien Mava jetzt unangenehm zu sein. "Yugi... Du bist ein niedlicher Junge, deshalb solltest du darauf achten, dass du dich nicht alleine herumtreibst, wenn du weißt, was ich meine."

"Uh... Klar, verstehe," murmelte Yugi errötend. Er verschwieg, dass er kein kleiner Junge war und absolut wusste, was gemeint war.

"Du hast Glück, dass du inzwischen als Blackys Schützling bekannt bist," meinte Mava. "Mit Blacky will sich niemand anlegen. Trotzdem solltest du es nicht herausfordern. Was Blacky betrifft..."

"Er... er wird doch nicht..." stammelte Yugi. Irgendwie war die bloße Vorstellung der absolute Horror. [Was mache ich, wenn dieser blauhäutige, große Schönling mit mir schlafen will? Ob er auf kleine Partner steht?]

Doch Mava klopfte ihm beruhigend auf die Schulter. "Blacky ist mit Dark zusammen. Er wird sich dir nicht auf diese Weise nähern, du brauchst also keine Angst davor zu haben."

Yugi hatte nicht direkt Angst davor gehabt. Es wäre nur einfach nicht richtig gewesen, Traum oder nicht.

Als sie Blackys Gemach erreichten, fanden sie das Bett nicht wie erwartet leer vor, sondern es wurde von seinem Besitzer benutzt. Mava, der den Raum mit einer magischen Lichtkugel erhellte, starrte den anderen Magier mit offenem Mund an.

Blacky regte sich im Lichtschein. "Oh... hallo."

"Was machst du denn hier?" rutschte es Mava heraus.

"Verzeihung." Blacky deutete auf eine zusammengefaltete Decke und ein Kissen. "Ich habe ein zweites Bettzeug für dich bringen lassen, Yugi. Dark geht es nicht gut, und die Heiler haben mich gegen seinen Willen hinausgeworfen. Wir dürfen erst morgen wieder zu ihm. Es macht dir hoffentlich nichts aus?"

Der Mann sah geschafft aus. Yugi konnte ihn verstehen. Wenn Seto oder Yami etwas zustoßen würde... Das Bett war für eine Person gedacht, denn für ein breiteres war gar kein Platz.

"Ich könnte auch auf dem Boden schlafen," schlug der Junge vor. [Fragt sich nur, wo zwischen all dem Gerümpel...]

"Das kommt nicht in Frage, du bist mein Gast, bis wir eine Lösung finden," widersprach Blacky. "Aber ich habe eine andere Idee." Er verwandelte sich vor Yugis Augen in einen blauen Kater mit schwarzem Tigermuster.

"Oh!" rief Yugi begeistert. Das Tier war zu süß, er musste ihn einfach streicheln.

Blacky schnurrte und lehnte sich gegen die sanfte Hand.

"Ich gehe dann, ihr kommt wohl klar," grinste Mava. Er zog die Katze kurz am Ohr und ging dann hinaus, doch das Licht ließ er da.

Yugi breitete die zweite Decke aus, obwohl er sie nicht mehr unbedingt brauchte, jetzt wo sein Beschützer so klein war. Aber er wollte auch nicht alles für sich beanspruchen, sondern formte Blackys Decke zu einem katzenfreundlichen Häufchen neben sich. Da er nicht wusste, ob man hier Nachthemden trug, behielt er einfach die Kutte an, löste jedoch die Kordel. Das Kleidungsstück war ja noch sauber, und er hatte ohnehin nichts anderes. Blacky hatte irgendetwas Schwarzes angehabt vor seiner Verwandlung. Trotz seiner Sorgen wegen der merkwürdigen Situation kuschelte sich Yugi an sein Kissen und schlief rasch ein. Nach ein paar Minuten bekam er im Halbschlaf mit, dass sich der Kater dicht neben ihm zusammenrollte auf der Suche nach mehr Wärme. Automatisch legte er einen Arm um das Tier.
 

***

Fortsetzung folgt.

Der Herr der Burg

Und schon wieder ein neues Kapitel. Das nächste gibt es aber nun wirklich erst nächste Woche! Frühestens! *fest vornehm*
 

Kapitel 3: Der Herr der Burg
 

Seto durfte nicht im Krankenhaus übernachten, das war nur bei Notfällen gestattet. Wenigstens hatte er Yami ein Handy dagelassen. Aber sie konnten auch nicht ununterbrochen telefonieren. Yami blieb allein, so allein, wie er sich in diesem Jahrhundert noch nie gefühlt hatte. Ohne Yugi. Er zog sich in das Millenniumspuzzle zurück und stellte sich vor, Yugi wäre da und hätte gerade die Vorherrschaft inne. Aber es ging nicht, sein Partner fehlte einfach, und mit ihm eine gewisse Wärme. Yami kehrte in die Realität des Krankenzimmers zurück und versuchte zu schlafen.

Seto würde erst nach der Schule wiederkommen können, höchstens vorher mal anrufen. Morgens hatte er keine Gelegenheit. Er arbeitete oft bis spät in die Nacht, da sollte er am Morgen ruhig schlafen. Außerdem waren erst ab halb acht Besucher erlaubt. Yami fand keine richtige Ruhe. Im Krankenhaus gab es dauernd Geräusche, die ihn um den Schlaf brachten.

Als eine Schwester in das Zimmer schneite, kam es ihm vor, als wäre kaum Zeit vergangen, seit er die Augen zugemacht hatte. Yami schreckte hoch, als hätte er eine Schlange im Bett, und sofort wurde ihm von der heftigen Bewegung schlecht. Sein Kopf fühlte sich nicht viel besser an als am Vortag. Zum Glück musste er sich nicht übergeben, noch nicht jedenfalls. Die Krankenschwester war etwa vierzig und hatte eine energische Art an sich. Sie zog schwungvoll die Vorhänge auf und ließ blendende Sonne herein.

"Ich muss deine Temperatur messen," verkündete sie sachlich, und ehe Yami wusste, wie ihm geschah, hatte sie ihm die Decke weggezogen, ihn auf die Seite gewuchtet und das Fieberthermometer da, wo es hin musste.

Sein erster Instinkt war Flucht. [Das ist einfach nicht wahr!] Aber der Griff an seiner Hüfte war fest und das Bild vor seinen Augen schwankte. Seto hatte ihn vor so etwas gewarnt, aber sich nicht besonders deutlich ausgedrückt. Er hatte Yami regelrecht angefleht, bitte keine Schwierigkeiten zu machen, auch wenn die fremde Situation ihm zusetzte.

Nun, es war untertrieben zu sagen, dass ihm diese Situation *zusetzte*. Er wurde seiner Würde beraubt und gedemütigt! Bestimmte Stellen an ihm waren Yugi und Seto vorbehalten! Seto hatte ihm garantiert, dass man ihm nicht schaden würde, was auch immer zum morgendlichen Standardprogramm gehörte. Yami ertrug es für ihn, aber er litt Höllenqualen. Seine Selbstbeherrschung wurde auf eine harte Probe gestellt, aber er war nicht umsonst Pharao gewesen.

Später überwachte die Schwester, wie er einen Becher mit Pillen artig leerte. Vorher jedoch musste er einen anderen auf der Toilette für sie füllen. Mit großer Anstrengung brachte er seinen Gleichgewichtssinn zur Ruhe, so dass er das wenigstens privat erledigen konnte. Wozu war das alles gut?

Er aß sein Frühstück aus reiner Notwendigkeit und verschwieg später wohlweislich, dass er es kurz darauf wieder gesehen hatte. Er musste unbedingt so schnell wie möglich nach Hause! Das Krankenhaus ängstigte ihn durch seine Fremdartigkeit, auch wenn er sich das selbst nicht eingestand. Lieber duellierte er sich im Reich der Schatten, als noch länger im Krankenhaus zu bleiben. Hoffentlich ging es Yugi gut, wo immer er war...
 

***
 

Yugi erwachte ganz allmählich, als ihn das Licht des frühen Morgens im Gesicht kitzelte. Er rückte näher an den warmen Körper neben ihm heran. Von diesem ging ein wohliges Seufzen aus. Der kleine Mann runzelte die Stirn. "Seto?"

"Dark... lass mich noch ein wenig..."

Yugi fuhr hoch wie von der Tarantel gestochen, und Blacky auch. Der Magier hatte weniger Glück als sein Gast. Er hatte dicht am Rand des Bettes gelegen, verlor nun das Gleichgewicht und fiel gegen einen Stapel Bücher, der schwankte und dann polternd über ihm zusammenbrach.

"Oh, Yugi... vergib mir, ich muss mich im Schlaf zurückverwandelt haben... das passiert mir immer, wenn ich von Dark träume..."

"Du hattest deine Arme um mich geschlungen!"

"Es hat dir gefallen!"

Yugi ließ sich auf sein Kissen zurücksinken. "In meiner Welt habe ich einen Geliebten, neben dem ich oft aufwache..."

"In deiner *Welt*?"

[Ups, das hätte ich nicht sagen sollen.] Yugi biss sich auf die Lippe. Er konnte es ihm ebenso gut erzählen. "Ich glaube, dass ich nicht von hier bin. Dies ist nicht meine Welt. Und ich glaube langsam, dass es kein Traum ist, dass ich hier bin."

"Natürlich ist das kein Traum, und natürlich bist du nicht von hier. Ist mir schon klar. Dark weiß normalerweise Rat, wir werden nachher zu ihm gehen." Blacky rappelte sich hoch und glättete sein schwarzes Nachtgewand. Sein langes, jetzt offenes Haar sah ganz wirr aus.

Yugi wusste nicht, was er von der Antwort halten sollte. "Ich habe erwartet, dass du mich für bekloppt hältst, wenn ich dir das erzähle."

Blacky zuckte mit den Schultern. "Bekloppt ist, wer an allem zweifelt, was er nicht kennt. Ich persönlich glaube an die Ordnung des Chaos. Alles ist möglich." Er stapelte die umgeworfenen Bücher nach keinem erkennbaren Prinzip wieder auf, sortierte sie aber dennoch auf irgendeine Weise.

Yugi untersuchte seinen verstauchten Knöchel und stellte fest, dass er fast gar nicht mehr wehtat. Die Medizin und das Bad mussten ihre Wirkung getan haben. Blacky zeigte ihm eine Waschschüssel in einer abgeteilten Ecke des Raumes, wo ausnahmsweise keine Bücher lagen, und kurz darauf waren beide erfrischt und auf dem Weg zu dem geheimnisvollen Dark, dessen Name schon so oft gefallen war.
 

Yugi hatte fast jemanden mit blauer Haut erwartet, aber Dark hatte weiße Haut, eher blass, was durch sein schwarzes Nachthemd noch verschärft wurde. Wie Blacky war auch er groß und schmal. Er hatte türkisfarbene Augen und violettes Haar, das ihm offen auf die Schultern fiel. Da er nicht wie ein Krieger aussah, musste er wohl ein Magier sein.

Dark begrüßte Yugi im Bett sitzend, weswegen er entschuldigend lächelte. "Hallo, Yugi. Es freut mich, dich endlich zu treffen, doch leider haben mir die Heiler verboten aufzustehen. Eigentlich wollten sie dich gar nicht zu mir lassen, aber unsere Begegnung darf nicht länger aufgeschoben werden."

Yugi kannte ihn, da war er sicher, dabei konnte das gar nicht sein. Ein merkwürdiges Gefühl war das, der Lösung so nahe zu sein, aber er kam nicht darauf. "Ich habe schon viel von dir gehört und war gespannt auf dieses Treffen," sagte er höflich. "Kannst du mir denn sagen, wie ich hierher gekommen bin?"

"Gewiss doch, Junger Pharao."

Yugi starrte ihn entgeistert an. "Junger *Pharao*?!"

Dark neigte würdevoll den Kopf zu einem Nicken. "Das ist der Name, mit dem ich dich für mich persönlich belegt habe, Yugi. Ich weiß nicht, ob du des Pharaos erneute Inkarnation bist oder einfach nur zufällig auf ihn gestoßen bist, aber er benutzt dich als Hülle, und du bist jünger als er. Immerhin ist er 5000 Jahre alt. Macht es dir etwas aus?"

Yugi schüttelte hastig den Kopf. "Nein, natürlich nicht. Ich war nur überrascht. Kennst du Yami?"

Dark hob die Augenbrauen. "Yami nennst du ihn? Nun, ich kannte ihn wirklich und kenne ihn noch immer. Zeit spielt keine Rolle, sie vergeht in unseren beiden Welten nicht streng parallel. Ich bin an die Seele des Pharao gebunden, solange ich lebe. Und um auf deine andere Frage zurückzukommen: Dies ist das Reich der Schatten, aber nicht der Ort, an den arme Seelen verbannt werden, wenn jemand einen Millenniumsgegenstand missbraucht. Der Geist des Millenniumsringes hatte die Absicht, deinen Freund den Pharao zu beseitigen, aber du warst im Weg. Ich konnte deinen Ankunftsort beeinflussen, aber es klappte nicht ganz wie geplant, deshalb schickte ich Blacky, um dich zu suchen."

"Oh, das hat er mir nicht gesagt," entfuhr es Yugi.

Blacky stemmte die Hände in die Hüften. "Natürlich nicht, denn das ist mir auch neu. Dark, ich habe erfahren, dass du gar nicht bei Bewusstsein warst, als ich den Jungen fand. Und ich war seit dem frühen Morgen unterwegs."

"Es war eine Botschaft an dein Unterbewusstsein. Du bist herumgestreunt, bis du auf die Zombies gestoßen bist, weil du dich rastlos fühltest, nicht?"

"Wah...! Ich hasse es, wenn du das tust!"

"Dann pass besser auf."

"Das hat damit nichts zu tun! Ein anderer könnte das nicht mit mir machen, aber bei dir gehen meine Alarmglocken einfach nicht an!"

"Gehört sich auch so!" Dark grinste ihn frech an. Dann jedoch wandte er sich wieder Yugi zu. "Mein jetziger Zustand steht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Angriff auf dich und Yami. Ich kann nur aktiv eingreifen, wenn ihr im Reich der Schatten spielt. Als euer Gegner das Tor öffnete und euch attackierte, war ich auf dem Feld und konnte Schlimmeres verhindern. Aber ich habe einen Anteil abbekommen, wie du siehst."

"Du warst... auf dem Feld? Auf dem Spielfeld?" Yugi begriff gar nichts mehr. Gleichzeitig machte plötzlich alles einen Sinn, sofern er die Logik zum Fenster hinauswarf. Darauf kam es jetzt auch nicht mehr an. "Wer... was bist du?" stammelte der Junge, obwohl er es schon zu wissen glaubte. [Ich bin verrückt und habe Halus!]

Dark lächelte gütig und auch eindeutig belustigt. "Du weißt es doch schon."

"Der Schwarze Magier aus Duel Monsters," sagte Yugi. [Vermutlich weiß der Typ nicht, wovon ich rede.]

"Es ist mir eine Ehre, dich persönlich zu treffen, Junger Pharao." Dark verneigte sich andeutungsweise, soweit es seine Lage zuließ.

Yugi gaffte ihn an. "Ich muss wohl doch träumen..."

"Keineswegs. Aber das, was geschehen ist, kommt nicht häufig vor. Im Millenniumspuzzle gibt es eine Tür hierher, aber der Pharao kann sich vermutlich nicht daran erinnern. Er weiß jedoch instinktiv, dass er mich nicht zufällig in seinem - eurem - Deck hat. Ich habe ihn erwählt, und ich bin immer bei ihm, wenn er sich duelliert."

"Aber... wie kann das sein?"

"Ich würde es dir erklären, aber vermutlich steht Mystic schon vor der Tür, um dafür zu sorgen, dass ich Ruhe bekomme." Dark seufzte theatralisch. "Ich würde mich viel besser fühlen, wenn Blacky mich mal ordentlich rannehmen würde..."

Yugi schoss die Röte ins Gesicht. Er sah sich automatisch um und stellte fest, dass sich auf Blackys Wangen ebenfalls ein rötlicher Schatten bildete. Und auf einmal wusste er, woher der Schwarzhaarige ihm so bekannt vorkam. "Du... du bist der Magier des Schwarzen Chaos!"

"Oh, gelegentlich. Das Ritual klappt so selten," grinste der Mann. Er ging zu Dark und flüsterte ihm deutlich hörbar ins Ohr: "Das mit dem Rannehmen merke ich mir!"

Der andere Magier griff ihm ins Haar, um ihn zu küssen.

Yugi wandte sich taktvoll ab und sah sich ein wenig im Raum um. Darks Bett stand mit dem Kopfende an der Wand und in das Zimmer hinein, sodass auf beiden Seiten Platz für Bücherregale an der Wand war. Jeder Zentimeter Wand war mit Regalen bedeckt, aber anders als bei Blacky waren alle Bücher sorgfältig darin nebeneinander gereiht und nach Themen sortiert. Es überraschte Yugi, dass er die Titel lesen konnte. Überhaupt war es seltsam, dass er die Sprache hier verstand. Man konnte ja nicht davon ausgehen, dass die Sprache des Schattenreiches Japanisch war. Doch solange es sich so verhielt, würde er sich gewiss nicht beschweren.

Es gab zwei Fenster an zwei nebeneinander liegenden Wänden, vor denen jeweils ein Arbeitstisch stand. Auf den Tischen lagen ein paar Bücher ordentlich gestapelt, Halter mit fast verbrannten Kerzen und Schreibutensilien. Auf einer Kommode in der Nähe des Bettes standen ein Wasserkrug mit passendem Glas und ein Standspiegel. Dark sparte offenbar den Platz, den ein Wandspiegel gebraucht hätte, lieber für Regale. Er hatte eine Kleidertruhe und einen Schrank, der offenbar keine Kleidung enthielt, denn er war mit einem magischen Siegel und einem Schloss gesichert. Natürlich gab es auch eine Waschecke, abgeteilt mit einem Wandschirm. Alles in allem ein geräumiges Zimmer, aber voll von nützlichen Dingen. Yugi entdeckte Darks Zauberstab, jenen, den er auf dem Spielfeld benutzte, an einer Seite des geheimnisvollen Schrankes lehnend. Fasziniert ging er näher ran, wagte es jedoch schon aus Höflichkeit nicht, das Artefakt zu berühren.

Blacky tauchte neben ihm auf. "Kannst ruhig anfassen, da passiert nichts."

"Nein... schon gut," murmelte Yugi, obwohl die Versuchung groß war. "Wo ist eigentlich deiner, Blacky?"

"Oh... vermutlich unter irgendwas begraben bei meiner Klamottenkiste. Keine Sorge, ich finde meinen Stab immer wieder."

"Äh, das ist beruhigend."

"Wir müssen jetzt gehen, Yugi. Im Moment können wir nichts an der Situation ändern, erst muss Dark sich erholen. Ich könnte dir vielleicht helfen, aber er hat mehr Geduld dafür."

"Hm... kann ich Yami nicht wenigstens eine Nachricht zukommen lassen? Er und die anderen machen sich sicher Sorgen... Hoffentlich ist ihm nichts passiert."

Blacky dachte darüber nach. "Könnte gehen... aber lass uns erstmal frühstücken."
 

***
 

Yami war überglücklich, als Seto am frühen Nachmittag endlich wieder da war. Er hätte sich ihm an den Hals geworfen, wenn nicht zu befürchten gewesen wäre, dass ein Schwindelanfall ihn niederringen würde. Es war schon traurig.

"Seto, ich habe dich so vermisst! Bitte hol mich hier raus!" bettelte der Spielekönig.

"Reiß dich zusammen, so schlimm kann es doch nicht gewesen sein," meinte der Firmenchef.

"Sie haben meinen ganzen Körper durchleuchtet, alles Mögliche gemessen und mir schon wieder Blut abgezapft! Ich wurde an ein Gerät angeschlossen, das komische Linien malt, und ich musste in einen Becher pinkeln und Pillen schlucken! Aber am schlimmsten war dieses... Temperaturmessen! Kann man das nicht anders machen?" regte Yami sich auf.

Seto lachte. "Ich nehme an, dass man dir das Thermometer nicht in den Mund und auch nicht unter den Arm gesteckt hat?"

Yami sah ihn wütend an. "Das ist nicht witzig! Ich habe getan, was du wolltest, habe alles über mich ergehen lassen. Aber es macht mir Angst, Seto! Alles ist so fremd!"

"Ich habe mit den Ärzten geredet," erklärte sein Freund nun ernster. "Deine Untersuchungsergebnisse machen ihnen Sorgen, sie sind nicht normal. Sie denken, dass du eine Krankheit ausbrütest, und versuchen herauszufinden, welche, damit sie behandelt werden kann, ehe es zu spät ist. Dazu kommt ja noch, dass dir immer schwindlig ist und du das Essen wieder von dir gibst."

"Mir fehlt nichts außer Yugi... und dir natürlich. Yugi war vorher nicht krank, und wenn jetzt etwas nicht stimmt, liegt es wahrscheinlich an diesem Unfall!"

"Das könnte sein," überlegte Seto. "Aber wenn ich denen sage, dass du einer Überdosis Magie ausgesetzt warst, stecken sie mich gleich in die Klapse."

"Ich will nach Hause!"

"Schon klar. Ich werde sehen, was ich tun kann. Meinst du, dass du dich zu Hause erholst? Du brauchst ja dann keine Angst mehr vor der fremden Umgebung zu haben."

Yami nickte eifrig. "Alles ist besser als hier, ich komme mir vor wie im Gefängnis!"

"Gut, ich rede mit dem Chefarzt. Joey und die anderen kommen auch gleich her, lass uns noch auf sie warten."

Sie nutzten die verbleibende Zeit für ein wenig Kuscheln. Seto war nur deshalb schon so früh hier, weil er mit seiner Limousine gekommen war. Yugis Freunde gingen zu Fuß - aus reiner Freundlichkeit, wie Tristan versichert hatte. Aber letztendlich kamen auch sie an, und Seto ging den Arzt suchen.

"Hey, Yami. Wir haben dir die Hausaufgaben mitgebracht," begann Tristan und wühlte in seiner Schultasche.

"Die Lehrerin hat gesagt, du sollst machen, was du schaffst. Sie ist immer noch sauer, weil du und Bakura das Klassenzimmer verwüstet habt," bemerkte Thea.

Yami nahm die Zettel von Tristan entgegen. "Danke. Aber heute wird das nichts. Mir ist noch ziemlich schlecht. Und ich muss unbedingt etwas für Yugi tun."

Großvater und Seto hatten die drei mittlerweile über die Situation unterrichtet. Sie konnten kaum helfen, immerhin besaß keiner von ihnen einen Millenniumsgegenstand. Und ob Ryou helfen konnte, war noch dahingestellt. Der Geist des Ringes war sicherlich dagegen.

"Du weißt hoffentlich, dass du auf uns zählen kannst, Kumpel," hakte Joey nach.

"Genau, wir sind deine Freunde und werden dich nie im Stich lassen. Wenn wir etwas tun können, sag es uns einfach," bestätigte Tristan.

"Ihr habt doch bisher immer alles geschafft, du und Yugi," meinte Thea zuversichtlich. "Ihr findet ganz sicher auch aus diesem Schlamassel einen Weg hinaus."

Yami wünschte, er könnte die Zuversicht seiner Freunde teilen. Aber im Moment kam er sich nur noch wie ein totaler Verlierer vor, was vielleicht damit zusammenhing, dass der Boden schon wieder bedenklich schwankte.
 

***
 

Frühstück im Schattenreich bestand aus einer würzigen Gemüsesuppe, Brot und Getreidebrei. Seltsame Früchte gab es auch. Yugi probierte sie etwas skeptisch. Blacky zeigte ihm, wie man sie aß und welche Teile man lieber nicht mitessen sollte.

"Ich fass' es nicht, dass ich dich nicht erkannt habe," seufzte der Magier. "Ich spiele wohl doch zu selten mit. Oder ich konzentriere mich zu sehr auf den Gegner, so dass ich mir dein Gesicht nicht merken konnte..."

Yugi grinste. "Ist doch nicht so schlimm! Ich find's cool, dich mal in Fleisch und Blut zu treffen! Aber es ist ein ganz schön komisches Gefühl... als ob ich träume..." Er sah sich um und erkannte noch viel mehr Gesichter, wenn auch nicht jedes auf den ersten Blick. Die Monster aus dem Kartenspiel liefen hier herum, und sie trugen größtenteils Freizeitkleidung, sodass sie ganz anders aussahen.

Gerade gesellte sich Mystic zu ihnen. "Blacky, wie ich hörte, hast du mit Yugi Dark besucht. Denk daran, dass er sich schonen muss, hörst du mich?"

"Er sagt, es würde ihm besser gehen, wenn ich..."

Yugi trat Blacky unter dem Tisch ans Schienbein.

"...äh, ihn jeden Tag besuchen würde," beendete Blacky seinen Satz.

Mystic sah ihn skeptisch an, wandte sich dann jedoch dem Besucher zu. "Yugi. Wie geht es dir heute, und konnte Dark dir helfen?"

"Ich hatte ein Bad in der Heilquelle und konnte gut schlafen, danke," antwortete Yugi. "Ich fühle mich wie neu. Dark hat mir erklärt, dass ich von meinem Gegner ins Reich der Schatten verbannt wurde und er dafür sorgte, dass ich hierher kam."

Mystic sah ihn verwundert an. [Die Mystische Elfe], dachte Yugi.

"Er ist der Träger des Millenniumspuzzles, das Gefäß des Pharaos," erklärte Blacky ihr.

"Oh!" Sie machte einen tiefen Hofknicks. "Ich fühle mich sehr geehrt! Dein Mut ist bei uns allen bekannt, wir dienen dir mit Freuden!"

Yugi errötete. "Nicht doch, ich bin nur durch Yami so mutig!"

"Du wärst nicht der Hüter des Puzzles, wenn es so wäre," beharrte sie.

Der besagte Hüter des Millenniumspuzzles diskutierte nicht weiter mit ihr. Wenn er verehrt wurde, hatte er nichts zu befürchten, oder? Also würde er es einfach zulassen, auch wenn es ihm peinlich war. [Yami sollte hier sein, ihm würde das gefallen, oder zumindest hätte er kein Problem mit der Anbetung. Hoffentlich geht es ihm gut.]

"Hey, Yugi! Guten Morgen, alles klar?" Mava ließ sich neben ihm auf die Bank fallen, gefolgt von Neo, der heute Hose und Hemd trug.

"Das Bad in der Quelle hat mir sehr gut getan, und die Nachtruhe auch," sagte Yugi erneut. [Maha Vailo. Und Neo, der Magische Schwertkämpfer! Dann ist dieser Anhänger... der Schwarze Anhänger! Vielleicht sollte ich ihn lieber Mava zurückgeben?]

"Ich hab mich noch gar nicht richtig vorgestellt," sagte Neo. "Ich bin Mavas großer Bruder, Neo."

Yugi war überrascht. "Ihr seid Brüder? Cool..."

"Tja, wir haben beide hier eine Zaubererlehre angefangen, aber als der ältere bin ich Mava natürlich weit überlegen..."

Mava schlug sich mit der Hand vor den Kopf. "Neo, wir sind Zwillinge! Der Altersunterschied beträgt höchstens eine halbe Stunde!"

"Scheint zu reichen," grinste der andere Magier.

"Ja, ja, aber anscheinend hattest du es zu eilig, als dass du viel Hirn mitbekommen hättest! Lass mich jetzt gefälligst in Ruhe frühstücken!" Mava fing demonstrativ an, sich den Teller voll zu schaufeln.

"Und ich dachte schon, ihr seid zusammen," grinste Yugi.

"Neo macht immer solche Witze im Bad, aber ich kann das nicht haben, wenn ich esse," grummelte Mava. "Ich wünschte, er würde sich das mal merken."

Neo lachte und wuschelte seinem kleinen Bruder mit der Hand durchs Haar, wofür dieser ihn mit einer magischen Entladung von der Bank katapultierte. Zum Glück saß niemand sonst neben ihm.
 

Yugi hatte den Vormittag mehr oder weniger für sich und nutzte ihn, um sich in Blackys Zimmer umzusehen. Er versuchte nicht, Ordnung in das scheinbare Chaos zu bringen. Der Magier hatte vermutlich sein eigenes System, die Dinge anzuordnen. Blacky suchte mehrere Bücher zielstrebig heraus, wischte seinen Schreibtisch mit einer Armbewegung frei und stapelte sie dort. Yugi ordnete zumindest die Sachen, die auf dem Boden gelandet waren. Blacky bot ihm an, jemanden herbeizurufen, der ihm die Burg zeigte, doch sein Gast wollte lieber noch etwas Ruhe haben. Für den Nachmittag hatte er eine Verabredung mit Mava und Neo, die ihm die umliegende Landschaft zeigen wollten. Blacky indessen wühlte sich durch allerhand Bücher und Schriftrollen, um Informationen bezüglich ihres gegenwärtigen Problems zu finden. Yugi hielt es für unwahrscheinlich, dass er etwas fand, das sich auf die Möglichkeit, dass ein Geist aus einem von zwei Geistern bewohnten Körper ins Schattenreich verbannt wurde, bezog. Dennoch hatte er angeboten zu helfen, doch sein Gastgeber meinte, er kenne sich nicht gut genug damit aus, um zu wissen, wonach er suchen musste. Das fand Yugi einleuchtend.

"Blacky... mir fällt plötzlich ein... Yami ist doch in Sicherheit, nicht? Was, wenn er auch im Schattenreich ist?" fragte er den Magier. Er hatte den Gedanken noch gar nicht in Erwägung gezogen, wie dumm von ihm.

"Der Pharao ist nicht in Gefahr, sonst wüsste Dark es. Du hast ihn doch beschützt. Bestimmt sucht er schon nach einem Weg, dir zu helfen," vermutete Blacky.

Yugi nickte. "Ja, falls ihm nichts passiert ist."

"Nun, er ist vielleicht krank oder leicht verletzt, wie Dark. Aber es wird ihm trotzdem nichts Ernstes passiert sein," versicherte der Blauhäutige. "Heute Abend wirst du es genau wissen. Während du fort bist, werde ich alles vorbereiten, also übertreib es nicht, du darfst nicht zu müde sein. Naja, Mava wird schon aufpassen. Und Neo kann ja auch ganz vernünftig sein. Er sollte endlich einen festen Partner finden, das würde ihn ruhiger machen."

Yugi rang sich ein Lächeln ab und nickte. "Sag mal, ist Dark sowas wie der Anführer in dieser Burg? Du bist eigentlich stärker als er, nicht wahr?"

Blacky stand auf, um ein weiteres Buch aus einem Stapel neben der Waschecke hervorzuwühlen. "Du meinst, ich sollte der Anführer sein? Ne, lass mal. Es kommt nicht nur auf Stärke an, weißt du."

"Ja, ich weiß. Bei Duel Monsters gewinnt man auch nicht nur durch Schlagkraft."

"Na siehst du. Dark hat Führungsqualitäten, die mir komplett abgehen. Nicht dass ich Wert drauf legte... Die meisten Herrscher haben ein Händchen für ihre Position und halten sie durch die Macht ihrer Gefolgsleute. Macht ist nichts ohne Kontrolle. Wenn ich anführen würde, müsste ich ja eine geregelte *Ordnung* in mein Leben bringen. Vergiss es. Ich bin viel zu gerne der Herrscher des Chaos."

Yugi lachte, und Blacky ebenfalls. Der Magier fand das gesuchte Buch und bückte sich dann erneut. "Ah, wusste ich doch, dass er hier irgendwo liegt..." Er hob grinsend seinen imposanten Zauberstab auf, der in seinem momentanen Aufzug überhaupt nicht zu ihm passen wollte, und Yugi hielt sich fast den Bauch vor Lachen.

"Du solltest vielleicht überlegen, dich auf deine Eignung als Schüler testen zu lassen," schlug Blacky vor. "Es könnte sein, dass du eine Weile hier bist, ehe wir den Ausweg finden, also solltest du ruhig etwas lernen."

Yugi dachte ernsthaft über diese Möglichkeit nach. Immerhin konnte es ebenso gut sein, dass er für immer hier bleiben musste. Aber bisher waren ja alle, die er kannte, immer wieder zurückgekehrt, nicht wahr? Und hier war er in den besten Händen. Dennoch... "Vielleicht machen sie dann auch eine Duel Monsters Karte von mir," überlegte er. Das war so eine irre Vorstellung, dass er schon wieder grinsen musste. [Ich bin dann bestimmt ein Monster mit ein paar Verteidigungspunkten, wenig Angriffspunkten und dafür irgendeinem nutzlosen Effekt. >FLIPP: Mische dein Deck.< Oder so.]

"Yugi." Blacky klang auf einmal ganz ernst. "Stell dein Licht nicht unter den Scheffel. Ich schätze, deine Verteidigungspunkte wären höher als deine Angriffspunkte, aber sie wären zweifellos nicht zu verachten. Du bist sehr mutig. Wir alle wissen das."

Yugi fühlte aufkommende Tränen in seinen Augen. Er blinzelte sie weg. "Wirklich? Na, ich weiß nicht..." [Angriffspunkte 0, Verteidigungspunkte 1000? Vielleicht gerade so. Alles, was ich war, kam doch nur durch das Millenniumspuzzle und Yami... Er ist der, der immer kämpft.]

"Aber du gibst ihm die Macht dazu. Es ist dein Körper, den er übernimmt, und dein Wille, der es ermöglicht hat."

Yugi bekam noch größere Augen, als er schon hatte. [Waah! Kann er Gedanken lesen?!]

[Gelegentlich. Siehst du? Du hast ein Talent für Telepathie.]

[Ich dachte, das klappt nur mit Yami...]

[Nun ja, ihr habt eine spezielle Bindung. Und ich bin ein Magier, deshalb ist es einfach. Du wirst das nicht mit jeder Person können, aber dass du meine Gedanken empfangen kannst, ist schon sehr gut. Du hast es mir allerdings auch leicht gemacht, deine zu lesen. Wir müssen dir beibringen, zu verhindern, dass jemand deine Gedanken uneingeladen liest.]

[Ich war unvorsichtig, weil ich dir vertraue. Und weil ich nicht wusste, dass du das kannst.]

[Du vertraust mir? Ich fühle mich geehrt.]

"Aaargh! Können wir jetzt mal normal weiterreden? Ich kriege Kopfschmerzen davon!" jammerte Yugi schließlich.

"Übung macht den Meister," kommentierte Blacky. "Aber jetzt bin ich fast sicher, dass du irgendein Talent hast, das aus dir ein begehrtes Effekt-Monster machen würde. Sicher wärst du auch eine sehr seltene Karte."

"Du kennst dich damit voll aus, was? Wie kann das sein?"

"Das ist sehr kompliziert, aber ich werde es dir bei Gelegenheit erklären. Jedoch nicht heute. Heute werden wir versuchen, Yami zu erreichen."

Yugi nickte verwirrt, nahm sich dann ein Buch, das interessant aussah ("Zauberei für Anfänger"), und setzte sich aufs Bett, um darin zu stöbern. Sicher brauchte Blacky kein Anfängerbuch mehr, und es war auch ein Risiko, einen Fremden in seinem Bestand wühlen zu lassen. Ob er es absichtlich für ihn zum Finden dort hingelegt hatte?
 

***

Fortsetzung folgt

Talent für Telepathie

So, liebe Leute, das ist jetzt schon Kapitel 4. Ich habe noch ein paar vorrätig. Es wäre allerdings doch mal ganz nett, wenn ich mal den einen oder anderen Kommentar bekäme... Furu zählt nicht, die liest die Story ja eh bei mir zu Hause und ist überhaupt schuld daran, dass es "Fremde Welten" gibt. Danke, Furu.
 

Also, setzt euch mal hin und sagt mir, was euch gefällt, das interessiert mich. Möchte ja schon gerne wissen, wie mein Werk ankommt. Konstruktive Kritik ist auch gern gesehen. Stellt ruhig Fragen. Vorschläge und Anregungen sind natürlich willkommen. Spezielle Wünsche können berücksichtigt werden, sofern das Thema es zulässt. Danke sehr!
 

Kapitel 4: Talent für Telepathie
 

"Ihr müsst jetzt gehen, er sollte nicht so viel Besuch auf einmal haben," teilte die Krankenschwester den Freunden mit. Sie scheuchte Thea, Tristan und Joey hinaus.

Seto blieb sitzen. Die Ärzte hatten Angst, dass Yami eine ernste Verletzung hatte, die auf den ersten Blick nicht zu erkennen war, deshalb hatten sie durchgesetzt, dass der Patient noch wenigstens diese Nacht im Krankenhaus blieb, bis die Untersuchungsergebnisse vollständig ausgewertet waren. Der Chefarzt hatte es Seto geduldig erklärt, und eigentlich hatte er Yami gar nicht weglassen wollen, aber unter den gegebenen Umständen - Seto stiftete ein paar neue, teure Geräte - durfte der junge Mann auf eigene Verantwortung am nächsten Morgen gehen, sofern ihn jemand abholen konnte. Das war natürlich kein Problem.

Und so wurde Yami weiter in die Mangel genommen, auf alle nur erdenklichen Arten untersucht, doch die Ärzte fanden nicht den Grund für seinen Zustand. Sie bewirkten nur, dass er sich noch schrecklicher gedemütigt fühlte. Aber wenigstens hatte Seto erreicht, dass er immer an seiner Seite sein konnte. Da er nun ein edler Spender war, schoben sie ihm sogar ein Bett in Yamis Zimmer, damit er die Nacht bei ihm verbringen konnte.

Abends kam dieselbe Krankenschwester wie am Morgen wieder. "Herr Kaiba, würden Sie bitte draußen warten?" Sie hatte auch wieder ihr fahrbares Wägelchen dabei und nahm gerade das Fieberthermometer zur Hand.

Yami kroch ans Kopfende seines Bettes und zog die Decke fest um sich. Flehend sah er Seto an. Der lachte nur belustigt und stand auf. Yami wollte ihn treten und würgen...

"Aber Schwester, seine Temperatur können Sie doch auch in meinem Beisein messen. Geben Sie mal her." Er nahm ihr das Thermometer aus der Hand, ohne auf ihre Proteste zu achten, und hielt es Yami vor den Mund. "Aufmachen. Na los. Oder willst du es doch lieber... anders?"

Yami warf ihm noch einen giftigen Blick zu, machte aber brav den Mund auf.

Seto steckte ihm das Thermometer hinein. "Vorsicht, zerbeiß es nicht. Nimm es unter die Zunge." Er beobachte amüsiert, wie Yami seine Anweisungen befolgte und ihn dabei anblitzte. Der Pharao konnte es eben nicht leiden, wenn man sich über ihn lustig machte. Aber er würde sich schon wieder beruhigen, immerhin blieb ihm Schlimmeres erspart. Seto grinste.

"Er muss diese Tabletten nehmen, sie sind gegen die Übelkeit und das Fieber. Sagen Sie es mir, wenn seine Temperatur mehr als 38 Grad beträgt," ordnete die Schwester an und verließ leicht pikiert das Zimmer.

"Ich habe das Gefühl, diese Frau behandelt gerne junge Burschen wie dich," teilte Der Firmenchef seinem Freund mit.

"Isch glaube, sie hat misch für vierzehn gehaltn." grummelte Yami mit dem Fieberthermometer im Mund.

Wie sich herausstellte, hatte er immer noch leichtes Fieber, aber nichts allzu Bedenkliches. Seto sorgte dafür, dass er die Tabletten nahm, auch wenn er es für sinnlos hielt. Wenn Yami unter der Einwirkung magischer Kräfte litt, konnte Medizin auch nicht helfen. [Herrje, vor einem Jahr hätte ich mich selbst in die Klapsmühle eingewiesen, wenn ich sowas wie die Existenz von Magie auch nur in Erwägung gezogen hätte.]

"Ich habe deinen Großvater angerufen, damit er dein Zimmer für dich vorbereitet," bemerkte Seto.

"Yugis Zimmer," verbesserte Yami ihn. "Ich hoffe sehr, dass es mir bald besser geht und ich ihn aus dem Schattenreich retten kann. Falls er dort ist."

Seto seufzte. "Sei nicht so pessimistisch. Wenn du nicht gehen kannst, um ihn zu finden, werde ich es tun."

"Nein! Du..."

"Was?"

"Du weißt doch gar nicht..." Die Worte erstarben auf Yamis Lippen.

Seto nahm ihn in die Arme und kraulte ihn beruhigend im Nacken. "Deine eifrigen Freunde würden vielleicht sogar mitkommen wollen. Es ist doch noch gar nicht sicher, feststeht nur, dass du nicht ohne mich ins Reich der Schatten gehen wirst. Verstanden?"

Yami nickte unsicher. Seto besaß den Millenniumsstab, weil er ihn ihm anvertraut hatte. Aber er hatte nicht gewusst, dass Seto etwas anderes damit anfangen konnte, als ihn in einem Safe aufzubewahren. Nun hörte es sich ganz so an. Zumindest war der Firmenchef mit Sicherheit störrisch und entschlossen genug, es einfach zu versuchen. Für Yugi. Yami fühlte eine warme Welle der Liebe in sich aufwallen und kuschelte sich in die Umarmung.
 

***
 

Yugi hatte sich einmal mit Maha Vailo verglichen. Er hatte Thea gesagt, dass zwar der Schwarze Magier seine Lieblingskarte war, aber Maha Vailo passte am besten zu ihm, weil er auf den ersten Blick weniger stark war, aber seine besondere Fähigkeit - sein Effekt - machte ihn sogar mächtiger als den Blauäugigen Weißen Drachen. Die Wahrheit dieser Aussage wurde ihm gerade präsentiert. Mava streckte die Arme aus und rief eine Formel in den Himmel, während Neo etwas entfernt neben Yugi stand und ihm versicherte, dass nichts passieren konnte. Der ältere der Brüder trug heute sein Schwert bei sich, aber keine Rüstung wie auf der Spielkarte. Um seinen Hals hing ein Schwarzer Anhänger wie der, den Mava Yugi gegeben hatte. Vielleicht waren die Dinger ein Familienerbe, oder es gab sie oft. Letzteres konnte es eigentlich nicht sein, schließlich war es eine seltene Karte.

Sie warteten eine Weile darauf, dass Mavas Anrufung beantwortet wurde. Wenn Yugi bis dahin geglaubt hatte, schon viel gesehen zu haben, so verschlug es ihm jetzt die Sprache, denn vor Mava landete ein Wesen, dass sogar in Yugis Welt gefürchtet war - wenn auch nur unter den Kartenspielern. Mava streckte die Hand aus und streichelte...

"Silberschwinge."

Der riesige weiße Drache hatte seinen Kopf vertrauensselig gesenkt und ließ sich von dem zierlichen Magier liebkosen wie ein Kätzchen. Yugi war nicht sicher, ob er Angst haben oder staunen sollte. Jedenfalls war beides der Fall.

"Na komm. Sie ist nicht gefährlich," forderte Neo ihn auf und ging ebenfalls zu dem Drachen.

"Sie?" wiederholte Yugi überrascht.

Mava lachte. "Niemand in deiner Welt hat sich jemals Gedanken darüber gemacht, nicht wahr? Drachen haben eine matriarchalische Gesellschaftsstruktur. Silberschwinge ist die Königin der weißen mit blauen Augen. Sie ist dem Hohepriester zugetan, der sich jetzt Seto Kaiba nennt. Deshalb haben viele andere Drachen ebenfalls eine Vorliebe für ihn, so wie wir, die wir uns um Dark scharen, dem Pharao folgen würden."

Yugi traute sich näher heran. Das Drachenweibchen sah ihn mehr neugierig als argwöhnisch an. Klar, er war nur ein kleiner Mensch. Wen sollte so ein Drache fürchten? [Ich wünschte, Seto wäre hier und könnte das sehen.]

"Trau dich ruhig, wer mit dem Magier des Schwarzen Chaos in einem Bett schlafen kann, kann auch den Blauäugigen Weißen Drachen am Kopf kraulen," meinte Neo.

"Ach, deshalb fasst du sie nicht an," bemerkte Mava und erntete einen vernichtenden Blick von seinem Bruder, was er mit einem überlegenen Lächeln quittierte.

An Neos Worten war gewiss was dran. Doch Blacky *passte* immerhin in ein Bett... Yugi streckte die Hand aus und berührte den Drachenkopf mit zitternden Fingern. Überrascht fühlte er warme Schuppen. Er hatte sich die Haut kalt vorgestellt. Silberschwinge beschnupperte seine extravaganten Haare.

Neo streichelte das Wesen auch kurz, nur um zu beweisen, dass er es konnte. Silberschwinge war davon aber nicht so begeistert wie von Yugi und Mava. "Sie mag mich nicht allzu sehr, weil ich lieber auf Diamantkralle reite."

"Reiten?!" wiederholte Yugi ungläubig.

Neo überkreuzte die Hände vor seiner Brust und murmelte etwas. Kurz darauf reckte der Weiße Drache den Kopf zum Himmel, um dem Neuankömmling eine Warnung zuzuzischen. Diamantkralle funkelte wirklich wie ein Edelstein. Er war schlanker und weniger wuchtig als Silberschwinge.

"Was sagt ihr zu ihnen, damit sie kommen? Kann ich das auch?" fragte Yugi eifrig, während er sich vorsichtig an den männlichen Drachen heranpirschte, um auch ihn zu berühren.

Neo zuckte mit den Schultern. "Das hier ist das Reich der Schatten. Es wäre nicht das erste Mal, dass du ein Monster von hier rufst, nicht wahr? Aber wir wollten dich eigentlich auf einem unserer Drachen mitnehmen."

Der Duel Monsters Champion musste an seine Duelle denken, die er unfreiwillig im Reich der Schatten ausgestanden hatte, gegen Pegasus und später gegen Mariks böse Seite. Yami konnte das besser. Aber er war nicht hier. Yugi vermisste seine Nähe, sein hilfsbereites Eingreifen. Er war jetzt auf sich gestellt. Aber er war nicht allein. Seine Freunde waren ja immer in seinem Herzen, und erst recht Yami und Seto. Aber auch an Ort und Stelle hatte er Freunde. Solche, die er bisher nur von Monsterkarten kannte. [Wenn Joey hier wäre, könnte er vielleicht sein Rotauge herbeirufen. Auch wenn ich die Karte jetzt besitze, ist es doch immer noch irgendwie sein Drache. Seto würde sich hier echt wohl fühlen.]

Yugi entschied, dass zwei Drachen ihm reichten, lieber probierte er gar nicht erst, einen zu rufen. Vielleicht nächstes Mal. Er ließ sich von Mava hoch helfen, der bereits auf Silberschwinge saß. [Es ist wie auf einem großen Pferd - kein Grund zur Sorge! Wenn ich nur schon mal geritten wäre...]

Sekunden später sah er das Schattenreich von oben. Es war gar nicht so schattig, abgesehen von der Farbe des Himmels wirkte es ganz normal. Allerdings stellte Yugi fest, dass er keine Sonne sehen konnte, obwohl eine da sein musste. Sie schien ja morgens in Blackys Zimmer. Und die Bäume und Felsen unter ihm warfen Schatten in eine bestimmte Richtung. Nun ja, das war vielleicht einfach etwas, womit man sich abfinden musste. Yugi dachte nicht weiter darüber nach, denn er war damit beschäftig, sich an Mava festzuhalten, um nicht herunterzufallen. Wie hielt sich der Magier auf einem Drachen, der überall mit glatten Schuppen bedeckt war?

Die Burg Drachenfels, wo die Magier lebten, hatte ihren Namen nicht umsonst. Sie thronte hoch am Hang eines Berges und war nur durch einen schmalen Pfad zu erreichen. Direkt neben ihr stürzte ein Wasserfall rauschend in die Tiefe. Yugi wunderte sich, dass er das Geräusch nie gehört hatte. An einer Stelle, die unzugänglich war, außer wenn man durch die Burg kam, befand sich eine große Plattform aus Stein, wo die Drachen landen konnten. Von dort waren Silberschwinge und Diamantkralle gestartet. Es gab noch mehr solche Vorsprünge überall auf dem Berg. Falls die Burg angegriffen wurde, würde der Feind es mit einer Armee von Feuer speienden Bestien zu tun bekommen. Der Rest des Berges war üppig mit Bäumen, Gestrüpp und Kräutern bewachsen. Der Kontrast zwischen Kahlheit und Pflanzenwelt war faszinierend.

Die Drachen trugen ihre Reiter schnell davon, und die Landschaft raste unter ihnen dahin. Die Zusammenstellung der Gebiete folgte keinerlei irdischer Logik. Um den Berg herum war Wald, so dicht, dass er schwer zu durchbrechen war. Aber daran grenzte ein Ödland - möglicherweise das, wo Yugi angekommen war -, dann eine Wüste, und mitten in ihr gab es ein Meer, das so salzig war, dass nichts darin oder an seinen Ufern leben konnte. An die Wüste schloss sich Grasland an, das nach kurzer Zeit in tropischen Wald überging, in dem ab und zu ein großer kahler Felsen aufragte. Natürlich gab es überall Monster, aber Yugi hatte keine Gelegenheit, sie in Ruhe zu betrachten, sondern erkannte sie nur undeutlich als Flecken am Boden oder in der Luft. Fürs Erste war ihm das auch ganz recht so.

Bald kamen sie an einen Ozean, der seine Wellen gegen bewaldete Klippen warf. Mava und Neo ließen ihre Drachen tiefer gehen und langsamer werden. Yugi staunte. Das Wasser erstreckte sich endlos, und es war ein großartiges Gefühl, so darüber hinweg zu gleiten. Für einen Moment vergaß Yugi alles andere, doch dann wünschte er sich, das zusammen mit seinen Freunden erleben zu können, und natürlich mit den beiden Menschen, die er ganz besonders liebte. Er klammerte sich ganz fest an Mava und kuschelte sein Gesicht Trost suchend an ihn. Falls der Magier etwas merkte oder sich wunderte, sagte er nichts dazu.
 

Später an diesem Abend aß Yugi sein Essen sehr nachdenklich. Es gefiel ihm hier, obwohl es das gefürchtete Reich der Schatten war. Vielleicht konnten Seto und Yami hier zusammen mit ihm leben - beide, ohne dass er sich mit Yami einen Körper teilen musste. Fast war er versucht, das ernsthaft zu erwägen, doch er schlug es sich aus dem Kopf. Was würde sein Großvater ohne ihn machen? Nun, er konnte vielleicht mitkommen... Yugi schüttelte energisch den Kopf. Er gehörte nicht hierher, auch wenn die Leute noch so nett waren und die Landschaft noch so schön. Gewiss gab es im Schattenreich auch Seiten, die wirklich so dunkel waren, wie der Name vermuten ließ.

Magi versuchte, Yugi aufzuheitern, gab es aber bald auf. Sie vertiefte sich stattdessen mit Mava und Neo in ein Gespräch über das Ritual, das Blacky und Dark geplant hatten, um Yami zu erreichen. Mystic gesellte sich ebenfalls zu ihnen, und der blauhaarige Typ, den Yugi im Bad gesehen hatte. Letzterer trug jetzt eine Robe in eisblau, passend zu seinem Haar. Seine Frisur war recht eigensinnig: Einige Haare standen zu Berge, am Hinterkopf jedoch hingen sie herunter. Seine Augen waren pupillenlos und so rot wie seine langen Fingernägel, doch Yugi konnte ihn nicht recht einordnen. Der Mann wurde von allen Mad genannt und sah aus wie Mitte Zwanzig, mit einem sympathischen Gesicht, in dem oft ein Lächeln war.

"Dark sollte das nicht tun, er ist noch zu schwach!" beklagte sich Mystic gerade.

"Schwäche hat ihn niemals davon abgehalten, dem Pharao zu dienen. Da macht er ganz schön was mit," meinte Magi. Sie schlug Yugi kumpelhaft auf die Schulter. "Nichts gegen dich. Du kannst dich glücklich schätzen; es gibt hier Leute, die für dich durchs Feuer gehen würden."

"Ich... wusste nicht, dass es für Dark so anstrengend ist, in meinem Deck zu sein," stammelte Yugi errötend.

"Ach was, anstrengend ist nicht das richtige Wort," winkte Neo ab. "Er betrachtet es nicht nur als seine Pflicht, sondern auch als Hobby, und es schult seine Fähigkeiten. Wenn er mit dir gekämpft hat, ist das für ihn etwa so, wie wenn man eine Stunde Sport getrieben hat und mit seiner Leistung zufrieden ist. Er macht es gerne."

"Ähm... ist es schon öfter vorgekommen, dass er sich dabei verletzt hat?" hakte Yugi nach.

"Er ist manchmal müde, aber zufrieden. Doch es hat ihn nie so erwischt. Liegt wohl an der Macht des Millenniumsrings, die gegen euch verwendet wurde," überlegte Mystic. "Er ist willensstark und mächtig, aber im Moment sollte er sich wirklich schonen. Blackys Annäherungsversuche haben da gerade noch gefehlt."

"Ich hatte allerdings bisher nicht den Eindruck, dass sein Liebesleben ihm schadet," bemerkte Mava.

"Wenigstens *hat* er ein Liebesleben," grinste Neo.

Mava streckte ihm die Zunge raus. "Du musst gerade reden! Diese Amazone, die du zuletzt hattest, war ja wohl auch nichts für die Ewigkeit."

"Besser vorübergehend als gar nicht."

Mava ersparte sich einen weiteren Kommentar und sah errötet weg.

Nach und nach trafen weitere Magier ein. Yugi beobachtete, wie sich der Tisch füllte. Die meisten kannte er. Ticos (der strenge Mystiker), die kleine Weiße Magierin Pikeru, Faith (Magier des Glaubens) und noch ein paar andere. Jene, die nicht gleich als Monster von einer Spielkarte zu identifizieren waren, sahen vermutlich durch die Freizeitkleidung zu sehr anders aus, vermutete Yugi. Wie sich herausstellte, waren sie herbeigerufen worden, um bei dem Ritual zu helfen. Allmählich schien es, als wäre das wirklich eine große Sache.

Dann tauchte noch ein Gast auf, dieser jedoch war unverkennbar. Mit einem "Huuh!" Laut setzte er zu einer Kuschelattacke an.

Yugi hielt das Wollknäuel auf Armeslänge von sich, um zu sehen, was ihn da angefallen hatte. "Kuriboh! Hey, wie cool! Du hast mich schon so oft gerettet!" Er ließ gerne zu, dass das kleine Monster sich begeistert an seiner Wange rieb, und streichelte es seinerseits.

"Willst du nachher noch mal ein Bad nehmen, Yugi?" schlug Mava vor. "Du kannst uns nicht großartig bei den Vorbereitungen helfen, die noch getroffen werden müssen, und es wäre gut, wenn du dich schön entspannst, bevor wir anfangen."

"Gute Idee," nickte Yugi.

"Fein, Kuriboh wird dir überall hin den Weg zeigen, sag ihm einfach, wohin du willst."

"Cool!" Yugi aß schnell auf, damit er loslegen konnte. Als erstes sagte er Kuriboh, er wolle an einen Ort, wo er Handtücher bekommen konnte. Er landete im Vorraum des Bades und erinnerte sich undeutlich, dass hier immer welche bereitlagen. [Auch gut, einen Weg gespart.]

Yugi wusch sich und begab sich dann zu dem warmen Teich. Wieder war die Szenerie nur durch Fackeln erhellt; er und seine Begleiter waren heute relativ spät zum Essen gekommen. Vielleicht war deshalb niemand hier. Nun, etwas Muße konnte nicht schaden. Doch gerade, als er seine Einsamkeit zu genießen begann und ins Wasser stieg, hörte er jemanden unterdrückt stöhnen. Also war er doch nicht allein. Der Laut wiederholte sich. Es klang, als hätte jemand Schmerzen! Yugi eilte um einen Felsen in der Mitte des Teiches herum, so schnell es im Wasser ging, und hatte plötzlich keinen Boden mehr unter den Füßen. [Warum muss ich nur so klein sein?! Vielleicht ertrinkt da jemand!] Er zögerte jedoch nicht, sondern schwamm einfach weiter.

Der Mann lehnte an einer Stelle, wo das Ufer steil und steinig war, am Rand des Teiches. Sein Kopf lehnte an einem großen Felsbrocken. Gerade seufzte er in einer Mischung aus Schmerz und... etwas anderem. Mit den Händen krallte er sich an den Steinen fest, was seinen Fingernägeln gewiss nicht gut bekam.

Yugi erkannte ihn schockiert. "Dark! Was ist, geht es dir gut?" [Verflixt, sicher ist er allein hergekommen und hat irgendeinen Anfall... Er sollte es besser wissen, in seinem Zustand...]

Der Magier wandte sich ihm plötzlich überrascht zu, und seine Augen weiteten sich vor Schreck. Seine Wangen nahmen einen auffälligen Rotton an. Er machte ein Gesicht, als hätte man ihn mit der Hand in einem verbotenen Glas Bonbons erwischt. "Äh... Yugi...! Hallo, mit dir habe ich ja gar nicht gerechnet, also..."

Yugi schwamm auf ihn zu. "Ich dachte, dir wäre etwas zugestoßen."

"Och, äh... nein, alles bestens. Etwas weiter rechts ist ein Stein."

Der Junge fand den besagten Stein unter Wasser, froh, wieder stehen zu können. Ein paar bläulich-violette Flecken an Darks Armen und Oberkörper fielen ihm auf. Das musste wohl bei Bakuras Angriff passiert sein. Aber warum sah der Man ihn so komisch an?

Auf einmal kamen Luftblasen dicht vor dem Magier hoch, dann tauchte in einer Wasserfontäne, verursacht durch zurückgeworfenes Haar, Blacky prustend auf. Er drehte sich um und grinste breit. "Hallo, Yugi! Willst du uns ein bisschen Gesellschaft leisten?"

Yugi verschlug es die Sprache. Sein Kopf fühlte sich auf einmal ganz heiß an.

Dark sank in eine sitzende Haltung hinunter und barg sein glühendes Gesicht in den Händen. "Blackyyy... Warum bist du nicht einfach weggetaucht? War das jetzt nötig?"

"Es war lecker."

Dark zuckte zusammen wie ein geschlagener Hund. "Argh! Hör damit auf!" [Oh, verdammt, verdammt, verdammt! Wie soll ich dem Pharao und diesem Jungen denn je wieder unter die Augen treten?!]

[Na, wie immer, mit deinen sexy lila Klamotten und dem imposanten Stab... Mir persönlich würde der Stab schon reichen...]

[Blacky! Das ist nicht witzig! Das ist einfach nur... zum Heulen! Ich hab dir gleich gesagt, wir sollten nicht im Bad... Mein Ruf ist im Eimer, wie soll Yugi mich jetzt noch ernst nehmen? Ich kann mich nicht mehr auf dem Spielfeld blicken lassen!]

[Jetzt übertreibst du aber.]

Yugi kicherte und unterbrach damit die gedankliche Diskussion. "Sowas ist mir auch mal mit Seto passiert. Mokuba kam rein, sein kleiner Bruder, als wir gerade voll dabei waren..."

"Siehst du, er findet es lustig!" rief Blacky erfreut.

Dark war nicht überzeugt. "Hätte ich bloß die Tür verrammelt, aber mit diesem blauen Chaoten kommt man echt zu nichts..."

"Wieso, du kommst doch oft!"

"Erde, tu dich unter mir auf!" Dark wandte sein Gesicht dem Felsen zu und lehnte seine Stirn dagegen. [Womit habe ich das verdient, dass ich dieses Großmaul so liebe?]

"Dark, du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Ich werde deine Karte trotzdem weiterhin gerne spielen, und ich werde dich nicht verachten," versicherte Yugi. Er lächelte spitzbübisch. "Im Gegenteil, ich fühle mich euch beiden jetzt noch mehr verbunden."

Der Magier stöhnte entgeistert. [Yugi, hast du unsere Gedanken gehört?]

"Eure Gedanken waren das?" Yugi blinzelte. "Das habe ich gar nicht gemerkt."

Dark seufzte, während Blacky sich deutlich freute. "Ich hab dir doch gesagt, er ist talentiert! Das können wir bestimmt mal zu unserem Vorteil nutzen! Doch fürs erste..." Er schnappte sich den heftig protestierenden Schwarzmagier und hob ihn einfach hoch. "... sollten wir uns langsam mal fertig machen, wenn wir mit dem Pharao heute noch in Kontakt treten wollen." Er stieg über ein paar im Wasser verborgene Stufen an Land, sich nicht darum kümmernd, dass er Yugi einen tollen Ausblick auf seine knackige, blaue Kehrseite bot.

"Lass mich runter, ich kann alleine laufen!" schimpfte Dark, gab es jedoch bald auf. Stattdessen schlang er seine Arme um Blackys Hals und ließ sich von ihm wegtragen.

Yugi lächelte gerührt, doch gleichzeitig verspürte er einen Stich im Herzen. Er vermisste auf einmal Seto so sehr, und Yami fast noch mehr. Von jemandem getrennt zu sein, dem man so nahe stand, dass man mit ihm den Körper teilte, war nicht einfach. Aber vielleicht konnte er ihn ja schon bald wieder sehen. Yugi suchte sich einen für ihn bequemeren Platz und versuchte, sich für das Vorhaben der Magier zu entspannen.
 

***

Fortsetzung folgt

Botschaft aus dem Reich der Schatten

Kapitel 5: Botschaft aus dem Reich der Schatten
 

Yami wälzte sich in seinem Krankenhausbett hin und her. Ohne Yugi schlief er sehr schlecht, das konnte nicht nur an diesem Ort liegen. Normalerweise schlief ja auch Yugi, und er selbst verzog sich in einen ruhigen Winkel des Millenniumspuzzles. Wahrscheinlich war er so sehr an seine Gegenwart gewöhnt, dass er ohne ihn einfach nicht er selbst war.

Seto schlief auch noch nicht. Er war unruhig, weil er merkte, wie sein Geliebter sich herumwälzte. Seufzend stand er schließlich auf und kam zu ihm herüber. "Yami, rück mal ein Stück. Wenn wir schon beide nicht schlafen, können wir wenigstens zusammen wach sein." Er stellte vorsichtshalber den Wecker, damit sie am Morgen nicht von der Krankenschwester so erwischt wurden, musste ja nicht sein. Dann kletterte er zu Yami ins Bett.

Der Pharao machte bereitwillig für ihn Platz. Setos Nähe wirkte wahre Wunder. Er fühlte sich sicher, auch wenn die Sorge um Yugi blieb. Ein Gefühl sagte ihm, dass er schlafen musste, und seine müden Augen kamen dem nur zu gerne nach.
 

***
 

Kuriboh flog Yugi voraus zu einem Raum, den er noch nie gesehen hatte. nun, er hatte viele Räume noch nicht gesehen. Dieser lag ganz oben in einem runden Turm und diente offenbar nur zu rituellen Zwecken. Der Boden war in Gold und Silber mit komplizierten, kreisförmig angeordneten Symbolen bemalt. Auf der äußersten Kreislinie standen die Magier versammelt, die Yugi beim Abendessen getroffen hatte. Alle trugen schwarze Kutten aus glänzendem Stoff und hatten ihre Haare offen gelassen.

Blacky und Dark hatten Yugi erwartet. Sie trugen die gleichen Kutten, und Blacky sah mit seinem ebenfalls schwarzen Haar darin echt ein bisschen unheimlich aus. Er grinste Yugi an, als wäre nichts gewesen, während Dark verlegen errötete, als er dem Jungen seinen Blick zuwandte.

"Komm mit in die Mitte des Kreises," sagte der Schwarze Magier und hielt ihm die Hand hin.

Yugi ergriff die Hand unsicher. "Bin ich nicht falsch angezogen?"

Dark lächelte belustigt, doch seine Wangen waren immer noch rot. "Nein, gar nicht. Die Lehrlingsrobe ist in Ordnung." Er führte Yugi in die Mitte und stellte sich ihm gegenüber auf.

Blacky nahm hinter Yugi Aufstellung und legte ihm beide Hände auf die Schultern. "Ich bin der stärkste Magier hier, deshalb gebe ich dir meine Kraft, um Yami zu erreichen. Dark wird dich führen. Mava, Mystic und die anderen werden uns schützen. Ich selbst werde nicht in der Lage sein, etwas zu unternehmen, falls etwas schief gehen sollte. Zwischenfälle sind unwahrscheinlich, aber bei dem, was wir vorhaben, auch nicht ausgeschlossen. Wenn du Yami erreichst, versuch, dich kurz zu fassen. Wir wissen nicht, wie lange wir den Kontakt halten können."

Yugi nickte. "Was muss ich dabei tun?"

Dark ergriff seine beiden Hände und hielt sie fest. "Stell dir Yami bildlich vor. Denk nur an ihn und den Wunsch, ihn zu treffen. Meine Magie wird dich zu ihm führen, und durch Blackys Kraft wirst du mit ihm in Verbindung treten können. Wenn du bereit bist, können wir anfangen."

Yugi atmete tief ein, schloss die Augen und rief sich ein Bild von Yami ins Gedächtnis, was nicht besonders schwer war. Nebenbei wurde er sich eines leisen Murmelns oder Gesangs bewusst, den die anderen Magier anstimmten. Er stellte sich Yami genauer vor: seine Stimme, seinen Geruch, seine zärtlichen Hände... Er hörte Dark ebenfalls etwas murmeln und erkannte, dass das Ritual begonnen hatte. [Yami.] Yugi gab sich Mühe, jeden anderen Gedanken auszuschalten, dachte an Lippen, die sich auf seine legten... Sein Körper wurde ganz leicht, er schien davon zu schweben. Seine Haut kribbelte in der magiegeladenen Atmosphäre. [Yami!]

Der Boden gab nach, aber Yugi fiel nicht. Er fühlte sich von allen Banden befreit, eine gewisse Ähnlichkeit zu dem Geisterzustand, den er annahm, wenn Yami seinen Körper benutzte. Nur dass er dann noch trotzdem an seinen Körper gebunden war. Wenn er nur das Millenniumspuzzle hätte, dann wäre das Vorhaben sicher einfacher... Nein, er würde nicht zweifeln! Yami brauchte ihn, er brauchte Yami. [YAMI!!!]

Yugi wurde davon gewirbelt. Er riss die Augen auf und fand sich in einem Wirbel aus Farben wieder. "Woooaah!"

"Bleib ruhig und konzentrier dich weiter!"

Dark war neben ihm. Genau genommen hielt er ihn immer noch an einer Hand fest, und das beruhigte Yugi doch irgendwie. Falls er nicht zu Yami fand, konnte der Magier doch sicher wenigstens den Weg zurück finden.

"Wir sind auf einer Astralebene," erklärte Dark. "Die anderen folgen uns ebenfalls. Gib jetzt nicht nach. Ruf ihn noch einmal!"

"Yami!" [Yami!] Yugi rief mit seiner Stimme und mit seinen Gedanken, obwohl in diesem Fall wohl beides das gleiche war. Sein Herz flog ihm förmlich voraus und leitete ihn. Und auf einmal brach er durch eine Zimmerdecke und befand sich in einem Raum, den er gut kannte. Die Kammer, in die er kam, wenn er Yamis Raum in seiner Seele betrat. Aufgeregt lief er los und öffnete die nächst beste Tür. "Yami, bist du da drin? Ich bin hier, Yami!"

"Y-Yugi?" Yamis Geist manifestierte sich hinter ihm in der Kammer. Yugi wirbelte herum und warf sich ihm in die Arme.

Yami war sprachlos. "Yugi! Wo bist du gewesen, Partner? Ich war krank vor Sorge!" [Im wahrsten Sinne des Wortes.]

[Ich war im Reich der Schatten, aber es war nicht schlimm. Es geht mir gut, und jetzt habe ich dich ja wieder. Ist dir was passiert?]

[Nicht der Rede wert. Was ist mit dir los? Du hast eine schwarze Aura um dich...]

Yugi blickte an sich herunter. Tatsächlich umgab ihn ein dunkler, schattenhafter Schimmer. Hilfe suchend blickte er zu Dark, der sich geduldig im Hintergrund gehalten hatte.

"Es ist Blacky, seine Magie hält dich hier." Dark kam näher und verneigte sich vor Yami. "Pharao, Euer Freund ist bei uns in Sicherheit, bis wir einen Weg finden, ihn zurückzuschicken."

"Aber... ich bin doch hier," rief Yugi entsetzt. "Kann ich denn nicht bleiben?"

"Deine Seele ist im Reich der Schatten und hat dort einen Körper, in den dein Geist zurückkehren muss, Yugi. Du kannst so nicht hier bleiben."

Yugi ließ frustriert den Kopf hängen.

Yami starrte Dark sekundenlang nur an, dann wurden seine Augen groß. "Schwarzer Magier! Ist das möglich?!"

"Ich freue mich, dass Ihr mich erkennt, Pharao. Yugi hatte ein paar Probleme damit."

"Nun ja, der Aufzug ist ungewohnt." Yami wandte seine Aufmerksamkeit wieder Yugi zu und küsste ihn gierig. "Nimm das mit auf den Weg. Ich komme dich holen, so schnell ich kann. Aber ich bin etwas angeschlagen. Es wird trotzdem sicher nicht mehr lange dauern."

"Dark hat uns beide gerettet," strahlte Yugi.

"Dark?"

"Der Schwarze Magier."

"Oh." Yami sah den größeren Mann mit einem dankbaren Lächeln an. "Natürlich. Ein Teil von mir erinnert sich undeutlich an den Namen. Pass bitte gut auf Yugi auf."

"Verlasst Euch auf mich."

"Yugi..." Yami hatte Tränen in den Augen, was nun wirklich nicht oft vorkam. "Seto und ich vermissen dich."

Yugi nickte nur, aus Angst, seine Stimme würde versagen.

Beide umarmten sich noch einmal. Yugi wollte so viel erzählen, doch es blieb keine Zeit.

"Wir müssen gehen, es wird schwieriger, den Kontakt zu halten," drängte Dark.

Die beiden ließen widerstrebend voneinander ab, und Dark nahm wieder Yugis Hand. Das Bild vor seinen Augen verschwamm, sie waren zurück in dem Wirbel. Doch es wurde keine ruhige Reise...
 

***
 

Yami sog mit einem heftigen Atemzug Luft in seine Lungen und riss die Augen auf. Für einen Moment war er orientierungslos, dann wurde er sich der vielen Gesichter bewusst, die ihn anstarrten. Neben ihm hörte das Millenniumspuzzle auf zu leuchten.

"Gott sei Dank! Ich dachte, ich hätte dich auch noch verloren!" Seto lag plötzlich halb auf ihm, sein Gesicht war feucht.

Neben dem Bett standen mehrere Schwestern und ein Arzt. Eine Schwester hielt zwei seltsame Kissen an Griffen fest, die sie jetzt jedoch wegpackte. Sie sah sehr erleichtert aus. Der Arzt beugte sich über Yami, und der Pharao zuckte zusammen, als ihm etwas sehr Kaltes auf die Brust gedrückt wurde. Er kannte den Vorgang aber schon vom Vortag. Warum war seine Brust frei? Seto und er hatten doch gar nichts gemacht!?

Nach einigen weiteren verwirrenden Minuten, in denen Yami das Reden Seto überließ, war fast wieder Ruhe eingekehrt. Sie wollten ihn an einen Tropf anschließen, doch er sah den Arzt mit einem Blick an, den er sich sonst für die Duellarena aufsparte. "Wagen Sie es nicht!" zischte Yami den Mann an. Er knöpfte seinen Pyjama zu.

"Yugi, beruhige dich!" bat Seto. "Du hattest einen Herzstillstand! Damit ist nicht zu spaßen!" Er nannte Yami immer Yugi, wenn jemand dabei war, der die beiden Persönlichkeiten nicht kannte. So ersparte er sich eine Menge Erklärungen.

"Seto, ich will sofort hier weg," verlangte Yami. Er hatte jetzt keine Lust auf diese Diskussion. Er musste ihm unbedingt sagen, was er erfahren hatte, aber das konnte er nicht im Beisein dieses ignoranten Arztes tun, sonst verwiesen sie ihn noch an einen Psy... was auch immer. Soviel hatte er von der Welt mitbekommen; wenn jemand einen Geist gesehen hatte, hielt man ihn für irre.

"Yugi, du bist verwirrt, lass dir helfen," beharrte Seto. Er drückte Yami eindringlich in die Kissen zurück und flehte ihn mit Blicken an, sich zu benehmen.

Yami überlegte einige Sekunden und entschied, dass der schnellste Weg, mit Seto allein sein zu können, in seiner Kapitulation bestand, auch wenn ihm das nicht gefiel. Denn es bedeutete, dass er sich eine Nadel in den linken Arm stechen lassen musste. Das wiederum hatte zur Folge, dass er sich übergab. Es war erniedrigend.

"Sieht ganz so aus, als wärst du empfindlich in solchen Dingen," kommentierte Seto, der es sich erneut neben ihm bequem machte.

Yami betrachtete zweifelnd die Plastikflasche, aus der ein Medikament langsam in seine Ader floss. Verschwendung, vermutete er, aber wenigstens nicht gefährlich, oder? "Ich habe Yugi gesehen," begann er und erzählte dann einem völlig verblüfften Seto Kaiba, was er erlebt hatte.

Der Firmenchef hatte inzwischen genug erlebt und über Magie erfahren, um Yamis Worte nicht als Hirngespinst abzutun, trotzdem konnte er kaum glauben, was er hörte. "Ich bin aufgewacht, weil dein Puzzle so hell gestrahlt hat. Dann merkte ich, dass du nicht mehr atmest..."

"Wie lange war das? Ich habe nichts davon gemerkt..."

"Nur ein paar Minuten, aber ich habe die Hölle durchgemacht in der Zeit. Du hast mir einen schönen Schrecken eingejagt! Und die Ärzte wollten das Puzzle entfernen; ich konnte ihnen nur schwer erklären, dass sie es lassen sollten."

"Entschuldige. Aber wir wissen jetzt, dass Yugi nicht in unmittelbarer Gefahr ist. Seto, wer hat diese Foltermethode jetzt schon wieder erfunden?" Yami deutete auf den Tropf.

Der Braunhaarige grinste. "Sei stark, oh mein Pharao."
 

***
 

Dark hielt plötzlich an, kurz nachdem sie wieder in den Strudel eingetaucht waren. Das Wirbeln um sie herum hörte auf und wurde zu einem verwischten Funkeln, als würde man etwas durch Wasser betrachten. "Etwas stimmt nicht..."

Im nächsten Moment schoss etwas auf sie zu, das erschreckende Ähnlichkeit mit einer Feuerkugel hatte - nur dass das Objekt schwarzviolett war. Dark baute sich schützend vor Yugi auf. Der Angriff prallte kurz vor ihm auf einen Schutzschild. Als das Licht aufhörte zu blenden, sah Yugi Mad, der den Schild mit zusammengebissenen Zähnen festhielt. Sein blaues Haar flog dabei. Der Angriff wiederholte sich und prallte erneut ab. Etwas Dunkles näherte sich.

"Geht nicht weiter, es ist sogar für dich zu stark, Dark!" rief Mad.

Neben dem Verteidiger materialisierte sich jetzt die Astralgestalt von Mava. Er hatte beide Hände zu Fäusten geballt und war ganz eindeutig nicht in Verteidigungsposition. Der unbekannte Angreifer war nur als schattenhafte Gestalt in der Ferne wahrnehmbar. Er feuerte eine neue Schattenenergiekugel ab, doch dieses Mal erhielt er eine Antwort. Mavas Rechte schnellte vor und entließ einen Blitz aus Licht von solcher Kraft, dass er hinwegfegte, was immer ihnen da im Weg stand. Sie hörten einen zornigen Aufschrei, dann war Stille.

"Kommt schnell weiter," drängte der Lichtmagier. "Etwas stört unseren Kreis... wie ihr bemerkt haben dürftet. Wir können nicht sicher sein, dass es aufgegeben hat."

Yugi sah mehrere Juwelen an Mavas Händen aufblitzen und bemerkte ein veilchenfarbenes Schwert, das der Mann an einem Gürtel über der Kutte trug. [Ach ja, Maha Vailos spezielle Fähigkeit... Wenn er Ausrüstungszauberkarten... äh, Ausrüstungsgegenstände trägt, wird er nicht nur durch ihre Wirkung, sondern auch durch seinen eigenen Effekt stärker. Oft sogar stärker als der Weiße Drache. Faszinierend, das live zu sehen...]

Doch die Magier hielten sich nicht lange auf, sondern machten, dass sie heimkamen. Es war keine verlockende Aussicht, auf der Astralebene verloren zu gehen.
 

Yugi kam sich vor, als erwachte er aus einem Traum. Er taumelte ein wenig, doch dann hörte das leichte Schwindelgefühl auf und er konnte problemlos stehen, fühlte sich nicht einmal müde, was man nicht von allen behaupten konnte. Alle Magier um ihn herum sahen geschafft aus, auch Dark, der schwer atmend in die Knie ging.

"Bist du... in Ordnung?" vernahm Yugi Blackys Stimme hinter sich.

Er nickte und wollte sich umdrehen, gerade als die Hände des Magiers des Schwarzen Chaos von seinen Schultern rutschten und Blacky ohnmächtig zusammensank. Yugi versuchte, ihn aufzufangen, doch Blacky war natürlich viel zu groß und begrub den Jungen deshalb fast unter sich.

Dark kicherte trotz seiner eigenen Erschöpfung. "Blacky, also echt, du gehst aber ran." Er strich dem Blauhäutigen liebevoll ein paar schweißverklebte Haare aus dem Gesicht. "Mach dir keine Sorgen, Yugi. Sachen, die große Konzentration erfordern, sind nicht Blackys Stärke, und er hat dir seine ganze Kraft gegeben. Aber er wird bald wieder auf den Beinen sein, vermutlich eher, als uns lieb ist."

Der Magier des Schwarzen Chaos, bewusstlos in den Armen des Schwarzen Magiers. Das war ein Bild. Yugi nahm sich vor, sich das für immer zu merken. Blacky sah direkt niedlich aus, und auch Dark wirkte nicht besonders gefährlich im Moment. Aber...

"Was zum Teufel war das?" wollte Yugi wissen.

"Etwas mit extremer Angriffskraft. Ich konnte es nur mit Mühe blocken," antwortete Mad aus dem Hintergrund. Er saß mit dem Rücken an einer Wand und war ganz verschwitzt.

"Es muss folglich, um es mal in Kartensprache auszudrücken, fast 3000 Angriffspunkte haben," schloss Mava, der sich das rechte Handgelenk rieb. "Ich habe es mit über 5000 angegriffen. Natürlich kann man das so nicht festlegen, das gilt nur auf dem Spielfeld..."

Yugi nickte verstehend. Im Reich der Schatten, mit lebenden Wesen, war es nicht wie mit Karten. Die Kraft von jemandem konnte auf der Spielkarte vielleicht 1500 Angriffspunkte betragen, tatsächlich aber variierte sie mit dem Befinden der entsprechenden Person.

Mystic war sehr bleich. "So etwas Furchtbares habe ich noch nie erlebt! Wenn es sein Ziel erreicht hätte, wären wir alle verloren gewesen!" Sie wankte zu Blacky und kniete sich besorgt neben ihn. "Hey, kleiner Bruder! Alles in Ordnung?"

Yugi hob die Augenbrauen. "*Kleiner* Bruder?" Er grinste amüsiert.

Mystic lächelte den Magier zärtlich an, während sie ihn rasch auf Verletzungen untersuchte. "Ich bin fünf Zyklen älter als er. Blackys Geburt stand unter keinem guten Stern, und unsere Mutter überlegte schon, ihn den Götterbestien zu opfern. Doch dann brachte sie es nicht übers Herz, und ich bin dankbar dafür. Er war so ein niedliches Kind, auch wenn er schon immer nichts als Chaos verbreitet hat..."

Yugi versuchte, sich einen kleinen, blauhäutigen Jungen mit vielleicht schulterlangem, schwarzen Haar vorzustellen, der seiner Familie Streiche spielte und wild draußen herumtobte. Mystic schien ihren Bruder sehr zu lieben. Ein wenig bedauerte Yugi, dass er selbst keine Geschwister hatte. Joey würde er von seinen Freunden am ehesten seinen Bruder nennen. Yami hatte ihm schon immer nahe gestanden, aber das war noch etwas anderes.

"Hey, Yugi! Dark ist *mein* Bruder, habe ich das erzählt?" mischte sich Magi ein und schlang die Arme um des Magiers Hals.

Dark wuschelte ihr durchs Haar. "Meine Eltern haben Magi als kleines Kind gefunden. Ihre Familie war einem Monsterangriff zum Opfer gefallen. Seitdem ist sie meine Schwester."

Neo klopfte Mava etwas heftiger als notwendig brüderlich auf den Rücken. "Ja, es geht doch nichts über die Familie!"

Mava stolperte fast. Dann wiederholte er die Geste bei Neo und warf ihn zu Boden wie eine Puppe. "Ups! Muss mal die ganzen Klunker ablegen..."

Neo kam grummelnd wieder auf die Füße. "Das hast du mit Absicht getan!"

"Und du wolltest das gleiche erreichen, also sei still."

Indessen kam Blacky allmählich wieder zu sich. "Uh... wir leben alle noch?"

"Na klar," versicherte Dark.

"Ich konnte gar nichts machen!" jammerte Blacky. "Wenn ich gewusst hätte, dass sowas passiert..."

"Du hast Yugi beschützt und dafür gesorgt, dass er den Pharao erreicht," entgegnete Dark. "Also sag nicht, das wäre gar nichts gewesen. Mava hat die Situation hervorragend bereinigt, und natürlich war Mad eine große Hilfe... alle haben ihren Teil beigetragen, und deiner war in diesem Fall nicht der Kampf."

Blacky seufzte und schloss die Augen wieder. "Mein Schädel dröhnt..."

Dark und Mystic halfen ihm hoch, um ihn in sein Bett zu bringen. Mystic bestand darauf, dass es nicht Darks Bett sein sollte.

"Wie geht es eigentlich dir, hast du dich vollständig erholt?" erkundigte Yugi sich besorgt bei dem Schwarzen Magier.

"Ausreichend," entgegnete dieser. "Mystic wird mich nicht auch wieder ins Bett stecken müssen."

Die Frau begleitete die drei bis zu Blackys Zimmer, überwachte, wie der Magier in seinem Bett abgelegt wurde, und verkündete dann, sie werde sich um die anderen kümmern und dann wieder nach ihm sehen.

"Sie sollte sich selber ausruhen," fand Dark. Er hatte sich auf der Bettkante niedergelassen, und Yugi nahm neben ihm Platz, da Blacky keine freien Stühle hatte.

"Jetzt konntest du Yami doch unter die Augen treten, hast dir ganz umsonst Sorgen gemacht," fiel es dem Jungen auf.

Dark lächelte errötend. "Ja, stimmt. Yugi, willst du hier schlafen? Ich wäre dir dankbar, wenn du auf Blacky aufpassen könntest. Nicht, dass ich mir Sorgen um ihn mache, nur... Also schön, ich mache mir Sorgen, obwohl ich weiß, dass es gar keinen Grund dafür gibt. Du könntest auch in meinem Bett schlafen, dann bleibe ich hier. Allerdings lasse ich dich nicht gerne irgendwo allein."

"Ich hätte kein Problem, egal mit welcher Lösung, aber was wird Mystic sagen?" Yugi grinste schief. "Sie wird mit dir schimpfen, wenn du hier schläfst."

"Naja... Tatsache ist, dass Blacky nicht viel Schlaf bekommt, wenn ich dabei bin, und im Moment bräuchte er ihn wirklich..." Dark seufzte. "Und Mystic ist natürlich auch nicht zu unterschätzen. Sie kann sehr energisch sein, und in Gesundheitsangelegenheiten lässt sie sich nicht reinreden. Die anderen Heiler sind immer auf ihrer Seite."

"Dann bleibe ich wie gehabt hier," entschied Yugi. "Dich hat das Ritual auch angestrengt, Mystic hat vielleicht Recht."

"Du jetzt auch noch. Na schön, gehen wir alle schlafen. Ach, hat man dir ein Nachthemd gegeben?"

"Nein. Ich habe in der Robe geschlafen."

"Du bekommst morgen eine frische. Warte, ich suche dir was zum Schlafen..."

Dark stand auf und ging zu Blackys Kleidertruhe, was nicht ganz einfach war, weil darauf und daneben so viele Bücher lagen, aber er fand eins von Blackys schwarzen Nachthemden. Mit einer Handbewegung zauberte er es auf Yugis Größe zurecht.

"Cool... vielleicht sollte ich doch eine Lehre bei euch machen," überlegte der Junge.

"Es wäre eine Karrieremöglichkeit, falls du doch mal von deiner Welt genug haben solltest," meinte Dark.

"Wann kann ich mit dem Unterricht anfangen?" fragte Yugi plötzlich.

Der Magier hob erstaunt die Augenbrauen. "Woher kommt plötzlich dieser Eifer?"

"Naja..." Yugi spielte mit der Kordel seiner Robe. "Vielleicht komme ich hier nicht mehr so bald weg. Und selbst wenn, ist da immer noch diese neue Bedrohung. Ich kann nicht einfach gehen und das vergessen. Glaubst du, ich kann etwas lernen, um euch zu helfen, solange ich hier bin?"

"Nun, es schadet nicht, es zu versuchen. Aber du sollst wissen, dass du hier niemandem verpflichtet bist. Vielleicht hast du schon davon gehört, dass es bei uns üblich ist, dass jemand, der einen anderen rettet, sich um ihn kümmert."

"Ja, bis er selbst für sich sorgen kann."

Dark gab sich geschlagen. "Richtig. Melde dich morgen bei Mava. Er kann dir noch ein paar Leute vorstellen und dir helfen zu ergründen, welchem Element du zugetan bist."

"Welchem Element? Cool..." Yugi kroch neben Blacky ins Bett. Der Mann blinzelte ihn kurz an und schloss dann die Augen wieder.

Als Dark gerade gehen wollte, kam Mystic wie angekündigt noch einmal vorbei. Sie drückte dem Herrn der Burg eine dampfende Tonkanne in die Hand. "Hier, ein stärkender Tee, könnt ihr alle drei vertragen. Ich werde mich aber nicht durch das Chaos in diesem Zimmer kämpfen. Sorg dafür, dass Blacky eine Tasse trinkt, egal ob heiß oder kalt." Sie eilte schon wieder davon.

Dark seufzte. "Sieht so aus, als gäbe es noch keine Nachtruhe. Yugi, ich stelle dir die Kanne auf den Nachttisch..." Er betrachtete skeptisch das voll gepackte Möbelstück. "Naja, jedenfalls belege ich die Kanne mit einem Wärmezauber, damit der Tee warm ist, wenn Blacky aufwacht."

Yugi half Dark, auf dem Nachttisch Platz zu schaffen. Der Magier beschwor aus einer Ecke des Zimmers drei Teebecher herbei und füllte zwei davon. Eine nahm er mit, als er zum zweiten Mal den Weg in sein eigenes Zimmer antrat. Er ließ ein magisches Licht für Yugi da, und bevor er die Tür schloss, huschte noch Kuriboh herein.

"Hey, wo hast du denn gesteckt?" flüsterte Yugi. Der Tee schmeckte bitter, obwohl eine Menge Honig drin zu sein schien. Er trank ihn dennoch, ehe er sich schlafen legte. Etwas sagte ihm, dass er seine Kraft noch brauchen würde...
 

***

Fortsetzung folgt.

Im Bett mit einem Magier

Sorry, Leute, ihr musstet ein paar Tage länger warten... es gab ein technisches Problem mit meinem Laptop (bin zu blöd, funktionierende Kopien der Dateien zu machen, ehe ich das Gerät reparieren lasse...).
 

Dieses und einige weitere Kapitel waren schon fertig, ehe die neue Staffel von YGO angefangen hatte. Wollte ich nur noch mal erwähnt haben, weil auch da gerade Yami und Yugi voneinander getrennt sind, wenn auch aus anderen Gründen. Kennt ihr das: Ihr habt eine scheinbar ganz tolle Idee, und dann kommt sowas Ähnliches in einem Film oder Buch vor? Was soll's, viel Spaß!
 

Kapitel 6: Im Bett mit einem Magier
 

"Und bitte unterschreiben Sie hier." Die Schwester am Empfang schob Yami das Papier hin, eine Erklärung, dass er das Krankenhaus auf eigenes Risiko und gegen den Willen der Ärzte verließ. Seto hatte versichert, dass er sein eigenes Ärzteteam bereithalten würde.

Yami starrte auf das Blatt, Kugelschreiber in der Hand. Sein Freund stand verwundert daneben.

"Was denn, unterschreib schon," drängte Seto. Yami hatte so gejammert, endlich entlassen werden zu wollen, worauf wartete er? Draußen stand schon die Limousine.

"Äh... ich hab was im Zimmer vergessen..." Yami packte Setos Hand und zerrte ihn in das Krankenzimmer zurück... beziehungsweise in den Fahrstuhl.

"Was soll das, ich dachte, du wolltest weg?" Der Firmenchef war nicht erfreut.

Yami biss sich auf die Lippe. Jemand stieg zu, und sie mussten erst bis an ihr Ziel fahren und das Zimmer aufsuchen, ehe der Pharao mit der Sprache herausrückte. "Also... Seto, ich weiß nicht, wie man Yugis Namen schreibt."

Der Braunhaarige starrte ihn sekundenlang ungläubig an. Dann fing er an zu lachen und beruhigte sich erst wieder, als er sich des giftigen Blickes bewusst wurde, der auf ihm lag. "Ist nicht dein Ernst. Wie lange kennt ihr euch jetzt schon?"

"Ich musste nie irgendwas unterschreiben," bemerkte Yami. "Weder in der Schule noch bei Duellen oder sonstigen Gelegenheiten. Das hat Yugi immer gemacht. Ich hatte diesen Körper noch nie für mich allein..."

Seto kicherte immer noch. "Das hätte dir etwas eher einfallen sollen. Yugi Mutou schreibt sich mit ein paar recht komplizierten Kanji..."

"Zeig mir, wie."

"Auf die Schnelle?! Du bist verrückt!" Seto holte einen Terminkalender aus seiner Manteltasche. Der Einband hatte eine Schlaufe mit einem Stift darin, und er schrieb die Zeichen auf eine leere Seite.

"Das kann ich mir nicht alles merken," ächzte Yami.

"Dann schreib Yugi in Hiragana und merk dir nur die Zeichen für Mutou. Das müsste gehen, die sehen ja alle, dass du unterschreibst. Zur Not schiebst du es auf Kopfschmerzen," schlug Seto vor.

Yami seufzte und ließ es sich noch einmal zeigen, ehe er es selbst versuchte. Erst jetzt wurde ihm klar, dass er sich nie die Mühe gemacht hatte, japanische Schrift bewusst zu lernen. Er kannte sie aus seinen Erfahrungen mit Yugi, aber so auf sich allein gestellt hatte er mehr als nur ein kleines Problem. Am Ende schrieb Seto ihm den Namen auf die linke Handfläche zum Spicken, und letztendlich brachte Yami dann auch eine eher krakelige Unterschrift auf dem Formular zustande. Er wollte nur noch weg - das war alles so peinlich.

Wenigstens konnte er wieder gehen, ohne dass ihm schwindlig wurde, seit er Kontakt mit Yugi gehabt hatte. Es war wie ein Heilmittel, als hätte ohne Yugi etwas gefehlt. Seto nahm an, das sei psychologisch bedingt gewesen. Die beiden Seelen waren nie getrennt gewesen, seit Yugi das Millenniumspuzzle zusammengesetzt hatte, das war bestimmt ein Schock. Ganz zu schweigen von den Sorgen, die Yami sich gemacht hatte, und der Tatsache, dass ihn Bakuras Magie übel getroffen hatte. Er trug noch einen Verband am linken Handgelenk.
 

Die Limousine brachte Yami zum Haus des alten Herrn Mutou. Er hatte mit Seto darüber diskutiert und sich schließlich mit ihm darauf geeinigt. Sugoroku machte sich auch Sorgen, und er war eben nicht mehr jung, also war es besser, wenn er nicht allein war. Außerdem war anzunehmen, dass Yugis Freunde oft zu Besuch kommen wollten, und die wollte Seto nicht auf seinem Grundstück herumgeistern lassen. Dennoch hätte er Yami lieber bei sich gehabt. Herr Mutou war ein gutmütiger Mensch und hegte längst keinen Groll mehr gegen ihn wegen der zerrissenen Karte. Trotzdem trat Seto ihm nicht gerne unter die Augen. Er hatte dem Mann einen seiner eigenen Weißen Drachen als Wiedergutmachung angeboten (zweifellos in einem Anfall von Schwäche), als seine Beziehung zu Yugi und Yami noch neu gewesen war. Natürlich war sein Angebot - sehr zu seiner Erleichterung - höflich und dankend abgelehnt worden, aber alle hatten es ihm hoch angerechnet, ganz besonders Joey, der große Zweifel an Yugis Geisteszustand gehegt hatte, als er von der Beziehung erfuhr. Er hatte angedroht, es Seto ordentlich heimzuzahlen, sollte dieser jemals etwas tun, was seinem besten Freund schadete.

Nun, letzteres war nicht zu befürchten, davon war zumindest Yami überzeugt. Seto bestand darauf, dass er sich sofort wieder hinlegte. Nach den Ereignissen der letzten Nacht wollte er kein Risiko eingehen. Fast war er dafür gewesen, dass Yami lieber noch im Krankenhaus blieb, aber schließlich hatte er einen der Ärzte der Kaiba Corporation mit entsprechender Ausrüstung abgestellt, der ein paar Tage bei Mutous wohnen sollte. Großvater stellte dem Mann großzügig sein eigenes Schlafzimmer zur Verfügung, weil es neben Yugis Zimmer war, und schlief selbst im Wohnzimmer auf der Couch. Für seinen Enkel nahm er das gerne auf sich. Diesbezüglich machte er keinen Unterschied zwischen Yugi und Yami; er hatte den Geist längst adoptiert. Ihn als Ägyptenfan faszinierte es sogar sehr, einen Pharao im Haus zu haben.

Yami bat den alten Mann so bald wie möglich zu sich, um ihm von seiner Begegnung mit Yugi zu berichten. Seto wollte den Raum verlassen, aber Großvater versicherte ihm, dass das nicht nötig sei, und so blieb er der Höflichkeit halber. Es lohnte sich, denn das erstaunte Gesicht von Herrn Mutou war einmalig.

"Was meinst du, wann Yugi zurückkommen kann?" fragte der Ladenbesitzer dann.

"Ich werde möglichst bald versuchen, ihn zu holen," versicherte Yami.

Doch da mischte sich Seto ein. "Beim letzten Mal blieb dein Herz stehen. Du solltest wirklich gute Vorbereitungen treffen, ehe du etwas tust."

"Wenn ich es bewusst plane, passiert mir nichts," meinte Yami. "Es war nur so überraschend, als Yugi mit Dark im Schlepptau auftauchte. Sie haben einen Versuch gestartet, ohne zu wissen, ob es klappt. Aber ich werde es hinkriegen."

"Vielleicht solltest du Bakura oder Pegasus fragen, die wissen ja nur zu gut, wie man ins Reich der Schatten kommt," grummelte Seto. "Oder gleich diesen Marik. Aber halt, der hat den Millenniumsstab ja nicht mehr." Den letzten Satz sagte er mit der für ihn so typischen schadenfrohen Arroganz in der Stimme.

"Marik hatte eine böse Seite, und die wollte mich ins Reich der Schatten schicken, um die Welt als Pharao zu beherrschen. Aber stattdessen ist dieses Wesen da gelandet. Der Marik, der das Duellfinale deines Turniers aufgab, ist auf unserer Seite," stellte Yami klar. [Davon abgesehen ist er wahrscheinlich wieder in Ägypten.]

"Aber du selbst benutzt doch dein Puzzle normalerweise nicht, um ins Reich der Schatten zu gelangen," gab Großvater zu bedenken. "Bist du sicher, dass es geht?"

Das war Yami nicht. Schweigend blickte er auf seine Hände. "Es muss klappen," meinte er schließlich. "Mit allen anderen Gegenständen geht es ja anscheinend auch."

"Ich halte es für besser, dass du dich mit deinen Freunden absprichst," meinte Sugoroku. "Soweit ich es mitbekommen habe, waren sie dir in der Vergangenheit eine große Hilfe."

Yami nickte. "Das stimmt. Sie gaben mir und Yugi immer viel Kraft."

"Hoffentlich wollen sie nicht alle mit ins Reich der Schatten. Aber wie ich Wheeler kenne, wird er der Erste sein, der sich freiwillig meldet, und dann wird er die anderen ebenfalls dazu überreden," befürchtete Seto. "Du erklärst ihm besser gleich, dass er unterqualifiziert ist."

Yami blitzte ihn an. "Joey und Yugi waren schon beste Freunde, ehe ich ins Spiel kam. Du wirst kaum etwas daran ändern können, dass er uns helfen will, und das gilt auch für Thea und Tristan. Was ist mit Mokuba, wirst du ihn vollkommen ausschließen?"

"Mokuba muss die Firma leiten, falls mir etwas zustößt," setzte Seto fest.

"Darüber könnt ihr euch immer noch streiten," mischte sich Großvater ein. "Kaiba, musst du nicht zur Schule? Du hast sicher schon Unterricht versäumt."

Seto fasste das als höflichen Rausschmiss auf. Vermutlich wollte der alte Mann, dass sein Enkel Ruhe hatte, deshalb nahm er es ihm nicht übel. Er stand auf und verbeugte sich leicht. "Das ist richtig. Ich werde heute Nachmittag wiederkommen. Vermutlich mit dem Rest der Meute im Schlepptau." Er streichelte kurz Yamis Wange und ging.

Der Pharao ließ sich in die Kissen zurücksinken. Nachdenklich strich er die Konturen des Millenniumspuzzles nach. "Großvater..." [Oje, ohne Yugi ist es komisch, ihn so zu nennen...] "Ähm... Falls ich Yugi nicht sofort zurückholen kann... Nun, ich weiß, dass er Verpflichtungen hat. Im Laden helfen... und er muss ja auch zur Schule, nicht wahr? Ich weiß nicht, ob ich ihn ersetzen kann."

Sugoroku drückte beruhigend seine Schulter. "Das wird schon. Ruh dich heute noch etwas aus. Wenn du meinst, dass du aufstehen kannst, komm runter und leiste mir etwas Gesellschaft. Ich sehe dich viel zu selten, Yami." Er blickte fast liebevoll lächelnd auf das Millenniumspuzzle. "Wenn ich gewusst hätte, was ich Yugi da gebe..."

"Hättest du es trotzdem getan? Trotz der Gefahren, die es mit sich bringt, ein magisches, antikes Artefakt inklusive Geist zu besitzen?"

Großvater nickte bedächtig. "Ich denke, ja. Yugi ist sehr gewachsen, seit er das Puzzle zusammengesetzt hat - wenn auch nicht unbedingt körperlich. Ich bereue es nicht, ihm das Puzzle geschenkt zu haben." Er kratzte sich verlegen am Kopf. "Naja... eigentlich gehört es ja dir, ich hatte gar kein Recht..."

"Ich bin nur ein Geist. Es war Schicksal, dass Yugi und ich diese Partnerschaft begonnen haben. Das andere... nun, das ist ein schöner Nebeneffekt." Yami lächelte bei dem Gedanken an Yugi und wie eng ihre Beziehung nach anfänglichen Schwierigkeiten doch inzwischen geworden war. Er vermisste den Kleinen. Seiner Seele fehlte etwas ohne ihn.

Sugoroku wusste im Moment nichts mehr zu sagen. Yugis Wahl an Liebhabern war für ihn anfangs schwer zu begreifen gewesen - um es mal milde auszudrücken. "Ich werde etwas zu essen machen, bevor es im Laden voll wird. Sicher kann ich diesen Arzt, den Kaiba geschickt hat, dazu bringen, dir etwas hoch zu tragen," beschloss er.

Yami wollte sagen, dass er im Krankenhaus gegessen hatte, überlegte es sich jedoch anders. Der alte Mann wollte ihm einen Gefallen tun, weil es alles war, was er beitragen konnte. Davon abgesehen hatte Yami durchaus Appetit auf eine vernünftige, hausgemachte Mahlzeit. Das Essen, das er in den letzten Tagen gehabt hatte... nun, er hatte es sowieso meistens wieder von sich gegeben. "Es muss aber nicht viel sein," lenkte er ein. "Ich habe im Moment keinen großen Hunger."

Großvater rieb sich nachdenklich den Bart. "Wie ist es eigentlich, lässt Yugi dich normalerweise essen?"

"Ich lege nicht so viel Wert darauf, aber er hat schon dafür gesorgt, dass ich verschiedene Dinge kennen lerne. Und Seto schleift mich oder Yugi oft in europäische Restaurants. Kannst du Tamagoyaki machen? Das mag ich gerne zum Frühstück.

Sugoroku freute sich offenbar über den speziellen Wunsch. Sein Gesicht hellte sich auf. "Selbstverständlich! Das ist eine meiner leichtesten Übungen!" Er eilte nach unten, nicht ohne vorher zu prüfen, ob Yamis Wasserglas noch voll genug war. Tee musste auch unbedingt her.

Yami blickte aus dem Fenster, ohne wirklich etwas zu sehen. Aber seine nach innen gerichteten Gedanken fanden niemanden außer ihm selbst.
 

***
 

Dark ließ Yugi und Blacky lange schlafen, was vielleicht damit zusammenhing, dass er selber erst gegen Mittag aus den Federn kam, ähnlich wie die meisten anderen, die bei dem Ritual geholfen hatten. So kam es, dass Yugi zum ersten Mal blinzelte, als der Raum schon taghell erleuchtet war. Es war so gemütlich warm in dem Bett, dass er eine Weile brauchte, um sich zu orientieren.

Da war ein kräftiger, schlanker Körper gegen seinen Rücken gepresst und ein Paar Arme um ihn geschlungen. Er konnte die blauen Hände sehen. Dieses Mal erschrak er nicht. Auch Blacky nicht. Yugi glaubte zu merken, dass der Magier ebenfalls gerade erwachte. Er fasste hinter sich, wie er es so oft bei Seto tat, und kraulte den Kopf ein wenig. Blacky fing an, wohlige Laute von sich zu geben wie eine Katze. Es war nur nicht ganz ein Schnurren. Er zog seine langen Beine an und schien es sich noch ein wenig bequem machen zu wollen, während er Yugi weiter an sich drückte.

"Du weißt schon, dass ich nicht Dark bin?" erkundigte der Junge sich vorsichtshalber.

[Dark ist viel größer. Ähm, sein Körper, meine ich.]

Yugi fühlte sein Gesicht heiß werden. [Das war mir schon klar!]

Blacky kicherte hinter ihm. Es ging jedoch in ein schmerzliches Stöhnen über. [Boah, mein Kopf pocht immer noch so, ich kann nicht mal lachen.]

Yugi vermutete, dass er dennoch breit grinste. Er fühlte sich verantwortlich für Blackys Beschwerden. "Weil du mich beschützt hast... tut mir Leid."

[Vergiss es. Ich wollte es so. Es ist einfach nicht das, was ich jeden Tag mache.]

"Ist es für dich eigentlich einfacher, telepathisch mit mir zu reden?"

[Ich bin nur zu faul, meinen Mund zu bewegen und meine Stimme zu benutzen.]

"Ah."

[Kraul mich noch ein bisschen länger.]

"Sollte das nicht Dark tun?"

[Mit ihm ist Kraulen ein kurzes Vergnügen. Auch wenn ich das, was wir stattdessen machen, ebenfalls mag.]

Yugi seufzte gutmütig und drehte sich in Blackys Armen um, damit er sich nicht länger so verrenken musste. Er griff an den Nacken des Magiers und kraulte ihn dort. Blacky schloss die Augen und ließ es sich entspannt gefallen.

"Da ist übrigens etwas Tee, den du trinken solltest," bemerkte Yugi.

"Hmmm," machte Blacky.

[Das glaubt mir kein Mensch. Ich liege mit einem der mächtigsten Magier von Duel Monsters im Bett und kraule ihn. Und er schnurrt beinahe. Kein Wunder, dass er sich in eine Katze verwandeln kann.]

[Das wäre eine Idee.] Blacky runzelte die Stirn, als versuchte er sich an etwas zu erinnern. [Hm, vielleicht auch nicht.]

"Wah... Konntest du das hören?"

"Wir müssen an deinen telepathischen Kräften arbeiten. Hier im Reich der Schatten kann dich jeder Magier belauschen, der es darauf anlegt. Du musst private Gedanken abschirmen."

"Wie denn?"

"Es ist nicht so leicht zu erklären. Denk einfach nicht so... laut. Wie soll ich es sagen? Am besten lässt du es dir von Mava erklären, falls er sich mal von Neo loseisen kann."

Yugis Hand hielt in ihrer Tätigkeit inne. "Herrje, Mava! Ich sollte mich heute früh bei ihm melden, hat Dark gesagt!"

"Mava hat gestern etwas besiegt, das vielleicht sogar für mich zu stark gewesen wäre. Ich glaube nicht, dass er schon herumrennt. Es macht ihn müde, diese Fähigkeit zu nutzen. Allerdings erst nachträglich, wenn er die Ausrüstung wieder abgelegt hat," bemerkte Blacky.

Yugi war fasziniert, über sowas machte man sich normalerweise keine Gedanken. Dabei hätte ihm klar sein müssen, dass die Energie, die Mava einsetzte, irgendwo herkommen musste. Selbst wenn ihm ein magisches Artefakt dabei half, kostete es Mava von seiner eigenen Kraft.

"Hör nicht auf," bettelte Blacky.

Yugi fuhr mit dem Kraulen fort. "Blacky, wie kommt es, dass deine Augen rot sind? Hat ein Elternteil von dir auch solche?" fragte er auf einmal.

Der Magier hob eine Augenbraue. "Keine Ahnung, wie das kommt. Vielleicht von meinen Großeltern? Meine Eltern haben beide blaue Haut und braune Haare. Mutter hat grüne und Vater braune Augen. Hm... etwas höher?"

Yugi ließ seine Hand Blackys Kopf hinauf wandern, kämmte mit den Fingern sachte durch das glatte, schwarze Haar.

"Bei Slifer, was für eine Wohltat!"

Yugi setzte sich plötzlich auf. "Was hast du da gerade gesagt?"

"Häh? Eine Wohltat?"

"Nein, davor. Bei Slifer."

"Ja, und?"

"Slifer ist doch eine der Götterkarten. Werden sie in dieser Welt als Götter verehrt?"

Blacky rollte sich auf den Bauch und legte seinen Kopf auf seine Arme. "Kraulst du mir den Rücken, bitte? Slifer wird nicht direkt verehrt, jedenfalls nicht überall. Es gibt allerdings gelegentlich Gruppierungen, die den Göttermonstern mit Ritualen bis hin zu Menschenopfern huldigen." Er zögerte. "Meine Mutter... gehört einer solchen an."

[Den Göttermonstern also wollte sie ihr Kind opfern. Ich hätte Mystics Worten mehr Bedeutung beimessen sollen.] Yugi ließ seine Finger locker auf des Magiers Rücken auf und ab gleiten. "Was bedeutet bei euch, jemand ist unter keinem guten Stern geboren?"

"Ah, Mystic hat dir davon erzählt." Blacky dachte darüber nach, wie er es erklären sollte. "Es kann sich auf alles Mögliche beziehen. Manche glauben, dass bestimmte Zyklen schlecht sind, um Kinder in die Welt zu setzen. Dass die Kinder, die dann geboren werden, zu Schattenkreaturen und furchtbaren Plagen werden. Andere behaupten, dass eine Frau nur eine bestimmte Anzahl Kinder haben sollte, dass eine bestimmte Anzahl an Zyklen dazwischen liegen sollte, dass man kein Kind zeugen sollte, wenn bestimmte Vorzeichen gegeben sind... Was weiß ich. Vermutlich sind gewisse Bedingungen bei mir eingetreten. Vielleicht sind schwarze Haare in einer Familie von Braunhaarigen schlecht. Oder meine Augen. Meine Großmutter hat wüste Prophezeiungen ausgesprochen. Dass ich dem Chaos den Weg bereiten und das Grauen auf die Welt loslassen werde..."

"Das mit dem Chaos ist offenbar eingetroffen," grinste Yugi.

"Anscheinend," stimmte Blacky zu. "Großmutter hat sich dafür eingesetzt, dass ich nicht aufwachse. Aber Mutter hat mich dann doch behalten. Sie wollte, dass ich ein Soldat werde, damit ich Disziplin lerne. Doch am Ende bin ich bei den Magiern gelandet, wie meine Schwester. Sollte ich jemals etwas tun, das die Prophezeiung meiner Großmutter bestätigt, wird man meine ganze Familie dafür verantwortlich machen und sie den Götterbestien opfern. Es sei denn, man erwischt mich vorher. Und selbst dann kann es meiner Familie an den Kragen gehen."

"Dark wird dich schon im Zaum halten."

"Ja, vermutlich!" Blacky lachte, verzog dann aber unter Kopfschmerzen sein Gesicht.

"Glaubst du, dass uns ein Göttermonster angegriffen hat, gestern?"

"Warum sollte es? Nein, das muss etwas anderes gewesen sein. Aber mir fällt nichts ein, das so stark ist. Stark genug, uns nicht nur anzugreifen, sondern sich zuerst noch überhaupt die Möglichkeit zu eröffnen."

"Möglicherweise war es keine einzelne Person, sondern eine ganze Gruppe."

"Ja, davon können wir wohl ausgehen."

"Okay, jetzt habe ich dich aber lange genug gekrault. Zeit zum Aufstehen." Yugi schwang die Beine aus dem Bett und reichte Blacky die durch Darks Zauber warm gehaltene Teetasse. "Trink das. Mystic hat es für dich dagelassen."

Blacky gehorchte unwillig, indem er sich mit den Ellenbogen abstützte und das bittere Gebräu mit zusammengekniffenen Augen schlürfte. "Ich werde heute nicht aufstehen," verkündete er. "Zumindest nicht in den nächsten drei Stunden, und dann werde ich sicher nicht dieses Zimmer verlassen. Der Krach in der Halle ist zuviel für meinen Kopf."

"Armer Kleiner," neckte Yugi ihn, während er sich anzog. Als er das Zimmer verlies, tauchte Kuriboh auf, als hätte er nur auf ihn gewartet. Der Junge ließ sich von ihm in die Halle führen, wo um diese Zeit wohl das Mittagessen aufgetischt wurde. Ein bisschen Hunger konnte er nicht leugnen.
 

Die Tische waren längst nicht so voll wie Morgens. Yugi konnte zuerst auch kein bekanntes Gesicht sehen. Dann fand er Mad, der skeptisch das Gemüse betrachtete, das vor ihm stand. Yugi setzte sich neben ihn.

Der Magier lächelte ihn zurückhaltend an, was wie immer irgendwie komisch aussah zu seinen roten Augen. "Da bist du ja. Mava lässt dir ausrichten, dass du zu seinem Gemach kommen kannst, wann immer es dir passt. Er isst heute dort. Hätte ich vielleicht auch tun sollen. Mann, ich hasse Drachenwurz. Wer ist auf die Idee gekommen, das zu kochen? Verdammt."

Yugi lachte amüsiert. Bisher hatte ihm alles geschmeckt, aber er war ja noch nicht lange hier. "Meinst du, ich sollte es probieren?"

Mad schob ihm seinen Teller hin. "Bedien dich. Manche finden es lecker."

Yugi nahm eine der warmen, gekochten Wurzeln in die Hand und biss probeweise hinein. Sie schmeckte scharf, fast wie Meerrettich, und dabei gleichzeitig ähnlich wie Kümmel. "Nun ja, man kann's essen," befand er.

"Dann iss mal schön. Sie sollen viele Vitamine enthalten und belebend wirken." Mad besorgte sich und Yugi eine Schale mit Suppe und dazu Brot. Es war leckere Suppe mit ordentlich Fleisch und Gemüse und etwas, das aussah wie Ei, aber Yugi nahm nicht an, dass diese von Hühnern stammten.

Dass nicht viel los war, machte die Mahlzeit nicht ungemütlicher. Yugi bevorzugte weniger Hektik sowieso. Aber er freute sich schon auf den Abend, wenn alle bei Fackellicht zusammensaßen und sich amüsierten. Ein wenig fühlte er sich schuldig, weil er es sich gut gehen ließ, während man sich in der realen Welt wahrscheinlich um ihn sorgte. Ob Yami wohl mit seinem Leben klarkam?
 

***

Fortsetzung folgt.

Ein Rettungsplan und ein Ausflug

Hi Leute, nächste Woche fahre ich Desde besuchen und dann zu meinen Eltern. Insgesamt bin ich dann 3 Wochen weg. Ich werde versuchen, trotzdem pünktlich die Fortsetzung zu liefern, aber versprechen kann ich nichts. Sollte sich etwas verzögern, macht euch keine Sorgen, die Fortsetzung folgt. Viel Spaß mit diesem Kapitel!
 

Kapitel 7: Ein Rettungsplan und ein Ausflug
 

Yami stand stirnrunzelnd vor Yugis Kleiderschrank. Er hatte fast bis zum Mittag geschlafen, nachdem Großvater ihn verlassen hatte. Sein Frühstück wartete vermutlich noch immer unten auf ihn, also wollte er sich dort mal sehen lassen. Aber er hatte einen Pyjama an und fragte sich, gegen was er ihn eintauschen sollte. Vor allem sahen Yugis Kleidungsstücke alle so klein aus. Yami wusste, dass sie die Verwandlung normalerweise mitmachten, aber dann hatte ja auch Yugi sie vorher angezogen. Angenommen, es gab bezüglich der Größe kein Problem, dann galt es immer noch, sich für etwas zu entscheiden. Nun, es war im Prinzip egal, schließlich wollte er ja nicht aus dem Haus gehen. Also suchte er ein paar Sachen zusammen, von denen er wusste, dass Yugi sie bei solchen Gelegenheiten trug: die graue Hose eines Trainingsanzugs und dazu ein lockeres weißes T-Shirt. Das sollte vorerst reichen, es sah bequem aus und war gewiss nicht zu klein. Socken, aber keins von den Halsbändern, die Yugi so mochte. Das konnte er sich für später aufheben.

Yami begab sich ins Erdgeschoss und fand die Küche. Zum Glück hatte er nicht alles verlernt, was eigentlich immer Yugi gemacht hatte. Wenn er nun Japanisch nicht mehr hätte sprechen können, sondern nur noch Altägyptisch? Nicht auszudenken. Auf dem Küchentisch stand ein Tablett mit verschiedenen abgedeckten Schalen und Tellern. Daneben lagen Essstäbchen, und hier traf Yami auf das nächste Problem. Er konnte nicht besonders gut mit Stäbchen essen. Wenn er mit Seto essen ging, dann für gewöhnlich Europäisch. Wenn er zu Hause aß, dann war immer Yugi im Hintergrund, oder er übernahm das gleich ganz. Zumindest war das bisher so gewesen. Yami seufzte und besorgte sich eine Gabel. Er hatte Hunger und keine Lust, sich mit den Stäbchen aufzuhalten.

Sugoroku hatte ein typisch japanisches Frühstück mit reichlich Auswahl zubereitet, vielleicht war es auch schon gleichzeitig das Mittagessen. Tamagoyaki war dabei und natürlich der unverzichtbare Reis. Dann gab es Natto. Yami wusste, dass die gegorenen Bohnen viele Vitamine enthielten, deshalb aß er sie. Er machte eine geistige Notiz, sie nicht zu seiner Lieblingsspeise zu machen oder den Eindruck zu erwecken, dass er sie gerne aß. Als nächstes nahm er sich einen kleinen gegrillten Fisch vor, der war schon eher sein Fall. Natürlich war immer Tee dabei.

Yami wusste nicht, wie man die Spülmaschine richtig einräumte, aber er tat es, wie es ihm richtig erschien, um seinen guten Willen zu zeigen. [Bist weit gekommen, Pharao,] dachte er ironisch grinsend. Anschließend ging er in den Laden, um nach dem alten Mann zu sehen und ihm wie gewünscht etwas Gesellschaft zu leisten.

Sugoroku war in ein Duel Monsters Spiel mit Kaibas Arzt, einem etwa vierzigjährigen Blonden, vertieft. Dabei saßen sie sich am Verkaufstresen gegenüber. Yami war überrascht, dass der Mediziner spielte, andererseits war man vielleicht vorbelastet, wenn man für Seto arbeitete. Und er hatte nicht gewusst, dass Großvater wieder ein Deck hatte, nachdem er seins Yugi gegeben hatte. Das war allerdings nicht verwunderlich. Der Mann liebte das Spiel und besaß einen Spieleladen.

"Ah, Yugi, da bist du ja," stellte Herr Mutou fest.

Yami nickte. "Das Essen war sehr gut, vielen Dank." Er war es gewohnt, dass ihn alle Yugi nannten, wenn Fremde dabei waren.

"Kein Problem," versicherte Sugoroku, wandte sich dann wieder seinem Gegner zu, der offensichtlich keine großen Chancen gegen ihn hatte.
 

Am frühen Nachmittag hielt Setos Limousine vor dem Laden und entließ nicht nur den Firmenchef, sondern zu dessen Verdruss auch Joey, Tristan, Thea, Ryou und sogar Duke. Sofort war es in dem Geschäft mit der Ruhe vorbei, als sich alle auf Yami stürzten und ihn nach seinem Befinden fragten. Der Arzt zog sich zurück. Großvater schickte die Bande ins Wohnzimmer, wo am meisten Platz war.

Ryou nahm Yami beiseite. "Hey, Yami. Joey hat mir erzählt, was passiert ist. Es tut mir Leid, dass ich Bakura nicht zurückhalten konnte. Ihm tut es leider nicht Leid."

"Vergiss es, es ist nicht deine Schuld. Aber mit Bakura habe ich noch ein Wörtchen zu reden! Er soll mir gefälligst helfen, Yugi wieder zurückzuholen!" verlangte Yami.

Ryou nickte verstehend. "Ich habe schon mit ihm diskutiert. Jetzt hilft nur noch Erpressung."

"Erpressung?"

"Lass mich nur machen."

"Äh, gut."

Die beiden gesellten sich zu den anderen. Yugi wunderte sich, womit Bakura wohl erpresst werden konnte. Ryou setzte sich neben Duke. Jeder wusste, dass die beiden ineinander verliebt waren, aber noch nicht ganz zueinander gefunden hatten. Die Freunde hatten mitbekommen, dass Bakura die Beziehung nicht billigte, deshalb gestaltete es sich kompliziert. Der böse Geist ließ sich oft nur schwer unter Kontrolle halten. Allerdings hatte Ryou sich entschieden, ihn zu akzeptieren, statt ihn loswerden zu wollen, weil letzteres ihm sowieso nicht gelang.

Joey hatte im Laden ein paar Karten gekauft und packte die Päckchen eifrig aus. Tristan regte sich über etwas auf, das in der Schule passiert war. Thea erzählte, dass Marco bald wieder in die Stadt kommen würde, und darauf freute sie sich schon sehr. Der Brief, den er ihr geschickt hatte, war ziemlich lang. Sie musste aufpassen, dass er ihr nicht von neugierigen Händen weggerissen wurde.

"Maximilian veranstaltet nächste Woche Dienstag in Domino City eine Party, auf der man Duel Monsters und Dungeon Dice Monsters spielen kann," warf Duke gerade ein. "Wollt ihr nicht alle kommen?"

"Wir überlegen es uns," antwortete Seto diplomatisch, ehe jemand beleidigend werden konnte.

Zum Glück waren sie inzwischen daran gewöhnt, dass Duke den Mann mit seinem Vornamen ansprach und nur Gutes über ihn sagte. Joey hatte aufgehört, ihm jedes Mal dafür an die Gurgel zu springen. Das Königreich der Duellanten lag hinter ihnen, und es hatte keinen Sinn, auf Vergangenem herumzureiten. Nicht, dass sie Pegasus mochten. Man konnte vernünftig mit ihm reden, wenn man Wert darauf legte. Besonders Yugi mit seiner gutmütigen Art konnte sogar etwas Verständnis für den Millionär aufbringen. Schließlich hatte er alles nur für seine verstorbene Verlobte getan.

Duke hatte Ryou schon oft zu Treffen mit Pegasus mitgenommen, ob nun geschäftlich oder privat. Da bahnte sich wohl wirklich was an. Aber beide schwiegen sich darüber aus, wenn sie gefragt wurden.

Schließlich wandte man sich dem eigentlichen Problem zu, nämlich, wie man Yugi helfen konnte.

"Er ist nicht in direkter Gefahr," sagte Yami. "Aber das heißt nicht, dass wir untätig rumsitzen. Wer weiß, was für Probleme im Reich der Schatten auf ihn zukommen."

Joey witterte ein Abenteuer und ballte begeistert die Hände zu Fäusten. "Genau, Alter, wir werden ihn da rausholen!" Er blickte in die Runde, sein Gesicht plötzlich zweifelnd. "Bloß wie? Sollen wir ein Duel Monsters Spiel veranstalten und dabei das Feld mit diesem unheimlichen Nebel überziehen?"

"Wäre vielleicht gar nicht mal so abwegig," bemerkte Seto. "Angeblich sind die Monster echt, wenn man sich auf diese Art duelliert. Möglicherweise können wir so Kontakt zu Yugi aufnehmen."

"Dass gerade du das sagst, überrascht mich am meisten," spottete Joey. "Wer hat denn hier immer behauptet, Magie wäre ein Märchen?"

"Im Gegensatz zu dir, Wheeler, bin ich in der Lage, meinen Horizont zu erweitern."

"Hört doch mal auf, euch zu streiten!" schritt Thea ein. "Wenn wir das Risiko eingehen wollen, müssen wir uns darüber klar sein, wie gefährlich es ist."

"Ach, wir haben doch zusammen schon so viel geschafft," winkte Tristan ab. "Ich persönlich würde ja gerne dahin gehen, wo Yugi ist. Würdest du nicht auch gerne deine Lieblingsmonster in Fleisch und Blut treffen, Joey?"

"Klar doch! Den Flammenschwertkämpfer! Oder den Schwarzen Rotaugendrachen! Mann, wär' das cool!"

Seto kaute nachdenklich auf seiner Unterlippe, enthielt sich jedoch eines Kommentars.

"Aber sagt mal, woher wissen wir denn, wo wir ankommen, falls wir ins Reich der Schatten gelangen? Vielleicht kommen wir an einem anderen Ende raus!" gab Duke zu bedenken.

"Ihr redet alle, als wolltet ihr mitkommen," bemerkte Seto.

"Wir lassen doch unseren Freund Yugi nicht im Stich!" verkündete Tristan. "Yami, du kannst voll auf uns zählen!"

"Danke," sagte Yami. "Aber Duke hat Recht. Wir wissen nicht, wie wir Yugi finden sollen, selbst wenn es uns gelänge, ins Reich der Schatten zu kommen. Wir brauchen mehr Informationen, und dazu muss ich noch einmal mit ihm reden. Vielleicht sollten wir das mit dem Schattenspiel wirklich in Erwägung ziehen..."

"Aber kannst du das, uns so ins Reich der Schatten versetzen?" fragte Thea besorgt.

"Ich bin nicht sicher," gestand Yami. "Aber sogar Pegasus konnte es. Und er ist nicht einmal ein antiker Geist. Ich muss es früher schon gemacht haben... damals..."

"Ich werde ein bisschen auf Bakura einreden," schlug Ryou vor. "Er macht das doch im Schlaf."

"Das kommt gar nicht in Frage, der lässt uns dann nicht wieder zurück!" protestierte Joey sofort. "Wahrscheinlich wartet er nur auf so eine Gelegenheit!"

"Reg dich nicht auf, Joey," bat Yami. "Ich werde es versuchen, aber ohne euch, bis wir wissen, ob es geht. Ich will euch nicht in Gefahr bringen."

"Du tust es aber nicht heute," setzte Seto fest. "Ich hole dich morgen nach der Schule ab und wir fahren mit unseren Duel Disks zum Stadion, wo wir genug Platz haben. Dann bringen wir niemanden in Gefahr."

Yami nickte, ihm sollte es recht sein. Auf ein paar Stunden kam es vermutlich nicht an. Hoffentlich.
 

***
 

Dark ging am Nachmittag noch einmal zu Blacky, um zu sehen, ob er inzwischen erwacht war. Er selbst hatte lange im Bett gedöst und niemanden geweckt, wohl aber sein Bewusstsein darüber wachen lassen, wann Leben in seine Freunde kam. Im Gegensatz zu Blacky, der immer verwaschene, uralte Kleidung anzog, wenn er nicht im Einsatz als Magier des Schwarzen Chaos war, achtete Dark etwas mehr auf sein Äußeres, immerhin war er der Burgherr. Er trug heute eine figurbetonte schwarze Hose, knöchelhohe Stiefel und dazu eine luftige, violette Tunika. Er trug das vor allem deshalb, weil er wusste, dass Blacky es sexy fand, sonst hätte er sich vielleicht für eine klassische Robe entschieden.

Bei seinem Geliebten erwartete ihn allerdings eine große Überraschung. Als er die Tür öffnete, die für ihn nie verschlossen war, glaubte er zuerst, er hätte sich im Zimmer geirrt, dann jedoch sah er Blackys Stab auf dem Bett liegen. Was er sonst noch sah, war kaum zu glauben. Keine Bücherstapel versperrten den Weg. Auf dem Schreibtisch war Platz, Papier lag ordentlich darauf, gleich neben einem Becher mit Schreibfedern und Kohlestiften. Alle Bücher waren in die Regale eingeordnet und nach Themen sortiert. Während Dark sich noch staunend umsah, kehrte Blacky zurück. Er war in eine ganz und gar nicht abgenutzte, schwarz glänzende Hose und ein ebenfalls schwarzes, langärmeliges Oberteil gekleidet und hatte die Haare ordentlich geflochten, statt sich nicht um heraushängende Strähnen zu kümmern.

Dark starrte ihn ungläubig an. "Blacky... ist alles in Ordnung?"

Blacky lächelte. "Wie du siehst. Ich war gerade in der Bibliothek, um ein paar Bücher zurückzugeben, die ich schon so lange hatte, dass keiner mehr wusste, dass sie nicht mir gehören. Aber jetzt brauche ich sie nicht mehr."

"Geht es dir wirklich gut?" hakte der Schwarze Magier nach.

"Ich habe noch ziemlich starke Kopfschmerzen, aber Mystics Tee hilft ein bisschen," gab Blacky Auskunft.

Darks türkisfarbene Augen funkelten ihn an. "Ist das so?" Er verschloss die Tür von innen mit einem starken Zauber. "Ich kenne ein bewährtes Mittel gegen Kopfschmerzen..."
 

Yugi hatte einige der Magier kennen gelernt, die bei dem Ritual dabei gewesen waren, sich ihm aber bisher nicht persönlich vorgestellt hatten. Zum Beispiel Kuromori (die Hexe des Schwarzen Waldes), ihren Lehrling Curl und Kycoo, den Geisterzerstörer, fand er sympathisch. Kycoo trug ähnliche Kleidung wie auf der Spielkarte. Er war eine Art Priester und hatte deshalb nicht so viele unterschiedliche Kleidungsstücke. Kuromori in ihrem eleganten, grünen Kleid hätte Yugi dagegen fast nicht erkannt. Sie sah klasse aus! Curl in seiner beigefarbenen Lehrlingsrobe verblasste neben ihr. Sein himbeerfarbenes Haar passte gut zur Farbe ihres Kleides. Die drei waren dem Element Finsternis zugetan und machten ein paar Experimente mit Yugi, um festzustellen, ob das gleiche auf ihn zutraf. Er musste mehrere Zaubersprüche über sich ergehen lassen, sich von Kuromori aus der Hand lesen lassen und dergleichen, nur um letztendlich zu erfahren, dass dies nicht sein Element war.

Sie waren natürlich nicht in Mavas Zimmer geblieben, sondern hatten sich einen Arbeitsraum in der Nähe der Küche gesucht. Mystic kam dazu, um zusammen mit Mava und Neo ihren Gast auf seine Eignung für das Lichtelement zu prüfen. Das sah sehr gut aus, aber um sicher zu sein, wurden auch die Tests für alle anderen Elemente an Yugi gemacht. Ihm war bald ganz schwindelig von all den Zaubern, die sie über ihm aussprachen. Aber dann stand es fest.

"Yugi, wenn du jemals ein Monster auf einer Karte wirst, wirst du ein Lichtmonster," verkündete Mava. Er freute sich, weil das auch sein Element war.

"Wer entscheidet, was man wird?" wollte er neugierig wissen. "Ich meine, woher weiß jemand, dass ich da bin und zu einer Spielkarte gemacht werden kann?"

Mava hob die Schultern. "Da bin ich überfragt. Auf jeden Fall funktioniert es. Man meldet sich als Kandidat an, und irgendwann wird man mal herbeigerufen. Naja, heute vielleicht nicht mehr, die Duelle finden ja nicht mehr regulär im Reich der Schatten statt. Aber früher wurden oft Menschen hierher verbannt, und einige konnten überleben und sich uns anschließen. Ticos zum Beispiel war ein Wahrsager aus einem Land Namens Indien."

"Ist nicht dein Ernst!"

Mava lachte über Yugis Reaktion. "Klar ist das mein Ernst. Jeder hier kennt bestimmt mindestens eine Person, die aus der Welt des Blauen Lichts kommt. So nennen wir den Ort, von dem du stammst, weil der Himmel blau ist, wenn die Sonne scheint."

"Das hört sich ja ganz so an, als würden regelmäßig Leute hierher verbannt."

"Nun ja, regelmäßig ist zuviel gesagt. Aber im Moment sind es wieder mehr geworden... das heißt, es war so, bevor du zusammen mit dem Pharao den Typ mit der blonden Stachelfrisur besiegt hast. Wir vermuten, dass er zu einem Großteil dafür verantwortlich war."

"Mariks böse Seite!" ging es Yugi auf. Wer konnte schon sagen, wie viele Leute dieser Irre ins Reich der Schatten geschickt hatte und wie viele schon dem Zorn von Marik zum Opfer gefallen waren? [Aber alle, die er verbannt hatte, sind doch zurückgekehrt, oder? Naja, vielleicht kommt es darauf an, wie lange man bleibt.]

"Der Besitzer des Millenniumsauges hat auch Menschen hierher geschickt. Aber es scheint, er hat seine Macht über den Gegenstand verloren," warf Neo ein.

"Bei mir war dann wohl der Millenniumsring schuld," ergänzte Yugi.

Neo sprang plötzlich auf und streckte sich ausgiebig. "Boah, ich hab lange genug rumgesessen, lasst uns ein bisschen trainieren oder so. Yugi, soll ich dir den Kampf mit dem Schwert beibringen?"

"Du könntest von mir ein paar nützliche Beschwörungsformeln und Bannsprüche lernen," schlug Kycoo vor.

Schon sah Yugi sich von Magiern aller Elemente umringt, die ihm etwas beibringen wollten. Alle redeten durcheinander, bis Mava sie mit einem Aufblitzen seiner Kräfte zum Schweigen brachte.

"He, Leute. Habt ihr nichts anderes zu tun? Yugi ist dem Licht zugetan, es nützt also nichts, wenn er Feuer- und Wasserzauber lernt!"

Plötzlich hatten alle etwas, das sie unbedingt noch erledigen mussten. Man konnte bei Mava nie wissen, wie viele unscheinbare Ausrüstungsgegenstände er am Leibe trug.
 

"Na, besser?" Dark strich Blacky ein paar Haare aus dem Gesicht.

"Oh ja, mein Kopf ist im Moment nicht der Körperteil, der mir am meisten wehtut!"

"Ah, was soll ich denn sagen?"

Beide Magier kicherten amüsiert.

Dark kuschelte sich dichter an seinen Partner. "Du warst so wild heute... und trotzdem sanft. Ich mag das."

"Ich weiß. Deshalb war ich so." Blacky drückte ihn fest an sich wie einen flüchtigen Traum, den er verlor, falls er ihn losließ.

Sie blieben noch eine Weile so liegen, konnten jedoch nicht ewig so weitermachen. Dark wollte versuchen, dem Angreifer auf die Spur zu kommen, der ihr Ritual gestört hatte, wobei er sich einiger hellseherischer Möglichkeiten zu bedienen gedachte. Zu diesem Zweck brauchte er seine Ruhe in einem der Zauberräume in den Türmen. Blacky hatte vor, mit seinem Drachen über das Land zu fliegen und nach Unregelmäßigkeiten Ausschau zu halten. Dark nahm an, dass er Yugi mitnehmen wollte. Und so erhoben sie sich widerstrebend aus dem gemütlichen Bett, nicht ohne einen Reinigungszauber über das Bett auszusprechen und dem Reinigungspersonal trotzdem noch eine Nachricht zukommen zu lassen. Immerhin war es auch Yugis Bett zurzeit.

Blacky zog sich seine neuen Sachen wieder an und begab sich in die Halle, um einen Hinweis auf den Verbleib ihres Gastes zu finden, während Dark sich in den besagten Turm verzog. Kuriboh erschien wie immer zur rechten Zeit und führte den Magier auf den Hof der Burg, wo Mava, Yugi und Neo sich ein Plätzchen gesichert hatten, um den Jungen mit verschiedenen Waffen vertraut zu machen - Übungswaffen natürlich. Sie wollten sehen, ob er für irgendeine Talent hatte. Mehrere Schaulustige hatten sich versammelt, machten Blacky jedoch unaufgefordert Platz.

Yugi sah sich nach ihm um, als er aus dem Kreis heraus auf ihn zutrat. "Blacky, hallo! Wir haben gerade festgestellt, dass ich für eine Kampfaxt zu klein bin."

Blacky lächelte schief und wuschelte ihm neckisch durchs Haar. "Das hätte ich dir auch so sagen können."

Yugi streckte ihm die Zunge raus. Dass sein Beschützer ein Meister mit dem Kampfstab war, wusste er ja. Das war auch irgendwie logisch, immerhin war ein Stab die Waffe, die die meisten Magier ständig bei sich hatten, auch wenn diese eigentlich nicht dafür gedacht waren.

"Ich könnte einen kleinen Drachenausflug vertragen, willst du mit?" schlug Blacky vor.

Yugi bekam große Augen - was kaum einen Unterschied machte. "Fliegen? Ja, gerne." [Vielleicht kann ich ja doch noch lernen, wie man einen Drachen beschwört]. Er verabschiedete sich von den Brüdern mit dem Versprechen, das Training bald fortzusetzen.

Neo wollte den beiden folgen, doch Mava hielt ihn kopfschüttelnd zurück. Er wartete, bis Blacky außer Hörweite war. "Etwas stimmt nicht. Seine magische Aura ist nicht in Ordnung."

"Wessen, Blackys? Ist doch klar, der hat Darks Duft noch an sich," grinste Neo.

Doch Mava beruhigte das nicht. "Er hatte neue Sachen an! Ich gehe zu Dark, egal, wobei ich ihn störe." Er war außer Blacky und Mad vermutlich der einzige, der sich das traute, auch wenn Dark nicht als aufbrausend bekannt war.
 

Blacky führte Yugi zu einem der Plateaus, auf denen die Drachen landen konnten. Sie waren kaum dort angelangt, als auch schon ein großes, schwarzes Geschöpf über ihren Köpfen erschien und sich in einem Wirbel aus dunklen Schwingen nicht weit von ihnen niederließ.

"Wow! Der Schwarze Rotaugendrache!" rief Yugi staunend. "Wie heißt er?"

"Bubi."

"Was...?"

Blacky lachte laut auf. "Dein Gesicht solltest du jetzt mal sehen, köstlich!" Er streckte die Hand aus, um den Hals des imposanten Drachen zu tätscheln. "Schattensturm, das ist sein Name. Er heißt Schattensturm." Der Magier grinste noch immer, doch der Junge hatte den Scherz schon wieder vergessen.

Vorsichtig trat Yugi näher. Schattensturm erschien ihm wilder als die Lichtdrachen, die er kennen gelernt hatte, was vielleicht an der Farbe lag. Oder vielleicht war er es tatsächlich. Wenn er sich mit Blacky zusammentat, war das anzunehmen.

"Du kannst mit uns fliegen," wiederholte Blacky, "Aber sei gewarnt: Ich habe einen chaotischen Flugstil."

"Das darf einen bei dir wohl nicht wundern," stellte Yugi fest. Er ließ sich auf den Rücken des Drachen helfen, und sobald Blacky es sich hinter ihm bequem gemacht hatte, ging es in die Luft.

Es war ein Gefühl wie in einem Fahrstuhl, nur viel extremer. Blacky hielt seinen Schützling mit einem Arm fest an sich gedrückt, vielleicht fester als nötig. Doch diese Meinung revidierte Yugi sofort, als der Flug die Qualitäten einer Achterbahn annahm. Automatisch klammerte er sich an dem Arm fest, der ihn hielt, und hoffte inständig, dass der andere irgendetwas zu fassen hatte, damit sie nicht abrutschten. Ehe er es verhindern konnte, kreischte er, halb aus Panik, halb aus Vergnügen. Als er merkte, dass Blacky, aus welchem Grund auch immer, sicher auf dem Drachen saß, ließ die Panik nach, und es fing an, ihm Spaß zu machen. Hinter sich hörte er Blackys Lachen. [Wenn ich das Joey erzähle... er wird sich gar nicht mehr einkriegen!]

[Schattensturm passt zu deinem Freund.]

[Ja, allerdings! Joey ist auch manchmal so wild!]

[Woher weißt du das denn?]

[Argh! Was du mir schon wieder unterstellst! Du weißt genau, was ich meine!]

Schattensturm flog jetzt normal weiter, abgesehen von der halsbrecherischen Geschwindigkeit. Inzwischen fand Yugi den Ausflug cool.

[Ich wollte dir soviel zeigen, Yugi; fremde Wesen, wunderschöne Orte, faszinierende Landschaften... Du solltest sehen, dass das Reich der Schatten nicht so finster ist, wie man bei euch glaubt. Aber durch diese neue, unbekannte Gefahr kann ich es nicht riskieren, dich lange aus der Burg wegzubringen.] Blacky sprach weiter telepathisch, und das war wohl auch gut so, denn durch den Wind in den Ohren konnte man kaum etwas anderes hören.

[Verstehe, wirklich schade. Aber so ist das eben, ich kann es mir nicht einfach nur gut gehen lassen, irgendein Problem taucht immer auf.]

[Du wirst es schaffen. Was immer getan werden muss, wird geschehen, und es wird alles in Ordnung kommen. Yugi, ich... es gibt etwas, das ich tun muss. Könntest du dich eine Weile um Schattensturm kümmern, wenn ich fort bin?]

[Musst du dafür verreisen?]

[Ja, und ich kann einen Teil der Reise mit dem Drachen fliegen, aber er wird enttäuscht sein, wenn ich mich nicht mehr um ihn kümmern kann.]

[Ähm... was muss ich machen? Ich hatte noch nie einen Drachen in Pflege.]

[Beschäftige dich einfach ab und zu mit ihm. Er kennt dich jetzt, gewiss wird er auf dich hören.]

[Ist gut. Wie lange wirst du weg sein?]

Blacky antwortete nicht sofort. [Ziemlich lange. Wir werden uns nicht wieder sehen, fürchte ich.]

[Oh, es dauert, bis ich in meine Welt zurückkehre? Das ist ja wirklich dumm. Geht es denn nicht anders?]

[Nein, wir müssen uns jetzt verabschieden.]

[Sofort?]

[Ja. Entschuldige, dass es so plötzlich kommt, ich dachte, ich hätte noch Zeit. Doch ich spüre, dass ich nicht länger zögern darf.]

[Hm. Wir sehen uns bestimmt wieder, ich finde vielleicht einen Weg, mal wieder herzukommen, und wenn nicht, sehe ich dich auf dem Spielfeld.]

Blacky sagte nichts mehr dazu. Er drückte Yugi mit beiden Armen wie in einer Geste tiefen Abschiedsschmerzes. [Pass ein bisschen auf Dark auf. Danke, dass du mir dein Vertrauen geschenkt hast. Ich werde gehen, um es zu würdigen.]

Yugi wusste nicht, was er damit meinte, aber er tat es als belanglos ab. [Es ist cool, dich zum Freund zu haben.]

Schattensturm landete am Fuße eines Berges, und Blacky sprang zu Boden. "Tut mir wirklich Leid, Yugi. Ich hätte dich nicht mitnehmen sollen, schließlich bist du noch nie allein geflogen."

Dem Jungen war ein bisschen mulmig, das kam wirklich etwas plötzlich. Aber wenn es sein musste... "Ich komme schon klar. Dieser Drache war in meinem Deck, wir werden uns sicher vertragen."

Blacky nickte. Er berührte Schattensturms Kopf und schien kurz mit ihm zu kommunizieren, dann wandte er sich ab, schenkte Yugi noch ein bedauerndes Lächeln und machte sich an den Aufstieg des Berges. Bald war er zwischen den Bäumen des Waldes verschwunden, der den Berg bedeckte, nur der Gipfel war kahl. Ehe Yugi es sich anders überlegen konnte, hob der Drache wieder ab, jedoch eindeutig vorsichtiger als beim letzten Mal. Er wusste das sehr zu schätzen.
 

***

Fortsetzung folgt.

Der Friedenslicht-Orden

Ich habe mich entschieden, diesen Teil etwas eher hochzuladen, weil ich nicht weiß, wann ich nächste Woche Gelegenheit dazu habe. Und ihr sollt ja nicht warten müssen! ^^
 

Kapitel 8: Der Friedenslicht-Orden
 

Yami ordnete sein Deck für den nächsten Tag. Es bedurfte eigentlich keiner Verbesserung, er ging nur aus Gewohnheit alles noch einmal durch. Als er die Karten alle wieder auf einem Stapel zusammengelegt hatte, erregte etwas auf dem Fußboden seine Aufmerksamkeit. Er bückte sich und stellte fest, dass eine Karte heruntergefallen war. Yami hob sie auf: Es war der Magier des Schwarzen Chaos. [Hui, der hätte mir gefehlt, auch wenn es kein ernstes Duell ist. Ich muss schon mit allen Mitteln kämpfen, sonst ist Seto sauer.]

Seine Freunde waren wieder nach Hause gefahren. Yami steckte sein Deck in die Tasche an seinem Gürtel und ging noch einmal nach unten, um Großvater Gesellschaft zu leisten. Dieser musste den Laden inzwischen geschlossen haben. [Ich muss ihm unbedingt ein bisschen helfen, morgen früh habe ich ja Zeit. Nächste Woche muss Yugi wieder zur Schule... hoffentlich habe ich ihn bis dahin zurück, sonst habe ich ein Problem.]

Sugoroku Mutou war schon wieder am Kochen. Er gab sich Mühe, als hätte er einen besonderen Gast. Yami hatte nie darauf geachtet, ob er das immer so machte. "Ähm... kann ich was helfen?" erkundigte er sich etwas unsicher.

"Setz dich nur hin," winkte Sugoroku ab. "Weißt du überhaupt, wo das Geschirr ist?"

"Äh..." Yami probierte auf gut Glück einen Schrank aus. Sein Gesicht hellte sich auf: Treffer! Vielleicht wusste er durch Yugis Erinnerungen unbewusst Bescheid. Nun die Gläser... Soviel dazu. Hinter der nächsten Schranktür befanden sich Geschirrhandtücher und Putzmittel. Er gab es auf und setzte sich hin, beobachtete den alten Mann aber unauffällig, um sich in Zukunft nicht mehr so zu blamieren.

"Ich könnte dir morgen ein bisschen Kochen beibringen. Oder musst du dich auf euer Vorhaben vorbereiten?

"Nein, das geht schon. Ich fürchte nur, ich werde mich ziemlich dumm anstellen, weil ich noch nie selber gekocht habe..."

Großvater verneigte sich in gut gemeintem Spott. "Nun, Pharao, dann wird es Zeit."

Yami lächelte vergnügt. "Yugi hat es wirklich gut mit dir. Ich fürchte, ich bringe ihm nur Probleme. Ein Geist mit vielen Feinden."

"Tja, da konntest du keinen besseren finden als meinen Enkel. Kannst du mir nicht was über Ägypten erzählen? Es ist mein Hobby, wie du sicher weißt."

"Ich kann mich leider nicht an mein Leben erinnern. Nicht einmal am meinen Tod. Vielleicht ist eine der Mumien im Museum mein Körper..." Yami grinste, als Großvater bei dem Gedanken das Gesicht verzog.

"Nun, ganz ausgeschlossen ist das nicht, immerhin wissen wir, dass das Millenniumspuzzle dir gehört hat, und wenn es gefunden wurde, hat man vielleicht auch dich gefunden," räumte der Mann nachdenklich ein. "Allerdings hat man dem Fund des Millenniumspuzzles keine große Bedeutung beigemessen. Ich hätte es nicht behalten können, wenn es so gewesen wäre. Vermutlich haben alle nur das verstaubte Kästchen gesehen und es für ein gewöhnliches Stück Plunder gehalten. Ich muss zugeben, dass ich mir keine Mühe gemacht habe, sie eines Besseren zu belehren."

Jetzt musste Yami laut lachen. "Du hast es ja faustdick hinter den Ohren! Das war sicher alles kein Zufall."

"Vielleicht nicht. Hier, dein Tee wird kalt. Und nimm von dem Reis und Sashimi.

Yami gehorchte und benutzte hartnäckig die Essstäbchen, auch wenn er dadurch viel länger brauchte. Sugoroku gab ihm keine Gabel, sondern ließ ihn gewähren. Er wusste, dass Herrscher über Weltreiche ihren Stolz hatten. Yami gab nicht auf, dieses Mal nicht.

"Wo ist eigentlich der Arzt hin?" erkundigte er sich nebenbei.

"Oh, irgendwo essen. Soll mir recht sein, ich werde den nicht jeden Abend verköstigen. Wir werden ihn sicher bald nicht mehr brauchen."

"Ja, das war ja auch nur eine Maßnahme, damit die Ärzte vom Krankenhaus Ruhe geben. Ich habe nichts gegen den Mann, aber er stört doch ein wenig. Ich wette, er ist auch froh, wenn er hier wegkommt."

"Halt die Stäbchen nicht so verkrampft. Ja, so ist es besser."

Yami gab sich große Mühe. Er lernte schnell und wurde ganz allmählich satt. "Eine Sache beschäftigt mich."

"Was ist es?"

"Wenn Yugi nicht bis nächste Woche zurück ist - und das kann passieren - dann werde ich an seiner Stelle in die Schule gehen müssen. Aber was, wenn ich... versage?" Er blickte zweifelnd auf seine verbundene linke Hand.

"Morgen haben wir Zeit. Wir können uns mal die Hausaufgaben ansehen, die deine Freunde dir gebracht haben," schlug Großvater vor.

Yami nickte. Er hatte nie aufgepasst, wenn Yugi in der Schule war. Vielleicht hätte er sich doch mehr anstrengen sollen. In dieser Welt hatte er bisher nur für die Duelle gelebt. Und für Seto, neuerdings.

Sugoroku schien seine Gedanken zu lesen. "Lass uns eine Runde spielen, wenn du mit dem Essen fertig bist. Ich hole mein Deck."

Das lehnte Yami gewiss nicht ab. Er hatte wirklich noch Probleme, die Karten in der linken Hand zu halten, aber er musste ja keine Duel Disk benutzen, und das machte es ihm leichter. Aber was sollte morgen werden, wenn sie versuchen wollten, Yugi zu erreichen? Er mischte seine Karten. Eine fiel heraus, und er fing sie gerade noch auf. [Schon wieder der Magier des Schwarzen Chaos. Soll mir das was sagen?] Die Karte kam zurück in den Stapel, und dann konnte es losgehen.

Großvater begann. Er spielte sehr auf Verteidigung und nutzte viele Karten, die direkten Schaden verursachten. Sie spielten mehrere Male. Der alte Mann gewann nicht gegen Yami, aber er machte es ihm sehr schwer. Sein Misserfolg machte ihn nicht traurig, sondern stolz auf seinen Enkel... oder dessen anderes Ich.

"Du spielst aggressiver als Yugi. Ich schätze, ihr ergänzt euch gut," befand Sugoroku.

"Er hat mich ein bisschen gezähmt, denke ich. Wenn er nicht gewesen wäre, hätte ich vielleicht Seto umgebracht... damals im Königreich der Duellanten."

Sugoroku hob eine Augenbraue. "Oh, das wäre aber wirklich bedauerlich gewesen."

"Findest du?"

"Nun, er ist ganz in Ordnung, er hat nur schon früh viel zu hart sein müssen. Wahrscheinlich tust du ihm in dieser Hinsicht sehr gut." Großvater räusperte sich. "Du und Yugi. Ich muss gestehen, dass ich mich noch nicht recht daran gewöhnt habe. Eine männliche Dreierbeziehung, wobei einer ein Geist ist... nichts gegen dich..."

"Ich bin froh, dass du uns nicht verdammst."

"Nun, das heißt nicht, dass ich es mag, aber was soll ich machen? Seid glücklich miteinander, wenn es das ist, was ihr wollt." Der alte Mann setzte eine Miene übertriebener Nachdenklichkeit auf. "Hmmm, ich frage mich, was Kaiba gerade macht, allein zu Haus..."

Yami lief rot an. "Er... unternimmt sicher etwas mit seinem Bruder... Kino oder so."

"Ich glaube eher, dass er schon im Bett liegt und sich einen runterholt."

"Ack...!" Yami ließ sein Gesicht auf seine auf der Tischplatte liegenden Arme sinken.

"Vielleicht auch unter der Dusche," ergänzte Sugoroku.
 

***
 

Als Yugi in der Dämmerung allein mit dem schwarzen Drachen zurückkehrte, stand Dark bereits da und wartete auf ihn. "Yugi! Wo ist Blacky? Ist was passiert?"

Der Junge plumpste etwas ungeschickt von Schattensturms Rücken. "Weißt du denn nicht, wo er hinwollte? Ich dachte, ihr hättet es besprochen."

Dark sah ihn entsetzt an. "Er hat dich alleingelassen? Mit einem Drachen?"

Yugi nickte. Schattensturm faltete seine Flügel zusammen und legte sich bequem auf den Bauch, während er abwartete, ob er noch gebraucht wurde.

"Er hätte dich niemals alleingelassen, wenn er nicht seine eigene Gegenwart für gefährlich gehalten hätte," murmelte Dark.

Yugi runzelte verständnislos die Stirn. "Wie meinst du das? Er hat gesagt, er müsse etwas tun, das nicht mehr warten kann. Er dachte vorher, er hätte noch Zeit."

"Verdammt! Mava war bei mir. Er meinte, Blacky sei nicht normal. Ich habe es auch gemerkt, aber nicht ernst genommen. Wenn man jemanden liebt, will man es nicht sehen und findet alle möglichen Erklärungen... Yugi, wo ist er hingegangen?"

Yugi beschrieb den Berg. So sahen sicher viele Berge aus, er konnte sich nicht vorstellen, dass Dark wusste, von welchem er sprach. Dennoch schien es für ihn Sinn zu machen.

"Wenn es der Berg ist, den ich vermute... Dort lebt ein alter Mann, der Gift herstellt. Er hat einen kleineren Drachen als Haustier, den Blacky sich immer ausgeliehen hat, ehe er Schattensturm bekam."

"Dann glaubst du, er will sich vergiften?"

"Ich fürchte, nein. Er ist dort abgestiegen, damit wir ihn nicht finden, denn er will sich noch einmal den Drachen borgen und woanders hinfliegen. Und ich fürchte, ich weiß, wo er jetzt steckt. Wir müssen zu ihm und ihn aufhalten." Dark drehte sich um, um einen Botenläufer zu finden, doch Mystic war schon da. Sie war für eine Reise gekleidet wie ein Mann.

"Mava sagte, es könnte ein Problem mit Blacky geben?"

Dark nickte. "Seine Aura war anders, seit wir mit dem Pharao Kontakt hatten. Ich habe das auf die leichte Schulter genommen, weil er sich so normal verhalten hat... naja, abgesehen von den neuen Klamotten und der Ordnung in seinem Zimmer..."

Mystic erschrak. "Er hat aufgeräumt? Dann stimmt wirklich etwas nicht."

Yugi fühlte sich mies. "Oh Mann, ich hätte ihn aufhalten müssen."

Dark legte ihm eine Hand auf die Schulter. "Es ist nicht deine Schuld. Sag, hat Blacky irgendwas gesagt, das wie ein Abschied klang? Denk genau nach."

Das war nicht schwierig. "Er hat mich ganz fest umarmt und gesagt, er müsse etwas tun..." Yugi berichtete schnell so genau wie möglich.

Mystic ging zu Schattensturm. Der Drache kannte sie natürlich, weil sie Blackys Schwester war. "Los, kommt! Wir dürfen keine Zeit verlieren! Es wird schon dunkel..."

Dark stieg hinter ihr auf und zog dann Yugi hinter sich auf Schattensturms Rücken. "Halt dich gut fest, wir müssen schnell reisen."

Yugi wollte fragen, was hier eigentlich los war, doch er hob sich seine Worte für später auf. Offensichtlich war es jetzt wichtiger, zu Blacky zu kommen. Was hatte er wohl Schlimmes vor? Jemanden töten? Ein Unheil heraufbeschwören, wie es seine Großmutter prophezeit hatte?

Yugi klammerte sich an Dark fest, und der Drache schoss wieder einmal blitzartig in die Höhe. Er schlug jetzt keine Loopings, sondern sauste zielstrebig in eine bestimmte Richtung, dass der Wind nur so um seine Reiter wirbelte. Die Landschaft unter ihnen war nur schemenhaft zu erkennen, und in der heraufziehenden Dunkelheit sah man sowieso nicht viel. Yugi fand es unheimlich und verstärkte seinen Griff um Darks Körper. Es dauerte fast eine Stunde, ehe der Flug endete. Yugi war vom Wind und der bewegungslosen Haltung schon ganz steif. Doch die beiden Magier drängten ihn zur Eile, und er ließ sich von Dark an der Hand nehmen und durch die Finsternis mitziehen. Erst nach einer Weile konnte er schattenhafte Einzelheiten ausmachen. Am Himmel gab es keinen Mond, aber andere seltsame Lichterscheinungen. Yugi konnte vereinzelt Bäume erkennen, aber sie liefen über festgetretenen, felsigen Boden bergauf, und das ziemlich steil.

[Tut mir Leid, Yugi, wir können kein Licht machen,] teilte Dark ihm mit. [Dies ist der heilige Berg des Friedenslicht-Ordens. Wenn ich Magie anwende, werden sie es merken. Sie dürfen uns nicht erwischen. Wir müssen unbedingt bis zum Gipfel gelangen.]

[Ah, deshalb können wir nicht zum Gipfel fliegen.]

[Drachen würden das ohnehin nicht freiwillig tun. Sie meiden den Berg.]

Yugi musste fast rennen, um mit Darks Schrittlänge mitzuhalten. Mystic war irgendwo in der Nähe. Er war bald außer Atem, wagte es aber nicht, sich zu beschweren. Stattdessen versuchte er, noch schneller zu laufen.

Nach vielleicht einer Viertelstunde mühsamer Hetzerei bergauf kam hinter einem Felsbrocken, den sie umgingen, der Gipfel in Sicht, leider in weiter Ferne, wie es schien. Ihr Ziel war an einer Prozession von Fackeln erkennbar, die rötlich brannten. Eine große Menschenmenge wanderte den Berg hinauf. Soweit Yugi es erkennen konnte, gingen sie feierlich langsam. Es waren bestimmt hundert Fackeln, und allmählich war Gesang zu hören. Es waren lang gezogene Worte in einer unbekannten Sprache. Sie hatten den Berggipfel fast erreicht, einige gruppierten sich bereits um eine bestimmte Stelle. Ein scharfer, schwefliger Geruch lag jetzt in der Luft.

[Ist das ein Vulkan?]

[Ein halb aktiver, in dessen Krater immer etwas flüssige Lava ist, ja. Er ist wie ein großer Kochkessel. Die Ordensmitglieder nennen ihn das Auge des Gottes. Wenn der Berg Feuer speit, ist der Gott wütend, und wenn er es nicht tut, haben ihn die Opfer besänftigt.]

[Die Opfer?]

[Meistens Tiere oder symbolische Gegenstände. Aber manchmal, wenn etwas geschieht, das den Zorn des Gottes anstacheln kann, auch Menschen, um ihn zu beschwichtigen. Wenn jemand krank wird, hält er es oft für ein Zeichen. Er wird entweder mehr beten und um Heilung bitten, oder, wenn es eine schlimme, ansteckende Krankheit ist, sich selbst opfern, um sein Volk vor Schaden zu bewahren. Wenn er das nicht tut und Schaden kommt daraufhin über das Volk, dann wird seine gesamte Familie dafür verantwortlich gemacht und geopfert.]

[Ah, das hat Blacky erzählt, er sagte... Dark! Du denkst doch nicht...!]

Der Magier verstärkte seinen Griff um Yugis Hand und zog ihn noch schneller gnadenlos hinter sich her. Der Junge klagte nicht darüber, obwohl ihm inzwischen der Schweiß im Gesicht stand.

Als sie endlich oben ankamen, hatten die Fackelträger den Gipfel bereits erreicht. Dark nickte Mystic in der Dunkelheit zu. Sie drängte sich in die Reihen der in weiße Gewänder gehüllten Gestalten. Yugi und Dark schlichen zum Rand des großen Kraters, um den sich die Ordensmitglieder im Halbkreis versammelt hatten. Sie hielten sich rechts von ihnen und weit genug entfernt, um nicht gesehen zu werden. Die Leute sangen immer noch ihren seltsamen Gesang.

In einem Abstand von drei Metern vom Abgrund entfernt stand niemand mehr. Niemand außer einer hoch gewachsenen Gestalt in einer weißen Robe, die bisher noch eine Kapuze trug.

[Das muss Blacky sein! Er will es wirklich tun!] Dark klang panisch. Nur drei Schritte trennten seinen Geliebten vom glühenden Abgrund. [Blacky!]

Die Gestalt änderte kaum merklich ihre Haltung. Es war also wirklich Blacky, aber er blickte sich nicht zu ihnen um.

Inzwischen kam Unruhe in die Menschenmenge. Mystic sorgte für etwas Ablenkung. "Mutter, Vater! Ich bin es, Mystic!" schrie sie, so laut sie konnte.

Ein blauhäutiger Mann mit Vollbart löste sich von seinem Platz ganz rechts vorne, eine Frau von der anderen Seite des Halbkreises. Blacky rührte sich nicht. Die beiden, offenbar Mystics und Blackys Eltern, hielten die Mystische Elfe davon ab, zu ihrem Bruder zu gelangen.

"Kind, was tust du? Du darfst das Opferritual nicht stören!" entrüstete sich der Vater.

"Mach es uns doch nicht noch schwerer!" flehte die Mutter. Anders als ihr Lebensgefährte sah sie aus, als hätte sie geweint.

"Kayos! Komm da weg!" rief Mystic, die beiden ignorierend.

Yugi beobachtete von seinem Standpunkt aus, wie Blacky einen tiefen Atemzug machte, aber sich nicht vom Fleck bewegte. [Kayos?]

[Das ist Blackys richtiger Name, nur seine Familie nennt ihn so. Und ich manchmal. Die meisten anderen kennen den Namen gar nicht,] erklärte Dark.

"Warum soll er sich opfern? Er hat nichts verbrochen!" versuchte Mystic ihre Eltern zu überzeugen.

Eine alte Frau trat vor. "Schon seine Geburt war ein Fehler. Der nächste Fehler war, ihn aufwachsen zu lassen. Wir dürfen keinen weiteren begehen! Widersetze dich nicht dem Willen des Gottes, Mädchen!"

"Großmutter, wie kannst du behaupten, dass unser Gott es so will? Vielleicht wollte der Gott, dass Kayos ein mächtiger Magier wird!"

"Sei still! Er hat selber so entschieden! Wenigstens einer aus eurer Familie ist in dieser Hinsicht vernünftig!"

Die restlichen etwa hundert Leute sangen immer noch. Es war jetzt ein monotones Wiederholen einer Textzeile, wie eine Beschwörung. Dann ging die Litanei in ein beständiges Summen über, das ab und zu die Tonhöhe veränderte. Blacky löste einen Verschluss an seinem Hals und ließ die Robe in den Krater schweben. Darunter trug er ein langes, weißes Gewand ohne Ärmel, das am Oberkörper eine Menge Falten warf und um die Hüften von einer Kordel gehalten wurde. Und er hatte einen Kranz aus Blumen und grünen Blättern im Haar. Wäre die Situation nicht so ernst gewesen, hätte Yugi darüber gelacht. Blacky machte einen, zwei Schritte auf den Abgrund zu.

"Nein!" Dark konnte nicht länger untätig abwarten. "Kay! Tu's nicht! Verlass mich nicht! Warum willst du das tun? *Kay!!*" Er stürmte auf den anderen Magier zu, doch ehe er ihn erreichen konnte, hatten sich ihm drei Männer in den Weg gestellt, drei weitere packten ihn und zwangen ihn zu Boden. Dark streckte verzweifelt eine Hand aus. "Kayos!"

Blacky lächelte ihm traurig zu. Sein Gesicht glühte hellrot im Schein des Lavasees einige Meter unter ihm. Über seine Wangen liefen Tränen des Bedauerns, doch es war ihm durch die Vorschriften des Opferrituals verboten zu sprechen. Er versuchte nicht einmal eine telepathische Botschaft.

Yugi starrte entgeistert auf die Szene. Dark setzte keine Magie ein, wahrscheinlich, um niemanden zu verletzen. Vielleicht konnte er es auch gar nicht, diese Leute konnten möglicherweise irgendwelche Banne weben. Noch hatte niemand den Jungen bemerkt. Er war der einzige, der jetzt noch etwas tun konnte. Blacky schien auf etwas zu warten, vielleicht auf ein Signal, um zu springen. Soweit durfte es nicht kommen. Yugi rannte los. Zum ersten Mal war er froh, dass er klein war, denn die Menschen um ihn herum waren fast alle sehr groß und nahmen erst Notiz von ihm, als er sich schon an ihnen vorbeigeschlängelt hatte. Dark rief etwas, das er nicht verstand und ohnehin ignorierte. Er stürzte auf Blacky zu, schlang die Arme um seine Hüften (da kam er gerade so eben dran) und warf sich mit seinem ganzen, geringen Gewicht zurück.

Ein Aufschrei fuhr durch die Menge, und für Sekunden war es vollkommen still. Yugi war sich schmerzhaft seines linken Armes bewusst, auf den Blacky gefallen war, aber gebrochen war er wohl nicht. Er ließ den Magier nicht los, und erst mehrere Männer mit vereinten Kräften konnten seinen Griff schließlich lösen.

"Wo kommt das Kind her?" begehrte Mystics Vater zu erfahren.

"Das ist Yugi, Kayos' Schützling, ein Findelkind," antwortete Mystic schnell.

Yugi hielt vorsichtshalber den Mund. Ihm gefiel nicht, wie die zwei Typen, die neben ihm standen, ihn festhielten. Blacky indessen wurde scheinbar vollkommen ignoriert. Er hockte halb aufgerichtet am Boden und wartete ab.

"Nun, da er noch ein Kind ist, kann er nicht dafür bestraft werden, dass er das Ritual unterbrochen hat," entschied Mystics Vater. "Der Mann jedoch schon." Sein strenger Blick richtete sich auf Dark, der noch immer von vier Körpern am Boden gehalten wurde. "In welcher Beziehung stehst du zu Kayos?"

"Ich liebe ihn mehr als mein Leben!" erklärte Dark.

Die Umstehenden begannen zu murmeln. Yugi befürchtete schon, dass sie an einen Ort geraten waren, wo gleichgeschlechtliche Liebe verboten war, andererseits hatte Mava doch gesagt, dass es im ganzen Schattenreich ein unproblematisches Thema war. Nun, Ausnahmen bestätigten ja bekanntlich die Regel.

Der bärtige Mann seufzte. "Wir wollen deine Tat als übereilte Reaktion aus Liebe werten. Doch ich muss dich ermahnen: Reiß dich fortan zusammen, sonst muss ich dich öffentlich auspeitschen lassen. Das gleiche gilt für dich, Mystic."

"Ja, Vater."

"Ich bin Talimecros. Ihr drei seid Gäste in meinem Haus. Folgt Arienne."

Die Mutter, Arienne, verneigte sich zur Begrüßung vor Yugi und Dark. "Willkommen. Darf ich deinen Namen erfahren, Sohn?

Damit meinte sie Dark. Er war gerührt. Als Blackys Partner hatte sie ihn sofort in ihre Familie aufgenommen, was ihr allerdings einen tadelnden Blick von Talimecros einhandelte. "Ich heiße Dark," stellte der Magier sich schlicht vor.

Sie nickte und machte eine einladende Geste bergab. "Kommt. Es ist ein beschwerlicher Weg im Dunkeln, also bleibt dicht bei mir." Sie und ein paar andere Frauen und Männer leuchteten ihnen mit ihren Fackeln.

"He, kommt Blacky nicht mit?" fragte Yugi.

Arienne hob eine Augenbraue. "Blacky?"

"Äh, so nennen wir Kayos immer."

Die Frau lächelte nachsichtig. Da sie ihr Haar offen trug, erinnerte sie Yugi sehr an Mystics Abbildung auf der Spielkarte. "Ach so. Du weißt nichts über unsere Bräuche. Er muss bleiben, wo er ist, bis sich diese Nachtstunde wiederholt, also einen Tag lang. Dadurch, dass du ihn berührt hast, wurde sein zuvor rituell gereinigter Körper beschmutzt - symbolisch gesehen natürlich. Es ist ein Vergehen, das Ritual auf diese Art zu stören, und das Opfer muss geläutert werden. Kayos muss hier ausharren, ohne Essen, Trinken oder sonstiges. Er darf nicht sprechen, bis wir ihn abholen nächste Nacht. Dann darf er noch für einen Tag bei seiner Familie sein, gut essen und trinken, und wird sich dann erneut dem Reinigungsritual unterziehen."

"Wieso denn? Heißt das etwa, er wird doch noch geopfert?" entsetzte Yugi sich.

"Ich muss unbedingt mit ihm reden und erfahren, warum er überhaupt hergekommen ist," beharrte Dark.

"Du kannst mit ihm reden, wenn seine Läuterung vorbei ist. Versuch nicht, heimlich zu ihm zu gehen. Auf dieser Familie lastet schon genug Schande." Arienne ging voraus, um weitere Tränen vor ihnen zu verbergen.

Dark und Yugi hatten keine andere Wahl, als ihr vorerst zu folgen. Der Pfad war wirklich tückisch, wenn man bergab ging. Sie wussten nicht, wie weit sie sich vom Gipfel entfernt hatten, ehe der Weg nach rechts abzweigte und zu einem Dorf führte. Die Besucher wurden in einem kleinen Extrazimmer in Talimecros' Lehmhütte untergebracht. Es gab einfachste Schlaflager, kaum mehr als eine Decke auf Stroh und eine weitere Decke zum Zudecken. Mystic schlief bei ihrer Mutter.

"Haben diese Leute keine gemeinsamen Betten, wenn sie verheiratet sind?" wollte Yugi wissen, da er mitbekam, dass Talimecros ein anderes Zimmer hatte.

"Verheiratet? Was ist das?" fragte Dark.

Yugi starrte ihn sekundenlang nur an, ehe ihm bewusst wurde, dass nicht alle Kulturen die Ehe hatten. "Das ist da, wo ich herkomme, üblich; man heiratet. Das bedeutet, ein Mann und eine Frau gehen in einer feierlichen Zeremonie einen Bund fürs Leben ein, und sie bekommen nur gemeinsam Kinder, leben zusammen und schlafen im selben Bett. Jeder hat nur einen Partner. Man schwört sich gegenseitig Treue und dass man füreinander da ist. Im Idealfall liebt man einander auch, aber teilweise werden die Hochzeiten von den Eltern organisiert."

Dark dachte darüber nach. "Bei uns kann man sich zusammentun und eine Familie gründen, aber man kann sich auch wieder trennen. Es ist nicht so bindend, auch wenn gemeinsame Kinder natürlich bis zu einem gewissen Alter versorgt werden müssen. Doch es gibt keine vorgeschriebene Zeremonie, obwohl manche entsprechende Schwüre ablegen. Das kann man privat oder öffentlich tun."

"So. Naja, spielt ja keine Rolle. Was können wir tun? Sie wollen Blacky doch noch opfern, und er wehrt sich nicht einmal dagegen!"

"Er kam anscheinend her, um zu sterben. Ich frage mich, warum. Warum will er sterben, und warum kommt er dafür extra hierher? Wieso hat er mir nichts gesagt? Aber jetzt begreife ich, warum er sein Zimmer aufgeräumt hat. Als wollte er es für den neuen Bewohner bereitmachen." Dark ließ sich auf eins der Schlaflager nieder, zog die Knie an und schlang seine Arme darum. "Etwas muss während des Rituals passiert sein, als wir mit dem Pharao Kontakt gesucht haben. Davor war ja alles noch in Ordnung."

"Oh... das wäre wahrscheinlich alles nicht passiert, wenn ich..."

"Nicht! Gib nicht dir die Schuld! Was immer es war, hat eine Gelegenheit gesehen und zugeschlagen. Wir wurden doch angegriffen. Das steht sicher im Zusammenhang mit Blackys seltsamen Verhalten."

"Etwas hat in ihm den Wunsch geweckt, sich umzubringen? Vielleicht, um ihn loszuwerden?"

"Ich weiß es nicht. Er wird es mir hoffentlich beantworten können und wollen. Vielleicht kam er hierher, um noch einmal bei seiner Familie zu sein. Oder damit sie davon überzeugt sein können, dass er kein Unheil mehr anrichten wird." Dark seufzte. "Wie auch immer... wir können nichts tun bis nächste Nacht. Ich hasse das. Blacky da oben zu lassen... Aber vorher erhalten wir wohl keine Antworten. Wir müssen uns nach den Bräuchen dieser Leute richten. Lass uns versuchen zu schlafen."

Yugi nickte, und er schlief wider erwarten schnell ein. Der eilige Aufstieg hatte ihm wohl doch ganz schön zu schaffen gemacht.
 

***

Fortsetzung folgt
 

Kayos:

Blackys richtiger Name wird so ausgesprochen wie das englische Wort "chaos". Also nicht Ka-jos, sondern Key-os. Ich habe ihn nicht von Anfang an so genannt, damit man ihn nicht gleich als Magier des Schwarzen Chaos erkennt. ^^
 

Sashimi:

Roher, kalter Fisch; kann man in Japan in Scheiben geschnitten und schön dekoriert kaufen. Schmeckt eigentlich nur nach der Soße, in die man ihn tunkt. Nicht glitschig, wie man vielleicht denken könnte.

Warnungen

Kapitel 9: Warnungen
 

Yami kam gähnend aus dem Bad und wollte gerade schlafen gehen, als er plötzlich das Gefühl hatte, nicht mehr allein zu sein.

"Shah Dee!" [Verdammt, und ich trage einen Schlafanzug!]

Der Mann stand direkt unter dem Dachfenster und wurde vom Mondlicht beschienen. Das Licht der Nachttischlampe erreichte ihn jedoch nicht, obwohl es den ganzen Raum leicht erhellte. Yami fragte sich immer, wenn er ihn sah, ob der geheimnisvolle Ägypter vielleicht absichtlich solche Effekte schuf oder auch gleich ein Geist war.

"Mein Pharao!" sprach Shah Dee in seinem kryptischen Tonfall und kniete vor ihm nieder. "Ihr dürft das Tor zum Schattenreich jetzt nicht öffnen. Eine finstere Macht wartet nur auf diese Gelegenheit."

"Aber... ich muss doch Yugi da rausholen! Wie kannst du verlangen, dass ich ihn im Stich lasse?" protestierte Yami.

"Ihr werdet ihn nicht im Stich lassen, aber ihr könnt ihm nicht auf diese Art helfen. Es gibt etwas anderes, das Ihr tun müsst."

"Was denn? Wovon sprichst du?"

"Ihr werdet es bald verstehen."

Yami fuhr sich mit der Hand durchs Gesicht. All seine Pläne, Yugi zu retten, gingen den Bach runter. Er glaubte nicht, dass er Shah Dees Worte ignorieren durfte. Er sah auf und stellte überrascht fest, dass der Mann noch da war.

"Ihr habt etwas verloren," sagte Shah Dee. Er reichte Yami eine Karte. Es war der Magier des Schwarzen Chaos.

"So langsam ist das nicht mehr witzig. Was soll mir das sagen?" Doch als er dieses Mal aufblickte, war Shah Dee wirklich verschwunden.
 

***
 

Dark lief am folgenden Tag rastlos herum wie ein aufgescheuchtes Huhn. Er und Yugi wurden gut behandelt, aber man ließ sie nicht aus dem Dorf. Bei Tag konnte man jetzt auch sehen, dass es sich im Schutz eines Felsvorsprungs befand und wirklich nur das Nötigste an Komfort bot, allerdings gab es in jedem Haus Gästezimmer.

"Unsere Verwandten verweilen oft hier," erklärte Mystic. "Sie wohnen weiter den Berg hinab und bebauen Felder, einige halten auch Viehherden. Davon leben wir hier oben. Ab und zu werden die Rollen getauscht, und eine Familie von unten tauscht mit einer von oben. Jeder muss den Dienst für den Gott einmal übernehmen."

Die meisten Bewohner waren blauhäutig, aber einige hatten fast elfenbeinweiße Haut, andere waren schwarz, weiß oder braunhäutig. Das Wetter war heute hervorragend, geradezu unerträglich heiß. Dark kam fast um durch das Wissen, dass Blacky der Sonne ausgesetzt war, ohne sich schützen zu können, außer mit dem, was er am Leibe trug.

Im Laufe des Tages kam noch ein Gast. Er eilte zielstrebig auf die Dreiergruppe zu. "Mystic! Hey, Mystic!"

Die Frau blickte sich um, und ein breites Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. "Celt! Wie kommst du denn hierher?" Sie fiel ihm um den Hals und küsste ihn innig.

Celt war ein Mann mit hellbraunem Haar und langen, spitz zulaufenden Ohren. Aber für Yugi war er sofort als der Elfenschwertkämpfer zu erkennen, denn er trug die Sachen, die auf der Karte abgebildet waren, oder zumindest sehr ähnliche. Sein Schwert hatte er vermutlich abgeben müssen, denn er trug es nicht bei sich. "Ich traf Mava vorhin, er sagte, Blacky werde vermisst und ihr wärt hierher geflogen. Also hat er mich mit Silberschwinge hergebracht. Er macht sich Sorgen, weil er keine Nachricht von euch erhalten hat."

"Wir können ihm keine zukommen lassen," sagte Dark deprimiert. "Hier gibt es alle möglichen Banne, und ich will nicht als Magier erkannt werden, solange es sich vermeiden lässt. Wenn es sein muss, werde ich Blacky von hier entführen."

Celt hob fragend die Augenbrauen. Mystic erklärte ihm das Problem. Bei der Gelegenheit lernte er auch Yugi kennen und war hocherfreut. "Hey, ich kenne dich! Hätte nicht gedacht, dass wir uns mal wirklich treffen!"

Yugi hatte den Elfenschwertkämpfer schon von Anfang an in seinem Deck gehabt. Die Begegnung hatte etwas Nostalgisches. Schade, das sie nicht feiern konnten. Sie konnten vorerst nur abwarten.

"Was kann man tun, damit Blacky sich nicht opfern muss?" fragte Dark wieder einmal.

"Er *will* sterben, Dark," sagte Mystic ernst. "Wenn er es will, wie willst du ihn davon abbringen?"

"Er muss doch einen Grund haben! Verdammt, wir waren so glücklich! Kann es an mir liegen? Aber gestern war ich noch bei ihm, und es schien mit unserer Beziehung alles in Ordnung zu sein..." Dark ließ sich seufzend auf den Rand des Dorfbrunnens sinken.

"Reg dich nicht unnötig auf. Er wird es uns sagen, sobald er kann. Und dann können wir gezielt über eine Lösung nachdenken," versuchte Yugi den Magier zu beruhigen und wunderte sich selbst darüber, wie sinnvoll er argumentieren konnte. Aber eine Rettungsaktion hatte wenig Sinn, wenn der zu Rettende nicht mitmachte.

Dark war jetzt schon mit dem Nerven am Ende, obwohl noch nicht alle Hoffnung verloren war. "Ich werde dir kein Nutzen mehr sein, wenn er tot ist, Yugi," murmelte er. "Am liebsten würde ich mit ihm sterben. Aber ich bin an die Seele des Pharao gebunden... Ich will ihn nicht im Stich lassen, aber ich kann auch nicht ohne Blacky weitermachen."

"Reiß dich zusammen, er ist doch noch am Leben!" flehte Yugi. Er konnte es bald nicht mehr hören, so sehr er Darks Stimmung auch verstand. "Ich werde nicht zulassen, dass er sterben muss. Aber hör jetzt auf, dich verrückt zumachen." [Und mich, nebenbei bemerkt.]

"Kommt, ich erzähle euch von meinen Abenteuern, das wird euch vielleicht ablenken," schlug Celt vor.

Sie folgten ihm in Talimecros' Hütte, wo sie Ruhe hatten und vor der Sonne geschützt waren. Das versprach noch ein langer Tag zu werden.
 

***
 

Yami war früh aufgestanden, um im Laden zu helfen. Er war etwas nervös deswegen, schließlich hatte er so etwas noch nie gemacht, und er wollte seine Sache gut machen. Die Begegnung mit Shah Dee spukte ihm noch im Kopf herum. Wie sollte er seinen Freunden erklären, dass die Pläne sich geändert hatten? die würden ihn doch alle für durchgeknallt halten. Vielleicht konnten sie die Sache verschieben, denn sie ganz abzublasen, gefiel Yami ganz und gar nicht. Er machte sich Sorgen um Yugi, auch wenn er ihn in den sicheren Händen des Schwarzen Magiers wusste. Komisch, sich das vorzustellen.

Der Arzt hatte ihn noch einmal durchgecheckt und war dann abgereist. Er meinte, dass kein Risiko mehr bestünde. Er würde aber vorsichtshalber noch für eine Woche täglich wiederkommen, um nach seinem Patienten zu sehen, und wenn es nur war, um das Krankenhaus zu beruhigen. Yami fand das ziemlich lästig.

Er hatte sich heute eine von Yugis bevorzugten Lederhosen angezogen. Sie hatte zuerst etwas eng gesessen, sich aber inzwischen angepasst, als ob die Verwandlung von Yugi in Yami sich allmählich auf die Kleidung übertrug. Das enge, schwarze Oberteil, das Yugi gerne außerhalb der Schule trug, schien dagegen so dehnbar zu sein, dass Yami damit keine Probleme gehabt hatte. Er hatte auch eins der Halsbänder und zwei Armbänder angelegt. Darauf legte er persönlich keinen Wert, aber er musste schließlich Yugis Rolle spielen. Er sah in den Spiegel und fand, dass er aussah wie sonst auch, also in Ordnung. Schade, dass Yugi nicht da war, um es zu beurteilen. Yami betrachtete wehmütig sein Spiegelbild. [Yugi. Hoffentlich kommst du zurecht. Wenn ich dir doch nur helfen könnte...] Doch niemand beantwortete seine Gedanken. Seufzend wandte er sich ab und stieg die Stufen hinunter.

Sugoroku erwartete ihn schon mit einer Kanne Tee in der Küche. Heute gab es Toast und Marmelade dazu. "Guten Morgen. Ich dachte, etwas Abwechslung ist dir recht, deshalb gibt es was Einfaches." Er sah sich Yamis Aufzug genau an. "Coole Klamotten hast du ausgesucht, aber das Shirt ist auf links."

"Äh... tatsächlich?" Yami zog es aus, drehte das Teil um und zog es wieder an. [Peinlich, das war also der erste Patzer des Tages, und der Tag ist noch lang.]

Der alte Mann lachte. "Mach dir nichts draus. Das kann mal passieren."

"Ich bin wohl eine komplette Niete, wenn ich nicht Karten spiele."

"Ja, Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung."

"Womit hab ich das verdient..."

Sugoroku lachte, setzte ihm eine Scheibe Toast vor und bot ihm verschiedene Brotaufstriche an. Yami nahm Honig, damit kannte er sich am besten aus... auch wenn er den noch nie auf ein Brot geschmiert hatte...
 

Nach dem Frühstück zeigte Herr Mutou seinem neuen Gehilfen, wie sein Laden aufgebaut war. Zusammen packten sie eine neue Lieferung aus. Yami hatte Spaß daran, Spiele einzusortieren. Am liebsten hätte er ein paar ausprobiert, aber dazu war er ja nicht hier.

Im Moment war noch nicht viel los, weil die Kinder, die normalerweise hier einkauften, noch Schule hatten. Yami nutzte die Gelegenheit, sich Mathe erklären zu lassen. Das war nicht allzu schwer für ihn - die Ägypter hatten schon Winkel und Rauminhalte berechnet, als andere Völker noch nicht einmal das Maßband erfunden hatten. Manche Ausdrücke, die in Japan benutzt wurden, waren ihm unbekannt, aber nachdem Großvater sie ihm erläutert hatte, begriff er die Zusammenhänge.

Danach übte er, seinen eigenen Namen zu schreiben - Yugis, in dem Fall. Sugoroku gab ihm ein Buch zum Lesen, und er stellte fest, dass er die meisten gängigen Zeichen erkennen konnte und nur mit denen Probleme hatte, die der Normaljapaner auch nicht zwangsläufig kannte. Aber die schwierigen hatten ja immer Furigana. Lesen war offenbar einfacher als Schreiben. Die Fähigkeit, Japanisch zu lesen, hatte er zum Glück nicht mit Yugi verloren.

Dann setzte Großvater ihm das Englischbuch vor. Yami starrte die aufgeschlagene Seite an. Die europäischen Schriftzeichen ergaben für ihn zwar einen Sinn, aber er verstand die Bedeutung nicht. Konzentriert blickte er genauer hin. Irgendwo musste doch Yugis Wissen sein, um ihm zu helfen! Nachdem er den Text noch einmal durchgegangen war, verstand er ihn einigermaßen. Soweit so gut. Aber hinterher schwirrte ihm der Kopf.

Nun, wenigstens war er nicht ganz verloren. Zumindest dachte er das, bis er sich die Hausaufgabenzettel ansah, die seine Freunde ihm gegeben haben. Da waren Grammatikübungen drauf, bei denen man in einen Lückentext die richtige Verbform einsetzen sollte. Dann gab es eine, bei der er zwischen Adjektiv und Adverb wählen musste, und eine weitere, in der er den richtigen Artikel einzusetzen hatte, falls denn einer eingesetzt werden musste. Zu allem Überfluss entdeckte er eine handschriftliche Notiz von Tristan in der unteren Ecke, die besagte, dass am folgenden Mittwoch eine Klausur anstand. Yami fühlte sich plötzlich ganz klein und unbedeutend.

"Das... werde ich nie bis nächsten Mittwoch verstehen! Ich begreife zwar den englischen Text irgendwie... aber was ist überhaupt ein Adverb?" Yami sah, dass hinter jeder Lücke ein Wort in Klammern stand, von dem die passende Form zu bilden war. Aber er hatte keine Ahnung, was von ihm erwartet wurde.

"Nun, ich kann ja mal versuchen, es dir zu erklären. Durch meinen Freund Arthur, der Amerikaner ist, kann ich ziemlich gut Englisch," bot Sugoroku an. "Also, ein Adjektiv ist ein Eigenschaftswort, das sich auf ein Substantiv bezieht. Äh... Substantive sind Hauptwörter wie Haus, Mann, Spiel und so... Adjektive sind Wörter wie kalt, klein, groß. Manchmal beziehen sie sich nicht auf ein Hauptwort, sondern auf ein Verb, also ein Tätigkeitswort wie laufen, sagen, schlafen. Dann nennt man sie Adverbien, und die Englische Sprache hängt dann einfach an das Adjektiv die Endung *-ly* an, um ein Adverb zu bilden, also beispielsweise *loud* wird zu *loudly*. Hm, aber es gibt auch Ausnahmen, an *fast* wird nichts angehängt, und *hard* und *hardly* haben ganz unterschiedliche Bedeutungen, sodass man sie nicht einfach so benutzen kann wie die anderen..."

"Aufhören, bitte!" ächzte Yami. "Kann ich nicht einfach noch eine Woche krank sein?"

"Ich fürchte, du müsstest die Klausur nachschreiben."

"Oooh... Ich entschuldige mich schon jetzt für das miserable Ergebnis, das ich haben werde." Yami ließ frustriert den Kopf auf den Tresen sinken.

"Tu einfach dein Bestes," ermutigte Großvater ihn. "Dann hast du dir auch nichts vorzuwerfen. Komm, ich erkläre es noch einmal ganz langsam."
 

Als Seto und die anderen fünf am frühen Nachmittag eintrafen, war Yami davon überzeugt, dass er die englische Grammatik nie verstehen würde. Aber davon abgesehen hatte er sich auf die Begegnung nicht gefreut, weil die folgende Konfrontation unausweichlich war. Seto wollte, dass er sofort seine Duel Disk holte und mitkam. Doch Yami musste ablehnen.

"Seto, es geht nicht. Gestern ist mir dieser Ägypter Shah Dee erschienen. Er sagte, es sei im Moment zu risikoreich, das Tor zum Reich der Schatten zu öffnen. Eine finster Macht wartet darauf..."

Joey packte ihn plötzlich grob am Kragen. "He, Alter, was soll das auf einmal? Gestern war noch alles klar! Willst du Yugi im Stich lassen? Vielleicht willst du ihn ja gar nicht retten, damit du Kaiba für dich alleine hast!"

"Wie kannst du sowas sagen, Joey!" empörte Yami sich. "Denkst du, mir ist diese Entscheidung leicht gefallen? Aber ich habe gelernt, dass man Shah Dee ernst nehmen muss!"

"Du hast mir aber noch nichts davon erzählt," mischte sich Sugoroku ein, der das Gespräch zwangsläufig mitgehört hatte.

"Ich wollte bis jetzt warten, damit ich es nur einmal sagen muss," verteidigte Yami sich.

"Ja, so ist es bequem! Dir gefällt es wahrscheinlich, dass du jetzt einen Körper hast, den du mit niemandem teilen musst!" Joey schubste Yami mit solcher Gewalt von sich weg, dass er gefallen wäre, wenn Tristan ihn nicht aufgefangen hätte.

"Nun beruhige dich mal, Kumpel! Der Pharao hat uns bis jetzt doch keinen Anlass gegeben, ihm zu misstrauen."

"Genau, Tristan. Bis jetzt!" regte Joey sich auf. "Wenn du nichts unternehmen willst, dann gib mir das Ding!" Er griff nach dem Millenniumspuzzle.

Yami schlug Joeys Hände weg. "Sei vernünftig! Du kannst damit gar nichts anfangen! Ich sage ja nicht, dass wir nichts unternehmen, nur im Moment eben nicht!"

"Sagtest du nicht etwas von einer Gefahr, die im Reich der Schatten lauert?" ergriff Seto zum ersten Mal das Wort. "Können wir Yugi damit alleinlassen?"

"Was Shah Dee sagte, klang so, als würden wir der Bedrohung einen Weg in diese Welt ebnen, wenn wir das Tor öffnen. Das können wir nicht riskieren. Yugi würde es nicht tun."

"Was mich betrifft, ich würde die Bedrohung schon gerne kennen lernen," grinste Bakura, der sich des Körpers seines Wirts bemächtigt hatte. "Falls es euch interessiert... der große Pharao hat sich früher auch schon immer angeeignet, was er haben wollte, auch wenn er dafür Rivalen aus dem Weg räumen musste."

Yami starrte ihn mit offenem Mund an, für den Moment sprachlos.

"Ist das wirklich wahr? So habe ich ihn nicht eingeschätzt!" meinte Thea, die Yami als Erste von den Freunden bewusst gekannt hatte.

"Naja, Tatsache ist, dass er Yugi immer geholfen hat, aber das war ja auch in seinem Interesse," überlegte Duke. "Aber wenn ich ein Geist wäre und so eine Gelegenheit bekäme..."

"Hört auf! Traut ihr mir das wirklich zu?" schrie Yami aufgebracht in die Runde. "Seto, du weißt, wie man sich Macht verschafft, aber du würdest nie deinen Bruder verraten! Denkst du etwa auch, dass ich mir Yugis Leben aneignen will? Ich liebe Yugi! Und ich liebe dich und weiß, dass du ihn liebst! Wie könnte ich das den beiden Menschen antun, die ich liebe? Und meinen Freunden? Und dir, Großvater?" Yami fühlte sich hintergangen. Was war mit den anderen los?

"Ich habe nichts gegen dich gesagt," stellte Sugoroku ruhig klar. "Wenn es wirklich so gefährlich ist, wie dieser... Shah Dee sagt, dann müssen wir genau überlegen, was zu tun ist. Anschuldigungen bringen uns jedenfalls nicht weiter. Ihr jungen Leute hättet mal heute früh hier sein sollen. Yami hat sich abgemüht, um Englisch zu lernen, damit er Yugis Noten nicht verdirbt, solange er nicht da ist. Es hat ihm keinen Spaß gemacht. Ich glaube nicht, das das gespielt war."

Yami war erleichtert, wenigstens einer war auf seiner Seite. Hoffnungsvoll sah er die anderen an.

Seto kam als Erster auf ihn zu. "Reg dich nicht auf, Yami. Ich weiß, dass du mich liebst. Und du würdest mir nicht bewusst jemanden wegnehmen, den ich liebe, selbst wenn du mich dafür aufgeben müsstest. Aber das musst du nicht." Er nahm Yami kurz in die Arme und drückte ihn an sich, ließ ihn dann aber wieder los, damit die anderen ihren Teil sagen konnten.

"Tut mir Leid, dass ich beinahe diesem Irren geglaubt hätte," sagte Thea mit einem Seitenblick auf Bakura, der fies grinste. Sie stieß Joey in die Rippen.

"Äh, ja, ich sollte wohl an Yugi glauben und dir vertrauen, wenn er dir vertraut. Sorry, Mann," brabbelte dieser verlegen.

"Lasst uns endlich aus dem Laden rausgehen, wer weiß, wer alles hätte reinkommen können," drängte Tristan. "Wie wär's wenn wir dem Pharao ein bisschen bei den Hausaufgaben helfen?"

Yami seufzte. Die Situation war noch einmal gerettet, auch wenn das hieß, dass er sich für den Rest des Tages mit Schulkram rumplagen musste. Allmählich begriff er, was Shah Dee damit gemeint hatte, dass er Yugi auf andere Art helfen konnte...
 

***
 

Die Nacht fand einen Magier, eine Elfe und ihren Geliebten sowie einen (körperlich) kleinen Jungen in ängstlicher Erwartung am Rande des Dorfes des Friedenslicht-Ordens. Arienne war im Haus, wo sie verschiedene Arzneien zusammenstellte, die Blacky vielleicht brauchen würde. Bisher war noch niemand auf den Berg gegangen. Dark, Yugi, Mystic und Celt warteten auf die Erlaubnis. Schließlich kam Talimecros zu ihnen und reichte Celt und Mystic je eine Fackel. Dark gab er einen Lederschlauch mit Wasser. Er selbst ließ sich eine Fackel von einem der etwa zwanzig Männer bringen, die sie begleiten würden.

Für Darks Freunde und seine Mutter war es eine Qual, den Weg nach oben in feierlicher Langsamkeit zurückzulegen. Alle machten sie sich ihre Gedanken. Der Tag war heiß gewesen. Vielleicht hatte Blacky einen Sonnenbrand an den Schultern. Die blaue Haut war nicht für lange Aufenthalte in der Sonne geschaffen. Wenn er sich immer mit dem Rücken zur Sonne gehalten hatte, war er vielleicht glimpflich davongekommen. Einen Tag ohne Nahrung und Wasser konnte ein Mann ertragen. Doch dazu kamen die nicht unbedingt gesundheitsfördernden Dämpfe aus dem Krater. Die Wachen, die alle drei Stunden abgelöst worden waren, hatten kein Wort über Blackys Zustand gesagt. Sie hatten auch nichts essen und trinken dürfen, solange sie ihren Dienst taten, damit niemand dem Opfer etwas geben konnte. Die Nacht war verglichen mit dem Tag wieder kalt.

Oben angelangt, sahen sie Blackys zusammengesunkene Gestalt in der Nähe des Abgrunds liegen, dessen Glut die Szene ausreichend erhellte. Dark warf einen fragenden Blick auf Talimecros und eilte auf dessen Nicken hin zu seinem Geliebten. Mystic hielt sich in seiner Nähe; sie erschuf eine helle Lichtkugel, sodass sie Blacky besser untersuchen konnten.

Er war bewusstlos, und jedes bisschen freie Haut beängstigend gerötet. Es sah ganz so aus, als hätte er sich nicht vor der Sonne schützen können oder wollen. Dark wiegte ihn in seinen Armen. "Kay, wach bitte auf! Sprich mit mir!"

Die roten Augen öffneten sich halb. "Dark?" Die Stimme war nur ein Krächzen.

Dark flößte ihm vorsichtig ein bisschen Wasser ein. "Ganz ruhig, Blacky. Du hast es überstanden." Der Zustand des anderen Magiers machte ihm Sorgen. Nach einem Tag hätte er nicht in dieser Verfassung sein dürfen.

"Es hat versucht... mich zu unterwerfen," presste Blacky hervor. "Ich musste es den ganzen Tag... zurückhalten... Dark, da ist etwas in mir... Du hättest... mich... sterben lassen sollen... es vernichten..." er hustete und verlor erneut das Bewusstsein.

Der Schwarze Magier runzelte besorgt die Stirn. Hatte Blacky fantasiert?
 

Dark und Celt trugen Blacky den Berg hinab. Sie brachten ihn in das Gästezimmer seiner Familie und legten ihn auf Darks Schlaflager. Arienne kam sofort mit einer Brandsalbe und rieb ihn damit ordentlich ein.

"So ein Narr," schnaubte Talimecros, als er das sah. "Muss in der Sonne geschlafen haben, so eine Unvorsichtigkeit!"

"So redet man nicht über seinen eigenen Sohn!" teilte Yugi ihm mit.

Talimecros gab ein spöttisches Grunzen von sich. "Er ist nicht mein Sohn. Mein treuloses Weib hat ihn empfangen, als ich für drei Monate fort war, angeblich von jemandem, der meine Gestalt angenommen hatte. Zu der Zeit, als es geschehen sein muss, war ich meilenweit weg, zehn Männer können das bezeugen. Es war also nicht mein Samen, der diese Kreatur geschaffen hat. Arienne hätte ihn gleich nach der Geburt, nein, noch vorher umbringen müssen! Selbst wenn es ihr Leben gekostet hätte! Sie hat Schande über diese Familie gebracht, indem sie den Bastard irgendeines Dämons in die Welt gesetzt hat!"

"Vater, wie kannst du so herzlos reden!" rief Mystic entsetzt.

Arienne war still über ihren Sohn gebeugt, nur ihre Schultern zuckten unregelmäßig.

"Blacky ist kein schlechter Mensch!" wagte Yugi einzuwenden. "Er hat mich gerettet, und er ist immer freundlich zu allen!"

"Kleiner, das verstehst du nicht," wandte sich der Mann herablassend an ihn. "Das Böse muss man ausmerzen, ehe es stark wird."

"Es reicht! Kayos ist freiwillig hergekommen, um sich zu opfern, weil er glaubt, es sei nötig! Bedeutet das gar nichts?" fragte Dark, bebend vor Zorn. Celt hielt ihn beschwichtigend an den Schultern fest, damit er den Mann nicht anfiel.

"Die Opferung findet nun morgen Nacht statt. Ihr habt also einen Tag Zeit, euch von ihm zu verabschieden," setzte Talimecros gnadenlos fest und entfernte sich.

Die Freunde rissen sich zusammen und wandten ihre Aufmerksamkeit Blacky zu. Er hatte die Augen offen und hatte offenbar gehört, was der Mann, den er für seinen Vater gehalten hatte, gesagt hatte. Aber sein Körper war zu ausgetrocknet, als dass er weinen konnte.

"Er hat mich immer gehasst... Endlich weiß ich, warum," flüsterte der Magier mühsam.

Dark ging neben ihm in die Knie. "Aber ich habe dich immer geliebt... auch wenn ich es nicht sofort wusste." Er nahm Blackys rechte Hand in seine und schmiegte sein Gesicht daran. "Warum? Sag es mir. Warum willst du sterben? Ich muss es wissen."

"Etwas ist in mir, ein fremder Wille. Seit wir während des Rituals angegriffen wurden. Ich dachte, ich käme dagegen an, aber diese Illusion hielt nicht lange. Ich merkte, dass ich meine Magie nicht einsetzen darf, denn darauf wartet es nur. Es will meine eigene Magie benutzen, um mich zu unterwerfen, denn wenn ich mich auf die Magie konzentriere, wird für einen Moment die Macht schwächer, mit der ich es bekämpfe... Ich habe es in mir eingeschlossen und entschieden, mich hier dem Gott zu opfern, damit das Fremde zerstört wird und sich nicht ein anderes Opfer suchen kann. Selbst wenn der Gott nicht erscheint, kann der böse Geist durch die Banne des Ordens vernichtet werden."

Yugi hatte im Hintergrund zugehört. "Deshalb hast du dich gestern früh nicht in eine Katze verwandelt, wie du es zuerst tun wolltest."

Blacky nickte mühsam. Arienne flößte ihm noch mehr Wasser ein. "Als wir auf Schattensturm flogen, wollte ich mich damit von dir verabschieden, Yugi. Ich wollte dich zurückbringen und dann hierher fliegen. Aber dann wurde in mir das Verlangen, dich hinunter zu stoßen, übermächtig. Deshalb entschied ich, dich allein zurückzuschicken. Das war sicherer für dich, als weiter mit mir zu reisen." Er hustete, die Kraterdämpfe hatten seinen Lungen geschadet. "Diese... Läuterungszeremonie hat mich geschwächt. Ich musste es die ganze Zeit bekämpfen und war teilweise nicht ganz bei mir, deshalb hat mich die Sonne verbrannt. Ich glaube, es wollte, dass ich schwach werde und es nicht mehr aufhalten kann... Hat fast geklappt..."

"Du willst dich opfern, um dieses... Etwas mitzunehmen?" wiederholte Dark fassungslos.

Der andere Magier nickte. "Ihr dürft auf keinen Fall wieder Kontakt zu der anderen Welt aufnehmen. Es... oder einer seiner Verbündeten... will von hier entkommen."

Yugi war schockiert. "Dann kann ich nicht von hier weg? Aber was ist, wenn Yami versucht, zu mir zu kommen?"

"Lasst es ihn irgendwie wissen." Blacky schloss erschöpft die Augen. "Ich kann es nicht mehr lange aufhalten. Es wäre besser, die Zeremonie auf den Morgen vorzuziehen."

"Du musst wenigstens gehen können!" protestierte Arienne unter Tränen. "Tritt unserem Gott aufrecht entgegen, mein tapferer Sohn! Ich bin so stolz auf dich!"

Blacky strich ihr mit einer sonnenverbrannten Hand übers Haar. "Vergebt mir, ihr alle. Aber das ist alles, was ich tun kann."

"Nein! Es muss einen anderen Weg geben!" widersprach Yugi. "Ich werde dich nicht aufgeben, Blacky!" [Ich habe auch Marik gerettet. Verdammt, wenn mir Yami doch nur helfen könnte... ohne ihn schaffe ich es vielleicht nicht...]

Blacky lächelte gerührt. "Dies ist leider kein Spiel, Yugi. Hier kannst du nicht Monsterreanimation spielen, um jemanden zurückzuholen."

"Das muss ich auch nicht. Davon abgesehen ist es für mich schon lange nicht mehr nur ein Spiel gewesen. Ich musste immer um das Schicksal geliebter Menschen oder der ganzen Welt spielen. Zusammen mit Yami habe ich immer gewonnen. Das hier werde ich auch nicht verlieren!"
 

***

Fortsetzung folgt.
 

Furigana:

Kleine Silbenschriftzeichen (Hiragana), die in japanischen Texten neben weniger bekannten Kanji stehen, damit man weiß, wie man sie liest/ ausspricht.

Ein böser Geist

Hallo!

Das Betriebssystem der Uni-PCs wurde aktualisiert, und irgendwie komme ich seitdem nicht mehr mit Explorer zu Animexx rein. Ich benutze jetzt Netscape... Ach nee, der heißt neuerdings Mozilla... Wie auch immer, ich hoffe mal, dass mir von dem Programm nicht wieder alle Anführungszeichen zu Fragezeichen geändert werden. Sollte das passieren, werde ich es so bald wie möglich korrigieren. Komme aber vielleicht erst in einer Woche dazu. Sorry! Trotzdem, viel Spaß beim Lesen!
 

Kapitel 10: Ein böser Geist
 

Ein großer, schlanker Körper war an seinen Rücken gepresst, Arme um seinen Leib geschlungen. Yami erwachte in Setos Besitz ergreifender Umarmung. [Ah ja, heute ist Samstag. Großvater meinte, er braucht mich heute Vormittag nicht.]

Wie so oft hatte Yami mit der Kette des Millenniumspuzzles in der Hand geschlafen. Auch wenn es im Moment eigentlich keinen Zweck erfüllte, wollte er sich nicht davon trennen, immerhin versuchte Yugi vielleicht erneut, Kontakt mit ihm aufzunehmen. Yami hatte Shah Dees Warnung nicht vergessen. Aber Yugi wusste wahrscheinlich besser als irgendjemand in dieser Welt, was er wagen konnte und was nicht. Er musste die Gefahr zweifellos bereits bemerkt haben, oder?

Es war anders, Seto in der Nacht für sich zu haben. Nicht besser oder schlechter. Aber es gab nicht das Wissen, das Erlebnis mit einem Dritten zu teilen. Yugi zog sich manchmal so weit zurück, dass er nichts mitbekam, und manchmal tat Yami das, aber oft waren sie zusammen wie in einem Duell. Seto wusste es, und es förderte seine Lust. Zwei Geister gleichzeitig zu befriedigen war eine Herausforderung, der er sich begierig stellte, obwohl er es auch mochte, den einen oder anderen für sich zu haben. Nun hatte er die Wahl nicht mehr. Yami fragte sich, was sein Geliebter wohl empfand. Jedenfalls war er in der Nacht ziemlich fordernd gewesen. Er hatte Yami immer wieder lange und mit glühenden Augen angesehen, und manchmal so, als hätte er Angst, ihn auch noch zu verlieren.

Der Besitzer des weichen Bettes regte sich ein wenig, kuschelte sein Gesicht an Yamis Nacken und versuchte, noch ein wenig zu schlafen. Es war schön warm, also ließ Yami es gerne geschehen. Ob Yugi auch ein warmes Bett hatte? Zwar passte Dark auf ihn auf, aber wie wohnte man wohl im Reich der Schatten? Nun ja, er würde wohl schon ein Dach über dem Kopf haben. Hoffentlich hatte er keine Schwierigkeiten, weil er so klein war. Sie mussten sich einfach darauf verlassen, dass er stark genug war, das alles durchzustehen. Als Pegasus das Finale des Königreichs der Duellanten ins Reich der Schatten verlegt hatte, war es für Yugi sehr schwer gewesen. Aber es schien ihm gut zu gehen, soweit Yami das nach ihrem kurzen Gespräch beurteilen konnte.

"Worüber grübelst du nach?" murmelte Seto hinter ihm.

"Ich mache mir Sorgen," antwortete Yami leise. "Ich nehme Shah Dees Worte ernst, aber es fällt mir schwer. Ich denke immer, ich müsste Yugi beschützen, dabei hat er schon genauso oft mich beschützt."

"Er ist kein Kind mehr. In seinem Alter hatte ich mir bereits die Kaiba Corporation unter den Nagel gerissen. Okay, er hat da noch ein ganz anderes Problem, aber so viel anders ist das auch nicht."

"Seto! Als ob du so viel älter wärst als er!"

Der Firmenchef seufzte tief. "Okay, ich wollte dich nur beruhigen. Normalerweise habe ich genug Einfluss, Macht und Geld, um jedes meiner Probleme aus der Welt zu schaffen. Aber dieses hier ist nicht so eins, das sich so lösen lässt. Ich fühle mich hilflos wie der letzte Trottel, und das gefällt mir ganz und gar nicht."

Yami musste lächeln. Es war typisch für Seto, so zu reden. Wenn er einer Situation hilflos gegenüber stand, betrachtete er das als persönliche Niederlage, nicht gewillt, irgendjemanden um Hilfe zu bitten. Er war es gewohnt, die Kontrolle zu haben, hatte von Anfang an immer stark sein müssen und deshalb gelernt, Schwächen nie zu zeigen. Ohne Yugis emotionale Art wären sie jetzt vielleicht nicht hier, denn auch ein Pharao zeigt nicht offen, was er denkt. Normalerweise.

Seto hatte erst seinem kleinen Bruder nichts von dem neuen Problem erzählt, doch Mokuba war auch nicht blöd. Er merkte sofort, wenn etwas nicht stimmte, das den älteren betraf. Und er hatte auch Yugi und Yami gut genug kennen gelernt. Jetzt klopfte Mokuba gerade deutlich an die Schlafzimmertür. "Frühstück in einer halben Stunde!"

Seto stöhnte genervt. "Das macht er mit Absicht. Hast du den neckischen Unterton in seiner Stimme gehört?"

"Hm. Wir gehen besser duschen, ehe jemand riecht, was wir getan haben."

"Meinst du wirklich, dass wir es dann in einer halben Stunde schaffen?"

"Nacheinander. Ich zuerst." [Dann kann ich mich wenigstens anziehen, ehe er auf Ideen kommt. Uh, hab ich Muskelkater!]

Yami beeilte sich, ins angrenzende Bad zu kommen und die Tür zu verriegeln. Setos Bad war riesig, man konnte bequem zu zweit baden... aber für heute musste die Dusche reichen. Auch die war mit allem möglichen Schnickschnack ausgestattet und geräumiger als andere. Yami stand für eine Weile vor der Armatur und überlegte. Seto hatte natürlich keinen normalen Wasserhahn, nein, man konnte die Temperatur genau einstellen und die Stärke des Wasserstrahls regulieren. Wie warm war 10 °C? Naja, nur ein Weg, es zu erfahren.
 

Seto lachte vor sich hin, als er Yami schreien hörte. Er hatte sich schon gefragt, ob der große Pharao wohl mit dem Temperatureinsteller klarkam. Das Ding stand auf einer relativ niedrigen Temperatur, weil der Besitzer Wechselduschen am Morgen mochte, um seinen Kreislauf in Gang zu bringen. Kaum zu glauben, dass man so wenig wissen konnte, wenn man sonst immer nur Gast in einem Wirtskörper war. Naja, oft hatte Seto Yami oder Yugi begleitet, oder Yugi hatte "allein" geduscht. Yami verwandelte sich oft im Schlaf in Yugi zurück, wenn der Kleine sich nicht ganz zurückzog. Das erinnerte Seto wieder daran, dass sie ein Problem hatten. Er seufzte und suchte schon einmal seine Sachen für später zusammen.

Im Bad war Yami am Fluchen. Warum kam er nicht heraus und bat um Hilfe? Stolz? Oder wollte er unbedingt rechtzeitig zum Frühstück kommen?

Nach einigen Minuten kam der Pharao wie ein begossener Pudel ins Schlafzimmer zurück, zitternd in einen warmen Bademantel gewickelt. "D-Das B-Bad ist f-f-frei..."

Seto lachte. "Wie mir scheint, musst du noch viel lernen! Soll ich dich wärmen?"

"Geh lieber duschen, ehe Mokuba ungemütlich wird."

Immer noch grinsend begab sich Seto nach nebenan. Yami zog sich eilig an und versuchte gleichzeitig, seine Haare trocken zu kriegen, denn von ihnen fielen ihm kalte Tropfen in den Nacken. Seto pfiff unter der Dusche munter vor sich hin, nur um ihn zu ärgern.
 

Mokuba hatte Tamagoyaki zubereitet, weil Yami ihm gesagt hatte, dass er das mochte. Allerdings gab es dazu Brötchen mit verschiedenen Belägen und Aufstrichen. Mokuba hatte Spaß daran, dem Gast jeden einzelnen zu erklären. Yami kannte ein paar Dinge schon, doch er wünschte wieder einmal, sich des Öfteren mit Essen beschäftigt zu haben. Als Geist gewöhnte man sich sowas regelrecht ab.

Seto gab sich jetzt ganz geschäftsmäßig. Er hatte viel Arbeit in der Firma vernachlässigt, während er Zeit mit Yami im Krankenhaus und später bei ihm zu Hause verbracht hatte. Heute musste er deshalb schuften. Genau wie Yami, der mit Thea zur Englischnachhilfe verabredet war.

Yami trank eine Tasse Tee, die Mokuba ihm hingestellt hatte, nachdenklich aus. Nicht nur, dass er sich um Yugis Wohlergehen Sorgen machen musste, jetzt musste er auch noch darum kämpfen, seine Schulnoten nicht zu versauen. Wenn er ihn da mal nicht enttäuschte.

"He, Yami. Seto hat heute viel zu tun, könntest du mit mir ins Kino gehen? Da kommt ein neuer Actionfilm, den würde ich zu gerne sehen," bat Mokuba.

Yami hob eine Augenbraue. "Warum willst du deswegen ins Kino, ihr könnt doch jederzeit eine Privatvorstellung bekommen."

"Aber ich will auch mal was Normales machen! Außerdem muss ich ja mal raus hier."

Yami nickte. Er wusste, dass Mokuba nicht viele Freunde hatte. "Okay, ich kann sicher auch etwas Entspannung gebrauchen, wenn ich den ganzen Tag Englisch gelernt habe... Soll ich Thea fragen, ob sie mit will?"

Mokuba dachte darüber nach. "Naja, schon, aber vielleicht will sie den Film nicht sehen, er ist eher für Jungs."

"Ach was, du zahlst doch sowieso, Mokuba, also wird sie schon zustimmen," warf Seto sachlich ein. "Wie wär's, wenn ihr zwei Abends schnell wieder herkommt? Dann will *ich* nämlich auch noch etwas Entspannung haben." Er zwinkerte Yami zu.

Die Sonntage gehörten immer den Liebenden und Mokuba, das ließ Seto sich weder durch seine Firma noch sonst etwas nehmen. Einzige Ausnahme: Yugis Großvater. Komischerweise, wenn er etwas anderes mit Yugis Zeit vorhatte, fügte sich der sonst so unbeugsame Firmenchef. Aber wenn es wie geplant lief, wurden Parks besucht, Museen besichtigt oder sonstiges. Yami und Yugi akzeptierten Mokubas Anwesenheit bei solchen Ausflügen, genau wie der Kleine sich mit den Flirtereien der Älteren abfand. Wenn er Setos Aufmerksamkeit gar zu sehr für sich beanspruchte, blieb Yami immer noch Yugi und umgekehrt. Bisher. Yami wurde sich erneut der Leere in seiner Seele bewusst, schaffte es aber, sich nichts anmerken zu lassen.
 

***
 

Dark musste Blacky ein wenig rütteln, damit er aufwachte. Er hatte auf Wunsch seines Geliebten trotz des Sonnenbrandes neben ihm geschlafen, möglicherweise das letzte Mal. Klar, dass Blacky es nicht anders wollte, auch wenn zu befürchten war, dass zu große Nähe ihm Schmerzen bereitete.

"Geht es ihm gut?" erkundigte Yugi sich besorgt von der anderen Seite des kleinen Raumes aus, wo er sein Lager hatte.

Blacky blinzelte müde, wurde aber schnell munter. Er zog Dark wieder auf das Laken neben sich. "Bleib hier. Mir geht es prächtig." Seine Stimme hatte einen seltsamen Unterton. Er richtete sich auf Hände und Knie auf und blickte auf Dark hinab, "Schwarzer Magier, hm?" Er griff an Darks Kinn und drehte seinen Kopf hin und her, als sähe er ihn zum ersten Mal.

"Äh, stimmt etwas nicht, Kay?" fragte Dark verwirrt.

"Alles bestens, sag ich doch," versicherte Blacky. Er packte Darks Hände, postierte sie über dessen Kopf und hielt sie mit der Linken dort, indem er einen Großteil seines Gewichtes darauf verlagerte.

"Kay! Das ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt!" protestierte Dark. "Und vor Yugi..."

"Kay? Ha, der ist nicht mehr hier."

Die Augen des Schwarzen Magiers weiteten sich entsetzt. "Wer bist du?!"

"Ich bin jetzt der Magier des Schwarzen Chaos. Alles, was sein war, gehört nun mir. Auch du." Blackys freie Hand war nach unten gewandert. Sie griff bezeichnend zwischen Darks Beine.

Dark sog scharf die Luft ein. Die Finger waren an der Verschnürung seiner Hose, dann wieder weiter unten, nur um dann wieder an der Beseitigung des Hindernisses zu arbeiten.

"Hey, hör damit auf!" mischte Yugi sich ein. "Gib uns Blacky zurück!" Er stand da mit geballten Fäusten, auch wenn er kaum etwas ausrichten konnte.

"Um dich kümmere ich mich später, Kind," prophezeite Blackys Stimme.

"Dark, tu doch was!" flehte Yugi. Er wusste natürlich, dass Blacky der stärkere Magier war. Aber vielleicht nicht im Moment.

Der fremde Geist machte sich weiter an Dark zu schaffen. Mal küsste er ihn lüstern am Hals, dann wieder war seine Hand an verbotenen Stellen. Yugi musste mit ansehen, wie Darks Gesicht einen nichts sagenden Ausdruck annahm und er sich in sein Schicksal ergab. Hoffte er etwa, dass Blacky so zurückkam? Dass er in diesem Körper noch um sich selbst kämpfte? Oder hatte er ihn schon abgeschrieben und deshalb auch sich aufgegeben? Oder... konnte er ihn einfach nicht bekämpfen, auch wenn ein Fremder im Körper seines Geliebten war und ihn schänden wollte?

"Dark, bitte..." Yugi fing an zu weinen und wischte energisch über seine Augen. Er konnte das nicht geschehen lassen, oder er würde beide verlieren. Verzweifelt nach einer Lösung suchend, verkrallte er seine Finger um den Anhänger an seinem Hals. [Das ist es!]

Yugi riss sich die Kette über den Kopf, warf sich gleichzeitig auf die beiden Männer zu und zwischen sie, um Dark das Artefakt umzuhängen. Es war riskant, aber der Eindringling reagierte zu langsam, so beschäftigt war er. Yugi sprang von den beiden weg, traf Darks überraschte Augen. *"Schwarzer Magier! Angriff mit Schwarzer Magie!"*

Dark gehorchte automatisch. Seine explosionsartige Machtentfaltung schleuderte Blackys Körper gegen die Wand, dass Lehm herunterbröckelte. Der Blauhäutige blieb reglos auf der Seite liegen. Für einige Sekunden war kein Laut zu hören. Dann sprang Dark auf, während Yugi entgeistert in die Knie sackte.

"Kay! Kayos!" Dark war neben ihm, drehte ihn auf den Rücken und schrie gequält auf, ein Laut tiefster Verzweiflung. Seine Magie hatte ein großflächiges Loch in Blackys Brust gebrannt. Es war nicht tief, doch verkohlt und blutig und vielleicht nicht nur oberflächlich. Magie hatte viele Wirkungen.

Blacky erwachte in Darks Armen. Seine Augenlider flatterten, als er aufblickte und seinen Partner erkannte. Er lächelte. "Dark! Es... ist weg... Geliebter..." Er schloss die Augen, und sein Kopf fiel zur Seite.

Yugi glaubte, in ein tiefes Loch zu stürzen. Das konnte nicht sein. Blacky konnte nicht gerade gestorben sein! Doch nicht so, durch die Hand seines Partners und im Zustand geistiger Besessenheit! Das war seiner unwürdig und einfach nicht fair! Yugi war sich kaum bewusst, dass er wimmernd vor sich hin weinte. "Das habe ich nicht gewollt! Das habe ich nicht gewollt..."

Er wusste nicht, wie lange er da gekniet hatte, verloren in Trauer und Selbstvorwürfen, ehe ihn jemand an der Schulter berührte. "Yugi, hey."

Yugi sah auf und erkannte undeutlich eine Gestalt, die Dark sein musste. Nicht er! Was sollte er ihm sagen? Er hatte ihm befohlen, seinen Geliebten zu töten!

"Da braucht es schon etwas mehr." Dark drückte bekräftigend Yugis Schulter. "Deine Gedanken sind mal wieder ein offenes Buch, Junger Pharao. Du hast niemandem den Tod gebracht. Blacky kann sehr viel mehr einstecken als das. Nur, weil er mir so nahe war, wurde er so verletzt. Er kommt wieder auf die Beine."

Yugi konnte nicht beschreiben, was er in diesem Moment empfand. Es war mehr als nur Erleichterung. Er warf sich Dark in die Arme und weinte sich den Schrecken von der Seele.
 

Blacky erwachte erst wieder gegen Abend. Sein Oberkörper war dick bandagiert, und Mystic wachte scharf über sein Wohlergehen, wie es ihre Art war. Es roch stark nach Kräutern. Dark lehnte in der Nähe an der Wand, nicht bereit, seinen Posten zu verlassen. Yugi hielt sich an Celt, der Essen und Trinken für die Gruppe organisierte.

Im Dorf hatte sich der Vorfall inzwischen herumgesprochen, und die Menschen diskutierten, was zu tun war. Zweifellos war der Gott bereits erzürnt, weil die erste Opferung des Bastards, dessen Vater unbekannt war, missglückt war. Würde er nicht noch mehr zürnen, statt besänftigt zu sein, wenn sie ihm nun einen Verletzten opferten?

Andere Stimmen forderten Blackys Leben, weil er das Dorf dem Zorn des Gottes ausgeliefert hatte. Jene waren sich nicht ganz einig, ob man ihn opfern oder erst hinrichten und dann mit einer Bitte um Vergebung einschließlich anderer Besänftigungsrituale opfern sollte. Sie konnten ihn beispielsweise ausbluten lassen und sein Blut opfern. So wurde es immer mit Verbrechern gemacht. Yugi erschauderte bei der Vorstellung, als er ein solches Gespräch belauschte. Als er entdeckt wurde, wandte sich die Diskussion plötzlich der Frage zu, ob er auch zu bestrafen sei, da er das Opfer verhindert hatte, und ebenso der andere Magier und nicht zuletzt Mystic. Dark war noch unbeliebter geworden, weil er Blacky verletzt hatte. Er lief ernsthaft Gefahr, öffentlich ausgepeitscht zu werden. Die Gründe für sein angebliches Verbrechen interessierten niemanden, und alle Erklärungen wurden als Ausreden abgetan. Die Leute kümmerten sich nicht darum, ob Yugi sie weiterhin hörte. Es war auch nicht länger von Belang, wie alt er war.
 

Yugi und Celt kehrten in das Gästezimmer zurück, um mit den anderen ihre Möglichkeiten abzuwägen. Als sie eintraten, hatte Dark Blackys Kopf auf seinem Schoß und kraulte ihn an der Stirn. Der verletzte Magier blickte den beiden entgegen und schaffte ein Lächeln. Yugi war über alle Maßen erleichtert. Es ging ihm offenbar den Umständen entsprechend gut.

"Wir haben ein bisschen zugehört, was die Leute da draußen tratschen. Sieht nicht gut aus für uns. Wir müssen uns was einfallen lassen, um den Gott zu besänftigen," eröffnete Yugi den anderen. "Für mich sieht es allerdings eher so aus, als müsse die Blutgier der Ordensmitglieder besänftigt werden. Das sind ja religiöse Fanatiker!"

Mystic seufzte. "Es sind gute Menschen, Yugi. Glaub mir, ich bin hier aufgewachsen. Aber diese Situation ist ihnen neu, und sie haben Angst."

"Tatsache ist, dass sie uns am liebsten alle in den Krater stürzen würden. Sag mal, ist dieser Gott eigentlich jemals leibhaftig erschienen?"

"Hm... nein, aber manchmal spricht er durch eine Priesterin zu uns."

"Ah, verstehe. Ist diese Priesterin vielleicht deine Großmutter?" Yugi konnte sich schon denken, wie das ablief. [Das Wort des Gottes, na sicher.]

Mystic setzte eine ernste Miene auf. "Ich weiß, was du denkst, Yugi. Aber meine Großmutter glaubt an das, was sie predigt. Sie würde so etwas nicht erfinden, was hätte sie denn davon?"

"Na fein. Ist ja jetzt auch egal," gab Yugi sich geschlagen. "Jedenfalls wollen die Blacky immer noch opfern, dabei ist das doch jetzt unnötig! Oder?"

"Der fremde Geist hat mich verlassen," bestätigte Blacky leise. "Aber ich weiß nicht, ob er vernichtet wurde. Wahrscheinlich nicht. Vielleicht sucht er sich ein neues Opfer..."

"Da ist was dran," bemerkte Mystic. "Solche Wesen geben nicht so schnell auf. Versteht mich nicht falsch, aber die weiseste Lösung wäre sicher gewesen, ihn in Blackys Körper einzuschließen und ihn dann mit ihm zusammen zu vernichten. Aber es steht ja gar nicht fest, ob das funktioniert hätte."

"Wer entscheidet, was mit ihm und uns geschieht?" erkundigte Dark sich.

"Vater wird sich mit Großmutter und ein paar anderen beraten. Wir sollten Vorschläge einreichen," überlegte Mystic. "Ein Ritual, um den Gott zu besänftigen und die Leute zu beruhigen, ohne dass jemand sterben muss..."

"Ich habe was von Blutopfern gehört, geht sowas nicht?" hakte Yugi nach.

Mystic rieb sich nachdenklich das Kinn. "Hmmm... Es gäbe in der Tat einen Weg. Aber dann müssen alle, die den Zorn des Gottes auf sich gezogen haben - also du, Dark, Blacky und ich - sich daran beteiligen. Wir müssten uns der Reinigungszeremonie unterziehen, den Berg hinaufsteigen und dort einen Kelch mit unserem Blut füllen, um ihn dann in den Krater zu leeren. Kannst du schweigen, wenn man dir die Hand aufschneidet, Yugi?"

Der Junge biss sich auf die Lippe und nickte dann entschlossen. "Ich werd das schon hinkriegen. Ähm, wer wird das denn machen?"

"Nun, da wir mehrere sind, können wir es entweder jeder selbst machen oder es jeweils einen anderen von uns tun lassen. Wie du weißt, darf uns kein anderer berühren."

Yugi zuckte entsetzt zusammen. "Hngh! Heißt das, ich muss jemandem von euch in die Hand schneiden?"

Blacky grinste ihn an. "Du kannst dir jemanden aussuchen. Ich stelle mich da gerne zur Verfügung."

"Nimm an, Yugi," drängte Mystic. "Umgekehrt wäre schlimmer, kannst du überhaupt ein Messer halten, Blacky?"

"Kannst du stehen, um mal mit der Organisation ganz von vorne anzufangen?" warf Dark ein.

Blacky seufzte. "Geht schon."

"Wird dein Vater mit eurer Idee einverstanden sein?" wagte Celt zu zweifeln.

"Ich gehe ihm sagen, was wir vorhaben," beschloss Mystic. "Es wird sicher nicht einfach sein. Er will Blacky loswerden. Genau wie Großmutter. Hach..." Sie stand auf, um nach ihren Eltern zu suchen. Die anderen konnten wieder einmal nur warten.
 

***
 

Mava und Neo flogen auf ihren Drachen über das Land, um vielleicht irgendetwas Ungewöhnliches zu entdecken. Seit die unbekannte Bedrohung aufgetaucht war, hatten die Magier der Burg ihre Erkundungsflüge verdoppelt, und heute waren die Brüder im Einsatz. Sie waren weit geflogen und hatten die Insel der Eisfelsen erreicht, ein großes Inselgebiet mit Gebirge, das meistens eingeschneit war und nur selten frei von Frost. Im Meer darum herum schwammen manchmal ganze Eisberge. Zur Zeit gab es eine dicke Eisschicht, aber das Wetter war verhältnismäßig mild. Auf den Bergen lag fast überall Schnee, nur in einigen unteren Regionen sah man ein paar kahle Stellen.

Mava deutete auf ein Loch in dem Berg unter ihnen, einem der höchsten. [War da schon immer eine Höhle?]

[Ich weiß nicht. Sollen wir nachsehen, ob etwas drin ist? Der Größe des Eingangs nach zu urteilen kann es kein Drache sein.]

[Naja, kein großer. Lass uns vorsichtig in der Nähe landen.]

Die Drachen fanden ein eisiges Plateau zum Landen, doch es war nur groß genug für einen, sodass sie es hintereinander tun mussten. Silberschwinge und Diamantkralle flogen weiter, um sich einen gemütlicheren Landeplatz zu suchen. Mava und Neo rutschten mehr als sie gingen zu dem Höhleneingang. Wenigstens trugen sie beide einigermaßen wintertaugliche Hosen, Stiefel und Jacken.

Die Magier mussten sich bücken, um hinein zu gelangen. Vielleicht hatte sich irgendein Tier hier einquartiert. Andererseits wäre das dann ein ziemlich dummes Tier, denn auf dem Berg gab es nichts als Eis, Geröll und Felsen, und er war ziemlich steil. Die Höhle befand sich recht weit oben. Vielleicht war der Eingang einfach bisher von Eis verdeckt gewesen. Nach ein paar Metern konnten die Brüder wenigstens wieder aufrecht gehen.

"Bist du sicher, dass das eine gute Idee war. Mava? Ich friere ganz erbärmlich," jammerte Neo

"Du kannst zaubern, Neo. Also mach was dagegen, wenn du frierst." Mava erschuf eine Lichtkugel, um besser sehen zu können. Sie wärmte auch ein bisschen.

Neo folgte dem Beispiel. "Boah, sieh dir das an!"

Sie waren einige Meter vorgedrungen, und hier waren die Wände mit wunderschönen, weißen Kristallen bewachsen. Das Licht ihrer magischen Beleuchtung fing sich darin und erschuf faszinierende Effekte. Es war frostig schön.

"Ist das Eis?" Neo fasste die Kristalle prüfend an. "Nein, das sind echte Mineralien! Klasse, ich sollte ein paar davon mitnehmen, um die Frauen zu beeindrucken!"

Mava seufzte. "He, reiß dich zusammen, wir haben zu tun."

"Sei doch nicht immer so ernst!"

Sie drangen tiefer in die Höhle vor. Die Kristalle waren überall. Der Gang weitete sich und wurde auch höher, bis sie plötzlich in einem riesigen Felsendom mit Wänden voller Kristalle ankamen. In der Mitte dieses Raumes befanden sich große Steinformationen, ebenfalls mit diesen Kristallen besetzt.

"Wow! Dass wir das vorher nie entdeckt haben, ist ja echt ein Jammer!" staunte Neo.

"Ich weiß nicht. Irgendwas ist merkwürdig," murmelte Mava.

"Du siehst immer alles zu ernst, kleiner Bruder. Findest du das nicht auch wunderschön?" Neo ließ seine Lichtkugel höher schweben, um die Reflektionen auf den Kristallen zu verstärken.

Mava lächelte. Vielleicht hatte Neo Recht. Hier schien es wirklich nichts zu geben, was...

"Uaaaaaa!!"

"Neo!" Mava sprang vor und erwischte gerade noch seines Bruders Hand.

Neo baumelte über einem dunklen Loch, dessen Boden nicht erkennbar war. Als Mava ihn hochziehen wollte, gab auch unter ihm der Boden nach, und sie fielen beide aufschreiend in die Tiefe. Es folgte eine Rutschpartie durch einen vereisten Schacht, während derer sie sich mehrfach überschlugen, bis sie schließlich in einen anderen Raum ausgespuckt wurden. Sie landeten hart auf felsigen Untergrund.

"Au, verdammt! Du hattest mal wieder Recht!" gestand Neo ein. Seine und Mavas Lichtkugeln erschienen etwas verspätet neben ihnen.

Die beiden Magier sahen sich ungläubig um. Sie befanden sich in einem Kerker, möglicherweise metertief unter der Erde...
 

***

Fortsetzung folgt.
 


 

Tamagoyaki:

Japanischer Eierkuchen mit Soyasoße im Teig, wird so gebacken, dass er eine Rolle bildet. Voll lecker!

Blutsbande

Kapitel 11: Blutsbande
 

Yami war fix und fertig, als er zu Setos Villa zurückkehrte. Mokuba sprang regelrecht aus der Limousine, während Yami es langsamer angehen ließ. Ihm schwirrte der Kopf. Thea hatte sich wirklich Mühe mit ihm gegeben, aber er hielt es für Zeitverschwendung. Er tat sein Möglichstes und kam einfach nicht weiter. Alle beruhigten ihn, schließlich war es ja ganz klar, das er Probleme hatte, wenn er nicht wirklich Ahnung von der Englischen Sprache hatte. Dann waren Thea und Mokuba auf die glorreiche Idee gekommen, in einen englischen Kinofilm mit japanischen Untertiteln zu gehen. Yami wusste nicht, womit er mehr Schwierigkeiten hatte: gesprochenes Englisch zu verstehen oder Japanisch in der Geschwindigkeit zu lesen, in der es am unteren Bildrand eingeblendet wurde.

Seto war noch nicht von der Arbeit zurück; das war nicht überraschend. Yami sah im Bad in den Spiegel. [Ach, Yugi. Du ahnst ja gar nicht, wie sehr du mir fehlst.] Plötzlich tat es ihm weh, sein eigenes Spiegelbild anzusehen. Denn es war ja eigentlich Yugis Spiegelbild, und viel mehr als das war von ihm nicht geblieben. Außer einem kleinen Rest seines Wesens, das im Millenniumspuzzle nach dem kurzen Besuch zurückgeblieben war. [Wenn es doch nur umgekehrt wäre, Yugi... Im Reich der Schatten komme ich sicher besser klar als hier... und du kommst hier besser zurecht als dort. Wenn ich wenigstens versuchen könnte, dich zurückzuholen...]

Yami nahm eine kurze Dusche, eigentlich nur, um zu sehen, ob er nicht doch mit dem Einstellgerät umgehen konnte. Seto hatte es auf einer angenehmen Temperatur stehengelassen. Yami nutzte das aus, ehe er zu experimentieren anfing... und sich dabei ordentlich verbrühte. Genervt trocknete er sich schnellstmöglich ab und verzog sich ins Bett, ohne sich die Mühe zu machen, sich anzuziehen. Hatte eh keinen Zweck. Wenigstens konnte er sich auf Setos Rückkehr freuen.
 

Der Junge Firmeninhaber kehrte erst zwei Stunden später zurück und war sehr schlecht gelaunt. Er weckte Yami mit seinem Gefluche. "Inkompetente Idioten! Kaum ist man mal zwei Tage nicht da, geht alles schief, kann man sich denn auf niemanden verlassen? Hach, wenn man was gemacht haben will, muss man's selber machen... Als ob ich meine Zeit nicht sinnvoller verplempern könnte..."

"Seto?" Eine müde Stimme vom Bett her.

Seto hielt überrascht inne. "Yami! Oh, sorry. Ich habe mich so sehr aufgeregt, dass ich nicht bedacht habe, dass du vielleicht schon schläfst... Diese Trottel in meiner Firma..." Er trat nahe an das Bett heran und zog die Decke etwas weg, so dass er sich von Yamis Nacktheit überzeugen konnte. "Viel versprechend. Aber jetzt nicht. Ich würde nur meine schlechte Laune an dir auslassen."

"Dann sind wir schon zwei. Ich werde Yugis Schulnoten total verderben."

"So?" Seto zog sich mit ernstem Gesichtsausdruck aus. "Das kann nicht ungestraft bleiben. Ich werde dir eine Lektion erteilen, die du verstehst. Eine schmerzhafte, fürchte ich. Bereite dich darauf vor, von mir durch die Matratze gevögelt zu werden!"

"Uh, Seto, habe ich mal erwähnt, dass es mich anmacht, wenn du mir drohst?"

"Sag's noch mal."

"Ich fand es schon immer geil, wie du dich duellierst... so... leidenschaftlich! Wild, feurig! Du wirst ein anderer Mensch, wenn du dich duellierst, vom kalten Firmenleiter zum echten Kämpfer... Das ist so... erregend..."

"Offensichtlich." Seto grinste. "Aber freu dich ja nicht zu früh. Ich werde mir jetzt nehmen, was mir gehört."

Yamis fiebriger Blick verschlang ihn förmlich. "Ich habe dir nicht das Geringste entgegenzusetzen."

"Hab ich doch immer schon gesagt. Endlich siehst du es ein." Seto nahm sich, was ihm gehörte.
 

***
 

Yugi, Dark und Blacky traten vor den Eingang der Höhle, in der sich die so genannte Quelle der Reinheit befand, ein heißer See im Berg, gespeist von einer unterirdisch fließenden Quelle und aufgeheizt durch den Vulkan. Jedes Opfer musste vor der Zeremonie hier ein rituelles Bad nehmen, um seinen Körper zu reinigen. Auch die Einwohner badeten hier regelmäßig.

Talimecros hatte sich widerwillig und auf Bitten seiner Frau mit dem Vorschlag für ein Blutopfer einverstanden erklärt, aber seiner Tochter Mystic verboten, sich daran zu beteiligen. Sie hatte eingelenkt, solange wenigstens Blackys Leben dabei gerettet wurde. Yugi, Dark und Blacky trugen nun alle drei lange, weiße Gewänder ohne Ärmel, die durch Kordeln an den Hüften so gehalten wurden, dass sie nicht über den Saum stolperten. Und es gab einen Kranz aus Zweigen, Getreidehalmen und Blumen für die Haare. Blacky, für den das heiße Bad wegen seines Sonnenbrandes und der Verletzung auf seiner Brust eine mittlere Folter gewesen war, nahm den Aufzug gleichmütig hin. Dark sah aus, als wollte er jemanden erwürgen. Yugi hatte Probleme, den Kranz mit seiner Frisur in Einklang zu bringen. Bedauerlicherweise durften sie bis Sonnenaufgang nicht mehr sprechen und konnten sich nicht aufregen.

Sie wurden von dem üblichen Fackelzug begleitet. Talimecros, Arienne und die Großmutter gingen voraus, da Blacky zu ihrer Familie gehörte und sie deshalb die Verantwortlichen für das Opfer waren. Sie trugen etwas Verbandszeug, ein Messer, einen Kelch und eine Wasserschüssel mit Wasser aus der heißen Quelle, um das Messer darin auszuwaschen. Hinter ihnen schritten die drei Opfer. Yugi war ziemlich nervös, da ihn alle anstarrten. Niemand sprach, statt dessen stimmten sie wieder den Singsang an, den er schon beim letzten Mal gehört hatte. Er konzentrierte sich auf Blacky, der neben ihm ging. Dem Magier fiel das Gehen schwer, besonders bergauf. Er schwitzte schon nach kurzer Zeit vor Anstrengung, aber sein Gesicht war entschlossen. Dark war an seiner anderen Seite, bereit, ihn zu stützen.

Yugi konnte es kaum erwarten, die Sache hinter sich zu bringen. Hoffentlich verdarb er nicht alles, obwohl Mystic ihm tausendmal erklärt hatte, wie es ging. Er hatte keinen Nerv dafür, weiter um jemandes Leben zu bangen. Unter Umständen sogar um sein eigenes.

Irgendwann, nach scheinbar endlosem Weg, kamen sie oben an und bauten sich drei Meter vom Krater entfernt auf. Es war heiß und stank. Die Ordensmitglieder sangen und bildeten einen Halbkreis. Talimecros und Arienne stellten sich links und rechts von ihnen auf, um Wasser und Verbände bereitzuhalten. Sie nahmen noch jeweils eine Fackel entgegen. Die Großmutter trat auf den Krater zu und sprach ein paar Anbetungen, dann überreichte sie Yugi den Kelch und das Messer und zog sich zurück. Der Gesang veränderte sich und wurde tiefer, wie ein Lauern.

Yugi erkannte das als das Startsignal. Er ging zu Arienne und zog die Messerklinge kurz durch das Wasser. Zugleich besorgte Dark sich ein Stück Verbandsstoff von Talimecros, während Blacky wartete. Der Kelch und das Messer bestanden offenbar aus Gold, nur das beste für den Gott. Yugi blieb vor Blacky stehen, hielt den Kelch unter dessen ausgestreckte Linke und setzte das Messer am Handballen an. Es kostete ihn Überwindung, den Freund zu verletzen, aber schließlich fügte er ihm den geforderten kleinen Schnitt zu, so dass Blut in den Kelch tropfte. Er wartete, bis Dark es für genug hielt und die Wunde verband. Danach gab er Kelch und Messer an Blacky weiter und holte sich einen Verband für Dark, während Blacky das Messer im Wasser reinigte.

Sodann wurde die Prozedur mit Dark wiederholt. Auf ein kleines, kaum wahrnehmbares Nicken von ihm verband Yugi die Schnittwunde. Damit war sein aktiver Teil beendet, worüber er sehr erleichtert war. Jetzt musste er nur noch schweigen, während er sein Opfer brachte. Er biss sich auf die Lippe, als Dark das Messer über seine Hand hielt. Der Magier sah ihn fragend an. Yugi nickte seine Zustimmung. Tatsächlich war es dann auch gar nicht so schlimm. Dark hatte eine sichere Hand, und Blacky verband die verletzte Stelle fest.

Nun brachte Dark das Messer zur Wasserschüssel und ließ es dieses Mal darin liegen, da es seinen Zweck erfüllt hatte. Er stellte sich neben Yugi. Die drei drehten sich zu den Leuten um und präsentierten den Kelch und ihre verbundenen Hände. Wieder nahm der Gesang eine andere Note an, und die Melodie, wenn man sie so nennen konnte, wurde schneller, dramatischer.

Und dann brachte Dark die versammelte Menge mit einem Schlag zum Schweigen, indem er den Kelch kurz schwenkte und dann einen Schluck daraus trank. Die Stille war eisig. Dark reichte Yugi den Kelch, der nicht verstand, was los war, aber begriff, dass er es nachmachen sollte. Also trank er auch, ohne sich das geringste Zögern zu erlauben. Das Blut rann heiß durch seine Kehle, fast musste er husten. Es gelang ihm, nicht das Gesicht zu verziehen. Er reichte das Gefäß Blacky, der ebenfalls trank und dann den Kelch erneut präsentierte, um sich anschließend dem Abgrund zuzuwenden.

Talimecros hatte darauf bestanden, dass Blacky das Blut in den Krater goss. Yugi und Dark beobachteten etwas besorgt, wie er vortrat und das Artefakt weit vor sich hielt. Hinter ihnen begann zögernd wieder der Gesang. Arienne sah entsetzt aus, Talimecros vor allem wütend und entrüstet. Doch die Tat war anscheinend nicht schlimm genug, um das Ritual zu unterbrechen.

Blacky goss feierlich langsam das Blut in den Krater. Als er sich wieder umdrehte, spürten Yugi und Dark so etwas wie einen starken, plötzlichen Windstoß von hinten, der sie fast umwarf. Auch Blacky wurde davon getroffen, und in seinem geschwächten Zustand machte er einen Ausfallschritt zurück - ins Leere. Yugi und Dark sprangen auf ihn zu, als er nach hinten wegkippte. Yugi erwischte Blackys Hand, doch dabei fiel er selbst in den Abgrund. Jedoch konnte Dark ihn an der Hüfte packen. Schmerzhaft landete Yugi auf dem Bauch, mit dem halben Oberkörper frei über dem heißen Lavasee schwebend, in dem gerade der goldene Kelch und zwei Blumenkränze verglühten.

Der Aufprall presste ihm die Luft aus den Lungen, ihm wurde kurz schwarz vor Augen, doch er ließ Blacky nicht los. Der Blauhäutige packte mit der freien Hand eins von Yugis Handgelenken. Dark hielt mit einer Hand Yugi an der Schulter fest, mit der anderen griff er nach Blacky. Dieser zog sich mühsam ein wenig hoch und wagte es, mit der Linken Yugi loszulassen und nach Dark zu greifen. Da der Schwarze Magier längere Arme hatte als Yugi, gelang es recht gut. Dark zog Blacky hoch, bis dieser auch mit der Rechten Yugi loslassen und an den Rand fassen konnte; gemeinsam zogen sie ihn ganz aus der Gefahrenzone und blieben keuchend liegen.

Niemand hatte eingegriffen. Vielleicht werteten sie den Sturz als Gotteszeichen, glaubten, dass der Gott doch noch sein Opfer forderte. Aber jemand hatte Blacky absichtlich gestoßen. Yugi sah auf und begegnete dem gnadenlosen Blick der Großmutter, die mit ihrer Fackel vor dem Halbkreis der restlichen Leute stand. Im Feuerschein tanzten unheimliche Schatten über ihr Gesicht. Nur sie, die Hohepriesterin, würde so etwas wagen, erkannte Yugi. Sie wollte ihren Enkel loswerden. Sie hatte die Gelegenheit gehabt und vermutlich auch die Macht.

Dark hatte seinen Kranz verloren, aber das Ding war nicht in den Krater gefallen. Er hob ihn auf und warf ihn den anderen hinterher. Dann half er Blacky hoch, der nun wirklich gestützt werden musste, und zusammen mit Yugi traten die beiden Magier ihren Weg hinab an. Sie hatten kein Wort gesprochen, somit war das Opfer nicht ungültig. Die Großmutter trat vor drei Paar entschlossen blickenden Augen zur Seite.
 

***
 

Neo und Mava hatten ihr Gefängnis eingehend untersucht und festgestellt, dass sie sich die Finger an einer magischen Barriere verbrannten, sobald sie versuchten, durch den Tunnel zurückzuklettern oder das Gitter an der Vorderseite zu berühren. Neo gab Mava seinen Schwarzen Anhänger, aber auch so bekam der jüngere Magier das Gitter nicht kaputt. Außerhalb ihrer Zelle war nur ein wenig Raum und ein Gang, der davon wegführte. Wenigstens war es hier nicht mehr ganz so kalt. Allerdings auch nicht warm.

Also warteten sie.

In der Zelle gab es nichts, was einen Hinweis auf die Tageszeit gegeben hätte. Es konnten Stunden oder Minuten vergangen sein, als sich ihnen jemand näherte. Erst hörten sie nur die Schritte von zwei Personen auf Stein. Dann traten selbige in ihr Blickfeld: Zwei hoch gewachsene Männer in dicken Roben gegen das raue Klima. Einer hatte blassblaue Haut und schwarzes Haar, so dass sie ihn auf den ersten Blick fast für Blacky gehalten hätten. Eine gewisse Ähnlichkeit bestand tatsächlich, aber der Fremde hatte eine Boshaftigkeit im Gesicht, die Blacky nicht einmal vortäuschen konnte. Seine Augen hatten allerdings ebenfalls rote Pupillen. Der andere hatte seine Kapuze auf, aber es war zu sehen, dass er gebräunte Haut hatte und irre grinste. Er hielt sich beobachtend im Hintergrund.

"Willkommen, Neo und Maha Vailo," sprach der Blassblaue. "Ich bin Sorc, euer Gastgeber." Er zeigte in einer dramatischen Geste mit einer schwarz behandschuhten Hand auf Neo. "Neo! Du bist der Auserwählte!"

Der Blonde wich erschrocken zurück. "Wah! Wieso ich? Wozu soll ich auserwählt sein? Das muss ein Irrtum sein!"

"Stimmt, aber ich hatte irgendwie das Bedürfnis, das zu sagen," meinte Sorc, sich nachdenklich das Kinn reibend. "Aber in gewisser Weise bist auch du auserwählt, denn du wirst erleben, wie der wahre Auserwählte die Welt zum Bösen verändert! Und der Auserwählte ist: Mava, dein eigener Bruder!"

Mava zuckte lediglich mit einer Augenbraue, als er das hörte. "Du glaubst nicht wirklich, das ich das tun werde, nicht wahr? Wie sollte das auch gehen?"

"Oh, das *Wie* kannst du getrost mir überlassen. Du brauchst über nichts nachzudenken. Sieh nur, ich habe dir ein paar nette Schmuckstücke mitgebracht!" freute Sorc sich.

Der andere Mann holte ein größeres Schmuckkästchen unter seiner Robe hervor und öffnete es zur Inspektion. Darin waren diverse Halsketten, Ringe, Armbänder und andere Schmuckstücke, die in den Augen eines Magiers deutlich leuchteten. Es waren magische Artefakte.

Sorc legte ein paar davon an und seufzte zufrieden. "Das sollte mich stärker machen, als du es im Moment bist. Aber keine Sorge, ich werde sie schon bald dir übergeben. Sobald ich dir die hier angelegt habe." Er nahm zwei unscheinbare, breite Metallarmbänder aus dem Kästchen, in die ein paar Symbole eingearbeitet waren. Auf ein Zeichen von ihm sank ein Teil des Gitters in den Boden und ließ ihn durch.

Mava wich entsetzt zurück. "Nein! Bleib mir vom Leib!"

"Finger weg von meinem kleinen Bruder!" brüllte Neo wütend. Niemand hatte ihm sein Schwert weggenommen. Er zog es und stürzte sich auf den Feind.

Sorc hielt fast gelangweilt einen Finger in seine Richtung und streckte ihn mit ein wenig Magie nieder. Durch die Ausrüstung, die er trug, hatte Neo keine Chance gegen ihn. Der Blonde blieb reglos am Boden liegen.

"Was für ein hirnloser Heißsporn," kommentierte Sorc. Er ließ das Gitter wieder erscheinen, damit Mava ihm nicht entkommen konnte.

Dieser war zu seinem Bruder gestürzt und hielt ihn entsetzt in den Armen. "Neo...!"

"Keine Sorge, er ist nicht tot. Jetzt komm zu mir, Kleiner, oder wir werden das schnell ändern..."

Mava stand auf und wich zurück. Sorc hatte nicht vor, Neo zu töten. Er machte sich einfach nur einen Spaß daraus, sein Opfer ein bisschen zu ärgern. Mava wehrte sich verzweifelt gegen ihn. Er nutzte Magie, doch sie wurde einfach abgeblockt. Er wich dem anderen aus, immer wieder, doch schließlich wurde er in einer Ecke in die Enge getrieben. Sorc hatte ihn bewusst müde gemacht. Er packte Mavas Handgelenk mit einem stahlharten Griff und streifte den Jackenärmel nach oben, um ihm das erste Armband anlegen zu können.

"Nein, bitte nicht," jammerte Mava. "Ich weigere mich! Eher töte ich mich selbst!"

"Du wirst gleich anders darüber denken," versprach Sorc. Ein Verschluss klappte zu und verschwand, das Armband saß fest, als wäre es mit der Haut verwachsen. Sorc ergötzte sich an Mavas Betteln und Flehen, während er ihm gewaltsam auch das andere anlegte. Die beiden Teile zählten als eines und wirkten nur zusammen richtig. "Ich weiß, dass du stärker wirst, wenn du solche magischen Ausrüstungsgegenstände trägst. Ich werde mir diese Fähigkeit von dir zunutze machen. Leg die restlichen Sachen an. Ich lasse euch beiden gleich ein anderes Zimmer zuteilen und etwas zu essen bringen. Sei ein guter Junge."

Er ging, begleitet von seinem Verbündeten, und das Schatzkästchen blieb innerhalb der Zelle zurück. Mava kroch zu dem Kästchen und streckte die Hand danach aus. [Nein! Ich will nicht!]

[Leg die Sachen an.]

[Nein, das werde ich nicht! Das werde ich nicht!!!]

Er tat es.
 

***
 

Der Regen am Fenster weckte Yami aus einem unruhigen Schlaf. Er war fast sicher, dass Yugi in irgendwelchen Schwierigkeiten steckte. Es war so etwas wie ein sechster Sinn. Aber er war dennoch nicht besorgt, also konnte es nichts Lebensbedrohliches sein. [Yugi... sei stark, Partner.] Er griff nach dem Millenniumspuzzle, als könnte es ihm Antworten liefern. Das war natürlich nicht der Fall.

Yami blickte sich nach Seto um. Dieser lag auf der anderen Seite des Bettes mit dem Rücken zu ihm. Das tat er nur, wenn Yami sich im Schlaf herumwälzte. Der Pharao lächelte ihm entschuldigend zu, auch wenn sein Geliebter es nicht sah, und schmiegte sich an seinen Rücken. Seto seufzte wohlig und schlief weiter.

Eine halbe Stunde später erwachten beide vom Wind, der den Regen gegen das Fenster warf. Draußen war ein schwerer Sturm aufgezogen. Die Regentropfen waren dick und schwer, doch sie wurden herumgewirbelt wie Federn.

Seto drehte sich zu Yami um und schloss ihn in die Arme. "Seltsam. Sie haben gar keinen Sturm angesagt..."

"Vielleicht ist das ein Zeichen..." murmelte Yami. "Im Reich der Schatten geht etwas vor... wie Shah Dee gesagt hat. Und Yugi ist mittendrin..."

"Können wir denn nicht irgendetwas tun, um zu sehen, wie es Yugi geht?"

"Er ist in Ordnung, da bin ich sicher. Aber ich würde ihm viel lieber bei diesem Problem helfen, als hier darauf zu warten, dass Shah Dee Entwarnung gibt..."

"Scheiß auf Shah Dee. Lass uns zu Yugi gehen!"

Yami lächelte schief. "So einfach ist es leider nicht, Seto. Aber ich habe eine andere Idee. Lass uns kurz zu Großvater fahren, sobald wir aufgestanden sind. Hm, komisch. Meine linke Hand schmerzt ein wenig, als hätte ich mich geschnitten, aber da ist nichts..."

Seto nahm die betreffende Hand in seine und untersuchte sie. "Das ist die verstauchte. Wir müssen sie nachher wieder verbinden."

"Hm..."
 

***
 

Yugi erwachte, weil er glaubte, Regen zu hören. Aber da, wo er sich befand, war es heiß und trocken. Selbst jetzt, in den frühen Morgenstunden, hatte sich die Luft schon wieder ordentlich erwärmt. Dann hatte er den Regen wohl geträumt. Er fragte sich, ob es im Reich der Schatten überhaupt manchmal regnete. Musste es wohl, irgendwo musste ja das Wasser herkommen.

Als Yugi sich umblickte, stellte er fest, dass er immer noch dieses eigenartige Opfergewand trug. Aus irgendeinem Grund lag Darks Kopf auf seinem Bauch, der Magier selbst rechts von ihm. Zu seiner Linken entdeckte er Blacky, der im Schlaf eine Hand auf die Brust seines kleinen Freundes gelegt hatte. Die drei lagen irgendwo mitten im Zimmer zwischen wild verteilten Laken und Decken, als hätten sie es nicht ertragen, in getrennten Betten zu schlafen. Yugi stellte fest, dass er nicht der Einzige war, der überall staubig war und Risse in seinem Kleid hatte. Durch Blackys Verbände an seinem Oberkörper und den ramponierten, dünnen Stoff des Gewandes schimmerte ein wenig Blut durch. Es sah aber trocken aus, nicht so, als würde die Wunde immer noch bluten. Sie hatte sich wahrscheinlich bei der Rettungsaktion in der vergangenen Nacht leicht geöffnet.

Yugi seufzte. [Ich lande wohl immer in Dreiecksbeziehungen...]

[Kannst du haben,] kommentierte Blacky, ohne die Augen zu öffnen. Seine Hand wanderte tiefer, blieb jedoch auf Schritthöhe liegen, ohne etwas zu tun. [Oh, Yugi, von wem hast du denn geträumt?]

[Hgh! Lass das!]

[Komm schon, man muss sich darum kümmern!]

Dark hatte sich ein wenig erhoben, machte es sich nun aber wieder neben Yugi bequem und beobachtete interessiert, was Blacky tat. Im Moment war ein einladendes Streicheln alles. Aber er schickte sich an, weiter zu gehen und Yugi von seinem Problem zu befreien. Der Junge hatte einen ganz roten Kopf.

[Entspann dich, Yugi,] schlug Dark vor. [Das muss dir nicht peinlich sein. Vor allem, weil du ja nicht einmal so unansehnlich bist. Abgesehen davon, dass du als Kind durchgehst, bist du sehr hübsch. Und nicht alles an dir ist klein...]

[In der Tat,] bestätigte Blacky, wobei er fachmännisch über den Teil von Yugis Anatomie strich, der das Wachstum eines Jungen zum Mann normal mitgemacht hatte.

Yugi hatte solche Berührungen in der kurzen Zeit, die er jetzt hier war, viel zu sehr vermisst, als dass er sich lange gewehrt hätte. Er trug keine Unterwäsche unter dem Kleid, und Blacky befriedigte ihn durch den feinen Stoff hindurch, nur mit seinen geschickten Fingern. Zweifellos hatte er ausreichend Übung. Dark grinste, als er diesen Gedanken von ihm aufschnappte. Yugi biss die Zähne zusammen, um nicht das ganze Dorf zusammen zu schreien. Doch er hielt es nicht durch und schrie doch noch unterdrückt auf.

Eine halbe Minute später, als er keuchend zwischen den beiden Magiern lag, klopfte jemand an die viel zu dünne Tür, die eigentlich nur ein Stück Leder in einem Rahmen war. "Hey, alles klar bei eich, Jungs?"

Blacky täuschte ein lautes Gähnen vor. "Ja, sicher, Mystic. Yugi hat uns gerade geweckt. Hattest du einen Alptraum, Yugi?"

"Äh... ja, ich glaube," antwortete Yugi schnell.

Dark lachte sich fast kaputt und hielt sich fest die Hand auf den Mund, um das Geräusch zu ersticken.

"Macht euch schnell fertig, wir sollten so bald wie möglich verschwinden," drängte Mystic. "Vater hat dir noch was zu sagen, Kayos."

"Oh, sie benutzt meinen Namen, dann muss es was Ernstes sein." Blacky reinigte die Szenerie von allen Spuren seiner und Yugis Tat mit einem kleinen Zauber, den er schon oft geübt hatte.

"Was ist denn mit euch?" fragte Yugi frech. "Müsst ihr euch nicht auch... erleichtern?"

"Wir würden wie die Tiere übereinander herfallen, deswegen muss im Moment die eiskalte Selbstbeherrschung eines Magiers genügen!" verkündete Dark theatralisch.

Yugi kicherte, wandte sich dann Blacky zu. "Wir sollten dich neu verbinden."

"Ich würde mir lieber was anderes anziehen," entgegnete Blacky.

"Das eine schließt das andere ja nicht aus," befand Dark schließlich. Er verließ kurz den Raum, um mit einer Waschschüssel, mehreren Tüchern und Verbänden zurückzukommen. Mystic folgte ihm auf dem Fuße mit der Kleidung, die sie bei ihrer Ankunft getragen hatten. Arienne hatte die Sachen für sie gewaschen. Die Frau erschien kurz darauf ebenfalls. Sie sah sehr deprimiert aus.

"Mutter, ist alles in Ordnung?" erkundigte Blacky sich, während er im Sitzen die Arme hob, damit Dark den alten Verband entfernen konnte.

"Ich wollte nur nach dir sehen, mein Junge. Und dir sagen, dass ich dich immer wie einen Sohn lieben werde, was auch passiert. Und dich auch, Dark."

Der Schwarze Magier hielt überrascht in seiner Tätigkeit inne. Arienne schien ihn tatsächlich als ihren Sohn zu betrachten, weil er mit Blacky zusammen war.

Blacky runzelte die Stirn. "Ich weiß doch... warum sagst du das so ernst? Stimmt etwas nicht?"

Doch sie schwieg, bis Dark den neuen Verband angelegt hatte. Dann sank sie neben ihrem Sohn in die Knie und umarmte ihn weinend. Und genauso plötzlich, wie das geschehen war, sprang sie auf und eilte hinaus.

"Mutter! Ich folge ihr besser," entschied Mystic, und weg war sie.

Blacky starrte verwirrt die Tür an. "Was war denn das jetzt? Sie tut gerade so, als würde ich hingerichtet werden oder so."

"Das kann aber nicht der Grund sein, oder?" hakte Yugi erschrocken nach.

"Das *wird* nicht der Grund sein, so wahr ich der Schwarze Magier bin," grummelte Dark.

Sie wuschen sich notdürftig, zogen sich um und erneuerten auch die Verbände an ihren Händen. Dabei fiel Yugi wieder ein, wonach er hatte fragen wollen.

"Sag mal... warum waren alle so entsetzt, als du das Blut getrunken hast, Dark?"

"Das ist ein altes Verbrüderungsritual," erklärte der Magier. "Ich glaube, bei euch schneidet man sich in die Hand und hält die Stellen aufeinander, damit sich das Blut vermischt. Das ist hier auch nicht unüblich. Aber es gibt Wesen, mit denen man nicht auf diese Art Brüderschaft schließen sollte. Man könnte sich dabei vergiften. Deshalb wird vielerorts das Trinken des Blutes bevorzugt. Allerdings kann man manchmal das Blut auch nicht trinken, also mach das nicht mit jedem."

"Den Opferkelch für so ein Ritual zu benutzen, ist durchaus denkbar, aber nicht üblich," fuhr Blacky fort. "Dadurch, sagt man, wird die Bindung noch stärker. Und wir haben mit dieser Tat verdeutlicht, dass sie es mit uns allen zu tun bekommen, wenn sie einen angreifen."

Yugi blickte nachdenklich auf seine verbundene Hand, dann fragend in die Runde.

"Wenn du möchtest, können wir es noch einmal auf deine Art machen," schlug Dark vor. "Aber du bist bereits unser Bruder."

"Ein sehr kleiner Bruder," neckte Blacky.

Yugi war gerührt. "Dann ist es gut. Lassen wir diese Wunden in Ruhe heilen."

Dark legte ihm eine Hand auf die Schulter und sah ihm fest in die Augen. "Manche Bande müssen nicht mit Blut besiegelt werden."
 

Sie traten gemeinsam vor die Hütte, wo sich zu ihrem Erstaunen eine große Menschenmenge versammelt hatte. Auch Arienne war dabei. Sie weinte in Mystics Armen, aber die jüngere Frau schien nicht zu wissen, wieso.

Talimecros trat vor, die Großmutter neben sich. "Kayos, Sohn Ariennes. Im Namen unseres Gottes wurde entschieden, dass du heute sterben wirst."

Yugi wollte vorspringen und protestieren, doch Blacky hielt ihn zurück. [Nicht. Meinem Leben droht keine Gefahr.] Doch seine Gedankenstimme zitterte.

"Kayos, Sohn der Arienne, existiert nicht mehr. Damit ist die Familie nicht mehr für seine Taten verantwortlich. Er hat keine Pflichten und Rechte unserem Orden gegenüber mehr. Möge sich seine neue Familie von nun an mit ihm abgeben," verkündete Talimecros und drehte sich demonstrativ weg. Andere folgten dem Beispiel, und schließlich waren auch Mystic, die nun sehr blass war, und Arienne gezwungen, sich abzuwenden.

"Wie begründest du das?" fragte Blacky leise. Doch er erhielt von niemandem eine Antwort. Also verließ er das Dorf bergab, ohne sich noch einmal umzusehen. Yugi und Dark hielten ein wenig Abstand von ihm. Sie konnten nur vermuten, was in ihm vorging.
 

Am Fuß des Berges holten sie ihn ein. Er drehte sich zu ihnen um und holte einmal tief Luft. "Ich glaube, zu Hause brauche ich erst einmal einen kleinen Übungskampf, um mich abzureagieren."

Dark hob eine Augenbraue. "Ich denke, ich werde mir deinen Anhänger noch mal borgen, Yugi."

"Darf ich euch zusehen?"

"Wenn du unbedingt willst."

"Yugi, warum versuchst du nicht mal, einen Drachen zu rufen?" schlug Blacky vor.

Der Junge war überrascht. "Ich? Ja, aber... wie denn?"

"Ach, denk einfach intensiv daran, dass du dir jemanden wünschst, der dich auf seinem Rücken durch die Luft tragen kann. Irgendein Wesen wird dir schon antworten."

"Naja, ein Versuch kann nicht schaden." [Ich wünsche mir einen Drachen, der mit mir fliegt... hm, vielleicht auch etwas anderes... ein Wesen, das mich tragen kann, am besten durch die Luft... verdammt, ich muss mich mehr konzentrieren...] Yugi entschied schließlich, dass es schon ein Drache sein sollte, und konzentrierte sich darauf. Wie lange dauerte es wohl, bis man eine Antwort bekam? Oder bis man wusste, dass keine kommen würde? Er hatte es sicher schon eine Weile probiert, vielleicht ging es nicht beim ersten Mal...

[NOCH NICHT... ES IST NOCH ZU FRÜH FÜR MICH...]

Yugi schreckte aus seiner Konzentration hoch. "Etwas hat zu mir gesprochen... das war eine ganz merkwürdige Stimme... Es sagte, es sei noch zu früh..."

Blacky und Dark tauschten einen Blick aus. "Nun ja... ist dann wohl dein Effekttext," grinste Dark.

"Sehr witzig," schmollte Yugi. "Ich kann komische Stimmen hören, großartig."

"Du wirst was Großes tun," prophezeite Blacky. "Schließlich bist du der Hüter des Millenniumspuzzles und der Junge Pharao." Er zwinkerte ihm zu und sah dann zum Himmel, wo kurz darauf Schattensturm erschien.

"Wir sollten uns beeilen, auf den Übungsplatz zu kommen, Kay ist echt wütend," stellte Dark fest. "Siehst du, wie er grinst? Das bedeutet nichts Gutes beim Magier des Schwarzen Chaos."

"Okay..."

Sie kletterten alle auf Schattensturms Rücken und hielten sich gut fest... oder besser, Yugi klammerte sich an Dark, weil er nie verstanden hatte, wo man sich da genau festhalten musste. Der Drache passte sich Blackys Stimmung an und flog, dass den Reitern fast schlecht wurde. Zumindest zweien von ihnen.
 

***

Fortsetzung folgt.
 

Notiz:

Dieses Abwenden von jemandem, der aus der Gemeinschaft ausgestoßen wird, habe ich mal bei Star Treck gesehen, fand ich hier auch recht passend.

Kampftraining

Hallo! Zur Zeit dauert es etwas lange, bis die Sachen freigeschaltet werden, es sind eben Ferien. Ich überlege noch, was ich wegen Ostern mache...
 

Kapitel 12: Kampftraining
 

Mokuba wollte heute Mittag zum Meer. Vorher jedoch hielt Kaibas Limousine vor dem Spieleladen. Yami stieg kurz aus, um noch etwas zu holen. Er verstaute es in Yugis Schultasche (die er immer mit sich herumtrug), so dass die Brüder erst einmal nicht sehen konnten, was es war. Seto fragte auch nicht nach, solange sie fuhren. Yami würde schon von sich aus mit der Sprache herausrücken.

Der Chauffeur brachte sie zu einem einsamen Strand, an den selten Leute kamen. Das war vielleicht auch besser so, denn Seto wollte ungern in Badehose gesehen werden. Natürlich war es auch unter seiner Würde, albern im Wasser herumzuplanschen wie ein kleines Kind. Aber Mokuba war noch ein Kind, also übernahm Yami diesen Teil. Seto sah von seinem Schattenplatz unter dem Sonnenschirm aus zu und lächelte. [Wie schön, dass Mokuba Yami so leicht akzeptiert hat. Hoffentlich hatte der Pharao eine gute Idee bezüglich Yugi... Wer hätte vor einem Jahr gedacht, dass ich diesen albernen, zwergenwüchsigen, süßen Bengel mal vermissen würde...] Er war wohl zu sehr in Gedanken versunken, jedenfalls sah er den nassen Tennisball erst, als es schon zu spät war. Das Ding traf ihm genau auf die rechte Wange.

"Ups! Das war wohl etwas zu gut gezielt, Mokuba!"

"Waaas? He, stell es nicht so dar, als wäre ich das gewesen!"

Seto rappelte sich wieder auf die Füße. "Wer. War. Das."

Sekundenlang starrten ihn die beiden Angeklagten nur an. Dann entschied sich Yami wohl für die Märtyrerrolle, ob er nun schuldig war oder nicht. Er ließ sich im Sand auf die Knie fallen und verneigte sich tief. "Großer Imperator der Spieletechnologie, vergebt mir!" Vielleicht stand er auch einfach nur auf Bestrafungen.

Seto verschränkte die Arme vor der Brust, verlagerte cool das Gewicht auf ein Bein und blickte abschätzend auf ihn herab. "Muss wohl was dran sein, dass Herrscher über Weltreiche tief in ihrem Inneren selber beherrscht werden wollen."

"Was sagt das denn dann über dich aus?" warf Mokuba ein.

"Schweig, Unwürdiger!" befahl Seto, der den Anblick von Yami zu seinen Füßen so lange wie möglich genießen wollte. Wenn sie jetzt allein gewesen wären... Yami war am ganzen, fast nackten Körper nass... [Hoffentlich blickt er jetzt nicht auf, diese violetten Augen geben mir sonst den Rest...] "Mokuba, warum suchst du nicht diesen Ball? Ich glaube, ich werde unserem Pharao ein paar Kunststücke beibringen. Auch wenn die besser zu Wheeler passen würden."

Mukuba rannte grinsend in die Richtung, in der er den Ball vermutete.

"Du solltest nicht so enge Badehosen tragen," stellte Yami fest.

"Ich bin modebewusst," konterte Seto errötend. Er ging zum Wasser. "Komm, Fifi."

Yami seufzte und erhob sich, um ihm zu folgen. Doch Seto schüttelte den Kopf. "Nicht doch. Auf allen Vieren, wie sich das gehört! Mokuba! Wirf den Ball! Los, Fifi!"

"Dafür zahlst du," grummelte Yami. Er tat so, als würde er gehorchen, doch als er in Setos Nähe kam, sprang er an ihm hoch und stürzte ihn in die Wellen.

Soviel zu dem Vorsatz, sich nicht an dummen Spielchen zu beteiligen.
 

Später lagen die drei müde auf ihren Handtüchern und ließen sich von der sinkenden Sonne trocknen. Sie hatten einen reich gefüllten Picknickkorb dabei, der für drei Ausflüge gereicht hätte, und bedienten sich gelegentlich daraus. Das Sonnenlicht ließ das Millenniumspuzzle, das Yami neben sich gelegt hatte, rotgolden leuchten. Dieser Tag wäre nur mit Yugi noch perfekter gewesen.

Yami griff nach seiner Schultasche. Ehe jemand dumme Fragen stellen konnte, hatte er die Millenniumskette darin gefunden und legte sie sich an. Seto hob fragend eine Augenbraue, Mokuba sah einfach nur neugierig zu. Sie wussten beide, dass Yami das Artefakt besaß, aber sie bekamen es selten genug zu Gesicht. Der Pharao hängte sich auch sein Puzzle wieder um, setzte sich mit geschlossenen Augen hin und wartete.

Seto und Mokuba beobachteten ihn und warteten auch.

Nach einer Viertelstunde gab Yami es auf. Wie immer tat sich nichts, wenn man es darauf anlegte, der gute alte Vorführeffekt. Vielleicht später. Er behielt die Gegenstände um und genoss den Rest des Ausflugs. Ein wenig beschämte es ihn, dass er sich amüsierte, während Yugi vielleicht unbekannten Gefahren ausgesetzt war. Aber was sollte er tun? Er musste seinen Teil des Problems so gut wie möglich über die Bühne bringen, etwas anderes blieb ihm nicht übrig. Morgen würde er in die Schule gehen und sich für Yugi ausgeben. Yami erwischte sich zum ersten Mal dabei, dass er ernsthaft Angst davor hatte. Diese Unsicherheit war neu für ihn und kam wahrscheinlich nur davon, dass er die Situation nicht kannte oder zumindest noch nie allein bewältigt hatte. Andererseits war er oft genug mit Yugi dort gewesen, auch wenn er dem Unterricht nicht gefolgt war. Das konnte doch nicht so schwierig sein. Außerdem hatte er ja Seto und die anderen zu seiner Unterstützung.

Seto war in seine eigenen Gedanken versunken. [Ich habe mich wie ein Kind verhalten! Naja... wenn es sonst keinen Nutzen hatte, dann den, dass es Mokuba Spaß gemacht hat.] Er blickte zu seinem unverzichtbaren Koffer, der in seiner Nähe stand. Yami und Mukuba verstanden nicht, wozu er ihn am Strand brauchte, aber sie nahmen das Teil als eine seiner Macken hin. Er hatte niemandem gesagt, dass er den Millenniumsstab mit sich herumtrug, nur für den Fall. Eigentlich hatte er ihn eingepackt, als noch geplant gewesen war, ein Duell im Reich der Schatten abzuhalten. Seither hatte er ihn dabei, weil er dachte, dass er ihn vielleicht brauchen würde. Dabei war das Blödsinn. Seto war ein rational denkender Mensch und wusste gar nicht, wie man magische Artefakte benutzte. Andererseits... seit er den Geist eines ägyptischen Pharaos liebte und gleichzeitig den Jungen, den dieser als Wirt benutzte, dachte er eigentlich nicht mehr besonders rational. Wie ärgerlich aber auch.

Auf einmal konnte er sich nicht mehr beherrschen und zog den Kleineren in seine Arme. Yami erschrak zuerst, so plötzlich kam das, doch schnell lehnte er sich willig gegen seinen Geliebten. Und so ging der Ausflug recht besinnlich zu Ende.
 

***
 

Dark war eigentlich dagegen, dass Blacky sich schon wieder anstrengte, aber der Magier des Schwarzen Chaos bestand darauf, außer falls es Dark nichts ausmachte, dass sonst Teile der Burg in Trümmern enden würden. Also ging er mit ihm auf den Hof, jeder einen Übungskampfstab in der Hand. Yugi folgte ihnen. Die anderen Leute, die gerade auf dem Hof zu tun hatten, sahen die beiden Magier und eilten aus dem Weg. [Vielleicht sind sie schon für ihre wilden Kämpfe bekannt,] überlegte Yugi.

Eine hatte jedoch keine Angst, und zwar Magi. Sie kam aufgeregt zu Yugi gehüpft und umarmte ihn herzlich, dann auch Blacky und Dark. "Da seid ihr ja endlich wieder! Habt ihr Mava und Neo gesehen? He, Blacky, deine Haut pellt sich ja ab und du bist am ganzen Oberkörper verbunden, was war denn los?"

"Nichts, es war nur ein kleiner Unfall," versicherte Blacky schnell. [Ich habe nur fast meinen Geliebten geschändet.]

[Das warst nicht du.]

[Warum hast du dich nicht gleich gewehrt? Ich konnte sehen, was er macht, und nichts dagegen tun! Ich hatte solche Angst um dich...]

[Hey. Wenn ich mich gewehrt hätte, hätte dieses Fremde mich vielleicht auch noch geschlagen oder so. Das solltest du nicht tun müssen.]

[Aber...]

[Nein. Wenn es geschehen wäre, wäre es nur mein Körper gewesen. Ich wollte dich nicht verletzen.]

[Ich bin froh, dass Yugi eingegriffen hat.]

[Ja. Aber wir dachten für kurze Zeit, du wärst tot.]

"Hee! Ich rede mit euch!" beschwerte sich Magi, da die beiden sich die ganze Zeit schweigend angesehen hatten.

"Oh, entschuldige, Magi. Was hast du gesagt?" Dark wandte sich ihr zu, da er wusste, dass Blacky im Moment seiner Stimme nicht traute.

"Mava und Neo sind schon eine Weile weg. Habt ihr sie gesehen?"

"Nein, wir sind ja erst heute früh zurückgekehrt. Machst du dir Sorgen?

"Noch nicht. Aber Freed und Appi wollen nachher kommen, eigentlich wollten sie dann wieder da sein."

"Hm, vielleicht haben sie sich unterwegs getroffen und kommen zusammen. Lass uns noch warten, bis Freed und sein jüngster Sohn hier eintreffen, wenn sie dann nicht da sind, suchen wir sie," schlug Dark vor.

Magi nickte und gesellte sich zu Yugi, der einen Zuschauerplatz in der Nähe gefunden hatte.

"Kannst du ihre telepathischen Gespräche nicht hören?" erkundigte er sich.

Sie schüttelte den Kopf. "Nicht, wenn sie es nicht wollen. Deine Vermutung ist wohl richtig, sie hatten gerade eins."

Doch Yugi vermutete es nicht, er wusste es. Warum konnte nur er ihnen zuhören?

[Es ging auch dich an,] antwortete Dark ungefragt. [Wir drei sind außerdem auf eine Art verbunden, die tiefer geht als eine normale Freundschaft.]

"Lass uns anfangen," drängte Blacky. "Ich koche innerlich." Er war nicht nur wütend auf seinen Vater oder seine Großmutter, sondern auch verzweifelt, weil er das alles nicht hatte verhindern können. Und er hatte den bösen Geist nicht aufgehalten. Wenn dieses Etwas nun woanders wieder zuschlug?

Er wirbelte seinen Kampfstab und hielt ihn seitlich von sich in der linken Hand. Yugi erkannte eine seiner Kampfbereitschaftsposen. Dark hielt den Stab lässig vor sich, mit der unteren Spitze auf dem Boden, doch er war sehr aufmerksam. Beide Magier hatten ihren ernsten Spielfeld-Blick angenommen, den Yugi schon so oft gesehen hatte.

Sie warteten auf irgendein unsichtbares Signal, so schien es. Dann, von einem Moment auf den anderen, gingen sie aufeinander los. So schnell, wie sie sich mit den Stäben beharkten, konnten Yugis Augen den Bewegungen gar nicht folgen.

Magi grinste Yugi an. "Faszinierend, nicht wahr? Sie kennen einander so gut, dass es unwahrscheinlich ist, dass einer von ihnen bald gewinnt. Meistens geht es so lange, bis beide total erschöpft sind."

"Ist sicher gut so, Blacky muss sich abreagieren," murmelte Yugi.

"Warum, ist was passiert?" fragte Magi neugierig.

"Das soll er dir selbst erzählen, wenn er es will," sagte Yugi. "Es ist sehr persönlich."

Die beiden Magier schenkten sich nichts. So sehr sie sich liebten, so hart bekämpften sie sich auch. Inzwischen hatten sich alle, die zuvor auf dem Platz geübt hatten, in einem weiten Kreis um sie herum versammelt. Manche klatschten begeistert, wenn ein ganz besonders spektakuläres Manöver zu sehen war, oder feuerten einen von ihnen an. Viele staunten einfach nur.

Es nahm alles ein jähes Ende, als man das Geräusch von brechendem Holz hörte und dann einen Aufschlag von Holz auf Fleisch und Knochen. Dark ging mit einem Aufschrei zu Boden, sich den linken Oberarm haltend. Er blieb mit schmerzverzerrtem Gesicht liegen, und alles hielt den Atem an. Blacky starrte entsetzt auf das, was er angerichtet hatte. Offenbar hatte Darks Stab der Belastung nicht standgehalten. Blackys sah auch schon so aus, als müsse er ersetzt werden.

Yugi war erschrocken aufgesprungen. "Steh auf, Dark!"

Dark hatte ihn gehört und mühte sich auf die Füße. Yugi hatte Recht, er durfte vor all den Zuschauern nicht schlapp machen. "Nächste Runde," verkündete er.

Blacky warf mit einem feinen Lächeln seinen Stab von sich. "Ganz wie du willst. Aber wenn du nicht aufgibst, werde ich dich auch nicht schonen."

"Versuch's nur." Dark nahm Haltung an. Sein linker Arm hing schlaff herunter und er sah blass aus, aber er kaschierte diesen Mangel.

Mad gesellte sich zu Yugi und Magi und ging vor ihnen mit überkreuzten Armen in Verteidigungsposition, ein durchsichtiges, grünliches Schutzfeld vor ihnen erschaffend. Es war einigermaßen beruhigend, seine 3000 Verteidigungspunkte zwischen sich selbst und einem magischen Querschläger zu wissen. Und Yugi erlebte "seinen" Schwarzen Magier mal von einer anderen Seite, als einen Zauberer, der nicht auf den Angriffsbefehl wartete, sondern scheinbar wild mit Magie um sich warf. Doch Blacky hatte davon auch nicht wenig zu bieten. Drei oder vier Mal zahlte sich Mads Schutzschirm aus. Yugi machte sich ein wenig Sorgen um Dark, wusste er doch, dass Blacky stärker war als er - zumindest auf dem Spielfeld. Im Moment sah es so aus, als wären die Kräfte ausgeglichen. Vielleicht hing das noch mit Blackys Verletzungen zusammen. Der Kampf war aufregend, aber Yugi fand, dass er schon recht lange andauerte für eine Übung zwischen zwei Liebenden.

"Die machen mal wieder ganz schön ernst," stellte Mad fest, als ein verirrtes Magiepartikel von Dark auf seinen Schirm prallte. Nur eine Minute danach krachte eine von Blackys Attacken, die Dark verfehlt hatte, gegen die Verteidigung und warf Mad fast von den Füßen.

Magi half ihm, den Schild zu halten. "Mach dir keine Sorgen, Yugi. Wir passen schon auf. Die Gesetze in dieser Festung besagen, dass jeder selber für seine Sicherheit verantwortlich ist, wenn er oder sie hier gafft. Willst du lieber reingehen?"

Yugi schüttelte den Kopf. "Ich verlasse mich auf euch. Aber sagt mal, ist das nicht langsam etwas heftig?"

"Sie liefern sich ein Duell mit allen Mitteln. Alles andere wäre gegen die Ehre," erklärte Mad. "Es ist anders, wenn nur ein bestimmter Zauber geübt werden soll oder so. Aber das hier... ist ernst, obwohl es Übung ist."

"Aber sie werden doch nicht bis zum letzten kämpfen, oder?"

"Kaum, aber erwarte nicht, dass sie sich schonen oder unverletzt daraus hervorgehen. Ich nehme an, dass Dark bereits einen gebrochenen Arm hat."

"Was? Von vorhin, als sein Stab zerbrochen ist?"

"Genau. Er kann mit seiner Magie die Schmerzen lindern und den Knochen kurzfristig an seinem Platz halten. Aber hinterher braucht er einen Heiler, vielleicht auch mehrere. Ist Mystic schon wieder hier? Sie wird schimpfen." Mad grinste schadenfroh und wehrte einen leichteren Treffer ab. "Hey, das trainiert mich gleich mit."

Yugi biss sich auf die Lippe. Der Kampf nahm besorgniserregende Ausmaße an, gleichzeitig wurden die Magier langsam müde. Für einen Moment standen sie sich bewegungslos, aber schwer atmend gegenüber. Dann holten beide zu einem finalen Schlag aus. Yugi sah, dass Dark eine Magiekugel zwischen seinen beiden Händen erschuf und sich bereit machte, sie zu schleudern. Wie machte er das mit einem gebrochenen Arm? Blacky tat etwas Ähnliches. Seine Macht manifestierte sich in Schwarz, Darks eher bläulich weiß.

"Kommt lieber ein Stück weg!" drängte Magi. Sie zog Yugi hinter sich her, Mad folgte ihnen auf dem Fuße und baute sich dann wieder schützend zwischen ihnen und den Kämpfenden auf.

Keine Sekunde zu früh, denn schon krachten die Ladungen aufeinander und fegten alles in der Nähe mit der Wucht ihrer Begegnung um. Yugi sah erschrocken, dass Darks Angriff von Blackys zurückgedrängt wurde und den Magier erwischte. Doch überraschenderweise blieb Dark auf den Füßen, wenn auch taumelnd. Yugi blickte zu Blacky und stellte fest, dass dieser keuchend auf allen Vieren am Boden kauerte. Er spürte das Echo einer telepathischen Botschaft, die die beiden untereinander austauschten. Sie lachten. Und damit kehrte Erleichterung ein, denn es zeigte das Ende der Auseinandersetzung an.

Blacky legte sich müde auf den Rücken und schloss die Augen. Dark griff sich an den verletzten Arm und stürzte eher unelegant lang hin. Yugi und Magi rannten zu ihm.

"Bruder, bist du verrückt? Er hätte dich erledigen können, und das weißt du auch!" motzte Magi.

Yugi wunderte sich. Hatte sie nicht eben noch so getan, als sei alles normal?

[Sie schimpft immer mit mir,] meinte Dark erklärend, wobei er sich mühselig in eine sitzende Position brachte. [Aber keine Sorge, mir geht es gut.]

[In dem Fall muss ich auch mit dir schimpfen,] konterte Yugi. [Lass mich deinen Arm sehen.] Yugi trat ein Stück auf Dark zu.

"Geht schon," log dieser, sich ihm entziehend.

Yugi setzte eine ernste Miene auf. "Schwarzer Magier. Zieh dein Shirt aus."

Dark starrte ihn eine Sekunde lang nur an. Der Befehl von Yugi, verbunden mit der Nennung seines Titels, weckte keine positiven Erinnerungen, hatte er doch beinahe Blacky das Leben genommen. Und doch kam er nicht umhin, so gut wie ohne darüber nachzudenken zu gehorchen. Es war eine seltsame Macht, die Yugi über ihn ausübte, doch eine, die ihn tun ließ, was getan werden musste. Dark erkannte die Notwendigkeit und ergab sich in sein Schicksal. Er hatte selbst entschieden, sich mit dem Pharao zu verbinden, und das hatte er nun davon. Schief lächelnd entblößte er eine Sammlung blauer Flecken und Prellungen am ganzen Oberkörper und eine übel bunt verfärbte, dicke Stelle an seinem linken Oberarm.

"Also wirklich," rügte Yugi ihn. "Hast du dich nicht gerade erst von deinem letzten Duel Monsters Unfall mit dem Millenniumsring erholt?"

"Einige von den Flecken könnten noch davon übrig sein," überlegte Dark. "Außerdem ist es gar nicht so schlimm, wie es aussieht."

Yugis Augen verengten sich, bis er fast so fies blickte wie Yami, wenn er einen boshaften Gegner bekämpfte. "Ist das so?" Er griff an Darks linken Arm und drückte fest zu.

Der Magier schrie gepeinigt auf. "Jaja, schon gut, es ist schlimm! Verdammt! Lass los, bittebittebitteee!"

Yugi gewährte ihm Gnade und ließ los. "Das war dafür, dass du mir so einen Schrecken eingejagt hast. Ich hatte genug davon in letzter Zeit."

Dark blickte trotz seiner Schmerzen gerührt lächelnd zu ihm auf. "Ich werde mich bessern, Junger Pharao."

Yugi nickte und überließ ihn der Fürsorge mehrerer Personen in wallenden Gewändern, anscheinend Heiler, die inzwischen zu ihnen gestoßen waren. Er ging nach Blacky sehen, um den sich bisher nur Mad kümmerte. Allerdings schien er es auch nicht so nötig zu haben.

Blacky hatte ebenfalls Treffer kassiert, die seine Haut an vielen Stellen dunkel färbten, aber er hatte keine Knochenbrüche. Seine vorhandene Wunde blutete wieder, so dass sich ein roter, ins Violett spielender Fleck auf seinem Verband abzeichnete. Aber er hatte ein Lächeln im Gesicht, und das war viel wert. "Hey, Yugi. Ich hoffe, wir haben dich nicht zu sehr erschreckt. Normalerweise passiert nichts Ernstes. Höchstens ab und an ein Knochenbruch..."

Yugi stemmte die Hände in die Hüften. "Ja, das sehe ich. Müsst ihr das unbedingt tun?"

"Es macht mir keinen Spaß, Dark zu verletzen. Aber wir haben nichts davon, wenn wir nur spielen. Wir müssen unser Potential kennen. Keine Sorge, meins beinhaltet einen Heilzauber, der... körperlichen Kontakt erfordert."

Yugi lief rot an. "Dann meinte Dark das wirklich ernst, was er neulich sagte... dass es ihm besser ginge, wenn du ihn..." er brach mit einem Blick auf Mad ab.

Der Wassermagier grinste nur. "Das kann doch jeder halbwegs gebildete Magier! Sag's ruhig deutlich, Blacky. Yugi ist kein Kind mehr, auch wenn er so aussieht. Wenn man genug auf dem Kasten hat, kann man seinen Partner heilen, indem man ihn oder sie ordentlich durchnimmt. Beim Höhepunkt werden Unmengen an Energie frei, die man auf keinen Fall vergeuden sollte."

"Und? Wen hast du zuletzt geheilt?" erkundigte Blacky sich scheinheilig. Er ließ sich von Mad hoch helfen, um Dark und den Heilern in die Burg folgen zu können.

"Oh, ich treffe die Zwillinge noch ab und zu," antwortete der Blauhaarige schließlich.
 

Sie folgten Dark, Magi und den Heilern in einen Raum zur Behandlung Verwundeter, der direkt an den Übungsplatz angrenzte, was ja auch Sinn machte. Dort wurde Blacky gebraucht, denn sein Geliebter hielt sich an ihm fest, während sie seinen Arm richteten und schienten. Yugi wurde fast schlecht dabei. Der Heiler, der wie der Mensch auf der Dian Keto Zauberkarte aussah, hatte es abgelehnt, Darks Schmerzen während der Prozedur zu lindern, schließlich war der Magier selber Schuld an dieser Misere. Der Herr der Burg fand sich damit ab, ohne zu jammern. Aber am Ende sah er aus wie sein eigener Geist und war froh, dass es in dem Raum eine Liege gab, die er benutzen durfte. Er bekam noch einen Zaubertrank, der die Heilung des Knochens vorantreiben sollte.

Im Anschluss wurde Blackys Wunde neu verbunden, und er musste sich sagen lassen, wie unvernünftig es gewesen war, damit zu kämpfen. Er erwiderte, dass es noch viel unvernünftiger gewesen wäre, das bei seiner vorherigen Laune nicht zu tun, und der Heiler schwieg. Offenbar war bereits bekannt, dass der Magier des Schwarzen Chaos sich gelegentlich Luft machen musste, und um andere Schäden zu vermeiden, war Dark dann immer zur Stelle.

Yugi runzelte die Stirn. Das konnte nicht gut für die beiden sein, wenn sie sich immer gegenseitig verletzten. Schadete das auf die Dauer nicht dem Körper? Andererseits war er hier im Reich der Schatten und hatte es mit Magiern zu tun. Das war vielleicht etwas anderes.

Der grünhaarige Heiler wandte sich erneut an Blacky. "Er muss sich schonen, genau wie du, also keine Heilzauber von dir bis zum Abend! Haben wir uns verstanden? Ihr seid im Moment beide in keiner Verfassung dafür, jedenfalls nicht, wenn ihr es zusammen machen wollt."

"Dian meint, dass es besser wäre, einen anderen zu vögeln, um unsere Kräfte aufzuladen," erklärte Blacky, an Yugi gewandt "Mad wäre geeignet, sogar Magi, aber ich fürchte, die werden das nicht mitmachen..."

"Och, dein Hintern ist bestimmt nicht zu verachten," überlegte Mad.

"Du glaubst nicht ernsthaft, dass es so laufen würde?" entgegnete Blacky.

"Sagt sowas doch nicht vor dem Kind!" rügte der Heiler sie.

Blacky lachte. "Zu dem Kind? Yugi, wie heißt noch mal dein Bettgefährte?"

"Äh, welchen von den beiden meinst du?" fragte Yugi nach.

Dian machte ein entsetztes Gesicht, bis sie ihn darüber aufklärten, wer und wie alt Yugi war. Der Heiler musterte den Jungen erstaunt. "Ich dachte, der Hüter des Puzzles sei größer. Naja, der Pharao war auch eher klein, wenn auch nicht *so* klein..."

"Äh... Ich bin schon ein bisschen gewachsen in letzter Zeit, das kommt sicher noch," meinte Yugi und musste zugleich an seinen Großvater denken, den er inzwischen an Größe knapp übertraf. Wenn er nun ewig so klein blieb? Wenigstens Yamis Größe würde er doch erreichen, oder? Andererseits war er schon siebzehn, da musste man doch langsam ausgewachsen sein...

Die Witzeleien wurden unterbrochen, als ein Bote ihnen mitteilte, dass Freed in Kürze eintreffen würde. Dark wollte aufstehen, aber Blacky hinderte ihn daran. "Lass nur, ich werde ihn in Empfang nehmen."

"Ich kann nicht hier bleiben und mich bemuttern lassen. Hilf mir, damit ich in mein Zimmer komme und mich umziehen kann," widersprach Dark.

"Ich weiß, dass dir schlecht ist und du Schmerzen hast, das ist so, wenn man diesen Trank geschluckt hat," hielt Blacky dagegen.

"Wenn du mir nicht hilfst, gehe ich allein," drohte der Schwarze Magier ihm störrisch an.

Blacky seufzte und fügte sich.

Yugi war schon gespannt auf Freed. Er kannte zwei Duel Monster, die so hießen. Sie hatten unterschiedliche Elemente, eins Erde, eins Licht. Waren beide ein und derselbe, so wie Mad offenbar Aqua Madoor und zugleich Neo Aqua Madoor war? Bei ihm war das wohl auf eine Weiterentwicklung seiner Macht zurückzuführen. Aber er hatte sein Element dabei behalten. Nun, es würde sich ja bald herausstellen.
 

***

Fortsetzung folgt.

Flotter Vierer

Dieses Kapitel kommt schon heute (Donnerstag), weil ich wohl erst Dienstag wieder ins Internet komme und vermute, dass die Freischalter über Ostern ne Menge zu tun haben. Also, damit es spätestens Anfang nächster Woche da ist...
 

Kapitel 13: Flotter Vierer
 

Dark trug seinen linken Arm in einer Schlinge, als er, Yugi und Blacky auf die Haupthalle zustrebten. Magi und Mad waren schon vorgegangen, um nachzusehen, ob nicht Neo und Mava inzwischen auch zurück waren.

Yugi hatte wieder eine von Mavas Lehrlingsroben an, und die Magier hatten sich ebenfalls für Roben entschieden, zum den Gast zu begrüßen. Darks war dunkellila mit helleren, silber bestickten Säumen, Blackys natürlich tiefschwarz mit einem in den Stoff eingearbeiteten, leicht schimmernden Muster aus Schlaufen und Schnörkeln, das keine erkennbare Regelmäßigkeit aufwies. Sie trugen auch ihre Stäbe bei sich, wobei Blacky eine Weile gebraucht hatte, um seinen in der neuen Ordnung seines Zimmers wieder zu finden.

"Man könnte meinen, dieser Freed sei ein hoher Würdenträger oder so. Ihr habt euch ja echt toll rausgeputzt," bemerkte Yugi.

"Eigentlich ist das ganz normale Kleidung für Zauberer unseren Ranges, nur dass wir sie eher unpraktisch für den Alltag finden," klärte Blacky ihn auf. Er wirkte so ganz in Schwarz schon ziemlich unheimlich und auf würdevolle Art bedrohlich.

"Ist alles in Ordnung mit dir, Blacky? Das mit deiner Familie..."

"Schon gut, Yugi. Meine Familie ist hier."

"Freed gehört auch dazu," erklärte Dark, das vorige Thema aufgreifend. "Er ist ein Kindheitsfreund meines Vaters. Die beiden haben zusammen eine Magierlehre begonnen, aber Freed kam besser mit einem Schwert zurecht als mit Magie, deshalb hat er schon bald den Weg des Kriegers gewählt. Das hat Neo wohl von ihm."

"Neo? Soll das heißen, Neo und Mava sind seine Söhne?" staunte Yugi.

Dark nickte. "Er hat noch einen dritten Sohn, der noch in der Ausbildung ist. Den wirst du gleich kennen lernen."

"Sei gewarnt," fügte Blacky hinzu. "Appi ist etwas hektisch. Auf die Art wird seine Lehre noch ewig dauern."

Yugi versuchte, sich vorzustellen, was für ein Typ Appi wohl sein mochte, als sie auch schon ihr Ziel erreichten. Sie hatten kaum die Halle betreten, als ihnen ein junger Blondschopf entgegen sprang und sich vor dem Schwarzen Magier aufbaute.

"Hallo, du musst Dark sein, du bist mein großes Vorbild! Super, dass ich dich endlich persönlich treffe!" Der Typ trug ein rotes Stirnband, das seine Haare wild nach oben stylte, und eine Lehrlingsrobe, die Yugis glich bis auf die grüne Kordel. Yugis war beige.

Während Darks Fan begeistert zu erzählen anfing, bei welchen Meistern er bereits gelernt hatte, trat ein hoch gewachsener, kräftiger Mann aus der Menge hervor. Er hatte goldblondes Haar, das ihm glatt und seidig auf die Schultern fiel, und trug ein schlichtes, weißes Hemd, braune Hosen und Stiefel. Seine Augen waren blau und seine Haut gebräunt.

"Nun beruhig dich mal," sagte der etwa Vierzigjährige zu dem aufgeregten Jungen, der wohl in Yugis Alter oder jünger sein mochte. "Dark, mein Lieber, wir haben uns ewig nicht gesehen. Dies ist mein Jüngster, Appi."

"So nenne ich mich, weil ich später den Namen Apokalyptischer Magier annehmen will!" strahlte der Zauberlehrling.

Dark hielt Yugi seinen Stab hin, um die Hand zu einem warmen Händedruck frei zu haben. [Halt mal bitte.] Er griff nach der ausgestreckten Rechten des älteren Gastes. "Onkel Freed, wie schön. Wir haben dich schon erwartet. Hast du Mava und Neo mitgebracht?"

Freed runzelte die Stirn. "Nein, ich habe erwartet, sie hier anzutreffen, schließlich wissen sie doch, dass ich kommen wollte."

Das beunruhigte Dark nun doch. "Seltsam, sie bleiben oft lange weg, aber sie würden dich nicht warten lassen. Wie auch immer. Blacky kennst du ja, und dies ist Yugi, Blackys neuer Schützling." [Der Träger des Millenniumspuzzles.]

[Den habe ich mir größer vorgestellt!] Freed lächelte Yugi an. "Freut mich, Kleiner. Bist du auch Blackys Schüler?"

"Äh, noch nicht so direkt, wir hatten viel um die Ohren in letzter Zeit," antwortete Yugi ihm.

Der Krieger nickte. "Ja, es ist sicher alles noch sehr neu für dich." [Dark, wie ist er hergekommen?]

[Uh... durch einen kleinen Unfall. Der Pharao ist in der Welt des Blauen Lichts zurückgeblieben. Wir hatten kurz Kontakt zu ihm.]

[Das hat nicht zufällig etwas mit deiner Bindung zu diesem Menschen zu tun? Stimmt es, dass du dadurch verletzt wurdest? Ich habe dir immer davon abgeraten, Dark, es ist nicht ungefährlich. Allerdings ist der gebrochene Arm ja noch frisch, hm? Alles redet davon. Aber zurück zum Thema, was willst du mit dem Jungen machen, ihn wirklich ausbilden?]

Dark lächelte leicht. [Er kann dich hören, Onkel Freed.]

Der Blonde starrte Yugi unvermittelt an. [Er kann *was*?]

[Er hat eine Begabung für Telepathie, weil er sie immer mit dem Pharao betreibt.]

"He! Redet doch mal so, dass ich mitreden kann!" beschwerte Appi sich.

[Mein Sohn hat diese Begabung nicht, oder gibt sich zumindest keine Mühe,] bemerkte Freed.

[Man muss dazusagen, dass Yugi, Blacky und ich einen Blutsbund haben. Deshalb kann er fast alles hören, was wir so besprechen.]

Erst jetzt bemerkte Freed die verbundenen Hände der drei. Er nickte verstehend. "Nun, wir sollten versuchen, Neo und Mava aufzuspüren," schlug er vor. "Sie sind sicher mit ihren Drachen unterwegs."

"Ja. Wenn du die beiden herbeirufen kannst, bringen sie uns vielleicht deine Söhne zurück oder können uns zu ihnen führen," meinte Dark. "Hoffentlich ist ihnen nichts zugestoßen. Ich hätte nicht so sorglos sein sollen, aber wie gesagt, es ist nicht ungewöhnlich, wenn sie länger unterwegs sind." Er hakte sich bei Blacky ein. "Komm. Wenn es wirklich ernst ist, will ich in der Lage sein zu kämpfen. Außerdem sollten wir uns umziehen. Dabei haben wir extra für Freed die Roben rausgekramt."

Der Blonde grinste. "Lasst euch genug Zeit. Ich suche inzwischen meine Rüstung zusammen. Appi, kümmere dich um Yugi, bis wir zurück sind. Ihr solltet euch auch was Praktischeres zum Anziehen besorgen."

"Ja, Vater!" Appi wandte sich an Yugi und betrachtete ihn skeptisch. "Soweit ich weiß, unterrichtet Blacky nicht. Dann bist du wohl Darks Schüler? Kannst du gleich vergessen, ich gedenke nämlich, diese Stelle zu bekommen! Mit einem Anfänger wie dir kann er doch gar nichts anfangen, du solltest dir erst einmal einen schwächeren Magier als Lehrer suchen, verstanden? Dass Blacky dich bei sich aufgenommen hat, heißt gar nichts!"

Yugis rechte Augenbraue zuckte. [Sieht aus, als hätte ich mir einen Feind gemacht, dabei habe ich noch nicht einmal mit ihm gesprochen!] Er machte sich auf den Weg in Blackys Zimmer, um sich Hose und Hemd anzuziehen. Er besaß inzwischen auch ein paar Sachen zum Wechseln. Die Magier, die ihn auf sein Element geprüft hatten, fanden ihn alle süß, und die Frauen unter ihnen hatten für ihn genäht und gestrickt. Er wusste das sehr zu schätzen. Jemand hatte ihm sogar ein paar Stiefel angefertigt.

Appi lief ihm nach. "Hey! Ich soll auf dich aufpassen, also bau keinen Mist!"

"Ich will mich nur umziehen!" erwiderte Yugi. "Du hast doch bestimmt ein Zimmer hier, also zieh dich auch um und triff mich dann wieder hier."

"He! Du hast mir gar nichts zu sagen, Wicht! Hallo! Ich rede mit dir!"

Doch Yugi ignorierte Appi. Er kannte den Weg inzwischen auswendig und kannte sich auch in Blackys Zimmer aus. Der Magier und er teilten sich noch die Kleidertruhe, weil Yugi noch keine eigene hatte. Viele Sachen von Blacky waren aber nicht darin, er hatte die meisten bei Dark. Yugi bemerkte nebenbei, dass er Darks Zauberstab noch hatte, aber der Magier brauchte ihn vermutlich im Moment nicht...

"He, hast du etwa ein eigenes Zimmer, das so groß ist? Oder treibst du dich unbefugt hier rum?" hakte Appi nach, der ihm gefolgt war.

Yugi seufzte. Er hatte sich aufs Bett gesetzt und war gerade dabei gewesen, sich wehmütigen Gedanken an Seto und Yami hinzugeben, zumal er sich seine beiden Blutsbrüder bei ihrer momentanen Tätigkeit gut vorstellen konnte (auch wenn er es aus Höflichkeit vermied, das zu tun). Aber er hatte die Tür nicht hinter sich geschlossen; normalerweise lief ihm auch niemand nach. "Das ist Blackys Zimmer," erklärte Yugi. "Er hat mich bei sich aufgenommen, wie du zweifellos mitbekommen hast."

"Ja, ja, bilde dir nichts darauf ein!" Appi hatte eine extrem lässige Haltung angenommen und war im Begriff, das Zimmer zu betreten.

[Yugi! Koranih akin suun!]

Yugi zuckte zusammen. Blackys Stimme in seinem Kopf war ein lustverhangenes Flüstern. Automatisch sprach er die Worte laut aus: "Koranih akin suun!" Noch während Yugi die Stirn darüber runzelte und sich fragte, ob die Betonung richtig gewesen war, knallte plötzlich die Zimmertür zu. Doch es gab noch einen weiteren Knall.

"Auuuuuaaah! Du kleine Mistkröte! Mach sofort auf und stell dich, verdammter Stachelkopf!" fluchte Appi.

"Beleidige nicht meine Frisur!" rief Yugi grinsend und zog sich dann in aller Ruhe um. Doch dann wurde ihm klar... [Scheiße! Habe ich eben Magie eingesetzt?!]
 

***
 

"Und ich greife mit meiner Bestie von Talvar dein Magiermädchen an! Damit sind deine Lebenspunkte auf null!"

Yami starrte auf die Karten, die auf dem Tisch ausgebreitet waren. Vage registrierte er seine Niederlage. Aber was war schon ein Spiel?

Sugoroku griff nach einer Karte, die vor Yami verdeckt in der Zauber- und Fallenkartenzone lag. "Hier, damit hättest du mich schon vorhin aufhalten können! Also wirklich, was beschäftigt dich so sehr, dass du dreimal hintereinander aus purer Unachtsamkeit gegen mich verlierst?"

"Was?" Yami schreckte hoch, sah auf das Feld und begriff, was geschehen war. "Oh... tut mir Leid. Es scheint, ich war heute ein unwürdiger Gegner."

"Vom Champion sollte man in der Tat mehr erwarten. Was ist denn los? Sorgst du dich um Yugi?"

"Natürlich. Ich habe vorhin die Millenniumskette umgelegt und trage sie noch. Zwar konnte ich keine Vision bekommen, aber ich habe ein ganz seltsames Gefühl... wie eine böse Vorahnung... Wenn ich doch nur an Yugis Seite sein könnte!"

Großvater goss zwei Tassen Tee ein und gab Yami eine. "Du musst nicht denken, dass er ohne dich hilflos ist."

"Nein! Ich weiß, dass er nicht auf mich angewiesen ist. Aber es ist leichter zu zweit. Davon abgesehen... Ich glaube, ich fürchte mich vor morgen," gestand Yami zögernd.

Sugoroku blinzelte verwirrt. "Wieso, hast du ein wichtiges Duell?"

"Ich muss zur Schule!" stöhnte Yami. "Ich war da noch nie bewusst. Naja, jedenfalls nicht so als Vollzeit-Schüler. Nur, wenn irgendein Irrer ein Spiel veranstaltet hat. Es ist mir peinlich, das sagen zu müssen, aber ich bin schrecklich nervös. Es gibt so viele Pannen, die mir passieren können..."

"Joey und die anderen werden dir helfen. Wenn es gar nicht geht, sagst du, dir wäre übel und gehst nach Hause."

"Das werde ich nicht tun!"

"Schon gut, war ja auch nur ein Vorschlag, um dich zu beruhigen. Hast du auch Englisch morgen?"

"Ja. Und Mathematik, Biologie, Physik und Sport."

"Tu einfach dein Bestes. Sieh mich an, ich kann noch viel weniger tun. Das Einzige, was ich mache, ist, dass ich einem antiken Geist, der im Körper meines Enkels wohnt, die Welt erkläre. Ich würde auch viel lieber losgehen und ihn suchen."

"Hm." Yami musste zugeben, dass er viel zu wenig über die Gefühle des Großvaters nachgedacht hatte. Der alte Mann musste sich ganz besonders hilflos fühlen, denn er hatte nicht einmal einen Millenniumsgegenstand. Aber er vertraute auf Yugi und seine Fähigkeit, die Situation zu meistern. [Ich sollte das auch tun. Vermutlich bin ich es zu sehr gewohnt, Yugi bei mir zu haben. Ich muss hier klarkommen und er dort.]

Sugoroku räusperte sich. "Sag mal, Yami... Kaiba liebt Yugi, oder? Ich meine... er betrachtet ihn nicht nur als vielleicht ungewollte Zugabe zu dir?"

Yami lächelte. Er verstand, dass Großvater da skeptisch war und sich vielleicht fragte, wie es für Seto war, wenn der kleinere Junge nicht mehr dabei war. Fand er es vielleicht gut so? Aber Yami war sich sicher: "Seto liebt Yugi so sehr wie ich. Mach dir da keine Sorgen. Auch er leidet darunter, dass uns die Hände gebunden sind. Auch wenn Shah Dee uns gewarnt hat, ich denke nicht, dass wir noch lange untätig bleiben können. Joey, Tristan und Thea wollen auch lieber aktiv werden. Lange werde ich nicht mehr warten. Noch hoffe ich auf eine Vision, die mir mehr verraten kann..." Er berührte unbewusst die Millenniumskette an seinem Hals. Sie hatte ihm schon einmal eine Vision gezeigt, kurz vor dem Finale des Battle City Turniers. Aber vielleicht funktionierte sie nur bei Ishisu oder wenn diese in der Nähe war.

Großvater seufzte. "Wenn ich etwas jünger wäre, würde ich darum bitten, ins Reich der Schatten mitzukommen. Aber jemand muss auf den Laden aufpassen. Bitte sag es mir, wenn du gehst. Ich will mich nicht plötzlich wundern müssen, wo ihr alle hin seid."

Yami nickte. "Natürlich. Ich sollte jetzt lieber schlafen gehen. Seto holt mich morgen früh ab. Hoffentlich kann ich überhaupt schlafen."

"Dieser Tee hier hat eine beruhigende Wirkung."

"Oh, gut." Yami erhob sich. [Zeit, dass ich es der Welt zeige! Wo kämen wir denn da hin... Aber vielleicht wäre es einfacher, Pharao zu sein. Dann wüsste ich jetzt wenigstens Bescheid... Ich wüsste, was ich tun muss...]
 

Yami überflog noch einmal die Liste seiner englischen Vokabeln und legte sich dann schlafen. Er sehnte sich nach Gesellschaft im Bett, aber er hatte am nächsten Tag Schule und musste wirklich schlafen. Verdammt, war nicht diese Woche auch noch Pegasus' Party, zu der Duke sie eingeladen hatte? War die nicht am Dienstag? Dann konnte er ja gar nicht mehr für die Klausur lernen... Yami seufzte und drehte sich auf die Seite. Er starrte das Millenniumspuzzle an, das neben dem Kopfkissen ruhte. Die Millenniumskette hatte er umbehalten, sie störte ihn ja nicht. Wer weiß, vielleicht konnte sie ihm im Schlaf etwas enthüllen... [Yugi...wenn du mir nur sagen könntest, dass du in Sicherheit bist... wenn ich nur bei dir sein könnte...]

Mit dem Gedanken an sein geliebtes Anderes Ich schlief Yami ein. Seine Hand hielt aus Gewohnheit die Kette des Puzzles fest. Kaum war er eingeschlafen, leuchtete die Millenniumskette sanft auf...
 

***
 

Yugi war froh, dass er Appi ausgesperrt hatte. japsend ließ er sich auf Blackys Bett fallen, als ihm klar wurde, dass er ein Problem hatte. Der Magier des Schwarzen Chaos war vor einer Minute noch in seinen Gedanken gewesen, um ihm den Zauberspruch zum Schließen der Tür zu sagen. Aber scheinbar hatte er ihn nicht wieder verlassen... Er starrte keuchend an die Zimmerdecke, doch sein Blick verschwamm. Wurde er ohnmächtig? Nein... Dark lag unter ihm, blickte ihn aus halb geöffneten Augen an. Er schonte seinen linken Arm, doch die rechte Hand war in Yugis Schulter verkrallt. In eine Schulter, über der glänzendes, schwarzes Haar herabhing... [Oh, Shit...]

Aber es stand nicht in Yugis Macht, sich zurückzuziehen, und wie in einem Traum kam es ihm auch nicht seltsam vor, als er sich hinunterbeugte, um Dark leidenschaftlich zu küssen. War er etwa eingeschlafen? Nein, er wusste, dass er nicht schlief. Dark erwiderte seinen Kuss. Yugi erstarrte, stemmte sich ein wenig hoch, um ihn überrascht anzusehen. Diese Art zu küssen... Das Gefühl, durch die Nähe des anderen vollkommen zu werden, hatte er nur bei Yami. Nicht einmal Seto, den er wirklich mehr liebte als sein Leben, konnte ihm das geben. Aber es war Dark, den er geküsst hatte... nicht wahr?

Er berührte mit der Hand - Blackys Hand - unsicher die Wange des anderen Magiers. Dark wandte sein Gesicht der Hand zu. Sein Blick blieb auf seinem Geliebten, während er die Handfläche küsste und neckend mit der Zungenspitze leckte. Yugi erstarrte. Das war ein Spiel, das er von Yami kannte. Konnte das sein, wenn er in Blackys Körper war, konnte dann Yami...

Plötzlich wusste er es, wie man Dinge in einem Traum einfach weiß, obwohl man sie unmöglich wissen kann. Yugi traten die Tränen in die Augen. Er traute sich nicht, den Namen seines Partners auszusprechen, um den Traum nicht zu zerstören. Yami lächelte mit Darks Lippen, griff ihm mit der Rechten in den Nacken und zog ihn zu sich herunter. Und dann spielte es keine Rolle mehr, ob sie träumten, ob sie andere Körper hatten, nur noch, dass sie einander hatten. Beide waren sich vage bewusst, dass sie nicht allein waren, aber die beiden Magier waren im Einklang mit ihnen, Blacky war Yugi und Dark war Yami, und irgendwie funktionierte es.

Yugi stürzte sich auf die Gelegenheit, und Yami war nur zu willig, es mitzumachen. Darks gebrochener Arm war etwas hinderlich, auch wenn die Zaubertränke der Heiler schon eine Besserung herbeigeführt hatten. Also blieb der Pharao erwartungsvoll unter seinem Geliebten liegen und ließ sich von ihm liebkosen und verwöhnen. Yugi küsste seinen Hals und hinterließ sein Mal, um erst dann weiter nach unten zu gehen, all die Körperstellen berücksichtigend, an denen Yami es gerne mochte. Er wollte sich viel mehr Zeit lassen, aber gab es da nicht etwas, das Eile erforderte? Egal, er hatte Yami in den paar Tagen so vermisst, dass er sich gar nicht allzu sehr zurückhalten konnte. Zwar hatte er nicht so oft die aktive Rolle in der Dreierbeziehung, aber niemand konnte ihm nachsagen, dass er sie nicht zu spielen verstand. Zuletzt trieb er sich und seinen Partner gleichzeitig über die Grenze, und es schien, als hätte es in dieser Situation gar nicht anders sein können. Und damit löste er Blackys Magie aus.

Ein sanftes, goldenes Licht erstrahlte plötzlich um sie herum, während Yugi sich auf Yamis Brust fallen ließ. Seine Kraft schien aus ihm herausgesaugt zu werden, doch er gab sie gerne für das, was ihm gegeben worden war. Er fühlte sich erschöpft und glücklich.
 

Der kleine Hüter des Millenniumspuzzles erwachte von einem Moment auf den anderen in Blackys Bett. Er war verschwitzt und hatte die Folgen seines Traumes, oder was immer es gewesen war, in der Hose. [Na toll, jetzt kann ich mich noch mal umziehen.]

[Yugi!]

[Yami! Woah, du bist noch da? Dann habe ich doch nicht nur geträumt!]

[Nein, Partner. Aber ich spüre, dass unsere Verbindung wieder schwächer wird. Yugi... bitte pass auf dich auf.]

[Ich bin in guten Händen, Yami, mach dir keine Sorgen. Yami... ich liebe dich. Und sag Seto, dass ich ihn auch liebe, und ihr fehlt mir beide ganz schrecklich! Aber hier gibt es irgendeine Gefahr, die wir noch nicht kennen, und wir wissen nicht, ob unsere Welt auch in Gefahr ist, deshalb müssen wir sehr vorsichtig sein und dürfen nicht zu oft Kontakt zueinander haben. Bitte versuch nichts Unüberlegtes, nur um mich hier wegzuholen, Yami. Es könnte die ganze Welt ins Unglück stürzen.]

Yugi konnte Yamis Antwort nicht mehr wörtlich verstehen, aber er konnte spüren, dass der Pharao ihn verstanden hatte. Er fühlte eine letzte, liebevolle Berührung in seinem Geist, dann war Yami wieder fort. Yugi versuchte, nicht zu weinen, aber sein Gesicht war trotzdem nass, als er sich wusch und erneut umzog. Vor der Tür war Appi am Fluchen und Schimpfen, das konnte er anscheinend mit großer Ausdauer.

[Verzeih, Yugi,] hörte er nun wieder Blacky in seinen Gedanken. [Es war nicht ganz absichtlich, aber eine Chance, die ich ergreifen musste. Ich habe deine und Yamis Kraft benutzt. Hoffentlich fühlst du dich nicht zu erschöpft.]

[Ach, so ist das.] Yugi lächelte und ließ Blacky wissen, dass er lächelte. [Es gibt nichts zu verzeihen. Ich muss dir danken, Bruder.] Er fühlte Blackys Erstaunen darüber. Doch gleich darauf begann der Magier zu verstehen. Yugi freute sich, weil er Yami begegnet war, und dafür gab er gerne von seiner eigenen Kraft, zumal sie für Darks Heilung benutzt worden war. [Geht es Dark besser?] erkundigte er sich. Eigentlich wusste er die Antwort schon.

[Ausgezeichnet,] antwortete Blacky, und Yugi empfing die telepathische Entsprechung eines Grinsens. [Ich fürchte nur, dass der Pharao einen schweren Tag vor sich hat.]
 

***
 

Yami erwachte aus einem Traum, von dem er wusste, dass er mehr als nur ein Traum gewesen war. Er bekam noch mit, wie die Millenniumskette aufhörte zu schimmern, ehe ihn ein Anfall heftiger Kopfschmerzen brutal in die Wirklichkeit einer einsamen Nacht zurückholte. Stöhnend taumelte er ins Bad und übergab sich. [Nicht schon wieder! Ich dachte, das hätte ich hinter mir!] Doch die Übelkeit ließ nach, sobald sein Magen keinen Grund mehr hatte, sich zu beschweren. Die Kopfschmerzen blieben allerdings. Yami biss die Zähne zusammen und duschte erst einmal, um die Folgen seines Erlebnisses hinweg zu spülen. Danach suchte er sich einen neuen Schlafanzug aus Yugis Schrank. Er fühlte sich total erledigt, und er wusste, wieso.

Nachdem er mit Dark verschmolzen gewesen war, kannte er einen Teil von dessen Gedanken. Die Magier hatten ihre beiden "Gäste" für einen Zauber benutzt, um Dark zu heilen. Yami konnte sich gut an den schmerzenden Arm und verschiedene Prellungen erinnern. Was war da bloß passiert? Eine Erinnerung blitzte in seinem Gedächtnis auf, doch es war nicht seine eigene. Ein Trainingskampf? Und eine Aufgabe, die eine rasche Heilung erforderte. Anscheinend hatte Dark ihn mit ausreichend Wissen versorgt, damit er sich nicht zu sehr wunderte und vielleicht sorgte. Nun, dann wusste Yami wenigstens, warum er jetzt so litt. Aber er musste etwas dagegen unternehmen, oder er konnte den Schultag komplett vergessen.

Großvater zu wecken war eigentlich nichts, was er unter normalen Umständen in Erwägung gezogen hätte, aber er konnte auch schlecht selber nach irgendeinem Medikament oder Tee suchen, um seine Kopfschmerzen zu lindern. Allerdings wurde ihm diese Sorge abgenommen. Als er zögernd die Hand ausstreckte, um an die Schlafzimmertür zu klopfen, wurde sie bereits von innen geöffnet, und Sugoroku stand im Morgenmantel vor ihm. Das Zimmer wurde nur von einer Nachttischlampe leicht erhellt.

"Ah, habe ich mich also doch nicht getäuscht," stellte der alte Mann fest.

Yami lehnte sich gegen den Türrahmen. "Ich habe von Yugi geträumt... nein, ich war wirklich bei ihm..." seine Hand berührte die Millenniumskette, die er in seinem miserablen Zustand nicht einmal unter der Dusche abgelegt hatte.

Großvaters Augen weiteten sich. "Du warst im Reich der Schatten?"

Yami zuckte zusammen. "Au! Nicht so laut, bitte!"

Sugoroku bugsierte ihn zurück ins Bett. "Warte hier. Bleib am besten ganz ruhig liegen. Ich mache dir einen Kräutertee und hole eine Kopfschmerztablette. Aber dann will ich alles genau wissen!"

Yami überlegte, wie genau er das erzählen sollte, während er wartete. [Wir hatten Sex zu viert: zwei Magier, Yugi und ich? Aber jeweils zwei von uns waren in einem Körper zusammen? Wenn man das so sagt, hörte es sich echt krank an.]

Großvater kam rasch mit der Tablette und einem Glas Wasser zurück, da er Yami nicht warten lassen wollte, bis der Tee fertig war. Der Pharao war ihm dankbar dafür. Seit seinem Krankenhausaufenthalt hatte er auch schon Übung im Tablettenschlucken.

"Es fing wie ein Traum an," begann Yami schließlich. "Ich hatte die Gestalt des Schwarzen Magiers. Und Yugi hatte die Gestalt seines Partners, des Magiers des Schwarzen Chaos. Ich wusste, dass es Yugi war, auch wenn ich es nicht erklären kann. Wir teilten eine Vision. Und wir..." Er lief rot an. "Wir schliefen miteinander." Yami starrte verlegen auf seine Hände.

Großvater gab einen Laut von sich, als hätte er sich verschluckt. Yami machte sich auf ein Donnerwetter gefasst, erkannte dann jedoch, dass der alte Mann vor sich hin lachte. "Mir ist schon klar, dass eure Beziehung nicht rein platonisch ist," erklärte er. "Obwohl... normalerweise könnt ihr das nicht tun, oder? Ihr habt doch nur einen Körper..."

Es war nicht unbedingt das, was er mit Sugoroku besprechen wollte, aber Yami fand sich bereit, ihm zu antworten. "Auf einer geistigen Ebene haben wir beide einen Körper. In den Zimmern unserer Herzen. Es ist möglich."

Herr Mutou nickte nachdenklich. "Ich muss schon sagen... das kann ich mir alles nur schwer vorstellen. Aber ich sollte es mir auch gar nicht vorstellen, immerhin ist es euer Privatleben. Allerdings habe ich eigentlich immer gehofft, mal Urgroßvater zu werden..."

Yami biss sich auf die Lippe. Das hatte er sich schon gedacht. "Daran... kann ich leider nichts ändern.

"Ach, naja, dafür ist es ja auch noch viel zu früh. Solange Yugi glücklich ist, bin ich auch zufrieden." Großvater lächelte auf die ihm eigene, liebenswerte Art und tätschelte Yamis Schulter. "Mach dir wegen mir keine Gedanken. Ah, ich muss wieder in die Küche und nach dem Wasser sehen, das kocht sicher schon. Der Tee kommt gleich!"

Der Pharao seufzte und versuchte, sich einigermaßen gemütlich hinzulegen. Sein Kopf dröhnte nicht ganz so sehr, wenn er sich nicht bewegte. Er überlegte, vielleicht doch nicht zur Schule zu gehen, immerhin hatte er eine Ausrede. Dann aber machte er sich klar, dass dies die einzige Möglichkeit war, Yugi zu helfen. Und es war eine Herausforderung, der er sich stellen würde. Wäre doch gelacht! Nun, Lachen ging zur Zeit nicht ohne entsprechende Resonanz im Schädel.

Großvater kam bald darauf mit einer dampfenden Tasse Tee und einem Becher. Yami setzte sich unwillig wieder auf, um das Gebräu zu trinken. Es schmeckte stark nach Kräutern, vor allem Minze. Der alte Mann sorgte dafür, dass sein Patient wenigstens einen Becher leerte.

"Yugi hat mich erneut gewarnt, dass unsere Welt in Gefahr ist und wir keine Verbindung zu ihm suchen sollen," murmelte Yami dann. "Als ich aufgewacht war, hatte ich noch ganz kurz Kontakt zu ihm. Er ist in guten Händen. Aber ich mache mir trotzdem Sorgen, da er in einen Konflikt im Reich der Schatten hineingezogen wird, der auch uns betreffen kann. Er wird sich da gewiss nicht heraushalten."

"Ich vermute, du bist bereits entschlossen, ihm zu folgen. Sobald du einen Weg gefunden hast."

"Ja. Er hat mich noch nie im Stich gelassen, und ich ihn nicht. Ich werde jetzt nicht damit anfangen."

Großvater nickte bedächtig. "Ich dachte mir das schon. Und ich weiß nicht, ob ich mich darüber freuen soll. Wenn du fort bist, werde ich mich um euch beide sorgen müssen. Aber eigentlich, wenn ihr beide zusammen seid..." Das Gesicht des alten Mannes hellte sich auf. "Dann kann ja eigentlich nichts schief gehen. Ihr werdet die Welt einfach ein weiteres Mal retten!"

Yami schaffte ein Lächeln. "Ja, zumindest werden wir uns Mühe geben."

Natürlich wussten sie beide, dass es so einfach nicht sein würde.
 

***

Fortsetzung folgt.

Schulstress

Kapitel 14: Schulstress
 

Appi hatte eine Beule an der Stirn, als Yugi ihn im Gang vor Blackys Zimmer das nächste Mal sah. "Du kleiner Bengel bildest dir wohl sonst was ein, Anfänger! Wenn ich wollte, könnte ich dich in einen Floh verwandeln!

"Fein, dann würde ich dich stechen!" entgegnete Yugi liebenswürdig. Seine Kleidung hatte wirklich Ähnlichkeit mit der, die er in seiner Freizeit gerne trug: Glänzende Lederhosen, ein enges, schwarzes Shirt und coole Stiefel, auch in Schwarz. Vielleicht war all das Schwarz ein wenig übertreiben, aber er war immerhin als Blackys Schützling oder sogar sein Schüler bekannt geworden.

Appi betrachtete ihn missbilligend. "Du kommst dir wirklich mächtig wichtig vor! Imitierst du jetzt schon seine Klamotten?"

Yugi hob eine Augenbraue und musterte sein Gegenüber. Appi hatte sich auch umgezogen. Seine Hose sah genauso aus wie Darks, die er auf dem Spielfeld trug, nur mit anderen Stiefeln. Er trug einen silbernen Gürtel mit einem roten Edelstein, vorne und hinten hing eine Bahn Stoff herunter. Ein violettes, enges Oberteil mit einem weiteren roten Stein über der Brust und violette Armschienen komplettierten das Bild. Appi besaß einen grünen Zauberstab. Auch in der Spitze des Stabes ruhte ein roter, kugelförmiger Edelstein. Das Artefakt war anscheinend das eines Schülers, denn es war wesentlich kürzer als Darks Stab, aber doch nicht unähnlich.

"Was glotzt du so, Knirps?"

"Ach, ich fragte mich nur gerade, wer hier wen imitiert." Yugi grinste. "Soweit ich mich erinnere, hast du nur zwei Sterne. Also gib nicht so an!"

Appi stemmte die Hände in die Hüften. "Das sagt der Richtige! Du bist doch wahrscheinlich noch gar kein Mitglied im Schattenspielverein! Also gib du mal nicht so an!"

Der Kleinere runzelte die Stirn. "Schattenspielverein?"

Appi verschränkte selbstzufrieden die Arme vor der Brust. "Wusst' ich's doch! Voll keinen Plan, aber hier einen auf Spezialist machen!"

"He! Du hast angefangen! Du meckerst an mir rum, seit wir uns kennen!"

"Verdrehst du da nicht etwas die Tatsachen, Knirps?"

"Wie bitte? Das ist so! Behaupte nicht das Gegenteil!"

"Kinder, Kinder, hört auf zu streiten!" Freed kam die Treppe hoch. In voller Rüstung sah er recht imposant aus. "Appi, falls du wirklich Darks Lehrling wirst, musst du dich mit Yugi vertragen, da ihr euch ja wohl zwangsläufig oft begegnen werdet."

Sein Sohn warf dem anderen Jungen einen verächtlichen Blick zu. "Pah! Was kann der denn schon! Blacky wird ihn bald rauswerfen!"

"Im Gegensatz zu dir ist er ein begabter Telepath," teilte Freed ihm mit.

Jetzt war es an Appi zu starren. Aber er erholte sich schnell wieder. "Telepathie? Na klar, zu irgendwas müssen Kinder ja gut sein! Vielleicht besteht dann doch noch Hoffnung für dich, wenn du schon nur einen Stern kriegst, dann vielleicht wenigstens einen netten Effekt!"

"Es reicht! Ich bin schon siebzehn!" regte Yugi sich auf.

Die Reaktion war etwas anders als erwartet. Appi blinzelte ungläubig und fing dann schallend an zu lachen. "Was, soll das ein Witz sein? Ich an deiner Stelle würde das nicht weitersagen! Herrje, wie kann man in deinem Alter so klein sein?" Er krümmte sich und schnappte nach Luft vor Lachen.

Yugi seufzte. Anscheinend kam er gegen diesen Kerl nicht an.

In diesem Moment stießen Blacky und Dark zu ihnen. Sie trugen ihre Einsatzkleidung, sprich, was sie auf den Spielkarten anhatten. "Was ist denn hier los, Versammlung auf dem Flur?" erkundigte sich der Schwarze Magier.

"Ah, Meister! Da bist du ja! Es scheint dir besser zu gehen!" rief Appi erfreut.

[Hab ich was verpasst? Wann habe ich einen Schüler angenommen?] fragte Dark alle in der Runde, die ihn hören konnten.

"Dark hat nie gesagt, dass er dich in die Lehre nimmt," bemerkte Freed quasi zur Antwort.

Appi zuckte zurück, als hätte man ihn geschlagen. "Aber Vater! Dafür sind wir doch hergekommen! Hast du es denn nicht mit ihm besprochen?"

"Nein, Junge. Ich habe dir gesagt, dass du dich selber darum kümmern musst. Zwar haben all deine vorherigen Meister dich an den nächsten weiterempfohlen, aber damit ist es jetzt vorbei. Dark wusste von nichts. Dein letzter Meister hat zwar vorgeschlagen, dass du zu ihm gehst, aber er hat dich nicht empfohlen."

"Was?" Der junge Heißsporn war fassungslos.

Freed seufzte. [Dark... Tatsächlich haben Appis frühere Meister ihn immer an den nächsten empfohlen, um ihn loszuwerden. Ich fürchte, er ging ihnen ziemlich auf die Nerven. Aber das hat er nie begriffen.]

[Ah, verstehe. Dann ist er nur deshalb schon so weit gekommen, weil sein letzter Meister nicht mehr wusste, wohin er ihn schicken sollte.]

[Tja...Er hat das wohl irgendwie falsch verstanden.]

Dark wandte sich ernst an Appi. "Hast du mir was zu sagen?"

Der Blondschopf errötete leicht, richtete sich dann aber zu voller Größe auf und verkündete: "Jawohl! Ich bin Appi, dein neuer Schüler! Ich hatte schon acht andere Meister, du wirst also nicht mehr viel Arbeit mit mir haben, bis meine Ausbildung fertig ist!"

"So geht das aber nicht, mein Lieber," teilte Dark ihm mit. "Ich nehme dich nur als Schüler an, wenn ich es für richtig halte. Bis dahin solltest du etwas mehr Bescheidenheit lernen und an deinen telepathischen Kräften arbeiten. Du kannst hier in der Burg wohnen, aber bevor du mich Meister nennst, lerne von den anderen Magiern hier, was immer sie dir beibringen können. Wenn einer von ihnen meint, dass du zu mir kommen solltest, und dich mir empfiehlt, sprechen wir uns wieder."

Appi war wie vor den Kopf geschlagen. "Aber... warum darf dieser Knirps dann hier bei Blacky bleiben?"

"Dark hat mir vorgeschlagen, von deinem Bruder zu lernen," mischte sich Yugi ein. "Ich bin nicht offiziell Schüler hier."

"Aber nach den Traditionen des Schattenreiches ist er jetzt mein Schützling," fügte Blacky hinzu und legte ihm fast väterlich eine Hand auf die Schulter.

Appi setzte zu einer erneuten Erwiderung an, aber Freed hob die Hand und brachte ihn so zum Schweigen. "Das ist jetzt auch nicht wichtig, ihr könnt das später ausdiskutieren. Dark, ich konnte weder Silberschwinge noch Diamantkralle herbeirufen. Ich glaube, sie konnten mich gar nicht hören."

Dark runzelte die Stirn. "Das ist seltsam... Hältst du es für möglich, dass deine Söhne samt ihren Drachen einem Unfall oder Anschlag zum Opfer gefallen sind?"

Freed senkte den Blick. "Es ist nicht auszuschließen," sagte er leise. "Aber wenn sie tot wären, wüsste ich es."

"Lasst uns nach ihnen suchen," schlug Blacky vor. "Wir wissen, welches Gebiet sie absuchen wollten, da können wir anfangen."

"Für den Herrn des Chaos bist du erstaunlich gut organisiert," grinste Freed.

"Darauf hätte jeder kommen können," bemerkte Blacky. "Packt euch warme Sachen ein. Mava und Neo wollten zu den Gletscherfeldern hinter dem Eisgebirge. In dem Fall nehmen wir am besten Mad mit, der kennt sich mit Eis aus." Er marschierte in sein Zimmer, um ein paar warme Sachen für Yugi herauszusuchen.
 

Die Gruppe genehmigte sich noch schnell eine Mahlzeit in der großen Halle, und kurz darauf traf man sich auf dem Platz, von dem aus immer die Drachen abflogen. Appi trug eine dicke Mütze über seinem Stirnband und eine violette, gefütterte Jacke. Er beschwerte sich, dass es im Moment noch zu heiß dafür war.

Freed hatte einen anderen Umhang um, einen extra warmen. "Zieh deine Handschuhe an, Junge, später hast du vielleicht keine Gelegenheit, und der Wind hoch oben in der Luft ist besonders kalt."

Mad war nun auch bei ihnen, und er trug eine Maske und den grünen Umhang, wie man es von seiner Spielkarte kannte. Er schien keine weiteren Vorkehrungen gegen die Kälte getroffen zu haben. Aber wenn er ein Wassermagier war, der Eiswälle errichten konnte, brauchte er das wohl auch nicht.

Blacky und Dark hatten sich auch nichts weiter angezogen. Sie ließen ihre Stäbe sich auflösen, während auf Blackys Ruf hin Schattensturm aus dem Himmel herabsank. Da längst die Dunkelheit hereingebrochen war, sah man ihn kaum. Der Drache warf seinen Magierfreund bei der Landung um und kuschelte seine Nasenspitze an Blackys Gesicht.

"Waaah! Schattensturm, du tust mir weh, lass das! Hey! Lass mich aufstehen, verflixt!" fluchte der Magier des Schwarzen Chaos.

Dark ging kichernd neben ihm in die Hocke. "Tja, der gute Schattensturm freut sich eben immer noch, dass du noch unter uns weilst."

Blacky konnte schließlich den großen Reptilienkopf von sich wegschieben und aufstehen. Grummelnd klopfte er sich den Staub von der Kleidung. Dann sprang er dem schwarzen Drachen an den Hals wie ein Kleinkind. "Schattenstürmchen! Es ist so schön, wieder bei dir zu sein!"

Dark seufzte. "Kindskopf."

"Sag mal, Blacky, verwischt nicht deine Schminke, wenn du mit ihm kuschelst?" erkundigte Yugi sich.

Blacky deutete auf sein Gesicht, das nun, da er sein Spielkarten-Outfit trug, mit einem Zackenmuster an den Augen und am Kinn bemalt war. "Das? Oh, das ist verzauberte Farbe, sie ist wetterfest und verwischt nicht. Ach ja, kussfest ist sie auch."

"Blackyyyy..." Dark sah mal wieder aus, als wollte er im Boden versinken.

Ehe sie das Thema vertiefen konnten, erschien Magi mit einigen Gepäckstücken, die hinter ihr herschwebten. "Hier sind die Sachen, die du haben wolltest, Bruder. Darf ich echt nicht mitkommen?"

"Nein, Kleine, ich hab's dir doch erklärt. Jemand muss hier für Ordnung sorgen, während ich weg bin. Und dass du mir nicht heimlich folgst!"

"Och, menno, ich könnte euch doch viel besser..."

"Nein, Magi." Dark verteilte Taschen und Rucksäcke an alle Mitreisenden. "Wir werden vielleicht länger unterwegs sein und zwischendurch unter freiem Himmel übernachten. Und da wir nicht wissen, wo das sein wird und ob es da was zu essen gibt, ist hier gleichzeitig etwas Proviant drin."

Yugi nahm einen Rucksack entgegen. "Sollten wir nicht lieber warten, bis es hell wird? Ihr seid doch sicher noch erschöpft, ihr beiden."

"Oh, das könnte ich eher von dir erwarten. Wir haben deine Kraft mitbenutzt, aber hauptsächlich Yamis."

"Das geht?"

"Ja. Er weiß, was mit ihm passiert ist, und er hat sich nicht gewehrt, obwohl das in seiner Macht gestanden hätte. Schätzungsweise wird er einen hohen Preis dafür zahlen. Aber hier geht es vielleicht um Leben und Tod, also dürfen wir nicht länger zögern."

Yugi nickte verstehend. "Aber haben wir im Dunkeln eine Chance, Mava, Neo oder die Drachen zu finden?"

Dark grinste schief. "Hey. Ich bin ein Magier. Ein Finsternis-Magier."

"Kommt jetzt langsam mal zurande, damit wir heute noch wegkommen," rief Mad ihnen zu. Neben ihm landete gerade ein blauer Drache, den Yugi als den Speerdrachen erkannte, den Seto in seinem Deck hatte. Er war etwas kleiner als Schattensturm.

Blacky trug einen der größten Rucksäcke und saß bereits auf dem Rotaugendrachen. Yugi und Dark gesellten sich zu ihm, während Freed und Appi sich zum Speerdrachen begaben. Es war nicht ganz einfach, mit Rucksäcken hintereinander auf einem Drachen zu sitzen, aber sie schafften es irgendwie. Yugi war froh, dass Appi ihm nicht ins Ohr motzen konnte.
 

***
 

Als der Wecker klingelte, wusste Yami mit dem Geräusch zunächst nichts anzufangen. Irgendwann erhob er sich in eine sitzende Position, um dem Ärgernis auf den Grund zu gehen. Ach ja, das Ding, das Yugi immer weckte, wenn er zur Schule musste. Wie zum Teufel schaltete man das ab? Yami nahm den Wecker in die Hand und drückte alle möglichen Stellen, die wie ein Abstellknopf aussahen, bis er schließlich Erfolg hatte.

Wäre er nicht einmal Pharao gewesen und damit an lästige Pflichten gewöhnt - auch wenn er sich nicht daran erinnerte -, hätte er sich wohl direkt zurück in die Kissen sinken lassen. Aber er wusste, dass er sofort wieder einschlafen würde, und er musste ja zusehen, dass er Yugis Leben auf die Reihe brachte. Nur fühlte er sich nicht ausgeruht, sondern als hätte er drei Nächte durchgemacht. In seinem Kopf pochte ein dumpfer Schmerz, aber wenigstens war ihm nicht übel. Davon hatte er wirklich genug. So toll es auch war, einen Körper zu besitzen, er hatte ganz vergessen, wie unpraktisch das sein konnte.

Yami duschte nicht, das hatte er ja in der Nacht schon getan, sondern wusch sich nur. Selbst das ging fast über seine Kräfte. Zumindest belebte ihn das kalte Wasser ein wenig. Danach klopfte Großvater an seine Tür und verkündete, es gäbe bald Frühstück. "Okay," rief Yami und zog sich an. Wenigstens wusste er, was zur Schuluniform gehörte, die zog er ja hin und wieder mal an und aus... oder umgekehrt... Er hatte das Gefühl, sehr lange dafür zu brauchen, aber als der Duft von frisch aufgebackenen Brötchen und heißem Kakao zu ihm hoch driftete, sah er zu, dass er in die Küche kam. Er wollte Yugis Schultasche gleich mitnehmen - und stand vor einem neuen Problem. Was brauchte er heute alles? Da musste er wohl Seto fragen, der ihn bald abholen würde.

Mit dem Frühstück musste er sich beeilen, da er durch seine Trödelei beim Anziehen spät dran war. Seto erschien bereits, während der Pharao noch sein Brötchen verschlang. Yami zog ihn kauend nach oben und bat ihn, ihm zu erklären, welche Bücher und Hefte er einpacken sollte.

"Du hast doch in letzter Zeit viel geübt für die Schule, da solltest du wissen, was du brauchst," tadelte der Firmenchef ihn ungeduldig. Er wollte nicht zu spät kommen. "Übrigens brauchst du deine Sportsachen nicht. Dein Großvater hat mich angerufen und mir von heute Nacht erzählt. Ich habe den Arzt ein Attest ausstellen lassen, so dass du nicht am Sportunterricht teilnehmen musst."

Yami atmete auf. "Ein Glück, mein Schädel... aber sag mal, wie viel hat Großvater dir erzählt?"

Seto sah seinen Geliebten überrascht an. "Er sagte, du hattest eine Vision oder so, und dadurch ziemlich starke Kopfschmerzen. Wieso?"

Yami war rötlich angelaufen. Zum Glück hatte Sugoroku nichts Genaueres gesagt! "Ich erzähle es dir unterwegs. Mann, ich könnte auf der Stelle einschlafen!"

"Du hättest statt Kakao Kaffee trinken sollen. Naja, Yugi mag keinen, deshalb kocht dein... äh, sein... Was soll's, euer Großvater kocht keinen Kaffe, nicht?"

"Hm... hilft Kaffe gegen Erschöpfungszustände?"

"Gegen Müdigkeit. Das muss ja ne tolle Vision gewesen sein, wenn du so fertig bist."

Sie mussten sich nun aber wirklich beeilen. Sugoroku drückte Yami eine Lunchbox und eine Thermoskanne von seinem Kräutertee in die Hand und gab ihm die Schachtel mit den Tabletten. "Tu einfach dein bestes, Yami! Und nimm die Pillen nur, wen es sein muss!"

"Danke, Großvater." Yami stieg zu Seto in den hinteren Bereich der Limousine.

Seto trennte den Bereich des Fahrers von ihrem mit einer hochfahrbaren Scheibe ab. "So, was war nun los heute Nacht?"

Yami erzählte es ihm etwas detaillierter als dem alten Mann. Er beschrieb, dass ein Zauber zu Darks Heilung am Werk gewesen war, für den die Magier ihm Kraft abgezapft hatten. Kraft, die er ihnen bereitwillig gegeben hatte, weil er sonst nichts tun konnte, um zu helfen. Aber jetzt zahlte er dafür. Er lehnte an Setos Schulter und war fast eingeschlafen, als sie die Schule erreichten.

Sie mussten sich beeilen, um noch rechtzeitig in die Klasse zu kommen, aber Seto fand sogar noch Zeit, einen Kaffe aus einem Automaten zu ziehen. "Hier, trink," ordnete er an.

Yami gehorchte, verbrannte sich fast die Lippen und verzog das Gesicht wegen des bitteren Geschmacks. Er musste die Hälfte schnell im Waschbecken entsorgen, weil die Lehrerin im Anmarsch war. Das Getränk belebte ihn immerhin ein bisschen, konnte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass er sich total ausgelaugt fühlte. Er hatte gerade noch Zeit, seine Freunde zu begrüßen, die bereits an ihren Plätzen saßen und besorgt auf ihn gewartet hatten. Yami bemerkte, dass alle Tische und Stühle neu waren. Seto hatte sich nicht lumpen lassen, um die zerstörte Einrichtung zu ersetzen.

Gleich die erste Stunde war Englisch, aber das war gar nicht das schlimmste. Frau Morikawa brachte die Klasse zum Schweigen. Sie war etwa vierzig und trug ihr dunkles Haar zum Zopf geflochten. "Wie ich sehe, ist Yugi Motou auch wieder unter uns. Das freut mich, ich hörte, du hattest eine schwere Kopfverletzung. Wie geht es deiner Hand?"

Das Gelenk war nicht mehr verbunden. "Danke, es geht. Aber, ähm... ich habe noch ab und zu... Schwindelanfälle." Ja, das klang glaubwürdig, nicht wahr? Yami hoffte, es war eine gute Antwort.

"Nun, das wird dich sicher nicht von deiner Strafarbeit abhalten, die du zusammen mit Ryou Bakura abarbeiten wirst. Ihr werdet ab heute für eine Woche den Reinigungsdienst übernehmen. Das sollte euch eine Weile beschäftigen und euch Gelegenheit geben, eure Differenzen ohne Gewalt zu klären. Ich kann Schlägereien in meinem Klassenraum nicht dulden! Das ganze Kollegium hat sich über mich lustig gemacht, weil zwei meiner Schüler die Einrichtung zertrümmert haben!"

In der Klasse hatte sich ein betretenes Schweigen ausgebreitet. Yami starrte mit hochrotem Kopf auf seinen Tisch. Ryou sah ebenfalls sehr verlegen aus.

Als Nächstes fragte die Lehrerin die beiden Übeltäter, ob sie denn auch fleißig die Vokabeln gelernt hatten, immerhin hätten sie ja Zeit gehabt. Ryou und Yami mussten dann an die Tafel kommen und Wörter anschreiben, die sie abfragte, während die anderen Schüler in ihre Hefte schrieben. Der Weißhaarige hatte keine großen Probleme, aber Yami versagte auf der ganzen Linie, und das hauptsächlich vor Nervosität. Er erinnerte sich bei den meisten Vokabeln, sie geübt zu haben, aber nun kam er nicht darauf. Einige fielen ihm ein, aber er machte Rechtschreibfehler.

"Wirklich, Yugi, du enttäuschst mich. Deine Leistungen sind doch sonst nicht so schlecht," beschwerte sich Frau Morikawa.

Yami war nahe daran, es auf seine Kopfschmerzen zu schieben, verkniff es sich aber. Das würde nur nach einer schwachen Ausrede aussehen. "Ich... werde mich bessern," presste er hervor.

"Und ich helfe dir," lächelte die Lehrerin. "Zu morgen schreibst du alle Vokabeln dieser Lektion dreimal ab."

"Aber... ich muss doch nachher noch..." begann er, biss sich jedoch auf die Lippe und schwieg, als er ihres strengen Blickes gewahr wurde. Zutiefst gedemütigt ging er zurück zu seinem Platz, begleitet vom Murmeln der Klasse. Das fing ja gut an.

In der folgenden kleinen Pause erfuhr er, dass Ryou schon am Donnerstag wieder in der Schule gewesen war, aber die Lehrerin hatte mit ihrer Strafpredigt gewartet, damit sie sie nicht doppelt sagen musste.

Seto brachte ihm noch einen Becher Kaffe. "Du könntest die Vokabeln in der Sportstunde abschreiben," schlug er vor.

Yami nickte nur. Er fühlte sich miserabel und total unfähig. Auch Theas aufmunternde Worte und Tristans und Joeys Sprüche konnten ihn nicht trösten. Zudem grinste ihn Bakura von der anderen Seite des Raumes her berechnend an. Großartig.

Biologie sagte Yami wenig, aber er fand das Thema immerhin ganz interessant. Viel wichtiger aber war, dass er das Fach nicht bei der Klassenlehrerin hatte und nicht drangsaliert wurde. Anders in Mathe. Frau Morikawa schien ihn die ganze Zeit zu beobachten und auf irgendeinen Grund zum Meckern zu warten. Er musste wirklich in Ungnade gefallen sein. Irgendwann stand sie auf und kam zu seinem Tisch.

"Yugi, denkst du nicht, dass du heute noch mit den Aufgaben fertig werden solltest?"

Er blickte verwundert zu ihr auf. "Wieso? Die anderen rechnen doch auch noch."

Sie seufzte, als wäre er ein hoffnungsloser Fall. Den Verdacht hatte er auch fast. "Willst du nicht mal deinen Taschenrechner benutzen?"

Yami musterte das Gerät, das unberührt vor ihm lag. "Ähm... muss ich?" [Verdammt, wie funktioniert das nun schon wieder?]

"Nun, wenn du den Radius und das Volumen des Kegels ohne Rechner ausrechnen kannst, soll mir das auch recht sein," entgegnete sie in warnendem Tonfall.

Yami lächelte erleichtert, anscheinend war ja doch alles in Ordnung. "Ist gut!" Er wandte sich wieder seiner Aufgabe zu und rechnete weiter.

Die Frau stemmte die Hände in die Hüften. "Herr Motou! Willst du dich heute mit mir anlegen, oder was? Es reicht! Geh vor die Tür!"

"Aber..." Ihr wütender Blick brachte ihn zum Schweigen. Hätte hier nicht Yugis Ruf auf dem Spiel gestanden und wäre er nicht so müde gewesen, hätte er sich vermutlich wirklich mit ihr angelegt. So allmählich reichte es ihm, was hatte er denn jetzt wieder falsch gemacht? Brauchte sie nur jemanden zum Drangsalieren? Er ballte die Hände zu Fäusten, erhob sich und hielt mühsam beherrscht den Mund, während er die Klasse verließ. Die Schüler begannen zu tuscheln. Yami fing einen mitleidigen Blick von Seto auf, sah sich aber nicht zu Joey und den anderen um, die hinter ihm am Fenster saßen.

Vor der Tür ließ Yami sich an der Wand zu Boden sinken. Er hatte sich Mühe gegeben mit den Matheaufgaben. Was war daran auszusetzen? Hatte er irgendeine Regel verletzt, ohne es zu merken? Gleichzeitig war er wütend auf die Lehrerin, weil sie ihn so behandelte. Warum ließ sie ihn nicht einfach in Ruhe, statt ihn immer vor der Klasse bloßzustellen? Man sollte doch meinen, dass er nach seiner "Krankheit" etwas Rücksichtnahme verdient hätte, auch wenn er nicht ganz unschuldig an dem Vorfall war. Naja, vielleicht war es ein Fehler gewesen, nur den Unterrichtsstoff zu lernen. Yami hätte lieber fragen sollen, wie er sich richtig zu verhalten hatte, aber manche Sachen erschienen so unwichtig im Vergleich zu anderen, dass er keinen Gedanken daran verschwendet hatte. Er musste Frau Morikawa wohl irgendwie beleidigt haben, entschied er schließlich. Trotzdem. Sie hatte Glück, dass er so müde war.

Hätte er nicht bald darauf Joeys Stimme drinnen immer lauter werden gehört, wäre Yami wohl tatsächlich eingeschlafen. Sein Freund setzte sich offensichtlich für ihn ein. Der Pharao lächelte. Das war so typisch, aber auch sehr unvernünftig. Es reichte doch, wenn einer von ihnen in Ungnade fiel. Nicht lange, und Joey leistete ihm vor der Tür Gesellschaft.

"Das wäre nicht nötig gewesen," tadelte Yami ihn freundlich.

"Doch, Mann, das war nötig. Die Alte hat dich in Englisch schon so fertig gemacht. Die wartet doch nur auf eine Gelegenheit," widersprach Joey heftig, wobei er sich wenigstens bemühte, leise zu sein, um nicht noch mehr Ärger heraufzubeschwören. "Ich hab ihr gesagt, in deinem Rechner wären die Batterien leer. Hab ihn gegen meinen ausgetauscht, als sie nicht hinsah." Der Blonde zeigte ihm grinsend die kleinen Knopfbatterien.

"Hat sie dir das geglaubt?" fragte Yami, der zwar wusste, dass viele der seltsamen Geräte dieses Jahrhunderts mit Batterien oder Akkus betrieben wurden, aber er hatte nie begriffen, wie man mit kleinen runden Dingern Licht machen konnte.

"Wollte wissen, warum du ihr das nicht selber sagen konntest. Ich habe behauptet, dass deine Medikamente dich etwas schwer von Begriff machen, so dass dir die Antwort nicht gleich einfiel." Joey grinste verlegen. "Tut mir Leid... Als ich raus bin, hat sie sich gerade dein Heft genommen, um die Aufgaben zu überprüfen."

Yami seufzte. "Verdammt. Bestimmt hat sie daran auch etwas auszusetzen und lässt mich irgendeine Extraaufgabe machen. Gerade heute bin ich so furchtbar müde... und dann muss ich noch diese Strafarbeit machen..."

Der Blonde setzte sich besorgt neben ihn. "Alles in Ordnung? Du hast doch nicht etwa heute Nacht mit Kaiba...?"

"Joey, du weißt, dass wir das vor Schultagen nicht machen. Ich erzähl's dir, aber nicht hier. Warte bis nachher, wenn wir irgendwo in Ruhe reden können." Yami konnte sich denken, dass sein Freund halb ausflippen würde, wenn er erfuhr, dass er Yugi getroffen hatte, also hütete er sich, das jetzt zu erwähnen.
 

Sie mussten draußen bleiben, bis die Stunde um war, was aber nur noch zehn Minuten dauerte. Als Yami seine Sachen zusammenpackte, blieb Thea kurz neben ihm stehen.

"Sie hat noch dein Heft, du sollst kurz nach vorne kommen. Wir warten draußen, ja?"

Yami nickte nur. Heute blieb ihm auch nichts erspart. Er packte etwas langsamer, damit alle anderen gegangen waren, ehe er sich an die Frau wandte, die er inzwischen als seine persönliche Feindin betrachtete. "Ähm... Sie wollten mich noch sprechen?" [Jetzt kommt's. Rechne alle Aufgaben von Seite 43 zu morgen. Wann soll ich für den Test am Mittwoch lernen?]

"Yugi, wenn ich nicht gesehen hätte, dass du nirgends abgeschrieben hast, würde ich annehmen, dass du genau das getan hast," begann die Lehrerin.

"Aber... ich habe das alles selber gerechnet!" verteidigte Yami sich.

"Rechne bitte an der Tafel die Aufgabe 4," verlangte sie und stellte ihm ihr Buch zur Verfügung, damit er die besagte Aufgabe ablesen konnte.

Verwirrt kam Yami der Aufgabe nach. "Die Grundfläche eines Kegels hat den Durchmesser 4,2 cm. Die Gesamtoberfläche beträgt 77,5 cm². Berechne Höhe und Umfang." [Wenn's weiter nichts ist...]

Yami brauchte etwas länger als gewöhnlich, da er nur vom Kaffee wach gehalten wurde, und die Augen der Frau in seinem Rücken machten ihn nervös. Aber er hatte die Aufgabe schnell gelöst. Und wurde ungläubig angestarrt.

"Das... ist unglaublich! Wo hast du das gelernt?"

Yami fand es etwas unpassend, ihr die wahre Antwort zu sagen, zumal er sich an die Namen seiner Lehrer nicht erinnerte. Aber sollte nicht jeder Schüler in dieser Klasse so etwas rechnen können? Warum war sie so erstaunt? "Ähm... in der Schule?" antwortete er unsicher.

"Nein, ich meine, wie schaffst du das alles ohne Rechner?" formulierte sie ihre Frage um.

Darauf fiel ihm keine Antwort ein, die sie ihm geglaubt hätte. [In Ägypten gab es diese kleinen Dinger nicht und ich habe keine Ahnung, wie man eins benutzt.] Etwas sagte ihm, dass es besser war zu schweigen. Doch dann fiel ihm etwas ein, das vielleicht Sinn machte. "Ähm... mein Großvater ist Ägyptologe. Er hat mir geholfen. Die Ägypter haben schon viele dieser Rechnungen gekannt..."

"Aber du benutzt nicht die gleiche schriftliche Form, die in der Schule gelehrt wird," unterbrach sie ihn. "Du kannst anscheinend auch sehr gut Kopfrechnen. Hat dir das alles dein Großvater beigebracht?"

"Ist es denn falsch?" wich Yami der Frage aus.

"Nein, nein, das kannst du natürlich so machen. Fast alle Aufgaben sind richtig, und die Fehler sind minimal." Sie gab ihm sein Heft zurück. "Ich muss mich entschuldigen... anscheinend gab es da vorhin ein Missverständnis zwischen uns."

Yami verstand jetzt gar nichts mehr, aber er beließ es dabei und machte, dass er wegkam.
 

"Du meine Güte, hat das lange gedauert," beschwerte sich Tristan, als Yami endlich wieder zu den Freunden stieß. "Die Mittagspause dauert nicht ewig."

Zu fünft fanden sie einen Platz auf dem Hof unter einem Baum und packten ihre Lunchpakete aus, Seto zusätzlich seinen Laptop, auf dem er kurz darauf eifrig herumtippte. Der Firmenchef hörte mit einem Ohr zu, als Yami die Ereignisse der Nacht schilderte - in einer etwas abgeschwächten Version. Seto grinste. Dann berichtete Yami über sein Gespräch mit der Lehrerin. Er wusste nicht, wo das Problem lag.

Joey fand als Erster seine Sprache wieder. "Du willst uns weismachen, dass du geometrische Figuren im Kopf berechnen kannst, oder nur mit geringem schriftlichem Aufwand?"

"Äh... ja, und?"

"Mann, du bist ein Wunderkind!"

"Dass du das sagst, ist ja klar, Wheeler," warf Seto ein. "Schließlich kannst du gerade mal deine Punkte bei Duel Monsters ausrechnen, und bei dir ist *das* schon ein Wunder!"

"Heee! Nicht jeder wird von klein auf darauf gedrillt, Firmenanteile zu berechnen!" motzte Joey zurück und fing sich dafür von dem Braunhaarigen einen giftigen Blick ein.

"Bei deinen mickrigen Finanzen gab es freilich nie viel zu rechnen," entgegnete Seto. "Aber du bist sicher gut darin, Minusbeträge zusammenzuzählen!"

"Jetzt hört doch auf!" mischte sich Yami ein, ehe der Streit eskalieren konnte. "Kann mir jemand erklären, wie der Taschenrechner funktioniert?"

"Eigentlich brauchst du ja anscheinend gar keinen," fand Thea, erbarmte sich aber dennoch und zeigte es ihm.

Danach wurde einstimmig beschlossen, dass antike Ägypter nicht für solche Dinge geeignet waren und lieber ihre Finger davon lassen sollten.
 

***

Fortsetzung folgt.

Gefährliche Putzmittel

Hallo! Dieses Kapitel spielt wieder teilweise in der Schule, wird also wieder spaßig, wie ich hoffe. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass mir der Vorrat an Kapiteln ausgegangen ist, weil ich eine heftige Inspiration für Eternity II habe (musste ja passieren...). Aber ich gehe davon aus, dass das nächste Kapitel noch pünktlich kommt. Ich bitte schonmal um Verzeihung, falls sich danach die Fortsetzung verzögern sollte. *demütigst verbeug*
 

Kapitel 15: Gefährliche Putzmittel
 

Yugi teilte sich ein Zelt mit seinen beiden Blutsbrüdern, während Mad, Freed und Appi das andere belegten. Sie hatten eine Reise zum Eisgebirge von etwa 3 Stunden hinter sich und zusätzlich 2 Stunden nach Mava und Neo gesucht. Die Drachen hatten viel Ausdauer, aber allmählich machte sich Hunger breit. Davon abgesehen taten den Menschen schon alle Knochen weh von dem langen Ritt. Daher hatten sie beschlossen, erst einmal ihr Lager aufzuschlagen.

Die Magier besaßen Zelte, die eigentlich viel zu groß waren, als dass sie in einen Rucksack passen konnten. Yugi ignorierte diese Tatsache geflissentlich und freute sich, so etwas wie ein Bett zu haben. Sein Schlaflager war bequemer als das in Talimecros' Gästezimmer. Aber etwas war äußerst merkwürdig: Das Tier, das sich zu seinen Füßen zusammengerollt hatte, war ein schwarzer Drache mit roten Augen. Offenbar konnten Drachen, die sich Magiern angeschlossen hatten, ihre Gestalt so variieren, dass sie nur noch die Größe eines Raben hatten. Yugi wusste nicht, ob das eine allgemeine Fähigkeit dieser Wesen war oder ob das vielleicht Blacky getan hatte, jedenfalls schien es Schattensturm zu gefallen, ihm sozusagen zu Füßen zu liegen. Es war erholsamer für ihn, als erst wegzufliegen und nach der Pause zurückzukommen. Yugi fütterte ihn mit warmen, knusprigen Brotstücken. Das Gebäck schmeckte wie frisch aus dem Ofen, dabei hatten sie es stundenlang mit sich herumgeschleppt. Vielleicht sollte er doch versuchen, ein Magier zu werden, hatte ganz sicher seine Vorteile.

Blacky und Dark schliefen fest, fast so, als könnten sie das auf Kommando. Yugi aß sein Brot auf und versuchte, ebenfalls etwas Ruhe zu finden. Aber er machte sich Sorgen. Ob wohl diese seltsame Bedrohung, die noch niemand kannte, Mava und Neo erwischt hatte? Hatte der böse Geist, der zuerst in Blacky gesteckt hatte, woanders zugeschlagen, und wenn ja, war er allein oder hatte er Verbündete?

Irgendwann musste er wohl doch eingeschlafen sein, denn Dark weckte ihn und scheuchte ihn aus dem Zelt. Es war später Vormittag, also war die Pause nicht zu lang gewesen. Blacky, Dark, Mad und Appi packten die magisch beschaffenen Zelte gekonnt zusammen, was den Lehrling überhebliche Blicke in Yugis Richtung werfen ließ, da er sich überlegen fühlte.

"Mein Sohn bräuchte wirklich jemanden, der ihn anspornt. Willst du nicht ernsthaft bei den beiden in die Lehre gehen?" schlug Freed vor, der die Vorgänge wie Yugi von der Seite aus beobachtete.

Auf seiner Schulter saß der Speerdrache, der momentan ein ähnliches Format hatte wie Schattensturm. Letzterer befand sich auf Yugis Arm wie ein kleines Hündchen.

Der Junge blickte nachdenklich in den Schnee zu seinen Füßen. "Naja... ich habe mir gedacht, solange ich hier bin, kann es nicht schaden. Aber wir haben irgendwie nie dafür Zeit."

"Na, wer weiß, vielleicht bist du ja auch ein Krieger oder etwas ganz anderes," mutmaßte der Blonde.

"Nein, ich fühle mich zur Magie eher hingezogen als zu den Waffen," befand Yugi. Es war auch ganz logisch, immerhin hatte er schon immer den Schwarzen Magier als sein Lieblingsmonster gehabt. "Ich habe immer überlegt, dass ich von allen Duel Monstern am ehesten Maha Vailo ähnlich bin. Aber jetzt frage ich mich, ob ich dieser Idee gerecht werden kann."

Freed musterte Yugi prüfend und meinte schließlich: "Dein Effekt wäre hoffentlich ein anderer. Mavas besondere Fähigkeit macht ihn müde, laugt ihn manchmal regelrecht aus. Dein Körper ist zu klein dafür, du würdest die Belastung nicht lange aushalten."

"Na toll," seufzte Yugi. [Zu was bin ich dann zu gebrauchen?]

"Vielleicht würdest du durch deine Anwesenheit deine Freunde stärken oder so etwas," überlegte der Krieger neben ihm.

Yugi lächelte; er musste an Theas Ring der Freundschaft denken. Aber Freed hatte nicht ganz Unrecht. Seine Freunde hatten ihm immer Mut und Entschlossenheit gegeben. "Wie wird man ein Duel Monster, und wer bestimmt, was auf der Karte steht?" wollte er wissen.

"Oh, manchmal passiert es von selbst, wenn man sich durch große Taten hervortut. Dann wird die Welt des Blauen Lichts auf dich aufmerksam und ruft dich herbei. In allen Zeiten gibt es Menschen, die das können. In deiner Zeit haben die Menschen den Glauben an unsere Welt verloren, aber wir kommen zu ihnen durch die Karten. Gibt es nicht jemanden, der sie gestaltet? Ihnen Leben einhaucht?"

"Pegasus... Er zeichnet alle Bilder persönlich," murmelte Yugi fasziniert.

"Dann wird er vielleicht auch dich zeichnen und dir einen Text geben. Er wird wissen, welcher der richtige ist," meinte Freed zuversichtlich. "Wenn du ein bisschen nachhelfen willst, kannst du dich dem Bündnis der Schattenspiele anschließen. Seine Mitglieder prüfen Kandidaten auf ihre Eignung und versuchen, deren Existenz in der anderen Welt bekannt zu machen, so dass sie *erfunden* werden, wie man es heute wohl nennt. Früher war es etwas anders, aber heute läuft es so ab, dass jemand von dir träumt oder sonst wie auf die Idee kommt, eine Karte von dir zu zeichnen - Pegasus, sagst du?"

"Ja. Ihm gehört eine große Firma, die Duel Monsters Karten herstellt."

"Wenn du eine besondere Gabe entwickelst, wird er es vielleicht wissen und dich als Karte entwerfen, und dann kannst du gespielt werden. Aber leider werden nur noch wenige echte Schattenspiele ausgetragen. Es ist also unwahrscheinlich, dass du wirklich beschworen wirst."

"Ich finde das nicht schade! Alle Schattenspiele, die ich kenne, dienten der Zerstörung der Welt!"

"So? Oh... wie bedauerlich. Nun ja... einige von uns sind so wie Dark. Sie haben sich vor langer Zeit an die Seele eines Menschen aus der anderen Welt gebunden. Ein Teil von Dark ist im Deck des Pharaos, in dem sich seine Karte befindet. Und damit in deinem. Du und Dark, ihr seid durch mehr als eine Art verbunden."

Yugi versuchte, die neuen Informationen zu verarbeiten. Er hatte immer gewusst, dass seine Magierkarte etwas Besonderes war, aber dass es so ernst war... "Was passiert, wenn mein Deck in die falschen Hände fällt?" fragte er. Die Vorstellung war ihm zuwider, aber es hatte schon öfter jemand versucht, ihm die seltene Karte wegzunehmen. "Oder wenn ich es einem anderen anvertraue?" fügte er hinzu, denn das konnte ja auch passieren.

"Ich weiß es nicht," gestand Freed. "Ich selbst halte es für zu riskant, solch eine Bindung einzugehen."

Dark kam in diesem Moment dazu und händigte jedem von ihnen einen Rucksack aus. Er hatte Freeds letzte Bemerkung gehört. "Onkel, mach dir nicht immer so viele Sorgen. Du hast doch außerdem den Pharao auch immer als Krieger geschätzt und mir schon so oft gesagt, dass er eine gute Wahl war."

"Ja, er war eine gute Wahl, das heißt aber nicht, dass ich dein Handeln gut finde. Die Menschen lassen uns ihre Kriege kämpfen!"

"Sie helfen uns auch, nur kommt das seltener vor. Und dieses Mal ist es wohl wieder ein Fall, der beide Welten betrifft. Dass Yugi hier ist, kann kein Zufall sein."

Freed seufzte. "Du glaubst zu sehr an das Schicksal, Dark."

"Komisch, wenn es um Tante Shadow geht, denkst du ganz anders über das Schicksal!" schoss der Magier zurück.

Der Blonde errötete ansatzweise. "Das ist doch gar nicht zu vergleichen!"

Yugi grinste. "Shadow? Heißt etwa deine Frau so?"

"Nun, ähm, ja. Solch eine Kriegerin gibt es nicht noch einmal. Seltsam, dass all unsere Kinder Magier geworden sind..."

"Man kann sich aber auch auf nichts verlassen!" neckte Dark den Mann. "Aber ich muss gerade reden - meine Mutter ist ne Fee."

"Was?" Yugi wollte das gerne genauer wissen, doch er kam vorerst nicht dazu.

"Wir sind schon lange fertig, können wir endlich weiterfliegen?" drängte Appi, sich seinen Rucksack aufsetzend.

Die Drachen flogen von ihren gemütlichen Plätzen auf, um wieder ihre normale Gestalt anzunehmen, und es ging wieder los. Dark und Blacky nahmen Yugi in die Mitte, und so hatte er es einigermaßen warm, sofern man bei diesen arktischen Temperaturen davon sprechen konnte.
 

***
 

Physik war ein Fach, das Yami überraschend interessant fand. Es erklärte einige der Dinge, die er an dieser Zeit so seltsam fand. Heute erläuterte ihnen der Lehrer, wie ein Mikrowellengerät und ein Kühlschrank funktionierten. Yami hielt es für wichtig zu wissen, dass man kein Metall in die Mikrowelle tun durfte, und es war schön zu erfahren, aus welchem Grund. Auch wenn ihm der Teil mit den unsichtbaren Strahlen, die Molekühle zum Schwingen brachten und dadurch Nahrungsmittel erwärmen konnten, nicht ganz einleuchtete. Er stellte es sich als eine andere Art von Magie vor, das half. Warum nannten die Menschen des zwanzigsten Jahrhunderts sowas Logik? Logisch war ja wohl eher, dass man kaum die Augen offen halten kann, wenn man sich in der Nacht fleischlichen Gelüsten in Kombination mit magischen Heilungsritualen hingegeben hat.

Während die anderen Sport hatten, schrieb er die Vokabeln ab, die ihm die Englischlehrerin aufgebrummt hatte. Oder zumindest versuchte er es. Durch seine Übermüdung kam er langsam voran und verschrieb sich oft. Am Ende gab er es auf und versuchte stattdessen, ein kleines Nickerchen zu halten, doch der Kaffe, den er getrunken hatte, vereitelte das.

Aber das schlimmste Ereignis des Tages war ja wohl das Reinigen des Klassenraumes und des angrenzenden Flures. Das war einfach unter seiner Würde. In dem Moment war er froh, dass er sich nicht an seine Zeit als Pharao erinnerte, also musste er sich auch nicht ganz so sehr erniedrigt fühlen. Zu seiner Überraschung erschien Bakura, um seinen Teil der Strafarbeit zu leisten. Nicht Ryou. Das war natürlich richtig so, immerhin war es ja auch der Geist, der an dem Schlamassel Schuld hatte. Trotzdem war es seltsam, dass er den unangenehmen Teil nicht auf sein anderes Ich abschob.

Thea, Tristan, Joey und Seto wollten den beiden helfen oder ihnen wenigstens Gesellschaft leisten, aber Frau Morikawa kam des Weges, um die Ausführung zu überwachen, und scheuchte sie auf den Hof. Also mussten die beiden allein schuften, wobei sie hin und wieder von der Lehrerin kontrolliert wurden.

"Ich habe gehört, Duke hat dich auch zu der Party von Pegasus morgen eingeladen," begann Bakura plötzlich, während er auf einem besonders hartnäckigen Fleck herumschrubbte. "Wie wär's dort mit einem kleinen Duell? Ich könnte dich zu deinem schwachen Freund schicken." Er grinste fies.

Yami hob eine Augenbraue, die Drohung ignorierend. "Dann wirst du wohl auch da sein?"

"Naja, Ryou ist dort, also automatisch auch ich, nicht wahr."

"Wundert mich, dass Pegasus dich zu sich rein lässt."

"Oh ja, wundere dich nur, Pharao. Und wer weiß, vielleicht siehst du den kleinen Yugi ja schneller wieder, als dir lieb ist. Pass schön auf, dass du mir nicht den Rücken zuwendest!"

Yami wusch seinen Lappen aus und wickelte ihn dann erneut um die Bürste seines Schrubbers. "Krieg dich ein. Du hast es vielleicht noch nicht mitbekommen, aber vom Reich der Schatten geht eine fremde Bedrohung aus, die wir lieber nicht auf unsere Welt loslassen sollten."

"Wenn du dir solche Sorgen um die Welt machst, warum schrubbst du dann hier den Fußboden?"

"Weil es im Moment alles ist, was ich tun kann, ohne jemanden zu gefährden. Im Übrigen ist Yugi nicht schwach, das wollen wir nur mal klarstellen."

"Du musst es ja wissen - vögelt er dich?"

Yami ließ sich damit nicht provozieren. Immerhin schämte er sich nicht für seinen Geliebten. "Ja, manchmal. Aber das geht dich nichts an, denke ich." Er lächelte den anderen Geist freundlich an, was diesen mehr ärgerte als eine Beleidigung. "Warum putzt *du* eigentlich hier den Boden?"

Bakuras linke Augenbraue zuckte gefährlich, er lief rot an, doch sein Wutanfall blieb aus. "Ich, äh... wollte mich mal wieder, ähm, nett mit dir unterhalten." Er schaffte ein fieses Grinsen, wie um anzudeuten, dass er unter *nett unterhalten* nicht das Übliche verstand. Als ob das nicht jeder wusste.

"So." Yami stützte sich auf dem Stiel seines Schrubbers ab und dachte über die Worte nach. "Vielleicht kannst du mir dann ja mal eine Frage beantworten?"

Bakura sah ihn herausfordernd an. "Frag."

Der Pharao deutete auf eine der Reinigungsmittelflaschen. "Was bedeutet eigentlich das Zeichen mit dem schiefen Kreuz, wo *reizend* drunter steht?"

Bakuras Blick folgte dem Fingerzeig. Er starrte das Symbol stirnrunzelnd an. "Ich weiß es nicht. Oh, warte..." Er schloss kurz die Augen. "Aha. Die Dämpfe, die von dem Zeug ausgehen, reizen die Schleimhäute der Atemwege, wenn man sie einatmet."

"Ist das schlecht?"

"Hört sich ganz so an, was?" Bakura ging zu der Flasche, die mit zwei anderen Mitteln in der Nähe des Putzeimers stand, und nahm sie in die Hand, um sie genauer zu untersuchen. "Verdammt, das verstehe ich alles nicht. Was ist denn Phosphorsäure? Ach, warte, da steht es: Reizt die Augen und die Haut. Unter Verschluss und für Kinder unzugänglich aufbewahren. Bei Berührung mit den Augen sofort gründlich mit Wasser ausspülen und den Arzt konsultieren. Bei Berührung mit der Haut sofort mit viel Wasser abwaschen. Bei Verschlucken... He, Pharao!"

Yami war in den Klassenraum gerannt, um sich die Hände zu waschen. "Ich habe den Lappen in dem Wasser gewaschen, wo das Zeug drin ist!"

"Stell dich nicht so an, es war doch nicht pur! Oh, das scheint auch das falsche Mittel zu sein. Da steht, Kalk und Rost Reiniger, für Badezimmer, Haushalt und Hobby."

Yami blickte ihn verwirrt an. "Wie jetzt?"

"Meine Güte, ohne Yugi bist du aber echt nicht zu gebrauchen! Das heißt, der Allzweckreiniger hätte auch gereicht."

"Tu mal nicht so schlau, von alleine wärst du da auch nicht drauf gekommen! Davon mal abgesehen ist es doch deine Schuld, dass Yugi weg ist!"

"Den Schuh zieh ich mir nicht an, schließlich hatte ich es auf dich abgesehen. Dass der Kleine dazwischen geht, war nicht mein Fehler! Aber eins sag ich dir, dieser Lehrerin werd' ich's zeigen, uns mit so gefährlichen Mitteln arbeiten zu lassen. Sieh dir das mal an!" Bakura hatte sich wieder den Putzmitteln zugewandt und las das Etikett eines Rohrreinigers. "Enthält Natriumhydroxid und Natriumhyperchlorid. Vorsicht! Nicht mit anderen Mitteln verwenden, da gefährliche Gase (Chlor) freigesetzt werden können. Giftig und ätzend. Ich glaub' ich spinne, lässt die Frau mich mit einem Trottel wie dir zusammenarbeiten und gibt uns solches Zeug, ich könnte tot sein!"

"Bakura, du *bist* tot."

"Genau wie du, Pharao. Aber deshalb muss ich mir doch nicht alles gefallen lassen!"

"Ich frage mich, wie die Leute heute ihren Alltag überleben, wenn man schon beim Putzen umkommen kann." Yami schnappte sich den Putzeimer und leerte ihn ins Waschbecken, um neues Putzwasser mit Allzweckreiniger anzufertigen.

Bakura beobachtete ihn skeptisch dabei. "Pass auf, nimm nicht zuviel!"

Yami goss eine Kappe voll in das Wasser. Beide beobachteten, wie sich das Mittel verteilte.

"Duftet jedenfalls viel besser als das andere Zeug," stellte der Pharao fest.

"Bloß gut, dass wir das geklärt haben, immerhin müssen wir das eine Woche lang machen," grummelte der Weißhaarige. Er planschte ein bisschen in dem Wasser und rieb dann prüfend die Finger aneinander. "Ich glaube, das kann man verantworten."

"Dann lass uns die Arbeit beenden, ehe sich noch jemand beschwert."

"Ich werde dafür sorgen, dass diese gefährlichen Mittel richtig weggeschlossen werden, ehe irgendein Trottel doch mal diese Gifte freisetzt und am Ende noch Ryou vergiftet. Ich brauche ihn noch. Die anderen können sich meinetwegen zu Hause umbringen."

Sie schnappten ihre Schrubber und Lappen wie Waffen und machten sich an die Arbeit. Der Reiniger erfüllte seinen Zweck ausreichend, und die beiden Schüler putzten beinahe um die Wette.

Am Ende feuerte Bakura frustriert Eimer, Lappen und Schrubber in die dafür vorgesehene Ecke in einem Abstellraum. "Verflucht sei diese Schule! Wer bin ich, dass ich mir das antun muss?"

Yami enthielt sich an dieser Stelle eines Kommentars. Er fragte sich immer noch, wie Ryou seine dunkle Seite dazu gekriegt hatte. Hatte er nicht von Erpressung gesprochen? Vorsichtshalber begleitete er Bakura in das Büro des Hausmeisters, wo der Weißhaarige die gefährlicheren Putzmittel abgab und verlangte, dass sie gefälligst woanders aufbewahrt wurden, da man sie ja nicht brauche, um den Boden zu scheuern. Wie durch ein Wunder landete der Hausmeister nicht im Reich der Schatten.

Bevor sie die Schule verließen, hielt der Grabräuber Yami zurück. "Warte mal. Ähm... kannst du mir einen Rat geben?"

Maßlos erstaunt hob Yami eine Augenbraue. "Du fragst *mich* um Rat?"

"Du bist der Einzige, der dafür in Frage kommt. Auch wenn ich das hasse... Also, was soll ich deiner Meinung nach zu Pegasus' Party anziehen?"

"Was? Das kannst du doch Ryou überlassen."

"Naja... es gibt da jemanden, den ich beeindrucken will. Einen Mann, der mich nicht besonders mag. Wie hast du Seto rumgekriegt? Der mochte dich doch auch nie."

"Seto und ich waren in gewisser Weise schon lange Freunde, aber eben auch Rivalen. Bei einem Kartenturnier würden wir uns auch heute noch nichts schenken. Aber sag mal... ich habe mir noch gar keine Gedanken über diese Party gemacht. Muss man da irgendwelche... festlichen Klamotten anziehen?"

"Jetzt mach aber man 'n Punkt! Das ist eine Party, wo lauter superreiche Schnösel hingehen, natürlich kannst du da nicht in der Schuluniform auftauchen!"

"Vielleicht solltest du das machen, da würdest du auf jeden Fall auffallen," grinste Yami.

Bakura sprang ihm fast an die Gurgel. "Das ist nicht witzig! Du kannst da jedenfalls auch nicht dieses Lederoutfit tragen, das Klein-Yugi bevorzugt."

"Dann bleibt ja nicht mehr soviel Auswahl. Ein Anzug?" schlug Yami vor und fragte sich nebenbei, wo er einen herbekommen sollte. Er hatte gerade heute doch gar keine Zeit um einzukaufen.

Bakuras Gesichtsausdruck machte deutlich, dass das nicht die Antwort war, die er hören wollte. "Du hast wahrscheinlich Recht," gab er dennoch unwillig zu. "Aber kann man da nicht auch was Ausgefallenes kriegen? Vielleicht eine andere Farbe als Schwarz? Was meinst du, welche mir stehen würde?"

Yami runzelte die Stirn und betrachtete Bakura abschätzend. "Auf jeden Fall nicht Rot. Pegasus trägt immer Rot. Und der hat auch noch die gleiche Haarfarbe wie du! Allerdings kannst du mit weißen Haaren doch alles tragen. Zum Beispiel... Grün?"

"Pharao, du bist so unkreativ, man merkt, dass du deine Kleider nie selber ausgesucht hast!"

"Warum fragst du mich dann? Wenn du dich vor deinem Angebeteten zum Narren machen willst, lass dir doch selber was einfallen! Dann kannst du danach wenigstens nicht mich dafür verantwortlich machen! Davon abgesehen, wer dich nimmt, muss schon selber ein Psychopath sein!"

"Nimm das sofort zurück, du eingebildeter Mistkerl!" Bakura packte Yami am Kragen und wuchtete ihn mit dem Rücken gegen die Wand.

"Lass mich los, ich warne dich!" zischte Yami, die Hände zu Fäusten ballend. Wenn es sein musste, würde er dem Weißhaarigen schon zeigen, dass ein Pharao sich wehren konnte!

Doch Bakura setzte den Millenniumsring ein, um seinen Gegner bewegungsunfähig zu machen. Als Yami sich mit dem Puzzle wehren wollte...

"Yugi Motou! Ryou Bakura! Nennt ihr das Putzdienst?"

Yami atmete auf. Die Lehrerin stand auf dem Gang, die Arme überkreuzt und offenbar ziemlich wütend. Trotzdem war er dankbar für ihr Erscheinen, sonst wäre vielleicht das Schulgebäude ein zweites Mal zu Schaden gekommen. Blieb nur zu hoffen, dass die Frau jetzt nicht im Reich der Schatten endete. Bakura hatte offenbar gerade überlegt, sich ihrer zu entledigen. Yami vermutete, dass Ryou da auch noch ein Wörtchen mitzureden hatte. Er konnte sehen, wie Bakuras Blick einen Moment lang abwesend wurde, während er wohl mit seinem anderen Ich kommunizierte. Es überraschte ihn wieder einmal, dass es dem Jungen gelang, den bösen Geist des Grabräubers zu zähmen.

Der Weißhaarige ließ ihn los und drehte sich um. Zu Yamis ungeheurer Überraschung verbeugte er sich entschuldigend. "Es tut mir Leid. Ich habe... überreagiert."

"Euch zwei kann man nicht alleine lassen! Ich hatte gehofft, dass ihr euch zusammenrauft, wenn ihr gemeinsam arbeitet!" regte die Lehrerin sich auf.

"Ich... habe ihn provoziert," sagte Yami, ehe er wusste, was er tat. "Es kommt nicht wieder vor."

"Das hoffe ich sehr, aber ich werde trotzdem mit euren Eltern reden," beschloss die Frau. "Ich verstehe euch nicht! Ihr wart doch sonst so ruhige und nette Schüler. Seid ihr mit der Arbeit fertig? Dann geht jetzt nach Hause, aber prügelt euch nicht wieder."

Beide machten auf dem Absatz kehrt, schnappten ihre Schultaschen und eilten von dannen. Bakuras Gesicht war so bleich wie sein Haar, und auch Yami war ganz blass. Großvater würde sicher enttäuscht von ihm sein.
 

Seto und die anderen warteten draußen. Als Yami und Bakura dazukamen, sprang Joey gerade ärgerlich von einem der Tische auf, die auf dem Hof standen.

"Uaaargh! Eines Tages stampfe ich dich schon noch in den Boden, Kaiba!"

Seto packte seine Karten weg. "Nicht solange du wie ein Anfänger spielst, du Straßenköter."

Joey fuhr wütend zu ihm herum. "Wie war das?"

"Hey, Leute, hört lieber auf, sonst macht ihr ab morgen auch noch Putzdienst," versuchte Tristan den Streit zu schlichten.

Thea erblickte die beiden Rückkehrer als Erste. "Da seid ihr ja endlich! Sagt mal, ist alles in Ordnung?"

"Klar doch, außer dass ich mit einem unfähigen Trottel gestraft bin, der Ärger förmlich anzieht!" grummelte Bakura und ging einfach an ihnen vorbei, ohne sich noch einmal umzudrehen.

Yami seufzte. "Wir hatten uns wieder in der Wolle. Frau Morikawa will mit unseren Eltern reden. Sie ist enttäuscht, weil wir doch sonst so ruhig und nett waren."

"Du bist einfach nicht für diese Welt geschaffen, mein Pharao," spöttelte Seto gutmütig, wobei er den anderen in die Arme schloss. "Kommt, wir bringen seine Hoheit nach Hause, damit er sich ausruhen kann. Er sieht schon so fertig aus."

Das stimmte allerdings, und sie stiegen gemeinsam in die Limousine, die schon seit einer Weile vor der Schule wartete. Yami schlief unterwegs ein, da entweder der Kaffee nicht mehr wirkte oder seine Erschöpfung stärker war.
 


 

***

Fortsetzung folgt.

Das Erwachen von Exodia

Kapitel 16: Das Erwachen von Exodia
 

Yami erwachte aus einem Schlaf tiefster Erschöpfung. Er brauchte eine Weile, um sich zu orientieren. Vage kam die Erinnerung an die letzte Katastrophe in sein Bewusstsein. [Oh nein! Inzwischen hat Frau Morikawa bestimmt mit Großvater geredet...] Er hatte sich gewünscht, die Sache vorher erklären zu können. Jetzt war der alte Mann bestimmt schlecht auf ihn zu sprechen. Was mochte die Frau ihm gesagt haben? Herr Mutou, ihr Enkelsohn hat sich schon wieder mit einem Mitschüler geprügelt, so langsam sollte Ihnen das zu denken geben...?

Yami bemerkte, dass er noch all seine Sachen trug, bis auf die Schuhe. Er konnte sich auch gar nicht erinnern, sich hingelegt zu haben, nur noch daran, dass er in die Limousine gestiegen war. Und wie spät war es? Oh, super, schon sieben Uhr abends durch. Wenigstens fühlte er sich jetzt ausgeschlafener. Aber er hatte noch kein bisschen Englisch geübt und auch die Vokabeln nicht fertig abgeschrieben. Besser, er brachte das gleich hinter sich. Aber erst gab es noch etwas anderes zu klären.

Großvater schloss gerade den Laden ab, als Yami hinzukam. Sugoroku drehte sich mit einem Lächeln um. "Ah, da bist du ja endlich. Na, ausgeschlafen?"

"Ja..." Yami kratzte sich verlegen am Hinterkopf. "Sag mal... da hat nicht zufällig jemand angerufen...?"

"Ach, du meinst deine Englischlehrerin?"

"Urgh!" [Verflucht! Ich wünschte, ich hätte es ihm vorher...]

"Kaiba hat mir schon berichtet, was da vorgefallen ist, obwohl er natürlich nicht selbst dabei war," winkte Großvater ab. "Ich habe so den Eindruck, dass du mit diesem einen Mitschüler nicht gut auskommst."

"Das war Bakura, der Geist den Millenniumsrings. Im Duell mit ihm wurde Yugi ins Reich der Schatten geschickt. Wir sind echt nicht gerade befreundet..." Yami erzählte ihm von dem Vorfall aus seiner Sicht, während er dem Alten in die Küche folgte.

Sugoroku hörte zu, dabei setzte er Tee auf und begann, das Abendessen zu machen. Er beobachtete amüsiert, wie Yami versuchte, ihm zu helfen, indem er das benötigte Geschirr aus den Schränken zusammensuchte - was eine Weile dauerte, aber er ließ ihn machen. "Frau Morikawa hat vorgeschlagen, dass ich dich ein bisschen an die kurze Leine nehme," bemerkte der alte Mann. "Sie meint, dass ich dich vielleicht in einen Sportverein schicken sollte, wo du deine Aggressionen abbauen kannst. Oder du machst bei einer der Sport AGs deiner Schule mit."

"Ich hätte noch ne bessere Idee, um Agressionen abzubauen," murmelte Yami.

Großvater hatte noch erstaunlich gute Ohren. "Ach, das trifft sich gut, Kaiba wollte gegen acht mal nach dir sehen." Er grinste viel sagend. "Aber vor dem Vergnügen musst du dich um deine Vokabeln kümmern. Wie ich hörte, haben deine Leistungen in dem Fach nachgelassen."

"Sehr witzig. Das liegt daran, dass es Yugis Leistungen waren."

"Dafür bist du wohl in Mathe sehr gut geworden. Deine Lehrerin fand es ganz toll, dass ich dir so viel beigebracht habe."

"Oh, ja... ich habe ihr gesagt, du hättest mir das alles beigebracht, da du ja Ägypten als Hobby hast und die Ägypter schon viele der Rechnungen kannten... Ich kann leider nicht mit diesen neuzeitlichen Geräten umgehen, die man im Unterricht benutzt..."

Großvater musste lachen. "Pharao, es ist wirklich schade, dass wir uns vorher nie unterhalten haben. Das ist echt erfrischend."

Yami seufzte. "Nur schade, dass dafür Yugi ins Reich der Schatten verbannt wurde. Ich hole mal eben mein Schulzeug und kümmere mich um meine Aufgaben."

"Tu das, das Essen dauert noch etwas." Sugoroku amüsierte sich. Der Pharao sagte schon *mein* Schulzeug.

Yami holte Yugis Schultasche und fing an, die Vokabeln weiter abzuschreiben, mit denen er in der Sportstunde begonnen hatte. Zum Glück hatte die Klasse in Englisch sonst nichts aufbekommen, da morgen die letzte Stunde vor der Klausur war. Frau Morikawa wollte noch ein paar Übungen mit den Schülern machen und erwartete, dass sie die Zeit, die sie sonst für Hausaufgaben benutzt hätten, zum Lernen einsetzten. Aber da Yami den halben Tag verschlafen hatte, würde er wohl kaum dazu kommen. Er musste noch ein paar Mathehausaufgaben machen, und auch in den anderen Fächern hatte er Hausaufgaben. Zwar hatte er Physik und Biologie Dienstags nicht, aber zumindest Physik Mittwochs. Das hieß, er musste das heute erledigen, denn morgen war Pegasus' Party, und was dann vom Tag übrig war, musste er nutzen, um für die Klausur zu lernen. Ganz toll. Ob Yugi auch so wenig Freizeit hatte?
 

***
 

Yugi und seine Begleiter hatten Spuren von Drachen vor einem Höhleneingang entdeckt. Mad und die anderen landeten mit dem Speerdrachen als Erste und untersuchten die Spuren.

"Sie sind von ganz frischem Schnee bedeckt, und in letzter Zeit scheint es hier nicht viel geschneit zu haben. Also muss vor kurzem ein Drache hier gelandet sein, vielleicht auch mehrere. Ah, da in der Höhle sind Fußspuren..."

Der Speerdrache nahm seine Mini-Gestalt an, so dass auch Schattensturm Platz zum Landen hatte. Eine Sekunde später hockte er auf Blackys Schulter wie ein Rabe. Die Magier, Freed und Yugi betraten die Höhle. In der Tat gab es Fußspuren von zwei Personen. In dem Licht, das Mad erschaffen hatte, konnten sie das Funkeln von Kristallen an den Wänden sehen und staunten bei dem Anblick.

Appi sprang voraus, um die Mineralien zu berühren. "Boah, voll krass! Dark, meinst du, man könnte sie für magische Zwecke benutzen? Oder als Verzierung eines Zaubersta-aaaaah!"

Der Junge hatte den Rand des Loches übersehen, weil die Lichtkugel noch nicht bis dahin vorgedrungen war. Er fand sich in einer Schwebekugel wieder, so dass er nicht tiefer als einen halben Meter fiel. Dark holte ihn auf sichereren Grund zurück.

"Ähä... das war knapp," grinste Appi verlegen.

"Zu knapp," kommentierte Dark. "Wenn du weißt, dass du möglicherweise auf feindlichem Gebiet bist, darfst du nicht so drauflos rennen!"

Der junge senkte übertrieben beschämt das Gesicht. "Jawohl, Meister."

Darks Augen zuckten unwillig. "Appi. Du kannst mich nicht einfach zu deinem Meister ernennen." Er seufzte, als er sah, wie Freeds Jüngster zusammenzuckte. "Aber was soll's, ich habe nichts Besseres zu tun, ich muss ja nur die Welt retten." Mit ernstem Gesicht packte er mit der Hand, die nicht seinen Zauberstab hielt, Appis Schulter. "Ich erwarte, dass du an deinen telepathischen Kräften arbeitest. Yugi kann dir dabei helfen, auch wenn es dir nicht passt. Du wirst zwangsläufig über ihn stolpern, weil Blacky ihn unter seine Fittiche genommen hat. Und wisse: Er ist unser beider Bruder. Kannst du dich damit abfinden, werde ich dafür sorgen, dass du dich irgendwann wirklich Apokalyptischer Magier nennen darfst."

Appi starrte ihn nach diesen Worten mit großen Augen an. Sein Blick huschte kurz zu Yugi, dann nahm sein Gesicht einen entschlossenen Ausdruck an. "Ich werde mein Bestes tun, Meister!"

Dark nickte ermutigend, teilweise zu sich selbst.

[Warum hast du das getan?] wollte Yugi wissen.

Dark ging nun den anderen voraus auf das Loch zu, um es sich näher anzusehen. Appi war wie ausgewechselt und hielt sich dicht hinter seinem neuen Lehrer. [Wenn wir da runter gehen und vielleicht auf einen mächtigen, beeindruckenden Hexer stoßen, dann will ich nicht, dass Appi einen Grund hat, sich für ihn zu begeistern. Es ist besser, wenn er an *mich* gebunden ist und *mir* nacheifert.]

Das leuchtete ein, auch wenn keineswegs feststand, dass sie das nicht auf die ein oder andere Weise bereuen würden. Doch man konnte ja nie wissen, vielleicht konnte der junge Hüpfer noch ein starker Verbündeter werden.

Mad trat zuerst an das Loch heran und kniete vorsichtig am Rand nieder. Mit einer Hand berührte er die Oberfläche der eisigen Rutsche. Sie konnten alle sehen, dass Mavas und Neos Fußspuren bei diesem Loch endeten, also lag es nahe, das sie hineingestürzt waren. Sollten sie ihnen einfach folgen?

"Sie sind meine Söhne! Ich gehe da runter!" beschloss Freed. "Einen anderen Weg sehe ich hier nicht."

"Lass mich vorgehen," bot Mad an. "Es ist Eis, mein Element." Er ließ sich über den Rand rutschen und verschwand in der Tiefe, sein Drache von seiner Schulter auffliegend. Blacky erschuf ein neues Licht, weil das andere Mad gefolgt war.

Als von unten "Alles okay!" zu hören war, sprang Freed sofort hinterher.

Dark hielt die restlichen Mitglieder der Gruppe zurück. "Ich gehe, aber ihr anderen wartet hier. Wenn ich euch *alles klar* zurufe, könnt ihr kommen. Und selbst dann müsst ihr auf alles gefasst sein."

"Jawohl, Meister!" antwortete Appi prompt.

Dark gönnte ihm ein Lächeln, ehe er sich an die Rutschpartie machte. Blacky, Appi und Yugi warteten gespannt. "Alles klar!" kam schließlich Darks Stimme aus dem Loch.

"Merkt euch eins," sagte Blacky zu den beiden Jungen. "Wenn er nicht genau das ruft, was er angekündigt hat, dann stimmt etwas nicht. Wenn er *alles klar* rufen wollte, und es kommt dann aber etwa *ihr könnt kommen*, dann ist es ein Hinterhalt und man zwingt ihn, seine Freunde herbeizulocken. Wenn er aber sowas wie *hier unten sind lauter feindliche Monster* ruft, dann meint er es so."

Appi und Yugi nickten wie aufmerksame Schüler. Zufrieden schickte Blacky erst den Blondschopf, dann seinen kleinen Schützling hinunter und ging selbst zuletzt, wobei Schattensturm zurückblieb. Die Rutschpartie war nicht ohne. Yugi gab es bald auf, seine Geschwindigkeit bremsen zu wollen. Am Ende wurde er von Mad und Dark aufgefangen, so dass er nicht auf die Steine krachte. Blacky jedoch war groß genug, um elegant auf den Füßen zu landen.

Sie sahen sich um. Offenbar war es ein kürzlich benutzter Kerker, dessen Gittertür offen stand. Als sie dem Gang folgten, der daran anschloss, entdeckten sie ein verzweigtes Höhlensystem, in dem eine Zeitlang jemand gehaust haben musste. Bald war an den Wänden kein Eis mehr, sondern nur noch Stein. Sie folgten dem Weg, der am häufigsten benutzt aussah. Alle waren sich einig, lieber zusammenzubleiben. Sich aufteilen wäre in diesem Irrgarten unklug gewesen. Zu leicht konnte man einander verlieren. Und wenn hier wirklich noch etwas lauerte, wollten sie ihm gemeinsam begegnen.

Die Luft war nicht mehr so kalt wie vorher, bald mussten sie sogar ihre Jacken ausziehen, weil es relativ warm wurde. Erstaunlicherweise hielt Appi sich mit Beschwerden zurück, dafür machte Mad keinen Hehl daraus, dass er es lieber kälter gehabt hätte.

Sie kamen um eine Biegung und liefen in die nächste Fallgrube. Der Boden tat sich großflächig unter ihnen auf, so dass auch Freed, der momentan die Nachhut bildete, nicht mehr rechtzeitig zurückweichen konnte. Aufschreiend stürzten sie in die Tiefe.
 

"Leute, habe ich erwähnt, dass ich es hasse, über Abgründen zu hängen?" Blacky sah nach unten und klammerte sich fester an Appis Beine.

Appi klammerte sich an Darks rechte Hand, während Yugi sich am linken Bein des Schwarzen Magiers festhielt. Mit der linken Hand hatte Dark die von Mad gepackt, welcher von Freed festgehalten wurde. Der Krieger hatte sein Schwert in die Felswand gerammt, und das war alles, was sie daran hinderte, in den heiß blubbernden Pool da unten zu fallen, der von ihren Lichtkugeln leider sehr deutlich erhellt wurde.

"Na großartig, ne Säurefallgrube," stöhnte Blacky. "Die gute Nachricht ist, dass es keine bodenlose ist. Die schlechte: Wir werden alle in unsere Bestandteile aufgelöst, wenn wir da reinfallen!"

"Sehr ermutigend, Blacky," kommentierte Dark. "Lass dir lieber was einfallen!"

"Genau, ihr seid Magier, könnt ihr nicht so eine Schwebekugel machen wie vorhin bei Appi?" fragte Yugi hoffnungsvoll.

"Wir alle zusammen sind zu schwer, das würde wahrscheinlich nicht klappen," befürchtete Dark.

Sie rutschten ein Stück tiefer, als die Felswand unter Freeds Klinge wegbröselte.

"Waaah! Ich verspreche, ein geduldiger Schüler zu sein, wenn ich das überlebe!" kreischte Appi.

"Mad, kannst du das Zeug gefrieren?" schlug Yugi vor.

"Klar, wenn es weniger als kochen würde und ich beide Hände frei hätte und genug Zeit zur Verfügung stünde!" presste der Wassermagier hervor.

"Das darf doch nicht wahr sein, keiner von euch kann was ausrichten?" entsetzte der stachelköpfige Junge sich. "Ich habe mich nichtmal von Yami und Seto verabschiedet!"

"Freed, lass los," sagte Blacky von ganz unten. "Aber haltet euch alle aneinander fest."

Der Krieger starrte zu ihm hinunter. "Bist du verrückt? Wir müssen es ja nicht noch drauf anlegen!"

Doch in dem Moment löste sich sein Schwert ohnehin aus der Wand, und so wurde ihnen die Wahl abgenommen. Alle waren starr vor Schreck und klammerten sich aneinander, nur Blacky hielt mit einer Hand weiter Appis Bein fest und die andere unter sich. Ein schwarzes Loch tat sich auf und verschluckte die ganze Gruppe.
 

***
 

Seto kam wie angekündigt gegen acht vorbei. Er fragte Yami pflichtschuldig Vokabeln ab und half ihm bei den übrigen Hausaufgaben. "Du solltest dich nicht so verrückt machen. Dann verhaust du eben mal eine Klausur."

Der Kleinere sah ihn an, als hätte er zwei Köpfe. "Wie bitte? Es geht hier um Yugis Noten, Seto. Er ist für mich ins Reich der Schatten gegangen, wenn er nicht eingegriffen hätte, wäre ich jetzt dort. Das wäre mir zwar fast lieber, weil ich da keine Taschenrechner benutzen muss, aber so ist nun einmal die Rollenverteilung, und ich will mein Bestes tun, damit Yugi keinen schlechten Ruf hat, wenn er zurückkommt!"

"Bin ich froh, wenn Mittwoch die Schule aus ist, dann ist der Stress vorbei," seufzte der Firmenchef. "Du machst dir zu viele Sorgen um die Schule, so ernst ist die nun auch wieder nicht."

"Du hast ja auch deine Firma und brauchst keine guten Noten, die du mal irgendwo vorzeigen musst."

"Und du hast mich, wo ist das Problem?"

"Ich kann das nicht so locker sehen, Seto. Wahrscheinlich wäre Yugi mir nicht einmal böse, trotzdem will ich mich anstrengen."

"Tja, das ist ehrenhaft. Übrigens, hast du was zum Anziehen für die Party morgen?"

"Danach wollte ich dich schon fragen, gut, dass du mich dran erinnerst." Yami zog ihn an der Hand nach oben in Yugis Zimmer, und zusammen durchforsteten sie den Kleiderschrank.

"Das kannst du ja voll vergessen," befand Seto. Ich lasse schnell meinen Schneider kommen, damit er Maß nimmt, dann sind die Sachen morgen fertig."

"Was, du lässt den Schneider jetzt noch kommen?"

"Sicher, er wird schließlich gut dafür bezahlt. Wenn wir morgen erst noch die Geschäfte abklappern müssen, schaffen wir es nicht. Tja, das hätte uns auch mal früher einfallen können..." Seto lächelte ein wenig verlegen, ein seltener Anblick. Er holte sein Handy aus der Tasche und rief den Schneider an.

Während sie auf ihn warteten, griff sich Yami plötzlich an den Hals, wo er immer noch die Millenniumskette trug. Er konnte mit dem Ding nicht recht umgehen, und auch jetzt zeigte es ihm nicht wirklich etwas, aber er hatte das ungute Gefühl, dass Yugi in Schwierigkeiten war. Hoffentlich passte Dark gut auf ihn auf.
 

***
 

"Blacky... wo ist das hier?" begehrte Freed zu erfahren.

"Keine Ahnung, ich habe das noch nie absichtlich auf mich selbst angewendet," grinste der Magier verlegen.

"Wovon redest du?" knurrte der Krieger gereizt.

"Ich hab uns aus dem Spiel entfernt, sozusagen," teilte Blacky den anderen mit.

Die Freunde sahen sich um. Ihre Lichtkugeln waren noch bei ihnen, aber sie konnten kaum etwas gegen die allgemeine Schwärze ausrichten. Sie schwebten in einem Raum, in dem es keinen Boden zu geben schien, und hielten sich an den Händen, damit sie sich nicht verloren.

Yugi wurde an das Weltall erinnert, er konnte ein paar helle Punkte sehen und Trümmerteile drifteten schwerelos vorbei. "Wie kommen wir wieder zurück?"

"Ich hoffe nicht, dass wir dahin zurückkommen," warf Mad ein.

"Na, wie kommen wir ins Reich der Schatten zurück?" verbesserte der Junge sich.

"Vielleicht spuckt uns diese Sphäre irgendwann von selbst wieder aus," überlegte Appi. Er runzelte die Stirn. "Nur, wohin?"

"Denk nach, Blacky," verlangte Dark. "Wenn wir uns zum Beispiel alle auf einen Ort konzentrieren, wo wir hinwollen, kommen wir dann dorthin?"

"Ich hab's noch nie ausprobiert! Aber es wäre ja mal einen Versuch wert!" stimmte der Angesprochene zu. "An welchen Ort sollen wir denken? Einen, den auch Yugi kennt..."

Alle überlegten, was das für ein Ort sein könnte, aber ehe sie sich auf einen einigen konnten, erschien ein Wirbel und warf sie in heißes Wasser. Unter ihnen bebte der Boden, es war dunkel.

"Aaah, es ist die Säure!" schrie Appi panisch, bevor ihm auffiel, dass er sich nicht auflöste.

"Das ist die Heiße Quelle der Burg," stellte Dark fest. "Naja, da sollten wir uns wohl nicht beschweren..."

Es bebte erneut unter seinen Füßen. Das Wasser war unruhig, und Blacky hielt Yugi am Kragen über die Oberfläche. "Ein Erdbeben?" fragte er in die Runde.

"Ich fürchte, es ist noch viel schlimmer," murmelte Dark, der die Augen in Konzentration geschlossen hatte. "Aber wir kommen zu spät..."

"Ich weiß nicht, wovon du sprichst, aber eins ist sicher, wir müssen hier raus!" drängte Freed.

Das war nicht so einfach, denn in einem Teich mit wackelndem Untergrund kam man schwer voran. Am Ufer wurde es auch nicht besser, aber sie nahmen so gut wie möglich die Beine in die Hand. Die Lichtkugeln waren immer noch da und leuchteten ihnen schwebend den Weg.

"Raus aus der Burg!" schrie Dark. "Warnt jeden, dem ihr begegnet!"

Blacky warf sich Yugi einfach über die Schulter und rannte los. Als Magier des Chaos hatte er offenbar die wenigsten Probleme damit. Freed indessen fluchte über seine Rüstung, deren Unterkleid nun auch noch voll Wasser war, aber er konnte sich nicht damit aufhalten, sie auszuziehen. Appi erwies sich als erstaunlich wendig, während er herunterfallenden Steinen auswich. Sie rannten einen Gang entlang, der hinter ihnen zusammenstürzte, und gelangten in die Haupthalle. Dark führte sie durch einen weiteren Gang Richtung Küche. Sie begegneten niemandem. Hoffentlich waren alle geflohen und in Sicherheit.

Das Beben wurde schlimmer, als sie eine Kellertreppe hinuntereilten. Aber sie folgten Dark, ohne zu fragen. Er führte sie durch eine selten benutzte Tür, die aber offen stand. Anscheinend hatten die anderen Burgbewohner davon Gebrauch gemacht.

In dem Raum, in den sie nun kamen, waren drei magische Kreise auf den Boden gemalt. Zwei leuchteten, einer war unbrauchbar, da sich in der Decke ein Loch aufgetan hatte und ein Gesteinsbrocken auf die Markierung gefallen war.

"Das ist ein Notausgang, jeder Kreis kann nur von einer Person gleichzeitig benutzt werden. Freed, du gehst zuerst! Wir anderen sind Magier und können uns notfalls was anderes einfallen lassen!" rief Dark über das Getöse hinweg. "Appi, geh mit deinem Vater!"

Mad war bereits dabei, seinen Schutzschild zu errichten, um sie vor weiteren fallenden Steinen zu schützen. Freed passte es nicht, vorausgeschickt zu werden, aber die Argumentation leuchtete ihm ein. Er wusste auch, dass Appi mitgeschickt wurde, weil Dark als sein Meister die Pflicht hatte, ihn zu beschützen, davon abgesehen war der hektische Junge keine große Hilfe, wenn er in Panik geriet.

"Seid vorsichtig, wir wissen nicht, was euch am Ziel erwartet!" warnte Blacky.

Freed und Appi stellten sich auf je einen der Kreise und wurden automatisch weggebeamt.

Dark baute sich mit ausgebreiteten Armen auf, um Mads Schild zu übernehmen. "Jetzt du, Mad! Keine Widerrede, es eilt! Blacky, geh mit!"

"Aber Yugi..." stammelte der größere Magier.

"Geh, vertrau mir!" beharrte Dark.

Sie hatten keine Zeit für Diskussionen, denn der Raum um sie herum wurde immer instabiler. Ein Riss entstand in dem zweiten Kreis und machte ihn unbrauchbar. Blacky wartete, bis Mad den anderen benutzt hatte, und trat dann selbst hinein.

"Dark! Wag es nicht zu sterben! Und bring ja Yugi heile mit!" drohte der Blauhäutige, bevor seine Gestalt sich auflöste.

Yugi sah den Schwarzen Magier fragend an.

"Nicht in den Kreis gehen, Yugi," warnte dieser, und in der nächsten Sekunde brach der Boden unter dem magischen Symbol weg. "Ich hab dich extra hier behalten, weil es für dich am schwierigsten ist, die Kreise zu benutzen... Komm her, halt dich an mir fest!"

Der Junge klammerte sich an Darks Hüfte, während der Raum um sie herum nur durch das Schutzfeld noch zusammengehalten wurde. Der Magier hob die Arme über seinen Kopf und ließ dabei den Schutzzauber fallen, stattdessen schleuderte er die Energie über sich. Yugi schrie auf, als sich unter ihnen die Steine lösten und in die Tiefe fielen. Doch er stürzte nicht, sondern stieg mit einem Lichtstrahl nach oben, während um ihn herum die Burg in sich zusammenbrach. Kurz darauf fühlte er kühle Nachtluft um sich herum und hörte... Flügelschläge?

Dark griff nach ihm und zog ihn sicher in seine Arme. "Ich hab dir doch gesagt, meine Mutter ist ne Fee," grinste er. "Aber wenn du je jemandem hiervon erzählst, schneide ich dir die Zunge raus und verfüttere sie an die Drachen!"

Yugi sah sich erstaunt um und stellte fest, dass der Magier plötzlich Flügel auf dem Rücken hatte. Er konnte sie dunkel vor dem nicht ganz schwarzen Nachthimmel erkennen. Aber so faszinierend und unerwartet das auch war, unter ihnen spielte sich etwas ab, das seine Aufmerksamkeit von den Schwingen seines Blutsbruders ablenkte.

Die Burg der Magier war nur noch ein Trümmerfeld, und in einem seltsamen magischen Schimmer war zu erkennen, dass etwas sehr Großes daraus hervorbrach. Eine kompakte Gestalt zerstörte den halben Berg, während sie sich aus ihm befreite und sich dann gemächlich davon entfernte. Die Umrisse kamen Yugi bekannt vor...

"Exodia," flüsterte Dark nahe an seinem Ohr. "Sie war unter der Burg in einem magischen Schlaf gefangen. Blacky und ich wären vielleicht stark genug gewesen, ein oder zwei der Siegel zu brechen, aber kaum alle fünf."

"Was ist, wenn es mehrere Magier waren?" fragte Yugi.

"Könnte sein," räumte Dark ein. "Trotzdem fällt mir keiner ein, der stark genug... Oh nein!"

Auch dem kleineren Ebenbild des Pharaos fiel es wie Schuppen von den Augen. "Mava."
 

***

Fortsetzung folgt.
 

Anmerkung:

Yugi spielt Blacky immer als Ritualmonster, aber es gibt ihn auch als Effektmonster. Er hat als solches die Fähigkeit, dass Monster, die er zerstört, aus dem Spiel entfernt werden, statt auf dem Friedhof zu landen. Auch er selbst wird aus dem Spiel entfernt, wenn er zerstört wird. Deshalb kann Blacky in meiner Geschichte diese seltsamen Dimensionssprünge.
 

So, diese Folge wurde ja doch noch rechtzeitig fertig, so dass ich sie heute (Samstag den 16.) hochladen kann. Bin nämlich nächste Woche nicht da, also kommt #17, wenn ich sie fertig kriege, wieder regulär am darauf folgenden Montag (24.04.)... und ist dann hoffentlich Mittwoch online, was ich jedoch bezweifle. Vielleicht bin ich ja auch Samstag früh genug zurück, dass die Uni noch auf hat. Drückt mir die Daumen, dass die Bahn keine Probleme hat!

Flügel

Hallo! Dieses Mal bin ich einen Tag im Rückstand, und ich muss euch leider sagen, dass die Fortsetzung erst in 2-3 Wochen erscheinen wird, weil ich demnächst wirklich keine Zeit habe. Ich muss endlich meine Hausarbeit in Japanische Geschichte fertig schreiben (ein halber Roman über das Tokugawa Bakufu...) und bis nächsten Mittwoch drei englische Bücher lesen. Tja, dass ich immer alles auf die lange Bank schiebe und dann in Zeitdruck gerate, hat nicht etwa mit einer gewissen Seite zu tun, wo ich meine Stories veröffentliche, neeeiiin... ^^°

Tut mir wirklich Leid! Wer möchte, kann mir eine ENS schicken, dann wird er/sie benachrichtigt, wenn es weitergeht.
 

Kapitel 17: Flügel
 

Dark flog einmal um die Reste seiner Burg herum, als Exodia sich ausreichend entfernt hatte. Sie konnte im Moment nicht aufgehalten werden. Aber der Magier hatte das Gefühl, dass noch jemand in den Trümmern war. Er zitterte leicht, während er mit den Tränen kämpfte. Der Verlust traf ihn hart, aber er riss sich zusammen und bekam seine Gefühle unter Kontrolle. Trauern konnte er später noch, nun galt es, Leben zu retten. Nebenbei trocknete er seine und Yugis Klamotten.

"Bist du sicher, dass da unten noch jemand ist?" hakte Yugi nach.

"Ich spüre zwei Leben, eins sehr schwach," teilte Dark ihm mit. "Ein Vorteil, wenn du zur Hälfte Fee bist. Naja, der Anteil ist nicht sehr stark ausgeprägt. Aber ich kann auch die Magie der Personen spüren, es müssen Bewohner der Burg sein."

Yugi hielt Ausschau, während sein Blutsbruder tiefer ging. Die Trümmer waren in ein tiefes Loch gefallen, das sich aufgetan hatte, wo Exodia eingesperrt gewesen war. Dark hatte es schwer, überhaupt einen Landeplatz zu finden. Er war außer Atem, weil ihm offensichtlich die Flugpraxis fehlte. Aber schließlich fanden sie eine Stelle in dem Loch, wo eine Wand einigermaßen erhalten geblieben war, so dass man darauf stehen konnte.

"Sei vorsichtig, es könnte was verrutschen," wurde Yugi gewarnt und abgesetzt. Er blieb, wo er war, währen Dark die Trümmer absuchte.

"Spürst du das?" fragte der Magier. Er erschuf eine neue Lichtkugel, da seine nach der Flucht aus dem Gebäude verschwunden war. "Es fühlt sich an wie ein Kribbeln in der Luft. Irgendwo hier wird eine Menge Magie freigesetzt, wie für einen Schutzzauber... Vielleicht ist jemand verschüttet, aber es ist undeutlich, hier ist noch zu viel andere Magie..."

Yugi nickte, das Gefühl war ihm aufgefallen. Er beobachtete, wie Dark weitersuchte, sich ab und zu mit geschlossenen Augen auf die Empfindungen konzentrierend. Die Flügel dienten ihm, um das Gleichgewicht auf dem unsicheren Untergrund zu halten, trotzdem fiel der Magier einige Male ziemlich unelegant hin, als sich Geröll unter ihm löste.

"Hier," stellte er schließlich fest und ließ einen Haufen Steine zur Seite schweben, dann noch einen, bis er auf einen schimmernden Magieschild stieß. Eilig legte er es ganz frei. "Yugi, komm schnell her, aber pass auf, wo du hintrittst!"

Der Junge beeilte sich, holte sich bei der Aktion diverse Schrammen, die er jedoch ignorierte. Dark berührte den Schild und sprach auf den ein, der darin war. Kurz darauf hörte das Schimmern auf, das die Person umgab. Es waren sogar zwei, erkannte Yugi beim Näherkommen. Und schließlich erkannte er im Schein des Lichtes... "Das sind ja Mava und Neo!"

"Hallo... Yugi..." murmelte Neo schwach. Er hielt seinen Bruder schützend im Arm.

Mavas Anblick entsetzte Yugi. "Er... er lebt doch noch, nicht wahr?" entfuhr es ihm. Der Lichtmagier war totenblass und rührte sich nicht.

Dark ging in die Hocke und untersuchte ihn. Neo blinzelte ein paar Mal und verlor das Bewusstsein. Er musste durch den magischen Aufwand des Schildes erschöpft sein, immerhin war er darin nicht so stark wie zum Beispiel Mad. Yugi konnte ihn auffangen, so dass er sich nicht den Kopf an den Steinen anschlug. Ängstlich sah er Mava an und wartete auf die Diagnose.

Dark ließ die Hände sinken und schüttelte resignierend den Kopf. "Yugi... Mava liegt im Sterben."

"Nein!" Yugi ballte die Hände zu Fäusten und rang um seine Fassung. "Das kann nicht sein! Er wird nicht sterben! Mach irgendwas!"

"Dazu müsste er um sein Leben kämpfen, und das tut er nicht."

"Dann bring ihn dazu! Er... ist doch nicht tödlich verwundet, oder?"

Dark schüttelte den Kopf. "Nein, es sieht eher so aus, als hätte er seine Gabe bis an die Grenze beansprucht."

Yugi ließ Neo, den er immer noch festhielt, vorsichtig auf die Steine sinken und wandte sich dem jüngeren Magier zu. Beschwörend tätschelte er ihm die Wange und streichelte das Gesicht. "Komm schon, Mava! Wir können uns denken, was du getan hast, aber du hattest gewiss einen Grund dafür! Das werfen wir dir doch nicht vor! Bitte bleib bei uns!"

"Er ist schon sehr weit weg" murmelte Dark. "Halt die Stellung, Yugi. Ich werde versuchen, ihn zurückzuholen. Wenn du in Gefahr gerätst, ruf nach mir."

Hoffnungsvoll blickte der Junge zu ihm auf. "Ich werde rufen: *Schwarzer Magier, ich brauche dich*."

Dark nickte und setzte sich möglichst bequem hin, schloss in Konzentration die Augen. Sein Körper sank entspannt zusammen. Yugi konnte nur abwarten und dabei auf die drei Magier Acht geben. Vielleicht wäre es besser gewesen, die Lichtkugel zu löschen, damit kein Feind darauf aufmerksam wurde. Wo die anderen wohl waren?

Er wollte nicht untätig sein und versuchte, Blacky telepatisch zu erreichen. Leider wusste er nicht, wie genau er so einen Kontakt herstellen konnte, aber ausprobieren schadete ja wohl nicht... [Blacky? Kannst du mich hören?]

[Yu... dich ka... stehen... in... nung?]

Yugi dachte darüber nach, was genau Blacky gesagt haben könnte, aber er konnte es sich denken. Zum Glück gab es überhaupt eine Verbindung. [Alles klar... Wir haben Neo und Mava gefunden, aber Mava ist sehr schwach...]

Darauf empfing der Hüter des Millenniumspuzzles einen Ansturm von Fragen, die er unmöglich entziffern konnte, nur dass dies von Freed kam, konnte er feststellen. Ob seine Freunde wohl weit weg waren? Aber er wagte es nicht, sie zu fragen. In seiner Welt gab es zahlreiche Abhöranlagen, wer konnte schon ahnen, was hier alles möglich war?

[Dark versucht, Mava zu retten,] übermittelte Yugi. Er wünschte sich, mehr tun zu können.
 

***
 

Yamis zweiter Schultag verlief wesentlich erfreulicher als der erste. Er glänzte in Mathe und schaffte es, in Englisch nicht aufzufallen. Die anderen Fächer verfolgte er interessiert, schließlich waren ihm viele Dinge völlig neu. Wenn man ausgeschlafen war, ergab das auch alles einen Sinn! Naja... Seto war vielleicht heute etwas müde, denn nachdem Yami den ganzen Tag verschlafen hatte, hatten sie die Nacht ein wenig ausgenutzt. Natürlich nicht die ganze. Und sie hatten es nicht übertrieben, um Großvater nicht zu stören.

Später hatte Yami seltsame Sachen von Exodia und einer Flucht durch einstürzende Gänge geträumt. Hoffentlich war mit Yugi alles in Ordnung. Das ungute Gefühl in seinem Bauch hatte allerdings wieder nachgelassen. Vielleicht hatte sein kleiner Partner eine gefährliche Situation überstanden?

Die Freunde aßen wenig in der Mittagspause, weil sie auf ein Festmahl bei Pegasus spekulierten. Yami sah sich seine Englischsachen noch einmal an, glaubte jedoch allmählich, dass er immer mehr durcheinander brachte. Genervt stopfte er das Buch in seine Tasche. [Scheiß was drauf! Yugi wird mir schon nicht den Kopf abreißen...]

Joey klopfte ihm auf die Schulter. "Na endlich packst du das weg, wir haben uns schon Sorgen gemacht, Kumpel!"

Yami lächelte kläglich. "Ich habe das Gefühl, dass es keinen Sinn hat. Man muss wissen, wann es besser ist, seine Energie anders einzuteilen. Heute Abend werde ich noch etwas üben." Nun, da er so entschieden hatte, ging es ihm gleich viel besser, irgendwie war er... erleichtert. Das schlechte Gewissen hielt sich in Grenzen. Er nahm sich anstelle des Buches nun seine Lunchbox vor.

"Und ich dachte schon, du würdest das Essen vergessen," bemerkte Seto in seinem typischen besserwisserischen Ton. "Nur von Eiweiß kann man sich nämlich nicht ernähren, weißt du..."

Yami lief tomatenrot an. Die anderen auch.

"Kaiba!" empörte Joey sich.

"Was denn, ist doch so," entgegnete der Firmenchef. "Aber ich muss zugeben, ich bin überrascht. Du hast den Witz tatsächlich kapiert, Wheeler."

"Duuuuu!"

"Ja, okay, wir haben uns alle amüsiert, bleibt schön ruhig!" versuchte Tristen die beiden voneinander fernzuhalten.

Thea seufzte. "Könnt ihr nicht endlich damit aufhören, euch wie Erzfeinde zu benehmen? Wir sitzen doch alle im selben Boot!"

"Dann haben wir aber zuviel Ballast an Bord," grinste Seto fies mit einem Blick auf den Blonden.

"Das reicht jetzt," schritt Yami ein. "Habt ihr euch mal überlegt, wie bekloppt das für mich ist, wenn ich immer zwischen den Fronten stehe?"

Sein Geliebter behielt sein Grinsen bei, widmete sich aber demonstrativ seinem Laptop. Joey verzichtete seinem Kumpel zuliebe auf weitere Sticheleien.

Als die Pause vorbei war, hatten sie noch Hauswirtschaft. {1} Seto ließ Yami mit Joey kochen, weil er selbst lieber einen kompetenten Partner (Ryou) hatte. Das Ergebnis war dann auch entsprechend niederschmetternd für das Dream Team. Matschige Nudeln und verbrannter Pudding waren ganz und gar nicht eingeplant gewesen.

"Ich hab noch nie gekocht," entschuldigte Yami sich.

"Ich nur Fertigpizza und Instant-Suppen," murmelte Joey.

Sie lachten beide, was ihre Note aber nicht verbesserte.

Anschließend mussten Bakura und Yami wieder ihren Klassenraum samt Flur reinigen. Zu zweit stellten sie das Putzwasser her, als wäre das ein Jahrhundertereignis.

"Keine giftigen Dämpfe heute," stellte Bakura fest. "Diese idiotischen Lehrer sollten mir dankbar sein, dass ich die Gefahr entdeckt habe."

Da Yami dieses Mal keinen Streit anfangen wollte, verkniff er es sich zu erwähnen, dass er zuerst nach der Bedeutung der Symbole auf dem Etikett gefragt hatte. "Lass uns schnell machen, damit wir nicht zu spät zu Pegasus kommen," schlug er vor.

Überraschenderweise nickte der Weißhaarige nur und machte sich ans Werk. Schweigend putzten sie eine Weile.

"Ryou hatte zu Hause auch solche Reiniger," sagte Bakura plötzlich. "Ich habe ihn seine Eltern darauf hinweisen lassen, aber sie wussten es. Warum bewahren Leute bewusst sowas in ihrem Haus auf, ohne ihre Kinder darauf hinzuweisen? Das ist ja so, als würde man sie in einen Garten mit Schlangen schicken, ohne sie zu warnen!"

"Oh... ich sollte bei mir zu Hause auch mal nachsehen," überlegte Yami.

"Mach das, dein Großväterchen ist alt, vielleicht vergiftet er sich versehentlich."

"Er ist nicht senil!"

"Wenn du das sagst... Trotzdem, ich verstehe die Menschen dieses Jahrhunderts nicht. Die sind verantwortungslos! Ich muss schnell die Welt erobern, ehe sie jemand in die Luft sprengt."

Yami ignorierte die letzte Bemerkung. "Aber muss Ryou denn putzen? Vielleicht haben seine Eltern ihm nichts gesagt, weil er es nicht wissen muss."

"Nicht jeder hat dafür Diener, Pharao."

"Aber Ryou wusste es trotzdem, nicht wahr? Schließlich kann er lesen."

Bakura gab einen Laut von sich, der wohl Zustimmung ausdrücken sollte, was ihm in Yamis Fall wirklich schwer fallen musste. Plötzlich hielt er in seiner Arbeit inne. "Warum unterhalte ich mich mit dir über solchen Mist?"

"Weil wir bei anderen Themen aufeinander losgehen?" bot Yami als Erklärung an. "Hast du dich für eine Anzugfarbe entschieden?"

Der frühere Grabräuber grinste. "Siehst du ja dann."

"Offensichtlich hatte der Anruf von Frau Morikawa keine weiteren Auswirkungen auf dich," befand Yami.

Bakura wandte sich ab, um seinen Lappen auszuwaschen. "Das... geht dich nichts an."

Der Pharao hob eine Augenbraue, schwieg aber.
 

Setos Limousine brachte das Pärchen zum Spieleladen, wo sie sich umziehen wollten. Die Anzüge hatte der Fahrer dabei. Großvater hatte spontan entschieden, dass er auch zu der Party gehen wollte, also war das die beste Lösung, denn so konnten sie ihn gleich mitnehmen. Auch Mokuba saß im Auto, bereits umgezogen. Er hatte sein wuscheliges Haar zu einem Zopf gebändigt und sah im schwarzen Anzug älter und echt vornehm aus.

Bei Mutous zu Hause schob Mokuba seinen Bruder ins Wohnzimmer, in der Hand die Schachtel mit dessen Anzug, und gab Yami seinen. "Hier, du kannst dir von deinem Großvater helfen lassen, und ich kümmere mich um Seto. Sonst braucht ihr ja wieder ewig."

"Mokuba, laber keinen Müll," grummelte der ältere Kaiba, fügte sich aber.

Yami seufzte und ging nach oben. Er hatte in der Tat keine Ahnung, wie man sich in einen feinen Anzug warf.

Herr Mutou war gerade fertig mit Umziehen. Er trug wie Mokuba einen klassischen schwarzen Anzug. "Ah, Pharao. Lasst Euch beim Ankleiden helfen."

Der besagte Monarch lächelte schief. "Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass dies wohl auch nötig sein wird." Er packte seine neuen Kleider aus und stellte entgeistert fest, dass der Stoff nicht richtig schwarz war, sondern violett irisierend. [Ah... das soll wohl eine Anspielung auf meine Haarfarbe sein! Ging das nicht etwas unauffälliger?!]

"Oh, ein guter Stoff," stellte Sugoroku fest, wobei er anerkennend mit der Hand über das Material strich. "Kaiba hat anscheinend keine Kosten gescheut." Er fand in einem weiteren Päckchen das passende Hemd in seidigem Blütenweiß und eine goldfarbene Fliege. Lachend verglich er die Farbe mit Yamis blonden Strähnen.

"Das ist mir fast peinlich," murmelte Yami, der genau wusste, dass der alte Mann ihm so etwas Exklusives nicht hätte kaufen können, ohne an anderer Stelle zu sparen. Die Hemd- und Manschettenknöpfe waren golden und stellten das Horusauge dar, das auf allen Millenniumsgegenständen zu sehen war. "Oh Mann, sind die etwa echt aus Gold? Ich glaube, es ist mir *wirklich* peinlich."

Doch Großvater strahlte. "Ich verblasse neben dir, aber das gehört sich wohl auch so, großer Herrscher!"

Yami musste lachen. "Dir macht das richtig Spaß, was?"

Sugoroku wühlte weiter in der Schachtel und fand abschließend neue Schuhe und Socken, beides schwarz. Anscheinend hatte Kaiba gewusst, dass Yugi nur Sportsocken besaß. "Ich nehme an, das ist die Art deines Freundes, dir seine Zuneigung zu zeigen. Und vor allem kann er auf die Art ein bisschen mit dir angeben. Bin gespannt, was er für sich ausgesucht hat."

"Ich wünschte, Yugi könnte das miterleben..." Yami fing etwas unsicher an, sich umzuziehen. Großvater half ihm, alles richtig zu machen. Mit den seltsamen Farben kam er sich ein bisschen komisch vor, aber zweifellos würde er nicht allein damit sein...

Seine Vermutung bestätigte sich bald darauf, als er nach unten kam und Seto begegnete. Dieser hatte einen weißen Anzug an, der blau schimmerte, und die Fliege war silberfarben. Die Knöpfe des weißen Hemdes zeigten auch die Augenform, aber sie bestanden aus Silber. Er bot einen krassen Gegensatz zu Yamis Farben, und irgendwie erinnerte das an den Schwarzen Magier und den Weißen Drachen. Das wiederum war ziemlich originell, trotzdem gefiel Yami der Gedanke nicht, dass sie Pegasus die Schow stehlen würden.

"Bleib locker," grinste Seto. "Du siehst... hm... mysteriös aus."

"Und du ziemlich cool," entgegnete Yami.

"Ehrlich gesagt habe ich schon immer auf eine Gelegenheit gewartet, dich in dieses Outfit zu stecken. Mokuba hatte vor einer Weile die Idee dazu," gestand der Firmenchef.

Der jüngere Kaiba grinste verlegen. "Lasst uns losfahren, Leute."
 

***
 

Yugi war ratlos, was er tun sollte, während Dark in Konzentration versunken und die beiden anderen Magier bewusstlos waren. Er hatte es aufgegeben, telepathisch mit Blacky zu reden, weil ihm davon allmählich schwindelig wurde und es außerdem sowieso nichts brachte. Bald sah er den ersten Schimmer des Sonnenaufgangs, und die Lichtkugel erlosch automatisch. Kurz darauf gab Dark so etwas wie ein Seufzen von sich und schwankte. Yugi eilte an seine Seite, um ihn zu stützen.

"Hey, Bruder, alles klar?"

Der Magier blinzelte. "Boah, mein Kopf dröhnt. Aber ich habe Mava zurückgebracht."

"Wirklich? Ein Glück..." Yugi wandte sich dem blonden Lichtmagier zu, konnte jedoch keine nennenswerte Veränderung an ihm feststellen.

"Sein Körper ist zu schwach, aber er wird erwachen, wenn er sich ausreichend ausgeruht hat. Aber wir müssen ihn und Neo so schnell wie möglich in Sicherheit bringen." Dark faltete seine Flügel zusammen, und sie lösten sich in einem dunklen Funkenregen auf. Erstaunlicherweise hatte die Sache seine Kleidung nicht in Mitleidenschaft gezogen, aber bei einer Welt, die zu einem großen Teil aus Magie bestand, brauchte man sich darüber wohl nicht zu wundern.

"Wohin können wir ihn denn bringen? Kann uns jemand helfen?" fragte Yugi unsicher. "Schattensturm bräuchte doch sicher ewig, um hierher zu kommen. Hoffentlich wartet er nicht bei den Eisbergen auf uns..."

"Nein, nein, Blacky wird ihn inzwischen von da weggerufen haben, und Mad seinen Drachen auch. Aber du hast Recht, er kann nicht so schnell hier sein. Ich versuche was anderes." Der Magier schloss die Augen und sandte einen telepatischen Ruf aus.

Yugi war gespannt, was nun erscheinen würde, doch er musste nicht lange warten. Zuerst sah er die Tiere gar nicht, weil sie aus der Richtung des Sonnenaufgangs kamen. Staunend erkannte er schließlich, dass es sich um geflügelte Pferde handelte. Sie hatten bläulich-weiße Körper, aber feuerfarbene Flügel, Mähnen und Schweife, und diese sahen auch aus, als würden sie brennen. Fünf Exemplare landeten in den Burgtrümmern, was ihnen nicht gerade leicht fiel. Eins war noch ein Fohlen und gehörte zu einer kräftigen Stute. Ein einziger Hengst war dabei, vermutlich der Anführer der Gruppe.

"Das ist Feuerflügel mit seiner Familie," stellte Dark die Pferde vor. "Wir beide müssen jeweils mit Mava oder Neo zusammen auf einem von ihnen reiten."

"Ugh... hoffentlich geht das gut!" stöhnte Yugi. Er streichelte das Pferd, das ihm am nächsten war, und stellte fest, dass es ganz freundlich war.

Dark hob ihn ungefragt auf die Stute. "Warte, ich gebe dir Mava, er ist leichter." Er holte den bewusstlosen Lichtmagier und hievte ihn mit Yugis Hilfe vor den Jungen auf den Pferderücken. "Schaffst du es?"

Yugi nickte entschlossen. Seine geringe Größe war sehr unpraktisch, aber er würde sich davon nicht aufhalten lassen. Mit einer Hand hielt er sich an der Mähne fest, mit der anderen umschlang er Mavas schlaffen Körper. Mit den Beinen versuchte er, an den Flügeln ein bisschen Halt zu finden, ohne das Tier zu behindern.

Indessen hob Dark Neo auf eine der anderen Stuten und stieg dann selbst hinter ihm auf. "Bist du bereit, Yugi?"

Er bekam erneut ein Nicken zur Antwort und ließ daraufhin sein Pferd starten. Die anderen flogen hinterher. Yugi hielt sich und Mava krampfhaft fest, während sein Reittier steil nach oben stieg, aber als sie erst einmal in der Luft waren, ging es viel besser. Die oberen Luftschichten waren kühl, wie er ja wusste, und der schnelle Flug trug auch nicht gerade zum Aufwärmen bei, allerdings schienen die Pferde eine gewisse Wärme abzustrahlen. Zweifellos waren sie dem Element Feuer zugetan. Aber Wind hätte auch gepasst, überlegte Yugi, denn die Landschaft sauste geradezu unter ihm vorbei. Jedoch schmerzten bald seine Muskeln. Hoffentlich dauerte die Reise nicht mehr zu lange.

[Wir sind gleich da,] versicherte Dark ihm. [Sieh mal nach vorne!]

Sie flogen auf ein großes, cremefarbenes Schloss auf einem Berggipfel zu, das keinen sichtbaren Zugang hatte, aber offenbar brauchten die Bewohner auch gar keine Fußwege. Eine Schar von ihnen kam den Besuchern zur Begrüßung entgegen geflogen. Erst hielt Yugi sie für Vögel, doch auf den zweiten Blick sahen sie eher aus wie Engel.

[Stammt etwa deine Mutter von hier?] fragte Yugi aufgeregt.

[Äh... ja, allerdings. Pass auf dich auf, sie wird dich vermutlich so süß finden, dass sie dich gar nicht mehr weglassen will,] informierte Dark ihn.

[Naja, besser, als wenn sie mich loswerden wollte, so wie Blackys Großmutter ihren Enkel am liebsten umgebracht hätte...] meinte Yugi.

Die fliegenden Feen geleiteten die Pferde zu einer Landeplattform, die wie ein überdimensionaler Balkon aussah und Schwindel erregend weit über den Berg hinausragte, so als könne sie jeden Moment abbrechen. Die Tiere landeten sanft, wie aus Rücksicht auf ihre verletzten Reiter. Sofort kamen geflügelte Frauen und Männer mit Tragen, um Mava und Neo in Gewahrsam zu nehmen. Jemand half auch Yugi beim Absteigen, ein blonder Typ in einem weißen Gewand. Freed kam aus dem Gebäude gelaufen und stürzte regelrecht an die Seite seiner Söhne. Er hatte auch so ein weißes Gewand an und sah darin recht ulkig aus.

Magi und Blacky kamen als Nächste dazu. "Hey, da seid ihr ja! Als ihr nicht durch das Portal kamt, haben wir uns große Sorgen gemacht!" rief der Caosmagier. Er erreichte Dark und schloss ihn erst einmal in die Arme. Aber offenbar hatte er sich geweigert, die Kleiderordnung zu beachten, denn er trug noch immer seine Lederkluft. Vielleicht erinnerten ihn weiße Gewänder zu sehr an sein Heimatdorf.

Magi dagegen schien das Kleid zu gefallen. Sie kam auf Yugi zugehüpft. "Wie schön, ihr seid endlich wieder bei uns!"

Der kleine Hüter des Millenniumspuzzles bemerkte, dass sie einen Verband am Kopf trug, aber die Verletzung war wohl nicht schlimm. "Ich hoffe, es ist niemand zu Schaden gekommen," sagte er.

"Naja, wir leben alle noch," entgegnete sie. "Wir konnten einen Teil der Bücher und Artefakte retten, andere werden wir sicher noch wieder finden. Aber das ist erst einmal völlig unwichtig! Komm rein, du bist sicher erschöpft und hungrig!"

Das stimmte, also ließ er sich von ihr ins Innere ziehen, wo sich zahlreiche Bewohner des Schlosses regelrecht darum rissen, ihm zu helfen. "Magi, führten die Kreise in der Burg hierher?" hakte er nach, während er einen kleinen Tisch an einem sonnigen Fenster zugewiesen bekam.

Das Magiermädchen nickte. "Sie waren die Notausgänge. Viele von uns haben sie benutzt, andere sind auf Drachen oder zu Fuß geflohen. Es kam völlig überraschend. Mava und Neo erschienen in Begleitung von zwei Typen, die sie auf ihren Drachen mitbrachten. Silberschwinge war verletzt, aber Mava sagte, er würde uns das später erklären. Er ging mit Neo und den anderen, die er uns als alte Freunde vorstellte, hinein und trug mir auf, die Burg zu evakuieren. Auf meine Fragen reagierte er ausweichend, und als ich nicht locker ließ, griff er mich mit einem seiner Lichtblitze an." Sie fasste sich an den verbundenen Kopf. "Er traf mich nicht voll, aber es hat gereicht. Mava sah mich an und hatte Tränen in den Augen. Da wusste ich, dass etwas nicht stimmte. Wieder verlangte er, alle in Sicherheit zu bringen, und dieses Mal tat ich es. Ich kam mir feige vor, aber Dark und Blacky waren nicht da, und sie hätten das Gleiche getan. Schließlich waren Kinder in der Burg..."

"Wir haben Neo und Mava in den Trümmern gefunden."

"Hoffentlich übersteht Mava es. Seine Gabe laugt ihn immer sehr aus."

"Ähm... wird man ihn bestrafen? Ich meine... er stand ganz offensichtlich unter fremder Kontrolle, das muss man ihm doch nachsehen," fragte Yugi besorgt.

"Wir müssen leider abwarten, was er dazu zu sagen hat," bedauerte Magi. "Aber nun iss erstmal! Du bist hier in Sicherheit."

Eine Frau mit honigblondem Haar stellte ihm eine Platte mit allerlei Obst, Brot und Käse hin, ein Mann brachte ihm Saft und Honig. Yugis Magen reagierte knurrend, also schlug er ordentlich zu. Alle anderen Probleme konnten warten.
 

***

Fortsetzung folgt.
 


 

{1} Das sieht man ja in den Animes oft, aber eigentlich habe ich keine Ahnung von japanischen Stundenplänen...

Verfluchte Gabe

Hallo! Ich hab eine Folge fertig bekommen, weil ich immer dann daran geschrieben habe, wenn ich von japanischen Feldherren die Nase voll hatte! Ich weiß nicht, wann die nächste fertig sein wird, bitte geduldet euch. Ich musste den Abgabetermin für die Hausarbeit verlängern lassen, weil jetzt auch noch jemand von mir wollte, dass ich 6 Seiten eines japanischen Theaterstücks "lese". Ist also noch nichts wirklich fertig, außer ich mit den Nerven. Na dann... *drop*
 

Kapitel 18: Verfluchte Gabe
 

Die Feen hatten einen Garten in luftiger Höhe, inmitten der Mauern ihres Schlosses. Hier wuchsen Bäume, duftende Blumen und Kräuter, Springbrunnen sorgten für eine angenehme Atmosphäre. Wer sich hier aufhielt, kam kaum auf die Idee, dass es nicht weit entfernt steil in die Tiefe ging. Ab und zu flogen Vögel über den Garten hinweg in den Garten hinein - manchmal auch Feen.

"Hey, Yugi."

Der Junge sprang von dem Platz am Springbrunnen auf, wo er ein wenig eingedöst war. "Neo!" Er warf sich dem Blonden in die Arme, was diesen einigermaßen überraschte. "Es geht dir wieder gut, bin ich froh!"

Neo schaffte ein Lächeln. Er trug ein wallendes, weißes Gewand, das ihn sehr altertümlich aussehen ließ. "Vater ist noch bei Mava. Die Heiler sagen, dass er noch eine Weile schlafen wird. Er kommt wieder in Ordnung. Allerdings haben sie Probleme, die Armreifen abzukriegen, die Sorc ihm angelegt hat."

"Sorc?"

"Ja, so heißt der Kerl, der ihm das angetan hat. Mava trug noch mindestens acht andere Sachen, die die Stärke eines Magiers erhöhen. Sowas ist unverantwortlich. Ein Wunder, dass es ihn nicht gleich umgebracht hat."

Yugi trat ein wenig von Neo zurück und bemerkte, dass noch ein anderer Mann bei ihm war, ein muskulöser Krieger mit langem, schwarzem Haar, einer Narbe über dem rechten Auge und spitzen Ohren. Vielleicht gehörte er doch zu den Feen? Jedenfalls hatte er auch so ein Gewand an. Aber das traf hier wohl auf fast jeden zu. Yugi dachte noch darüber nach, ob er sich eins besorgen sollte.

"Darf ich vorstellen? Yugi, der Hüter des Millenniumspuzzles. Yugi, das ist Gerfried, mein Onkel," stellte Neo sie einander vor. "Er und mein Vater sind Halbbrüder mütterlicherseits."

Yugi hob eine Augenbraue und reichte Gerfried zur Begrüßung die Hand. "Freut mich. Im Reich der Schatten haben viele Leute Halbgeschwister, nicht wahr?" [Freed und Gerfried. Da war jemand äußerst kreativ...]

"Nun ja, die meisten kommen viel herum und haben deshalb die ein oder andere Affäre," grinste Gerfried. Er ergriff die Hand als Kriegergruß am Gelenk, so dass Yugi seines zu fassen bekam.

"Ich kenne dich nur mit Rüstung," bemerkte Darks Blutsbruder und musterte ihn erneut neugierig. Auch Gerfried trug einen Stirnreif, Genau wie Neo und Freed, wohl hauptsächlich, um seine Haarflut zu bändigen.

"Ich trage die Rüstung im Kampf, weil ich sonst zu gefährlich werden kann," erklärte der Krieger. "Meine eigene Gabe ängstigt mich... Wenn ich ein magisches Artefakt anlege, vernichte ich einen meiner Gegner. Es ist wie ein Fluch in der Familie: Auch Mava hat eine Gabe, die mit solchen Gegenständen zu tun hat, und sie kann ebenso grausam ausarten. Ich lebe hier bei den Feen, wo ich Ruhe und Frieden habe."

"Im Moment jedenfalls noch. Exodia ist irgendwo da draußen," gab Yugi zu bedenken.

"Dieser Sorc ist wahnsinnig, wie will er sie kontrollieren?" regte Neo sich auf. "Das ist unmöglich! Exodia wird nichts als Zerstörung bringen, aus diesem Grund war sie ja gefangen!"

Yugi sah Gerfried an. "Nimm ein magisches Schwert in die Hand und vernichte sie."

Der Krieger grinste schief. "Ich glaube nicht, dass der Effekt diese Wirkung hätte."

"Schade eigentlich. Aber vielleicht müssen wir Exodia ja gar nicht vernichten. Sie kann doch wahrscheinlich gar nichts dafür, dass sie so groß und mächtig ist," überlegte Yugi.

Neo tauschte einen Blick mit seinem Onkel aus. "Das meinst du jetzt nicht ernst!"

Yugi zuckte die Achseln. "Wieso? Stell dir vor, jemand würde Mava umbringen wollen, weil er eine gefährliche Fähigkeit hat."

Das saß. Neo ballte die Hände zu Fäusten. "Ich weiß, was du meinst. Aber es kommt doch immer darauf an, was man aus seinen Fähigkeiten macht!"

"Jemand könnte argumentieren, dass man Mava ausschalten sollte, damit er nicht wieder..." Yugi hielt plötzlich inne. "Verdammt! Das kann doch nicht wirklich passieren, oder?"

Die beiden anderen wurden bleich, sogar der sonnengebräunte Krieger. Doch ehe jemand etwas sagen konnte, stieß Appi zu ihnen, natürlich im weißen Gewand. "Da seid ihr ja. Neo, Onkel Gerfied, ihr solltet zu Vater gehen. Er ist völlig außer sich; es gab ein Problem mit Mava..."

Die Angesprochenen fragten nicht weiter, sondern eilten zu dem Zimmer, in dem sie den Verletzten Lichtmagier wussten.

Appi ließ sich stöhnend neben dem Brunnen zu Boden sinken und lehnte sich an den Rand. Er winkelte die Beine an und senkte seine Stirn auf seine Knie. "Mann, ich ertrage das nicht..."

Yugi setzte sich neben ihn. "Was... ist denn mit Mava..."

"Sie haben diese Armbänder nicht abgekriegt und probierten verschiedene Sachen aus. Dann ging etwas schief, ich weiß gar nicht, was. Aber Mavas Hände... es roch zuerst nach verbranntem Fleisch, ich konnte nichts erkennen... da war so viel Blut..." Seine Schultern zitterten, während er seine angezogenen Beine fest mit den Armen umschlang.

Yugi war zutiefst schockiert. War Mava jetzt etwa für immer verkrüppelt? Er wagte gar nicht, danach zu fragen. Allerdings musste er sich etwas für Appi einfallen lassen, der mit der Situation ein wenig überfordert war. Wenn er dem Zauberlehrling half, hatte er wenigstens etwas zu tun. "Appi... warum zeigst du mir nicht ein bisschen Magie, während wir warten? Ich kann noch fast gar nichts."

Darauf sprang er bereitwillig an. Er wischte sich mit einem Ärmel durchs Gesicht, ehe er auf die Beine kam. "Also wirklich, wie willst du eine Hilfe sein, wenn du nicht mal die einfachsten Sachen beherrschst?"

"Ich habe mal eine Tür zugehauen," verteidigte Yugi sich.

Appi verzog das Gesicht. "Ja, ja. Erstmal werde dir deiner Umgebung gewahr. Spüre all die vielen Leben." Er streckte einen Arm von sich, und sofort saßen vier kleine, zwitschernde Vögel darauf wie auf einem Zweig. "Sieh dich als Teil eines großen Ganzen, nicht als Zentrum deiner eigenen Welt."

"Und das von dir?" Yugi sah sich um, nahm bewusst Gerüche und Laute wahr. Der Brunnen plätscherte, die Vögel sangen, und man hörte den Wind. Es roch nach frischem Wasser, feuchter Erde und verschiedenen Blüten. Er bemerkte das Summen von Insekten. Aber als er den Arm ausstreckte, landete nichts darauf.

Appi näherte sich lächelnd und hielt seinen Arm dicht an Yugis, veranlasste die Vögel, ihren Sitzplatz zu wechseln. Der kleine Spielechampion staunte. Noch nie hatte er wilde Vögel aus solcher Nähe gesehen. Ihre dunklen Federn schillerten grün und violett. Sie schüttelten sich plusternd, setzten sich bequem zurecht oder putzten sich. Auf einmal landete ein größerer Vogel auf Yugis freier Schulter, so etwas wie eine Krähe. Eine Hummel sah nach, ob es an seinen blonden Strähnen Nektar gab. Yugi war das Brummen so dicht an seinem Gesicht nicht geheuer, aber er riss sich zusammen. Einer der Vögel knabberte an seinem Ohr.

"Siehst du? Total einfach," stellte Appi fest. Als Nächstes zeigte er Yugi die verschiedenen Pflanzen, sagte ihm ihre Namen und eventuell, welche Bedeutung sie für die Magie hatten, denn aus manchen konnte man Zaubertränke herstellen. So viel auf einmal konnte Yugi sich gar nicht merken.

Es dauerte Stunden, bis sie endlich wieder etwas von Mava hörten. Dark und Blacky, die den Heilern mit ihrer großen Zauberkraft hilfreich zur Hand gegangen waren, gesellten sich erschöpft zu den beiden Jungen. Yugi hatte es gerade geschafft, eine Taube auf seine Hand zu locken, was die beiden wohlwollend zur Kenntnis nahmen.

Appi stellte sich kerzengerade hin, wobei ein paar Schmetterlinge von seinem Haar aufflogen. "Meister, ich habe Yugi ein paar Grundlagen erklärt, es ist dir hoffentlich recht."

Der Schwarze Magier nickte ansatzweise. "Sehr gut. Übrigens ist deine Mutter unterwegs hierher, Appi. Aber sie wird noch eine Weile brauchen, ihr zwei könnt inzwischen kurz zu Mava gehen, wenn ihr wollt."

"Dark, wie geht es ihm?" fragte Yugi besorgt.

"Die Heiler der Feen sind jetzt mit ihm fertig. Blacky und ich haben ihnen unsere Kraft zur Verfügung gestellt, denn sie konnten nur schwer diese Armreifen von Mavas Handgelenken entfernen, die ihn kontrollierten. Leider... wurde er dabei verletzt. Wir haben alles getan, um seine Hände zu retten. Wir müssen vorerst abwarten, noch kann niemand sagen, wie es gelaufen ist," gab Dark Auskunft.

Yugi und Appi machten sich mit einem mulmigen Gefühl im Bauch auf den Weg zu Mavas Krankenzimmer. Dieses befand sich im Erdgeschoss des Schlosses und hatte einen tollen Ausblick ins Tal. Ein Balkon vor dem Fenster war groß genug, dass die geflügelten Feen dort landen konnten. Es war groß, hell und luftig, ein Raum zum Wohlfühlen. Leider war das Bett von einem schwer verletzten, bewusstlosen Magier belegt. Als Appi und Yugi sich ihm näherten, standen Freed und Gerfried von zwei Stühlen neben dem Bett auf, während Neo die Stellung hielt.

"Komm, Bruder, wir gehen was essen," drängte der Schwarzhaarige den Blonden, der sich nur zögernd von der Seite seines Sohnes entfernte. Freed sah wirklich fertig aus. Er hatte auffällige dunkle Ränder unter den geröteten Augen.

Yugi und Appi nahmen ihre Plätze an Mavas Seite ein. Der junge Magier war blass wie eine Leiche. Seine Arme verschwanden von den Händen bis zu den Ellenbogen in dicken Verbänden. Es roch stark nach Medizinkräutern.

Neo saß auf der anderen Seite des Bettes. "Vater nimmt es sehr schwer. Für einen Krieger ist es eine Katastrophe, seine Hände zu verlieren."

"Aber... es ist doch noch nicht sicher, dass seine Hände zerstört sind, oder?" entsetzte Appi sich. "Mein Bruder..." Er strich sachte über Mavas Stirn. So hatte Yugi ihn noch nie erlebt.

"Die Feen verfügen über starke Heilkräfte. Sie werden es sicher schaffen, dass er zumindest teilweise gesund wird, wenn nicht sogar ganz. Sie sagen, dass es ihnen mehr Sorgen macht, ob er sich von seiner Erschöpfung erholt. Die Geistigen und seelischen Schäden könnten schlimmer sein als die körperlichen."

"Nein, er wird bestimmt wieder gesund, wir müssen daran glauben!" widersprach Yugi. "Wir müsst ihm das Gefühl geben, dass wir ihn zurückhaben wollen und ihm nicht böse sind! Er wäre fast gestorben, nur weil er sich selbst seine Tat nicht verzeihen kann!"

"Ich weiß, Dark hat es mir erzählt," murmelte Neo. "Sorc, dieser Mistkerl, hat ihn benutzt und dann weggeworfen! Weil er Mava die magischen Artefakte nicht wieder abnehmen konnte, ohne sich dabei in Lebensgefahr zu begeben, hat er ihm befohlen, sie zu zerstören, alle außer den Armreifen. Aber ich konnte ein paar retten. Und mit ihrer Hilfe ein Schutzfeld errichten, dass uns beide vor der einstürzenden Burg abschirmte..."

Neo wischte sich energisch über die Augen, aber seine Stimme klang weinerlich. "Wisst ihr, was? Mava hat Sorc bedroht. Er bekämpfte ihn mit all seiner Willenskraft und verlangte, dass alle sich in Sicherheit bringen dürfen, ehe er Exodia befreit. Sorc drohte damit, ihn dazu zu bringen, mich zu töten, aber Mava ging das Risiko eiskalt ein. Er wusste, dass ich, genau wie er, mein Leben jederzeit opfern würde, um viele andere zu retten.

Mava schwächte sich selbst durch seinen Widerstand. Sorc hatte die Wahl, auf seine Bedingung einzugehen oder sein wertvolles Werkzeug zu verlieren. Und so schloss er mit Mava einen magischen Packt: Sorc garantierte die Sicherheit der Burgbewohner, und dafür gab Mava seine Gegenwehr auf und unterwarf sich seinem Willen. Und ich glaube, das macht ihn so fertig. Dass er am Ende aufgegeben hat und dieses Monster auf die Welt losließ. Aber eins steht fest: Sorc hätte einen anderen Weg gefunden, wenn es mit Mava nicht geklappt hätte... Und deshalb bin ich stolz auf Mava. Er hat von allen Übeln das geringste gewählt, obwohl es leichter gewesen wäre, in den Tod zu fliehen. Aber er konnte auch nicht zulassen, dass dies einem anderen angetan wird..."

"Ich wünschte, ich könnte irgendwas machen," murmelte Yugi. "Aber ich muss immer nur beschützt werden..."

"Da ist was dran, du bist am ehesten entbehrlich," stellte Appi fest. Er hielt Neo mit einer Geste davon ab, energisch zu widersprechen. "Was ich damit sagen will ist, dass die anderen alle im Kampf gebraucht werden, sogar Mava. Aber er ist zu schwach, also könntest du ihm von deiner Energie geben."

"Was? Aber wie denn?" staunte Yugi.

Appi räusperte sich. "Also... ich bin nicht sehr stark, deshalb habe ich mich immer für Zauber interessiert, die meine Kräfte erhöhen, indem ich die von anderen anzapfe. Mein letzter Meister gab mir das hier..." Er nahm ein unscheinbares, dunkel angelaufenes Silbermedaillon von seinem Hals, das an einer langen Lederschnur hing. Mit einem Ruck brach er das Objekt in zwei Hälften, knotete die Schnur auf und zerteilte auch sie, um in jede Hälfte des Medaillons, die jeweils ein Loch hatten, eine Schnur führen zu können.

Yugi nahm eine der Hälften von ihm entgegen, die ihn an ein Freundschaftsamulett erinnerte, das aus zwei Teilen bestand.

"Ich werde die andere Mava umhängen, und du musst dich darauf konzentrieren, dass du *geben* willst. Es ist etwas gefährlich, denn du könntest genauso gut nehmen," warnte Appi.

"Warte!" rief Neo. "Das wird Mavas Gabe erneut aktivieren, das sollten wir nicht riskieren!"

"Aber Bruder, sie schadet ihm nur, wenn er angreift."

"Trotzdem, es ist zu riskant!"

"Ich mache es!" beschloss Yugi für die beiden. "Wenn wir nichts riskieren, werden wir nichts erreichen. Ich habe schon einmal bei einem Ritual zur Energieübertragung mitgemacht..." Er lief rötlich an.

"Nicht das, was ich denke, was du meinst," hakte Appi nach.

Der Kleinere räusperte sich. "Doch, das mit dem Körperkontakt. Dadurch haben wir Dark geheilt."

"Wir? He, warst du etwa mit meinem Meister im Bett? Und wieso wir?" regte Appi sich auf.

"Das ist etwas kompliziert, und nein, ich war nicht direkt mit ihm im Bett... Es passierte, nachdem du die Tür vor den Kopf gekriegt hattest."

"Häh?!"

"Ist doch egal! Mach!"

Appi runzelte die Stirn, gab es aber auf, eine Erklärung zu erwarten. Er hängte Mava die zweite Amuletthälfte um. "Jetzt denk nur noch daran, dass du ihm Energie geben willst, Yugi."

Yugi hielt seine Hälfte fest und konzentrierte sich darauf, dass er Mava helfen wollte. Er spürte eine Verbindung, ähnlich der Telepathie zwischen ihm und seinen beiden Magierbrüdern. Aber Mava öffnete sich ihm nur zögerlich. Oder lag es einfach daran, dass er mit ihm noch nie gedanklich gesprochen hatte? Oder vielleicht war Mavas Geist zu weit weg...

[Hörst du mich, Mava? Ich will dir helfen. Nimm dir ein bisschen Kraft von mir. Du kannst mehr damit anfangen als ich...]

Die Verbindung kam und kam nicht zustande. Yugi wagte es aber nicht, seine Konzentration aufzugeben, damit nicht noch irgendein Unglück passierte. Allmählich vermutete er, dass er vielleicht nicht genug geistige Fähigkeiten besaß, um so etwas zu tun. Er kam eben nicht aus dem Schattenreich.

"Mava, komm schon! Yugi will dir helfen, verweigere ihm das nicht!" flehte Appi. "Verweigere es dir selbst nicht..."

"Los doch... je schneller du auf die Beine kommst, desto eher kannst du deine Tat wiedergutmachen... dabei war es doch gar nicht deine Schuld, kleiner Bruder," murmelte Neo betrübt.

[Maha Vailo! Lass dir helfen! Bitte!] rief Yugi telepathisch. Hörte Mava ihn überhaupt?

[Yugi...]

[Mava! Ich will dir von meiner Kraft geben! Bitte nimm sie dir!]

[Nein, ich...]

[Ich kann mich einfach wieder ausruhen, du aber musst dich noch heilen. Maha Vailo, tu es.]

Yugi wusste nicht, warum er Mavas richtigen Namen benutzte, aber es schien, dass es wirkte, wie es bei Dark wirkte, wenn er in Schwarzer Magier nannte. Jedenfalls konnte er deutlich eine Reaktion feststellen. Sein Amulettstück leuchtete auf, und dann wurde ihm auf einmal ganz schwindelig...

"Du kleiner Narr, Yugi..." hörte er schwach Mavas Stimme, ehe es dunkel um ihn wurde.
 

***
 

"Uh..." Yami stürzte fast vor dem Eingang des Hotels, in dem Pegasus seine große Party veranstaltete. Seto konnte ihn gerade noch halten.

"Hey, jetzt zeig aber keine Schwäche," neckte dieser ihn.

"Ich... hatte plötzlich ein ganz seltsames Gefühl... als ob meine ganze Kraft mir genommen wird..."

Auch Großvater war nun aus dem Gefährt ausgestiegen. "Kann das etwas mit Yugi zu tun haben?"

Yami griff nach der Millenniumskette, die er in der Hosentasche hatte, aber sie sah ganz normal aus. "Ich weiß es nicht... aber es ist vorbei. Alles in Ordnung... mit mir zumindest..."

Sie betraten das Hotel, das komplett von Pegasus gemietet worden war. Einige seiner Gäste, die nicht in Japan lebten, übernachteten hier. Das Hotel war auf die Unterbringung von Spielern und die Veranstaltung von kleineren Turnieren spezialisiert. Es gab sogar einige kleine Duel Monsters Arenen, in denen man auch Dungeon Dice Monsters spielen konnte.

Ein Page führte die Neuankömmlinge in einen großen Festsaal, in dem zahlreiche runde Tische fein gedeckt waren. Einige waren bereits besetzt - entweder mit Personen oder nur mit deren Jacken. Yami, Seto, Mokuba und Großvater suchten sich einen aus. Sie setzten sich aber noch nicht, sondern blieben in der Nähe stehen, um zu schauen, ob sie Bekannte trafen. Zwei weitere Stühle an dem Tisch waren frei.

"Hey, das darf doch nicht wahr sein, bist du das, Yugi?"

Yami wandte sich um. "Oh! Marco Tsunami! Ich hätte dich fast nicht erkannt!" Was daran lag, dass der junge Mann einen sturmblauen Anzug trug und sein Haar einigermaßen ordentlich zusammengebunden hatte statt nur mit seinem Stirnband. Alle seine Knöpfe waren kleine Muscheln.

"Ist Thea nicht mit dir gekommen? Und Joey? Tristan?" Marco beäugte Kaiba. "Thea hat mir geschrieben, dass du jetzt deinen ehemaligen Feind in dein Bett lässt, aber das hätte ich nie geglaubt - bis jetzt!"

Yami lief rot an, denn sein Kumpel hatte nicht gerade leise gesprochen. Zum Glück tauchte Thea in diesem Moment auf. Sie trug das "Kleine Schwarze", was ihr sehr gut stand. Marco jedenfalls war begeistert, Yami blieb der Mund offen stehen (Großvater auch), und Seto hob anerkennend eine Augenbraue.

"Hey Jungs!" rief sie. "Boah, cooler Aufzug, Yugi und Seto." Wie alle nannte sie Yami in der Öffentlichkeit Yugi. Doch sie widmete ihm nicht lange ihre Aufmerksamkeit, sondern fiel Marco um den Hals. "Endlich sehen wir uns mal wieder!"

Er küsste sie schüchtern. "Ähm... ich bin für eine Weile in der Stadt, warum treffen wir uns nicht mal, damit ich dir... meine Duel Monsers Kartensammlung zeigen kann?"

Sie kicherte verlegen, und beide verschwanden in eine ruhigere Ecke.

"Die beiden passen ja echt zusammen wie die Faust aufs Auge," kommentierte Seto.

Yami wollte etwas erwidern, doch da stieß ein andrer Gast zu ihnen, jemand, den sie lieber nicht sehen wollten: Bandit Keith. Er trug unauffälliges Schwarz, aber eine Krawatte in den Farben der amerikanischen Flagge anstelle seines so gefärbten Kopftuchs.

"Sieh mal an, die ganze Losergang ist anwesend, hab Wheeler und seinen Busenfreund, diesen Tristan, auch schon kurz gesehen..." grinste der Typ.

"Ich kann mir nicht denken, dass du ne Einladung hast," bemerkte Seto.

"Ich brauche keine..." begann Keith, doch in diesem Moment erschienen vier Sicherheitsleute und komplimentierten ihn hinaus. Er verzog sich unter lautem Protest.

Yami atmete auf. "Mit dem wollte ich mich heute nicht abgeben müssen. Wie kommt der bloß immer überall rein?"

"Wheeler kommt doch auch überall rein, sogar in mein Battle City Turnier," bemerkte Seto schief grinsend.

"Du hättest ihn aber auch ruhig gleich einladen können," bemerkte Mokuba. "Joey ist nicht so schlecht, wie du ihn immer hinstellst."

"Ist ja auch egal," wehrte sein großer Bruder ab.

Sie erblickten Mai in einer Gruppe anderer Gäste am gegenüberliegenden Ende des Saales. Sie winkte ihnen kurz zu. Sie trug faszinierenderweise ein enges, weißes Kleid, das auf Kniehöhe weiter wurde und sich elegant um ihre Füße schmiegte. Oben herum war es ärmellos und recht knapp, ganz wie es ihre Art war. Sie trug dazu Handschuhe bis zu den Ellenbogen und eine Halskette mit passenden Ohringen in Silber mit kleinen Steinen darin. Ihre Haare waren hochgesteckt! Yami fragte sich gerade, ob er sie nicht verwechselte, doch dann sah er Joey, der daneben stand und sabberte, also musste die elegante Frau wohl wirklich Mai sein.

Joey und Tristan hatten sich ihre Anzüge geliehen, denn keiner von ihnen konnte sich so etwas Teures einfach so leisten. Tristans Geld ging für sein Hobby, das Motorrad drauf, und Joey weigerte sich, den Betrag anzurühren, der von Serenetys Operation übrig war. Hatte er seine Schwester eigentlich mitgebracht? Ja, als sich die Gruppe um Mai ein bisschen bewegte, wurde Serenety hinter ihr in einem hellblauen Kleid sichtbar. Die beiden waren ja gut befreundet und Joey hatte somit zugleich eine Ausrede, sich in Mais Nähe aufzuhalten.

"Ich frage mich, wo Bakura ist," überlegte Yami. "Vielleicht ist Ryou bei Duke und hat seine dunkle Hälfte noch nicht zum Zuge kommen lassen..."

Während er sich den Hals verrenkte, um den Saal zu überblicken, legte sich ihm plötzlich eine Hand auf die Schulter, dass er erschrocken herumfuhr. "Pharao..."

"Wah! Oh! Du bist es!" Er sah sich dem früheren Grabräuber gegenüber, erkannte ihn jedoch kaum wieder, denn Bakura sah so... vornehm aus. Gleichzeitig aber irgendwie geisterhaft, denn all seine Kleidung war weiß, sogar der Millenniumsring, den er offen trug und der den einzigen goldenen Kontrast bildete, hatte eine weiße Schnur erhalten. Sein voluminöses Haar war im Nacken zusammengebunden, trotzdem konnte er nicht verhindern, dass ein paar Strähnen wie immer widerspenstig in die Höhe standen.

"Glotz nicht so," knurrte Bakura.

Yami schaffte ein Lächeln. "Sei doch froh, vielleicht wird dein Angebeteter dich auch so angaffen. Immerhin ist dieser Aufzug ungewohnt genug."

"Mach dich nicht über mich lustig, Pharao!"

"Ich meine das ernst, sei doch nicht immer so gereizt! Wo ist eigentlich Duke, bist du nicht mit ihm zusammen hergekommen?"

"Er hilft Maximilian bei irgendwas. In letzter Zeit hat er viel Zeit mit Malen verbracht und Devlin alles überlassen, deshalb gibt es jetzt ein paar Last-Minute-Probleme."

"Maximilian?" Yami hob fragend eine Augenbraue, wie es eigentlich Setos Art war.

Bakura blickte hochnäsig schnaubend weg, doch eine leichte Röte schlich sich auf seine Wangen. "Devlin nennt ihn so, ich hab mir das auch angewöhnt."

"Oh. Sicher."

Seto stöhnte genervt. "Nicht doch. Du hast nicht etwa was für den Kerl übrig? Ich dachte, sogar 5000 Jahre alte Geister haben einen besseren Geschmack. Trifft auf einen jedenfalls zu." Er lächelte hochmütig, wobei er Yami ans Gesäß griff.

Der Pharao stieß einen überraschten Laut aus und bemühte sich, Haltung zu bewahren. Gleichzeitig fragte er sich, wie Bakura wohl auf diese Bemerkung reagieren würde.

Jedenfalls anders als erwartet. "Ich zeig dir gleich meinen Geschmack an Liebhabern!" zischte er. Ehe es irgendjemand verhindern konnte, hatte er Yami am Hinterkopf gepackt und zwang ihm einen leidenschaftlichen Kuss auf.

Alle Zeugen dieses Schauspiels gafften wie versteinert, der Betroffene selbst war vor Überraschung zu gar keiner Reaktion fähig. Bakura ließ von ihm ab und entfernte sich böse lachend.

Endlich erholte Seto sich von seinem Schock. "Was zum Teufel fällt dem ein? Dem werd ich's zeigen!" Er schnappte sich seinen allgegenwärtigen Koffer und hatte plötzlich den Millenniumsstab in der Hand.

Yami hielt ihn eilig zurück. "Nicht! Wenn du dich so mit ihm anlegst, landest du am Ende auch noch im Reich der Schatten, was soll ich denn dann machen?"

Seto hob mit dem Stab Yamis Kinn an. "Was ist los mit dir, hat es dir etwa gefallen?"

"Und wenn?" Der Pharao drehte sich um und strebte aus dem Saal.

"He, wo willst du hin?" rief der Braunhaarige ihm nach.

"Einen Ort suchen, an dem ich mir den Mund ausspülen kann," bekam er zur Antwort.

Seto grinste und folgte ihm.
 

***
 

Yugi fühlte sich total erschöpft, aber er öffnete trotzdem die Augen. Ein Gewicht lag auf seinen Oberschenkeln, und als er hinsah, erkannte er, dass es Blacky in seiner Katzengestalt war. Der Magier bemerkte den Blick und hob den Kopf, um ihn aus Katzenaugen mit roten Pupillen anzusehen. Yugi streichelte ihn automatisch und brachte ihn zum Schnurren. Offenbar befand er sich in einem Bett, aber es konnte nicht so viel Zeit vergangen sein, es sei denn, es handelte sich um einen ganzen Tag. Draußen schien die Sonne, und ein paar Strahlen fielen zum Fenster herein. Es war ein weiteres großes Zimmer, aber darin standen zwei Betten. Im anderen schlief Dark. Die Magier mussten auch sehr müde sein, immerhin hatten sie den Feen ihre Macht zur Verfügung gestellt. Yugi wünschte sich, er könnte so etwas auch tun. Aber im Moment kam er sich vor, als könnte er sich nicht einmal auf seinen Beinen halten vor Schwäche, und ihm fiel das kleine schimmernde Amulett um seinen Hals auf. Ach ja, etwas hatte er ja doch tun können. Er lächelte darüber erfreut. Mava schlief sicher noch, aber bestimmt ging es ihm ein bisschen besser.

Blacky stand auf, streckte sich und tapste zu Yugis Kopf, um ein bisschen mit ihm zu schmusen.

"Also wirklich, solltest du das nicht lieber mit Dark machen?" grinste der Junge.

Der Kater leckte ihn am Kinn, schnurrte noch lauter und rollte sich an seiner Seite wieder zusammen, so dass Yugi den Arm um ihn legen konnte. Im anderen Bett regte sich etwas, kurz darauf kam der andere Magier zu ihnen herübergetapst. Yugis Bett war groß genug, und er mochte die tröstende Gesellschaft seiner Brüder, also machte er Dark bereitwillig Platz. Mit der Katze auf einer, dem Magier auf der anderen Seite, schlief er beruhigt wieder ein. Die Gelegenheit musste er nutzen, solange sie bestand...
 

***

Fortsetzung folgt.

Magie für Anfänger

Hey, schon wieder eine Folge. Anscheinend lasse ich mich von manchen Dingen einfach nicht abhalten.

Ich habe diese Folge eilig beendet, weil ich nächste Woche mal wieder zu meinen Eltern fahre und sie dann nicht mehr hochladen könnte, also entschuldigt, falls ich irgendwelche Fehler noch nicht entdeckt habe. Beachtet die aktualisierte Charaliste!
 

Kapitel 19: Magie für Anfänger
 

Sugoroku rückte Yamis Fliege zurecht und grinste schelmisch. "Ist ja nett von euch beiden, dass ihr nicht zu lange gebraucht habt, Pegasus wird gleich die Party eröffnen."

"Ich kann nichts dafür, Seto ist mir auf die Pelle gerückt," verteidigte der Pharao sich, obwohl er zugeben musste, dass er es nicht gerade als Belästigung empfunden hatte.

Die beiden übrigen Stühle an ihrem Tisch waren noch frei, aber gerade in diesem Moment kam Duke mit Ryou dazu. "Habt ihr was dagegen, wenn wir uns dazusetzen?"

"Bitte sehr," grummelte Seto. Er musste Duke jedoch zugestehen, dass er sich zu solchen Gelegenheiten zu kleiden wusste - in Schwarz bildete er einen krassen Gegensatz zu Ryou, der sein dunkles Ich offenbar unter Kontrolle gebracht hatte. Oder Bakura hatte keine Lust auf Förmlichkeiten beim Essen. Jedenfalls war Yami froh darüber, denn so sprang Seto dem Weißhaarigen nicht an den Hals. Auch er selbst wurde nicht in Versuchung geführt, sich an dem Geist für den Kuss zu rächen.

Pegasus war inzwischen erschienen und hatte sich an einem kleinen Sprechpult aufgebaut. Es piepte schrill, als die Techniker das Mikrofon testeten. Schließlich konnte der Millionär seine Rede beginnen. "Ich grüße euch, liebe Freunde! Es ist so schön, dass ihr alle kommen konntet! Ich will nicht länger reden, lasst es euch schmecken! Enjoy the Party!"

Wie auf Stichwort wurden die Speisen herein getragen. Pegasus hatte sich wie immer nicht lumpen lassen. Yami stand prompt vor dem nächsten Problem, denn er hatte noch nie Hummer gegessen, soweit er sich erinnern konnte. Seto machte es ihm vor und tat dabei so, als wäre es ihm völlig unverständlich, wie man das nicht können konnte. Er sah Joey an einem Tisch mit Mai, Tristan und Serenity. Bloß gut, dass die alle nicht in seiner Nähe saßen. Manchmal wollte er nicht, dass jemand dachte, er würde diese Leute kennen...

"Max möchte euch nachher sprechen, ich hab ihm erzählt, dass es ein Problem bezüglich des Schattenreiches gibt," teilte Duke den anderen mit. "Er ist sehr gespannt, was das sein könnte, zumal er in letzter Zeit immerzu das Gefühl hatte, eine neue Monsterkarte entwerfen zu müssen, die ihm jedoch nicht ganz gelingen will. Er meint, das könnte mit euch zusammenhängen."

"Wird er etwa Yugi zu einer Karte machen?" staunte Yami.

"Wie soll das denn gehen," knurrte Seto skeptisch.

"Ich habe keine Ahnung, was er plant," wehrte Duke ab. "Aber er hat ein Gespür für die Karten, sagt er, und er möchte gerne wissen, ob ihr Yugi folgen wollt, um ihm zu helfen."

"Würden wir ja gerne, aber dieser Shah Dee rät uns davon ab, weil es angeblich zu einer Katastrophe kommen kann," entgegnete Yami.

"Lasst uns das nachher besprechen, wenn auch Pegasus dabei ist," schlug Ryou vor. "Joey und die anderen wollen doch sicher auch mit von der Partie sein."

"Das befürchte ich auch," seufzte Seto und widmete sich seinem Essen. Es war wirklich gut, das musste man zugeben.
 

***
 

Yugi hatte bald genug geschlafen. Er hatte nichts geträumt, und der tiefe Ruhezustand hatte ihm sehr gut getan. Es war ein bisschen eng in dem Bett, denn wie so oft hatte sich Blacky im Schlaf zurückverwandelt. Aber er fand die Nähe auch angenehm und freute sich, dass die beiden Magier ihn bei sich haben wollten, obwohl es doch zu zweit viel schöner für sie sein musste...

Als er sich vorsichtig umsah, stellte er fest, dass Dark die Augen offen hatte, während der Magier des Chaos noch schlief. "Hey, kleiner Bruder," flüsterte Dark. "Sollen wir aufstehen und nach Mava sehen?"

"Noch nicht," entschied Yugi. "Es ist gerade so gemütlich. Mava läuft uns nicht weg."

"Wohl kaum." Dark grinste schief. "Yugi, wir müssen ernsthaft mit deiner Ausbildung anfangen. Du solltest lernen, eine Waffe zu benutzen und ein paar magische Grundtechniken anzuwenden. Es besteht nicht länger nur die Frage, wie du zurück in deine Welt kommst. Wenn wir jetzt das Tor öffnen, wäre das vielleicht genau das Falsche. Deshalb musst du tun, was ein Junge aus dem Schattenreich tun würde. Lerne zu kämpfen."

Yugi nickte bedrückt. Er konnte sich kaum vorstellen, sich wie ein Duel Monster zu benehmen und ein Schwert oder einen Zauberstab als Waffe zu benutzen. Aber das war es wohl, was auf ihn zukam. Ob er das konnte? Er war doch nur ein Mensch... allerdings wäre er wohl nicht der Erste, der sich hier einlebte und eine neue Existenz anfing. Nun, so weit wollte er es eigentlich nicht kommen lassen, aber er konnte auch nicht seine neuen Freunde alleinlassen. Wenn er helfen konnte, würde er es tun. Was aber, wenn er nur eine Last war?

Dark bemerkte seine Unsicherheit und legte tröstend einen Arm um ihn. "Mach dir keine Sorgen. Ich weiß, dass du eine Bereicherung für unsere Seite sein wirst. Aber das mit dem Amulett darfst du nicht zu oft machen. Mava weiß das auch, also übernimm dich nicht. Bist du gut ausgeruht?"

"So halbwegs." Yugi drehte sich um und sah nach dem anderen Magier, doch Blacky schien sich überhaupt nicht daran zu stören, dass neben ihm geredet wurde. "Ich glaube, ich stehe doch lieber auf. Bestimmt ist es bald wieder Abend, da will ich die Zeit dazwischen nutzen."

"Gute Idee," stimmte Dark zu. "Los, Kayos, wach auf!"

Blacky öffnete die Augen und blinzelte träge. "Hmmm... ich bin ja schon wach..."
 

Etwa eine Viertelstunde später standen sie in weißen Gewändern - sogar Blacky - vor Mavas Zimmer. Yugi klopfte und hörte Freeds Stimme, die ihn hereinbat. Überrascht stellte er fest, dass nicht nur der Familienvater, sondern auch eine Frau an Mavas Bett saß. Ob das die Mutter der drei Brüder war?

Die schöne Fremde hatte langes, blondes Haar und war groß und durchtrainiert. Sie trug kein Gewand, sondern ein loses, beigefarbenes Oberteil und einen passenden Rock, dazu Sandalen. Sie stand auf und kam auf die Besucher zu, um sie zu begrüßen. "Hallo! Ich bin Shadow, Freeds Frau. Du bist wohl Yugi, hm?"

"Äh, genau!" Yugi hielt ihr die Hand hin, und sie ergriff sie nach Art der Krieger, wie es Gerfried getan hatte. Ihr fester Händedruck überraschte den Jungen.

Freed erhob sich. "Wir haben Mava jetzt lange genug belästigt, jetzt kann er sich mal mit euch abgeben." Er lächelte milde, es ging seinen Nerven eindeutig besser. Er legte einen Arm um seine Frau und verließ mit ihr das Zimmer.

Mava saß mit mehreren Kissen im Rücken in seinem Bett und blickte ihnen entgegen. "Hallo, Leute..."

Dark wuschelte ihm durchs Haar. "Hey, du machst ja Sachen."

"T-tut mir Leid um deine Burg, Dark... Ich hoffe, Exodia hat niemanden verletzt..."

"Hör auf, dir Vorwürfe zu machen. Es hätte schlimmer kommen können. Geht es deinen Händen besser?"

"Keine Ahnung... Ist jedenfalls ziemlich lästig, dass ich nichts alleine machen kann... Joan glaubt, dass sie es hinkriegen."

"Da bin ich froh." Dark setzte sich auf einen Stuhl, was die anderen beiden ihm nachmachten. "Erzähl mir von diesem Sorc. Wer ist er?"

Mava zögerte. "Also... ich konnte einiges über ihn erfahren, während ich mich gegen seine Gedankenkontrolle wehrte, und er erzählte auch ein bisschen... Offenbar hat er versucht, Blacky zu kontrollieren, bevor er mich erwischte."

Der Chaosmagier horchte auf. "Dann war er dieser Geist in mir? Verdammt, ich hätte ihn vernichten können, hätte ich es doch nur getan! Es ist meine Schuld, dass du das durchmachen musstest, Mava..."

Dark erwiderte darauf nichts. Es stimmte, wenn sie Blacky beim Friedenslichtorden geopfert hätten, wäre Sorc vernichtet worden. Wahrscheinlich jedenfalls. Vielleicht nicht. War es falsch gewesen, auf sein Herz zu hören und den Geliebten zu retten?

"Hört auf damit, es ist besser, dass du lebst, Blacky!" mischte sich Yugi ein. "Dieser Kerl ist doch sicher nicht alleine. Wenn Sorc tot wäre, hätte jemand seinen Platz eingenommen. Wir brauchen starke Magier wie dich. Wenn du gestorben wärst, hätte auch Dark seinen Lebensmut verloren, und wer würde dann jetzt für uns kämpfen?"

Blacky schaffte ein schwaches Lächeln. "Lieb, dass du das sagst..."

"Yugi hat Recht, da ist dieser Kapuzenheini," bemerkte Mava. "Er hat auch noch ein paar Handlanger, aber der vermummte Typ ist mächtig. Ach, da ist noch etwas... Sorc sieht dir sehr ähnlich, Blacky, ich glaube er ist... naja... mit dir irgendwie verwandt."

"Was?" Blacky war nicht der Einzige, der sofort daran dachte, dass sie seinen Vater nicht kannten...

Es entstand ein nachdenkliches Schweigen, bis Mava wieder das Wort ergriff. "Sorc hat mich gezwungen, ihm Silberschwinge gefügig zu machen. Vater sagte, sie sei nicht schwer verletzt... Aber ich kann ihr nie mehr unter die Augen treten... euch eigentlich auch nicht... Man sollte mir meine Kräfte nehmen, damit so etwas nicht mehr vorkommt..."

"Mava, das hätte jeden erwischen können," versuchte Dark ihn zu überzeugen. "Fast hätte er es mit Blacky geschafft..."

"Hat er aber nicht. Ich war zu schwach..."

"Schluss jetzt! Diese Selbstbeschuldigungen bringen uns nicht weiter!" sagte Dark laut und in strengem Tonfall. "Ich werde dich bestrafen, wenn du wieder auf den Beinen bist, und bis dahin reiß dich gefälligst zusammen! Ich hab noch was Besseres zu tun, als mir dein Gejammer anzuhören. Komm, Blacky, wir schauen mal, wo mein Schüler steckt. Yugi, triff uns im Garten, wenn du bereit bist."

Die beiden Magier verließen das Zimmer. Yugi sah ihnen geschockt nach. Was war denn in Dark gefahren?

Doch Mava kicherte leise. "Guter alter Dark... Ich kann es kaum ertragen, dass immer alle so nett zu mir sind, fast wünsche ich mir, dass man mich anschreit und mir Vorwürfe macht. Er hat das wohl gemerkt... tat direkt gut..."

"Oh..." Yugi war erleichtert. "Ich dachte schon..."

"Er würde nie zulassen, dass mir was passiert. Nicht einmal, wenn ich die schlimmste aller Strafen verdient hätte. Mach dir keine Sorgen."

"Aber du willst nicht wirklich, dass man dir deine Kräfte wegnimmt? Geht das überhaupt?"

"Möglich wäre es. Aber für einen Magier wäre das, als wenn du plötzlich blind und taub wärst. Wir haben ein erweitertes Bewusstsein für unsere Umwelt, ohne das wir uns unvollständig fühlen würden. Dennoch... Wenn ich so gefährlich bin, wäre es das Opfer wert."

"Davon will ich nichts mehr hören," setzte Yugi fest. "Du kannst diese Gabe für uns einsetzen, das wirst du sogar müssen!"

"Ja, wahrscheinlich." Mava seufzte. "Aber ich kann mir das mit Exodia nie verzeihen."

Darauf fiel Yugi nun keine Antwort mehr ein. Also wechselte er das Thema. "Äm, wegen deinen Händen... Kannst du nicht auch diesen Heilzauber benutzen... den mit dem Körperkontakt, du weißt schon... Sicher kennst du jemanden..." Er hielt inne, als er Mava heftig erröten sah. "Also... ist natürlich nur ein Vorschlag..."

Der Lichtmagier starrte verlegen auf seine Bettdecke. "Also, Yugi... Ich könnte sicher... Aber ich weiß nicht, ob der Zauber wirken würde, weil... nun... ich habe noch nie... ich bin..."

Yugi riss ungläubig die Augen auf. "Du meinst... du bist noch... unberührt?"

Mava stieß hörbar die Luft aus. "Nun ja... Hat sich halt nie ergeben..."

"Tja... muss dir ja nicht peinlich sein..." Der Jüngere grinste schief. "Ist ja nicht jeder so, hm, aktiv wie ich..."

"Vielleicht solltest du dich zu einem Spezialisten in magischer Heilung ausbilden lassen," witzelte der Blonde.

Yugi lachte, wobei ein rötlicher Schimmer auf seinen Wangen erschien. Es war gut, dass Mava noch etwas Humor übrig hatte. "Ich glaube nicht, dass meine Kraft so stark ist," zweifelte er. "Ich kann ja gerade mal ne Tür zuknallen... und das war vielleicht auch nur ein Einzelfall..."

"Dann stell das lieber schnell fest," befand der Magier. "Ich hoffe nur, du bist mir nicht wirklich so ähnlich, wie du immer dachtest. Wenn du eine solche Gabe hast, kann sie dich umbringen. Nimm es mir nicht übel, aber dein Körper ist einfach zu schwach."

"Ja, ist mir schon klar..." Yugi betrachtete die dick bandagierten Hände seines Freundes. "Ich hoffe, es tut nicht zu sehr weh."

"Nein... ich habe etwas gegen die Schmerzen bekommen," versicherte Mava. "Aber fast wünschte ich, es würde wehtun. Dann könnte ich so wenigstens büßen..."

"Fang nicht wieder damit an! Sieh lieber zu, dass du gesund wirst. Wir haben dir doch schon längst verziehen." Yugi hätte seine Hand gedrückt, wenn das möglich gewesen wäre, so legte er ihm eben die seine auf den Arm. "Und irgendwann kannst du dir sicher auch selbst vergeben."

Mava hatte Tränen in den Augen. "Ja... vielleicht. Solltest du nicht bald zu deiner Lehrstunde gehen?"

"Ah ja, Dark und Blacky warten sicher schon. Also, ruh dich gut aus."

"Gut, bis später... und tu mir einen Gefallen, bring ja niemand anderen auf die Idee mit dem Heilzauber."

"Schon klar..." Yugi winkte noch kurz und verließ das Zimmer.
 

***
 

Yami hatte eine neue Leidenschaft entdeckt: Mousse au Chocolat. Es wurde bei der Party als Dessert serviert, und er konnte gar nicht genug davon bekommen. Seto versprach schließlich, ihm bei nächster Gelegenheit welches zu kaufen - sein Dessert hatte er bereits an ihn abgetreten, Mokuba dagegen hatte seins verteidigt und selber gegessen.

Danach gab es erst einmal eine Futterpause. Wer wollte, bekam Kaffe oder andere Getränke, für später war noch Kuchen und dann Abendessen eingeplant. Duke ging los, um ein paar Interessierten das Dungeon Dice Monsters Spiel zu erklären. Yami und die Truppe unterhielten sich mit denen ihrer Freunde, die sie länger nicht gesehen hatten. Thea und Marco verschwanden kurz darauf wieder. Und dann gab es noch eine Überraschung: Marik war aus Ägypten gekommen.

"Pharao! Da seid ihr ja!" rief der Grabwächter begeistert. "Ich habe gehofft, Euch hier zu treffen!"

"Marik! Hey, wie kommst du denn hierher!" staunte Joey.

"Na, Pegasus hat mich eingeladen. Und wenn ich schon mal hier bin, möchte ich mir die Motorradrally ansehen, die nächste Woche in Domino stattfindet. Leider konnten Ishizu und Odeon nicht mitkommen, sie organisieren eine Ausstellung in Berlin."

"Na, schade, aber du bist dann wohl noch eine Weile hier, was?" Tristan sah an dem Ägypter herunter und stellte fest, dass dessen Anzug dieselbe Farbe hatte wie das fliederfarbene Shirt, dass er sonst immer trug.

Marik dagegen betrachtete Seto und Yami. "Diese Sachen sehen klasse an Euch aus, Pharao, hat Kaiba die ausgesucht? Passend zu seinen?"

"Danke, ja, Seto hat sie ausgesucht. Tu mir einen Gefallen und nenn mich nicht Pharao, die Leute wundern sich sonst," bat Yami. "Wenn wir in der Öffentlichkeit sind, nennen mich meine Freunde Yugi, weil viele nichts von mir wissen. Wenn wir unter uns sind, sagen sie Yami zu mir."

"Wie Ihr wünscht, Yugi."

"Hör mit dem *Ihr* auf!"

Die Gruppe amüsierte sich, während sie versuchten, Marik lockere Umgangsformen beizubringen. Nur Seto behielt wie immer seinen ernsten Blick.

Nach einer Weile stieß Pegasus zu ihnen, dem es gelungen war, sich von ein paar wichtigen Geschäftspartnern loszueisen. Er trug wie immer Rot. "Yugi-boy, Kaiba-boy! Long time no see..."

"Hör mit den blöden Sprüchen auf," grummelte Seto.

"Ach, warum so unfreundlich, my friend? Oh, ist das eigentlich der kleine Yugi, oder doch der andere aus dem Puzzle? Stimmt es, dass little Yugi verschollen ist? What a pitty..."

Yami stöhnte, da ihn Pegasus mit seinem amerikanischen Akzent an seine Klausur erinnerte. Das hatte ihm gerade noch gefehlt.

"Was soll mit Yugi passiert sein?" wunderte Marik sich.

"Das besprechen wir besser an einem privateren Ort," meinte Seto.

"Wir können kurz in meine Suite gehen, aber nicht zu lange. Business, you know," schlug Pegasus vor. Er zeigte Yami, Marik, Joey, Tristan, Mokuba und Seto den Weg. Bevor sie den Saal verließen, stießen noch Thea und Großvater zu ihnen. Pegasus rief Duke über ein Handy an, damit er mit Ryou ebenfalls dazukam. Immerhin ging das auch Bakura an.

Die Suite war so groß wie bei anderen Leuten zwei Stockwerke zusammen. Sie pflanzten sich in eine geräumige, helle Sitzgruppe, und Yami fing an zu erzählen, während ihr Gastgeber Getränke austeilte, denn es gab natürlich auch eine Bar.

"...und deshalb suchen wir nach einem Weg, Yugi zurückzuholen, ohne die Bedrohung, die es im Reich der Schatten gibt, in unsere Welt zu lassen," beendete Yami schließlich seine Geschichte.

"Eine Bedrohung im Reich der Schatten?" hakte Pegasus nach. "Sieht so aus, als müssten wir sie erst beseitigen, ehe wir little Yugi zurückbekommen.

"Meine Schwester hatte in letzter Zeit seltsame Träume, obwohl sie ihre Kette nicht mehr besitzt," warf Marik ein. "Sie sah immer wieder das Battle City Turnier... als meine Böse Seite zum Vorschein kam..."

"Ach, sieht sie jetzt nicht mehr die Zukunft?" spöttelte Seto.

Theas Hand fuhr zum Mund. "Oh! Was, wenn es die Zukunft war?"

"Quatsch, der böse Marik ist Geschichte," winkte Joey ab. "Der ist für immer im Reich der..." Er unterbrach sich, als ihm klar wurde, was er da sagte. "Verdammt, ihr meint doch nicht... Könnte dieser Psycho was damit zu tun haben?"

"Warum nicht, den Geist des Ringes sind wir ja auch nie losgeworden," gab Tristan zu bedenken.

Ryous Haare standen auf einmal zu Berge, als Bakura dessen Körper an sich riss. "Sag ja nix Falsches, du Freak!"

"Du nennst mich Freak, ausgerechnet du?" Tristans Augen verengten sich bedrohlich.

"Dieser Shah Dee, von dem du erzählt hast, ist mir ein Begriff," unterbrach Pegasus den aufkommenden Streit. "Ich glaube, man muss ihn ernst nehmen. Und ich hatte auch seltsame Träume, recently... Manchmal passiert das, vielleicht, weil ich das Millenniumsauge hatte..."

"Ich will hier jedenfalls nicht ewig untätig rumsitzen," teilte Joey den anderen mit. "Wir sollten hingehen und uns dieser Bedrohung stellen, ehe sie zu stark wird."

"Dazu müssten wir wissen, womit wir es zu tun haben," wandte Seto ein. "Es ist unklug, einen unbekannten Feind anzugreifen. Aber dir sieht das mal wieder ähnlich."

"Hey, Yugi ist dort, und er ist dieser Gefahr ausgesetzt!" regte der Blonde sich auf. "Interessiert dich das denn gar nicht?"

Der Firmenchef würdigte ihn keiner Antwort mehr.

"Ich glaube, er hat irgendetwas Dummes gemacht, das ihn Kraft kostet... so wie kürzlich mit diesem Heilungsritual..." Yamis Blick wurde abwesend. "Ich habe seine Schwäche gespürt, aber ich hatte nicht das Gefühl, dass er in Gefahr ist."

"Wie ich Yugi kenne, wird er alles tun, um seinen Freunden im Reich der Schatten zu helfen," meinte Thea. "Aber er ist nur ein einfacher Junge... also was kann er schon ausrichten, außer anderen mit seiner Energie beizustehen?"

"Da könntest du Recht haben," überlegte Yami. "Aber wenn er das tun kann, ist auch das eine nützliche Fähigkeit." Er lächelte stolz, Yugi würde sich gewiss nicht unterkriegen lassen. Und er würde Dark und den anderen nicht nur zur Last fallen.

Pegasus sah auf die Uhr. "Ich muss wieder runter, man vermisst mich sicher schon. Wir sollten uns später wieder hier treffen, um zu beratschlagen, was zu tun ist. Vielleicht hat in der Zwischenzeit jemand eine Idee. Come on, let's go." Er komplimentierte sie alle hinaus und ließ ihnen keine Wahl, als die nächsten paar Stunden mit Essen, Spielen und Tanzen totzuschlagen.
 

***
 

Yugi fand seine Magierbrüder im Garten, zusammen mit Appi und Neo.

"Ah, da bist du ja," freute Dark sich. "Ich habe Neo gebeten, uns zu helfen. Blacky und ich sind - ohne jetzt angeben zu wollen - schon so mächtig, dass es uns manchmal schwer fällt, einfache Grundbegriffe zu erklären. Deshalb unterrichten wir normalerweise keine Anfänger."

Yugi nickte, die Argumentation leuchtete ihm ein. Er machte sich nichts vor. Ehe er mit Magie um sich werfen konnte, musste er sich gewiss ewig mit Theorie abgeben, da kam er sicher gar nicht weit, ehe er in seine Welt zurückkehrte. Dass er zurückkam, stellte er nicht in Frage, die Frage war nur, wann und wie.

"Warum erläutert uns Appi nicht die Wichtigkeit des Schutzkreises," schlug Neo vor.

"Du willst dich nur drücken," grummelte der Lehrling.

"Es wäre eine gute Wiederholung für dich," stimmte Dark dem Lichtmagier zu. Er und Blacky setzten sich auf den Brunnenrand, die anderen auf den Rasen.

Appi seufzte. "Was soll's. Ein Schutzkreis ist neben Konzentration und Erdung der wichtigste Bestandteil eines magischen Vorgangs. Du musst dich zuerst auf deine innere Mitte einstellen, dich zentrieren. Dann musst du dich mit deiner Umwelt verbinden... such eine Quelle für deine Kraft, zum Beispiel die Erde. Deshalb nennt man es erden, aber du kannst auch die Luft oder sonst was benutzen. Der Vorgang dient auch dafür, dass du überschüssige Energie wieder abfließen lassen kannst, wenn du sie benutzt hast. Tust du das nicht, kann sie dir schaden.

Dann zieh einen Schutzkreis um dich herum. Ideal wäre es, die Umgebung vorher rituell zu reinigen, aber dazu hast du meistens keine Zeit. Zieh den Kreis um dich herum, mal ihn in des Staub, streu ihn mit Sand oder stell ihn dir einfach vor. Du kannst auch ein Pentagramm oder ein anderes starkes Schutzsymbol benutzen. Beim Pentagramm ist es wichtig, dass du es in einem Zug ziehst und es am Ende geschlossen ist. Nur so schützt es dich vor fremder Magie und vor allem vor deiner eigenen. Du wirst eine starke visuelle Vorstellungskraft brauchen, denn irgendwann wirst du keinen Schutzkreis mehr zeichnen, sondern ihn nur noch visualisieren, und es sollte dir so leicht fallen wie laufen."

Yugi staunte, verstand aber nicht wirklich, was für Informationen da über ihn geschüttet wurden. "Ähm... gut... Erklär mir, wie man sich zentriert."

"Hab ich doch gesagt, finde deine innere Mitte."

"Und wie mache ich das?"

"Oh, Mann." Appi stöhnte innerlich, zugleich war er jedoch stolz, dass er auch mal den Lehrer spielen durfte. Bald hatte er vergessen, dass ihm drei andere Magier zuhörten, während er es Yugi haarklein erklärte.

Yugi war das alles nicht ganz neu, er hatte schon darüber in dem Buch gelesen, das Blacky ihm kurz nach seiner Ankunft gegeben hatte. Aber es war schon praktischer, wenn es einem jemand persönlich nahe brachte. Bald schwirrte ihm der Kopf.

"Mach dir keine Sorgen, es ist wie Lesen lernen. Irgendwann denkst du nicht mehr darüber nach," versicherte der Chaosmagier.

"Du hast vermutlich *noch nie* darüber nachgedacht," neckte Dark ihn.

"Nicht mehr, seit ich dich kenne, da habe ich nur noch einen Gedanken..." Blacky lehnte sich an seinen Geliebten und knabberte an dessen Ohr.

"Bleib doch mal ernst, sonst haben unsere Schüler keinen Respekt vor uns!" mahnte der Schwarze Magier.

Yugi musste unwillkürlich grinsen, als er das von jemandem hörte, mit dem er hin und wieder kuschelnd im selben Bett schlief.

Während sie am Brunnen ihren Unterricht abhielten, gingen andere Personen, hauptsächlich geflügelte Feen, im Garten ein und aus. Yugi sah auch viele der Magier aus der Burg Drachenfels, sie mussten sich durch die magischen Portale hierher gerettet haben. Irgendwann gesellte sich eine junge Frau mit sechs weißen Flügeln und violettem Haar zu ihnen, doch sie blieb neben dem Brunnen stehen und sah nur zu, wollte offenbar nicht stören. Nach einer Weile lösten sich ihre Flügel auf, so dass sie sich bequem auf den Brunnenrand neben Dark setzen konnte. Yugi sah sie neugierig an, gespannt, was sie wohl wollte, und kam nicht umhin zu bemerken, dass sie dem Magier ähnelte. Aber vielleicht täuschte das, weil die Haarfarben sich nur um einige Nuancen unterschieden.

"Hey, hörst du mir noch zu?" riss Appi ihn aus seinen Betrachtungen.

"Äh... ich war abgelenkt," gestand Yugi.

Die Frau kicherte. "Tut mir Leid, das wollte ich nicht. Ich war nur neugierig, wie sich die Schüler meines Sohnes so machen." Sie legte in einer vertrauten Geste einen Arm um Darks Schultern.

"Deines Sohnes?" Yugi war verwirrt, doch dann fiel ihm wieder ein, dass Darks Mutter eine Fee war... "Was, du bist... Aber du siehst so jung aus!"

"Oh, danke!" strahlte sie. "Aber ich bin eine Fee, die meisten von uns altern äußerlich nicht."

"Wow..."

Dark war heftig errötet. "Ähm, ja... darf ich vorstellen? Weaver, meine Mutter."

"Ist dir das etwa peinlich?" grinste Appi.

Dark seufzte. "Mutter, das ist mein neuer Schüler, Appi, der Sohn von Freed und Shadow. Und sein Bruder, Neo."

Neo nickte der Frau von seinem Platz aus höflich zu. Er hatte sie schon bei den Heilern gesehen, die sich um Mava gekümmert hatten, aber bei der Gelegenheit nicht ihren Namen erfahren.

"Und dann haben wir noch Yugi," fuhr Dark fort. "Er ist aus der Welt des Blauen Lichts zu uns gekommen, sicher hast du schon von ihm gehört."

"Ja, der Hüter des Millenniumspuzzles," bestätigte Weaver.

"Freut mich," murmelte Yugi. Jetzt wusste er auch, woher der Schwarze Magier seine Flügel hatte.

"Blacky kennst du ja," beendete Dark seine Vorstellung.

"Ja, offensichtlich bist du immer noch mit diesem wandelnden Chaos zusammen," scherzte seine Mutter. "Darf ich dich wohl mal allein sprechen?"

Er stand auf und schickte sich an, den Garten zu verlassen. "Wartet hier, ich bin bald zurück."

"Ich passe so lange auf die Kleinen auf," versicherte Blacky.

Dark und Weaver entfernten sich.

"Wer ist hier klein?" zischte Yugi und stürzte sich rachsüchtig auf seinen Blutsbruder, wodurch sie beide aufschreiend in den Brunnen fielen, sehr zur Freude von Appi und Neo.
 

Weaver trat an ein Fenster auf dem Schlossgang und blickte über das blühende Land hinweg. Dark trat ahnungsvoll neben sie, er konnte sich schon denken, was ihr auf dem Herzen lag.

Sie wandte sich zu ihm um und sah ihn ernst an, fast erreichte sie seine Augenhöhe. "Dark, du weißt, dass ich dich liebe und möchte, dass du glücklich wirst. Aber ich mache mir Sorgen um dich, solange du deine Zeit mit Kayos verbringst. Mystic hat mir erzählt, was geschehen ist..."

Der Magier hob eine Augenbraue. "Mystic ist hier?"

"Sie und ein paar andere sind erst vor kurzem angekommen, sie ruht sich aus," gab Waever Auskunft. "Aber ich wusste schon vorher von der Prophezeiung, denn ich kenne ihre Mutter von früher. Sie dachte, Mystic wäre eine Fee... Naja, jedenfalls wurde Ariennes Sohn unter keinem guten Stern geboren. Ich weiß, dass dich das nicht abschreckt, und ich würde nie von dir verlangen, dich von ihm abzuwenden. Vielleicht bist du es, der verhindert, dass Kayos uns alle ins Unglück stürzt. Aber sei bitte sehr vorsichtig."

"Ich bin ein Magier der Finsternis, Vorsicht gehört zu meinem Job," versicherte Dark. "Aber auch Risiken. Und wenn Kay eins ist, gehe ich es gerne ein."

"Er ist ein unkalkulierbares Risiko," warnte die Fee. "Jedoch kannst du das wohl noch am besten beurteilen." Sie zog sein Gesicht zu sich herunter und küsste ihn auf die Stirn. "Pass auf dich auf. Du bist mein einziger Sohn."

"Und wenn ich zehn Brüder hätte?"

"Dark, das ist nicht witzig!"

"Ich passe auf mich auf."

"Gut." Weaver streichelte seine Wange und verließ ihn dann.

Als sie außer Hörweite war, wandte Dark sich um. "Wie lange stehst du schon da?"

Blacky trat hinter einem Türrahmen hervor. Traurig lächelnd kam er auf seinen Geliebten zu und schloss ihn in die Arme. "Lange genug."

Dark erwiderte die Umarmung. "Kayos... komm bitte nie auf die Idee, mich zu verlassen, weil du denkst, es wäre besser für mich."

"Natürlich wäre es besser für dich, aber in der Hinsicht bin ich egoistisch," versicherte Blacky.

Der andere Magier schmiegte sich an seinen schlanken Körper. "Jeder sollte eine gesunde Portion Egoismus haben. Hm, warum bist du so nass?"

"Oh... ich bin in den Brunnen gefallen und wollte mich gerade umziehen."

"Du bist ein Magier und kannst dich trocknen!"

"Na klar, aber ich dachte, du würdest mir vielleicht dabei helfen..."

Dark grinste, nahm ihn an der Hand und zog ihn zu ihrem Zimmer.
 

***

Fortsetzung folgt.

Befürchtungen und Hoffnungen

So, endlich ein neues Kapitel! Leider habe ich es erst heute geschafft, denn ich war in den Pfingstferien bei meinen Eltern, die mich sehr auf Trab gehalten haben. Dann musste ich noch ein paar Sachen für die Uni erledigen, weil die paar Kurse, die ich angewählt habe, intensive Vorbereitung erfordern. Davon abgesehen scheint es, dass nach meiner Hausarbeit in Japanische Geschichte meine Kreativität auf einem Tiefpunkt angelangt ist. Sorry.
 

Nachtrag: Dieses Kapitel wurde wegen technischer Probleme zurückgewiesen. Tut mir Leid, dass ihr deswegen noch länger warten musstet. 21 ist fast fertig und folgt in wenigen Tagen.
 

An dieser Stelle möchte ich SoraNoRyu für all die Bilder danken, die sie immer zu Fremde Welten zeichnet. Ich hoffe, sie werden der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, statt nur auf meinem PC zu glänzen. ^^
 

Kapitel 20: Befürchtungen und Hoffnungen
 

Die Freunde gafften auf die Tanzfläche, sahen, konnten es aber nicht glauben. Seto tanzte mit Mai. Und es schien, als hätten sie dafür trainiert, so natürlich wirkten ihre Bewegungen.

"Ich hatte keine Ahnung, dass Mai tanzen kann!" ächzte Joey fassungslos. "Und dann mit *dem*... Dass Mr. Perfekt das kann, ist ja wieder mal klar...."

"Du hättest vielleicht auch mal einen Tanzkurs belegen sollen," bemerkte Marik.

"Dafür habe ich kein Geld!" schnappte Joey.

"Du meinst wohl eher, kein Interesse!" entgegnete Yami. "Warum hast du nicht Thea gefragt, sie hätte es dir mit Leichtigkeit beibringen können, mit Marco hat sie das ja auch geschafft!" Er deutete auf das besagte Pärchen. Marco sah etwas unsicher aus, während Thea ihn gekonnt über die Tanzfläche führte und geflissentlich ignorierte, wenn er sie trat.

Der Tanz war zu Ende, und ein neues Lied wurde angespielt. Seto und Mai hatten anscheinend noch nicht genug. Die Blonde warf einen provozierenden Blick in Joeys Richtung.

"Wo ist eigentlich Serenity?" fragte Yami.

"Sie tanzt mit Duke," antwortete Tristan, der gerade zu ihnen stieß und den letzten Satz gehört hatte. Er hatte - symbolisch gesehen - Tränen in den Augen.

"WAAAS? Mai tanzt mit dem reichen Pinkel, und meine eigene Schwester mit diesem Würfelheini?" Es war fast zuviel für Joey.

"Vielleicht solltest du abklatschen gehen, Mai wartet sicher schon darauf," schlug Yami vor.

Sein Freund sah ihn erstaunt an. "Meinst du wirklich?"

"Kann ich mir nicht denken, wenn du so schlecht tanzt, wie du gesagt hast," überlegte Marik. "Andererseits weiß Mai das vielleicht nicht..."

Marco und Thea kamen dazu, weil der Fischer offenbar genug hatte. "Hey, Leute!" grinste er. "Habt ihr uns etwa beobachten? Ist mir das peinlich..."

"Du hast dich gut geschlagen," kommentierte Yami.

Thea wandte sich ihm zu. "Hey, würdest du mit mir tanzen, Yugi?"

Er nickte sofort. "Klar."

Joey und Tristan blickten den beiden entgeistert nach. "Das macht er doch nur, um Kaiba zu ärgern," meinte Tristan.

"Kann mir jedenfalls nicht vorstellen, dass er..." Joey unterbrach sich, als er sah, wie Yami die Führung übernahm, und das bei Thea, dem Tanzgenie. Nun ja, sie hatte ihn schon immer gemocht.

Marik grinste schadenfroh. "Überrascht euch das? Er ist der Pharao."

"Was hat das denn damit zu tun!" regte Joey sich auf. "In Ägypten gab es weder Walzer noch Rock'n Roll!"

"Das ist ja auch ein Samba," neckte der andere Blonde ihn.

"Warum nennen alle Yugi immer Pharao?" wollte Marco wissen.

Die anderen beachteten ihn nicht. "Der tanzt Samba? Wo zum Teufel hat er das gelernt?" Joey fühlte sich langsam wie der letzte Trottel.

"Bestimmt hat Kaiba ihn zu einem Tanzkurs genötigt. Das war dann wohl mal was, was nicht nur Yugi mitbekommen hat, sondern auch Yami," mutmaßte Tristan.

"Heee! Wovon redet ihr da eigentlich?" jammerte Marco, den einzuweihen offenbar keiner für nötig hielt, und er kam sich einigermaßen ausgeschlossen vor.

Marik nahm sich ein Herz - da die anderen beiden offenbar zu sehr abgelenkt waren - und erklärte es dem Meeresduellanten. Dieser wusste nicht recht, ob man sich über ihn lustig machte, nachdem er erfahren hatte, dass in Yugi Mutou - dessen Seele verschollen war - der Geist eines ägyptischen Pharaos lebte.

Yami indessen genoss die Tatsache, dass er auch mal etwas konnte. Er und Yugi hatten heimlich einen zweiwöchigen Intenviv-Tanzkurs belegt, um Seto auf einem seiner Geschäftsessen zu überraschen. Nur Thea hatte davon gewusst, sie hatte ihnen die Tanzschule empfohlen und ihnen zu Hause etwas Nachhilfeunterricht gegeben, da es mit zwei Seelen in einem Körper doch etwas schwierig war. Während des Kurses hatte meistens Yami die Kontrolle übernommen, mit seinem Partner im Hintergrund wie bei einem Duell. Yugi hatte es zu peinlich gefunden, so klein zu sein.

Die Mühe hatte sich gelohnt. Setos Gesicht an jenem Abend würden beide wohl nie vergessen. Schade, dass Yugi jetzt nicht sehen konnte, wie seine Freunde gafften.

Thea konnte zwar keine Gedanken lesen, aber sie bemerkte, dass Yami nicht ganz bei der Sache war. Er tanzte gut, aber sein Körper führte die Bewegungen eher automatisch aus. Da der Tanz keine dauerhafte körperliche Nähe gestattete, konnte sie ihm keine tröstenden Worte sagen. Dabei war es offensichtlich, dass er mal wieder an Yugi dachte. In der Hinsicht ging es Thea nicht viel besser - sie musste an ihren kleinen Freund denken, wann immer sie Yami sah. Aber für sie war es anders. Sie konnte nicht nachvollziehen, wie es sein musste, jemanden zu verlieren, mit dem man im selben Körper lebte. Vielleicht so, wie wenn man seine eineiige Zwillingsschwester verlor - aber auch das konnte Thea nicht beurteilen.

Was konnte sie denn dann noch tun? Manchmal kam sie sich wirklich hilflos vor. Während Joey Yugi mit seinen Duellfähigkeiten half und Tristan im Notfall die Fäuste sprechen lassen konnte, fragte sie sich manchmal, ob sie in der Gruppe nicht nur Ballast war... Sie schüttelte in Gedanken den Kopf. Auch sie war mutig, und manchmal war sie die Einzige unter all den Jungs, die ihr Gehirn einschaltete. Dennoch... irgendwann würden sie alle getrennte Wege gehen. Thea freute sich darauf, ihren Traum vom Tanzen zu verwirklichen, aber sie würde dann lange ihre Freunde nicht sehen können. Nun ja, sie blieben halt nicht immer Schüler.

Die Musik setzte kurz aus. Thea erwachte aus ihren Gedankengängen und erinnerte sich daran, dass sie eigentlich Yami hatte trösten wollen. "Gut getanzt," brachte sie hervor und schimpfte sich in Gedanken eine Idiotin. Fiel ihr denn nichts Besseres ein?

"Möchtest du noch mal?" fragte Yami, da er wusste, dass er ihr damit eine Freude machte. Wenn schon Marco sich drückte...

Sie nickte. Und so konnten die restlichen Freunde weiterhin nur zuschauen, bis auf Marik, der eine Frau aus China aufforderte, die genauso ungeschickt tanzte wie er, aber sie hatten jedenfalls ihren Spaß zusammen.
 

***
 

"Ich werde nie ein Magier. Viel zu kompliziert. Ich dachte, man merkt sich ein paar Sprüche, fertig..." Yugi lag rücklings auf einer Holzbank im Feengarten und wollte nichts mehr von Schutzkreisen und Reinigungsritualen und Konzentration hören. Denn konzentrieren konnte er sich bestimmt nicht mehr.

"Das geht einem doch immer so, wenn man was Neues lernt," meinte Neo.

Appi grinste schadenfroh, als ob seine Konkurrenz damit ausgeschaltet wäre. Er wusste natürlich nicht, wie entschlossen Yugi normalerweise war, wenn er nicht gerade vollkommen die Nase voll hatte.

"Lass den Kopf nicht hängen, dass ist eben alles noch sehr neu für dich," ermutigte Neo ihn. "Soll ich dir zum Ausgleich ein bisschen Unterricht im Schwertkampf geben?"

Yugi nickte eifrig. "Au ja, körperliche Beschäftigung tut mir jetzt bestimmt gut."

"Du könntest dich auch beteiligen," bemerkte Neo, an Appi gewand.

Der Jüngere grummelte unwillig, fügte sich aber. Neo hielt einen in der Nähe vorbeispazierenden Mann an und bat ihn, ein paar Übungsschwerter zu besorgen. Feen waren ein friedliebendes Volk, das hieß aber nicht, dass sie keine Waffen kannten. Bald kam der Mann mit ein paar Holzschwertern zurück, die ziemlich schwer waren, so dass sie den Benutzer schon mal auf das Gewicht einer richtigen Waffe einstimmten.

Neo ließ Yugi und Appi ein paar Trockenübungen machen, wobei der Blonde sich die ganze Zeit beschwerte, dass er sich mit diesem Anfängerkram abgeben musste. Natürlich war er als Sohn eines Kriegerpaares von klein auf mit Waffen in Berührung gekommen und hatte gewisse Grundkenntnisse - auch wenn er nie die Disziplin besessen hatte, mehr zu erreichen. Deshalb hatte sein Vater ihn zu den Magiern gehen lassen, in der Hoffnung, dass er dort besser zurechtkam, und das, obwohl er gehofft hatte, dass zumindest sein jüngster Sohn in seine Fußstapfen treten würde. Bisher keine allzu erfolgreiche Idee.

Blacky und Dark tauchten gegen Abend wieder auf. Sie sahen sehr zufrieden aus. Zu diesem Zeitpunkt war Yugi endgültig am Ende mit seinen Kräften, aber er hatte das Gefühl, dass er etwas erreicht hatte - auch wenn ihm erst einmal alle Knochen wehtun würden, sobald der Muskelkater richtig zuschlug. Immerhin saß er nicht untätig herum. Appi wollte am liebsten in den Brunnen springen, weil er lange nicht mehr so geschwitzt hatte.

"Na, ihr wart offenbar fleißig," grinste Blacky.

"Unsere großen Lehrmeister haben uns ja auch verlassen," murmelte Yugi müde. "Hoffentlich konntet ihr die Zeit zusammen sinnvoll nutzen..."

Dark errötete niedlich, während Blacky, der selten verlegen war, schallend lachte. "Du bist ja wirklich nicht auf den Mund gefallen, kleiner Bruder."

"Ich muss mich zu Hause gegen zwei coole Typen behaupten, die so selbstsicher sind, dass es an Arroganz grenzt."

"Die würde ich ja gerne mal kennen lernen," grinste der Chaosmagier.

"Vielleicht, wenn es weniger gefährlich ist, das Tor zu öffnen," überlegte Dark.

"Das wird erst der Fall sein, wenn wir Exodia ausgeschaltet und diesen Sorc samt seinem Kapuzenhelfer besiegt haben," stellte Blacky fest. "Ich frage mich, warum er Exodia erweckt hat... wozu ist das gut? Kann er sie beherrschen und für seine Zwecke einsetzen?"

"Die Feen sind auf der Suche, um festzustellen, wo sie geblieben ist," berichtete Neo. "Hoffentlich zerstört sie nicht das ganze Schattenreich."

"Ist das wirklich möglich?" fragte Yugi entsetzt. "Wie habt ihr sie denn beim letzten Mal aufgehalten, wer hat Exodia unter dem Schloss gebannt?"

"Das wissen wir nicht genau," bedauerte Dark. "Es geschah vor langer Zeit, und die Erinnerung daran ist verblasst. Dennoch glaube ich, dass ich es mit entsprechender Hilfe schaffen könnte. Die Frage ist nur, wo."

"In einem Berg, auf dem ihr dann eine neue Burg baut?" schlug Yugi unsicher vor. Er blickte sich um. "Unter diesem hier ist doch kein Monster eingeschlossen, oder?"

"Nein, ich glaube nicht..." vermutete der Schwarze Magier. Aber sicher war er nicht.

Gerade als sich ein nachdenkliches Schweigen breitgemacht hatte, wurden sie durch schnelle, leichte Schritte aufmerksam. "Blacky! Hey, da bist du ja!" rief Mystic.

Der Blauhäutige drehte sich zu ihr um, als er ihre Stimme erkannte. "Schwester!" freute er sich, sie in die Arme schließend. "Ich hab schon gehört, dass du hergekommen bist. Geht es Mutter und..." Er unterbrach sich und sah weg. "Geht es deinen Eltern gut?"

Mystic fühlte einen Stich im Herzen. Nach den Gesetzen des Friedenslichtordens war er nicht mehr ihr Bruder, aber das war ihr egal. "Sie sind in Ordnung, alle. Ich bin mit einem Drachen zurückgeflogen, aber als ich sah, dass die Burg in Trümmern lag, kam ich hierher, weil ich ja wusste, dass die Notportale hierher führen."

"Ich bin froh, dich zu sehen," murmelte Blacky ein wenig traurig. Aber er durfte sich nicht von solchen Gefühlen überwältigen lassen, schließlich war er ein Chaosmagier. Da war eine liebevolle Berührung in seinem Geist, die ihm Trost spendete, und er sah zu Dark hinüber, der bei Yugi und den anderen stand, seinen Blick erwidernd. Der andere Magier war wie ein Anker, der ihn davor bewahrte, im Chaos verloren zu gehen. Keine leichte Aufgabe.
 

***
 

Du Verräter hast heimlich Tanzen gelernt!" klagte Joey Yami an. Tristan nickte eifrig.

Der Pharao hob nur fragend eine Augenbraue. "Wieso heimlich? Ich hab es euch nicht gesagt, aber erinnert ihr euch, wie Yugi mal fragte, ob ihr nicht Lust zu sowas hättet?"

Tristan sah Joey an. "Das war vor gut einem Jahr, ist es nicht so?"

"Vielleicht nicht ganz," überlegte der Blonde.

"Ihr habt gesagt, ihr hättet darauf keinen Bock," erinnerte Yami die zwei. "Also haben wir euch damit in Ruhe gelassen."

Joey ging ein Licht auf. "Das war, als du immer abends keine Zeit hattest!"

"Genau." Yami grinste verlegen. "Yugi und ich wollten Seto überraschen."

"Ich hoffe, er weiß zu schätzen, was du alles für ihn tust," bemerkte Tristan, ehe sich sein Kumpel in einer Kaiba-Hassattacke ergehen konnte. "Kommt, da drüben wird gerade ein Kuchenbuffet aufgebaut," lenkte er vom Thema ab.

Als Joey das hörte, war Kaiba sofort vergessen. "Au ja! Hoffentlich haben sie Sacher-Torte!"

Sie hatten. Yami bekam von seinem Kumpels ein Stück aufgedrängt und stellte fest, dass es ähnlich wunderbar war wie Mousse au Chocolat. Vom Essen her hatte sich diese Party auf jeden Fall gelohnt. Nie zuvor hatte er so viele Köstlichkeiten auf einmal kennen gelernt. Sie standen mit ihren Tellern in der Nähe des Buffets und futterten sich durch. Tanzen machte hungrig.

Seto drängte sich in ihre Mitte, gefolgt von Mai. "Hey, bist du mir etwa aus dem Weg gegangen?" fragte er Yami streng und küsste ihn Besitz ergreifend. "Hm, lecker. Du stehst wirklich auf Schokolade, was? Ich will Nachschlag." Er beugte sich erneut zu seinem Geliebten hinunter.

"Hach, ist das nicht romantisch?" säuselte Mai und blinzelte Joey zu.

Dieser verzog angewidert das Gesicht. "Was soll denn an Kaibas Küssen romantisch sein?"

"Ooooch, du verdammter Idiot!" fauchte Mai, wirbelte herum und stapfte davon, wobei sie vor Wut fast mit ihren Absatzschuhen umknickte.

Joey glotzte auf ihre sich entfernende Gestalt. "Was ist denn jetzt los? Frauen!"

Tristan enthielt sich eines Kommentars.

Bald darauf begegneten ihnen Marik und seine Chinesin, mit der der Ägypter sich in gebrochenem Englisch unterhielt, während sie Sahnetörtchen verputzten. Yami verdrängte den Gedanken an seine Klausur.

Indessen hatte sich Pegasus zu ihnen durchgeboxt. Seine Kunden und Investoren hatten ihn so sehr belagert, dass es ihn direkt erleichterte, mit den jungen Leuten reden zu können, auch wenn diese vermutlich nicht die beste Meinung von ihm hatten. Das konnte er ihnen kaum verübeln.

"Good Heavens, die sind wie die Aasgeier hinter mir her!" Er riss ein Blatt aus einem Notizblock und drückte es Seto in die Hand. Das Papier zeigte eine Skizze von ihm und Yami, innig umschlungen beim Küssen.

Seto legte die Stirn in Falten. "Hey! Was fällt dir ein, Pegasus?"

"Was denn, zeig mal!" forderte Joey.

"Hm, gar nicht schlecht," kommentierte Yami. "Ich werde das für Yugi behalten." Er zeigte die Skizze Joey, der Anstalten machte, ihm den Zettel wegzureißen, doch er konnte ihn aus seiner Reichweite ziehen und steckte ihn ein.

"Für dich hab ich auch eins," bemerkte Pegasus. Er reichte dem Blonden eine Seite, auf der dieser mit einem ziemlich dummen Gesichtsausdruck zu sehen war. Seto sah es und fing an zu lachen. Tristan hielt Joey fest, um eine Schlägerei zu verhindern.

"Du wolltest uns doch sicher nicht nur ein paar Kritzeleien zeigen," sagte der Firmenchef schließlich.

Pegasus ignorierte die Beleidigung. "Ich habe mir Gedanken über unser Problem gemacht."

Alle sahen ihn hoffnungsvoll an.

"Aber ich bin zu keiner vernünftigen Lösung gekommen." Er lächelte arrogant. "Oh my, ihr solltet jetzt mal eure Gesichter sehen."

"Was könnte denn schlimmstenfalls passieren, wenn wir einfach ins Reich der Schatten reisen, um Yugi zu suchen?" wollte Tristan wissen.

"Oh, nichts weiter, außer dass möglicherweise Scharen von Monstern in unsere Welt einfallen," antwortete der Weißhaarige ironisch. "Wenn da eine Bedrohung existiert und man uns davor warnt, die Verbindung zwischen den Welten zu öffnen, sollten wir auf alles gefasst sein und uns überlegen, ob wir es nicht lassen sollten. Vielleicht kommt little Yugi ja von selbst zurück, wenn er das da drüben erledigt hat."

"Das würde ich ihm zwar zutrauen, aber vielleicht kommt er auch um, weil wir ihm nicht helfen," befürchtete Yami.

"Im Notfall muss man eine Einzelperson für das Gemeinwohl opfern," ließ sich Marik vernehmen, der in der Nähe gestanden hatte. "Ich wäre auch dafür, Yugi zu retten, versteht mich nicht falsch. Aber ich weiß auch... wer oder was da noch im Reich der Schatten ist..." Er biss sich auf die Lippe, und sie sahen ihm an, dass er eine erneute Begegnung mit seinem bösen Ich fürchtete.

"Ach was, wir wissen gar nicht, ob dieses Ding noch existiert," wandte Seto ein.

"Ich glaube, dass der Typ nicht vernichtet wurde," beharrte Marik. "Denkt an die Träume meiner Schwester. Sogar ich träume in letzter Zeit des Öfteren von der Zeit, als er mich weggesperrt hatte, um meinen Körper zu beherrschen..."

"Du hast doch nicht etwa Angst vor einem Schatten." Der braunhaarige Firmenchef lächelte ironisch. "Bist du nicht schon einmal mit ihm fertig geworden?"

"Er ist möglicherweise stärker geworden..."

"Ja, und vielleicht ist er ein kleines Licht in einem einsamen Sumpf, das Wanderer vom Weg abbringt, sonst nichts."

"Seto, das ist nichts, was man auf die leichte Schulter nehmen sollte," schaltete Yami sich ein.

"Wenn der Psychopat noch lebt, sollten wir ihn uns sofort vornehmen!" meinte Joey. "Wir können doch nicht warten, bis er bereit ist, von selbst in unsere Welt zu kommen! Das gilt auch für jeden anderen, falls wir es nicht mit dem bösen Marik zu tun haben!"

"Ich glaube, er ist es," beteuerte der gute Marik erneut. "Das war auch mit ein Grund für mich, warum ich hergekommen bin."

"Vielleicht hätte es ein Grund sein sollen, wegzubleiben," entgegnete Tristan.

"Diese Diskussionen bringen uns kein Stück weiter. Wir müssen entscheiden, ob wir auf Shah Dees Warnung hören sollen oder nicht," teilte Yami ihnen mit. "Im Moment habe ich keinen Grund, das nicht zu tun - ich würde wissen, wenn es Yugi schlecht ginge, da bin ich ganz sicher. Außerdem hat auch Yugi selbst uns gewarnt." Er atmete einmal tief durch. "Aber wenn Yugi in Gefahr sein sollte, werde ich gehen. Auch wenn ich weiß, dass es unverantwortlich wäre. Aber wenn diese Bedrohung nicht im Reich der Schatten aufgehalten wird, holt sie uns irgendwann sowieso ein."

"Ich arbeite an ein paar neuen Karten, Duke hat das vielleicht erzählt," erwähnte Pegasus. "Tut nichts, bevor sie fertig sind, ihr werdet sie brauchen können. Mir ist nur noch nicht ganz klar, wie sie aussehen werden."

"Na toll," grummelte Seto mit verschränkten Armen.
 

***
 

Am Abend im Reich der Schatten lernte Yugi Joan kennen, eine hoch gewachsene Fee mit goldblondem, kurzen Haar. Sie war gekommen, um Mavas Verbände zu wechseln. Der Magier hatte ihm erlaubt, dabei zu sein, weil Yugi sonst nicht viel für ihn tun konnte. Mava hatte seine Angehörigen weggeschickt, denn falls es schlimm um seine Hände stand, wollte er, dass sie es schonend erfuhren. Doch Joan zeigte sich zuversichtlich. Vorsichtig wickelte sie die Binden der linken Hand zuerst ab. Darunter kamen fettige, mit Salbe durchtränkte Stoffschichten zum Vorschein.

"Dies muss entfernt werden, auch wenn das Mittel am Anfang wichtig war, denn durch die Feuchtigkeit kann sich kein guter Schorf bilden," erklärte die Fee.

Mava biss die Zähne zusammen, als sie beinahe fertig war. Durch ihre Berührungen konnte er die halb betäubten Schmerzen wieder deutlicher fühlen. Er war froh, dass Yugi bei ihm war und keiner der Magier, die ihn stark und tapfer kannten. Vor Dark und Blacky oder auch seinen Eltern wollte er sich keine Blöße geben. Dabei war es dafür schon zu spät, hatten sie ihn doch alle als den Verzweifelten erlebt, der unter Sorcs Bann Exodia befreit hatte.

Mit Yugi war es anders, vor ihm schämte er sich nicht, wenn er Schmerzen zeigte. Vielleicht ähnelten sie sich ja wirklich ein bisschen. Er suchte den Blick des Jungen, als die letzten Verbände entfernt wurden, denn er wollte nicht sehen, was darunter zum Vorschein kam.

Yugi strich ihm ein paar blonde Haare aus der Stirn. "Du musst Vertrauen in die Heilkünste der Feen haben, bestimmt wird alles gut."

"Das ist jetzt die Stunde der Wahrheit. Der Moment, in dem wir das erfahren," presste Mava furchtsam hervor. "Sieh du hin, ich traue mich nicht."

Yugi sah zu, wie ein paar weiche Polster zwischen Mavas Fingern entfernt wurden. Einige waren blutig und grünlich von der Salbe verfärbt. Die Hand war von feinen Nähten übersäht, und am Gelenk sah man eine hässliche Brandwunde sowie weitere Nähte. Fast alles war rötlich-blau angelaufen und verdickt.

"Diese Armreifen, die er trug, sind explodiert und haben sein Fleisch verbrannt und zerrissen. Aber der Schaden war nicht so groß, wie man meinen könnte, eher oberflächlich. Nur am Gelenk hatten wir Mühe, alle Sehnen, Muskeln und Adern wieder zu verbinden," erzählte Joan. "Knochen waren keine gebrochen. Er wird wahrscheinlich seine Finger nicht bewegen können, bis alles wieder angewachsen ist, also keine Sorge, das wird mit großer Wahrscheinlichkeit wieder."

Yugi verkniff sich die Frage, wie groß noch die Wahrscheinlichkeit war, dass es schief ging. "Wie lange muss er die Verbände noch tragen?" fragte er statt dessen.

"Das kann man bei einem Magier schwer sagen, aber gewiss noch ein, zwei Wochen," gab Joan Auskunft. Sie sprach die ganze Zeit über Mava, als wäre er nicht dabei, aber sie wusste, dass manche Patienten das bevorzugten, weil sie sich so von ihrem Unglück distanzieren konnten. "Du kommst aus der Welt des Blauen Lichts, nicht wahr?"

Yugi nickte.

"Ich wurde auch dort geboren. Aber ich erinnere mich kaum noch," sinnierte die Fee, wobei ihre Augen sich in die Ferne richteten, zu einer Zeit zurückblickten, die nur sie sehen konnte.

Der Junge staunte. Er wusste ja, dass es solche Menschen gab, die zu Duel Monstern geworden waren, aber von ihr hätte er das nicht gedacht. Gleichzeitig machte er sich klar, dass ihm das vielleicht auch bevorstand. Prinzipiell hatte er nichts dagegen, er mochte dieses Land und seine neue Familie, aber seine eigene Welt war ihm doch lieber, und vor allem wollte er wieder bei Seto und Yami sein. Er hoffte, dass er nach seiner Rückkehr seine neuen Freunde ab und zu besuchen konnte.

Joan reinigte die Wunden von der Salbe und verband Mavas Finger neu. "Willst du wirklich nicht hinsehen?" fragte sie den Magier.

Selbiger schüttelte den Kopf. "Gibt das Narben?" erkundigte er sich.

"Wir werden unser Bestes tun, um das zu vermeiden," versprach sie. Ihre geschickten Finger verpackten Mavas Hand erneut in weißen Stoffstreifen. Allerdings nicht mehr ganz so dick wie vorher. Dann wandte sie sich der anderen Hand zu.

Yugi ging auf die andere Seite des Bettes, damit Mava seine Rechte nicht ansehen musste, wenn er mit ihm sprach. "Es sieht gar nicht so schlimm aus..." versuchte er seinen Freund zu trösten. "Schlimm, aber nicht so, wie ich befürchtet habe, vermutlich schlimmer, als es ist. Sehr lila."

Mava lachte ansatzweise. "Lila? Oh..."

Yugi warf einen Blick auf die Hand, die Joan inzwischen freigelegt hatte. Stirnrunzelnd stellte er fest, dass diese nicht nur lila war, sondern teilweise gelb und feucht. Eine der Wunden eiterte stark.

"Ich muss das aufmachen," murmelte die Fee. "Es ist entzündet, der Eiter muss raus."

Mava riss sich zusammen und sah nicht hin. "Eiter? Aufmachen?!"

"Keine Angst, es ist ja praktisch schon offen, ich muss nur eine der Nähte ein wenig auftrennen, das Zeug rausdrücken und..."

"Urgh, ich kotze gleich," stöhnte Mava.

"Ich werde kurz ein paar Sachen holen, die ich brauche," kündigte Joan an. Sie deckte ein dünnes Tuch über die Hand, um ihrem Patienten den Anblick zu ersparen, und verließ das Zimmer.

"Bevor sie anfängt, kannst du mir einen Gefallen tun, Yugi?" bat Mava.

Der Kleinere nickte. "Sicher."

"Es juckt mich am Rücken, und ich halte das bald nicht mehr aus."

Yugi kicherte. "Wenn es nur das ist..." Er half Mava, sich etwas vorzubeugen, und bewegte seine Finger über dessen Rücken.

"Etwas tiefer," murmelte der Magier genüsslich. "Ja, genau da... ah, tut das gut." Yugi kraulte ihn etwas länger als nötig. Es musste schon ziemlich blöd sein, wenn man sich nicht einmal selber kratzen konnte.

Als Joan kurz darauf zurückkehrte, hatte Mava sich wieder an seinen Kissenstapel gelehnt. Sie hatte einen blonden Jüngling dabei, der ihr assistieren sollte. Mava wurde es mulmig. Sollte das nicht nur ein kleiner Eingriff sein? Wenigstens hatte sie nicht noch ein paar Hünen mitgebracht, die ihn festhalten sollten.

Yugi fing an, ihm Geschichten aus seiner Jugend zu erzählen, um ihn abzulenken. Joan indessen wandte einen Feenzauber an, um die zu behandelnde Stelle zu betäuben, und so war der Magier nach einigen Minuten ganz überrascht, dass sie bereits neue Verbände anlegte, während der Geruch von Heilkräutern in der Luft hing.

"Das war's schon?" staunte Mava.

Joans Helfer packte das alte Verbandsmaterial und ein paar gebrauchte Tücher zusammen. Das Operationsbesteck war bereits verschwunden.

"Ich musste nicht viel tun," winkte sie ab. "Die Stelle ist jetzt neu genäht und desinfiziert, da sollte nichts mehr passieren. Wir werden es morgen früh sehen. Dann kannst du auch ein bisschen aufstehen, wenn du willst."

Er nickte eifrig. "Ja, danke!"

Sie lächelte wohlwollend. "Freut mich, dass ich helfen kann. Yugi, vielleicht sehen wir uns noch, dann können wir ein bisschen über die Welt des Blauen Lichts plaudern."

"Ja, gerne."

Joan und ihr Assistent verabschiedeten sich und gingen.

"Hey, Yugi. Kann ich heute noch mal davon Gebrauch machen?" Mava deutete mit seiner bandagierten Hand auf das Amulettstück an seinem Hals, dessen andere Hälfte der Hüter des Millenniumspuzzles noch trug.

Letzterer freute sich, dass der Blonde ihn um Hilfe bat. "Natürlich. Werd nur schnell wieder gesund."
 

In der Nacht träumte Yugi von einem Drachen, den er herbeirief, aber er konnte nicht erkennen, welcher es war. Die Stimme in seinem Kopf sprach zu ihm: [BALD... DU WIRST WISSEN, WENN ES ZEIT IST...]

Der Junge erwachte kurz, fühlte sich jedoch so erschöpft, dass er gleich wieder einschlief, vage registrierend, dass zwei Magier an ihn gekuschelt waren. Er wusste, dass Mava an seinen Kräften zehrte, und gönnte es ihm. Vielleicht hätte er das nicht getan, wenn er gewusst hätte, was für Auswirkungen das auf sein anderes Ich hatte.
 

***

Fortsetzung folgt.
 

Bemerkung: Das mit Mavas Hand wurde von meiner Mutter inspiriert, der sie mehrmals den eitrigen kleinen Finger aufgeschnitten haben, ehe jemandem auffiel, dass der Nagel eingewachsen war.

Regen

In dieser Folge schreibt Yami endlich Yugis Klausur. Die Aufgaben sind Ausschnitte aus meinen Klausuren, die ich im Grammatik-Kurs von Mr. William Argent an der Uni geschrieben habe. Derselbe, für den ich in einem anderen Kurs "Yuki" geschrieben habe *Reklame mach*. I hope you don't mind, Bill.
 

Für alle, die sich an dem Test versuchen wollen, gibt es nächstes Mal die Lösung.
 

Kapitel 21: Regen
 

*Fill in the blanks with the appropriate article: a/an/the/no article*

Whatever else people may do when they come together - whether they play, fight, make love, or make automobiles - they talk. We live in ___ world of ___ words. We talk to busdrivers and to total strangers. We talk face to face and over ___ telephone.
 

Yami starrte auf das Blatt und fragte sich, was es ihm sagen wollte. Es war die erste Stunde, jene, in der sie die Englischklausur schrieben. Und er war mal wieder total erledigt, nachdem er mit einer leuchtenden Millenniumskette um seinen Hals aus verwirrenden Träumen von dick verbundenen Händen aufgewacht war. Sicher waren das nicht Yugis Hände gewesen, oder? Eine solche Verletzung würde er bestimmt spüren. Er spürte doch sonst so viel von seinem kleineren Ich. Was hatte Yugi denn jetzt wieder angestellt? Es schien das gleiche zu sein wie am vergangenen Nachmittag.
 

*Fill in the blanks with some/any or one of their variants, e.g. somewhere, anybody etc.*

Bob was eating lunch at _____ restaurant the other day when he realized that he had hardly _____ money with him. He started looking around to see if there was _____ he knew sitting _____ near in order to ask if he could borrow _____ money.
 

[Yugi bringt mich um. Halt, ich bin schon tot. Na, ein Glück. Verdammt...] Der Pharao seufzte und füllte die Lücken aus, so gut er konnte. Meistens riet er einfach nur, was sonst blieb ihm übrig? Er konnte sich nicht besonders gut konzentrieren und schrieb manchmal ein Wort hin, ohne zu wissen, warum. Vielleicht innere Eingebung durch einen Rest von Yugis Erinnerungen.
 

*Fill in the blanks with much, many, (a) few, (a) little.*

Bob decided to go and have _____ drinks because he was bored and wanted to kill _____ time. The first bar he went into was a place without _____ decoration at all, very uncomfortable chairs, and not _____ of them, so he didn't have as _____ drinks there as he would have liked.
 

Yamis Stift wanderte über die Lücken, ohne dass er wirklich wusste, was er tat. [Vergib mir, Yugi... Ich fürchte, hier werde ich dich enttäuschen.] Er bekam langsam Kopfschmerzen. Besser gesagt, sie wurden schlimmer. Warum ging es ihm eigentlich die ganze Zeit schlecht, seit Yugi weg war? Mal abgesehen davon, dass der Kleine ihm fehlte...
 

***
 

Yugi schlief bis zum späten Vormittag. Niemand störte ihn, da seine Freunde wussten, dass er wieder Mava unterstützte. Etwas benommen stand er schließlich auf, um den Rest des Tages zu nutzen. Er musste zusehen, dass er mit seinem Magieunterricht vorankam, vielleicht erschien es ihm ja heute schon logischer. Das war schon verrückt. Er erlernte die Magie! Wenn ihm das vor zwei Wochen jemand erzählt hätte...

Im Reich der Schatten kam es ihm allerdings gar nicht mehr so abwegig vor, weil sowieso alles sehr einem Traum glich. Inzwischen wartete er aber nicht mehr darauf, dass er aufwachte. Die Realität würde ihn schon früh genug wieder einholen.

Ob Mava heute aufgestanden war? Yugi wusch sich eilig, zog sich an und rannte aus seinem Zimmer, dass man ihn für ein übermütiges Kind halten musste. Tatsächlich sahen sich einige Feen, an denen er vorbeilief, lächelnd nach ihm um.

Im Garten war natürlich schon allerhand los. Kräuter wurden geerntet, Beete geharkt. Kinder, die nicht viel kleiner waren als Yugi, spielten Fangen und fragten ihn, ob er mitmachen wollte, was er höflich ablehnte. In der Nähe des plätschernden Brunnens, der wohl der Stammplatz der Magier geworden war, jonglierte Appi mit ein paar violetten Früchten, die ansonsten Äpfeln sehr ähnlich sahen, aber weich wie Pflaumen waren. Als er Yugi sah, warf er ihm eine zu. Dabei drohten ihm die restlichen herunterzufallen, doch er ließ sie gekonnt magisch weiter durch die Luft fliegen.

Yugi, der die Früchte von mehreren Frühstücken kannte, biss herzhaft in seine hinein. Je dunkler die Farbe, desto weicher und süßer das Fruchtfleisch. Er hatte ja noch gar nichts gegessen, also war die Frucht ein willkommener Genuss.

"Wir werden heute wahrscheinlich endlich mal wieder ein bisschen Regen kriegen," meinte der Zauberlehrling und deutete auf den Himmel, der dunkler war als sonst. Das Licht sah fast so aus wie bei einer Sonnenfinsternis, aber wie immer war nicht wirklich eine Sonne zu sehen, auch wenn eine da sein musste.

"Warum sieht man keine Regenwolken?" wollte Yugi wissen.

"Sie sammeln sich über der Schattensphäre," antwortete Appi. "Unsere Welt ist von einer Schicht umgeben, die wir Schattensphäre nennen. Manche meinen, sie bestünde aus aufgebrauchter Magie, und man sollte allen Zauber verbieten, damit es nicht eines Tages ganz dunkel wird. Andere behaupten, es wären Abgase aus den Technikgebieten. Aber die gab es früher nicht, während die Schattensphäre schon ewig existierte."

Yugi blickte interessiert nach oben. Ob diese Sphäre so etwas wie ein Fluch war? Was passierte wohl, wenn sie verschwand? Gab es hier dann auch blaues Licht? Und diese Technikgebiete mussten wohl die sein, wo die Roboter und Maschinenmonster von Duel Monsters lebten. Aber die konnte es ja noch nicht lange geben, oder?

Yugi runzelte die Stirn. "Sag mal, Appi, wenn Dark schon mit dem Pharao zusammengearbeitet hat, aber die Technikgebiete erst vor kurzem entstanden sind... wie alt ist er dann eigentlich?"

Appi lachte. "Yugi, die Zeit folgt hier einer anderen Logik als bei euch. Ein Jahr hier ist nicht notwendigerweise ein Jahr dort. Und was unseren technischen Fortschritt betrifft, den hatten wir schon lange vor euch, weil zu allen Zeiten Menschen hierher kamen, die ihrer Zeit voraus waren und dafür verspottet oder verfolgt wurden. Zusammen mit unseren Wissenschaftlern haben sie schon seit langem das geschaffen, was man in deiner Welt moderne Zivilisation nennt. Aber nicht viele haben entschieden, in ihr zu leben. Magier und Feen beispielsweise bedienen sich lieber der Kräfte der Natur."

"Dann kann es sein, dass ein Jahrzehnt vergangen ist, wenn ich zurückkehre?" erschrak Yugi.

Der Blonde hob die Augenbrauen. "Nun... ich weiß nicht genau..."

"Oh nein, das darf nicht sein!"

"Ach, reg dich nicht auf, ich glaube nicht, dass es so ist."

"Aber du weißt es nicht!"

Appi schwieg, seine schwebenden Früchte waren auf die Erde gefallen.

Yugi gab es auf. Er konnte es nicht ändern, also warum sich den Kopf zerbrechen. Aber vielleicht war das der Grund, warum so viele Menschen nicht mehr zurück wollten. "Wo sind eigentlich die anderen alle?" hakte er nach. "Magi hab ich schon lange nicht mehr gesehen."

Darks Schüler zuckte mit den Schultern. "Die haben sich bei mir nicht abgemeldet. Wahrscheinlich besprechen sie mit den Feen die Lage. Diese Weaver ist wohl sowas wie die Chefin hier. Aber hast du Joan gesehen?"

Yugi nickte. "Sie scheint eine Heilerin zu sein."

"Ja, eine ganz scharfe! Sie soll ihre heilenden Hände ruhig mal auf mich legen!" Er grinste breit, während er sich das vorstellte. "Würde dir das nicht auch gefallen?"

"Ich bin schwul, Appi."

"Oh. Richtig, hab schon davon gehört. Stimmt es, dass du zwei Macker hast?"

"Schon, aber es ist etwas kompliziert. Yami teilt mit mir den Körper. Wir können nur auf einer astralen Ebene zusammenkommen, in den Räumen unserer Seelen. Aber wir lieben beide Seto, was den Vorteil hat, dass wir unsere Zeit nicht unter zwei Leuten aufteilen müssen. Naja, jedenfalls nicht wirklich. Wir können geistig verschmelzen, wie wir es in einem Duell machen, und..." Yugi lief rot an, als er erkannte, dass er aus dem Nähkästchen plauderte. "Das interessiert dich wahrscheinlich alles gar nicht..."

"Oh doch!" entgegnete Appi aufgeregt. "Das ist das erste Mal, dass mir jemand so von seinen Liebhabern erzählt. Ich kenne nur Leute, die mit ihren Weibergeschichten angeben. Und da sind Stories dabei, die können gar nicht wahr sein. Erzähl mir von diesem Seto."

"Oh... Du würdest ihn wahrscheinlich hassen, weil er sich keine Mühe gibt, von Leuten gemocht zu werden, die er dessen für unwürdig hält."

"Ach, er würde mich für unwürdig halten, von ihm sympathisch gefunden zu werden? Kein Wunder, dass ich dich zuerst so bescheuert fand, sein Schatten muss noch auf dir gelegen haben."

"Sein...Hä, was ist denn das für ein Spruch?"

"Das sagt man, wenn man jemanden nicht mag, nur weil er mit jemand anderem in Verbindung steht. Dann liegt sein Schatten auf dir."

"Ah. Aber das konntest du nicht wissen. Du mochtest mich nur nicht, weil du dachtest, ich wäre Darks Schüler." Yugi grinste. "Heißt das, das hat sich geändert?"

Appi machte eine Geste der Hilflosigkeit. "Ich muss mich halt mit dir abfinden, da kann ich mich auch gleich mit dir anfreunden. Aber lenk nicht von Thema ab."

Yugi erzählte also von Seto, und es machte ihn traurig und erwärmte zugleich sein Herz. Er berichtete von Setos Firma, seiner Besessenheit, der größte Duel Monsters Champion zu sein, seinem Bruder Mokuba und schließlich von den Gründen, warum er sich in den Braunhaarigen Arroganzbolzen verliebt hatte. Appi reichte das nicht, er wollte intime Details hören. Darüber Auskunft zu geben blieb Yugi erspart, denn sie bekamen Gesellschaft.

Zuerst kam Kuriboh angeflogen und kuschelte Yugi zu Boden. Während der Junge lachend versuchte, sich von dem Wollknäuel zu befreien, gesellte sich Mad dazu.

"Hey, wo bist du die ganze Zeit gewesen?" keuchte Yugi, der mit einiger Mühe das Pelztier von sich fernhielt.

"Oh, ich bin in einem anderen Teil der Feenburg untergebracht. Sie ist so groß, dass man sich leicht verlaufen kann, und ich hab erstmal die vielen Springbrunnen und Badegelegenheiten begutachtet, die es hier gibt," entschuldigte Mad sich.

"Das muss ja ein wahres Paradies für dich sein," meinte Appi.

Mad wickelte eine seiner blauen Haarsträhnen um den Zeigefinger. "Naja, am Meer oder so ist es noch besser. Übrigens lassen Dark und Blacky euch ausrichten, dass sie euch beim Mittagessen in einer Stunde treffen. Sie sind noch bei der Lagebesprechung."

"Oh, hätten Appi und ich nicht dabei sein sollen?"

"Ich hab auf dich gewartet," warf der Blonde ein. "Ich finde Lagebesprechungen langweilig, und so würde es dir sicher auch gehen. Es reicht, wenn du das Ergebnis erfährst. Meistens zanken sich die Leute eh nur darüber, was man am besten unternehmen soll."

"Ganz richtig," stimmte Mad zu. "Ich war bis eben dort. Die Feen sind dafür, dass eine friedliche Lösung gesucht wird, während Freed und seine Frau davon überzeugt sind, dass wir zu den Waffen greifen müssen. Die Magier wollen zurückschlagen, ehe der Feind zu stark wird. Weaver und Joan halten dagegen, dass unsere Seite noch geschwächt ist. Und so weiter."

"Hört sich nach harten Verhandlungen an," stellte Yugi fest. Er saß auf dem Boden und hatte Kuriboh auf dem Schoß.

"Komm mit. Es gibt da etwas, das dich interessieren dürfte," lächelte Mad.

Er ging langsam vor, bis die beiden Jungen ihm folgten, und führte sie dann durch mehrere Gänge zu einem weiteren Garten, der viel kleiner war als der andere, dafür aber sehr gemütlich. Sein Zentrum wurde von einem Teich mit Seerosen und Fischen beherrscht, Bäume an seinem Ufer spendeten Schatten, und der Duft der Blumen war geradezu benebelnd. Dieser Garten diente keinem anderen Zweck als der Entspannung. Keine Heilkräuter wuchsen hier, und wenn wurden sie nicht geerntet, sondern blühten und gediehen wie die anderen Pflanzen auch. In der Sonne tummelten sich ein paar Vögel, doch eine kühlere Brise warnte vor dem Regen, den schon Appi angekündigt hatte.

Jemand saß auf einer Bank aus mit Schnitzereien verziertem Holz nahe dem Teichufer im Schatten eines blau blühenden Baumes. Yugis Augen wurden so groß, dass sie fast sein ganzes Gesicht einnahmen. "Mava!" rief er voller Freude und stürmte auf den Magier zu.

Mava sah ihn kommen und breitete die Arme aus, um seinen kleinen Freund aufzufangen. Als Yugi ihm um den Hals fiel, kippte beinahe die Bank um.

Appi war sogleich neben ihnen. "Nicht so stürmisch, Yugi! Hey, Bruder, wann bist du aus dem Bett gekommen?"

"Vor einer halben Stunde etwa," lächelte Mava. Er zeigte ihnen seine Hände, deren Finger nun einzeln verbunden und nicht mehr gemeinsam dick eingewickelt waren. "Die Verletzungen sind viel besser geworden. Ist mit dir alles in Ordnung, Yugi? Ich befürchtete schon, ich hätte dir so viel Kraft abgezogen, dass du den ganzen Tag verschläfst."

Der kleine Spielechampion sah ihn verwirrt an. "Wirklich? Nein, so schlimm war es gar nicht. Ich habe lange geschlafen und fühle mich vielleicht ein bisschen erschöpft, aber es geht mir gut."

Mava wunderte sich. "Aber jemand muss all die Energie geliefert haben. Es war wirklich eine gute Portion."

"Oh..." [Yami!]
 

***
 

[Yugi...] Yami starrte an die Decke des Krankenzimmers. Ihm war, als hätte sein anderes Ich nach ihm gerufen, aber das war wohl nicht möglich, oder?

Die Klausur war endlich vorbei, und er hatte das Gefühl, die ganze Zeit umsonst gebüffelt zu haben. Garantiert hatte er kläglich versagt, und sowas Peinliches war ihm, dem König der Spiele, noch nie passiert. Nun ja, die Schule war kein Spiel. Das Leben war kein Spiel. Und die momentane Realität erst recht nicht.

Seto hatte ihm vorgeschlagen, sich bei der Schulärztin zu melden. Er hatte seinen kleineren Geliebten dorthin begleitet und erklärt, Yami habe die ganze Nacht gelernt, was unvernünftig gewesen war wegen seiner erst kürzlich erlittenen leichten Gehirnerschütterung, die ihm noch immer Kopfschmerzen bereitete, im wahrsten Sinne des Wortes. Yami hatte einfach nicht widersprochen und erst einmal geschlafen. Wie lange eigentlich? Er musste zum Unterricht zurück, wenn er zuviel verpasste, wirkte sich das negativ auf Yugis Image aus. Die Schmerztablette schien gewirkt zu haben, jedenfalls ging es ihm besser, aber er fühlte sich noch immer müde. Nun, wenn er Yugi so helfen konnte... und es war ja offensichtlich, dass sein Zustand mit Yugi zu tun hatte. Seufzend drehte er sich einmal im Bett um und beschloss einfach ganz egoistisch, dort zu bleiben, bis jemand nach ihm sehen kam. Er wusste sowieso nicht genau, wann die Stunde zu Ende war. Yugi würde das schon verstehen, immerhin war es sein Verschulden.

Natürlich nahm er es dem Kleinen nicht übel. Ein wenig wunderte ihn, dass er so sicher war, dass Yugi nicht in unmittelbarer Gefahr war. Aber das lag bestimmt an ihrer mentalen Verbindung, so schwach sie auch gerade war, und an der Millenniumskette vielleicht. Dies täuschte jedoch nicht darüber hinweg, wie sehr er ihn vermisste, und er mochte sich gar nicht vorstellen, wie sich Yugi wohl fühlte, dem ja gleich beide Partner und alle Freunde abhanden gekommen waren. Lange konnte es nicht mehr so weiter gehen. Da stellte sich nur die Frage, wer als Erster etwas Dummes tat. Vielleicht Joey? Der war ja schon immer ein Draufgänger gewesen, wenn es um seinen besten Freund ging.

Irgendwann, er war wieder eingedöst, hörte Yami die Schulklingel. Kurz darauf erschien Seto bei ihm. Der Braunhaarige lächelte freundlich, etwas, das kaum ein anderer Schüler oder sonst jemand ihn jemals hatte tun sehen. "Hey, du könntest langsam aufstehen. Willst du was zum Mittag essen?"

Yami nickte und erhob sich langsam. Wenn er aus seinen zurückliegenden Abenteuern als Patient eins gelernt hatte, dann dass man nicht aus dem Bett springen soll, wenn man übermüdet ist und unter Kopfschmerzen leidet. Müde war er jetzt allerdings nicht mehr so sehr, und sein Kopf hatte sich auch beruhigt. Insofern war essen bestimmt eine gute Idee.

"Hat jemand was gesagt, weil ich gefehlt habe?" erkundigte Yami sich.

"Ich habe alle mit entsprechenden Ausreden abgespeist, keine Sorge. Dein Fanclub hat auch ordentlich mitgeholfen," versicherte Seto. "Komm, Thea hat dein Lunchpacket mit raus genommen."

Der Pharao folgte dem Firmenbesitzer auf den Schulhof, wo die Gruppe einschließlich Ryou schon unter einem Baum sitzend wartete. Yami wurde mit Fragen überhäuft, ob er irgendeine Vision von Yugi bekommen hätte, und beantwortete sie alle wahrheitsgemäß, so gut er konnte. Nach einer Weile weigerte er sich aber, die Befragung fortzusetzen, denn er wollte essen. Er merkte erst, wie nötig er es hatte, während er sich über das von Großvater liebevoll gepackte Lunchpacket hermachte.

Als die Pause vorbei war, kamen sie alle gerade rechtzeitig ins Gebäude, um einem Regenschauer zu entgehen, der sich diesen Moment für seinen Auftritt ausgesucht hatte.
 

***
 

Im Reich der Schatten brach ein heftiger Platzregen los. Mava ließ sich von Appi in den Gang helfen. Er konnte zwar gehen, aber die Feen meinten, dass er vorsichtshalber immer einen Begleiter dabeihaben sollte, weil er doch noch etwas schwach auf den Beinen war. In allen Gänge der Feenburg gab es in unregelmäßigen Abständen Sitzgelegenheiten. Mad, Appi, Mava und Yugi suchten sich eine und sahen zu, wie der Regen ins Tal prasselte. Der fliederfarbene Himmel hatte sich für den Anlass stark verdüstert, man konnte meinen, es sei nicht Tag, sondern bestenfalls eine helle Vollmondnacht.

"Ich empfinde Regen manchmal als befreiend, wenn es lange nur Sonne gegeben hat," sagte Mava leise. "Heute ist es so, als wolle er meine Schuld fort waschen. Aber das kann er nicht."

"Bitte fang nicht wieder damit an, dir Vorwürfe zu machen," flehte sein Bruder.

"Ich kann nicht damit aufhören," murmelte der Magier. "Vor allem habe ich Angst davor, Sorc erneut gegenüberzutreten. Es könnte wieder passieren, und diesmal könnte ich jemanden töten... Wie oft habe ich mich gefragt, ob es richtig gewesen ist, mich mit Sorc zu einigen und den Widerstand aufzugeben. Es erschien mir zu dem Zeitpunkt das kleinste Übel. Aber vielleicht hätte ich mich lieber bis zum Ende weigern sollen."

"Nein, er wird dich nicht noch einmal erwischen," versicherte Yugi. "Es war eine Verkettung unglücklicher Umstände, würde ich sagen. Niemand hat wirklich Schuld. Wenn hier einer Schuld hat, dann wir, also Dark, Blacky und ich. Wir hätten sofort nach euch suchen sollen, als wir erfuhren, dass du und Neo spät dran seid. Aber alle taten es als unbedeutend ab, weil ihr oft länger weg seid."

Mava lächelte gerührt. Dass der Kleine sich selbst teilweise Schuld zusprach, obwohl er als Besucher gar nicht verantwortlich zu machen war, fand er lieb. Ein anderer hätte vielleicht jede Verantwortung weit von sich gewiesen.

Sie saßen noch eine Weile schweigend da, ehe es Zeit wurde, zum Essen zu gehen. Die drei begleiteten Mava zu dessen Zimmer. Der Lichtmagier hatte ohne seine Hände benutzen zu können Probleme, einfache Dinge zu tun, deshalb wollte er nicht mit allen anderen zusammen essen. Eine der Feen würde sich um ihn kümmern.

Appi, Mava und Yugi begaben sich in den Speisesaal, wo sie Blacky, Mystic, Dark und Weaver wieder trafen. Sie setzten sich auf die freien Plätze ihnen gegenüber.

"Hallo, Yugi, ausgeschlafen?" begrüßte Blacky seinen Schützling.

"Ja, alles klar! Habt ihr in eurer Besprechung irgendwelche Pläne ausgearbeitet?" erkundigte der Junge sich.

Dark seufzte frustriert. "Wir hatten mehrere Ideen, aber keine scheint wirklich sinnvoll zu sein. Wir können Exodia nicht zerstören, aber frei rumlaufen lassen können wir sie auch nicht. Also besteht die einzige Lösung darin, sie wieder festzusetzen. Allerdings dürfte das auch kein Zuckerschlecken werden. Denn zuallererst müssen wir mal überlegen, wo das getan werden könnte. Momentan wissen wir gar nicht, wo sie steckt, sie ist wie vom Erdboden verschluckt."

"Könnt ihr sie nicht in was anderes verwandeln, damit sie nicht mehr so groß ist und keinen Schaden mehr anrichtet?" schlug Yugi vor, auch wenn er nicht annahm, dass es möglich war.

"Auch das haben wir ausdiskutiert," mischte sich Weaver in das Gespräch ein. "Aber in was sollten wir Exodia verwandeln, und wer wäre mächtig genug dazu?"

"Zumindest auf die letzte Frage würde mir eine Antwort einfallen," bemerkte Blacky und fing sich einen giftigen Blick von der Fee ein. Man konnte fast meinen, dass sie während der Diskussion schon öfter aneinander geraten waren.

"Das würde dich vermutlich das Leben kosten, selbst wenn du es könntest - was nicht feststeht," meinte sie. "Und ich kann nicht zulassen, dass du etwas tust, was dich umbringt, weil es dann auch meinen Sohn vernichtet."

"Wenn es für das Schattenreich unvermeidlich ist..." begann der Chaosmagier, doch sie schnitt ihm das Wort ab.

"Ruhe, das haben wir doch schon besprochen! Es muss eine andere Lösung geben!"

"Ich bin auch nicht scharf drauf, mich zu opfern," sinnierte Blacky.

"Ist das so," hakte Dark nach, eine Augenbraue hochziehend.

Mystic und Yugi enthielten sich eines Kommentars. Was Yugi betraf, der schlug erst einmal ordentlich zu, belud seinen Teller großzügig mit leckerem Essen. Die Feen hatten wie die Magier lauter Gerichte, die er nicht kannte, aber seit er im Reich der Schatten war, hatte er sich abgewöhnt, sich daran zu stören. Er probierte alles, was er zu fassen bekam, und das meiste schmeckte ihm.

Gerade als sie zum Nachtisch etwas Obstsalat verdrückten, kam ein zierliches, elfenähnliches, blaues Wesen mit rotem Haar auf durchsichtigen Flügeln hereingeschwirrt. Sie flog zu Weaver und redete flüsternd auf sie ein.

Die Fee erhob sich mit ernstem Gesicht. "Es gibt ein Problem. Exodia wurde beim Berg des Friedenslicht-Ordens gesehen."

Blacky und Mystic sprangen auf wie angestochen. Yugi wünschte, er hätte sich nicht ganz so voll gefuttert, denn nun stand unweigerlich eine Flugreise bevor. Und vielleicht eine erste direkte Konfrontation mit ihrem Feind Sorc.
 

***

Fortsetzung folgt.

Magische Blitze und Wasserspiele

Kapitel 22: Magische Blitze und Wasserspiele
 

Yami und Bakura putzten brav den Flur, ohne dass einer von ihnen ein Wort sagte. Jeder war in seine eigenen Gedanken versunken. Frau Morikawa kam ab und zu vorbei und nahm wohlwollend die gute Zusammenarbeit zur Kenntnis.

"Hast du Erfolg gehabt gestern?" erkundigte sich Yami irgendwann. Er erwartete, dass der Weißhaarige gleich auf ihn losging, das geschah jedoch nicht.

"Er hatte kaum Zeit für mich. Wahrscheinlich hat er gar nicht gemerkt, dass ich da war," murmelte Bakura.

Yami überlegte, ob er die Angelegenheit vertiefen sollte, wahrscheinlich wollte der Ex-Grabräuber nicht über gefühlsduselige Sachen mit ihm reden. Dennoch sagte er: "Es kann sein, dass er genau weiß, was du von ihm willst. Vielleicht ist er nur noch nicht bereit, dir zu antworten."

"Vielleicht steht er gar nicht auf Männer," mutmaßte Bakura. "Soweit ich weiß, hatte er mal 'ne Freundin..."

Der Pharao verkniff sich die Frage, um wen es denn nun ging. Das ahnten sie ja alle. "Seto schien zuerst auch keine Zeit zu haben," erzählte er statt dessen. "Er glaubte ja auch lange nicht, dass in Yugis Körper zwei Seelen leben."

Bakura kam nicht umhin, sich für die Geschichte zu interessieren. "Wann hast du gemerkt, dass du in Seto verliebt bist? Und wann hast du erfahren, dass es Yugi auch so geht? Bevor oder nachdem ihr euch ineinander verliebt habt?"

Darüber musste Yami ernsthaft nachdenken. "Es geschah irgendwie alles gleichzeitig. Ich empfand schon länger etwas für Yugi, doch ich dachte, das sei nur gute Freundschaft. Ich vermute, ich wollte mir nicht eingestehen, dass es mehr war, denn ich war sicher, dass er auf meine Gefühle mit Abscheu reagieren würde, dass er mich nur als sein anderes Ich ansah. So nahe wir uns auch standen, ich konnte es ihm nicht sagen. Deshalb war ich fast erleichtert, als ich Gefühle für Seto entwickelte. Allerdings war es auch nicht leicht, Yugi *das* zu sagen. Und gerade als ich es tun wollte, sagte er mir, dass er in Seto verliebt ist."

Bakura stützte sich auf seinen Wischmopp. "Und hast du geschwiegen? Oder hast du ihm gestanden, was Sache ist? Lass mich raten. In deinem Edelmut hast du beschlossen, den arroganten Schnösel dem Kleinen zu überlassen."

"Nun... Yugi hat bemerkt, dass ich etwas auf dem Herzen hatte, und so lange gebohrt, bis ich es zugab. Als ich dann schon mal dabei war, gestand ich ihm auch gleich, dass ich vorher in ihn verliebt war."

"Und?"

"Er fragte, ob ich ihn immer noch liebe."

"Jetzt mach's nicht so spannend!"

"Ich nickte. Er umarmte mich und sah mich mit diesen großen, violetten Augen an... Dann schloss er sie, und ich wusste, dass er geküsst werden wollte. Es war, als würden meine Träume wahr werden... Yugi erwiderte meine Liebe, und er empfand auch das gleiche wie ich für Seto..."

Yami war in Erinnerungen versunken und schreckte aus seinen Gedanken hoch, als ein paar Schüler vorbei gingen, die mit ihrer Putzarbeit schon fertig waren. Er wartete, bis sie außer Hörweite waren, und beendete seine Geschichte dann für den erwartungsvoll zuhörenden Bakura. "Yugi und ich umwarben Seto zusammen und kamen uns dabei schnell näher. Seto gestand später, dass er sich einen Spaß daraus gemacht hat, uns hinzuhalten. Er ist eben zu hochmütig, um zu schnell Gefühle zu zeigen."

"Das sieht dem Typen ähnlich," schnaubte Bakura.

"Was ist mit Ryou?" wagte Yami zu fragen.

"Duke," antwortete Bakura bloß.

Sie verfielen wieder in Schweigen und beendeten zunächst einmal ihre Arbeit. Erst als sie die Putzmittel weggeräumt hatten, ergriff der Weißhaarige wieder das Wort. "Wie kann man die Aufmerksamkeit von jemandem erregen, der sich alles kaufen kann, was er haben will?"

Yami hob eine Augenbraue. "Vielleicht solltest du ihm erst einmal zurückgeben, was du ihm gestohlen hast."

Bakura starrte ihn entgeistert an, dann wandte er sich mit einem ironischen Grinsen ab. Wortlos ging er davon, und Yami konnte nur raten, was in ihm vorging.
 

***
 

Schattensturm trug die beiden Magier und Yugi schnellstmöglich zum Ziel. Freed, Shadow, Magi und Mystic folgten auf Silberschwinge, Neo, Appi und Gerfried auf Diamantkralle. Schon von weitem konnten sie Exodia sehen. Sie hatte den Berg noch nicht erreicht, sondern war noch gut drei Kilometer entfernt. Aber es war deutlich, wo das Monster hin wollte.

Da Drachen nicht auf den Berg flogen, landeten sie so nahe wie möglich. Ihre Reiter, alle in ihrer Kampfkleidung (Yugi in Schuluniform), sprangen zu Boden und hasteten auf den Gipfel zu. Es hatte auch hier geregnet, und obwohl nun wieder gutes Wetter war, kamen sie auf dem matschigen Boden nur schwer voran. Erst weiter oben wurde es langsam steiniger. Yugi keuchte bald wieder von dem Bemühen, mit den anderen Schritt zu halten. Blacky warf ihn sich ganz einfach über die Schulter.

Dann kam endlich das Dorf des Friedenslicht-Ordens in Sicht. Yugi zappelte protestierend. "Lass mich runter, Blacky! Was macht denn das für einen Eindruck, wenn du mich ins Dorf..."

"Aaaargh!" Sein Blutsbruder brach unter ihm zusammen, wodurch der Junge unsanft zu Boden geschleudert wurde.

"Kayos!" rief Dark erschrocken. Er und die anderen blieben stehen. Der Schwarze Magier wollte an die Seite seines Geliebten eilen, doch Blacky war von blauen Blitzen umgeben und wand sich unter Schmerzen.

"Komm mir nicht zu nahe!" schrie der Chaosmagier warnend.

Yugi kam wieder auf die Füße. "Blacky! Was ist mit dir los?"

"Der Bann der Ausgestoßenen!" hauchte Mystic. "Sie haben Vorkehrungen getroffen, damit er nicht unbemerkt zurückkommt..."

"Was können wir machen? Ihn weiter nach unten bringen?" fragte Appi.

"Du wirst ihn nicht anfassen können, und es ist zu spät, wenn er erst in den Bann geraten ist," schluchzte Mystic.

Tatenlos mussten sie Blackys Leiden mit ansehen, suchten fieberhaft nach einem Weg, ihm zu helfen. Dark versuchte schließlich doch noch, ihn zu berühren, doch die Blitze katapultierten ihn weg.

"Ich wusste, dass er zurückkommen würde," hörten sie eine Stimme hinter sich.

Die Gruppe fuhr herum. Die Großmutter, Hohepriesterin des Ordens, stand vor ihnen. Bei ihr waren mehrere weitere Ordensmitglieder, darunter Talimecros.

"Wir ahnten schon, dass die Prophezeiung sich doch noch erfüllen würde, obwohl wir den Schändlichen verbannt haben. Aber wir rechneten nicht damit, dass er Exodia selbst auf uns hetzen würde!" fuhr die alte Frau fort. "Wir müssen den Gott um seine Hilfe anflehen und ihm ein angemessenes Opfer darbringen!"

Freed, Shadow und Neo zogen ihre Schwerter. Gerfried nahm eine kampfbereite Pose ein, ohne sein Schwert zu ziehen. "Kommt ja nicht näher!"

"Wenn ihr euch uns in den Weg stellt, wird euer Freund gleich hier sterben!" warnte ein älterer Mann. Er und zwei weitere machten eine Geste mit den Händen. Hinter den Freunden schrie Blacky gepeinigt auf. "Und es wird kein angenehmer Tod sein," prophezeite der Mann.

"Hört damit auf!" flehte Mystic. "Wir sind gekommen, um zu helfen!"

"Gegen Exodia kann uns nur der Gott selbst beistehen," teilte Talimecros ihnen mit. "Exodias Erscheinen ist ein Omen. Wir hätten den Verbannten schon längst opfern sollen. Der Gott hat ihn zu uns geführt, damit wir unsere Pflicht tun können."

Die Blitze hörten vorerst auf, Blacky zu quälen, aber sie hielten ihn nach wie vor fest und bereiteten ihm Unbehagen. Yugi und Dark knieten hilflos neben ihm, während die anderen sich zwischen ihnen und den Ordensmitgliedern aufbauten.

"Immer mache ich euch Probleme... als ob ihr nicht schon genug hättet. Ich hätte nicht mitkommen sollen," presste der Blauhäutige hervor.

Automatisch wollte Yugi ihn tröstend an der Schulter berühren, doch seine Hand wurde von der seltsamen Magie zurückgeschlagen. "Blacky... kannst du dich denn nicht davon befreien? Du bist der mächtigste Magier, den ich kenne!"

Sie hörten, wie Mystic, Appi und Magi versuchten, die Menschen zur Vernunft zu bringen, doch es schien alles vergebens. Sie waren überzeugt davon, dass die Situation nur durch ein Opfer an ihren Gott gerettet werden konnte, und dieses Opfer war Blacky.

Der Chaosmagier lächelte gequält. "Gerade vorhin haben wir uns darüber unterhalten... über Opferungen... welche Ironie..."

"Geht endlich aus dem Weg!" rief die Großmutter. Sie musste den drei Männern, die offensichtlich für den Bann verantwortlich waren, wohl ein Zeichen gegeben haben, denn die blauen Blitze glühten grell auf, bis sie fast weiß waren. Blackys Schreie legten die Nerven seiner Freunde blank. Yugi und Dark bekamen jeder einen heftigen Schlag ab und wurden meterweit weggeschleudert, als sie versuchten, ihm irgendwie zu helfen.

Mystic flehte ihren Vater an aufzuhören, doch Talimecros verpasste ihr eine Ohrfeige, dass sie beinahe stürzte. "Schweig!" herrschte er sie an. "Wir haben das Böse viel zu lange bei uns geduldet, nun wird es Zeit, dass wir unseren Fehler wiedergutmachen!"

Dark schüttelte den Kopf, um die Benommenheit loszuwerden. Die Wucht der magischen Blitze hatte ihm hart zugesetzt. Er sah Yugi auf der anderen Seite von Blacky liegen. Der Junge bewegte sich, und weiter beachtete er ihn vorerst nicht, denn sein Geliebter wurde immer noch gefoltert. Für einen Moment packte ihn die Wut, und er wollte die Kerle, die ihm das antaten, am liebsten in der Luft zerreißen, doch er wusste, dass die Ordensmitglieder hier im Vorteil und vor allem in der Überzahl waren. Aus diesem Grund konnten auch Freed, Shadow und die anderen nichts tun außer die Leute von Blacky fernzuhalten und um Gnade zu bitten. Magi hielt die weinende Mystic im Arm und hatte selber Tränen im Gesicht.

Der Schwarze Magier erhob sich und schritt mit soviel Würde, wie er mit den Schmerzensschreien seines Geliebten in den Ohren in diesem Moment gerade so aufbringen konnte, zwischen seine Freunde und die Ordensmitglieder. "Hört auf, ich flehe euch an!" sprach er und kniete vor der Hohepriesterin nieder, den Oberkörper weit vornüber beugend. "Wir geben auf. Bitte quält ihn nicht länger."

Die alte Frau hob überrascht die Augenbrauen. Sie gab ihren Leuten ein Zeichen, worauf diese ihren Zauber abschwächten. Dark hörte Blacky erleichtert nach Luft schnappen und dann keuchend atmen.

Die Krieger ließen ihre Waffen sinken. Appi rannte zu Yugi, der verwirrt versuchte, auf die Beine zu kommen. Er wollte nicht sehen, wie sein Meister sich erniedrigte. Und er wollte nicht, dass Yugi ihn so sah. Zweifellos fiel es Dark schon schwer genug.

Die Friedenslicht-Priester nahmen Shadow, Freed, Gerfried und Neo ihre Schwerter ab und umzingelten sie. Dark wurde auf die Füße gezerrt, und jemand schickte sich an, ihn zu fesseln, während ein anderer einen Bann über ihn zu sprechen begann, um seine Magie einzudämmen.

"Lasst ihn los, ich warne euch."

Alle Blicke richteten sich auf die Quelle dieser leisen, aber deutlichen Stimme. Dark lächelte wissend, während die meisten anderen nur mit offenem Mund glotzen konnten.

Noch immer zuckten blaue Blitze um Blackys Körper, doch er stand, wenn auch von Schweiß überströmt und auf seinen Stab gestützt. "Ich warne euch, fasst diesen Mann an und ihr werdet es bereuen! Ich werde euch mit meinem letzten Atemzug verfluchen, wenn ihr ihm auch nur ein Haar krümmt!"

"Kümmert euch um ihn!" zischte seine eigene Großmutter.

Ihre drei Zauberer griffen ihn erneut an, doch auf einmal waren sie es, die die Blitze abbekamen. Aufschreiend ließen sie den Bann fallen.

Blacky lachte böse. "Das klappt kein weiteres Mal. Ihr hättet mich erledigen sollen, als ihr es konntet."

"Das ist unmöglich! Niemand kann sich der Kraft des Friedenslicht-Ordens widersetzen!" brüllte Talimecros.

"Aber ich widersetze mich ihr nicht," grinste Blacky. "Ich bin ein Chaosmagier. Ich kann aus Schmerzen Kraft schöpfen, wenn ich keine andere Wahl habe. Und auch aus meinem Zorn. Vor allem aber aus Liebe! Und wenn ihr nicht sofort meinen Geliebten freilasst und den anderen ihre Waffen zurückgebt, werdet ihr wirklich eine Prophezeiung wahr werden sehen!"

"Ich prophezeie dir hiermit, dass es sich ausgevögelt hat, wenn du dich nicht ergibst!" erwiderte die Hohepriesterin, wobei Talimecros ein Messer an Darks Hals hielt.

"Ich würde ihn nicht noch weiter reizen," riet der Schwarze Magier den Ordensleuten.

In der Tat war das wohl ein Fehler zuviel. Blacky schrie, diesmal vor Wut, und hob seinen Stab hoch über seinen Kopf. Der Stein an der Spitze leuchtete schwarz auf, dann schossen magische Entladungen in alle Richtungen. "Entfesselte Schwarze Chaosmagie!!!"

Yugi bedeckte sein Gesicht schützend mit einem Arm, doch ihm drohte keine Gefahr. Noch nie hatte er seinen Blutsbruder so außer sich gesehen, und er war entsetzt und fasziniert zugleich. "Diffusion Wave Motion...[1] so sieht das also im Original aus," murmelte er fast andächtig.

Als es vorbei war, gab es keine Ordensmitglieder mehr, die sie bedrohen. Alle lagen bewusstlos am Boden, teilweise mit zerfetzter Kleidung. Die Krieger, Dark, Mystic und Magi waren von dem Angriff unbehelligt geblieben, obwohl sie zwischen ihren Gegnern gestanden hatten. Appi und Yugi hielten gebannt den Atem an.

"Kayos." Dark schritt erleichtert zu ihm hin und schloss ihn in die Arme.

Blacky ließ seine Waffe fallen und erwiderte die Umarmung. "Knie nie wieder vor jemandem nieder, ja? Das steht dir nicht."

"Außer vor dir vielleicht," flüsterte Dark ihm zu und leckte bezeichnend über das Ohrläppchen. Doch sie konnten das vorerst nicht weiter ausführen, denn Blacky wurde in seinen Armen ohnmächtig - was auch niemanden wirklich überraschte.

"Ist er in Ordnung?" fragte Yugi besorgt.

Dark nickte. "Keine Sorge, er kommt bald wieder zu sich."

"Boah, das war ne coole Attacke, kann ich die auch lernen?" staunte Appi.

"Dazu musst du dir erstmal ein paar mehr Sterne verdienen," neckte Magi ihn.

"Ich werde es schaffen, jawohl!" nahm Appi sich fest vor.

"Naja, Junge, mit einem solchen Ziel vor Augen habe ich ja noch Hoffnung, dass du es zu etwas bringst," meinte Freed und schlug seinem Jüngsten väterlich auf die Schulter.

"Ich frage mich nur, von wem er das hat, besser, woher all unsere Söhne das haben, schließlich sind wir doch alle Krieger," grübelte Shadow halbernst.

"Appi ist eh ein Sonderling, er hat als Einziger das Element Finsternis in einer Lichtfamilie," kommentierte Gerfried.

"Leider haben wir keine Zeit mehr für solche Spekulationen," unterbrach Mystic die anderen.

Sie folgten dem Blick der Mystischen Elfe bergab. Exodia hatte den Berg des Friedenslicht-Ordens fast erreicht.
 

***
 

"Aaau!" Yami hielt sich die rechte Hand, als Großvater in die Küche kam.

"Ist dir was passiert? Hast du dich geschnitten?" fragte der alte Mann.

Doch Yami war schon fertig mit dem Gemüsemesser. "Ich wollte den Stecker vom Toaster in die Steckdose stecken," erklärte er. "Auf einmal bekam ich sowas wie einen elektrischen Schlag..."

"Du liebe Zeit, hast du das etwa mit nassen Händen gemacht? Oder ist das Kabel beschädigt?" Sugoroku untersuchte den Toaster, konnte aber nichts finden. Vorsichtig probierte er es selbst, und nichts Außergewöhnliches passierte.

"Ach, ich hab mich sicher nur wieder doof angestellt," winkte Yami ab. "Das Gemüse ist jedenfalls fertig." Er verschwieg geflissentlich, dass der Stecker nie die Steckdose berührt hatte, ebenso wenig wie seine Finger. In was für Schwierigkeiten war Yugi jetzt wieder geraten?

"Danke sehr." Großvater begutachtete Yamis Werk. "Schon ganz gut, das nächste Mal ruhig etwas kleinere Stücke."

"Ist gut."

Die Ladenglocke war zu hören, doch gleich darauf Setos "Ich bin's nur!", so dass niemand sich die Mühe machte, in den Laden zu gehen. Der Braunhaarige erschien sogleich in der Küche und fing unwillkürlich an zu lachen, als er Yami mit der bunten Latzschürze sah, die er über Yugis bevorzugtem Lederoutfit trug. Außerdem hatte der Pharao seine wilden Haare mit einem neonblauen Stirnband gebändigt, damit die blonden Strähnen ihm nicht störend ins Gesicht fielen, während er schmutzige Hände hatte.

"Kaiba, du solltest öfter so lachen," fand Großvater.

"Sag's nicht weiter," grinste Seto. "Ich habe einen Ruf zu wahren." Er zog Yami fordernd an sich und verwickelte ihn in einen Kuss.

Der Alte drehte sich taktvoll um, beschwerte sich aber nicht. Wenn Seto seinen Enkel - oder auch den Geist den Puzzles - vor Zeugen oder sogar in der Öffentlichkeit küsste und umarmte, überzeugte ihn das nur von dessen Aufrichtigkeit. Jeder konnte eine heimliche Beziehung haben; solange es niemand wusste, konnte man sie zu leicht wieder beenden.

"Hast du was von unserem Kleinen gehört?" erkundigte Seto sich.

"Nichts Großartiges, aber das ist wohl ein gutes Zeichen," antwortete Yami. Er deutete mit den Augen in Sugorokus Richtung.

Seto verstand und beließ es zunächst dabei. "Mokuba wartet im Auto, kommst du?"

"Brauchst du mich noch, Großvater?" gab Yami die Frage weiter.

"Lass dich nicht aufhalten, ich komme schon zurecht," versicherte der Angesprochene. Er lächelte die beiden auf seine gütige Art an. "Habt viel Spaß, solange ihr könnt, wer weiß, wann es ernst wird."

Yami berührte unwillkürlich die Millenniumskette an seinem Hals. "Ich werde es wissen, wenn es dazu kommt."

Großvater nickte nur.

Yami zog die Schürze aus und legte das Stirnband ab. Im Flur stand schon seine Tasche bereit und vor dem Haus Setos Limousine. Erst im Auto, wo Mokuba ihn erfreut begrüßte, erzählte er von dem scheinbaren Stromschlag. Es klang harmlos, aber er vermutete, dass Yugi irgendein Problem hatte. Im Moment fühlte er sich jedoch trotzdem nicht beunruhigt. Vielleicht hatte sein Partner nur einen kleinen Unfall gehabt und sich ein bisschen wehgetan. Das konnten sich Seto und Mokuba auch gut vorstellen.

Sie holten noch Thea, Joey und Serenity ab und fuhren dann zum Domino Badeparadies, das Seto für diesen Tag gemietet hatte. Vermutlich zog er sich bei diesem Wetter damit die Wut sämtlicher Kinder und Jugendlichen zu, aber das scherte ihn herzlich wenig. Marik und Tristan waren schon mit ihren Motorrädern vor Ort, in ein Gespräch über heiße Öfen und die bevorstehende Rallye vertieft. Yami freute sich, dass Marik sich trotz allem, was zwischen ihm und der Clique vorgefallen war, so gut mit den anderen verstand.
 

Sie warteten vor dem Eingang auf Duke und Ryou, die mit dem Taxi kamen. Seto wusste nicht recht, was in ihn gefahren war, die beiden auch einzuladen, aber darauf kam es eigentlich nicht mehr an. "Wenn dann alle da sind, kann es losgehen," verkündete er. Wheeler war natürlich der Erste, der sich wie ein Idiot aufführte und zu den Umkleiden sprintete. Er war schon im Wasser, als die anderen noch langsam ihre Taschen auspackten. Seto fand sich Yami zuliebe damit ab.

Natürlich war es unter seiner Würde, zusammen mit den anderen im Badeparadies zu spielen, Wasserrutsche völlig ausgeschlossen. Er suchte sich einen Liegestuhl und packte "Macbeth" aus. Der Koffer mit dem Millenniumspuzzle und dem Millenniumsstab darin ruhte unter seinem Handtuch auf einer Ablage an der Seite. Er warf ab und zu einen Blick darauf, denn was das betraf, traute er weder Marik noch Ryou mit seinem finsteren Ich über den Weg. Dabei hatte der Weißhaarige den Millenniumsring an einen Haken an der Seite gehängt.

"Du wirst nicht die ganze Zeit hier hocken und lesen," bestimmte Yami. Er trug die Millenniumskette, um es nicht zu verpassen, wenn etwas mit Yugi passierte. Wäre das Puzzle nicht so groß gewesen, hätte er es auch umbehalten.

Mokuba kam zu seiner Unterstützung. "Komm, Bruder! Wir wollen alle zusammen rutschen!"

"Was für ein Kinderkram soll das sein?!" empörte Seto sich.

Yami nahm ihm freundlich, aber bestimmt das Buch weg und legte es an eine Stelle, wo es nicht nass werden konnte. "Los, oder ich mache was, das dir noch peinlicher sein wird."

Normalerweise hätte Seto es darauf ankommen lassen, aber nicht, wenn Wheeler dabei war. Seufzend ließ er sich von seinem Bruder und dem Pharao mitschleifen. Sie zogen ihn zu seinem Verdruss zur berühmten durchsichtigen 150-Meter-Rutsche von Dominos größtem Hallen- und Freibad. An der endlos hohen Leiter, die hinauf führte - und das fand Seto generell etwas gefährlich - wartete schon der Fanclub und diskutierte über die Reihenfolge. Schließlich wurde beschlossen, alle nach der Größe zu sortieren, was Yami hinter Mokuba und vor Serenity brachte. Seto landete ganz hinten, doch zum Glück nicht direkt hinter Wheeler.

Yami und Mokuba hatten Mühe, sich festzuhalten, bis alle sich hingesetzt hatten, ohne dass die vorderen schon losrutschten. Aber sie fanden es lustig, besonders der Schwarzhaarige war ganz aufgeregt, denn Tage wie dieser waren leider selten.

Hinter den beiden setzten sich Serenity, Thea, Ryou, Marik, Joey, Tristan und Duke nacheinander auf die Rutschbahn. Es war ziemlich eng mit so vielen Leuten, jeder hatte Mühe, seine Beine unterzubringen. Seto seufzte und setzte sich an seinen Schlussplatz.

"Dass du ja nicht kneifst, Kaiba!" rief Duke über die Schulter.

Seto packte den Zopf des Würfelspielers und wickelte die Haare zu einem Dutt auf, den er mit dem Haargummi notdürftig befestigte. "So. Hab keine Lust, deine Zotteln im Mund zu haben."

"Charmant wie immer," kommentierte Duke.

"Klappe." Seto hielt sich absichtlich etwas stärker an ihm fest als nötig, wobei er den Schwarzhaarigen ordentlich in die Rippen piekte.

"Fertig?" rief Mokuba, der sich kaum noch halten konnte.

"Fertig," grummelte Seto.

Yami ließ den Rand los und schlang seine Arme um den kleineren Kaiba. Dieser ließ ebenfalls los, und langsam setzte sich die ganze Truppe in Bewegung. Mokuba und die Mädchen fingen begeistert an zu kreischen, während sie schneller wurden. Joey johlte, die meisten anderen riefen einfach "uuuuaaaah!" und lachten ausgelassen. Seto konnte Yamis Stimme heraushören und bedauerte für einen Moment, dass Yugis heute ausbleiben würde. Dabei hatten sie sich alle seit langem auf diesen Tag gefreut... Dann packte gegen seinen Willen auch ihn die Euphorie, und er konnte gerade noch verhindern, dass er Duke ins Ohr grölte. War schon nicht einfach, sein Image zu erhalten, manchmal.

Die Rutschröhre führte nicht nur quer durch die Schwimmhalle, sondern auch teilweise über das Freigelände. Da sie durchsichtig war, konnte man, wenn man sich die Zeit nahm, ein wenig die Landschaft bewundern. Nur an Stellen, an denen die Sonneneinstrahlung gefährlich werden konnte, war der obere Bereich abgedeckt. Nach 150 Metern spuckte sie ihre Benutzer in ein flaches, kindergerechtes Becken, das nur zu diesem Zweck existierte. Kurz vor dem Ziel ließ Yami Mokuba los und schubste ihn, so dass der Kleine gerade noch Gelegenheit hatte, aus dem Weg zu gehen, bevor die restlichen neun ins Wasser schossen. Sie purzelten übereinander bei dem Versuch, auf die Beine zu kommen, fluchend und lachend und nass. Sogar Seto wurde mit einem breiten Grinsen im Gesicht erwischt.

"Boah, wie cool!" freute Mokuba sich. "Können wir das noch mal machen?"

"Gute Idee! Kommt mit!" rief Marik und lief mit dem Kleineren schon mal vor.

"Ich glaube, der Grabwächter holt seine Kindheit nach," stellte Joey fest.

"Wir sollten es ihm gönnen," meinte Yami. "Was mich betrifft, ich erinnere mich nicht an meine, aber allzu entspannend kann sie nicht gewesen sein. Entschuldigt mich." Und er eilte den beiden hinterher.

"Wenn's um verpasste Kindheiten geht, solltest du dich auch beteiligen," schlug Tristan Seto vor.

"Denkt ja nicht, dass ich das den ganzen Tag mache," knurrte der Firmeninhaber. Er ging hinter den übrigen her, weil er ja eh hinten sitzen musste, aber auch, damit niemand sein Lächeln sah, das irgendwie auf seinen Lippen festgewachsen zu sein schien.
 

***

Fortsetzung folgt.
 


 

[1] Ich habe hier den englischen Namen der Karte benutzt, weil ich selber eine englische habe (MFC-107) und die deutsche Übersetzung (irgendwas mit Wellenbewegung) nicht so cool finde. Diese Zauberkarte erlaubt einem Magier mit 7 oder mehr Sternen, alle gegnerischen Monster auf einmal anzugreifen, ohne dass eventuelle Flippeffekte aktiviert werden, allerdings kostet das den Spieler 1000 LP. Sehr effektiv, nur leider lässt sie sich selten spielen - entweder habe ich die Möglichkeit und es lohnt nicht, oder es würde sich lohnen, aber ich kann es gerade nicht machen. Meistens lege ich deshalb Diffusion Wave Motion für irgendeinen anderen Effekt auf den Friedhof, z.B. für Magische Störung.^^° Aber für die paar Mal, wenn Blacky oder Dark damit meinen Gegner zerpflücken, lohnt es sich, die Karte im Deck zu behalten.
 

Lösungen zum Englischtest
 

*Fill in the blanks with the appropriate article: a/an/the/no article*

Whatever else people may do when they come together - whether they play, fight, make love, or make automobiles - they talk. We live in _a_ world of _/_ words. We talk to busdrivers and to total strangers. We talk face to face and over _the_ telephone.
 

*Fill in the blanks with some/any or one of their variants, e.g. somewhere, anybody etc.*

Bob was eating lunch at _some_ restaurant the other day when he realized that he had hardly _any_ money with him. He started looking around to see if there was _anybody_ he knew sitting _somewhere_ near in order to ask if he could borrow _some_ money.
 

*Fill in the blanks with much, many, (a) few, (a) little.*

Bob decided to go and have _a few_ drinks because he was bored and wanted to kill _a little_ time. The first bar he went into was a place without _much_ decoration at all, very uncomfortable chairs, and not _many_ of them, so he didn't have as _many_ drinks there as he would have liked.

Yugis Drache

Kapitel 23: Yugis Drache
 

"Schön - und was machen wir jetzt?" erkundigte Freed sich.

"War vielleicht doch ein bisschen voreilig, hierher zu kommen," überlegte Shadow. "Ich meine, so *dankbar*, wie die Menschen hier sind..."

"Sie haben nur Angst!" verteidigte Mystic trotz allem ihre Leute.

"Wir wissen noch nicht, wie wir Exodia besiegen können, also müssen wir sie erst einmal von hier vertreiben," teilte Dark ihnen ruhig mit. "Mystic, du sorgst dafür, dass die bewusstlosen Friedenslicht-Ordensangehörigen hier weggebracht werden." Er ließ Blacky zu Boden sinken und tätschelte seine Wangen. "Kay! Wach auf!"

Mystic wartete ab, bis ihr Bruder die Augen bewegte, ehe sie sich auf den Weg machte, um Hilfe für ihre Verwandten und Bekannten zu holen, die Blackys Angriff niedergestreckt hatte.

Yugi starrte Exodia entgegen, die nun deutlich zu sehen war. [Das ist kein Duell... hier kann Exodia mich wirklich fertig machen! Ich hab Schiss!]

[Lass es dir nicht anmerken. Stirb würdevoll.]

[Dark! Was sagst du da?!]

[Keine Angst, das war ein Scherz, wir werden hier nicht sterben.]

[KOMM ZU MIR, KLEINER MENSCH!]

"Wah! Was war das denn?" kreischte Yugi erschrocken.

Dark sah ihn verständnislos an. "Was denn?"

"Hast du nichts gehört? Eine Stimme in meinem Kopf, du musst sie doch auch gehört haben!"

Dark lächelte. "Ah, dein Effekt?"

"Sehr witzig! Irgendwas hat mit mir geredet! Es will, dass ich zu ihm komme!"

Der Schwarze Magier hob eine Augenbraue. "Wohin?"

Yugi sah sich um. Und sein Blick blieb auf dem Gipfel hängen.

"Hat ne Logik," kommentierte Dark. "Derjenige wird dich nicht zu Exodia locken, wenn er weiß, was gut für ihn ist."

[KOMM HER!]

"Ah, da war es wieder!" Yugi fand es unheimlich. Die Stimme klang, als würde sie etwas sehr Großem gehören. "Ich... ich hab' Angst, Dark! Wenn das nun eine Falle ist..."

"Nun... In Anbetracht der anderen Alternative..." Der Magier deutete hinter sich, wo Exodia nun bedrohlich nahe war, "sollten wir es einfach riskieren."

Blacky war inzwischen mehr oder weniger zu sich gekommen. Er konnte auch schon wieder stehen, aber er bekam nicht richtig mit, was los war.

"Geht's?" fragte Dark ihn.

Der andere Magier nickte. Er nahm seine Katzengestalt an, so dass er getragen werden konnte. Auf diese Weise ging es schneller voran, und Blacky konnte sich noch etwas ausruhen. Also begaben sie sich auf den Gipfel. Yugi fiel wieder mal zurück, deshalb nahm Appi ihn bei der Hand und zog ihn. Sie mussten sich langsam beeilen. Exodia konnte das Dorf einebnen, ohne es groß mitzubekommen. Blieb natürlich noch die Frage, warum?

"Wenn das, was du gehört hast, das Wesen ist, das neulich auf deinen Drachenruf geantwortet hat, dann versuch es jetzt noch mal!" drängte Dark, als sie in der Nähe des Vulkankraters ankamen. Blacky sprang von seinen Armen herab und nahm seine menschliche Gestalt wieder an.

Exodia hatte den Fuß des Berges erreicht. Hoffentlich hatten sich die Ordensmitglieder in Sicherheit gebracht. Ihnen war auch zuzutrauen, dass sie lieber heroisch sterben wollten...

Yugi sah panisch auf das riesige Monster, das in real viel bedrohlicher wirkte als ein Hologramm im Spiel, dann wieder zum Krater. Befand sich das Wesen, das nach ihm rief, dort drin? Er konnte kaum klar denken. Vielleicht war der Besitzer der Stimme ja auch sein Feind! Yugi wollte gerne auf sein Herz hören, aber es schien zu schweigen.

Dark legte ihm eine Hand auf die Schulter. "Hab keine Angst. Wir stehen alle hinter dir. Ich habe inzwischen so meine Vermutung, was dich da ruft. Es kann nicht aus eigenem Antrieb erscheinen, nur mit deiner Hilfe. Versuch es!"

Yugi hatte Tränen in den Augen. "Ich trau' mich nicht! Was ist, wenn es riesig ist und alles noch schlimmer macht? Oder wenn ich einfach nur versage?"

"Wenn du versagst, Kommt es nicht drauf an, dann macht es keinen Unterschied," meinte Appi.

"Du bist das Gefäß des Pharao, was würde er tun?" warf Magi ein.

"Yami würde nach dem Strohhalm greifen und die Situation herumreißen," murmelte Yugi. "Aber ohne ihn..." Er hielt inne. Wie war das noch mit dem Ring der Freundschaft?
 

***
 

Yami zog sich keuchend an den Beckenrand. Er kam sich vor, als wäre er gerannt, dabei spielte er lediglich mit seinen Freunden Wasserball. Doch er wusste es besser. Aus unbekannten Gründen hatte er große Angst, ohne zu wissen, wovor. Die Angst war nicht seine eigene.

Wo war das Puzzle? Er entdeckte Setos Koffer bei den Liegestühlen, sprang auf und rannte dorthin, die verwunderten Stimmen seiner Freunde im Ohr. Die Millenniumskette schimmerte golden, während er um eine Ecke des Beckens bog - und mit seinen nassen Füßen auf dem nassen Boden ausrutschte und lang hinfiel. Das durfte doch nicht wahr sein!

Seto und Marik waren als Erste an seiner Seite, da die übrigen den Ernst der Lage noch nicht bemerkt hatten. Seto kniete sich neben ihn. "Trottel, was machst du? Ist dir was passiert?"

Yami hörte ihn wie durch Schaumstoff. "Yu...gi..."

"Das Puzzle, wo ist es?" fragte Marik, der die Veränderung an der Kette bemerkt hatte.

Seto überließ Yami dem Grabwächter und hastete zu seinem Koffer, darauf achtend, sich nicht auch hinzulegen. Er trug das ganze Ding zu Yami und stellte unterwegs den Code am Zahlenschloss ein, so dass er das Millenniumspuzzle hervorholen konnte, sobald er Yami erreichte. Marik hatte den Pharao inzwischen zu einer Sitzbank an der Seite gebracht, und die anderen hatten das Wasser verlassen und standen ratlos herum. Der Braunhaarige hängte seinem Geliebten das Puzzle um und musste im nächsten Moment seine Augen bedecken, weil es hell aufleuchtete.

Theas Hand fuhr zum Mund. "Oh nein! Ist Yugi was passiert?"

"Er darf die Verbindung nicht öffnen, denkt an die Gefahr, vor der wir immer wieder gewarnt wurden!" rief Duke.

"Aber wenn Yugi in Gefahr ist...?" gab Joey zu bedenken.

"Dann wird Yami ihm vermutlich zu Hilfe eilen, ohne über die Folgen nachzudenken, so ist er nämlich, wenn es um Yugi geht," lächelte Seto liebevoll, und wäre die Lage nicht so ernst gewesen, hätten die anderen über diesen Umstand gestaunt.

Yami hörte das alles nicht, seine Gedanken waren ganz woanders. [Yugi... Ich bin hier! Yugi!]
 

***
 

[Yami?] Yugi glaubte, sich zu irren, Yami konnte unmöglich zu ihm gesprochen haben. Doch wenn es wirklich so war? [Wir stehen gegen Exodia, und da ist eine Stimme in meinem Kopf... ich weiß nicht, ob ich ihr trauen kann!]

Yami lachte fast. [Hast du nicht immer der Stimme in deinem Kopf vertraut?]

[Das ist nicht witzig! Dieses Mal weiß ich nicht, was es ist!]

[STERBLICHE NARREN, EUER ZÖGERN WIRD EUER UNTERGANG SEIN!]

[Oh... Ruf ihn, wenn du kannst, Yugi. Aber hör mir genau zu, ehe du es tust...]
 

Die Magier, Gerfried, Freed und Schadow standen etwas beunruhigt um den Jungen herum, als er plötzlich in Schweigen versank und nicht mehr ansprechbar war. Dark bat die anderen um Geduld, obwohl er selbst die Bedrohung in seinem Rücken nicht leugnen konnte, und er hatte allmählich auch Angst... Aber wer hätte das nicht, wenn Exodia auf ihn zukam, während er an einem glühenden Abgrund stand?

Endlich wurde Yugis Blick wieder klar und er sah zweifelnd in die Runde. Doch dann bekam sein Gesicht einen entschlossenen Ausdruck. Er würde tun, was nötig war, um all die Leben zu retten, die hier auf dem Spiel standen. "Ich muss drei von euch opfern," teilte er den Freunden mit.

Appi hob eine Augenbraue. "Oh. Dann erwischt's wohl mich zuerst, ich bin am schwächsten."

"Du solltest außerdem mich nehmen," schlug Neo vor.

"Und mich," bot auch Freed sich an.

"Egal, wen du wählst, wir sind alle bereit," versicherte Magi. Die übrigen nickten zustimmend.

Yugi war überrascht. Hatten die alle keine Angst, dass sie vielleicht sterben könnten? Er hasste es, das entscheiden zu müssen, aber es lag an ihm, zu bestimmen, wer als Opfer herhalten musste. Er hatte verschiedene Alternativen, doch jede barg ein Risiko. Nun... gegen Exodia musste er tun, was in diesem Moment am sinnvollsten erschien, ohne an danach zu denken. Aber die Last wog schwer auf seinen Schultern. Wenn er versagte, konnte es nicht nur seine Freunde, sondern alle Dorfbewohner das Leben kosten. Er hatte keine Zeit mehr. "Blacky, Dark und Gerfried," bestimmte Yugi.

Alle waren überrascht, fügten sich aber. Der Junge näherte sich dem Krater bis auf wenige Meter, gefolgt von den drei Erwählten. Die übrigen blieben, wo sie waren, und machten sich bereit, es so gut wie möglich mit Exodia aufzunehmen, wenn es dazu kommen sollte.

[Erscheine und hilf uns, Drache!] rief Yugi in Gedanken, mit dem Gesicht zum Vulkan. [Ich biete dir die Energie dieser drei Männer an! Bitte komm!]

[WIRD LANGSAM ZEIT, STERBLICHER.] Die schauerliche Stimme klang amüsiert. Dann brach am Himmel ein Loch in die Schattensphäre, und gleißendes Licht fiel dorthin, wo Yugi, Dark, Blacky und Gerfried standen.

Sie bedeckten geblendet ihre Augen. Der Chaosmagier brach als Erster zusammen, vielleicht, weil er noch geschwächt gewesen war. Dann fiel der Schwertmeister, und schließlich auch der Schwarze Magier. Yugi hatte Tränen in den Augen. Sie waren gewiss nicht tot, aber die Angst, das sie es doch waren, machte sich in ihm breit. Etwas Großes erschien am Himmel, schwebte herab durch das Loch, das entstanden war und sich hinter ihm wieder schloss. Yugi starrte entgeistert auf die Macht, die er entfesselt hatte. Vor ihm über dem Krater schwebte Slifer der Himmelsdrache.
 

***
 

Yami lag auf der Bank und starrte in die Gesichter seiner Freunde. "Yugi geht es gut, er hat Slifer beschworen," grinste er etwas benebelt.

Seto hob skeptisch die Augenbrauen. "Man kann Slifer auch im Reich der Schatten beschwören? Fliegt er da denn nicht frei rum?"

"Er ist ein Gott, somit existiert er auf einer anderen Ebene als die anderen Monster," erklärte Marik.

Yami fasste sich an den Kopf, ihm war wirklich noch ein wenig schummerig. "Ich konnte Slifers Stimme hören... das hat einen Erinnerungsfetzen in mir erweckt..."

Die Gruppe tauschte verwirrte Blicke aus. "Aber warum hat Yugi das gemacht?" wollte Joey wissen.

Der Pharao zögerte, es ihnen zu sagen, aber sie hatten ein Recht auf die Wahrheit. "Exodia ist offenbar dort aufgetaucht..."

"Waaaas? Wir müssen ihm helfen!" regte Joey sich auf. "Los, wir müssen ins Reich der Schatten und ihm beistehen!"

"Normalerweise wäre ich auch dafür," gab Seto ihm ausnahmsweise Recht. "Aber vielleicht ist es genau das, was die Gegenseite will. Wir dürfen nichts überstürzen. Diese Gefahr, von der hier immer die Rede war, ist nicht Exodia, oder, Yami?"

"Ich bin nicht ganz sicher," gab sein Geliebter zu. "Aber mit Slifer müsste Yugi eine reelle Chance haben."
 

***
 

"Slifer! Vertreibe Exodia!" rief Yugi entschlossen.

Sofort schoss der Drache auf das andere Monster zu. Exodia stoppte ihren Vormarsch und ging zum Angriff über. Doch dieser prallte auf Slifers Gegenangriff. Während Yugi gebannt den beiden Giganten zusah, kamen die Dorfbewohner auf den Gipfel und versammelten sich in seiner Nähe. Da wurde er sich auch endlich wieder der Tatsache bewusst, dass drei seiner Freunde wie tot zu seinen Füßen lagen, einer davon Blacky, den die Ordensmitglieder immer noch auf dem Kieker hatten. Ängstlich bückte er sich, um herauszufinden, ob sie noch lebten.

Appi kam dazu. "Mach dir keine Sorgen," meinte er. "Sie sind sicher nur bewusstlos, weil der Gott ihnen all ihre Kraft genommen hat, um in dieser Welt erscheinen zu können."

"Ich dachte immer, die Göttermonster wären Bewohner des Schattenreiches, wie ihr auch," wunderte Yugi sich. Er fasste an Gerfrieds Hals und fand erleichtert die Halsschlagader.

"Ja und nein," entgegnete Appi. "Sie existieren nicht körperlich in unserer Mitte, ist vielleicht auch besser so..."

Yugi sah, was er meinte. Exodia machte eine schwere Zeit durch.

"Du hättest mich opfern sollen, dann hätte ich wenigstens mal einen Nutzen gehabt," beklagte der Zauberlehrling sich. "Warum hast du die stärksten von uns ausgesucht? Blacky und Dark hätten versuchen können, Exodia zu bannen."

"Eben weil sie die stärksten sind," entgegnete der Hüter des Millenniumspuzzles. "So waren die Erfolgsaussichten größer, und Slifer ist stärker. Es kostet ihn nämlich viel Kraft, sich hier zu materialisieren."

"So?"

"Yami hat es mir erklärt. Obwohl er auch nicht weiß, woher er das wusste. Eine verborgene Erinnerung wahrscheinlich. Aber es macht Sinn. Im Spiel muss man für Slifer auch drei Monster opfern, und die Anzahl der Karten auf meiner Hand bestimmt seine Stärke... Da ich hier keine Karten auf der Hand habe, ist es eben die Kraft der Opfer, die entscheidend ist." Yugi drehte sich zu Appi um. "Oh... entschuldige, wenn ich so rede, als wäre das nur ein Duell..."

Zu seiner Überraschung lächelte Appi. "Ich wäre stolz, wenn du meine Karte spielen würdest, sobald du wieder zu Hause bist... auch wenn ich nur schwach bin."

"Vielleicht wirst du ja wirklich mal der Apokalyptische Magier," prophezeite Yugi.

Sie beobachteten, wie Slifer sich um Exodia wickelte und sie dazu brachte, ihren Weg zu ändern. Sie war nicht besiegt, aber der Friedenslichtorden vorerst außer Gefahr. Irgendwie erinnerte das alles Yugi an die Godzilla-Filme, die er mal gesehen hatte.

Slifer kam zurück zu seinem Beschwörer und schwebte über ihm, worauf die Dorfbewohner allesamt auf die Knie fielen. Appi brachte vorsichtshalber etwas Abstand zwischen sich und seinen kleinen Kumpel.

Die Großmutter schien noch nicht wieder bei Bewusstsein zu sein, denn ein anderer Priester ergriff das Wort: "Gepriesen sei unser Gott, der uns vor dem Untergang bewahrt hat!" Er warf sich mit dem Gesicht zu Boden. "Gebieter, bitte sprich zu uns! Sag uns, was wir tun sollen, um dich zu erfreuen!"

Yugi drehte sich zu Slifer um. "Kannst du ihnen erklären, dass sie aufhören sollen, Blacky in den Krater werfen zu wollen?"

[SIE KÖNNEN MICH NICHT HÖREN, STERBLICHER.]

"Wah, kannst du nicht Yugi zu mir sagen wie alle anderen auch?"

"Der Gott spricht zu dem Jungen!" flüsterten die Leute einander zu. "Der Junge ist sein Medium!"

[SAG DU ES IHNEN, WENN DU WILLST,] forderte Slifer sein Medium auf. Er beugte den Kopf herab, bis er dicht neben Yugi war.

Dieser streckte zögernd eine Hand aus und berührte ihn. Er kannte Slifer aus seinen Duellen und hatte keine Angst vor ihm, was er in Anbetracht der Größe des Göttermonsters doch sehr seltsam fand. Vielleicht lag es auch einfach daran, dass sein Verstand das schon alles nicht mehr für bare Münze nahm. Die knienden Leute verunsicherten ihn, aber die warme Haut des Drachen unter seiner Hand vermittelte ihm neues Selbstbewusstsein. Sie hielten ihn für die Stimme ihres Gottes? Gut, dann sollte es so sein!

"Kümmert euch um diese drei, sie haben ihre Kraft gegeben, um mich erscheinen zu lassen!" befahl er. "Behandelt sie wie Gäste, und heißt auch die anderen willkommen." Er machte eine ausladende Geste in die Richtung von Shadow, Freed und den Magiern. Nebenbei fragte er sich, ob es Slifer wohl recht war, wenn er so sprach, als rede wirklich der Gott durch ihn. Aber er hörte ihn zustimmend knurren und hatte das Gefühl, dass der Drache sich amüsierte.

Ein paar Frauen, darunter Blackys Mutter Arienne, näherten sich ängstlich, um die beiden bewusstlose Magier und Gerfried zu untersuchen. Zwar hatten sie große Ehrfurcht vor Slifer, aber sie wollten sich auf keinen Fall dem Befehl widersetzen, deshalb wagten sie sich in seine Nähe. Schließlich fassten sich mehrer Männer ein Herz und trugen die drei ein Stück den Berg hinab aus Slifers unmittelbarer Reichweite. Magi, Freed, Neo und Shadow eilten hinzu, während Appi blieb, wo er war. Er ließ Yugi nicht aus den Augen.

Inzwischen war auch Mystic wieder da. Hilfreich ging sie ihrer Mutter zur Hand, die ihre Arzneitasche dabeihatte. Doch es gab kaum etwas zu tun, denn Dark, Blacky und Gerfried waren einfach nur ohnmächtig. Ansonsten fehlte ihnen nichts.

"Das Schattenreich wird von einer noch unbekannten Macht bedroht," sagte Yugi aus einer Idee heraus. "Diese Macht hat Exodia auf euch gehetzt. Ihr müsst alles in eurer Macht stehende tun, um denen zu helfen, die gegen sie kämpfen!"

"Das werden wir, oh Gewaltiger," versprach der Priester im Namen seines Ordens.

Yugi war erleichtert und recht zufrieden mit sich. Er blickte Slifer an, von dem er nur einen Bruchteil sehen konnte, da er so nahe bei ihm stand. [Soll ich ihnen noch mehr sagen?]

[ZUVIEL DES GUTEN IST AUCH SCHLECHT,] befand Slifer. Er wurde plötzlich von einem Leuchten eingehüllt und schrumpfte, bis er wie eine Schlange um Yugis Schultern gewickelt war, wobei seine Krallen in dessen Oberarme piekten.

Der Junge schrie überrascht auf. Dann erinnerte er sich, dass auch Schattensturm sich klein machen konnte, und Slifer war schließlich ebenfalls ein Drache.

[DU GEFÄLLST MIR GANZ GUT, KLEINER YUGI. MAN MERKT, DASS DU MIT DEM PHARAO VERBUNDEN BIST.] bemerkte das Göttermonster. [LASS MICH DIR MEIN ZEICHEN EINBRENNEN!]

[Was? Wie meinst du das?] entsetzte Yugi sich, der sich gerade noch beherrschen konnte, das nicht laut zu tun, immerhin musste er würdevoll erscheinen.

[DANN KANNST DU MICH VON JETZT AN RUFEN, OHNE JEMANDEN ZU OPFERN, DENN DU WIRST MEIN TOR IN DIESE WELT SEIN,] erläuterte Slifer.

Yugi bezweifelte, dass er so gut dafür geeignet war. [Bist du sicher? Ich bin doch viel zu klein und schwach...] Der Drache antwortete nicht, wartete offenbar immer noch auf eine Antwort. In seiner jetzigen Gestalt war er ein deutlich spürbares Gewicht auf Yugis Schultern, aber auch ein Wesen, das Exodia Einhalt gebieten konnte. Der Junge seufzte. Warum hing das Schicksal der Welt immer von seinen Entscheidungen ab? Aber er wusste, dass Yami das Angebot annehmen würde, wenn er damit anderen helfen konnte. "Ich mache es," beschloss er endlich.

[WAPPNE DICH GEGEN DEN SCHMERZ,] warnte Slifer ihn. Yugi hatte kaum Zeit, sich darauf vorzubereiten, was dann passierte, denn er hatte das Gefühl, dass sein Rücken in Flammen stand...
 

***
 

Yami brach schreiend in der Umkleide zusammen, kurz nachdem sie entschieden hatten, das Schwimmbad zu verlassen. Die anderen Jungs waren für einen Moment zu erschrocken, um zu reagieren, dann war Seto bei ihm am Boden. "Hey, was ist los?"

Yami krallte sich an seinem nackten Oberarm fest. "Seto...aaaaah!"

Der Braunhaarige hielt ihn im Arm, nicht fähig, irgendetwas anderes zu tun als ihm auf diese Art beizustehen.

"Seht doch nur!" rief Duke und deutete auf Yamis Rücken, wo sich nach und nach ein Bild abzeichnete.

Marik schlang fröstelnd die Arme um sich. "Oh Mann. Was passiert bloß mit Yugi? Es... sieht aus wie ein Tatoo..." Er biss sich auf die Lippen in dem Versuch, schmerzhafte Erinnerungen zu verdrängen.

Thea klopfte an die Tür der Herrenumkleide. "Hey! Was ist da drin los? Yami?"

Tristan schloss die Tür auf, schließlich hatten sie alle noch ihre Badehosen an. Thea war entsetzt, als sie Yami erblickte, der inzwischen Setos Arm blutig gekratzt hatte. Serenity stand ebenso geschockt hinter ihr.

Kurz darauf war es vorbei. Yami keuchte und bemerkte das Blut an seiner Hand. "Oh... Entschuldige, Seto..." er wollte sich bewegen, zuckte jedoch unter Schmerzen zusammen. Sein Rücken, speziell die rechte Schulter, fühlte sich an, als hätte ihn jemand gebrandmarkt.

"Gibt es hier einen Erste Hilfe Koffer?" fragte Marik in die Runde. "Wir müssen die Wunde kühlen und verbinden!"

"Was... ist passiert?" presste Yami hervor.

"Pharao... es sieht ganz so aus, als hätte ein Gott Euch gezeichnet," teilte der Grabwächter ihm mit.
 

***
 

Indessen fand sich Yugi mit dem Gesicht auf Appis Schoß wieder, während er endlich wieder einen klaren Gedanken fassen konnte. Eine Stelle auf seinem Rücken brannte höllisch, gleichzeitig fühlte er eine kalte Messerklinge und hörte das Reißen von Stoff.

"Bleib ganz ruhig liegen, Yugi," vernahm er Mystics Stimme. "Dein Hemd hat ein Loch, also schneide ich es gleich ganz auf, damit wir an die Wunde rankommen. Achtung!"

Der Junge zuckte zusammen, als die Lichtmagierin etwas auf die verletzte Stelle legte. Kurz darauf atmete er erleichtert auf, denn es kühlte angenehm. Offensichtlich betraf es hauptsächlich sein rechtes Schulterblatt. "Wo ist Slifer? Und was ist mit Dark, Blacky und Gerfried?" fragte er leise.

"Der Drache ist verschwunden, als er mit dir fertig war," antwortete Neo, der sich gerade neben ihn hockte. "Deine drei Opfer wurden ins Dorf gebracht. Magi und die anderen sind mitgegangen, um auf sie aufzupassen. Vor allem auf Blacky, aber ich glaube nicht, dass ihm jetzt noch jemand etwas tun wird. Hätte der Gott seinen Tod gewollt, hätte er ihm sein Leben einfach nehmen können. Wir haben versprochen, dich ins Dorf zu bringen, sobald es geht. Meinst du, du kannst aufstehen?"

"Ich nehm' ihn huckepack," schlug Appi vor. Er ließ sich den Jungen auf den Rücken laden und trug ihn vorsichtig hinunter.

"Wohin ist Exodia gegangen?" säuselte Yugi.

"Schon wieder wie vom Erdboden verschluckt," antwortete Neo. "Warum hat Slifer das mit dir gemacht?"

"Er... wollte mir sein Zeichen einbrennen..."

"Hm, man kann noch nicht viel erkennen, aber wenn es ein bisschen verheilt ist, wird es sicher als sein Abbild erkennbar sein. Du bist wirklich auserkoren, Yugi..."

"Ist nicht immer so angenehm," murmelte der Junge schwach.
 

Blacky erwachte früh am nächsten Morgen als Erster der drei "Opfer". Die Frau an seiner Seite bemerkte es und beugte sich mit Tränen im Gesicht über ihn. "Kayos, mein Junge...!"

Seine Lippen formten das Wort *Mutter*, doch er sprach es nicht aus. "Arienne", sagte er statt dessen.

Sie schluchzte, machte ihm aber keinen Vorwurf. Nach dem Gesetz des Dorfes war er nicht mehr ihr Sohn. "Ihr habt das Dorf gerettet, denn der Gott ist für euch erschienen, um Exodia zu vertreiben und dir das Leben zu schenken," erzählte sie ihm. "Im Moment bist du ein Gast. Doch wenn du das nächste Mal hierher kommst, wirst du wieder als Ausgestoßener behandelt werden..."

Blacky nickte bloß, denn zu sehr viel mehr war er nicht fähig. "Yugi...?" fragte er.

"Der Kleine ist im Haus der Hohepriesterin, seine Verletzung wurde behandelt. Slifer hat ihm sein Zeichen aufgebrannt. Keine Sorge, es geht ihm gut. Dark liegt neben dir, ihr seid in meinem und Talimecros' Haus. Die anderen wurden in verschiedenen anderen Häusern untergebracht."

Blacky wandte mühsam den Kopf, um Dark sehen zu können. Beruhigt schloss er die Augen. "Bitte... schick Yugi her... sobald es geht..."

"Du solltest dich ausruhen," protestierte Arienne.

"Er ist... mein Schützling," gab er ihr zu verstehen.

"Dieser Heißsporn Namens Appi klebt an ihm und passt auf ihn auf," versicherte die Frau. "Er meint, als Darks Schüler wäre es seine Pflicht, den Jungen zu beschützen, solange ihr es nicht könnt."

"Schick ihn her," beharrte der Magier.

"Wie du willst," gab Arienne nach. Sie gab ihm ein wenig stärkenden Kräutertee, den sie ihm mehr oder weniger einflößen musste, dann schlief er wieder ein. Die Frau deckte ihren Sohn mit der leichten Decke zu und streichelte sanft sein Gesicht, ehe sie ging, um nachzusehen, ob Yugi wach war.
 

***

Fortsetzung folgt.

Konfrontation mit dem Feind

Hallo Leute,

mir sind in der letzten Folge zwei Schnitzer passiert, die ich inzwischen ausgebügelt habe.

1) Mad war nicht mit beim Friedenslicht-Orden.

2) Yugi hat seine Jacke gar nicht mit im Reich der Schatten.

Das kommt davon, wenn man in tiefster Nacht schreibt...
 

Diese Folge ist besonders lang. Viel Spaß!
 

Kapitel 24: Konfrontation mit dem Feind
 

Yami hatte schlecht geschlafen. Immer, wenn er sich auf den Rücken gedreht hatte, war er von der Brandwunde auf seinem rechten Schulterblatt aufgewacht. Zum Glück musste er heute nicht ganz so früh zur Schule wie sonst. Vielleicht bekamen sie die Klausur wieder - etwas, wovor es ihm jetzt schon graute. Aber halt, sie hatten heute kein Englisch.

Großvater hatte einige Dinge auf dem Küchentisch vorbereitet und baute sich nun hinter Yami auf, der mit nacktem Oberkörper seitwärts auf einem der Stühle saß. "Ich ziehe das Pflaster vorsichtig ab, anscheinend ist etwas Eiter daran festgetrocknet," entschied er. "Habt ihr das gestern nicht desinfiziert?"

"Marik hat eine Salbe drauf getan, die in dem Erste Hilfe Koffer des Schwimmbades war," gab Yami Auskunft. Er biss die Zähne zusammen, als Sugoroku das Pflaster löste. So schwer ging es gar nicht, denn darunter eiterte die Stelle tatsächlich, deshalb war das Pflaster nicht völlig angetrocknet.

"Das werden wir gleich haben," murmelte der alte Mann, wobei er ein sauberes Stück Verbandsstoff mit etwas medizinischem Alkohol tränkte, der bei den anderen Sachen auf dem Tisch gestanden hatte. "Jetzt sei tapfer!" warnte er Yami vor und packte das nasse Tuch auf die offene Brandwunde.

Der Pharao war darauf gefasst gewesen, dennoch schrie er gepeinigt auf, ehe er es sich verkneifen konnte. Großvater erlöste ihn schon kurz darauf, doch das beißende Gefühl des Mittels blieb noch eine Weile. Sugoroku betrachtete das Bild, das in die Haut eingebrannt war. Es sah auf den ersten Blick wie die Darstellung eines Chinesischen Drachen aus, schlangengleich sich windend, doch als Kenner von Duel Monsters erkannte er eindeutig Slifer den Himmelsdrachen.

"Und das ist einfach so passiert?" fragte der Alte zum wiederholten Male.

"Einfach so gewiss nicht... ich habe diese Verletzung bekommen, weil Yugi sie hat. Wahrscheinlich von Slifer selbst." Yami erzählte noch einmal von dem kurzen Gespräch mit Yugi, das ihm vergönnt gewesen war. "Ich habe den Eindruck, dass die Grenze zwischen uns immer dünner wird," gab er dann zu bedenken. "Hoffentlich ist das nichts Schlimmes."

"Du befürchtest, dass etwas von dort in unsere Welt eindringen wird?"

"Ja. Aber früher oder später werden wir uns sowieso darum kümmern müssen. Nur jetzt nicht - Yugis Seite, also unsere, ist wahrscheinlich geschwächt worden, nachdem er Slifer beschworen hat. Wir müssen gut vorbereitet sein, ehe wir uns dem Feind stellen. Und wir wissen nicht einmal, wer er oder sie ist."

Sugoroku klebte das große Pflaster, das er aus Verbandsstoff selbst gebastelt hatte, auf das Drachenbild. "Wäre besser, wenn es an der Luft heilen könnte. Es kann sich kaum ein Schorf bilden, wenn der immer am Pflaster kleben bleibt."

Yami nickte. "Wenn ich zurück bin, werde ich halbnackt rumlaufen, das wird Seto gefallen." Er zog sein Hemd und die Uniformjacke an. Die Tasche würde er heute nicht auf dem Rücken tragen können.

"Was macht das Knie?" fragte Großvater.

"Die Schulter lenkt mich davon ab," grummelte der Pharao. Sein peinlicher Sturz im Schwimmbad hatte ihm ein blauviolettes Knie beschert, aber ansonsten hatte er Glück gehabt. Irgendwie war eine Existenz als Geist entspannender, was körperliche Unannehmlichkeiten betraf. Oder er stellte sich einfach zu dumm an.
 

***
 

Yugi hatte schon am vergangenen Abend das Vergnügen mit einem heftig brennenden Desinfektionsmittel gehabt. Mystic hatte ihm einen Verband angelegt, der aussah, als wäre sein ganzer Oberkörper von der Verletzung betroffen. Im Reich der Schatten gehörten Pflaster eben nicht zur Standardausrüstung. Da sein Hemd kaputt war, hatte man ihm eine einfache Tunika als Oberteil zur Verfügung gestellt, die zu seiner Hose irgendwie nicht ganz passte. Aus unerfindlichen Gründen schmerzte sein linkes Knie, seltsam.

Appi hatte es sich zur Aufgabe gemacht, ihn zu beschützen, da er meinte, seinen Lehrer vertreten zu müssen. Er war außerdem sehr ehrgeizig geworden, seit er Blackys beeindruckende Attacke gesehen hatte. Zusammen ließen die Jungen sich von Neo über Schutzzauber und magische Schilde belehren, bis Arienne kam, um Yugi zu sagen, dass Blacky wach war und ihn sehen wollte.

Der kleine Spielechampion ließ sich natürlich nicht zweimal bitten, immerhin sorgte er sich um Blackys Sicherheit, obwohl das Problem eigentlich aus der Welt geschafft sein sollte. Als er das Haus von Talimecros erreichte, traf er dort einige Personen in weißen Gewändern an, die sich vor ihm verneigten. Verwirrt ließ er sich von Arienne das Zimmer zeigen, in dem seine Blutsbrüder untergebracht waren. Es war dasselbe wie bei seinem letzten Besuch. Freundlicherweise ließ man ihn dann allein.

Das Schlaflager war nun in der Mitte des Raumes aufgebaut, so dass Blacky und Dark nebeneinander liegen konnten, aber trotzdem beide für jemanden, der sich um sie kümmerte, erreichbar waren. Yugi näherte sich den Männern auf Zehenspitzen und kniete sich dann neben Blacky. Arienne hatte gesagt, er wäre wach gewesen, aber die Erschöpfung musste ihn eingeholt haben. Im Schlaf sah er wirklich niedlich aus, stellte Yugi wieder einmal fest, und das galt auch für Dark. Sie wirkten gar nicht wie gefährliche, mächtige Magier, wenn ihre Gesichter so entspannt und friedlich waren.

Blacky blinzelte müde. "Hallo Yugi... alles klar?"

"Meine Schulter macht mir zu schaffen, aber sonst ja," versicherte der Junge. "Du wolltest mich sehen?"

"Natürlich, kleiner Bruder. Ich... traue hier niemandem mehr. Im Moment... können weder Dark noch ich... dich beschützen..."

"Du musst dich ausruhen, Großer," lächelte Yugi gerührt. "Appi und die anderen passen auf mich auf."

"Du hast... es geschafft, nicht wahr? Du... hast den Gott herbeigerufen... Slifer..."

Yugi nickte. "Ich hab mir Sorgen gemacht, dass ihr sterben könntet... hattet ihr gar keine Angst?"

"Krieger und Magier... fürchten den Tod... nicht," sagte Blacky. Seine Stimme war leise, da es ihn anstrengte zu sprechen. "Nicht dass wir... uns danach sehnen, aber..."

"Du solltest noch etwas schlafen," schlug Yugi vor. "Mach dir keine Sorgen um mich, ich bin doch der, der Slifer beschworen hat. Die Dorfbewohner scheinen mich alle zu verehren."

"Dann pass nur auf... dass sie dich auch wieder weg... lassen," entgegnete Blacky mit einem missglückten Grinsen. "Yugi... vertraue niemandem! Hörst du!"

"Ist es denn so ernst? Wir haben Exodia doch vertrieben..."

"Ja. Und... die mächtigsten von uns... ausgeschaltet. Es war... richtig, das... zu tun, aber... aber auch dumm. Traue keinem. *Ayn'shennia rhen*."

"Ainsha... Was ist das, ein Zauberspruch?" Doch Blackys Augen waren zugefallen, und so war Yugi auf Spekulationen angewiesen. [*Ayn'shennia rhen*,] hörte er die Stimme seines Blutsbruders den Ausdruck in Gedanken wiederholen. Er versuchte, ihn sich zu merken, auch wenn er keine Ahnung hatte, wofür der Spruch gut sein mochte. Immerhin hatte er schon einmal eine Tür zugeknallt.
 

Im Vorraum wartete natürlich Appi. Er kaute an einem Stück Fladenbrot, von dem er Yugi etwas abgab. "Die Priester wollen dich zum Avatar des Gottes ernennen und dir ein eigenes Haus errichten," teilte er dem Jungen mit. "Sie sind schon dabei, Slifer ihre halbe Ernte zu opfern, um ihm zu danken."

"Sie verbrennen ihr Getreide im Vulkan?"

"Yep."

"Mann, wie doof kann man sein! Als nächstes wundern sie sich, warum sie Hunger leiden! Ich glaub ich werde meine Position ausnutzen und hier mal ein paar neue Sitten einführen. Beziehungsweise welche abschaffen. Sonst stirbt der Orden irgendwann aus, weil sie ihre Kinder auch alle geopfert haben!" Entschlossen machte sich Yugi an die Arbeit, während Appi ihm wie ein Schatten auf den Fersen blieb.
 

***
 

Yami schlug sich in der Schule ganz gut, und er hatte eigentlich kein Problem, abgesehen davon, dass seine Schulter ihn dauernd piekte. Aber der Unterricht ließ sich ertragen. Er schaffte es, sich nicht zu blamieren.

Hinterher musste er leider immer noch den Flur wischen... und das zusammen mit Bakura erwies sich als nicht sehr spaßig.

"Hey, Pharao, bist du fit für eine kleine Schrubberaktion?" neckte der Geist ihn und schlug ihm kumpelhaft auf die Schulter.

Yami stöhnte unter Schmerzen auf. "Hey, das war nicht lustig!"

"Leg dich lieber nicht mit mir an, sonst gibt's wieder Ärger!" warnte der Weißhaarige.

"Du liebe Zeit, wie bist du denn heute drauf," grummelte Yami. "Hat dich jemand abblitzen lassen, dass du jetzt deinen Frust an mir auslassen musst?"

Bakura goss den Reiniger in das Putzwasser und beobachtete, wie sich die Schlieren verteilten. "Ich hab deinen Rat befolgt. Ich muss total bekloppt sein."

"Hä? Ich verstehe nicht..."

"Ist auch nicht nötig, dass du's kapierst. Aber eins steht fest: Du bist daran Schuld, dass ich nicht mehr die Welt erobern kann, und dafür wirst du bezahlen!"

Yami seufzte. "Bakura, du kannst sowieso nicht die Welt erobern, da bin ich bestimmt nicht das einzige Hindernis."

"Aber ich hatte schon einen ersten Schritt geschafft!"

"Da kann ich doch nichts dafür!" [Was zum Geier will der Kerl von mir? Ich hab doch in letzter Zeit gar nichts getan, um seine Pläne zu vereiteln... außer das Millenniumspuzzle zu behalten natürlich...]

Sein Gegenspieler tauchte seinen Lappen in das Putzwasser, wrang ihn gut aus und wickelte ihn um den Schrubber. Yami tat es ihm gleich und fing an zu wischen.

Plötzlich schlug sich Bakura mit dem Schrubberstiel selbst vor den Kopf. "Aua!"

"Eh?" Yami blickte irritiert auf. [Was geht denn jetzt ab?]

Bakura ließ sein Werkzeug fallen und kippte sich das Putzwasser über, um sich anschließend den Eimer gegen die Schläfe zu schlagen. "Autsch, tut das weh!" er grinste Yami irre an.

"Bist du jetzt völlig durchgeknallt?" erkundigte der Pharao sich.

Doch statt zu antworten warf Bakura sich mit der Schulter voran gegen die Wand, dann mit dem Gesicht, dass er sich die Nase blutig schlug.

"He! Das reicht jetzt!" rief Yami entgeistert. Er packte den Weißhaarigen, damit er mit dem Quatsch aufhörte.

Bakura grinste ihn böse an und griff nach seinen Handgelenken. "Nein, Yugi, lass mich, hör doch auf!" rief er laut und weinerlich.

"Wah! Was soll das?" Yami versuchte, von ihm wegzukommen, doch der andere hielt ihn mit festem Griff nahe bei sich.

"Hilfe! Ich hab dir doch gar nichts getan, Yugi! Lass mich in Ruhe!" jammerte Bakura theatralisch, wobei er gleichzeitig fies grinste. Aber das konnte Frau Morikawa, die gerade um die Ecke gehetzt kam, natürlich nicht sehen.

"Was ist hier los?" schrie die Lehrerin aufgebracht.

Bakura ließ Yami los und sackte bühnenreif zusammen, sich den Magen haltend. "Oh, zum Glück sind Sie gekommen, Frau Morikawa! Bitte helfen Sie mir, Yugi ist verrückt geworden!"

Der Pharao wich entsetzt vor ihm zurück. Er wusste, wie das aussehen musste. Und er konnte Bakura nicht einmal beschimpfen, ohne seine Lage zu verschlimmern.

"Yugi Mutou! Wisch hier fertig und melde dich dann im Büro des Direktors!" ordnete die Lehrerin an und half Bakura hoch, der den Verletzten ganz hervorragend spielte. Mit einem letzten zornigen Blick zurück brachte sie den Weißhaarigen zum Krankenzimmer.

Yami lehnte sich frustriert mit dem Rücken gegen die Wand - was er sogleich bereute - und fuhr sich mit einer zitternden Hand durchs Haar. Wie hatte er sich so von dem Grabräuber manipulieren lassen können? Armer Yugi. Wenn er zurückkam, würden ihn alle für einen Schläger halten, und das nur, weil sein anderes Ich ein Pharao war, der zufällig mit dem Geist seines alten Feindes aufeinander getroffen war. Dass er den Ruf eines anderen ruinierte und nicht einmal seinen eigenen, traf Yami besonders hart.

Fürs erste hatte er keine Wahl. Er beendete die Putzarbeit allein und stellte sich dann dem Donnerwetter des Schuldirektors. Der Mann verwarnte ihn offiziell und drohte ihm an, ihn von der Schule zu verweisen, wenn er weiter so unangenehm auffiel. Darüber hinaus hatte Frau Morikawa bereits Yugis Großvater angerufen. Dieses Mal hatte es keine Gelegenheit gegeben, den alten Mann vorzuwarnen. Yami schämte sich in Grund und Boden. Natürlich hatte er nichts verbrochen, aber es wurmte ihn, dass Bakura es geschafft hatte, ihn so hereinzulegen.

Auf dem Hof warteten seine Freunde, obwohl er sehr spät dran war. Er mochte ihnen kaum unter die Augen treten. "Ähm... Tut mir Leid, dass ihr warten musstet..." murmelte er.

"Hey, sag mal, Bakura kam schon vor 'ner halben Stunde hier lang und behauptete, du hättest ihn angegriffen, aber dafür wirkte er recht heiter," begann Joey.

"Hat er dich provoziert?" fragte Tristan.

"Kann man so sagen. Ich bin so ein Idiot," knirschte Yami.

"Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung," kommentierte Seto, der seinen Laptop zusammenpackte. "Komm schon, wegen dir habe ich wertvolle Zeit verloren." Er ging zur Limousine, die schon die ganze Zeit vor dem Gebäude gewartet hatte.

Niemand ging auf die Bemerkung ein, weil sie inzwischen alle wussten, dass er es nicht so meinte - was Joey jedoch nicht immer davon abhielt, sich auf ein Wortgefecht einzulassen.

"Ist alles in Ordnung, Yami?" hakte Thea nach. Er nickte bloß und folgte Seto.

"Können wir vielleicht laufen?" bat Yami seinen Geliebten dann. "Ich brauche einen Moment, ehe ich Großvater begegne."

Seto stimmte zögernd zu und schickte den Wagen weg. Thea, Tristan und Joey schlossen sich den beiden an. Unterwegs erzählte der Pharao von Bakuras miesem Trick. Sie wussten nicht, was sie sagen konnten, um ihn aufzuheitern.

"Ich wünschte, ich würde euch nicht immer solche Probleme machen," seufzte Yami. "Besonders Yugi gerät ständig in Gefahr, bloß weil ich in seinem Körper lebe. Pegasus wollte mein Millenniumspuzzle und hätte Yugi fast ins Reich der Schatten verbannt. Bakura ist auch hinter dem Ding her, und Marik wollte sogar gleich Pharao werden, wobei seine böse Seite Yugi auch fast verbannt hätte, um ein Druckmittel gegen mich zu haben. Und dabei kann ich mich gar nicht an meine Vergangenheit erinnern! Alle wollen irgendwas von mir, weil ich der Pharao bin! Mein Millenniumspuzzle, meine Macht... was auch immer damit gemeint ist. Und jetzt hat es Yugi wirklich erwischt. Ich sollte jetzt an seiner Stelle sein!" Er sprach inzwischen ziemlich laut. "Was bitte kommt als Nächstes? Vielleicht will jemand meine Seele stehlen, um sie einem Monster zu opfern, weil die Seele eines Pharao besonders mächtig ist!"

"Hey, reg dich nicht so auf, die Leute schauen schon," versuchte Seto ihn zu beruhigen.

"Tut mir Leid. Ich hab's manchmal einfach satt," murmelte Yami.

Sie bemerkten nicht, dass ein Mann in einer schwarzen Kutte sie die ganze Zeit beobachtet hatte. Er holte ein Handy hervor und rief jemanden an. "Ja, hier Gurimo! Ein Notfall! Ich glaube, der Pharao hat uns durchschaut..."
 

Doch Yami dachte schon längst nicht mehr an seine Bemerkung, als sie den Spieleladen erreichten.

Tristan, Joey und Thea verabschiedeten sich und wünschten ihm alles Gute. "Oder sollen wir mit reinkommen?" bot die Braunhaarige an.

"Lasst mal... ist schon peinlich genug," lehnte der Pharao ab. Er zögerte vor der Tür.

"Sugoroku wird dich schon nicht auffressen," meinte Seto. "Komm schon."

"Seit wann seid ihr auf du?"

"Hm, hat sich so ergeben."

Als die beiden den Laden betraten, war gerade eine Horde Kinder da, die eifrig Kartenpäckchen aufrissen. Großvater bemerkte die Neuankömmlinge, konnte sich aber gerade nicht mit ihnen befassen. Yami brachte erst einmal seine Tasche nach oben, dann warteten er und Seto im Wohnzimmer.

"Du musst nicht hier bleiben, wenn du zu tun hast," bemerkte Yami.

Seto erhob sich. Er verstand schon, dass der andere ihn nicht dabeihaben wollte, wenn er sich möglicherweise eine Standpauke anhören musste. "Ich warte draußen, ja?"

Yami nickte nur.

Irgendwann hörte der Krach im Laden auf, und der alte Mann kam zu ihm. Der Pharao blickte vorsichtig zu ihm auf. Dieses Mal gab es zweifellos irgendeine Strafe. Großvater hatte sein strengstes Gesicht aufgesetzt.

"Wie ich sehe, versteckst du dich wenigstens nicht," stellte der alte Mann fest. "Lernt man als Pharao, zu seinen Fehlern zu stehen?"

"Ich kann mich nicht erinnern," murmelte Yami kleinlaut. "Auf jeden Fall tue ich es jetzt."

Sugoroku ließ sich ihm gegenüber in einen Sessel sinken. "Frau Morikawa war sehr aufgebracht. Erzähl du mir, was passiert ist. Dieser Bakura - der Geist des Ringes, nicht? - ist zwar nicht dein Freund, aber musstest du ihn verprügeln?"

"Ich hätte ihm gegen seinen Willen nichts antun können," wandte Yami ein. Er berichtete, wie der Weißhaarige ihn hereingelegt hatte, um ihn anschwärzen zu können, und kam sich erneut unglaublich dumm vor.

Als er fertig war, strich Großvater sich nachdenklich über den Bart. "Hm. Es hat ja wohl keinen Sinn, der Lehrerin die Wahrheit zu erzählen, sie würde dir wohl nicht glauben. Seit ihr den Klassenraum verwüstet habt, hält sie dich für ziemlich gewalttätig."

"Nein, sie hält *Yugi* für einen gewaltbereiten Jugendlichen. Es tut mir Leid..."

"Ich muss zugeben, ich bin ratlos," seufzte Herr Mutou. "Ich sollte dich irgendwie bestrafen, aber ich wüsste nicht, wie. Dich von Seto fernzuhalten, wäre ihm gegenüber nicht fair. Und um dich übers Knie zu legen, bist du zu groß. Davon abgesehen glaube ich dir, dass Bakura dich hereingelegt hat..."

"Ich bin auf ihn reingefallen. Das hätte nicht passieren dürfen."

"Ah, ich hab die Lösung. Gib mir dein Duel Monsters Deck."

"Mein Deck?" Yami wurde blass, Aber er nahm dem Gürtel ab, an dem die kleine Tasche mit seinen Karten befestigt war, und reichte sie Großvater.

Dieser nickte zufrieden. "Gut, und nun geh und hol deine Duel Disk und alle Karten, die du noch in deinem Zimmer hast. Du bekommst das alles erst wieder, wenn ich es für angebracht halte."

"Oh nein! Wie lange wird das sein?" rief Yami entsetzt.

Sugoroku hätte fast gelacht, anscheinend hatte er einen wunden Punkt getroffen. Aber er gab sich streng. "Das kommt ganz drauf an, wie du dich benimmst."

Yami lächelte schief. "Du bist grausam, Großvater. Aber ich hab's verdient..." Er stand auf, um seine restlichen Karten und die Duel Disk zu holen. Nachdem er die Sachen abgegeben hatte, fühlte er sich irgendwie nackt. Es war ewig her, dass er keine Karten bei sich gehabt hatte.

"Du solltest außerdem wirklich irgendwas Sportliches anfangen," überlegte Großvater. "Und wenn es nur ist, um deine Lehrerin zufrieden zu stellen. Sie meinte, du müsstest deine Aggressionen abbauen. Habt ihr nicht einen Karateclub oder etwas in der Art an der Schule? Yugi hat ja nie an sowas teilgenommen, weil er dachte, er sei zu klein..."

Yami hatte keine Ahnung. "Bestimmt... ich find's raus."

Er musste wohl ziemlich deprimiert ausgesehen haben, denn der Alte stand auf und legte ihm eine Hand auf die gesunde Schulter. "Kopf hoch. Ich weiß, dass du das nicht mit Absicht gemacht hast. Dieser Bakura muss dich wirklich hassen..."

"Ich hatte gehofft, wir hätten sowas wie einen Waffenstillstand."

"Hmmm... versuch, mit ihm auszukommen. Jetzt folge mir in die Küche, ich werde das Pflaster abziehen. Wolltest du nicht Seto mit deinem Anblick beglücken?"

"Oh, ja, stimmt. Er wartet wahrscheinlich immer noch vor dem Laden..." Yami konnte schon wieder einigermaßen lächeln.
 

***
 

Yugi hatte langsam keine Geduld mehr. Er bemühte sich verzweifelt, den Leuten klarzumachen, dass es unklug war, all ihr Getreide zu verbrennen. "Slifer ist besser geholfen, wenn ihr überlebt, und dazu müsst ihr eure Ernte schon behalten! Ähm... er frisst überhaupt kein Korn! Also warum opfert ihr ihm nicht Blumen oder sowas als Zeichen eurer Wertschätzung?"

Die Leute begriffen es nicht wirklich, aber sie erklärten sich bereit, es so zu machen, weil Yugi, der Auserwählte des Gottes, es so wollte.

"Du hast ja echt Mut, wenn du dich auf diese Typen einlässt," grinste Appi, der die Diskussion ein bisschen gelangweilt verfolgt hatte. Kaum zu fassen, wie verbohrt die Ordensmitglieder warfen. Dazu kam noch, dass die Hohepriesterin grundsätzlich etwas zu widersprechen hatte, seit sie sicht erholt hatte, was einen wirklich nerven konnte.

Talimecros nahm Yugi beiseite. "Hey, Junge, kann ich dich mal allein sprechen? Ich muss dir was zeigen."

"Äh... klar."

Der Mann stellte sicher, dass Appi ihnen nicht nachlief und dass ihnen auch sonst niemand folgte. Er brachte Yugi zu der Höhle, in der sich die heilige Quelle befand, in der man sich immer rituell waschen musste. Er drehte sich zu ihm um und lächelte. "Kleiner... du hast es ja wirklich ganz schön weit gebracht. Aber ich kann nicht zulassen, dass du den Gott noch einmal rufst." Er holte den Opferdolch aus seinem Gewand hervor.

Yugi wich erschrocken zurück. "Was... was soll das? Freust du dich denn nicht...? Du bist doch einer vom Orden!"

"Dein Freund Blacky hätte sterben sollen, wenn er schon nicht für uns ist," fuhr Talimecros unbeirrt fort. "Wir haben gehofft, das er sich umbringt, indem er Exodia bannt, und dass Dark vielleicht auch dabei draufgeht. Das kann zwar noch kommen, aber mit Slifer auf eurer Seite habt ihr gute Chancen, und das kann ich nicht zulassen!"

[Blacky, kannst du mich hören? Dark? Irgendjemand! Hilfe!] Yugi wollte weglaufen, doch sein Feind sprach ein paar Worte und machte ihn bewegungsunfähig. Er spürte seine beiden Blutsbrüder in seinen Gedanken, doch in ihrem geschwächten Zustand konnten sie ihn nicht richtig erreichen. Blacky versuchte, ihm irgendetwas zu sagen, aber er verstand ihn nicht.

Talimecros kam berechnend lächelnd auf ihn zu. Dabei veränderte sich seine Gestalt, und Yugi sah sich einem blauhäutigen Mann mit schwarzem Haar und roten Augen gegenüber, der dem Magier des Schwarzen Chaos erschreckend ähnlich sah. "Niemand kann dir jetzt noch helfen. Indem du die geopfert hast, die dich immer beschützen, hast du mir eine zweite Chance gegeben, dich aus dem Weg zu räumen, und dann werde ich mir die beiden Magier vornehmen."

"Du musst dieser Sorc sein!" erkannte Yugi. "Warst du es, der Mava fast umgebracht hätte?"

Der Fremde lachte gehässig. "Ja, so nennt man mich, und was Mava betrifft, ich dachte eigentlich, er würde an Erschöpfung sterben, nachdem er es gewagt hat, sich mir zu widersetzen! Das hat ihn schon sehr geschwächt, aber Exodia zu befreien hätte ihm den Rest geben sollen!"

"Das hat es auch fast, du Scheusal! Was bezweckst du eigentlich damit?"

"Denk doch mal nach. Hier habe ich Exodia losgelassen, also wird diese Welt bald zerstört sein. Aber wenn ich jetzt dein Leben bedrohe, wird der Pharao dir zu Hilfe eilen. Er wird mir das Tor öffnen, und ich werde die Welt des Blauen Lichts erobern, während er mit dir hier verrottet!"

"Vergiss mich dabei nicht," meldete sich eine vage bekannt klingende Stimme aus den Schatten der Höhle. Der Kuttenträger, den Mava erwähnt hatte, trat in Yugis Blickfeld. Er streifte seine Kaputze ab.

"Der böse Marik!" rief Yugi.

"Nicht ganz," verbesserte ihn selbiger. "Ich bin hierher verbannt worden, doch das hat mich nur gestärkt! Ich bin jetzt ein Wesen dieser Welt, so wie all deine kleinen Magierfreunde, und ich bin mächtiger als je zuvor! Du darfst mich Malice nennen. Das ist der neue Name, den ich angenommen habe."

Marik - oder Malice - hatte nicht mehr ganz so lange Haare wie seine bessere Hälfte, aber sie standen immer noch nach oben ab. Das irre Grinsen war auch geblieben. Yugi geriet fast in Panik.

"Wir sollten ihn ein bisschen foltern. Ich spüre, dass die Verbindung zur anderen Welt immer stärker wird, und wenn der Pharao merkt, dass sein kleiner Freund in Gefahr ist, wird er ihm sicher zu Hilfe eilen," schlug Sorc vor, seinen Dolch vor sich haltend.

"Ich könnte mir auch ein paar noch lustigere Sachen mit ihm vorstellen," grinste Malice und leckte sich lustvoll die Lippen.

"Ach, das eine schließt das andere ja nicht aus," überlegte Sorc.

Yugi wurde schlecht bei dem Gedanken, was die Kerle mit ihm vorhatten. Blacky behielt Recht, er hätte niemandem trauen sollen... und seine beiden mächtigen Beschützer waren jetzt nicht in der Lage, ihm zu Hilfe zu eilen. [Halt mal! Hat Blacky mir nicht diesen Spruch gesagt?] Er versuchte, selbstsicher zu klingen, und schrie: "*Ayn'shennia rhen*!"

Ein Blitzschlag entstand aus dem Nichts und schlug Sorc und Malice nieder. Damit hörte der Zauber, mit dem der Feind Yugi gefesselt hatte, auf zu wirken. Der Junge hielt sich nicht mit Staunen auf, sondern nahm die Beine in Die Hand. Wer konnte schon sagen, wie lange die beiden außer Gefecht sein würden? Er rannte direkt zu Blacky und Dark, oder wollte das zumindest tun. Unterwegs lief er Freed und Appi in die Arme.

"Yugi, was ist denn mit dir los?" wunderte der Krieger sich.

"Ich hab zwei Typen niedergehauen, Sorc und Marik... ich meine Malice! In der Höhle mit der Quelle!" keuchte Yugi.

Freed runzelte die Stirn. "Bist du sicher? Entschuldige, aber es klingt etwas unwahrscheinlich, dass du sowas schaffst."

"Ich habe ihnen einen Zauberspruch entgegengebrüllt, den mir Blacky vorhin gesagt hat. Ayn'shennia... Ah, ich sage den lieber nicht noch mal."

"Ayn'shennia rhen! Das, was ihr in eurer Welt Raigeki nennt!" staunte Appi. "Du hast das geschafft? Wie unfair, du bist doch noch ein Anfänger!"

"Appi, lass das. Blacky war im Geiste bei mir, deshalb ging es. Ich konnte nicht verstehen, was er wollte, aber er war da."

Auch das erstaunte den Zauberlehrling. "Blacky kann durch dich Magie wirken?"

"Oder ich durch ihn, ich weiß nicht. Bitte geht in die Höhle und seht nach, ob die Typen noch da sind!"

Freed nickte. "Appi, komm mit, aber nimm dich in Acht. Yugi, wenn du noch jemanden von uns triffst, schick ihn hinter uns her, ich denke nicht, dass wir allein mit Sorc und seinem Kumpan fertig..."

Er wurde durch einen Aufschrei aus dem Dorf unterbrochen. Sofort war die Höhle vergessen, und sie rannten zurück zu den Hütten. Der Weg war nicht weit, doch er wurde ihnen schon bald von einer Horde Goblins verbaut. Hinter ihnen konnten die Freunde weitere Goblins sehen, die das Dorf überfielen.

"Raubende Goblins. Wah, ich fass es nicht," murmelte Yugi. "Und direkt vor uns ein Goblinangriffstrupp. Ob die auch in Verteidigung gehen, wenn sie angegriffen haben?"

"Was quatscht du da?" Appi machte einen Schritt nach vorn, wobei er besonders fest auftrat und ein fremdartig klingendes Wort schrie. Im Boden bildete sich ein Spalt, und die Goblins stürzten hinein. "Das wird sie nicht ewig aufhalten," meinte er. "Schnell! Gerfried, Dark und Blacky brauchen uns vielleicht!"

"Wo kommen die auf einmal alle her?" fragte Yugi verängstigt.

"Vielleicht hat Sorc sie mitgebracht," vermutete Freed. "Vielleicht als Ablenkung, wenn du sein Ziel warst." Er zog sein Schwert und stellte sich den nächsten Gegnern, die ihnen in die Quere kamen. "Schnapp dir eins von den Schwertern, Yugi!"

Freed machte ein, zwei Goblins nieder. Angewidert nahm Yugi eines ihrer Schwerter an sich. Er musste würgen, denn das hier war nicht länger ein Duell. Hier starben die Feinde wirklich. Und die Freunde, wenn er Pech hatte. Er wandte sich ab, ehe er die tödliche Verletzung der Goblins genauer analysieren konnte.

Hinter Freed war er relativ sicher. Appi schlug mit seinem Zauberstab auf die Angreifer ein. Diese waren vielleicht etwas klein, aber eindeutig zahlenmäßig überlegen. Yugi bereute mittlerweile, dass er seine stärksten Mitstreiter für Slifer geopfert hatte. Aber als er es getan hatte, war es richtig gewesen. Sicher wäre der Drache mit weniger nicht zufrieden gewesen. Yugi wusste leider instinktiv, dass er ihn nicht gleich schon wieder rufen konnte. Und es war ja irgendwie auch eines Göttermonsters unwürdig, sich wegen ein paar Goblins behelligen zu lassen... obwohl er im Moment etwas anderer Meinung war!

Die Dorfbewohner waren friedfertig, die meisten hatten noch nie eine Waffe benutzt. Hatten sie eine Chance? Doch da sah Yugi Talimecros - den echten - und ein paar andere, wie sie die Goblins mit Karate oder so etwas Ähnlichem bekämpften. Er war ziemlich überrascht, andererseits hatten Mitglieder von Glaubensgemeinschaften ja oft irgendwelche Tricks drauf. Er entdeckte bald auch Celt unter den Gläubigen und fragte sich, ob der Elfenschwertkämpfer wohl hier wohnte. Vielleicht war er ja auch nur wegen Mystic hier.

Das Haus von Talimecros und Arienne war heiß umkämpft. Anscheinend hatten die Goblins, falls sie denn wirklich für Sorc arbeiteten, den Befehl, Dark und Blacky auszuschalten. Hoffnungsvoll stellte Yugi fest, das es nicht so aussah, als hätten sie schon Erfolg gehabt. Er und seine beiden Begleiter waren fast da.

"Yugi, pass auf!" unterbrach Appi seinen Kumpel in seinen Beobachtungen, wobei er sich waghalsig in eine Attacke warf, die auf den Kleineren von ihnen gezielt hatte. Der Goblin ging unter dem harten Hieb mit dem Zauberstab zu Boden.

"Bist du verletzt?" entsetzte Yugi sich,

Appi hielt sich die linke Seite. Zwischen seinen Fingern quoll Blut hervor. "Das gibt 'ne Narbe! Verdammt! Du bist schuld! Mein schöner Körper ist entstellt!"

"Äh... ja. Anscheinend ist es nicht so schlimm, wie es aussieht."

"Kommt schon, ich kann nicht auf euch beide aufpassen und gleichzeitig mein Leben verteidigen!" drängte Freed, der schon ein paar Schritte voraus war.

"Warum versuchst du nicht noch mal den Superzauber?" schlug Appi Yugi vor.

Dieser sah sich unsicher um. "Ich... kann Blacky nicht mehr spüren..."

"Versuch's einfach!" Appi schlug einen weiteren Feind nieder.

"Ayn'shennia rhen!" rief Yugi so entschlossen wie möglich. Der Goblin, der ihnen am nächsten war, stolperte fast, aber das war wohl Zufall. Soviel dazu.

"Du musst schon dran glauben," bemerkte Appi. Er ließ einen weiteren Spalt entstehen, in den vier Goblins fielen. Dann stürzte sich eine ganze Horde der grünlichen Typen auf sie. "Vater, aus dem Weg!" rief Appi. Freed sprang zur Seite, während der junge Zauberlehrling seine Arme vor der Brust kreuzte und in der seltsamen Magiersprache etwas murmelte. Ein oder zwei gegnerische Schwerter zielten auf ihn, prallten jedoch gegen einen Schutzschild, der dann grell aufglühte. Das Licht streckte alle nieder, die es traf.

"Wow, das war aber auch cool," staunte Yugi. [Das muss *Spiegelkraft* gewesen sein.]

Appi keuchte. "Kein Ding... Schutzzauber lernt man immer zuerst. Sofern man nicht gerade beim Chaosmagier lernt. Ich bin nur noch nicht mächtig genug, das öfter zu machen."

"Gute Arbeit, Junge," lobte Freed ihn. "Kommt, solange der Weg frei ist."

Sie mussten über mehrere Goblins steigen, bei denen nicht klar erkennbar war, ob sie tot waren oder nur bewusstlos. Endlich erreichten sie das Haus, in dem sie Blacky und Dark wussten...
 

***

Fortsetzung folgt.
 


 


 

Seht euch mal dieses Bild von SoraNoRyu an:

http://animexx.4players.de/fanarts/output/?fa=499132&sort=zeichner&sort_def=&sort_manuell=&datum=

Beachtet auch die Bilder von Neo, Mava und Silberschwinge!
 

Anmerkungen:
 

Ich hab mal in einer Konditorei gelernt. Eines Tages verbrannte ich mich an einem Backblech, das gerade aus dem 230°C heißen Ofen kam. Habe heute noch ein kleines Dreieck auf dem Arm. Zum Glück hatten wir zu Hause ein Desinfektionsmittel, das nicht brennt, aber so nett bin ich in meinen Geschichten nicht! Uahahaha! Wie ihr seht, verarbeite ich hier immer irgendwelche traumatischen Erlebnisse aus meiner Vergangenheit...
 

Die Szene mit Gurimo musste einfach rein. Als mir die Idee kam, ging ich gerade über einen öffentlichen Platz, und die Leute haben sich wahrscheinlich gewundert, warum ich so grinse... Aber das hat keine Auswirkungen auf den Rest der Geschichte, denn das alles jetzt mit der Dartzstaffel zu vermengen, wäre etwas kompliziert. Ich wollte nur einen kleinen Gag einbringen.^^
 

Die Zaubersprüche, die Yugi von Blacky lernt, sind frei erfundene Ansammlungen von Silben, die keine mir bekannte Bedeutung haben.

Von Katzen und Fussmasseuren

Hallo Leute! Diesmal musstet ihr ja wirklich lange warten! Gomennasai! Sumimasen! Ich hatte leider etwas Stress an der Uni und war auch mal wieder meine Eltern besuchen, um eine private Sache zu klären, außerdem leide ich zur Zeit an extremer Einfallslosigkeit. Dieses Kapitel habe ich 3 mal geändert, ehe es fertig war.

Aber es geht bald weiter, keine Sorge. Leider wird der Unistress noch eine Weile anhalten, also wundert euch nicht, wenn ich euch wieder warten lasse. Tut mir Leid! *verbeug*
 

Kapitel 25: Von Katzen und Fussmasseuren
 

Yugi und seine beiden Begleiter stürmten Talimecros' Haus. Sie befürchteten schon, ihre Freunde nicht mehr lebend anzutreffen, doch tatsächlich trafen sie in dem einfachen Gebäude gar niemanden an.

"Verdammt, wo sind sie hin? Es wird sie doch keiner entführt haben?" erschrak Yugi.

"Sie sind noch hier," stellte Appi fest und deutete in das Zimmer.

Mystic ließ ihr Schutzfeld sinken, und jene, die darunter waren, wurden wieder sichtbar. "Ah, ihr seid es..."

Freed hob eine Augenbraue. "Oh, gute Arbeit."

Dark und Blacky saßen aneinandergelehnt in der Mitte ihres Bettes und sahen aus, als würden sie jeden Moment einschlafen. Mystic kniete mit dem Rücken zu ihnen, um sie vor Angreifern zu schützen. Vor ihr lag ein Schwert, das sie im Notfall zu benutzen gedachte. Wenn es um ihren kleinen Bruder ging, war sie nicht so friedfertig, wie man meinen konnte.

"Ich hoffe, dass auch jemand bei Gerfried ist," murmelte Freed, wobei er sich defensiv vor dem Eingang aufbaute. "Aber wahrscheinlich kümmert sich Shadow darum."

Yugi war froh, dass der blonde Krieger bei ihnen blieb. Er merkte erst jetzt, wie sehr ihm die Knie zitterten, als die Aufregung ihren Tribut forderte. Immerhin war er fast umgebracht worden.

"Hey, alles in Ordnung?" erkundigte Appi sich.

Yugi nickte schwach. "Ich bin das nur nicht gewohnt. Das hier ist realer als jedes Duell, das ich je bestritten habe..."

"Will ich doch stark hoffen, oder denkst du, das wäre alles nur ein Traum?"

"Nicht mehr."

"Dann hast du es relativ schnell kapiert. Andere brauchen ihr ganzes Leben, um es zu begreifen. Sogar die Manschen, die aus einer Zeit stammen, in der Magie noch zum Alltag gehörte."

"Aha..."

"Yugi, du solltest dich ein bisschen hinsetzen. Vater und ich passen schon auf."

"Danke, Appi." Der Kleinere war wirklich dankbar für die Verschnaufpause. Er wankte zu seinen Blutsbrüdern und sank neben ihnen zusammen. Tat das gut! Zwei Arme legten sich um ihn, und er konnte die Erleichterung der beiden Magier deutlich spüren.

"Sind sie nicht süß zusammen?" lächelte Mystic.

"Wir haben noch was anderes zu tun," grummelte Appi ein wenig neidisch. Er half Freed bei der Verteidigung des Hauses.

"Können all die Goblins besiegt werden?" fragte Yugi furchtsam.

"Keine Sorge, der Orden bevorzugt zwar den Frieden, aber um den Frieden zu erhalten muss man manchmal kämpfen. Wir sind alle Meister des Kampfes ohne Waffen, und was mich betrifft, ich kann auch ein Schwert führen!" versicherte Mystic.

"Ich kann... den Geist spüren... Den, der versucht hat, mich zu unterjochen," murmelte Blacky plötzlich. "Er versucht es wieder... aber er ist selbst geschwächt..."

"Blacky!" Yugis Finger krallten sich um des Magiers Arm. "Meinst du, es könnte Sorc sein? Er sieht aus wie du!"

[Es würde passen,] mischte sich Dark telepatisch ein. [Verwandte Seelen können leichter Kontakt miteinander aufnehmen. Wenn dieser Sorc wirklich dein Vater ist, Kayos...]

[Ich will nichts davon hören! Ich akzeptiere ihn nicht als Vater, niemals!] protestierte Blacky schnell und heftig.

Mystic, die die geistige Unterhaltung nicht mitverfolgen konnte, wandte sich besorgt um. "Alles in Ordnung?"

Ihr Bruder zitterte am ganzen Leib, und es lag nicht am Wetter, denn das war eher zum Schwitzen. Er kannte die Wahrheit so gut wie die anderen. Aber er hätte sich eher die Zunge abgebissen, als es auszusprechen. "Keine Sorge, Schwester," presste er hervor.

Doch Yugi merkte, wie kleine Wassertropfen auf sein Haar fielen, und als er aufsah, landete einer auf seiner Stirn. "Blacky..." Er kuschelte sich näher an den Blauhäutigen, seine schmerzende Schulter ignorierend, und Dark zog beide dicht an sich.
 

***
 

Am Nachmittag tauchte Ryou im Spieleladen auf, als gerade niemand sonst da war. Sugoroku nahm an, dass er zu Yugi wollte, doch der Weißhaarige wollte zunächst mit ihm reden.

"Herr Mutou, ich möchte mich entschuldigen, weil der Geist meines Millenniumsrings Ihnen immer so viel Ärger macht..." murmelte Ryou, wobei er sich respektvoll verneigte. "Er war heute früh sehr schlecht gelaunt, und ich habe ihn nicht unter Kontrolle halten können. Yami trifft keine Schuld, bitte seien nicht zu hart zu ihm!"

Der alte Mann war überrascht. "Oh! Ähm, ich weiß deine Entschuldigung zu schätzen, wirklich." Er lächelte verlegen. "Ich hab Yami für unbestimmte Zeit seine Spielkarten weggenommen. Aber Seto ist gerade da, er wird es wohl verkraften."

Ryou verzog sein Gesicht zu einem Ausdruck des Mitleids. "Seine Karten? Armer Yami, das muss ihn echt hart treffen!"

Großvater kicherte. "Nun ja, unbestimmte Zeit kann ja auch ein Tag sein. Mal sehen. Schließlich braucht er sein Deck ja immer zur Rettung der Welt."

Ryou lachte nun auch. "Ja, das stimmt."

"Wo du gerade da bist, Ryou... Hat die Schule irgendwelche Karateclubs oder so? Seto wusste es nicht, weil es ihn nicht interessiert," fiel es dem Ladenbesitzer ein.

Sein Besucher dachte kurz nach. "Also, ich selbst bin in einem Koch- und Backclub. Dann gibt es Fußball, Schwimmen und andere Sportarten, Handarbeiten für Mädchen, verschiedene künstlerische Clubs... Karate ist sicher auch dabei. Ich glaube, wir haben sogar Bogenschießen."

"Weißt du, Frau Morikawa hat mir nahe gelegt, dass ich meinen Enkel in einen Club schicken sollte, wo er seine Agressionen abbauen kann."

"Ohje... tut mir wirklich Leid! Ist Yugi denn nirgendwo Mitglied?"

"Nun, er fand immer, er wäre zu klein. Dabei habt ihr doch sicher auch einen Spieleclub, in dem Go oder sowas gespielt wird, da muss man ja nicht groß sein."

"Ja, ich glaube schon. Aber ich glaube, der Club hat kaum Mitglieder."

"Schade. Möchtest du zu Yami? Ich könnte ihn rufen."

"Schon gut, ich finde den Weg. Danke, Herr Mutou." Ryou begab sich zu den Treppen.

"Klopf vorher an, wie gesagt, Seto ist auch da!" rief Großvater ihm nach.
 

Ryou war nicht zum ersten Mal hier und hatte deshalb kein Problem, Yugis Zimmer zu finden. Er horchte erst an der Tür, um die beiden nicht zu stören, doch er hörte sie normal reden, also klopfte er an.

"Komm ruhig rein, Großvater," rief Yami.

"Ich bin's, Ryou," entgegnete der Weißhaarige und öffnete vorsichtig die Tür. Vielleicht war *er* ja nicht so willkommen.

"Oh... schon gut," meinte Seto.

Ryou linste in den Raum und trat dann zögernd ein. "Ähm, ich wollte nicht stören..."

"Kein Problem," winkte Yami ab. Er saß auf Setos Rücken, so dass er ihm die nackten Schultern massieren konnte. Der Firmenchef lag genüsslich auf dem Bett und ließ es sich gut gehen. Es roch nach parfümiertem Massageöl. Yami trug auch kein Oberteil, so dass die üble Brandwunde auf seiner rechten Schulter atmen konnte. Die Stelle glänzte, als wäre vor kurzem eine Salbe aufgetragen worden, und tatsächlich war der Geruch dezent wahrnehmbar.

Ryou räusperte sich. "Also... ich wollte mich für Bakura entschuldigen, ich konnte leider seinen kleinen Ausbruch nicht verhindern."

"Ist nicht mehr zu ändern, und du bist es bestimmt nicht, der sich dafür entschuldigen muss," befand Yami. "Aber vielleicht könntest du der Lehrerin sagen, du hättest mich geärgert oder so, damit ich nicht ganz so dumm dastehe."

"Lasst es lieber dabei bewenden, sonst denkt sie noch, du hättest Ryou nach der Schule bedroht, damit er das sagt," mischte Seto sich ein. "Außerdem solltet ihr sie lieber nicht öfter als nötig daran erinnern."

Yami nickte nachdenklich. "Ja, ist vielleicht besser, wenn wir es nicht noch verschlimmern. Ich wüsste nur gerne, warum Bakura das getan hat."

"Er hat ein Päckchen verschickt und war darüber sehr missgelaunt," erzählte Ryou. "Er hat mich aber davon abgehalten zu sehen, was darin war. Er versprach, dass es nichts Schlimmes ist. Es tut mir Leid, bisher konnte ich ihn ganz gut im Zaum halten, hab ihm einfach damit gedroht, dass wir Duke nicht mehr zu Pegasus begleiten. Er hat was für den Mann übrig, wisst ihr."

"Psychopaten unter sich," grummelte Seto.

"Wohnt Pegasus nicht in Amerika? Wie kannst du ihn da einfach besuchen?"

"Oh, Duke fliegt immer mit Pegasus' Privatjet hin und her, natürlich nicht ständig, aber beispielsweise in den Ferien," gab Ryou Auskunft. "Er geht ja noch hier zur Schule und will zumindest dieses Schuljahr beenden, auch wenn er mit einer Karriere als Spielehändler schon recht gut ausgesorgt hat. Pegasus hat ihm einen Job in seiner Firma angeboten, den er wohl annehmen wird."

"Und willst du dann auch nach Amerika gehen?" wollte Yami wissen.

"Vielleicht. Für Bakura und mich wäre es eine gute Lösung, falls sich da wirklich was mit Pagasus und ihm ergibt," überlegte Ryou.

"Pegasus hatte doch mal eine Freundin," gab der Pharao zu bedenken.

"So schwuchtelig, wie der sich gibt, muss er auf jeden Fall bi sein," fand Seto. "Bakura sollte am Ball bleiben. Geh mal ruhig nach Amerika, Ryou. Nichts gegen dich, aber dann sind wir Bakura los."

Der Weißhaarige nickte verstehend. "Habt ihr schon was wegen Yugi entschieden?"

"Nicht richtig. Momentan scheint es ihm ganz gut zu gehen, er ist nicht in direkter Gefahr," antwortete Yami. "Aber trotzdem, irgendwann..."

"Diese mysteriöse Bedrohung im Reich der Schatten wird mich nicht ewig davon abhalten, meinen Geliebten von da wegzuholen," prophezeite Seto. "Diese Brandwunde auf Yamis Schulter zeigt ja, dass sich dort gefährliche Dinge ereignen, und ich werde Yugi nicht im Stich lassen."

"Aber wir werden warten, bis er uns wirklich braucht," fügte Yami leise hinzu. "Auch wenn es schwer fällt.

Seto drehte sich unter ihm um, setzte sich auf und umarmte ihn. "Es wird schon alles gut werden, wir werden es jedem zeigen, der uns drei auseinander bringen will." Das Millenniumspuzzle war zwischen ihnen, aber der Braunhaarige ergriff es mit einer Hand und fuhr mit dem Daumen die Konturen nach, als wäre es lebendig. Das tat er immer, wenn er zeigen wollte, dass er beide Seelen in dem Körper meinte.

Ryou lächelte. "Hm, soll ich euch allein lassen?"

Doch gerade in dem Moment bekamen sie noch mehr Besuch. Jemand klopfte an die Tür. "Pharao, darf ich reinkommen?"

"Darauf kommt es jetzt auch nicht mehr an," antwortete Seto für seinen kleineren Partner.

Marik steckte seinen Kopf in das Zimmer. "Oh, Herr Mutou hatte Recht, Ryou ist auch noch hier." Er hielt ein flaches, rundes Tongefäß vor sich. "Ich hab mich gefragt, ob wir die Wunde gestern richtig desinfiziert haben, deshalb hab ich halb Domino abgeklappert, um diese Salbe herstellen zu können. Sie desinfiziert und fördert die Heilung, nicht nur bei Brandwunden."

"Die hast du selbst gemacht und dafür mühsam die Zutaten zusammengesucht? Danke!" freute Yami sich. Er nahm das antik anmutende Töpfchen entgegen und hob den Deckel ab. Ein scharfer Kräutergeruch schlug ihm und Seto entgegen. Er runzelte die Stirn. "Das weckt Erinnerungen, aber sie liegen knapp unter der Oberfläche..."

Marik nickte. "Das Rezept ist sehr alt. Und ich möchte behaupten, viel besser als die Medizin von heute."

"Ich nehme an, das wurde auch in deiner Familie weitergegeben," sagte Seto leicht spöttisch.

"Viele Ägypter kennen solche Rezepte noch," entgegnete Marik.

"Hm, sollen wir es mal ausprobieren?" schlug Yami vor, halb zu sich selbst und halb an Seto gewandt.

"Wenn du es für sinnvoll hältst?" zweifelte der Firmenbesitzer. "Riecht ziemlich streng."

"Danach kann man ja nicht gehen. Marik, würdest du es bitte auf die Wunde auftragen? Du kennst dich anscheinend damit aus," bat der Pharao schließlich.

Der Blonde hob überrascht die Augenbrauen. "Gerne. Ich fühle mich geehrt."

"Jetzt übertreib nicht," grummelte Seto.

Marik besorgte sich erst einmal einen Waschlappen aus dem Bad, um die alte Salbe ein wenig abzuwischen. Er musste halb auf das Bett kriechen, weil Seto seinen Geliebten nicht aus seinen Klauen ließ, aber er beschwerte sich nicht. Als er seine mitgebrachte Salbe vorsichtig auftupfte, zuckte Yami erst einmal zusammen.

"Huch! Das ist ja kalt!"

"Es wird gleich angenehmer," versprach der Grabwächter. Er verteilte das Zeug großzügig, aber nicht zu reichlich auf der verschorften Stelle und darum herum. Yami lehnte sich seufzend an Setos Schulter.

"Seine Majestät weiß zu genießen," kommentierte der Braunhaarige. "Kann ich das auch an meinem Arm anwenden, wo er mich gekratzt hat?"

"Sicher, soll ich die Stelle auch einreiben?"

"Lass mal, das mache ich nachher selber."

Marik grinste ihn über Yamis Schulter hinweg an. "Sei nicht so scheu, Kaiba. Gestehe, du willst dich doch nur nicht von einem anderen als dem großen Pharao selbst anfassen lassen."

Seto spielte an einer von Yamis blonden Strähnen herum. "Ich bin eben sein Privatbesitz."

Ryou, den sie schon ein paar Minuten kaum beachtet hatten, kicherte amüsiert. "Jedenfalls weiß der Mann, wo sein Platz ist. Auch wenn er sich sonst so unnahbar anstellt."

"Ich habe das nicht gesagt, und ich bin auch nicht hier," stellte Seto in drohendem Tonfall klar.

"Schon verstanden, Eure Schrecklichkeit," scherzte Marik. "Soll ich Euch vielleicht statt dessen die Füße massieren?"

Der Braunhaarige antwortete nicht sofort. "Der Vorschlag hat seinen Reiz," gab er schließlich zu. "Aber ich bin ja nur ein unbedeutender Wicht im Vergleich zu ihm..." Bezeichnend blickte er Yami an.

"Aber nein, du bist die Königin an meiner Seite!" neckte dieser ihn.

Setos Gesicht bekam einen rötlichen Schimmer. "Lass es Nacht werden, und ich zeig dir, wer hier die Königin ist!"

"Huuuuih!" riefen Marik und Ryou im Chor.

"Ich glaube, ich komme doch auf die Massage zurück," überlegte Seto, wobei er sich nach Ryou umsah. Ein kleiner Racheakt konnte nicht schaden...
 

***
 

Die Goblins waren in der Überzahl. Die Ordensmitglieder waren tapfer, aber nicht lebensmüde. Sie ergriffen die Flucht. Dörfer konnte man wieder aufbauen, doch Leben konnten nicht zurückgegeben werden.

"Das passiert alles nur wegen mir, murmelte Yugi deprimiert. "Sorc will durch mich in meine Welt gelangen... zusammen mit Malice..."

"Hast du nicht gesagt, du hast die beiden niedergemacht?" hakte Mystic nach. Sie hatte inzwischen ihr Schwert in der Hand, denn die Goblins rissen das Haus ein und kamen durch die Wand. Die Verteidiger waren ins Gästezimmer zurückgewichen.

"Sie müssen ihre Handlanger geschickt haben, damit sie selbst entkommen können!" mutmaßte Freed, der die ersten Eindringlinge niederschlug, die ein Loch in die dünne Lehmwand gerissen hatten, während Appi an der Zimmertür seinen Stab vor sich hielt und denen, die in den Vorraum eingedrungen waren, den Zutritt verwehrte.

Dark wollte aufstehen, doch Yugi hielt ihn davon ab. "Spinnst du, das schaffst du noch nicht!"

"Wenn ich nichts unternehme, werden wir uns deswegen keine Sorgen mehr machen müssen," entgegnete Dark. Doch er sackte schwach zu Boden und musste einsehen, dass er zur Zeit machtlos war. "Wir können doch nicht untätig hier rumsitzen!"

"Kann ich vielleicht irgendwas tun?" fragte Yugi hoffnungsvoll. "Blacky, sag mir doch einen Zauberspruch, den ich anwenden kann! Es hat doch schon zweimal geklappt!"

"Um diese Horde zu erledigen, müsstest du starke Geschütze auffahren, das ist zu gefährlich!" rief Mystic ihm über die Schulter zu.

"Aber ich fühle mich dafür verantwortlich, dass Blacky und Dark nicht kämpfen können; ich habe entschieden, sie zu opfern! Nicht zu vergessen Gerfried! Ich habe unsere stärksten Mitstreiter ausgeschaltet, und nun erwischen sie uns gleich, da macht es doch auch keinen Unterschied mehr!" Yugi war wieder auf den Beinen und suchte verzweifelt nach einem Ausweg. Es war leider nicht damit getan, eine bestimmte Karte zu ziehen.

"Wir müssen das Dorf aufgeben," murmelte Blacky. "Schwester, sorg dafür, dass die Leute fliehen! Und ich will nicht hören, dass du mich beschützen musst!"

"Kayos..." Mystic wusste, dass er Recht hatte. Es hatte keinen Sinn, wenn sie an seiner Seite starb oder mit ihm gefangen genommen wurde, das würde dem Feind nur ein Druckmittel verschaffen. Sie baute einen Schutzschirm auf, der ihnen eine Minute Luft verschaffte.

Freed nutzte die Atempause. Als Krieger erkannte er, wenn eine Lage hoffnungslos war, aber es ging ihm gegen den Stich, seine Kameraden zurückzulassen. Doch mit den Magiern hatten sie keine Chance zu entkommen. Wenn sie die beiden trugen oder stützten, kamen sie zu langsam voran. "Appi, nimm Yugi und lauf, so schnell du kannst!" ordnete er an.

Sein Sohn starrte ihn entgeistert an. "Vater! Ich kann doch nicht..."

"Schnell," sagte nun auch Dark. "Nimm meinen Zauberstab und pass darauf auf. Ihr müsst fliehen, dann könnt ihr euch einen Plan ausdenken, um uns zu befreien. Wenn ihr auch gefangen werdet..."

"Nein, es muss einen Weg geben, euch auch zu retten! Verwandelt euch doch in Katzen, die können wir mit uns tragen!" protestierte Yugi.

"Sorc... ist in meinem Kopf," gestand Blacky. "Er nutzt meine Schwäche, ist aber noch selbst zu schwach, um mehr zu erreichen. Aber er kann mich finden, überall. Ich kann nicht mit euch kommen."

"Ich bleibe bei dir," tröstete Dark ihn.

Doch Blacky schüttelte den Kopf. "Du bist dem Pharao verpflichtet und deinem Schüler. Außerdem musst du dich nun auch um meinen kümmern. Geh. Ich will nicht, dass er dich als Druckmittel benutzen kann."

"Aber du wirst ein Druckmittel sein, wenn sie dich haben!" widersprach Yugi. "Ihr werdet beide mitkommen! Wir können es uns nicht leisten, Zeit mit eurer Rettung zu vergeuden!"

"Ja, genau, jemand muss Exodia dingfest machen!" stimmte Appi zu.

Blacky schwieg, und sie erkannten, dass er nicht darauf spekuliert hatte, dass sie ihn befreiten. Eher musste er geplant haben, Sorc doch noch in einem Selbstmordanschlag zu vernichten.

"Los, verwandelt euch in Katzen! Dazu habt ihr doch sicher noch genug Kraft!" beharrte Yugi.

Freed packte Dark am Kragen und zog ihn hoch. "Na los, während wir hier diskutieren, hätten wir schon weg sein können!"

"Mein Schild hält nur noch wenige Sekunden! Blacky, bitte!" drängte Mystic, die all ihre Kraft einsetzte, um ihre Freunde zu schützen.

"Schwarzer Magier und Magier des Schwarzen Chaos! Verwandelt euch in Katzen, damit wir euch tragen können!" sagte Yugi laut und im Befehlston.

Wieder einmal hatte seine Stimme in Verbindung mit dem Titel der Angesprochenen die Wirkung, dass sie endlich taten, was man von ihnen verlangte. Dark lächelte ergeben, ehe er die Gestalt einer schlanken Kurzhaarkatze annahm, deren violettes Fell mit einem helleren Muster versehen war, das entfernt an die Schnörkel auf seinem Anzug erinnerte. Das Tier trug ein Halsband mit einem Anhänger, nämlich dem Zauberstab des Magiers.

Blacky machte es seinem Geliebten nach, aber die Aktion war alles, wozu die beiden noch fähig waren, denn Verwandlungen waren nicht ganz einfach, auch wenn sie meistens so aussahen. Appi nahm Dark auf den Arm und Yugi Blacky, dann kämpften ihnen Mystic und Freed den Weg frei, und sie ergriffen die Flucht. Viel länger hätten sie nicht zögern dürfen, denn die Gegner waren eindeutig in der Überzahl.

Während sie allen übrigen Ordensmitgliedern zuriefen, dass sie das Dorf verlassen und lieber ihr Leben retten sollten, entgingen sie nur knapp den Schwertern von Hunderten von Goblins. Sie rannten bergab, gefolgt von vereinzelten Menschen, die sich ihnen angeschlossen hatten, und riefen telepathisch so viele Drachen, wie sie konnten. Yugi wusste nicht, ob noch jemand außer Blacky Schattensturm rufen konnte, doch der Drache war bereits da, als sie den Fuß des Berges erreichten. Sie sahen Neo und Celt, die Gerfried halfen, auf Diamantkralle zu klettern. Auch Silberschwinge war da, denn auch Freed konnte sie herbeirufen. Mystic, Yugi und Appi rannten zu Schattensturm und nahmen noch drei Ordensmitglieder mit. Weitere Drachen und andere geflügelte Wesen landeten, es schien ganz so, als könnten auch die Dorfbewohner welche herbeirufen. Es war ein ziemliches Durcheinander. Yugi fragte sich, ob wohl auch Magi und Shadow entkommen waren, er konnte sie jedenfalls nicht entdecken.

Der Drache erhob sich in die Luft, gefolgt von Diamantkralle, Silberschwinge und den anderen. Sie flohen zur Elfenburg, wo es wohl demnächst sehr voll werden würde.
 

***
 

Großvater grinste, als er kurz aus dem Laden ins Wohnzimmer kam und dort Yami und Seto auf dem Sofa sitzen sah, die sich von ihren Freunden, die auf Kissen vor ihnen knieten, die Füße massieren ließen. "Na, ihr lasst's euch ja gut gehen!"

"War Mariks Idee," stellte Seto klar.

Yami hatte ein dünnes Shirt übergezogen, damit seine verletzte Schulter nicht an den Sofastoff kam. "Bakura haben wir dann zusätzlich verdonnert," fügte er hinzu.

Der Weißhaarige grummelte irgendetwas. Er war mit Setos Füßen beschäftigt, da der Firmenbesitzer darauf bestanden hatte, dass Marik sich den Pharao vornahm, so dass dieser professionell behandelt wurde, wie er es verdiente. Ryou hatte sich bereiterklärt, sich zu beteiligen, aber die drei anderen hatten einstimmig beschlossen, dass es der Geist des Ringes war, der mal was für sein Brot tun könnte. Bakura war außerordentlich missgelaunt darüber, zumal er ja mal mit Marik im Team gearbeitet hatte und es fies fand, dass der junge Mann ihm in den Rücken gefallen war. Andererseits arbeiteten sie jetzt ja schon wieder im Team: als Fußmasseure, wie erniedrigend.

"Das könnte mir auch gefallen," kommentierte Sugoroku.

Yami sah ihn lächelnd an. "Ich werde es nicht vergessen."

Großvater errötete und kicherte verlegen. "Pharao, das wäre wirklich nett. Aber jetzt muss ich zurück ins Geschäft, bis später!"

Bakura blickte zu seinem Feind auf. "Du willst dem Alten die Füße massieren? Das würde ich zu gerne sehen. Der Pharao im Staub auf seinen Knien, mit Sklavenarbeit beschäftigt..."

"Mach gefälligst weiter," wies Seto ihn zurecht. "Yami hat einen Freundschaftsdienst angeboten, aber das kapierst du sowieso nicht. Davon abgesehen gibt es hier keinen Staub."

Marik hielt in seiner Tätigkeit inne, als er sah, dass Bakura sich zum Angriff bereitmachte wie ein gereizter Puma. Aber dann hielt der Grabräuber sich doch zurück, vielleicht durch ein wenig Erpressung von Ryou? Kaum zu glauben. Aber es war schon seltsam genug, dass er überhaupt hier mitmachte.

Yami hielt das Millenniumspuzzle in den Händen, als wäre es ein Lebewesen. Er hatte das Gefühl, dass Yugi Probleme hatte, aber sie waren nicht so schlimm, dass er eingreifen musste. Fast wünschte er sich eine Ausrede, um Yugi folgen zu können. Aber Shah Dees Warnung hing noch deutlich in der Luft, und auch Yugi selbst hatte ihm ja davon abgeraten. Yami wusste, dass man manchmal einen Einzelnen opfern musste, um viele zu retten. Auch wenn es der eigene Geliebte war. Doch ihm war auch klar, dass er im Notfall nicht mehr so logisch denken würde. Angenommen, er würde spüren, dass Yugi schwer verletzt war, in Lebensgefahr... er wäre bei ihm, ehe jemand das Wort *Bedrohung* aussprechen konnte.

[Du musst durchhalten, Partner... Ha, das muss ich auch. Ich muss der Versuchung widerstehen, zu dir zu kommen.]

Seto ergriff schweigend seine Hand, als hätte er die Gedanken erraten.
 

***
 

Yugi fühlte sich total erschöpft, während er krampfhaft Blacky festhielt und zugleich bemüht war, sich selbst auf dem Drachen zu halten. Seine Schulter schmerzte, zumal Mystic direkt hinter ihm saß und nicht die ganze Zeit Rücksicht auf ihn nehmen konnte. Schattensturm flog ruhig und vorsichtig, jedoch trotzdem schnell. Sie würden eine Weile brauchen, ehe sie die Feenburg erreichten. Yugi sehnte sich nach einem Bett und Essen.

Ehe sie endlich am Ziel waren, ging schon fast die Sonne unter. Als die Freunde mit ihren Drachen landeten und die Feen merkten, dass der ganze Friedenslicht-Orden mit von der Partie war, entstand große Aufregung. Yugi bekam nicht viel davon mit, er ging direkt in Darks und Blackys Zimmer, dicht gefolgt von Appi. Sie setzten die Kater auf einem der Betten ab, wo die beiden sich zusammenrollten und schliefen. In einem neuen Anflug von Müdigkeit streifte Yugi seine Schuhe ab und legte sich einfach dazu.

Appi stand neben dem Bett und betrachtete den Jungen, der so selbstverständlich bei den beiden Magiern eingeschlafen war. Er beneidete ihn darum, dass er ihnen so nahe stand, während er selbst ein Außenseiter war, der nicht wirklich zu diesem Trio gehörte. Wie gerne hätte er Anteil an dieser Nähe gehabt! Doch in dem Raum gab es ja noch ein Bett. Er beanspruchte es einfach mal ganz frech für sich.
 

***

Fortsetzung folgt.

Pharaos kleine schulische Erfolge

Kapitel 26: Pharaos kleine schulische Erfolge
 

Als Yugi am folgenden Tag erwachte, fand er sich eingekeilt zwischen zwei Körpern, die in keiner erkennbaren Ordnung mit ihm zusammen im Bett ausgebreitet waren. Wie so oft hatte sich Blacky im Schlaf zurückverwandelt, aber Dark tat das offenbar auch. Letzterer lag mit dem Kopf zum Fußende, und Yugi hatte sein Knie im Rücken. Das musste ihn wohl auch geweckt haben, denn seine Schulter war ja nach wie vor empfindlich.

Als er sich etwas anders hinlegen wollte, bemerkte er etwas Hartes an seinem Kopf: Blackys Zauberstab. Yugis Bewegung brachte das Ding zu Fall, und es machte ein gedämpftes Geräusch, als es auf den Teppich neben dem Bett aufkam. Der dazugehörige Magier seufzte im Schlaf und drehte sich auf die Seite, so dass er mit dem Gesicht zu dem Jungen lag. Yugi betrachtete ihn besorgt. War Sorc noch da, oder hatte er ihn verlassen? Er strich ein paar zerzauste Strähnen des lackschwarzen Haares zurück. Blacky sah im Moment noch ganz normal aus. Aber im Schlaf war man ein leichtes Opfer, nicht wahr?

Auf einmal vernahm er ein lautes Schnarchen, dass schon eher ein Grunzen war. Er richtete sich ein wenig auf und entdeckte Appi, der schräg ausgebreitet auf dem anderen Bett lag, die Decke halb auf dem Boden, das Kissen unter seiner rechten Hand. Er schien zu träumen, denn während Yugi zusah, zuckte er mit den Beinen, dann mit dem ganzen Körper, brabbelte dabei unverständliche Worte, und schließlich rutschte er seitlich aus dem Bett und schlief auf dem Boden weiter, wo ja zum Glück ein flauschiger Teppich lag.

Der Hüter des Millenniumspuzzles wollte gerne auch noch weiterschlafen, aber ein dringendes Bedürfnis trieb ihn dann doch aus dem Bett. Er versuchte, sich zu entfernen, ohne seine Blutsbrüder zu wecken, und es gelang ihm erstaunlicherweise, obwohl die beiden unbewusst etwas bemerkten und sich ein bisschen räkelten.

Nun hatten die Feen leider kein Bad an jedem Zimmer, dafür gab es einen Nachttopf hinter einem Raumteiler, wo auch die Waschutensilien für die Morgentoilette zu finden waren. Yugi bevorzugte es jedoch, den Weg zu dem Raum auf sich zu nehmen, der für diese Dinge gedacht war. Dazu musste er schon ein kleines Stück gehen, und dabei stellte er fest, dass es wohl noch früher Morgen war. Zunächst hatte er es eilig, aber auf dem Rückweg sah er von einem der großen Bogenfenster aus ins Tal hinab und bewunderte die nebelverhangene Landschaft, die gerade erst vom ersten Licht erhellt wurde. Es musste eine Sonne geben, überlegte er wieder einmal, aber ihre Strahlen drangen nicht als solche durch die Schattensphäre, wohl aber ihre Helligkeit. Trotz dieser Schicht am Himmel empfand er es nicht als dunkler als in seiner eigenen Welt, aber das täuschte vielleicht.

Einige Feen, Männer wie Frauen, begegneten ihm und nickten ihm grüßend zu. Er sah auch welche auf die Burg zu oder von ihr weg fliegen. Es war noch früh genug, um etwas weiterzuschlafen, doch er entschied, nach Mava zu sehen, auch wenn dieser vielleicht noch gar nicht wach war. Andererseits waren viele Magier Frühaufsteher.

Als er vor der betreffenden Tür ankam, hielt ihn ein blonder Feenmann auf. "Yugi, warte! Wenn du zu Mava willst, der ist in ein anderes Zimmer verlegt worden. Dies ist das Krankenzimmer, wir haben einige Mitglieder des Friedenslicht-Ordens darin untergebracht, die es nötiger hatten als er."

Der Junge kannte den Mann nicht namentlich, aber es war derselbe, der bei Mavas kleiner Operation geholfen hatte. "Wie geht es Mava?" erkundigte er sich.

"Oh, sehr gut, er spricht hervorragend auf unsere Heilmittel an. Aber bis er völlig geheilt ist, dauert es noch eine Weile," berichtete der Blonde. Er bemerkte die Verbände, die unter Yugis Tunika hervorschauten. "Bist du auch verletzt?"

"Eine Brandwunde, sie ist gut versorgt worden," versicherte Yugi.

"Vergiss trotzdem nicht, die Verbände wechseln zu lassen," wurde er ermahnt, dann zeigte der Feenmann ihm Mavas neues Zimmer. Es war nicht weit entfernt von dem, in dem er selbst und seine Blutsbrüder schliefen, aber größer. Als Yugi vorsichtig die Tür öffnete, erblickte er zwei Betten nebeneinander und gegenüber noch einmal zwei. In einem schlief Mava, die anderen Gäste standen gerade auf. Es waren Magier, die Yugi vom Sehen aus Darks Burg kannte.

"Komm ruhig rein, Yugi," rief einer von ihnen.

[Alle kennen mich, aber ich weiß die Namen der anderen nicht, echt peinlich,] dachte der Angesprochene. Die Männer stellten ihm ein paar Fragen zu den letzten Vorfällen, die er alle nach bestem Wissen beantwortete, ehe er sich Mava zuwandte.

Der Lichtmagier war durch die Gespräche erwacht und blinzelte seinem kleinen Freund müde lächelnd entgegen. "Ah, seid ihr also zurück."

Yugi nickte, obwohl er nicht wusste, ob das auf alle zutraf, denn er hatte noch nichts von Magi und Shadow gehört.

Mava zeigte ihm seine Hände, die nur noch so verbunden waren, dass die Finger schon frei blieben. "Ich kann sie schon wieder ein bisschen bewegen, aber es ist kaum der Rede wert. Trotzdem, besser als gar nichts..." Er demonstrierte es.

"Das ist doch schon sehr gut, wenn man bedenkt, wie schnell das ging," meinte Yugi.

"Ja, ich werde mich gewiss nicht beschweren," stimmte Mava zu. "Und was ist mit dir passiert? Du bist ja auch heftig bandagiert."

Yugi erzählte es ihm, und als er fertig war, fühlte er sich gar nicht mehr müde und verzichtete darauf, sich wieder hinzulegen. Statt dessen half er Mava beim Anziehen und Waschen, kämmte sein Haar und ging dann mit ihm in den Garten mit dem Brunnen, wo bereits vereinzelte Feen Kräuter ernteten.

"Exodia ist also wieder entkommen," stellte der blonde Magier fest. "Vielleicht ist es mein Schicksal, sie wieder zu bannen, nachdem ich sie befreit habe."

"Damit du dich doch noch umbringst? Lass es lieber!" bat Yugi. "Wir werden einen anderen Weg finden!"

"Wir sind im Moment ganz schön geschwächt," meinte Mava. "Wenn der nächste Angriff erfolgt, müssen die Feen kämpfen, denn die mächtigsten Magier sind außer Gefecht."

In diesem Moment näherte sich ihnen ein Mann mittleren Alters, den Yugi noch nicht kennen gelernt hatte. "Nana, Maha Vailo, ein paar von uns sind ja nun auch noch da."

"Ah, Skill! Wann bist du zurückgekehrt?" begrüßte Mava ihn erfreut.

Skill trug eine staubige, dunkle Robe und hatte ein abgenutztes Bündel dabei, als wäre er gerade von einer Reise gekommen. In einer Hand hielt er einen eher schlichten Stab, offenbar sein Zauberstab, auch wenn er ihn offensichtlich als Wanderstock missbraucht hatte. Sein kurzes Haar war braun, aber grau meliert, und seine Augen fast schwarz. Er war hoch gewachsen und breitschultrig für einen Magier. Obwohl er aussah wie ein Landstreicher, fand Yugi ihn Respekt einflößend.

Gerade als er sich fragte, wem der Mann ähnlich sah, wandte Skill sich ihm zu. "Ah, du musst dann wohl der Junge aus den Geschichten sein, die mir zu Ohren gekommen sind. Entschuldige, wenn ich das so sage, aber wie ein Pharao siehst du nicht aus!"

Yugi lächelte schief. "Das ist ein Missverständnis. Ich bin der Besitzer des Millenniumspuzzles und beherberge Yamis Geist... ich meine den Geist des Pharaos in meinem Körper. Naja, normalerweise..."

"Ich habe das nie ganz verstanden," gestand Skill und rieb sich seinen Dreitagebart. "Dabei hat mein Sohn es mir so oft erklärt. Naja, das ist seine Sache. Wo steckt Dark denn eigentlich?"

"Was? Du bist sein Vater?" platzte es aus Yugi heraus.

"Skill kommt viel herum, und eines Tages wurde er auf seinen Reisen schwer verletzt und von den Feen gefunden," erörterte Mava. Den Rest konnte man sich denken. Er hatte danach offenbar eine kleine Affäre mit Weaver gehabt.

"Er schläft wohl noch, die letzten Tage waren ziemlich anstrengend für ihn und Blacky," gab Yugi Auskunft.

"Blacky ist auch hier? Den Kleinen habe ich ja seit etlichen Zyklen nicht mehr gesehen!" rief Skill aus.

"Klein? Da muss eure letzte Begegnung wirklich lange her sein," bemerkte Yugi. "Wann hast du denn Dark zuletzt gesehen?"

"Och, der ist mir neulich erst begegnet, als ich in der Burg Drachenfels war. Schade um das Gemäuer, naja. Ich war aber nur kurz da, und Blacky war gerade unterwegs," erzählte der Magier munter. "Er war halt schon immer ein Wildfang, bloß gut, dass er von diesem Orden weg ist! Da wäre sein Talent ja verkümmert! Ich hab ihm damals gesagt, dass er ein ganz großer Magier werden kann, wenn er sich anstrengt! Mit etwas Disziplin und Fleiß..."

Yugi und Mava tauschten Blicke aus.

"Disziplin?"

"Fleiß?"

"Reden wir von demselben Blacky?"

"Garantiert eine Verwechslung!"

Skill schenkte dem Austausch kaum Beachtung. Er begeisterte sich für die Fee, die gerade auf ihn zukam: Weaver hatte ihn bemerkt.

"Ah, endlich sehen wir uns wieder, meine Liebe!" er ging ihr mit ausgebreiteten Armen entgegen, doch sie wich ihm aus.

"Ich bin nicht deine Liebe, dazu bist du zu oft und zu lange fort gewesen, du Rumtreiber!" wies sie ihn zurecht. "Ich will ja nicht wissen, wie viele Weiber du seitdem aufgerissen hast!"

"Äh... aber Weaver, du bist doch etwas ganz Besonderes für mich, schließlich haben wir ein gemeinsames Kind!" jammerte Skill.

"Das ist dann aber auch alles, was uns verbindet," erwiderte sie gnadenlos. "Aber wenn du schon mal hier bist, kannst du dich auch um unser Kind kümmern. Er hat viel mitgemacht in letzter Zeit."

"Äh... ich schau mal nach, ob Dark schon wach ist," bot Yugi an. "Ich seh dich dann nachher, Mava, okay?"

"Warte, ich komme mit dir mit!" beschloss der Magier.

Sie machten, dass sie wegkamen, damit das Paar die Sache unter sich ausdiskutieren konnte.
 

***
 

Es fiel Yami schwer, wieder in die Schule zu gehen. Wie viele wussten inzwischen von dem Vorfall mit Bakura, oder glaubten, davon zu wissen? Würden Sie mit Fingern auf Yugi Mutou zeigen und hinter vorgehaltener Hand darüber reden, dass er früher mal so unscheinbar gewesen war, und nun...? Armer Yugi.

Seto wartete mit der Limousine auf ihn, wie immer. Yami nahm von Großvater sein Lunchpacket entgegen. "Danke. Ich werde mich bemühen, heute keinen Ärger zu machen."

"Du schaffst das schon, und denk dran, dich zu einem der Clubs anzumelden," sagte Sugoroku ermutigend.

Yami nickte. "Bis später." Er stieg in Setos Auto, und sie fuhren los.

Der alte Mann sah ihnen nach, bis das Fahrzeug um die Ecke bog. Auch wenn er es sich nicht anmerken ließ, er vermisste Yugis sorglose Art. Auf die Dauer wurde doch deutlich, dass Yami den anderen nicht einfach ersetzen konnte. Sugoroku hatte am Anfang versucht, sich einzubilden, dass es immer noch Yugi war, um sich selbst den Schmerz des Verlustes zu ersparen. Aber es ging nicht. Wenigstens wusste er seinen Enkel in den fähigen Händen des Schwarzen Magiers. Auch wenn der Gedanke ziemlich seltsam war. Naja, er freute sich schon auf seine Fußmassage!
 

Yami war während der Fahrt sehr still. Heute bekam er wahrscheinlich die vergeigte Klausur zurück. Und er musste immer noch die Strafarbeit machen. Vielleicht wurde die auch noch um eine Woche verlängert! Und wenn nicht, dann vermutlich nur, damit er nicht noch mehr Unheil anrichtete. Er seufzte, und Seto legte einfach den Arm um ihn, ohne ihn mit Fragen zu löchern. Yami war dankbar dafür, in Ruhe gelassen zu werden, und kuschelte sich an den Braunhaarigen, solange er die Gelegenheit hatte.

Doch sie kamen allzu schnell bei der Schule an, und er ging mit einem etwas mulmigen Gefühl hinein. Bildete er es sich ein oder warfen die anderen Schüler Blicke in seine Richtung, um dann flüsternd über seine Verbrechen zu tuscheln, wenn sie ihn außer Hörweite glaubten?

"Bist du nervös? Du siehst dich andauernd um," erkundigte Seto sich.

Yami fühlte sich ertappt. "Oh... Ja, ich frag mich, was die anderen über mich denken...!

"Ist doch egal, du kennst die Wahrheit," meinte der Firmeninhaber.

"Es ist trotzdem blöd, sich vorzustellen, dass die Lehrer und Schüler mich für einen Vandalen halten!"

"Ach, naja... Sie werden sicher schnell etwas anderes finden, über das sie tratschen können."

"Hmmm..."

In der Klasse trafen sie auf Thea und Tristan, während Joey kurz nach ihnen ankam, keuchend vom Rennen. "Haah, gerade noch rechtzeitig..."

Sie hatten Mathe in der ersten Stunde. Frau Morikawa ließ Yami ein paar Aufgaben an der Tafel rechnen. Er schaffte es mit der Beherrschung eines Pharaos, sich seine Nervosität nicht anmerken zu lassen, denn zweifellos hatte sie ihn auf dem Kieker.

"Gut, Yugi, ich wünschte, deine Leistungen wären in jedem Fach so bemerkenswert wie in Mathematik," kommentierte sie in neutralem Tonfall. Einige Mitschüler kicherten verhalten.

Yami setzte sich und überlegte, was sie damit andeuten wollte. Seine Englischklausur musste geradezu katastrophal ausgefallen sein. Allerdings, nach allem, was passiert war, kam es darauf auch nicht mehr an. Großvater würde ihn nicht für eine schlechte Note hassen, wenn er ihn nicht dafür hasste, dass Yugi seinetwegen im Reich der Schatten gefangen war und dass Yugis Ruf inzwischen ruiniert war.

Englisch hatten sie gleich im Anschluss. Frau Morikawa gab ihnen die Klausur leider nicht zurück, ehe sie alle Aufgaben mit ihnen besprochen hatte. Yami konnte sich nicht erinnern, was er hingeschrieben hatte, und er verstand auch nicht recht, warum er die jeweilige Antwort hätte wählen müssen. Er wollte am liebsten im Erdboden versinken, bevor er das Ergebnis erfuhr. Als König der Spiele war er es gewohnt, immer zu gewinnen, aber als Schüler war er ein Versager. Naja, man musste ihm zugute halten, dass er sich ganz gut schlug, dafür, dass er in dieser Klassenstufe erst angefangen hatte.

Die Klausuren wurden schließlich ausgeteilt, und er erwartete seinen unvermeidlichen Untergang. Die Lehrerin rief jeden einzeln auf, um noch eine Bemerkung zu machen. [Warum ist es nötig, dass ich nach vorne gehe und sie abhole?]

"Gardner, Thea. Hm, du hast dieses Mal gerade noch eine Zwei. Lass nicht nach!"

"Ja, Frau Morikawa."

Yami beobachtete mit zunehmender Übelkeit, wie die Kandidaten und Kandidatinnen zum Pult schritten. Die meisten kannte er nicht persönlich. Viele hatten Dreien und Vieren, aber Zweien waren auch dabei. Es schien nicht nach Alphabet oder Leistung zu gehen, sondern die Reihenfolge der Verteilung war beliebig. Frau Morikawa hatte den Notenspiegel angeschrieben:

1: 1X

2: 7X

3: 9X

4: 6X

5: 2X

6: 0X

Wenigstens konnte er nicht komplett versagt haben, denn die schlechteste Note war ja nicht vertreten. Ein Mädchen aus der hinteren Reihe hatte eine Fünf.

"Wheeler, Joey. Eine Drei, du hast dich deutlich verbessert, sehr schön!"

"Woah, cool!" Joey verschwieg, dass er nur so viel gelernt hatte, um Kaiba zu ärgern, der immer mit seinen Englischkenntnissen prahlte. Seit er seine Gegenwart fast täglich ertragen musste, nervte das noch mehr. Aber das durfte der Schnösel natürlich nicht wissen.

"Kaiba, Seto. Unverändert, Eins. Weiter so."

Seto holte sich schweigend seine Klausur ab und verkniff sich einen Kommentar über die Notwendigkeit von Fremdsprachenkenntnissen, wenn man ein Firmenimperium leitete. Er warf einen Blick auf Yami, der auf seinen Tisch starrte, als wartete er auf seine Hinrichtung.

Und dann war es soweit. "Motou, Yugi."

Yami schreckte hoch und warf fast seinen Stuhl um, ehe er nach vorne stolperte.

"Du warst schon mal überzeugender, Yugi. Reiß dich etwas zusammen, damit du wieder auf dein altes Level kommst! Aber es ist noch eine Vier."

Yami nahm das Blatt entgegen und überzeugte sich selbst. [Wie... ist das denn passiert? Es ist keine Fünf!!!] Er hatte Mühe, nicht breit zu grinsen, denn im Grunde war seine Leistung ja kein Anlass zur Freude. Wie in Trance begab er sich zu seinem Platz zurück. [Ich muss ab und zu richtig geraten haben... Da kann ich Yugi ja doch noch unter die Augen treten!]

Tristan hatte auch eine Vier, was ihn nicht weiter kümmerte. Er hatte andere Ziele im Leben, als Fremdsprachen zu lernen.

Aber leider war der Tag ja noch nicht vorbei, denn sie hatten noch ein paar weitere Stunden. Diese waren zumindest für Yami schnell um, denn er war regelrecht berauscht von seinem, den Umständen entsprechend, guten Ergebnis. In der Mittagspause ging Thea mit ihm ins Schulbüro, damit er sich für einen Club eintragen konnte.

"Es ist eigentlich unüblich, dass Schüler sich im laufenden Schuljahr anmelden, aber deine Klassenlehrerin hat dich schon angekündigt," bemerkte die Sekretärin.

Yami verzog das Gesicht. Erniedrigend! Jetzt wurden wegen ihm schon Sonderregeln eingeführt! "Äh, danke," presste er hervor. Er las sich die Liste mit Namen und Beschreibungen der Clubs durch, die er von ihr erhielt. Natürlich interessierte ihn der Spieleclub. Aber er musste etwas wählen, das körperliche Energie verbrauchte, um *seine Aggressionen abzubauen*. Da er sich so schnell nicht entschließen konnte, nahm er die Liste mit, um sie in Ruhe zu studieren, während er sein Lunchpacket plünderte.

Die Gruppe saß wieder unter ihrem üblichen Baum auf dem Schulhof.

"Basketball... Hm, dafür bin sogar ich zu klein, da sind bestimmt all die Riesentypen der Schule drin..." überlegte Yami.

"Das kannst du Yugi auch nicht antun, denk dran, dass er dann mit deiner Entscheidung leben muss," stimmte Thea zu.

"Wie wär's mit Ballett!" neckte Seto ihn, ohne von seinem Laptop aufzublicken.

"He! Gerade habe ich gesagt, dass er dabei an Yugi denken soll!" protestierte Thea.

Joey und Tristan lachten hinter vorgehaltener Hand.

"Kannst du schwimmen? In Ägypten gibt's ja nicht viel Wasser," grinste Tristan.

Yami warf ihm einen vernichtenden Blick zu. "Yugi wird mir dankbar sein, wenn ich ihn im Schwimmclub anmelde, wo er auf Zeit schwimmen darf! Warum nicht gleich Wasserball, da geht er glatt unter! Ich übrigens auch, möglicherweise."

"Armer kleiner Pharao," kommentierte Seto.

"Karate und Judo gibt es auch. Dafür ist die Größe nicht ausschlaggebend," merkte Thea an.

Yami nickte. "Ja, am Ende läuft es scheinbar immer darauf hinaus."

"Selbstverteidigung kann nie schaden," merkte Joey an, der sich noch gut daran erinnerte, wie Yugi mal wegen ihm und Tristan verprügelt worden war. Aber das war ja nun schon eine Weile her.

"Schaff dir ein stabiles Pflaster für deinen Rücken an," riet Tristan ihm. "Sonst geht die Wunde wieder auf, wenn du zum ersten Mal auf der Matte landest."

"Er kann da nicht teilnehmen, bis das verheilt ist!" wandte Thea ein. "Aber vielleicht erstmal zuschauen."

"Damit mich Frau Morikawa fragt, warum ich nicht mitmache? Lieber leide ich Schmerzen," grummelte Yami. "Stellt euch vor, ich erkläre ihr, dass ich da ein frisches Branding habe... die hält mich für total irre."

Seto blickte nun doch einmal auf. "Aus demselben Grund solltest du auch nicht schwimmen oder sonst was machen, wo man deinen nackten Rücken sieht... schade..."

Joey räusperte sich vernehmlich. "Urgh, mir wird schlecht! Werde nie verstehen, was ihr an dem Kerl findet, Yugi und du, Yami!"

Seto klappte sein Notebook zu. Er setzte einen einladenden Schlafzimmerblick auf, den nur wenige jemals bei ihm gesehen hatten, und näherte sich Joey, bis ihre Gesichter nur noch wenige Zentimeter auseinander waren. "Möchtest du mal zusehen, wie ich deinen Freund vernasche, Wheeler? Danach bist du vielleicht schlauer, und was mich betrifft, ich glaube, es würde mir gefallen, wenn jemand zusieht!"

Joey wich schockiert zurück. "Uaaah, geh weg, du Perverser!"

Der Perverse lachte laut auf. Das war so ungewöhnlich, dass sich zahlreiche Augenpaare überrascht in seine Richtung wandten.

Yami war knallrot im Gesicht und versteckte sich hinter der Clubliste. "Seeetooo... das kann nicht dein Ernst sein!"

"Du bist wohl nicht besonders experimentierfreudig," meinte sein Geliebter.

"Lieber würde ich es mit dir in einer Kaufhausumkleide tun als vor meinen Freunden!"

"Das merk ich mir."

"Argh!"

"No risk, no fun!" Seto grinste breit.

Die Pause war leider bald schon wieder um, aber Yami begrüßte das direkt, denn so konnte das Thema nicht vertieft werden. Er überlebte die nächsten beiden Stunden, dann ging er noch einmal ins Büro, um sich für den Judoclub anzumelden, da dieser mehr mit Verteidigung zu tun hatte als mit Angriff. Dieses Mal fand er den Weg auch allein.

Anschließend musste er den Flur putzen. Die Arbeit war Bakura nicht erlassen worden, obwohl die Freunde damit gerechnet hatten. Auch zwang Ryou seine dunkle Hälfte erneut, seine Strafe selbst abzuschuften. Zum Glück war diesmal eine Aufsichtsperson dabei: Seto Kaiba hatte sich freiwillig gemeldet. Und so putzten sie schweigend, nicht ohne ein paar böse Blicke auszutauschen, aber ansonsten ohne Zwischenfälle.

Anschließend war Wochenende! Yami freute sich auf ein paar richtig gute, äh... aggressionsabbauende Tätigkeiten. Und er würde dafür sorgen, dass Yugi seinen Teil davon mitbekam, damit der Kleinere wusste, dass er nicht allein war.
 

***
 

Dark war eher aufgestanden als Blacky. Er hatte ihm eine Nachricht hinterlassen, dass er bei den Badeteichen sein würde. Der Chaosmagier musste sich durchfragen, ehe er diese fand. Sie waren nicht in der Burg, sondern ein Stück den Berg hinunter, wo ein Bach mehrere natürliche Becken auf einer großen, flachen Lichtung speiste und zugleich das Wasser immer erneuerte.

Um von der Burg aus dorthin zu gelangen, musste man schon fliegen können. Blacky flog in Gestalt eines Raben hinunter. Der Ort war von zahlreichen Bäumen umgeben, besonders Weiden, und überall, wo Licht hinkam, sprossen die wundersamsten Blumen, von denen einige sonst nirgends im Schattenreich zu finden waren. Kleine Tiere und Vögel tummelten sich zu Dutzenden in diesem kleinen Paradies. Aber Menschen oder Feen waren zur Zeit nicht anwesend, mit einer Ausnahme.

Wieder in seiner menschlichen Gestalt lockerte Blacky lächelnd den Gürtel seines weißen Gewandes, während er auf den Teich zuschritt, in dem er Dark aus der Luft entdeckt hatte. Der andere Magier hatte ihn natürlich bemerkt, sah ihn kommen und stieg aus dem Wasser, nur mit dem kühlen Nass bekleidet. Blacky weidete sich an dem Anblick.

Doch Dark lächelte nicht. Sobald er nahe genug war, holte er mit der Rechten aus und schlug seinen Partner ins Gesicht, dass auf dessen linker Wange ein violetter Abdruck entstand.

Der Schwarzhaarige starrte ihn entgeistert an. "Was... wofür..."

"Das fragst du noch?" zischte der Schwarze Magier gefährlich leise. Doch als er weiter sprach, schrie er vor Zorn. "Du hast es schon wieder getan - hast schon wieder versucht, dich umzubringen! Lernst du es denn nie? Verdammt, ich wäre bei dir geblieben, aber ich hätte einen Ausweg gefunden! Was interessiert mich, ob dein Vater in deinem Kopf rumspukt? Den treibe ich dir schon aus! Du bist so egoistisch! Denkst du jemals an mich? Was mache ich deiner Meinung nach, wenn du tot bist? Mir einen neuen Liebhaber suchen und wie gewohnt weitermachen?" Zuletzt hatte Dark Tränen in den Augen und einen weinerlichen Unterton in der Stimme.

Blacky war wie vom Donner gerührt. "Ich... ich wollte doch nicht... Dark, ich wollte euch nur in Sicherheit wissen... ehe er mich dazu bringt, euch zu verletzen... oder Schlimmeres... und das kann immer noch passieren!"

Dark breitete in einer hilflosen Geste die Arme aus. "Na dann, jetzt ist die ideale Gelegenheit. Ich habe keine Waffe und werde mich gegen Kayos nicht wehren. Komm schon! Sorc, wenn du mich töten willst, solltest du es jetzt tun, ehe ich meine volle Stärke zurückerlange!"

"Nicht, Dark!" Der Chaosmagier wich entsetzt zurück. Er merkte, wie die Präsenz in seinem Kopf sich wieder bemerkbar machte, nachdem sie ihn seit ihrer Flucht in Ruhe gelassen hatte. Aber er hatte gewusst, dass Sorc ihn nicht ganz verlassen hatte, und er hatte gehofft, noch etwas Zeit mit Dark verbringen zu können, bevor...

"Kayos, er kann dir nichts anhaben," sagte sein Geliebter jetzt ruhig. "Wir sind stärker als er und sein Verbündeter."

Blacky sprang ihn plötzlich an und schloss die Hände um seinen Hals. Er wollte nicht, doch sein Körper tat es trotzdem, ließ sich von dem anderen Geist beherrschen.

[Gut so, Junge. Nun drück zu, und der Schwarze Magier wird uns nie wieder im Weg sein!]

"Wir sind stärker, Kayos." Dark rührte sich nicht.

Blacky kämpfte um seinen Verstand. [Verschwinde, Sorc! Oder ich vernichte dich mit mir zusammen!]

[Haha! Dein Partner hatte Recht, du nimmst keine Rücksicht auf ihn. Na los, töte ihn, und dann kannst du von mir aus dich töten!]

"Wir sind stärker."

[Töte ihn!]

"Schnapp ihn dir, Kayos."

Die Hände ließen Darks Hals los. Blacky schlang seine Arme um sich selbst, und ein Wirbel aus Magie hüllte ihn plötzlich ein, dass seine Haare senkrecht nach oben flogen. Aufschreiend schloss er die Augen. Als er sie wieder öffnete, nachdem der magische Ausbruch sich gelegt hatte, begegnete er Darks türkisfarbenem Blick.

[Wir sind stärker!]

[Ja!]
 

In einem entfernten Versteck schreckte Sorc keuchend aus seiner Trance hoch.

"Na, hat dein kleiner Sprössling den Schwarzen Magier erledigt?" erkundigte Malice sich halbherzig.

Sein Magierfreund sah sich um, als hätte er den Ort nie zuvor gesehen. Er stand von seinem Schlaflager auf und taumelte zu einem kleinen Fenster. "Ja, er ist erledigt," stieß er müde hervor.

"War wohl anstrengend," stellte Malice fest.

"Ja. Wir sind stärker," flüsterte Sorc.

Malice lachte triumphierend. Hätte er sich die Mühe gemacht, sich seinen Verbündeten, der das Gesicht von ihm abgewandt hielt, genauer anzusehen, wäre ihm vielleicht aufgefallen, dass dessen Lächeln gar nicht so fies aussah wie sonst.
 

***

Fortsetzung folgt.

Freizeitaktivitäten

Kapitel 27: Freizeitaktivitäten
 

Yugi hatte einen Weg gefunden, sich nützlich zu machen: Er half bei der Versorgung der Verletzten. Natürlich kannte er sich nicht mit dem Behandeln von Verletzungen aus, aber er verteilte Essen und Trinken oder besorgte irgendetwas, das benötigt wurde. Kuriboh schwirrte in seiner Nähe herum und zeigte ihm auch hier den Weg, wenn es erforderlich war. Anscheinend kannte sich das kleine Wollknäuel an vielen Orten aus.

"Danke, Yugi. Deine Hilfe hat doppelten Wert," sagte Arienne zu ihm, als er einmal im Garten war und nach einer Pflanze suchte, die Joan ihm beschrieben hatte und die auch die Magier ihm schon einmal gezeigt hatten.

"Oh, ich hab ja sonst nichts zu tun und kann auch nicht kämpfen," meinte Yugi verlegen.

Arienne war mit ein paar Kratzern und einer Platzwunde an der Stirn davongekommen. "Doch, ich meine es ernst," beharrte sie. "Du hast unseren Gott herbeigerufen, und deshalb bist du für uns ein Heiliger. Nicht einmal die Zerstörung ihres Dorfes wird die Leute von dieser Überzeugung abbringen, obwohl es geschah, während ihr alle im Dorf wart, einschließlich Kayos. Wenn du nicht dieses Zeichen auf deinem Rücken hättest, wären sie vielleicht wieder auf ihn losgegangen. Doch deine Tat hat ihre Meinung geändert, und wenn du dich um sie kümmerst, gibst du ihnen neuen Mut."

Von der Seite hatte Yugi es noch gar nicht betrachtet. Dabei war es leicht nachzuvollziehen. Die Ordensmitglieder waren sehr gläubig. Er wollte sie in diesem Fall gewiss nicht davon abbringen. "Ich befürchtete schon, sie würden es als Strafe ansehen, weil ich mich so in ihre Bräuche eingemischt habe und sie auf mich gehört haben."

"Nein, sie geben dir nicht die Schuld," versicherte Arienne. "Einige glauben, das alles sei eine Prüfung, die Slifer ihnen auferlegt. Andere sind dem Gott einfach nur dankbar, dass sie noch leben."

"Oh... hat es Tote gegeben?" fragte Yugi zögernd.

Arienne nickte. "Zwei Männer. Sie starben im Kampf. Nicht gerade der ideale Tod für einen Ordensbruder des Friedenslicht-Ordens, aber ehrenhaft, denn sie verteidigten ihre Brüder und Schwestern."

"Das tut mir Leid," murmelte Yugi. "Soll ich mit den Familien reden?"

Die Frau war überrascht. "Das würdest du tun? Es würde ihnen sicher viel bedeuten."

Er errötete verlegen. "Diese Heldenrolle bin ich nicht gewohnt. Ich weiß auch nicht recht, was man zu Menschen sagt, die jemanden verloren haben..."

"Umso mehr spricht es für dich, dass du es dennoch tun willst." Arienne wandte sich zum Gehen. "Ich werde sie dir vorstellen, wenn du deine momentane Aufgabe erledigt hast. Triff mich dann am Brunnen."

Yugi nickte und beeilte sich mit dem Kraut. Er trug heute wieder eines der weißen Gewänder, die überall im Schattenreich so beliebt waren. Irgendwie kam ihm die Farbe für den Anlass unpassend vor. Er eilte zu Arienne an den Brunnen, und sie führte ihn zu einem der Krankenzimmer.

"Bist du bereit?" fragte sie ihn noch einmal. "Es wird sicher etwas schwierig, Krissa ist schwer verletzt und hat drei kleine Kinder. Sie haben ihren Vater verloren."

Yugi nickte und betrat tapfer das Zimmer. In diesem war er noch nie gewesen, denn hier lagen vier besonders schwere Fälle, alles Frauen. Zwei schliefen oder waren bewusstlos, eine wurde gerade von einer Fee gefüttert, weil sie im Moment nicht selbst essen konnte. Die letzte lag in dem Bett rechts am Fenster. Ihre Verbände wurden gerade gewechselt. Yugi und Arienne hielten sich zurück, bis die Fee, die die Frau versorgt hatte, fertig war. Die Verletzte gehörte zu den Blauhäutigen und hatte blondes Haar.

Arienne trat an das Bett. "Krissa, wie geht es dir heute? Fühlst du dich etwas besser?"

Krissa wandte sich ihr mit traurigem Blick zu. "Ach Ari... wie soll es mir gut gehen, wenn Gerris für immer fort ist..."

"Ich habe dir jemanden mitgebracht. Yugi, der den Gott gerufen hat."

Yugi trat schüchtern an das Bett. "Ähm... guten Tag. Ich hab gehört, was mit deinem Mann passiert ist, es tut mir Leid..."

Die Blonde bekam große Augen. "Avatar! Ich... ich will Euch nicht mit meinen Problemen belästigen..."

Yugi lief rot an. Sie benutzte so eine ehrenvolle Anrede und hielt ihn für Slifers Avatar[1], den Gott in Menschengestalt! [Ich muss jetzt irgendwas Fundamentales sagen!] Yugi überlegte fieberhaft, dann ließ er einfach sein Unterbewusstsein durch und sagte, was ihm gerade sinnvoll erschien. "Ich habe erfahren, dass Gerris sehr tapfer gekämpft hat. Ich bin ihm dankbar dafür, denn so konnten meine Freunde und so viele andere entkommen. Bitte verlier nicht den Mut. Du musst um ihn trauern, aber für deine Kinder stark sein!"

Er hatte keine Ahnung, ob das Sinn machte, aber Krissa blickte ihn an, als hätte sie eine heilige Erscheinung gesehen. Nun, für sie war er das ja auch. "Ich werde mein Bestes geben, Avatar!" versicherte sie. "Aber ich weiß nicht, ob ich das kann... ohne meinen Mann..."

Yugi lächelte milde. "Du hast keine Wahl. Wir alle haben keine Wahl. Wir müssen tun, was getan werden muss, und schließlich werden wir den Feind besiegen."

Die Frau nickte. "Ich werde es versuchen."

Yugi nickte ihr ermutigend zu. "Schlaf jetzt, du brauchst Ruhe."

Sie schloss folgsam die Augen. Yugi und Arienne entfernten sich leise.

Vor der Tür brach Blackys Mutter in Begeisterungsstürme aus. "Das war großartig! Damit hast du Krissa neuen Mut gemacht!"

"Ähem... ich hab sowas mal in einem Film gesehen..."

"Wo?"

"Ach, nicht so wichtig." [Meine Güte, ich werde hier echt noch zum Helden. Hoffentlich pack' ich das.]

"Willst du gleich zu Retha? Ihr Mann ist der andere, der gestorben ist."

"In Ordnung, wenn ich schon dabei bin..." Er folgte Arienne zu einem anderen Zimmer. "Wie geht es eigentlich Shadow und Magi?"

Die beiden waren blutüberströmt angekommen, aber das meiste Blut war nicht von ihnen gewesen. Dennoch befanden sie sich in einem der Zimmer für leichter Verletzte. Yugi hatte es erst vor kurzem mit großer Erleichterung erfahren.

"Magi geht es gut genug, um sich zu beklagen. Sie hasst es, im Bett zu liegen. Shadow nimmt es besser auf, als Kriegerin ist sie mit den Notwendigkeiten des Kampfes und seinen Folgen vertraut. Ihre Söhne und Freed sind oft bei ihr. Gerfried ist ebenfalls wieder auf den Beinen," erzählte Arienne. "Allerdings habe ich Kayos und Dark heute noch nicht gesehen, sie sind nicht mehr in ihrem Zimmer."

"Sie tauchen schon wieder auf, ich wüsste es, wenn ihnen etwas zugestoßen wäre," versicherte Yugi zuversichtlich. Er vermutete, dass die beiden irgendwo ein privates Fleckchen gefunden hatten und sich gerade mit, äh, Heilzaubern befassten.
 

Dark hielt Blacky fest in seinen Armen, und zusammen versteckten sie sich unter den Zweigen einer riesigen Weide, erschöpft von den Tätigkeiten der letzten halben Stunde. Vor einer ganzen Stunde hatten sie Sorc bezwungen. Und mehr als das. Sie hatten den Spieß umgedreht.

Blacky legte sich bequemer auf Darks Brust zurecht, zwischen ihnen nichts als ein bisschen Luft, an vielen Stellen nicht einmal das. Er war der mächtigere, aber im Moment der labilere von ihnen. Es tat ihm Leid, dass Dark nun für sie beide stark sein musste, aber der Schwarze Magier bezog seine Kraft wiederum aus ihrer Liebe.

"Na, geht's dir jetzt besser?" erkundigte Dark sich.

"Mmmm... das kann man wohl sagen," murmelte Blacky. "Du hast diese Wirkung auf mich. Verzeih, dass ich dir Sorgen bereitet habe..."

"Ich hab meine Burg verloren, aber solange du bei mir bleibst, gebe ich nicht auf. Also lass diese Selbstmordgedanken sein und benimm dich wie der Magier des Schwarzen Chaos!"

"Im Moment möchte ich mich nur wie der Geliebte des Schwarzen Magiers benehmen." Blacky richtete sich halb auf, um Dark ansehen zu können, wie er da unter dem Baum im Halbschatten lag und müde lächelte. "Ich muss mich mal bei Weaver dafür bedanken, dass sie so einen Sohn in die Welt gesetzt hat! Und bei Skill, weil er dich gezeugt hat! Hm, hab ihn lange nicht mehr gesehen..."

Darks Lächeln wurde breiter. Er streckte seine Hand aus, um mit den Fingern durch herabhängendes schwarzes Haar zu fahren. "Die beiden wissen, was sie geleistet haben, glaub mir. Arienne weiß auch, was sie für einen großartigen Sohn hat. Aber jemand sollte das Sorc sagen, der weiß das nicht zu schätzen."

"Sprich nicht von ihm. Nicht jetzt," bat Blacky.

Dark blitzte ihn herausfordernd an. "Dann bring mich doch zum Schweigen."

Das tat er.
 

***
 

"Ummm... aah... oooh jaaa... Du hast wirklich geschickte Hände, Pharao!"

"Ich weiß - Seto sagt das auch immer." Yami grinste.

Sugoroku lachte herzlich. "Das kann ich mir denken, wenn du andere Körperteile auch so geschickt massierst wie meine Füße...!"

"Aber Großvater!" Jetzt errötete Yami ein wenig. "Ich massiere seine Körperteile nicht nur..." Er blickte von seiner Tätigkeit auf und leckte sich bezeichnend die Lippen.

Es war nun an dem alten Mann zu erröten. "Huh, du Schlingel!"

Beide lachten ausgelassen. Nach Yamis verhältnismäßig guter Klausur waren sie auch in entsprechender Stimmung. Seto wollte sie nachher zum Essen abholen. Er hatte Herrn Mutou die Wahl des Restaurants überlassen, und das wollte dieser auch nutzen. Schließlich kam es nicht auf den Preis an.

Yami hatte Erfahrung im Massieren, seit er das öfter mal bei Seto tat. Aber was das betraf, wechselten sie sich ab... wie auch bei anderen Dingen. Da Großvater kurze Beine hatte, ruhten die Füße auf einem Kissenberg. Yami kniete auf einem einzelnen Kissen und widmete sich jedem Zeh mit einem wohlriechenden Öl. Er hatte sein Hemd wieder ausgezogen und sich von Seto mit Mariks Salbe einreiben lassen, ehe der Firmenchef erst einmal abgefahren war. Dass er sich nun, wie Bakura behauptet hatte, tatsächlich fast wie ein Sklave verhielt und auch so gekleidet war - nämlich nur in eine Hose und Socken - störte ihn nicht weiter, immerhin ging es hier um Großvater, der zur Zeit mehr Toleranz an den Tag legte, als man einfach so erwarten konnte. Da hatte er es wirklich verdient, von einem Pharao die Füße massiert zu bekommen.

Leider währte das Vergnügen nicht ewig für den alten Mann, denn sie mussten sich zum Essen umziehen. "Aaach, das könntest du mal wieder machen," seufzte Großvater.

"Lässt sich einrichten," versprach Yami.

Als Seto und Mokuba sie abholten, hatten sie sich bereits in Schale geworfen. Yami und Seto wollten die Anzüge von Pegasus' Party noch einmal ausführen, denn es war ja sonst schade drum. Natürlich würden sie da, wo sie hingingen, wahrscheinlich auffallen wie bunte Hunde, aber das machte zumindest dem reicheren von ihnen nichts aus.

Großvater hatte sich für ein teures westliches Restaurant namens *Rayon de Soleil* entschieden, wo es geradezu königliche Speisen gab. Ohne vornehmes Outfit kam man dort gar nicht erst hinein, und es gehörte zum guten Ton, ein ordentliches Trinkgeld springen zu lassen. Es war dem alten Mann ein bisschen peinlich, dass er nicht bescheidener war, aber er hatte seit Jahren einmal dort essen wollen.

Das Restaurant sah schon von außen sehr vornehm aus, aber drinnen war alles vom Feinsten und in pfirsichfarbenen Pastelltönen gehalten. Das sanfte Licht kam aus elegant einfachen Lampen an den Wänden und der Decke. Natürlich stand eine Kerze auf jedem Tisch.

Zu ihrer Überraschung stellten Sugoroku und Yami fest, dass die Kaibas hier offenbar nicht fremd waren. Obwohl das so überraschend nun auch wieder nicht war. Der Empfangschef begrüßte Seto namentlich: "Herr Kaiba, herzlich willkommen. Wünschen Sie wieder Ihren üblichen Tisch?"

"Nein, Jean-Paul, ich habe heute zwei Gäste und brauche deshalb einen etwas größeren."

"Natürlich. Folgen Sie mir bitte."

Jean-Paul führte die kleine Gruppe zu einem eher abseits gelegenen Vierertisch an einer Wand, wo man außerdem noch durch eine große Pflanze vor Blicken geschützt war. Er wusste, dass Seto nicht gerne im Mittelpunkt saß, wo er von jedem gesehen werden konnte. Kaum hatten sie sich gesetzt, brachte ein Kellner die Speisekarte und fragte, ob sie schon etwas trinken wollten. Mokuba bestellte einen Wein für die älteren und für sich ein Glas Orangensaft.

"Habt ihr schon was vor morgen?" fragte Yami den Jungen. Bekanntlich verbrachte Seto Samstage, manchmal auch den Sonntag, immer mit seinem Bruder.

"Wir könnten doch mal bei dir zu Hause abhängen, das ist so gemütlich," schlug Mokuba vor. Ab und zu nervte ihn die große Firma schon. "Wir könnten uns einen Film ansehen oder so. Wenn es Ihnen recht ist, Herr Mutou."

"Ah, sag doch Großvater zu mir," lächelte der Alte fröhlich.

Der jüngere Kaiba strahlte, denn er hatte nie einen eigenen Großvater gehabt. "Okay, Großvater! Bist du einverstanden?"

"Ja sicher, ich sorge für was zu essen."

"Super!"

"Wo wir gerade von Essen reden..." Seto schlug die Karte auf, die in Englisch und Französisch gehalten war.

Yami stöhnte. "Verdammt... ich nahm einfach das da."

Großvater hob eine Augenbraue. "Escargot? Bist du sicher?"

"Äh... Ich habe keine Ahnung, was das ist," gestand Yami. "Aber das trifft auf die anderen Gerichte auch zu. Kann ja wohl kaum schlimmer sein als der Hummer, und der war ja ganz gut."

"Escargot sollte man mal gegessen haben," entschied Seto. "Ich bestelle sie mir auch, dann kann ich dir vormachen, wie man sie isst."

"Das muss ja sehr kompliziert sein," murmelte Yami.

"Da kannst du noch was lernen, Pharao," grinste der Braunhaarige.

"Was zum Henker sind denn nun Escargot?" wollte Yami ungeduldig wissen.

Mokuba verzog den Mund. "Schnecken."

Yami runzelte die Stirn. "Häh?"

Seto lachte belustigt. "Weißt du etwa nicht, was Schnecken sind?"

Der König der Spiele bedachte ihn mit einem giftigen Blick. "Nicht, soweit ich mich erinnern kann. Der Begriff weckt keine bildliche Vorstellung in meinem Gedächtnis. Vielleicht habe ich mal welche gesehen und weiß es nur nicht. Wo könnte man sie denn sehen? Sind es Meerestiere?"

Mokuba setzte zu einer Erklärung an, doch Großvater hielt ihn davon ab. "Warte es einfach ab, dann wirst du es ja sehen."

Damit konnte Yami leben. Aber irgendwie hatte er das Gefühl, dass sie ihm etwas verschwiegen.

Sie gaben bald darauf ihre Bestellung auf, wobei Mokuba und Sugoroku höflich, aber eilig ablehnten, als sie gefragt wurden, ob sie auch Escargot wollten. Statt dessen bestellte Großvater ein Gericht mit Lammfleisch und Mokuba Seelachsfilet.

Yami war etwas still, während sie auf ihr Essen warteten. Seto und den anderen fiel es nicht weiter auf, denn er war öfters in Gespräche mit Yugi vertieft, das waren sie gewohnt. Nur dass seine andere Seele zur Zeit nicht da war und ihm deshalb nicht antworten konnte. Ob Yugi wohl wusste, was Escargot waren? Ob er sie mochte?
 

***
 

Yugi war wieder in den Garten mit dem Teich zurückgekehrt und beobachtete eine kleine Schnecke am Ufer, die sich gerade an einem frischen Blatt gütlich tat. Er lächelte gedankenverloren. Der Tag war nicht gerade leicht gewesen. Die zweite Frau, die er besucht hatte, hatte sehr geweint und sich kaum trösten lassen, auch wenn sie daran glaubte, dass Yugi ein begnadeter Bote ihres Gottes war und dass ihr Mann für eine gute Sache gestorben war. Er selbst fühlte sich mies, weil es ihm wie Betrug vorkam. Er war kein Held. Konnten sie nicht jemanden verehren, der es mehr verdiente? Was denn, wenn er versagte? Die Verantwortung wog schwer. Und Yami konnte ihm nicht helfen.

"Hey, Yugi!" Dark setzte sich zu ihm. "Ich hoffe, du hast mich nicht vermisst... Blacky und ich hatten was zu klären."

Der Junge blickte zu ihm auf und grinste. "Ah. So nennt man das jetzt!" Er deutete auf einen rotvioletten Fleck auf Darks linkem Schlüsselbein, der von dem Gewand im Moment nicht verdeckt wurde.

"Oh... ups... Naja, solange man die anderen nicht sieht..." Er lief etwas rot an, so dass Yugi noch breiter grinste.

"Wie geht es Blacky?"

"Oh, nachdem ich ihm den Kopf zurechtgerückt habe, ganz gut. Außerdem haben wir Sorc zurückgeschlagen. Mehr noch: Wir wissen, wo er sich versteckt."

Yugi hob staunend die Augenbrauen. "Wow! Sollen wir ihn angreifen?"

"Solange Exodia frei rumläuft, können wir das nicht riskieren. Außerdem hat er natürlich ein Versteck, in dem er viele Verbündete versammelt hat. Wir sollten uns auf einen Angriff seinerseits gefasst machen, auch wenn mir das nicht besonders gefällt. Aber viele von uns sind noch geschwächt."

"Ja, ich will nicht, dass schon wieder jemand verletzt wird," murmelte Yugi.

Dark legte einen Arm um ihn, auf die schmerzende Schulter achtend. "Ich hab gehört, dass du mit den Hinterbliebenen der zwei Todesopfer gesprochen hast. Das war sehr tapfer von dir. Diesen Leuten bedeutet das viel."

"Ja, ich weiß." Der Kleinere blickte verlegen auf seine Hände, die er auf seinem Schoß gefaltet hatte. "Viel mehr kann ich ja leider nicht tun."

"Du tust doch jetzt schon mehr, als dir bewusst ist," versicherte Dark. "Zum Beispiel für Blacky. Da er dich praktisch adoptiert hat, er also nach den Gesetzen des Reichs der Schatten gleichgestellt ist mit deinem Vater, ist er gezwungen, ein bisschen Verantwortungsbewusstsein zu zeigen. Und was mich betrifft... ich muss zugeben, dass ich mich für einen total miesen Kämpfer halte, außer, wenn ich auf dem Spielfeld stehe. Magie sollte eigentlich nicht in eine Schlacht geführt werden, dafür sind Schwerter da und die Krieger, die sie führen. Jedoch ist es mit dir an meiner Seite fast so, als würde ich an einem Duell teilnehmen, und in so einem Duell bin ich fast immer der Sieger, deshalb gibt deine Anwesenheit mir Mut und Entschlossenheit."

Yugi blickte ihn mit seinen großen Augen staunend an. "Wirklich? Ich dachte immer, dich könnte nichts erschüttern."

"Nun ja, ein Leben mit Kayos härtet einen ab." Darks Gesicht bekam einen liebevollen, verträumten Ausdruck. "Er führt seinen Zauberstab wie eine Waffe, wenn es nötig werden sollte, das hast du ja schon an deinem ersten Tag gesehen. Ich kann das auch, aber er genießt es richtig. Und er hat einen Kampfstil, der, wie könnte es anders sein, keinerlei Regeln folgt, nicht auf eine Kampfkunst begrenzt ist. Das macht ihn unberechenbar für seine Gegner."

"Ich hab den Eindruck, dass er sich manchmal austoben muss," bemerkte Yugi.

Der Magier nickte. "Wenn er lange nichts zu tun hat oder beispielsweise wütend ist."

"Wo steckt er?"

"Trainiert ein bisschen mit Appi. Die Feen lassen dir ausrichten, dass es gleich Essen gibt."

"Gut, ich komme."
 

Die Große Halle der Feen, in der das allgemeine Abendessen abgehalten wurde, war überfüllt, seit auch noch der Friedenslicht-Orden hier war. Jeder zweite lief mit einem Verband an dem ein oder anderen Körperteil herum. Und noch mehr von ihnen lagen bisher noch in ihren Krankenzimmern...

"Warte hier," schlug Dark vor, Yugi zurück vor den Eingang schiebend. "Ich hole uns was, dann musst du auch nicht da rein zu deinen Verehrern."

Yugi seufzte und ließ ihn machen. Waren die Ordensmitglieder jetzt schon wie moderne Fans, die einen belagerten? Jedenfalls war ihm die ganze Anbetung doch etwas zuviel. Bloß gut, dass sich das Verhalten seiner Freunde ihm gegenüber nicht verändert hatte. Er wollte auf keinen Fall, dass sie ihn auf einmal auch wie einen Heiligen behandelten. Sowas hatte schon ganz andere Leute ziemlich einsam gemacht.

Ehe er allzu sehr ins Grübeln geraten konnte, kehrte Dark mit zwei Tellern voller Essen, einem weiteren Teller mit Obst und Brot, zwei Schalen mit Suppe, Löffeln und einer Kanne mit Saft samt zwei Tassen zurück. Da er das unmöglich alles tragen konnte, schwebten die meisten Sachen neben ihm her. Er ging damit, gefolgt von Yugi, zu einem der Tische auf dem Gang, die eigentlich nur für die Aussicht und vielleicht kleine Zwischenmalzeiten da waren. Es war schon ein bisschen dämmrig, also erschuf der Magier eine kleine Lichtkugel.

"Möchtest du es auch mal versuchen? Licht erschaffen?"

Yugi blickte überrascht zu ihm auf, wobei seine Hand über der Brotschale in der Luft hängen blieb. "Ich? Aber... das ist sicher schwierig..."

Dark zuckte nur mit den Schultern. "Das empfinden nicht alle so. Die meisten Magier denken schon gar nicht mehr darüber nach. Na komm, du hast schon einiges an Theorie gelernt. Schutzschilde sind schwerer. Die müssen ja auch was aushalten."

Yugi schien unsicher. "Äh... nach dem Essen, ja? Ich hab Kohldampf!"

Dark nickte. "Ist mir recht."

Yugi hatte etwas Schiss. Wahrscheinlich stand ihm eine Blamage bevor. Aber er freute sich auch auf den Versuch. Man würde ja wohl nicht gleich Wunder von ihm erwarten. Für's erste schlang er das Essen hinunter. Er hatte seinen eigenen Magen wirklich etwas vernachlässigt, solange er an etwas anderes gedacht hatte.

Nach einer Weile stieß Skill zu ihnen, der nun scheinbar ein Bad genommen und eine frische, weiße Robe angezogen hatte. "Da bist du ja, Sohnemann!" Er stellte einen großen Krug mit einem alkoholisch riechenden Getränk auf den Tisch.

Dark ließ seinen Löffel sinken und erhob sich. "Oh, Vater... ist eine Weile her!"

Skill schloss ihn in eine knochenbrecherische Umarmung. Dark biss die Zähne zusammen. Er war zwar etwas größer, aber deutlich schlanker als sein Vater.

"Du musst mehr essen, damit du was auf die Rippen kriegst! Das hab ich dir schon beim letzten Mal gesagt!" stellte Skill fest.

Dark hatte sich glücklich wieder befreit. "Vater, ich bin halb Fee. Ich werde nicht breiter."

Der ältere Magier betrachtete ihn nachdenklich. "Hm, wahrscheinlich hast du Recht. Naja, ist ja auch egal!" Er setzte sich zu ihnen und nahm einen großen Schluck aus seinem Krug.

Dark widmete sich wieder seinem Essen. Keine Minute später sah er Blacky und Appi den Gang entlangkommen. Sie sahen beide etwas abgekämpft aus. Offenbar hatte der Magier den Schüler hart rangenommen.

"Meister, ich melde mich zurück," verkündete der Blonde.

"Sehr schön, ich hoffe, du hast etwas dazugelernt. Vater, das ist Appi, mein Schüler."

Skill sprang begeistert auf. "Ah, die neue Generation! Da komme ich mir ja richtig alt vor! Nenn mich Skill, Junge!" Und er zerquetschte fast dessen Hand.

"Ugh... Ihr habt den Händedruck eines Kriegers, Skill!"

Der Mann strahlte und wandte sich Blacky zu. Seine Stirn legte sich in Falten. "Hm, du kommst mir bekannt vor..."

Blacky hob eine Augenbraue. Er trug sein Haar geflochten, aber es hing an beiden Seiten etwas zottelig aus dem Zopf heraus, da er sich scheinbar keine Große Mühe gegeben hatte, und außerdem hatte er etwas Training hinter sich. Aus diesem Grund war auch sein Gewand fleckig und eingerissen, ähnlich wie Appis. Jedenfalls sah er nicht aus wie ein mächtiger Magier. Yugi bemerkte einen violetten Knutschfleck an seinem Hals dicht unter dem Kiefer...

"Aber sicher erkennst du Blacky noch?" hakte Dark nach.

Skills Augen weiteten sich. "Oh! Junge, was bist du groß geworden! Aber du bist auch so dünn..."

"Blacky hat mir beigebracht, wie man einen Kampfstab benutzt. Aber ich brauch mehr Übung," bemerkte Appi und zeigte ihnen ein paar Blaue Flecken, die eindeutig von Schlägen mit einem Stock stammten.

"Sei etwas vorsichtiger mit ihm," rügte Dark seinen Geliebten.

Skill seufzte wie jemand, der etwas sehr bedauert. "Blacky, ich dachte, aus dir würde ein großer Magier werden! Weißt du denn nicht mehr, was ich dir über Disziplin und Fleiß erzählt habe?"

Yugi prustete in seine Suppe und verschluckte sich fast.

"Ich bin doch groß," meinte Blacky mit Unschuldsmine. "Größer als du."

"Warum holt ihr zwei euch nicht erstmal was zu essen," schlug Dark vor, vom Thema ablenkend.

Blacky nickte, während Appi sich bereits aus dem Staub machte. "Erst will ich meine Vorspeise!" und er beugte sich hinunter und küsste Dark fordernd. Danach drehte er sich um und verschwand im Speisesaal.

Skill blickte ihm mit offenem Mund nach, fing sich aber rasch wieder. "Oh... so ist das also... Naja, deine Mutter hat sowas angedeutet..."

Sein Sohn biss schweigend von einem stück Brot ab. Aber er grinste in sich hinein bei dem Gedanken, was Skill wohl sagen würde, wenn er Blacky irgendwann in seinem sexy Chaosmagier-Lederoutfit sah.
 

***

Fortsetzung folgt.
 

[1] Ein Avatar ist in der indischen Mythologie ein Gott, der zu den Menschen hinabsteigt und ihre Gestalt annimmt. Ich weiß nicht, ob man das Wort üblicherweise wie einen Titel benutzt, aber ich mache das einfach mal.
 

Anmerkung:

In Japan ist es nicht ungewöhnlich, wenn man jemanden Großvater nennt, dem man nahe steht, auch wenn man nicht mit ihm verwand ist. Wenn es ein jüngerer Mann ist, kann man ihn "Vater" oder "Bruder" nennen, je nach Alter. Entsprechendes gilt für Frauen. Also ist es gar nicht seltsam, wenn die Kaibas Herrn Mutou auch Großvater nennen.

Bedürfnisse

Kapitel 28: Bedürfnisse
 

"Es ist nicht besonders schwierig. Visualisiere das Licht! Konzentriere dich auf deine innere Kraft, bis du dich mit der Welt verbunden fühlst, und dann wünsch es herbei!"

"Oh, klingt ja echt einfach..." Yugi versuchte es seit einer halben Stunde. Er hatte ja schon vorher geübt, mit der Welt verbunden zu sein. Aber Licht herbeizuwünschen fiel ihm einfach schwer, weil sein Verstand nicht daran glaubte.

Der Garten mit dem Brunnen war irgendwie ihre Übungsarena geworden. Im Dunkeln brannten hier kleine Laternen mit Feenlicht.

Neo und Mava hatten sich zu ihnen gesellt und beobachteten Yugi bei seinen Bemühungen. Skill dagegen sah Blacky zu, der Appi ein paar neue Tricks mit dem Kampstab zeigte. Sie benutzten dazu Holzstäbe, die ihnen die Feen überlassen hatten. Dark hatte irgendwie den Eindruck, dass sein Partner sich extra keine Mühe gab, Skill die Wahrheit über sich zu sagen.

Irgendwann stand der Landstreicher auf und ging zu den beiden hinüber. "Hey, darf ich mal mitmachen, Jungs?"

"Äh, Paps. Das ist vielleicht keine gute Idee," versuchte Dark ihn zu warnen.

"Lass nur, das wird er ja dann sehen," grinste Blacky.

Appi überließ dem Älteren seinen Übungsstab und suchte sich einen Zuschauerplatz. Yugi, Mava, Neo und Dark konzentrierten sich ebenfalls auf das Geschehen, gespannt, wie das wohl ausgehen würde.

Allerdings war Skill nicht umsonst ein Landstreicher. Er hatte auf seinen Reisen schon so manches Gesindel verprügelt, wie Blacky feststellen sollte. Es dauerte nur ein paar Augenblicke, und der Blauhäutige lag am Boden. Doch er grinste nur breit, stand wieder auf und stellte sich seinem Übungsgegner erneut.

"Oh nein, pass auf, Vater!" rief Dark noch. Doch seine Warnung wurde anscheinend gar nicht gehört...
 

"Skill, das war wirklich nicht sehr klug, immerhin haben wir schon genug Verletzte," rügte Waever ihren Ex-Liebhaber, während sie seinen rechten Arm dick bandagierte. Mit seinem Kopf, dem linken Fuß und der linken Hand war sie schon fertig.

"Schatz, wollen wir nicht... einen Heilzauber anwenden?"

"Sag das noch mal, und du wirst nie wieder Heilzauber anwenden!"

"Och, Wivi!"

"Klappe!"

"Aber dieser Blacky hat einen Kampfstil drauf, du liebe Zeit, total ungeordnet..."

"Ich glaube, er hat's nicht so mit Ordnung," vermutete Weaver. "Und jetzt halt endlich still! Was musstest du es auch so übertreiben?"

Auf der anderen Seite desselben Tisches auf dem Gang, wo sich die Freunde versammelt hatten, saß Blacky mit einem ähnlichen Problem.

"Wir haben vorhin erst den Heilzauber gemacht, das kannst du dir abschminken," teilte Dark ihm mit, während er einen Verband an der Schulter extra grob festzog.

"Au! Aber dein Vater hat mir ziemlich zu schaffen gemacht!" jammerte Blacky.

"Du hättest dich nicht mit ihm schlagen müssen, bis du bewusstlos warst!"

"Das wäre nicht passiert, wenn ich besser in Form gewesen wäre!"

"Ausreden!" Dark rieb eine Schürfwunde am Ellenbogen gnadenlos mit einer desinfizierenden Salbe ein.

Blacky biss standhaft die Zähne zusammen. "Du bist gemein zu mir! Es war doch ein gutes Training!"

"Spar dir deine Kräfte lieber für Exodia, die wird hier bestimmt bald auftauchen! Die Harpyien haben sie nicht weit von hier in der Nähe der Adlerberge gesehen!" wandte Dark ein. "Wenn sie hierher unterwegs ist, wird sie in ein oder zwei Tagen hier sein!"

"Ich bin einsatzfähig," bemerkte Mava. "Zwar kann ich meine Hände noch nicht so richtig benutzen, aber meine Magie..."

"Red keinen Quatsch, du bist weit entfernt von einsatzfähig," unterbrach Weaver ihn. "Du bist noch nicht ganz gesund, dein Körper gibt dir das deutlich zu verstehen."

"Warum benutzt du nicht auch diesen Heilzauber?" schlug Appi vor. "Du findest bestimmt jemanden, der oder die sich zur Verfügung stellt..."

Mava schwieg errötend.

"Ich könnte versuchen, Slifer zu beschwören, wenn Exodia kommt," meinte Yugi. "Er sagte, ich könne ihn rufen, ohne wieder drei Opfer zu bringen, wenn ich mir sein Zeichen einbrennen lasse."

Dark erstarrte mitten in der Bewegung - er hatte gerade eine weitere Stelle verbunden. "Was sagst du da? Deshalb also... deshalb trägst du dieses Brandzeichen."

Yugi nickte. "Ich bin seine Verbindung in diese Welt."

Alle starrten ihn an, als hätten sie gerade entdeckt, dass er ein Gott war - so wie die Dorfbewohner.

"Dann bist du wirklich... beinahe jedenfalls... Slifers Avatar..." schloss Neo.

"Oh, nicht doch. Ihr werdet mich jetzt nicht wie einen Heiligen behandeln, oder?" flehte Yugi. Ihm war nicht klar gewesen, dass sie gar nicht bescheid wussten. Niemand wusste genau, wofür das Brandmal gut war, sie wussten nur, dass er es von dem Göttermonster bekommen hatte.

"Glaubst du, dass du stark genug dafür bist?" erkundigte sich Blacky besorgt.

"Ich kann es nicht beurteilen, solange ich es nicht versucht habe," gab Yugi zu. "Aber Slifer würde mich sicher nicht gefährden."

"Er weiß vielleicht nicht, was er dir zumutet," gab auch Dark zu bedenken.

"Aber, aber, mein Sohn, du wirst doch nicht die Weisheit eines Gottes in Frage stellen," rügte Skill ihn.

"Jeder kann sich mal irren," warf Blacky ein. "Yugi, du solltest langsam schlafen gehen. Der Tag war doch recht anstrengend für dich. Wir kommen gleich nach."

Der Junge nickte und stand auf. Appi lief ihm nach. "Warte! Ich hab kein eigenes Bett, alle sind mit Verletzten belegt!"

Yugi seufzte. Er war es ja schon gewohnt, mit Dark und Blacky ein Bett zu teilen, die wälzten sich wenigstens nicht so herum wie Appi. Mit dem konnte man nicht im selben Bett schlafen. Allerdings fragte er sich manchmal, ob er die beiden Magier nicht störte. Als er sich kurz umsah, entschied er, dass sie sich zu helfen wussten - sie tuschelten lächelnd miteinander, als heckten sie irgendeinen Plan aus. Vielleicht kam Blacky dann doch noch zu seinem Heilzauber.

Eine von Darks Lichtkugeln war hinter ihnen her geflogen und schwebte jetzt an der Decke. Sie konnte den Raum nicht allzu gut ausleuchten, aber das war auch nicht nötig.

Appi zog sich ein Nachthemd über, das die Feen bereitgelegt hatten. "Oje, mein Gewand ist schon wieder schmutzig, die Feen haben es nicht leicht," murmelte er.

"Auf diesem weißen Stoff sieht man aber auch alles," kommentierte Yugi, der sich hinter dem Wandschirm noch kurz wusch. Auch sein Kleid war schmutzig, allerdings mit Salbe, Medizin und Suppe.

"Sag mal, wie kommst du eigentlich damit klar, dass deine beiden Liebhaber nicht bei dir sind?" fragte Appi plötzlich.

Yugi lief rot an und zog sich schnell das Nachthemd über. "Warum willst du das denn wissen?"

"Ach... nur so, du musst doch sicher... Bedürfnisse haben?"

"Argh! War das jetzt etwa ein Angebot?"

"Lass mal, ich mag dich zwar, aber nur als Freund. Außerdem steh ich nicht auf Männer. Erwähnte ich, dass Joan heiß aussieht?"

"Wer hat denn jetzt Bedürfnisse?" Yugi verschwieg dezent, warum er seine Morgentoilette nicht im Zimmer erledigte. Natürlich hatte er Bedürfnisse. Das war auch der Grund, warum er sich gerne beschäftigte, es lenkte ihn davon ab.

"Na gut, ich will ehrlich sein," gestand Appi.

[Oh nein, hoffentlich sagt er jetzt nicht doch, dass er auf mich scharf ist, was mach ich denn dann?!] Yugi wartete etwas furchtsam auf die weiteren Geständnisse:

"Ich hab gestern 'nen alten Kumpel getroffen; er ist hergekommen, um seine Mutter zu besuchen, die ist nämlich im Friedenslicht-Orden. Er hat von dir gehört und dich wohl auch mal gesehen und wollte wissen, ob du noch zu haben bist. Ich hab ihm deine Situation erklärt und er meinte, er würde dir gerne... aushelfen."

Yugi sah mittlerweile aus wie eine überreife Tomate. "Das hat er gesagt?"

"Ja, er findet dich niedlich für einen Jungen deines Alters. Das mag er, aber er würde sich nie wirklich an einem Kind vergreifen. Naja, da kommst du ihm praktisch genau recht."

"Äh... ja, also... vielen Dank, aber... nein danke."

Appi lachte. "Tja, das hab ich mir gedacht! Nichts für ungut! Wenn ich ihn wieder treffe, richte ich es ihm aus!"

Yugi war bloß froh, dass er diesen Freund nicht kannte, so musste es ihm nicht peinlich sein, wenn er ihn traf. Als er im Bett war, löschte Appi die magische Lichtkugel, die sie mitgebracht hatten, und schon bald war sein Schnarchen zu hören.

Doch Yugi sollte keinen ruhigen Schlaf haben - was nicht hieß, dass er schlecht schlief. Er träumte von Seto, der sich über ihn hermachte... Es fühlte sich so echt an, so wirklich... als wäre sein Geliebter tatsächlich bei ihm in seinem Bett... Setos Küsse, Setos Hände...
 

***
 

"Und du bist sicher, dass Yugi das spüren konnte? Ähm... kann ich was zu ihm sagen?"

"Du kannst es versuchen. Ich denke, dass er was spürt, aber ob er dich hört? Ich habe die Verbindung schwach gehalten, wegen dieser Gefahr..."

Beide jungen Männer in dem großen Bett atmeten schwer von der vorangegangenen körperlichen Betätigung. Setos Haar war strähnig, weil er schwitzte. Er weidete sich am Anblick seines Partners, dessen Wangen leicht gerötet waren und ebenfalls einen dünnen Schweißfilm zeigten - so wie der ganze nackte Körper. Nur das Brandmal war mit einem Pflaster versehen, damit es sich nicht mehr als nötig unangenehm bemerkbar machte. Yami trug die Millenniumskette, und das Puzzle natürlich. Es lag neben seinem Kopf. Der Millenniumsstab lag für Notfälle auf dem Nachttisch bereit.

Seto beugte sich zu einem weiteren Kuss hinab. "Na gut..." er blickte tief in die violetten Augen. "Ich liebe dich so sehr Yugi... wenn du doch nur wieder bei mir sein könntest..."

Yami atmete zischend ein und schloss die Augen in Konzentration. "Ich... spüre seine Gegenwart... er hat dich bestimmt gehört... oder zumindest kann er erahnen, was du meinst..."

"Du konntest doch sonst immer mit ihm reden!" meinte der Braunhaarige.

"Ich wage es nicht, die Verbindung zu verstärken," wandte Yami ein. "Es fühlt sich an, als würde eine andere Präsenz nur darauf lauern!"

"Eine andere Präsenz? Etwa ein Spanner?"

Der Pharao musste lachen. "Aber nein. Jedoch jemand, der merkt, wenn wir das Tor öffnen. Wir dürfen das nicht riskieren. Es ist schon gefährlich genug, was wir bisher getan haben. In so einer Situation kann man allzu leicht die Kontrolle verlieren."

Das war etwas, das Seto verstand, denn er legte Wert darauf, stets die Kontrolle zu haben. Selbst im Bett ließ er sich nicht leicht gehen. Es hatte eine Weile gedauert, bis er seinen beiden Geliebten genug vertraut hatte, um sich diese Schwäche zu erlauben. Jetzt ließ er sich seufzend auf Yamis Brust sinken. "Geht es ihm gut?"

"Ja, er scheint in Sicherheit zu sein. Wenn er in Gefahr wäre, wüsste ich es doch."

"Ich frage mich, ob er sich von uns im Stich gelassen fühlt."

"Unsinn. Er hat doch selbst gesagt, dass es zu gefährlich ist, ihn befreien zu wollen."

"Aber diese ominöse Gefahr... Wir sollten Vorkehrungen treffen, Yami. Falls wir ihm zu Hilfe eilen müssen. Dazu wird es garantiert irgendwann kommen. Vielleicht sollten wir den Feind lieber jetzt stellen, ehe er zu stark wird."

Yami dachte kurz darüber nach. "Nein. Ich kann Yugis Worte nicht verstehen, aber ich glaube, er versucht mir zu sagen, dass wir wegbleiben sollen. Er leidet zwar darunter..."

Seto hörte an Yamis Stimme, dass er Tränen unterdrückte. Böse Zungen mochten behaupten, dass der Pharao Yugis Abwesenheit ausnutzte, um den Geliebten für sich allein zu haben. Aber das konnte nur jemand denken, der Yami nicht so gut kannte. Naja, anfängliche Verdächtigungen aus dem Freundeskreis hatten sich ja gelegt. Wie konnte man ihm das auch unterstellen? Yami liebte Yugi so abgöttisch, dass sogar Seto manchmal eifersüchtig war.

"Immer muss Yugi wegen mir leiden," presste der Pharao hervor. Seto sah sein Gesicht nicht, aber er hörte, dass er jetzt ernsthaft weinte. "Durch meine Schuld ist er dort gefangen... Bakura hatte es auf mich abgesehen! Und ich verpfusche auch noch sein Leben."

"Yami, dass haben wir doch schon besprochen. Gib dir nicht die Schuld für alles. Yugi hat entschieden, sich mit dir einzulassen. Du bist doch derjenige, der sonst immer vom Schicksal spricht."

"Du kannst das nicht nachvollziehen. Wenn ich nachts allein zu Hause bin, bin ich wirklich ganz allein. Yugi und ich teilten einen Körper. Man gewöhnt sich an diese Nähe, viel mehr, als du dir vorstellen kannst. Ich fühle mich verlassen und verwundbar ohne ihn. Vielleicht wäre es anders, wenn ich ihn nicht so lieben würde..." Durch die hauchdünne Verbindung zu Yugi konnte Yami ein warmes Gefühl des Trostes empfangen. [Jetzt habe ich auch noch Yugi meine Verzweiflung spüren lassen, wie dumm kann man sein...?]

"Dann musst du solange mit mir vorlieb nehmen," bemerkte Seto. "Ich musste mein Leben lang für mich selbst sorgen. Du wirst das auch schaffen, bis du Yugi zurückhast."

Yami sandte seinem kleinen Partner etwas, das hoffentlich als Ermutigung und Versicherung, dass alles soweit in Ordnung war, empfunden wurde, und trennte dann die Verbindung. Wenn er zu emotional wurde, konnte er sich sonst vielleicht nicht mehr beherrschen. Das Tor noch weiter zu öffnen, war zu diesem Zeitpunkt zu gefährlich. Er versuchte, sich auf den folgenden Tag zu freuen.

Mokuba freute sich jedenfalls schon sehr darauf, den Nachmittag ganz ohne die Kaiba Corporation bei Großvater Mutou zu verbringen. Er war ganz begeistert von dem alten Mann und hatte das gemeinsame Essen sehr genossen.

Yami erinnerte sich noch gut an die Escargot. Dass manche Leute diese Dinger eklig fanden, konnte er nicht ganz nachvollziehen. Gut, sie sahen ein bisschen unappetitlich aus, wenn man es erst einmal geschafft hatte, sie aus dem harten Gehäuse zu pulen. Aber ganz schlecht war der Geschmack nicht. Nur war er davon nicht allzu satt geworden, da wäre ein ordentliches Stück Fleisch doch besser gewesen. Dafür hatte Seto zum Nachtisch Mousse Au Chocolat bestellt. Sehr viel davon... und Yami hatte gefuttert, bis ihm schlecht geworden war.

Seto kraulte und streichelte ihn, bis er einschlief. Yami hatte wirre Träume von seinem Duell gegen Marik, nur dass er auf dem Spielfeld stand und irgendein komisches Kostüm trug. Marik spielte lachend ein Monster, um ihn wegzupusten, und ein greller Lichtstrahl schoss auf ihn zu...

"Hey, aufstehen, ihr Morgenmuffel, raus aus den Federn!" Mokuba hämmerte gegen die Tür. Sie war zwar nicht abgeschlossen, aber der Junge war nicht erpicht darauf, die zwei nackt vorzufinden.

Yami hatte Probleme, den Traum zu verdrängen und sich zu erinnern, was für ein Tag heute war. Ob die Kopfschmerzen von seiner Experimentiererei mit dem Puzzle kamen? Dann fiel ihm ein, dass ein ruhiger Tag zu Hause vor ihm lag, und er war erleichtert, dass er einfach nur aufzustehen und zu Großvater zu fahren brauchte, dann konnte er wieder entspannen. Hoffentlich suchte Mokuba keinen Horrorfilm aus, aber für die ganz schlimmen war er eh noch zu klein.

Zusammen mit Seto raffte er sich auf und schlurfte zum Bad. Sein Geliebter seifte ihn freundlicherweise ein, also musste er fast nichts tun. Abgesehen davon, dass die einseifenden Hände sich dann um eine bestimmte Körperpartie besonders sorgfältig kümmerten, so dass es doch wieder länger dauerte. Jedenfalls war er danach einerseits wach, andererseits wollte er nach der neuen Anstrengung am liebsten gleich wieder weiterschlafen.
 

Mokuba war schon lange fertig und wartete ungeduldig darauf, dass "die Großen" in die Gänge kamen. Sie aßen schnell ein Toast und tranken eine Tasse Kaffe bzw. Kakao - Yami mochte alles mit Schokogeschmack - und folgten dem Schwarzhaarigen dann zur Limousine. Mokuba hatte sich gewünscht, dass sie mit dem Bus fuhren wie normale Leute, aber Seto hatte keine Lust, ständig die Leute hinter seinem Rücken tuscheln zu hören, weil sie ihn erkannt hatten. Dann auch noch in Begleitung mit Yugi Mutou, da kam bestimmt irgendein Idiot auf die Idee, ein Bild zu machen und es an die Zeitungen zu verkaufen, so dass dann wieder die wildesten Gerüchte kursierten. Nicht dass es ihm etwas ausmachte, wenn die Leute ihn für schwul hielten, das stimmte ja schließlich. Er mochte halt einfach den ganzen Klatsch nicht. Und sein Liebesleben ging niemanden was an, nur sah die Presse das anders.

Sugoroku hatte natürlich den Laden offen, als sie eintrafen. Ein paar Kinder sahen sich Duel Monsters Karten in einer Vitrine an, die leider viel zu teuer für sie waren. Der alte Mann freute sich, die Neuankömmlinge zu sehen, doch er konnte ihnen noch nicht Gesellschaft leisten, deshalb begaben sie sich ohne ihn ins Wohnzimmer. Dort stellten sie fest, dass Großvater Chips, Popcorn und Cola für sie besorgt hatte.

"Der Alte meint es zu gut mit uns," kommentierte Seto lächelnd. "Ich hätte auch jemanden schicken können..."

"Ach, lass ihm die Freude," unterbrach Yami ihn. "Er ist doch glücklich, wenn er nicht allein ist und etwas für uns tun kann." Er packte sich leicht frustriert aufs Sofa, bemühte sich jedoch Mokuba zuliebe um einen fröhlichen Gesichtsausdruck.

"Wir können doch noch irgendein Gesellschaftsspiel spielen, wenn Großvater den Laden geschlossen hat," schlug der Junge eifrig vor.

"Aber bitte nicht Monopoly, das gewinnt eh immer Seto," grummelte Yami.

"Du hast nur den tieferen Sinn des Spiels noch nicht kapiert," neckte der Braunhaarige ihn. Er riss ein paar Chipstüten auf und schüttete den Inhalt in bereitstehende Schüsseln. Eine davon nahm er auf den Schoß, zog die Beine aufs Sofa und wartete auf den Start des Films.

Yami kuschelte sich an seine Seite, was den Vorteil hatte, dass er auch an die Chips herankam. Mokuba hatte inzwischen den DVD-Player in Gang gebracht und beanspruchte den Platz auf Setos anderer Seite. Die Älteren starrten neugierig auf den Fernsehschirm. Mokuba hatte ihnen nicht gesagt, was er ausgesucht hatte. Als erstes gab es Reklame. Mokuba seufzte und spulte sie vor.

"Oh nein!" stöhnte Seto dann. "Es ist *Herr der Ringe*!"

"Magst du den nicht?" hakte Yami nach.

"Davon gibt es drei Teile und jeder geht fast drei Stunden!"

"Es ist die Deluxe-Ausgabe, die kenne ich noch nicht," strahlte Mokuba.

"Ich glaube, wir brauchen mehr Chips," stellte Seto fest. [Oder wir bestellen später 'ne Pizza...]
 

***
 

[Blacky... kannst du mich hören?]

[Hmmm... ist es schon Tag, Yugi?]

[Blacky, ich hab ein Problem! Wie, ähm... wie geht dieser Reinigungszauber von neulich?]

Yugi erhielt zunächst keine Antwort. Aber etwas sagte ihm, dass der Magier herzhaft lachte. [Du meinst den, mit dem wir... gewisse Spuren entfernt haben?]

Yugi merkte, dass er rot anlief. Er linste hinter dem Wandschirm hervor, als könne ihn jemand belauschen, aber Appi schlief noch ganz fest, wieder einmal quer über das Bett ausgebreitet. Hoffentlich hatte er vorher nichts gemerkt... [Ähm... ja, den.]

[Hmmm, hattest du... süße Träume?]

[Blacky, bitte!]

[Krir d'hun.]

[So kurz? Äh... ich versuch's.] Yugi blickte noch einmal zu Appi, dabei konnte er ihn auch so schnarchen hören. "Krir d'hun." Nichts geschah. Genau genommen konnte er nicht einmal seine Stimme hören, dabei hatte er gemerkt, dass seine Stimmbänder etwas getan hatten. "Krir d'hun! Verdammt!" Es ging nicht.

[Yugi, was ist los? Du wirkst so aufgeregt.]

[Ich hab keine Stimme mehr!]

[Was?!]

Yugi sagte irgendetwas, doch seine Stimme war weg. "He, Appi! Wach auf!" schrie er geräuschlos. [Ich bin stumm! Oder vielleicht taub... aber Appi hat mich auch nicht gehört! Was mach ich denn jetzt?!]

[Ähm... Bleib, wo du bist, ich komme zu dir.]

[Aber Blacky, ich... Also, es ist mir etwas peinlich...]

Yugi konnte praktisch hören, wie sein Blutsbruder kicherte. [Dann probieren wir es noch mal,] schlug dieser vor. [Löse dich von der Vorstellung, dass du deine Stimme brauchst. Denke den Spruch, und stell dir einfach vor, du würdest ihn sagen. Naja, also... besser kann ich es auch nicht erklären. Vertrau mir, es hat nichts damit zu tun, ob du Anfänger bist, du wirkst ja immer Magie durch mich, nicht?]

Yugi nickte, bevor ihm einfiel, dass Blacky das nicht sehen konnte. Aber vielleicht empfing er ein entsprechendes telepathisches Signal. Der junge Partner des Pharao konzentrierte sich, so gut er konnte. [Worte sind nicht nötig. Ich sage es einfach in Gedanken. Worte sind nicht nötig... *Krir d'hun*!]

Ein Heller Blitz schoss durch das Zimmer und reinigte nicht nur Yugis Nachthemd in seinem Licht, sondern alles, was sonst noch als Schmutz angesehen wurde, löste sich ebenfalls in Wohlgefallen auf. Appi fuhr vor Schreck aus dem Schlaf hoch, nahm auf der Matratze stehend eine defensive Pose ein und rief: "Wer ist da? Zeig dich!"

Yugi kroch hinter dem Wandschirm hervor, der bei der Gelegenheit umkippte. Die Wucht des Zaubers hatte den Jungen von den Beinen gerissen. "Ich war das nur..." Wieder war kein Ton zu hören, obwohl die Stimmbänder vibrierten.

Appi senkte seine kampfbereit erhobenen Arme und sprang zu Boden. "Oh. Ich hab nichts verstanden, Moment." Er machte eine Handbewegung in Richtung seines kleineren Kumpels. Yugi hatte das Gefühl, eine Seifenblase um ihn herum würde zerplatzen.

"Waaah... Was war das?" [Hey! Meine Stimme ist wieder da!]

"Ein Stillezauber. Ich konnte nicht schlafen wegen dir."

"Ack!" Yugi hob den Wandschirm auf und versteckte sich dahinter.

"Und was hast *du* gemacht?" begehrte der Blonde zu erfahren.

"Reinigungszauber," gestand Yugi kleinlaut.

Appi lachte schallend, bohrte aber zum Glück nicht weiter. Stattdessen zog er die zarten Vorhänge zur Seite und blickte aus dem Fenster, das in einiger Höhe den Garten überblickte. "Wir können noch weiterschlafen. Wo sind die beiden Meister geblieben?"

"Im Liebesnest vermutlich," meinte Yugi. "Wo auch immer das ist." Er schlurfte zurück zum Bett. Es war ziemlich zerwühlt.

"Du solltest wirklich Stillezauber lernen, das hilft ungemein und lässt sich auf allerhand Arten ausnutzen," grinste Appi. "Meistens ist das das Erste, was man sich selbst aneignet."

"Gibt's auch welche, wo ich zumindest mich selbst noch höre?"

"Oh... er war wohl etwas stark. Naja, deiner aber auch."

"Ich hab den Spruch in Gedanken gesagt, weil ich ja nicht sprechen konnte... Vielleicht hat Blacky sich verschätzt oder so..."

"Oder du hast mehr Potential, als du denkst. Weißt du was, ich kann eh nicht mehr schlafen. Wollen wir üben gehen?"

"Hm, na gut."

Die beiden zogen sich schnell an - ihre Gewänder waren ja jetzt gereinigt - und begaben sich in den Garten, wo um diese Zeit noch alles herrlich still war. Bis sie im Kräuterbeet hinter dem Fliederbusch eine abgestürzte Harpyie fanden.

Sie sah aus, als wäre sie durch ein Dornengestrüpp geflogen. Ihre pinkfarbenen Haare und die Federn waren ganz zerzaust. Sie versuchte, etwas zu sagen, war aber zu schwach.

"Yugi, weck die Feen. Sie braucht Hilfe, und wir vielleicht auch bald. Ihre Angreifer könnten auf dem Weg hierher sein. Schnell! Ich versuche inzwischen ein paar Zauber, um ihren Zustand zu stabilisieren," ordnete Appi an.

Yugi gehorchte ohne Widerrede. Er hatte so eine Ahnung, dass dieser Tag wieder sehr ereignisreich werden würde...
 

***

Fortsetzung folgt.

Motorräder und Zaubertraining

Sorry, Leute, ich lasse euch warten... war nach der Ani leicht verplant... (als ob das was Neues wäre...)
 

Kapitel 29: Motorräder und Zaubertraining
 

In die Burg der Feen war schnell Betrieb gekommen, nachdem sie die Harpyie entdeckt hatten. Leider hatte sie noch nicht sagen können, was sie hergetrieben hatte, aber es war offensichtlich, dass mit einem Angriff gerechnet werden musste. Männer und Frauen rannten herum, um Vorbereitungen zu treffen; plötzlich trugen viele der Feen Rüstungen.

Auch Blacky und Dark tauchten etwas übernächtigt wieder auf und nahmen sich ihrer Schüler an.

"Yugi, du kannst jetzt nichts tun, aber wir können euch ein bisschen unterrichten, damit ihr ein paar Sprüche kennt, falls wir angegriffen werden," sagte Blacky.

Dark indessen legte Appi beide Hände auf die Schultern und sah ihn ernst an. "Ich muss deine Ausbildung etwas verkürzen, weil es eilt. Lerne die Sachen gewissenhaft und missbrauch sie nicht. Es ist gefährlich."

Appi blickte zweifelnd zu ihm auf, dann nahm sein Gesicht einen entschlossenen Ausdruck an. Er nickte. "Jawohl, Meister."

Skill kam zu ihnen gerannt. "Dark! Soll ich dir helfen? Ich könnte einen deiner Schüler übernehmen..."

"Wir kommen schon klar, Vater," versicherte der Schwarze Magier. "Wir wollen ihnen ein paar Sachen zur Verteidigung zeigen... und Yugi kann sogar schon mehr, wenn er es mit Blackys Hilfe tut..."

"Aber Reinigungszauber beherrscht er auch so schon," grinste Blacky.

Yugi runzelte die Stirn. "Hast du denn nicht..."

"Nein, das warst nur du," freute der Blauhäutige sich. "Ich hab mich zurückgezogen, um zu sehen, ob du es schaffst. Du bist ein Naturtalent. Aber da du oft Magie ausgesetzt warst, seit du den Geist des Pharao beherbergst, ist das nicht ganz verwunderlich."

Skill blickte den größeren Magier verwirrt an, dann seinen Sohn. "Blacky ist ein Magier? Ich dachte, ein Krieger..."

"Kämpfen sollte man mit ihm auch nicht, wenn man am selben Tag noch was anderes vorhat," bemerkte Dark. "Aber er ist hauptsächlich ein Magier, ja."

Skill gaffte den Schwarzhaarigen an. Dann grinste er breit. "Ich hab's dir doch gleich gesagt! Fleiß und Disziplin, und aus dir wird was!"

"Manche von uns haben es auch einfach nur drauf," entgegnete Blacky frech.

Skill lachte amüsiert. Dann setzte er plötzlich wieder eine ernste Mine auf. "So, und du vögelst also meinen Jungen."

Alle außer Blacky, den das so kalt ließ wie eine Bemerkung über das Wetter, erröteten heftig. "Er mich auch," fügte der Chaosmagier hinzu.

Yugi kam wieder zu seinem anderen Gedanken zurück und lenkte so von dem eher peinlichen Thema ab. "Ich hab das wirklich allein geschafft? Aus eigener Kraft?" Er lächelte breit, als hätte er eine supergute Schulnote bekommen. [Oh, war jetzt nicht auch eine Englischklausur? Na, egal.]

Blacky wuschelte ihm durchs Haar. "Du kannst es, Kleiner. Die anderen Sachen hast du zwar mit meiner Hilfe gewirkt, aber nicht jeder hätte das geschafft."

Der Junge war ganz selig. Er hatte es wirklich drauf? Dann war er doch nicht nur im Weg! Nun ja, an seinem Selbstbewusstsein hatte er in den letzten Monaten schon ordentlich gearbeitet, aber im Reich der Schatten war er nur ein unnützes Anhängsel - bis jetzt.

[Denk nicht so über dich,] rügte Dark ihn. [Selbst ohne Magie ist niemand so nutzlos, dass er nicht auch hilfreich sein kann.]

[War es so deutlich, was ich dachte?]

[Naja, ziemlich.]

"Kommt mit, wir gehen ein Stück den Berg runter, da ist eine Lichtung, wo wir die gefährlichen Sachen üben können," schlug Blacky vor. Er ging ihnen voraus zur Landeplattform, wo er Schattensturm herbeirief. Der Drache wirkte etwas fehl am Platze in diesem Reich der Feen, aber er blieb ja nicht lange. Mit seinen vier Reitern flog er zu der besagten Lichtung.

Yugi war es ein bisschen mulmig. Jetzt war es also soweit, er würde gefährliche Magie lernen und sie im Kampf benutzen! Wenn das mal gut ging...

"Hey, hast du Schiss?" fragte Appi ihn, ohne es spöttisch zu meinen.

Yugi nickte betreten. "Ich traue mir das nicht zu."

"Mach's wie ich," schlug Appi vor. "Tu es einfach und sei stolz drauf, wenn es klappt. Reinigen ging doch auch!"

Der Kleinere lief rot an bei der Erinnerung. Wie laut war er wohl gewesen? "Ich glaube, ich war mit Seto und Yami verbunden," murmelte er. "Das Tor zwischen unseren Welten war gerade weit genug offen..."

Die Magier hatten seine Worte auch gehört. "Wirklich? Ihr müsst aufpassen, das könnte ein Risiko sein!" warnte Dark.

"Ich weiß," verteidigte Yugi sich. "Yami hat die Verbindung schwach gehalten. Er weiß auch, dass es zu gefährlich ist. Aber ich sehne mich so nach den beiden... und sie sich bestimmt auch nach mir..."

"Wenn wir Exodia besiegt haben, werden wir eine Lösung finden," versprach Dark.

Die neuen Freunde zu verlassen war andererseits auch kein so verlockender Gedanke, stellte Yugi fest. Gab es denn keinen Weg, beides zu haben? Dass er die Magier besuchen konnte, wann er wollte, aber gleichzeitig bei Yami und Seto sein? Und dann gab es ja noch seinen Großvater und seine Freunde, hoffentlich kamen sie mit der Situation zurecht... Bisher hatte er diese Dinge ganz erfolgreich verdrängt, zumal er genug andere Sorgen gehabt hatte. Jetzt war auch nicht der richtige Zeitpunkt, darüber nachzudenken. Sie wussten, dass er lebte, und damit das so blieb, musste er alles in seiner Macht stehende tun, um sich und seine neuen Freunde zu verteidigen.

Im Reich der Schatten war es anders als zu Hause. Dort glaubte man im Allgemeinen nicht an die Existenz von Magie. Aber hier schon, und Yugi versuchte sich vorzustellen, er wäre in einem interaktiven Videospiel. Vielleicht half das ja. Er musste aufhören zu glauben, dass es unmöglich war, nur durch Willenskraft Feinde niederzustrecken. Immerhin redete er ja auch schon telepathisch mit anderen, und davor hatte er seinen Körper mit einem Geist geteilt. Also warum fand er sich nicht einfach damit ab, dass es möglich war? Er kam sich vor wie in einem dieser Romane, in dem ein unscheinbarer Junge zum Helden wird.

Schattensturm setzte die vier ab und verzog sich in seiner Vogelgröße auf einen Baum. Nachher würden sie ihn ohnehin wieder brauchen, um zurück zur Burg zu kommen.

Appi biss sich auf die Lippe. Yugi sah es und fühlte sich selbst wie vor einer wichtigen Schulprüfung. Seine beiden Blutsbrüder sprachen sich kurz ab, dann nahm jeder seinen Lehrling und ging mit ihm zu einem Rand der Lichtung. Appi und Yugi standen einander gegenüber. Was sollte das werden?

Dark sagte etwas zu Appi. Dieser nickte und schien sich zu konzentrieren.

"Appi soll dich telepathisch erreichen," erklärte Blacky. "Versuch, ihm entgegenzukommen. Der Junge ist leider unerfahren darin. Aber wenn du Kontakt zu ihm aufnehmen kannst, so dass ihr zumindest eine Verbindung habt, ist uns schon geholfen."

Yugi blickte zu dem Blonden hinüber. Der hatte die Augen geschlossen und die Stirn in Falten gelegt. Yugi stellte sich einfach vor, dass jemand, dessen Brüder und Eltern Telepathie anwenden konnten, auch ein Talent dafür haben musste. Und wenn nicht - er hatte es. Es musste klappen. [Appi. Du darfst es nicht erzwingen.]

Der Zauberlehrling sah überrascht auf und begegnete Yugis Blick. "Ich... hab was gehört, es aber nicht verstanden... in meinem Kopf..."

[Das war ich. Sperr dich nicht dagegen, sondern lass es zu.]

Appi griff sich an die Stirn. "Argh! Schon wieder! Es klang wie... Yugi!"

"Du wehrst dich instinktiv gegen ihn," bemerkte Dark. "Vielleicht haben dich deine Brüder als Kind damit geärgert?"

Der Blonde ließ den Kopf sinken. "Naja, manchmal. Aber vor allem die anderen Schüler bei meinen früheren Meistern. Sie wollten immer in meinen Gedanken rumwühlen..."

"Du hast gelernt, sie abzuschirmen, sehr gut. Nun musst du lernen, einen Kontakt zuzulassen. Hab keine Angst, Yugi wird nichts Unerlaubtes tun. Er hat Erfahrung damit. Im Kampf musst du offen für uns alle sein, damit wir uns austauschen und gegenseitig warnen können."

"Ich würde gerne ganz zu euch gehören... aber..." Appi unterbrach sich und atmete tief durch. "Gut, ich versuche es noch einmal."

"Du schaffst das schon," ermutigte Dark ihn. "Sei nicht enttäuscht, wenn du mehrere Versuche brauchst. Ich möchte, dass du und Yugi ein gutes Team werdet."

"Ja, Meister. Ich geb' mir Mühe." Appi wandte sich wieder dem anderen Jungen zu und nickte zweifelnd.

[Kannst du mich hören?] versuchte Yugi es erneut.

"Ich kann... dich nicht verstehen," murmelte Appi.

"Nicht sprechen. Antworte in Gedanken. Lass sehen, ob Yugi dich hört," schlug Dark vor.

Sein Schüler war sich da sehr unsicher. [Ähm... hallo?]

Yugi grinste breit. [Ich hab dich gehört, aber nicht gut verstanden!]

[Boah... ich bin das nicht gewohnt... Yugi... Ich verstehe dich immer noch nicht!]

[Ah, es wird klarer! Woran denke ich gerade?] Yugi konzentrierte sich auf eins seiner Schattenreich-Lieblingsessen.

Appi hob eine Augenbraue. "Schwarznusspudding?"

Yugi lachte vergnügt "Siehst du, geht doch!"

"Das ist eine gute Idee," freute Blacky sich. "Denkt an etwas, und der andere muss es erraten. Hm... was ist euer Lieblingstier?"

Das war ein einfaches Spiel, und die beiden amüsierten sich damit für die nächsten zehn Minuten. Yugi wurde des Öfteren dabei erwischt, dass er an Yami und Seto dachte... und an ihr gemeinsames Bett... Aber Appi dachte dafür unanständige Sachen über Joan, die er so scharf fand.

Dann beendete Dark diese Übung. "Genug, das war schon sehr gut. Aber es gibt noch mehr zu lernen. Übt das Telepathiespiel so oft wie möglich."

Blacky knackte mit den Fingern. "Fein. Machen wir mit den spektakulären Sachen weiter! Aufstellen, Jungs!"

Yugi wich unwillkürlich vor ihm zurück. "Äh... das ist nicht dein Ernst, ne? Du willst, dass wir uns gegenseitig angreifen?"

"Keine Sorge, ihr seid noch nicht stark genug, um euch zu verletzen," winkte Blacky ab. "Außerdem ist Dark noch da, also wenn du Appi angreifst, passt er schon auf."

"Äh... seine Attacken waren aber schon ganz überzeugend," ließ sich Appi von der anderen Seite der Lichtung her vernehmen.

"Lass es ihn einfach ausprobieren," meinte Dark. "Nur so kommen wir dahinter."

Blacky nickte. "Gut. Yugi, benutz den Spruch, den ich dir beigebracht habe, kennst du ihn noch?"

"Ayn'shennia rhen?" hakte der Junge nach. "Das kann ich nicht machen, es ist zu gefährlich!"

"Ach was, Dark hat doch längst ne Fallenkarte gesetzt," grinste Blacky. "Tu es, Yugi. Wahrscheinlich passiert eh nicht viel. Konzentrier dich und versuch es in Gedanken, wie heute früh. Das musst du können, damit du den Feind nicht warnst."

Yugi zögerte trotzdem. Er sah, dass Appi sich für die Abwehr bereit machte und auch Dark zur Verteidigung überging. Er versuchte, sich zu konzentrieren, ohne dauernd daran zu denken, dass er jemanden verletzen konnte. Dann streckte er dramatisch die Hand vor sich aus. [*Ayn'shennia rhen*!]

Die Wucht der Attacke warf ihn fast von den Füßen, aber zum Glück stand Blacky hinter ihm und fing ihn auf. Der Zauber schoss auf Dark und Appi zu, doch der Blonde baute einen Schild vor sich auf, an dem er verpuffte. Die Abwehr kostete ihn so viel Kraft, dass er hinterher heftig keuchte.

"Mann, Yugi! Hat Blacky dir geholfen?"

"Nein... ich denke nicht..." Yugi rappelte sich hoch. "Hab ich das allein getan?"

"Das war toll!" befand Blacky. "Auch von dir, Appi, super Abwehr!"

Beide Jungen erröteten verlegen. Aber sie waren auch stolz auf ihre Leistung. Yugi für seinen Teil war überrascht, dass er Angriffszauber hinbekam - er hatte sich immer für eher defensiv gehalten. Vielleicht konnten er und Appi ein gutes Team werden. Dark und Blacky jedenfalls ließen sie weiter üben, bis ein paar Stunden später Waever zu ihnen geflogen kam und sie ziemlich verwirrt ansah.

"Was ist denn mit euch passiert?" fragte die Fee erschrocken.

Yugi und Appi hatten ganz zerfetzte, schmutzige Gewänder, und ihren Lehrern ging es auch nicht viel besser. Die Lichtung war ein wenig ramponiert, überall im Boden waren Löcher. Aber alle vier grinsten sie an und waren offensichtlich sehr zufrieden mit sich.

"Wir haben trainiert, Mutter," erklärte Dark.

"Du spinnst ja wohl, spar dir deine Kräfte lieber für den Angriff!" schimpfte sie aufgebracht. "Harpa konnte uns inzwischen berichten, dass ihr Clan von einer Gruppe Untoter angegriffen wurde, von denen die meisten natürlich fliegen konnten! Wir müssen damit rechnen, dass sie uns als nächstes heimsuchen!"

"Dann ist Harpa die Harpyie, die wir gefunden haben?" hakte Yugi nach.

Weaver nickte. "Ihr Clan ist dezimiert worden, die Überlebenden sind verletzt. Und wir müssen damit rechnen, dass wir schon bald ebenfalls angegriffen werden."

"Mutter, dafür haben wir doch trainiert," unterbrach Dark sie. "Yugi und Appi sind echt gut geworden."

"Du kannst diese Kinder nicht in den Kampf schicken," protestierte die Fee.

"Das muss ich auch nicht; so wie ich das sehe, werden sie ganz von allein in den Kampf verwickelt werden," entgegnete der Magier. "Außerdem sind sie keine Kinder mehr."

Das musste Weaver einsehen. "Ihr solltet ein Bad nehmen," stellte sie fest. "Und dann esst ordentlich was. Später ist eine Einsatzbesprechung. Wir müssen über unsere Verteidigungsstrategien diskutieren, und vor allem uns etwas einfallen lassen für all die Leute, die nicht fliegen können. Falls wir evakuieren müssen, brauchen wir Drachen oder Pferde."

"Was ist mit den Zauberportalen?" erkundigte Blacky sich.

"Die führen alle zur Magierburg oder zum Friedenslicht-Orden, fallen also weg. Die zum Orden kann man notfalls noch benutzen, aber die bei der Burg sind nun einmal verschüttet. Wir haben Boten ausgesandt, um neue Portale zu errichten und Orte zu finden, wohin wir die Verletzten bringen können. Aber uns läuft die Zeit davon."

"Wir tun, was wir können. Keine Sorge, wenn Exodia hier auftaucht, werden wir sie gebührend begrüßen. Und mit einem Luftangriff werden wir schon fertig, immerhin habt ihr die besten Voraussetzungen," versuchte Dark sie zu beruhigen.

Natürlich wussten sie alle, dass zu viele der Magier noch verletzt waren. Die Feen hatten eine Armee, aber konnte sie es zahlenmäßig mit dem Feind aufnehmen?
 

***
 

Yami hatte schon rechteckige Augen nach *Herr der Ringe - Die zwei Türme*, Deluxe Edition. Er wünschte sich dringend eine Pause, auch wenn er den Film nicht schlecht fand.

Das Schicksal hatte ein Einsehen und schickte ihm Tristan und Marik auf ihren Motorrädern. Großvater rief die drei Marathon-Videoschauer nach draußen. Sofort fielen ihnen die Pins mit dem Logo der Motorradrallye an den Jacken der Neuankömmlinge auf.

"Hey, ihr!" rief Tristan. "Ich dachte, wir kommen mal vorbei und fragen, ob ihr mitkommen wollt. Heute ist eine große Motor-Stuntshow in der City."

"Cool!" rief Mokuba, der den Film sofort vergessen hatte. "Können wir hinfahren, Seto?"

Der Firmenchef zuckte gleichgültig die Achseln. "Von mir aus."

"Ich wusste gar nicht, dass die Veranstaltung heute ist," bemerkte Yami.

"Mehrere Tage," klärte Marik ihn auf. Die Rallye geht jeden Tag über einen Teil der Stadt, und im Anschluss gibt es Showprogramm. Es sind Motorradfans aus aller Welt da. Wir haben vorhin Mai gesehen, sie ist mit Joey da. Und wir haben auch schon drei coole Typen aus Amerika kennen gelernt."

"Warum nehmt ihr euch nicht jeder einen Helm und steigt auf? Dann könnt ihr stilecht hinfahren," bot Tristan an. "Ich ruf nur eben Raphael an und bitte ihn, dass er herkommt, denn alle drei kriegen wir euch sonst nicht mit." Er wählte eine Nummer auf seinem Handy und sprach kurz darauf mit dem besagten Raphael.

"Das muss einer dieser Leute aus Amerika sein," überlegte Mokuba. "Ist ja scharf! Wer weiß, wen wir da noch alles treffen!"

"Mokuba, du fährst mit Tristan, den kennen wir wenigstens," bestimmte Seto und reichte ihm den Zweithelm von Yugis Kumpel. "Ich schlage vor, dass Yami sich von Marik mitnehmen lässt. Ich warte auf diesen Raphael."

"Es wäre besser, wenn du mir fährst, Kaiba," warf Marik ein. "Raphi ist etwas kräftiger als ich, da passt der Pharao besser auf sein Bike als du."

"Könntest du mir einen Gefallen tun und mich in der Gesellschaft von Außenstehenden Yugi nennen?" bat Yami. "Ich sag schnell Großvater Bescheid. Kommen wir nachher wieder her?"

"Au ja, wir müssen den Film zu Ende sehen!" rief Mokuba.

Yami seufzte und wandte sich dem Laden zu. Er sagte Herrn Mutou, dass sie ein paar Stunden weg sein würden, und als er zurückkehrte, bog gerade ein weiterer Motorradfahrer um die Ecke. Der Fremde nahm seinen Helm ab. Blonde Haare mit ausgefallenen Koteletten kamen zum Vorschein. Seine Augen waren himmelblau.

"Hi, ich bin Raphael," stellte er sich vor. "Ihr seid dann wohl Tristans und Mariks Freunde?"

Seto schüttelte ihm sachlich die Hand. "Seto," sagte er, da er vermutete, dass unter den Bikern Förmlichkeiten nicht an der Tagesordnung waren. "Das ist mein Bruder Mokuba, und dann hätten wir noch Yugi."

Raphael gab auch den beiden anderen die Hand. "Freut mich. Yugi, Tristan hat erzählt, dass du Duel Monsters Champion bist. Duellierst du dich mal mit mir?"

Yami kratzte sich verlegen am Kopf. "Ähm, eigentlich gerne, aber Großvater hat meine Karten einkassiert, weil ich in der Schule Ärger hatte." Aus irgendeinem Grund hatte er das Gefühl, dass das ein Glücksfall war, wieso nur?

Der Amerikaner hob die Augenbrauen. "Oh. Das ist schade. Naja, wir sind ja heute auch aus anderen Gründen hier." Er warf Yami seinen Zweithelm zu.

Der Pharao und die Kaibabrüder verteilten sich wie besprochen auf die Motorräder. Marik, Tristan und Raphael fuhren so schnell, wie es der Verkehr und die Verkehrsregeln zuließen. Mokuba war begeistert.

Dann kamen sie in der Innenstadt an, wo die drei Motorradfans ihre Maschinen neben zahlreichen anderen abstellten und man zu Fuß weiterging. Mokuba sah sich aufgeregt alles an, während Seto und Yami eher zurückhaltend waren, jedoch den Kleineren nicht aus den Augen ließen. Beiden gefiel es, dass Mokuba so fröhlich war - und Yami freute sich, weil Seto deswegen lächelte.

Auf einem großen Platz waren zahlreiche alte und sehr wertvolle Motorräder ausgestellt. Woanders konnte man sich auf einer Harley sitzend ablichten lassen. Schließlich entdeckten sie die Stuntmen, die spektakuläre Kunststücke auf ihren Maschinen vorführten.

"Nehmt ihr beiden eigentlich teil oder seht ihr nur zu?" fragte Seto irgendwann Marik und Tristan.

"Ich hab lange für die Startgebühr gespart. Selbst wenn ich nicht gewinne, ich war dabei," verkündete Tristan stolz.

"Das hast du uns gar nicht gesagt," beschwerte Yami sich.

Der Größere sah ihn streng an. "Hab ich wohl, aber du warst anderweitig beschäftigt zu dem Zeitpunkt... genau wie Mr. Geldsack."

Seltsamerweise nahm Seto ihm das gutmütige Schimpfwort nicht so übel, wie er es bei Joey getan hätte. "Militärfrisur," kommentierte er.

"Ich hab mich kurzfristig angemeldet, wusste erst nicht, ob ich kommen konnte," beantwortete Marik die ursprüngliche Frage.

"Ich nehme nicht teil. Titel sind bedeutungslos für mich," warf Raphael ein. Er setzte eine dunkle Sonnenbrille auf.

Yami runzelte die Stirn. Etwas an dem Mann beunruhigte ihn, wie eine böse Vorahnung. Dabei war der Typ doch eigentlich ganz nett. Naja, vielleicht war es, weil er ein Duellant war. Ein Duell ohne Yugi... Der Gedanke machte Yami mal wieder traurig. Er lächelte, um die anderen nicht zu beunruhigen, doch Seto täuschte das nicht. Der Braunhaarige nahm seine Hand und drückte sie ermutigend.

"Ihr könnt hier warten, ich will nur was zu trinken holen," sagte Raphael. "Soll ich euch was mitbringen?"

Das Angebot wurde begeistert angenommen. Seto gab dem Mann einen größeren Schein. "Hier, ich zahl die Runde. Bring Popcorn für meinen Bruder mit, wenn du das noch tragen kannst."

Raphael nickte und verschwand in Richtung der Imbissbuden. Er sah sich um, ob ihm vielleicht einer aus der Gruppe folgte, holte dann sein Handy hervor und rief jemanden an. "Ja, ich bin's. Ich hab diesen Yugi getroffen. Gurimo muss sich vertan haben, der Typ hat sich vor einem Duell gedrückt. Ja, mit 'ner ganz beschissenen Ausrede. Das ist nicht der Pharao. Kann ich mir nicht vorstellen. Ja, ist gut, ich werde ihn weiter beobachten."
 

Die Stuntshow dauerte noch etwa eine halbe Stunde. Zum Glück gab es Getränke in Dosen, so konnte Raphael alle tragen. Die Gruppe entdeckte Thea und Marco auf der anderen Seite des Platzes und winkte. Thea winkte zurück. Joey und Mai trafen sie jedoch nicht, vielleicht hatten sie sich verzogen.

Kurz vor Schluss gesellte sich ein Kumpel von Raphael, Valon, zu ihnen. Er kannte auch schon Marik und Tristan, denn er war einer der drei Amerikaner, von denen die beiden erzählt hatten. Er besprach etwas mit Raphael, worauf sich beide leider verabschieden mussten.

Seto schleifte seine restlichen Begleiter zu einer Futterbude, da er außer Chips kaum etwas gegessen hatte. Er ließ sich nicht lumpen und zahlte alles. Mokuba hatte seinen Spaß, das sah man ihm an. Vielleicht war sein großer Bruder deshalb so großzügig. Andererseits war der Betrag nur ein Taschengeld für Seto, und das, obwohl alles unverschämt teuer war.

Später hatten sie das Problem, dass Raphael nun nicht mehr da war, um einen von ihnen nach Hause zu fahren. Tristan konnte ihn nicht mehr erreichen. Aber einer der anderen Gäste half ihnen aus. Es war eben eine recht familiäre Stimmung auf der Veranstaltung. Tristan schwärmte davon, dass er genau das so daran mochte. Er und Marik blieben für *Herr der Ringe - Die Rückkehr des Königs* bei Motous, und es wurde mit den beiden und Großvater, der den Laden inzwischen geschlossen hatte, noch lustiger.

Irgendwann verzog Yami sich, um aufs Klo zu gehen. Als er eine Weile nicht wiederkam, ging Seto besorgt nach ihm sehen. Sein Geliebter war auf Yugis Bett zusammengekauert und weinte leise vor sich hin. Der Anblick schockierte den Firmenchef. Yami war immer so stark. Natürlich hatte er einige Probleme zu bewältigen gehabt, seit Yugi fort war, und er hatte auch schon ein paar Tränen vergossen. Trotzdem...

Als Yami Seto bemerkte, schüttelte er kaum merklich den Kopf. Der Braunhaarige verzog sich zögernd. Er wollte Yami nicht in diesem Zustand allein lassen, aber er verstand auch, dass ein Mann manchmal allein sein musste. Bei seinen beiden Gefährten hatte es immer Zeiten gegeben, wenn sie unter sich sein wollten. Seto konnte kaum nachvollziehen, wie das jetzt für den anderen sein musste, wenn er in sich hineinsah und Yugi da nicht fand. Für ihn war der Verlust immer gegenwärtig, während die anderen sich einreden konnten, dass Yugi nur zur Zeit Yami den Körper überlassen hatte.

Der Pharao verzog sich unter die Decke und gab sich äußerst würdelosen Weinkrämpfen hin. Er wollte nicht, dass Seto ihn so sah. Der Firmenchef hielt nichts von Schwäche und zeigte seine eigene nicht, wenn es sich irgendwie vermeiden ließ. Natürlich kannten sie sich besser, als dass sie solche Dinge voreinander verstecken mussten. Doch Yami brauchte eine Auszeit. Je mehr er sich amüsierte, desto mehr wollte er Yugi bei sich haben. Er glaubte, sein Herz müsse zerspringen. Sein Partner war in Gefahr, das konnte man nicht schönreden. Seit ein paar Stunden spürte Yami es noch deutlicher. Und dieses Mal konnte er ihm nicht beistehen...
 

***

Fortsetzung folgt.

Unerwarteter Angriff

Hallo Leute! Ihr musstet ja jetzt seeeehhr lange warten, Asche auf mein Haupt. Naja, auch mir fällt nicht immer was ein, außerdem war ich bei meinen Eltern und so... naja die üblichen Ausreden. Ich hoffe, ihr lest die Geschichte trotzdem noch und ich wünsche euch viel Spaß mit diesem Kapitel. Werft auch einen Blick in die erweiterte Charabeschreibung.^^
 

Kapitel 30: Unerwarteter Angriff
 

Yami wusste nicht, wie lange er geschlafen hatte, als ihn jemand sachte an der Schulter rüttelte. Im Zimmer brannte eine Lampe. Verwirrt blinzelte er unter seiner Decke hervor. Nein, Yugis Decke. Fast fing er wieder an zu heulen.

"Pharao, alles in Ordnung?" erkundigte Sugoroku sich.

Yami fuhr sich eilig über die Augen, wo vom Weinen kleine Krümel festgetrocknet waren. Er wollte erst sagen, dass alles okay war, aber irgendwie gelang es ihm nicht, den alten Mann anzulügen, zumal die Beweise eh gegen ihn sprachen. "Nein, es nicht alles in Ordnung. Yugi fehlt mir so sehr... Wie muss es da erst ihm gehen? Ich hab ja immerhin noch Seto..."

"Ja, das verstehe ich. Du merkst von uns allen am ehesten, dass er nicht da ist." Großvater lächelte gütig. "Seto schläft unten auf dem Sofa. Er versucht gerade, Mokuba davon zu überzeugen, dass er lieber heimfahren sollte, aber das wird wohl nichts. Marik und Tristan sind schon vor einer halben Stunde aufgebrochen und lassen dich schön grüßen. Sie möchten, dass wir alle morgen zum Finale der Ralley kommen."

"Uh... ich weiß nicht, ob ich Lust dazu habe..." zweifelte Yami. Unbewusst griff er sich an die rechte Schulter, da sie juckte und zwickte. Doch als seine Finger die Stelle berührten, zuckte er erschrocken zurück. Das Pflaster war ganz nass...

Großvater hatte das auch gesehen. "Zieh das Shirt aus und leg dich auf den Bauch," ordnete er an.

Yami gehorchte und stellte dabei fest, dass der helle Bettbezug vereinzelte rote Flecken hatte. Er bekam es ein bisschen mit der Angst. Was hatte das zu bedeuten? War Yugi etwa in Schwierigkeiten?

Sugoroku zog vorsichtig das blutige Pflaster von der Brandwunde ab und atmete scharf ein. Die Stelle schwamm in Blut, das teilweise getrocknet, teilweise frisch war. Aber das widersprach jeder Logik. Während er zusah, blutete die Wunde weiter. Die rote Flüssigkeit lief hinunter auf das Laken. Er drückte schnell das ohnehin ruinierte Shirt darauf. "Bleib ganz ruhig liegen, ich rufe Seto."

Das tat er, und kurz darauf fand sich Yami mal wieder im Zentrum aller Aufmerksamkeit wieder. Mokuba war natürlich auch noch da. Er rannte in die Küche, um den Verbandskasten zu holen, der zum Glück frisch gefüllt war. Als sie die Verletzung reinigten, sahen sie, dass die Konturen bluteten und Slifer in schauerlichem Rot zeigten.

"Passiert etwas im Reich der Schatten?" fragte Seto besorgt.

"Ich kann seit einer Weile eine gewisse Unruhe oder Spannung spüren," gab Yami Auskunft. "Es scheint... dass etwas Großes bevorsteht..."

"Die Blutung lässt sich nicht stoppen," stellte Großvater fest, der ein Stück Verbandsstoff auf die Stelle gedrückt hatte. "Vielleicht hat es sich entzündet... ich gebe etwas Desinfektionsmittel drauf, das hilft manchmal..."

"Aber es eitert doch nicht," protestierte Mokuba.

Der alte Mann hob hilflos die Schultern. "Fällt dir was Besseres ein?"

Yami verkrampfte sich, als er zusah, wie Großvater ein neues Tuch mit dem stark riechenden Mittel tränkte. Aber er biss die Zähne zusammen, als es auf die offene Wunde gelegt wurde, wo es feurig brannte. Hoffentlich nützte das jetzt wenigstens was.

Seto kraulte ihn beruhigend, während der Schmerz nachließ. "Yami, wenn Yugi in ernster Gefahr ist, dann lass uns ihm zu Hilfe eilen!"

"Noch nicht," wehrte Yami ab. "Du weißt genau, dass es auch für unsere Welt gefährlich werden kann. Aber es kann sein... dass ich es tue, wenn es schlimmer wird."

"Ich werde Joey, Tristan und Thea anrufen. Sie sollten wissen, dass es langsam ernst wird," schlug Großvater vor.

Yami nickte. "Ruf bitte auch Ryou an. Eventuell könnten wir Bakuras Kräfte brauchen."

Der Alte entfernte sich.

"Selbst wenn wir ins Reich der Schatten gehen können, was sollen wir denn da machen?" wollte Mokuba wissen.

"Wir sowieso nicht," wies Seto ihn zurecht. "Du bleibst hier, Mokuba. Falls mir was passiert..."

"Nein, Bruder, ich lasse dich bestimmt nicht alleine gehen!"

"Falls mir was passiert, musst du dich um die Kaiba Corporation kümmern. Und du musst mich vertreten, während ich weg bin. Aber noch ist es ja nicht soweit."

Kurz darauf kam Sugoroku zurück. Er nahm endlich das nasse Tuch von Yamis Schulter und besah sich stirnrunzelnd die immer noch leicht blutende Stelle. "Die drei kommen gleich her und bringen ihre Schlafsäcke mit," kündigte er an. "Ryou braucht noch einen Moment, er hat schon geschlafen. Er bringt Duke mit."

Seto verdrehte die Augen. "Auch das noch, dann turteln die die ganze Zeit hier rum..."

"Als ob wir besser sind," lächelte Yami. "Kannst du nicht etwas zu essen kommen lassen? Wir haben sonst nicht genug für die alle."

Der Braunhaarige grummelte etwas vor sich hin und zückte sein Handy. Während er ein Restaurant anrief, mit dem er gute Erfahrungen gemacht hatte, untersuchte Sugoroku erneut Yamis Schulter. Es schien schon etwas besser zu werden. Erst einmal klebte Großvater ein Pflaster darauf. Aber wenn Yami spürte, was mit Yugi geschah, und auch seine Verletzungen mitbekam, was geschah dann nur mit Yugi?
 

***
 

Yugi war nach dem Bad und einem ordentlichen Essen müde ins Bett gefallen. Aber obwohl er so erschöpft von der Zauberei war, konnte er nicht einfach schlafen. Erst einmal wunderte er sich über die Wunde auf seiner Schulter. Als er beim Baden die Verbände abgelegt hatte, waren sie ganz blutig gewesen. Die Feen machten sich keine allzu großen Sorgen, sie meinten, das käme durch die ungewohnte Benutzung der Magie, da kam es schon mal vor, dass sich eine Wunde öffnete.

Dann schwirrte ihm natürlich der Kopf von all den Sachen, die er gelernt hatte, und er war sehr nachdenklich, weil er einen ziemlich gefährlichen Zauber beherrschte. Er konnte nun unter anderem auch wie Appi Spalten im Boden entstehen lassen und bekam Ansätze von Schutzschilden hin. Letzteres beherrschte Appi eindeutig besser. Dark und Blacky wollten deshalb, dass ihre Schüler eng zusammenarbeiteten.

Während Appi gelernt hatte, sich für Telepathie zu öffnen, musste sein Lehrlingskollege lernen, sich gegen Unbefugte abzuschirmen. Das stellte zum Glück kein allzu großes Problem dar. Falls es Yugi nicht gelang, konnten ihn seine Blutsbrüder schützen. Aber sie würden vielleicht nicht immer dazu in der Lage sein.

Und letztendlich war es natürlich der bevorstehende Angriff, der Yugi beunruhigte. Exodia lief noch frei herum, und sie mussten mit derselben Horde Zombies rechnen, die auch die Harpyien angegriffen hatte. Es gab inzwischen Zaubertore zu einer weiteren Feenzuflucht, dorthin waren die meisten Verletzten gebracht worden. Aber diese Tore mussten im Falle einer feindlichen Eroberung rechtzeitig zerstört werden, damit sie nicht von Unbefugten benutzt werden konnten.

Yugi musste darauf vorbereitet sein, Slifer herbeizurufen. Da er das seit dem ersten Mal nicht mehr getan hatte, wusste er gar nicht, ob er es konnte, auch wenn er sich zwang, daran zu glauben. Er kam sich vor, als hinge alles von ihm allein ab, dabei stimmte das nicht. Er war doch nur ein kleines Licht, das in diese Krise hineingeraten war. Aber eigentlich... war denn Sorc nicht hinter ihm her? Wollte er nicht ihn in Bedrängnis bringen, damit Yami das Tor öffnete und ihm damit den Weg ebnete? Geschah das alles nur deswegen? Waren seinetwegen Menschen und Harpyien gestorben?

Yugi schüttelte den Kopf, um den Gedanken loszuwerden. Ohne ihn hätte Sorc sich einen anderen Weg ausgedacht. Er war nur zufällig gerade da und konnte ausgenutzt werden, falls der Feind das schaffte. Hoffentlich konnten sie ihn bald ausschalten.

Neben ihm rührte sich Dark. [Mann, Yugi, hör auf zu grübeln. Ich kann nicht einschlafen wegen dir.]

[Oh, tut mir Leid. Aber ich mache mir eben solche Sorgen...]

[Du musst ausgeschlafen sein, wenn etwas passiert. Soll ich einen Schlafzauber auf dich legen?]

Eigentlich wäre Yugi dagegen gewesen, aber in diesem Fall hielt er es für besser. [Na gut. Wenn du auch wach bleibst, sind wir morgen beide nicht fit.]

Sofort spürte er so etwas wie einen Schleier über seinen Gedanken. Seine Sorgen verschwanden im Hintergrund, und er fühlte sich von einer tiefen Müdigkeit beherrscht. Gleich darauf fiel er in einen tiefen, traumlosen Schlaf.
 

Yugi erwachte schockartig, ohne zu wissen, wovon. Es war hell draußen und er war allein im Zimmer. Schnell zog er sich die bereitliegenden Sachen an, jene, die seinem eigenen Geschmack recht gut entgegenkamen und Blackys Kampfoutfit ähnelten. Die Robe war zu unpraktisch, falls es zu einem Kampf kam. Hoffentlich hatte die Schlacht nicht ohne ihn angefangen. Wahrscheinlich hatte Dark ihn einfach nur schlafen lassen.

Andererseits... wenn der Kampf schon vorbei wäre, wäre es ihm auch recht gewesen, sofern seine Seite gewonnen hätte. Doch so schien es nicht zu sein. Als Yugi sein Zimmer verließ, spürte er eine angespannte Atmosphäre, als würden alle auf etwas warten. Also hatte es offensichtlich noch nicht angefangen. Ein flaues Gefühl breitete sich in seinem Magen aus. Wenn der Gegner fliegen konnte, nützte ihm Spalt auch nichts.

Im großen Saal waren Mava und Neo noch beim Frühstück. Sie winkten, damit Yugi sie bemerkte. Er setzte sich zu ihnen und fragte sich, ob er wohl etwas hinunter bekommen würde.

"Du siehst ja scharf aus," bemerkte Neo. Er trug seine Rüstung und seinen Stirnreif; das Schwert hing an seiner Seite. Auf seiner Wange war ein roter Strich zu sehen, wo die Feen einen tiefen Kratzer geheilt hatten.

Der Junge errötete leicht. "Äh, danke... Mava, wie geht es deinen Händen?"

Der Magier schien keine Probleme beim Essen zu haben, aber das hieß nicht, dass alles wieder normal war. "Ich kann nicht fest zugreifen," erklärte er. "Aber mit meiner Magie ist alles in Ordnung, die wird nicht beeinträchtigt. Leider kann ich keine Waffe benutzen. Hast du noch den Anhänger, den ich dir gegeben habe?"

Yugi nickte. "Ja, willst du ihn wiederhaben?"

"Nein, ich wollte nur sichergehen," entgegnete Mava. "Ich habe noch ein paar von den Schmuckstücken, die Sorc mir gegeben hat." Er trug heute blauschwarz wie auf seiner Karte, aber ohne das seltsame Zubehör.

"Bitte mach nichts Dummes," bat Yugi ihn. "Wir hätten dich bereits einmal fast verloren." Er blickte besorgt auf die vernarbten Hände seines Freundes.

"Genau, ich werde es dir nie verzeihen, wenn du doch noch draufgehst, nachdem wir dich zusammengeflickt haben," drohte Neo.

"Naja... ich gebe mir Mühe," murmelte der Jüngere.

"Wo stecken denn Dark und Blacky?" erkundigte Yugi sich, während er sich seinen Teller zögerlich füllte. "Und Appi?"

"Die besprechen mit den Feen die Lage, glaube ich," antwortete Neo. "Ich glaube, unser Meiser des Chaos ist sich nicht ganz mit denen einig. Die Feen wollen ja nach Möglichkeit immer Leben retten, während er da ein bisschen praktischer veranlagt ist. Ich meine, wenn wir gegen Zombies kämpfen..."

"Da könnten doch die Feen ihre Heilzauber anwenden, das sollte die Zombies ausschalten," schlug Yugi vor, der sich an verschiedene Videospiele erinnerte, in denen das geklappt hatte.

"Dann iss mal auf, damit du das den Feen vortragen kannst," grinste Neo. "Die werden nicht so leicht davon zu überzeugen sein, ihre Magie so einzusetzen, auch wenn es sich nur um Zombies handelt."

Yugi war begeistert von der Idee, immerhin konnte er dann auch etwas beitragen. Also schlang er sein Essen hinunter und ließ sich dann von seinen Magierfreunden den Weg zeigen. Mava sah man gar nicht mehr an, dass er krank gewesen war, wenn man nicht auf seine Hände schaute.

Sie fanden Blacky, Dark und Weaver sowie einige andere Feen bei der Landeplattform, wo sie in eine heftige Diskussion verwickelt waren. Appi saß etwas abseits auf einer Fensterbank und beobachtete Joan, die sich temperamentvoll dafür aussprach, dass man als erstes sich selbst schützen musste, auch wenn das hieß, dass der Feind gnadenlos niedergemacht werden musste. Da konnte Blacky ihr nur zustimmen. Weaver war gegen rohe Gewalt, ihrer Meinung nach musste es einen anderen Weg geben. Skill widersprach ihr lieber nicht, jedoch ihr eigener Sohn.

"War ja klar, dass du auf seiner Seite bist," warf die Fee Dark vor und zeigte dabei auf Blacky. "Aber vergiss nicht, dass du in Wahrheit eine Fee bist!"

Die Wangen des Magiers färbten sich rosa. "Bestenfalls zur Hälfte," stellte er klar. "Aber ich habe mich für den Weg des Magiers entschieden."

Seine Mutter verschränkte die Arme vor der Brust. "Ach, deshalb hast du ein rückenfreies Teil an, so dass du deine Flügel benutzen kannst."

Jetzt glühte Dark plötzlich wie eine Tomate. Er trug in der Tat eine etwas abgewandelte Variante seines Kampfoutfits. Dieses war am Hals geschlossen, ließ aber den Rücken und die Arme frei.

Blacky blinzelte erstaunt. "Flügel? Hast du mir was verschwiegen?"

"Ääääh..." Dark räusperte sich umständlich. "Mutter, das gehört nicht zum Thema."

"Es gehört sehr wohl zum Thema, dass du dein wahres Erbe verleugnest, außer wenn du es brauchst. Ich kann das nicht befürworten!" beharrte Weaver.

"Was ist denn jetzt mit den Flügeln?" begehrte Blacky zu erfahren.

"Wir haben jetzt wirklich was Wichtigeres zu besprechen," versuchte der Schwarze Magier von sich abzulenken.

Das interessierte auch Appi, der sich von seinem Platz erhoben hatte, um bessere Sicht auf das Geschehen zu haben. Aus Respekt vor seinem Meister mischte er sich aber nicht ein.

Neo hatte da weniger Hemmungen. "Dark, du hast Flügel? Wie cool, zeigst du sie uns?"

"Ihr seht sie doch später wahrscheinlich," gab der Angesprochene schroff zurück.

"Aber dann werden wir uns nicht mehr in Ruhe an dem Anblick ergötzen können," mischte sich nun auch Mava ein.

Yugi enthielt sich lieber eines Kommentars, schließlich hatte er in der Beziehung Schweigen gelobt. "Ich hätte einen Vorschlag bezüglich der Zombies," sagte er statt dessen.

"Erst werden wir diese Angelegenheit zu Ende bringen," forderte Weaver. "Ich wette, deine Flügel sind kein bisschen in Form."

"Doch, er fliegt schon ziemlich gut!" entfuhr es Yugi. Im nächsten Moment hielt er sich beide Hände vor den Mund, als ihn auch schon Darks vernichtender Blick traf.

Blacky wandte sich ihm falsch lächelnd zu. "Was weißt denn du darüber?"

Yugi drückte sich die Hände noch fester auf den Mund und schüttelte heftig den Kopf.

"Na nun zeig ihnen halt mal deine Flügel, damit Ruhe ist," meinte Skill.

"Vater, fall mir nicht auch noch in den Rücken!" entrüstete Dark sich. "Wenn es um Mutter geht, bist du echt nicht zu gebrauchen!"

Weaver stemmte die Hände in die Hüften. "Wie redest du denn mit deinem Vater!"

Zum Glück musste Dark darauf nicht antworten, weil in diesem Moment der Himmel verdunkelt wurde, so dass alle schon entsetzt nach oben blickten. Aber es waren nicht die erwarteten Zombies, sondern eine Gruppe von engelhaften Kreaturen, offenbar Feen, die auf ihren Standort zuhielten. Die Landeplattform wurde schleunigst geräumt.

Die Ankömmlinge landeten in einer bestimmten Ordnung, allen voran ein muskulöser, kriegerisch aussehender Mann, der seine silberblauen Flügel zusammenfaltete, so dass sie fast wie ein Umhang aussahen. Seine Kleidung ließ viel fliederfarbene Haut frei, da sie vorrangig aus langen Tüchern bestand. Er trug einen Helm von der gleichen Farbe wie seine Flügel, an dem zwei rote Hörner befestigt waren. Der untere Teil seines Gesichtes war von einem roten Tuch verborgen.

Alle anwesenden Feen knieten vor ihm nieder, während die Magier den Neuankömmling verwirrt anstarrten. Nur Blacky zeigte einen Anflug von Wiedererkennung. "Das muss Erzlord Zerato sein," stellte er fest.

"Kniet euch hin! Erweist dem Erzlord Ehre, los!" zischte Weaver ihnen zu.

Appi blickte seinen Meister fragend an. Auch Yugi war etwas verunsichert.

Dark hob eine Augenbraue. "Ich bin mein eigener Herr. Ich knie höchstens vor Blacky, wenn ich ihm einen blase."

Blacky grinste breit. Weaver jedoch sprang völlig entrüstet auf, packte ihren Sohn am Nacken und warf ihn zu Boden - was die Zeugen dieses Spektakels einigermaßen in Erstaunen versetzte, aber, dachte Yugi, sie hatte ja immerhin 250 Angriffspunkte mehr als er.

Weaver entsann sich der Anwesenheit des hohen Besuchs, ließ sich erneut auf die Knie fallen und hielt Dark dabei fest, so dass er nicht aufstehen konnte und halb lag statt zu knien. "Verzeiht, Erzlord. Mein Sohn hat kein Benehmen."

Dark versuchte sich aus dem eisernen Griff zu befreien. "Lass mich gefälligst los! Ich knie vielleicht nicht, aber ich weiß auch, wie man jemanden höflich begrüßt!"

"Ich an deiner Stelle würde auf ihn hören," warf Blacky ein, wobei ein gewisser drohender Unterton in seiner Stimme mitschwang. "Du kannst aus deinem Sohn keine Fee machen, er ist nun mal ein Magier."

Erzlord Zerato lachte leise. "Weaver, meine liebe, ich wusste gar nicht, dass du einen Sohn hast." Er hatte eine tiefe, aber sanfte Stimme.

Die Fee ließ besagten Sohn endlich los, da ihre Aufmerksamkeit nun dem Mann galt. "Er hat mich schon früh verlassen, um wie sein Vater ein Magier zu werden, Erzlord."

Dark sprang energisch auf, staubte seine Kleidung ab und stellte sich zu den anderen Magiern.

Zeratos Blick folgte ihm amüsiert. Dann bekam der Feenmann plötzlich große Augen. "Kann es sein, dass ich dich kenne?" wandte er sich an Blacky. "Bist du nicht Kayos, der Unglücksbringer des Friedenslicht-Ordens?"

"Erzlord." Blacky neigte höflich zur Begrüßung den Kopf. "Ich bevorzuge es, Blacky genannt zu werden."

"Und es wäre doch auch ganz nett, wenn die Welt mal aufhören würde, ihn Unglücksbringer zu nennen," ergänzte Dark.

Blacky legte ihm demonstrativ einen Arm um die Schultern. "Ihr habt euch noch nicht kennen gelernt. Zerato, dies ist Dark, mein Geliebter." Er wandte sich zu den anderen um. "Appi, Darks Schüler. Dann die Brüder Neo und Mava, und schließlich mein eigener Schüler, Yugi."

Die Genannten nickten dem Erzlord grüßend zu. Dieser nickte zurück. Dann machte er eine Geste zu seinen Leuten. In der ersten Reihe standen vier besonders wichtig aussehende Gestalten. "Die Sendboten Venus, Mars, Merkur und Saturn."

Venus lächelte freundlich, Saturn hob grüßend eine Hand, Merkur nickte und Mars stand noch etwas strammer als vorher.

Zerato erinnerte sich an die knienden Feen. "Ach, nun steht schon auf."

Weaver erhob sich ernst, warf ihrem Sohn einen strengen Blick zu, schwieg aber. Auch die anderen kamen auf die Füße, so dass Appi sich wieder an Joans Anblick ergötzen konnte. Sie trug nämlich anstelle ihres bodenlangen Rocks einen knapp knielangen, der mehr Bewegungsfreiheit für einen Kampf bot, und dazu bis zu den Knien geschnürte Sandalen.

Blacky ging zu Zerato und klopfte ihm brüderlich auf die Schulter. "Hey Mann, du hast dich ja ganz schön gemausert! Erzlord, boah!"

Weavers Mund klappte auf, sie war wirklich sprachlos.

"Du scheinst ja auch dein Ziel erreicht zu haben, ein großer Magier zu werden," lachte Zerato. "Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass du jemanden unterrichtest."

"Naja, Yugi war zuerst mein Schützling, weil ich ihn in der Wüste gefunden habe," bemerkte Blacky.

Der Erzlord betrachtete den Jungen genauer. "Yugi... woher kenne ich den Namen..."

Merkur trat vor und flüsterte ihm zu: "Herr, das muss der Junge aus der anderen Welt sein, von dem man uns berichtet hat."

"Ah, der Hüter des Millenniumspuzzles," ging es Zerato auf. "Den hab ich mir größer vorgestellt."

Yugi seufzte. "Das sagen alle."

Zerato zog das maskenähnliche Stoffteil von seinem Mund und grinste den Jungen an. "Entschuldige, aber du bist nun mal zierlich. Man könnte dich glatt für eine Fee halten, nur laufen die eigentlich nicht in engem Leder rum."

"Ihr seht dafür eher aus wie ein Krieger," stellte Yugi fest.

"Auf den Mund gefallen bist du jedenfalls nicht," befand Zerato. "Aber wenn du mit Blacky auskommst, muss das auch so sein. Weißt du, ich war mal ein Krieger, bevor ich die heilige Zuflucht entdeckte. Auf meiner Suche traf ich auch Blacky, der damals noch ein Kind war. Aber da war ich ja auch noch ein Grünschnabel."

Yugi musste lächeln, der Mann war ihm sympathisch. "Gerade als Ihr ankamt, wollte ich vorschlagen, dass man die Zombies mit Heilzaubern erledigen könnte," teilte er ihm mit.

Weaver verzog missbilligend das Gesicht. "Heilzauber dürfen nicht so missbraucht werden!"

"Aber Yugi hat Recht," entgegnete Zerato, der das als ehemaliger Krieger nicht ganz so verklemmt sah. "Zombies sind Untote. Heilzauber schaden ihnen. Und wir müssen uns ja schließlich verteidigen. Da sie ohnehin tot sind, brauchen wir uns keine Vorwürfe zu machen. Davon abgesehen gilt im Krieg: die oder wir."

Weaver verneigte sich ergeben. "Wie Ihr meint, Erzlord."

"Sag allen Heilern, dass sie sich zur Verfügung halten sollen, sofern sie abkömmlich sind. Alle, die Waffen führen können oder Magieangriffe beherrschen, werden diese auch einsetzen müssen," ordnete Zerato an. Er schickte seine Sendboten los, um sich die Burg genauer anzusehen und verschiedene Verteidigungsstrategien auszuarbeiten.

Feen, die keine Flügel hatten, wurden am Boden eingesetzt und mit Pfeil und Bogen ausgerüstet, während die flugfähigen einen Gegenangriff starten sollten. Die Magier indessen bekamen freie Hand, um ihren Kräften entsprechend ihre eigenen Pläne zu machen. Die Heiler brauten eilig neue Mengen an Heiltränken, die als Waffe gegen die Zombies dienen sollten. Weaver sah dies mit Besorgnis, sie befürchtete, dass dann die Mittel für die eigenen Verletzten nicht mehr reichen würden. Aber Zerato ging davon aus, dass es ein leichter Sieg werden würde, wenn sie so gut ausgestattet waren.
 

Indessen beobachteten Sorc und Malice die Feenburg in einem magischen Wasserbecken, wo einer ihrer Untergebenen ein Bild erschaffen hatte. Sie konnten nichts Genaues erkennen, hatten aber Zeratos Ankunft registriert.

"Ich wette, die bereiten sich gerade auf unsere Zombiearmee vor," amüsierte Malice sich. "Falls sie es überhaupt über sich bringen können zu kämpfen."

"Ach, wenn sie wollen, sind sie doch recht stark," meinte Sorc böse grinsend. "Außerdem wird der Erzlord ihnen schon Feuer unterm Hintern machen."

"Geben wir ihnen noch eine Stunde Zeit," gähnte Malice gespielt gelangweilt. "Inzwischen kann sich Exodia schon mal auf den Weg machen. Damit sie dann auch zur Stelle ist, wenn unsere Armee die Feen geschwächt hat."

"Sollten wir nicht schon mal unsere Truppen mobilisieren?" hakte Sorc nach.

"Immer mit der Ruhe," winkte Malice ab. "Es reicht, wenn sie sich langsam in Bewegung setzen."

Beide lachten gehässig und beobachteten das Bild der Feenburg noch ein wenig.
 

***
 

Auch in Domino City war der Tag angebrochen, aber es hatten sich noch keine Katastrophen ereignet. Seto lag neben Yami in dessen Bett und schlief tief und fest, genau wie sein Geliebter. Links neben dem Bett in einem Schlafsack schnarchte Joey, auf der rechten Seite Mokuba. Großvater hatte Thea sein Schlafzimmer überlassen und schlief auf der Wohnzimmercouch, was nicht einfach war, weil Ryou, Duke, Tristan und Marik scheinbar einen Wald abholzten. Aber letztendlich siegte doch immer die Müdigkeit.

Oben im Zimmer wurde Yami von einem penetranten Summton geweckt. Er versuchte, das Geräusch zu ignorieren und weiter zu schlafen, aber es hörte nicht auf und anscheinend kümmerte sich auch kein anderer darum. Also setzte er sich auf, wobei er sich vorsichtig von Setos Armen befreite, und sah sich blinzelnd um.

Durch das halb geöffnete Dachfenster war anscheinend eine Wespe hereingekommen. Sie suchte an der Scheibe einen Ausweg. Yami stand seufzend auf, um das Insekt hinaus zu lassen. Er öffnete das Fenster etwas weiter und hoffte, dass die Wespe es kapierte. Das tat sie natürlich nicht. Er nahm einen Zettel vom Schreibtisch und versuchte, sie in die richtige Richtung zu scheuchen. Das Biest reagierte aggressiv und attackierte ihn. Yami schrie erschrocken auf, wich zurück und stolperte über Joeys Beine, um anschießend auf das Bett und Seto zu fallen. Von dem Krach wachte auch Mokuba auf.

Ehe jemand fragen konnte, was eigentlich los war, geschweige denn, dass er eine Antwort erhielt, wurde das Insektensummen viel lauter, und sie bemerkten voller Entsetzen, dass ein ganzer Schwarm Wespen in das Zimmer eindrang. Mokuba verkroch sich reaktionsschnell in seinem Schlafsack. Joey schlug panisch um sich und versuchte, sich von seinem eigenen Schlafsack zu befreien und die Tür zu erreichen. Inzwischen war das ganze Zimmer voll mit wütenden Insekten. Yami schlug die Hände vors Gesicht und rollte sich schützend zusammen. Er verkniff sich die Schreie, als er die ersten Stiche spürte, und verhinderte so instinktiv, dass die Wespen ihm auch noch in den Mund flogen.

Seto warf die Bettdecke über den Pharao. Ihm entging nicht, dass sie Yami offenbar als Hauptziel bestimmt hatten. Er griff nach seinem Koffer, gab den Zahlencode in die Schnappschlösser ein und riss ihn auf, um den Millenniumsstab in die Finger zu kriegen. Kurz darauf war der Raum von einem blendenden, goldenen Licht erfüllt und alle Wespen, die mit der Energie in Berührung gekommen waren, tot.

Erst jetzt wurde Seto sich bewusst, dass seine Arme, sein Hals und sein Gesicht von Stichen übersäht waren. Die Viecher waren sogar unter sein Hemd gekrochen. Er zog die Decke weg und sah nach Yami, dem es nicht viel besser ging, da er gar kein Oberteil getragen hatte. Sein Körper war übel zerstochen.

Er hörte Mokuba nach einem Notarzt rufen, dann rief er ihn offenbar selber an, denn die Piepgeräusche der Handytasten erklangen. Wenigstens war ihm nichts passiert. Seto bekam Atembeschwerden. Eine Stimme, vielleicht Herrn Mutous, verteilte eilige Anweisungen. Jemand legte ihm ein eiskaltes Handtuch um den Hals, doch er hatte zuviel Gift kassiert und verlor das Bewusstsein.
 

***

Fortsetzung folgt.

Slifer als Spezialbeschwörung

Das Warten hat ein Ende! Ich hab den ersten Teil meiner Zwischenprüfung Japanologie hinter mir, und auch wenn der mündliche Teil noch vor mir liegt, gibt es jetzt erst einmal ne neue Folge FW! Ich hab auch schon 32 angefangen, nur muss ich mich in der Woche dann noch mal auf die Prüfung konzentrieren... und danach ne Hausarbeit schreiben... also erwartet keine Wunder.^^°

Viel Spaß!
 


 

Kapitel 31: Slifer als Spezialbeschwörung
 

Großvater verzog das Gesicht, während er das zweite von vier Pflastern von seinem Gesicht löste, wo ihn Wespen gestochen hatten. Seufzend blickte er in den Spiegel. Er war ja noch gut davongekommen. Die Wespen waren hinter Joey hergeflogen, hatten sich im ganzen Haus verteilt und jeden gestochen, der ihnen unter den Stachel gekommen war. Bis sie plötzlich alle tot zu Boden gefallen waren.

Marik, Tristan und Mokuba waren mit wenigen oder gar keinen Stichen davongekommen, ebenso Thea, Ryou und Duke. Joey, der sofort die Flucht ergriffen hatte, ging es relativ gut - die Ärzte hatten ihm ein Medikament gespritzt und ihm eine Salbe gegeben, ehe er nach Hause entlassen worden war.

Yami war bei Bewusstsein - sein Rücken war zerstochen, sein Hals gefährlich angeschwollen, aber da Seto ihn mit der Decke beschützt hatte, war er noch in ganz guter Verfassung. Nicht so Seto selbst. Er hatte sich ungeschützt den Angriffen der Insekten ausgesetzt. Da er einen Pyjama getragen hatte, waren die Tiere zwar unter den Stoff gekrochen, hatten aber erst einmal seinen Hals dermaßen zerstochen, dass er fast erstickt wäre. Sein Gesicht war kaum wiederzuerkennen, Hände und Unterarme waren komplett geschwollen, ähnliches galt für Füße und Knöchel. Zum Glück war er nicht allergisch, aber die Menge an Wespengift war allein schon bedenklich. Jedoch war er ein hochgewachsener, junger Mann, was das Risiko für ihn doch um einiges verringerte. Mokuba wäre nicht so glimpflich davongekommen, es war also gut, dass er sich unter seinem Schlafsack versteckt hatte.

Sugoroku rieb sein Gesicht mit der Salbe gegen Insektenstiche ein. Er hoffte wirklich, dass die Krankenhausaufenthalte bald aufhörten, auch wenn es sich dieses Mal um ein Privatzimmer in Kaibas Villa handelte. Es war irgendwie trotzdem ein Krankenhaus. Aber vielleicht war es gut, dass Yami dort war, denn wenn es zu Problemen mit seiner Wunde kam, konnte er gleich behandelt werden. Sofern das eine Verletzung war, bei der das was nützte.

"Herr Mutou, Mokuba hat die Limousine geschickt, wir können jetzt zu Yami fahren," rief Thea ins Bad.

Großvater riss sich von seinem unästhetischen Spiegelbild los, zog sich eine Jacke über und vergewisserte sich, dass der Spieleladen noch das "Geschlossen"-Schild zeigte, ehe er mitfuhr.

Joey blieb zurück - er war nicht zu sich nach Hause gegangen, sondern wollte bei seinen Freunden bleiben, aber sie bestanden darauf, dass er sich auf dem Sofa ausruhte. Dafür wurde Großvater von Thea und Marik begleitet.

In Kaibas Villa führte Mokuba sie zu ihren Freunden. Diese waren in einem eigentlich normalen Zimmer untergebrecht, das mit medizinischen Geräten ausgestattet war. Seto war bewusstlos, aber in stabilem Zustand. Yami hingegen blickte den Besuchern entgegen, von seinem eigenen Bett aus, wohlgemerkt. Aber Mokuba hatte ihm auch lange genug vorgebetet, dass Seto nun Ruhe brauchte. Davon abgesehen hatte er vermutlich selber Schmerzen - obwohl ihn das noch nie von seinem Geliebten ferngehalten hatte.

Großvater zog sich sofort den bereitstehenden Stuhl heran, Thea setzte sich aufs Bett und Marik blieb stehen. "Ich habe die Feuerwehr verständigt, sie haben ein Wespennest unter dem Dach entfernt," sagte der alte Mann. "Aber ich verstehe nicht, wieso wir es vorher nicht bemerkt haben."

"Oder warum die so aggressiv geworden sind," ergänzte Thea. "Dafür gibt es keine sinnvolle Erklärung. Sie greifen doch normalerweise nur dann im Schwarm an, wenn ihr Nest bedroht wird."

"Im Zimmer war erst nur eine," erinnerte Yami sich. "Ich wollte sie doch nur nach draußen scheuchen..."

"Das ist völlig unsinnig," sinnierte Marik, der mit verschränkten Armen auf und ab ging. "Man könnte fast meinen, jemand hätte die Wespen aufgehetzt. Aber dass sie euch so gezielt angegriffen haben, ist trotzdem nicht normal."

"Bakura wird es doch wohl nicht gewesen sein, oder?" überlegte Yami. "Der hätte doch uns alle einschließlich Ryou, also sich selbst gefährdet."

"Ryou hatte ihn recht gut unter Kontrolle," befand Marik. "Außerdem hab ich gesehen, dass er ziemlich verwirrt war, als das Spektakel losging. Naja, kann Tarnung gewesen sein, aber ich glaube, ich kenne ihn ganz gut - wir waren ja mal verbündet..."

Yami streichelte geistesabwesend sein Puzzle. "Aber es kann doch nicht vom Reich der Schatten ausgegangen sein, oder? Vielleicht ist das Tor schon zu weit offen."

"Meinst du, Yugi spürt deine Schmerzen ebenfalls?" erkundigte Thea sich.

"Ich nehme es stark an," murmelte Yami bedauernd.
 

***
 

Yugi hielt sich tapfer aufrecht, was seine Freunde besorgt beobachteten. Aber er konnte jetzt nicht schlapp machen, auch wenn sein Rücken bis zum Hals mit brennenden kleinen Schwellungen übersäht war und er vor kurzem fast erstickt wäre. Aber eben nur fast. Jetzt lief er mit freiem Oberkörper herum, und Dark rieb ihn alle paar Minuten neu mit kühlender Salbe ein. Da es keine Erklärung im Reich der Schatten für das Phänomen gab, blieb nur die Annahme, dass der Grund bei Yami zu suchen war. Yugi machte sich große Sorgen um ihn.

Indessen waren Freed und Mad zurückgekehrt, die dabei geholfen hatten, die Verletzten in die andere Zuflucht zu bringen. Magi und Shadow waren zu schwer verletzt, um schon wieder zu kämpfen, aber Gerfried war wieder auf den Beinen und wollte bald nachkommen. Blacky, Mava und Neo hatten ihre Drachen herbeigerufen.

Freed schritt zielstrebig auf seinen zweitjüngsten Sohn zu und packte dessen Handgelenk. Darunter kam ein funkelndes Armband zum Vorschein. Streng sah er Mava an. "Wie viel Zeug trägst du insgesamt?"

Der Lichtmagier riss sich von ihm los. "Genug, um zu verhindern, dass du es mir wegnimmst!"

"Junge, ich mache mir doch nur Sorgen um dich!" beharrte Freed, nun in einem flehenden Tonfall.

Mava wich seinem Blick aus. "Versteh mich doch, Vater... Ich habe Exodia auf die Welt losgelassen. Ich fühle mich dafür verantwortlich, sie nun auch unschädlich zu machen."

"Überlass das den stärkeren Magiern! Beim nächsten Mal wirst du das nicht überleben, dein Körper ist noch nicht ausreichend genesen! Das weißt du so gut wie ich!"

"Ja. Ich weiß."

Blacky hatte die Unterhaltung mitverfolgt und mischte sich ein. "Mava. Eins reicht, nimm das andere Zeug ab. Dein Vater hat Recht, du brauchst noch eine längere Pause, um wieder ganz der alte zu werden. Überlass Exodia mir und Dark."

"Du kannst mich nicht aufhalten, Blacky!" erwiderte der Blonde entschlossen.

"Ach." Blacky verzog den Mundwinkel zu einem schiefen Grinsen. Dann überkreuzte er die Arme vor der Brust und schloss in Konzentration die Augen.

Sofort wurde Mava von einem Luftwirbel eingehüllt, und verschiedene Teile fielen zu Boden, darunter unter anderem Armbänder, Halsketten, ein Gürtel und ein Dolch. Der Lichtmagier schrie protestierend auf, doch sein Vater und Neo waren schneller. Sie nahmen die Sachen an sich, ehe er sie sich wiederholen konnte.

Blacky packte Mava und warf ihn sich über die Schulter, nicht auf das Gezeter achtend, das der Kleinere an ihn richtete. "Ich bringe dich zu den Bogenschützen, da bist du zur Zeit besser aufgehoben. Dein Vater kann Silberschwinge nehmen."

Das Drachenweibchen schien nichts dagegen zu haben, als Freed neben sie trat und ihren Hals tätschelte. Er hängte ihr eine der Halsketten um, steckte sich selbst den Dolch ein und gab Neo ein Armband. "Das Zeug, das Mava am Leibe hatte, reicht ja fast aus, um eine Armee auszurüsten!" Und er versorgte auch Schattensturm, Diamantkralle, Appi und andere, die ihm über den Weg liefen, mit passenden Stücken.

So kam es, dass Appi ganz stolz mit einem goldenen Ring herumlief, an dem ein roter Stein blitzte, der, wie er fand, zu seinem restlichen Kampfoutfit passte. Er gesellte sich wieder zu Yugi, der sich gerade in ihrem gemeinsamen Zimmer wieder anzuziehen versuchte, was sich etwas schmerzhaft gestaltete. "Mava wurde all seiner kleinen Verstärker beraubt, so dass ich den hier bekommen habe!"

Yugi betrachtete das Schmuckstück. "Was bewirkt er? Ich glaube, den gibt es nicht als Spielkarte." Er selbst trug Mavas Schwarzen Anhänger.

"Nun... ich hoffe, dass er mich stärker macht!" meinte Appi.

Der andere Junge sah ihn schief an. "Also weißt du es nicht genau?"

"Naja... auf jeden Fall ist das Teil doch wohl voll cool!"

Nun, zumindest das musste man ihm zugestehen. Yugi gab es auf und konzentrierte sich darauf, in seine Lederkluft zu kommen, ohne sich dabei allzu sehr wehzutun. "Wenigstens kann Mava sich jetzt nicht mehr durch seine eigene Gabe umbringen, nicht wahr?"

Appi nickte. "Blacky hat ihm die Teile mit irgendeinem genialen Zauber abgenommen!"

Yugi runzelte die Stirn. "Vielleicht *Riesentrunade*," murmelte er. "Faszinierend, dass ein Magier den loslassen kann." Andererseits... er hatte ja auch schon die praktische Anwendung von Spalt, Diffusion Wave Motion und Spiegelkraft erlebt.

Während Yugi noch sein Oberteil zurechtzupfte, kam Dark in das Zimmer. Er hatte einen länglichen Gegenstand dabei, der in ein staubiges Tuch eingewickelt war. "Hey, Yugi! Schau mal, was ich gefunden habe!" rief er den beiden Zauberschülern zu und packte einen Stab aus, der Appis nicht unähnlich war. "Mein erster Zauberstab! Den hab ich auf der Zauberschule bekommen, ehe ich einen privaten Tutor bekommen habe. Ich dachte, du könntest ihn vielleicht verwenden!"

Yugi nahm das Artefakt staunend entgegen. "Wirklich?"

Der Magier lächelte etwas verlegen. "Wäre schade, ihn einrosten zu lasen, und Appi hat ja schon einen. Eigentlich hätte Blacky dir seinen alten geben sollen, aber der existiert wohl nicht mehr. Er benutzt seine Stäbe immer, bis sie ihm um die Ohren fliegen und er einen neuen braucht. Davon abgesehen... was er mal benutzt hat, sollte man niemandem mehr antun. Wer weiß, was sonst passiert."

"Das kann ich mir vorstellen!" rief Appi aus, und die drei lachten ausgelassen.

Doch lange dauerte die heitere Stimmung nicht an. Sie hörten den durchdringenden Klang einer Glocke.

"Alarm! Es geht los!" erkannte Dark. Er legte seinem Schüler die Hände auf die Schultern. "Ich werde nicht an deiner Seite sein können. Pass ein bisschen auf Yugi auf."

Appi nickte entschlossen. "Ja, Meister." Wenn er ein bisschen Schiss hatte, merkte man es ihm nicht an.

Der andere Zauberschüler dagegen sah auf einmal sehr unsicher aus. "Moment! Wie kann ich den Stab benutzen?"

"Er wird dir helfen, deine Kräfte zu bündeln, es ist eigentlich kein großer Unterschied, nur dass deine Zauber dann vielleicht stärker ausfallen."

"Um... ist gut." Yugi war erleichtert, dass es keine komplizierte Bedienungsanleitung gab.

Dark wuschelte ihm durchs Haar. "Du packst das schon."

Nun kam auch Blacky zu ihnen. "Ah, da seid ihr ja. Seid ihr bereit zum Kampf? Yugi, Appi? Ich hab Mava zu den Bogenschützen gebracht. Und wir haben ein Problem. Es sind keine Zombies."

Die drei starrten ihn an. "Was denn dann?" fragte Appi als Erster.

"Insekten," informierte Blacky sie. "Vielleicht waren die seltsamen Male auf deinem Rücken so ne Art Vorwarnung, Yugi."

"Aber warum... was kann denn in meiner Welt nur passiert sein?"

"Wir können uns später darüber Gedanken machen. Gehen wir."

Das taten sie.
 

Yugi kannte einige der Viecher aus seinen Duellen mit Weavil Underwood. Vorherrschende Vertreter der Angreifer waren Wespen oder Hornissen, so groß wie Männer. Weiter hinten flogen, eigentlich schön anzusehen, etliche Riesenmotten, die gerade von einem Heuschreckenschwarm überholt wurden. Zu seinem Entsetzen bemerkte Yugi einige Menschenfresserkäfer zwischen den anderen Insekten, außerdem einige weitere lästige Vertreter mit hartem Panzer, die er so schnell nicht einordnen konnte. Hatte sich auch Yami einer Insektenarmee gegenüber gesehen?

Er schlug sich den Gedanken aus dem Kopf und konzentrierte sich auf sein eigenes Problem. Konnten Insekten in einen Spalt fallen? Im Kartenspiel schon, aber hier... Auf diese Monster war er nicht vorbereitet, hatte sich geistig auf Zombies eingestellt.

Neben ihm erhob sich Dark auf seinen dunklen Schwingen in die Luft. Im Licht sah man, dass sie Schwarz waren, aber in vielen Farben schillerten. Einige violette Federn waren auch dazwischen. Appi, der sich in Yugis Nähe gehalten hatte, starrte seinem Lehrer erstaunt und bewundernd nach. Blacky stieß einen anerkennenden Pfiff aus, ehe er sich auf die vorderste Reihe stürzte.

Die beiden Lehrlinge blieben zusammen mit einigen Feen als Verteidiger am Boden. Yugi hatte ein bisschen Angst vor den Insekten, seit er auf seinem Rücken so viele Stiche spüren konnte. Entgeistert erkannte er, dass dies vielleicht gewollt gewesen war. Aber nein, Sorc konnte doch nicht... oder? Jedenfalls hatte Yugi keine Lust, sich von diesen Viechern erwischen zu lassen. Die Riesenwespen hatten Furcht erregende Stachel.

Mittlerweile fielen die Insekten bereits massenweise vom Himmel, weil Dark, Zerato und die Sendboten mit ihrer Armee unter ihnen wüteten. Auch Joan war an der Schlacht beteiligt, sie sah aus wie eine Göttin aus der griechischen Mythologie. Am Boden schlug Blacky mit seinem Stab auf die Angreifer ein. Es erinnerte Yugi an die erste Begegnung mit ihm, auch jetzt sah er aus, als hätte er Spaß. Sein kleiner Schüler machte es ihm nach und schlug ebenfalls mit seinem neuen Zauberstab um sich. Er konnte Chitin knacken hören, als er eine Wespe erwischte. Sie fiel auf den Boden und zappelte noch. Die Viecher waren ganz schön massig! Seine Arme schmerzten nach dem Treffer. Er musste zwei weitere Male auf sie einschlagen, ehe sie tot war, und erschrak dann. Wenn das nun keine Insekten wären? Wie viele Fliegen und Mücken erschlug ein Mensch in seinem Leben, ohne darüber nachzudenken? Wespen von dieser Größe ließen Yugi jedoch unwillkürlich daran denken, dass es auch ein Mensch hätte sein können. Wo war der Unterschied? Er war entsetzt über das, was er tun musste. Aber wenn er aufhörte, würden sie ihn töten, also schlug er auch die nächste Wespe tot.

Appi stach nach ihnen, denn sein Stab hatte ja eine Spitze. Wenn er traf, jagte er Magie hinein, was eine ziemliche Sauerei zur Folge hatte. Yugi wurde ein wenig schlecht. Tote Insekten begannen sich zu sammeln, teilweise in Einzelteilen. In dieser Größe war das nicht gerade angenehm. Auch Feen wurden verletzt, aber da sie so viele Heiltränke gebraut hatten, waren sie schnell zu behandeln.

Bald waren die Riesenmotten näher gekommen und drohten, alles mit ihrem giftigen Flügelstaub einzudecken. Dark erkannte das Problem auch und stellte sich ihnen zusammen mit Joan und anderen Feen. Inzwischen hatte Blacky Schattensturm zu sich gerufen und wütete mit ihm unter den Angreifern. Freed kämpfte erst von Silberschwinges Rücken aus, entschied dann aber, dass er am Boden besser aufgehoben war, wo er auch mit dem Schwert besser ausholen konnte.

Yugi war dazu übergegangen, seine Gegner mit Magie zu bekämpfen. Sein Raigeki war sehr wirkungsvoll, und als er einmal dachte, es würde Appi mit erwischen, stellte er erleichtert fest, dass seine Verbündeten davon verschont blieben.

Neo nutzte sowohl Magie als auch das Schwert von Diamantkralles Rücken aus. Gerfried war am Boden geblieben, doch Yugi konnte einmal Zeuge seines Effekts werden. Freed warf ihm einen der Gegenstände zu, die Mava getragen hatte, eine Art Gürtel. Gerfried band ihn sich um und vernichtete durch einen unkontrollierten Ausbruch von Kraft einen großen Teil der Wespen und Motten in seiner Nähe. Yugi war fasziniert, im Spiel bezog sich Gerfrieds Effekt nur auf ein Monster. Der Schwertmeister war wirklich gefährlich, wenn er wollte. Aber normalerweise versuchte er ja, seine Kraft nicht freizusetzen.

Aber es war keine Zeit, andere zu bewundern. Ein Menschenfresserkäfer kam auf Yugi und Appi zugesprungen. Er war schon zu nah für eine Attacke, und sie wurden nur durch Zerato gerettet, der das Insekt von hinten erstach. Im nächsten Moment wurde er um ein Haar von einer Heuschrecke zerfetzt, die fast doppelt so groß wie er war, aber er drehte sich rechtzeitig um und schlitzte sie mit dem Schwert auf.

"Ich glaube, wir haben hier echt nichts verloren," sinnierte Yugi.

"Ich will noch gerne wissen, was mein Ring kann!" widersprach Appi. "Das Teil kann uns bestimmt helfen! Außerdem können wir nicht einfach abhauen!"

"Aber diese Viecher können fliegen und praktisch von allen Seiten kommen!"

"Haste Schiss? Dann ruf doch deinen Drachen!"

Ja, darauf lief es wohl hinaus. "Ich hätte das gleich machen sollen," überlegte Yugi.

Auf einmal bebte die Luft von einer unheimlichen, großen Präsenz. Die beiden Jungen blickten verwundert auf - und erstarrten. In der Ferne und doch viel zu nah konnten sie Exodia sehen. Wann war sie da aufgetaucht? Oder hatte sie sich gerade materialisiert, sichtbar gemacht? Jetzt hatte Yugi wirklich Schiss. Gegen Exodia konnten sie nicht mit einer normalen Armee ankommen. Da musste wohl wirklich Slifer her. Aber wie?

Während Yugi nachdachte, wurde er beinahe von einer Ladung Giftpollen erwischt, doch er errichtete instinktiv eine Spiegelwand. Aber wie lange würde sein Glück anhalten?

[Slifer! Ich brauch dich jetzt!]

[MACH DICH BEREIT, STERBLICHER!!!]
 

***
 

"Uaaaaaaaah!" Yami schrie unter Schmerzen auf und wand sich in seinem Bett. Seine Freunde starrten ihn entgeistert an.

"Oh nein! Etwas passiert mit Yugi!" begriff Thea.

"Seht doch mal!" rief Marik. Er zeigte auf Yamis Rücken, als der Duel Monsters Champion sich auf die andere Seite wälzte. Die Stelle mit der Brandwunde war erneut blutig, obwohl ein dickes Pflaster darauf klebte.

"Nicht das wieder!" erschrak Großvater.

"Wir müssen doch was tun können!" jammerte Mokuba.

Während alle noch entsetzt dastanden, hörten sie plötzlich etwas poltern. Seto war aus dem Bett gestolpert und hatte einen Stuhl umgeworfen. Mokuba eilte an seine Seite. "Bruder! Du kannst noch nicht aufstehen!"

Doch Seto konnte über sich hinauswachsen, wenn es um jemanden ging, der ihm viel bedeutete. Er arbeitete sich auf die Füße und wankte zu seinem Geliebten. "Yami..."

Der Kleinere bemerkte ihn und drehte sich zu ihm. "S-Seto..!" Er klammerte sich ans Hemd des anderen, als eine neue Schmerzwelle ihn wiederum zum Schreien brachte. Seto hielt ihn fest, damit er sich nicht noch selbst verletzte. Die anderen mussten hilflos vor Entsetzen zuschauen.

Nach knapp drei Minuten, die ihnen ewig erschienen, war es vorbei. Yami lag bebend in Setos - in Anbetracht seines Zustandes - erstaunlich starken Armen. Er hatte Tränen in den Augen und murmelte immer wieder Yugis Namen.

"Was ist mit Yugi? Yami, sag was! Ist ihm was zugestoßen?" Großvater flehte regelrecht um eine Antwort.

"Es war... ein Gefühl... als würde mein Körper zerrissen..." presste Yami hervor. Er griff an das Millenniumspuzzle. "Aber... Yugi lebt... sorgt euch nicht..."

"Yami! Deine Hand!" Aller Augen folgten Mokubas Fingerzeig. Zuerst glaubten sie, es sei Blut, aber...

"Rote Drachenschuppen?!" Seto hielt Yamis Hand vor sein Gesicht. Er erkannte so etwas natürlich als Erster.

Marik beugte sich hinunter und zog dem Pharao das Oberteil aus. Darunter kamen noch mehr Schuppen zum Vorschein. Dafür war keine Wunde mehr zu sehen, obwohl das Kleidungsstück mit Blut durchtränkt war. Entlang des Rückgrades wuchsen Ansätze von Zacken heraus, wie Drachen sie meistens auch hatten. Die Schuppen reichten bis fast an Yamis Kinn. Unwillkürlich fragten sie sich, wie es nach unten hin weiter ging. Großvater zog die zerknautschte Decke von Yamis Füßen und streifte seine Pyjamahose nach oben. Aber das war kaum nötig, denn auf dem Fuß war bereits der rote Ansatz zu sehen. Mehr noch. Bei genauerem Hinsehen merkten die Freunde, dass Finger- und Fußnägel fast wie Krallen aussahen.

Yami starrte schockiert auf seine eigene Brust, wo das goldene Millenniumspuzzle einen hübschen Kontrast zu den Schuppen bildete, die an dieser Stelle schwarz waren. "Was... bedeutet das?!"

"Fehlt nur noch, dass ihm ein Horn wächst," kommentierte Seto trocken.
 

***
 

Appi saß mit offenem Mund auf dem Hosenboden und gaffte Slifer an. Dieser hatte seinen Körper schützend um ihn herum aufgebaut. Das allein war ja noch in Ordnung. Aber was Appi so sprachlos machte, war das Ereignis, das er eben hatte bezeugen dürfen.

Yugi hatte die Arme nach oben gestreckt und nach Slifer gerufen. Doch statt dass der Drache erschienen war, hatte sich Yugi in ihn *verwandelt*. War der Junge noch am Leben, oder hatte es ihn umgebracht? Seinen Schreien nach zu urteilen, die er zu Beginn ausgestoßen hatte, war es jedenfalls keine angenehme Erfahrung gewesen.

"Äh... Yugi, kannst du mich noch hören? Bist du da noch drin?" wagte Appi zu fragen.

Slifer wandte ihm seinen riesigen Kopf zu. Der Zauberlehrling wich zurück, doch schon stieß er gegen die Windungen von Slifers mächtigem Leib. Er fühlte heißen Atem auf seiner Haut und konnte einen scharfen Brandgeruch wahrnehmen.

[Appi? Bist du das? Du bist so klein!] erklang Yugis Stimme in seinem Kopf.

Der Blonde war erleichtert und entsetzt zugleich. Das war wirklich Yugi. Er lebte offenbar, aber konnte er später seine richtige Gestalt wieder annehmen? Appi arbeitete sich zitternd auf die Füße. So nah an einem so großen Drachen war er noch nie gewesen. Vor allem war dieser hier auch noch ein Gott... oder?

[Kletter auf meinen Rücken!] forderte Yugi ihn auf. [Ich hab sonst Angst, dass ich dich zerquetsche, wenn ich mich bewege. Der Blickwinkel ist so komisch, wenn man die Augen plötzlich seitlich am Kopf hat...]

Appi betrachtete das rote Wesen zweifelnd. Wo bei der langen Gestalt war da der Rücken und wo schon das Schwanzende? Er näherte sich schließlich dem Nackenbereich des Kopfes. Slifer hatte eine Art Kamm, vielleicht konnte man sich dort hinsetzen? Falls es etwas zum Festhalten gab.

Yugi wartete, bis Appi auf dem mittleren Zacken an seinem Nacken saß. Er konnte sich mehr schlecht als recht an einem kleinen Huckel vor sich festhalten. Aber er war ein Magier und bestimmte einfach, dass er oben bleiben würde. Yugi hätte gelächelt, wenn es ihm in dieser Gestalt möglich gewesen wäre, aber er hatte genug damit zu tun, seinen Körper zu kontrollieren. Slifer konnte nicht selbst erscheinen, ohne drei Opfer zu fordern, aber er hatte ihm diesen Weg anbieten können. Da es das beste war, das Yugi tun konnte, um seinen Freunden zu helfen, hatte er den Vorschlag angenommen. Appis Gesellschaft machte es irgendwie leichter.

Der Zauberschüler musste sich gut festhalten, als der Drache sich in die Luft erhob. Yugi flog noch etwas holprig. Er musste nicht mit den Flügeln schlagen dafür. Trotzdem, es war gewöhnungsbedürftig. Zum Glück wussten seine Feinde nicht, dass er das war. Er schaffte einen recht imposanten Auftritt. Die Feen flogen ehrfürchtig aus seiner Reichweite, während die Insekten einen wenig wirksamen Angriff versuchten. Slifer konnte über ein paar Hornissen und Motten nur lachen. Der Gedanke gefiel Yugi. Er spie eine Flamme in eine Richtung, in der sich gerade keine seiner Verbündeten befanden, und erwischte etliche Käfer und andere Feinde. Seltsamerweise tat es ihm überhaupt nicht Leid, als er sie tötete.

Dark kam zu ihnen geflogen, als er gerade nicht in einen Kampf verwickelt war. "Appi, wo hast du Yugi gelassen?"

Sein Schüler grinste ihn an. "Na ich sitze auf ihm!"

[Hey, Dark, ich bin ein Drache!] teilte der Junge ihm mit. An seinem Gesicht war schwer zu erkennen, ob er sich freute, aber seine Gedankenstimme klang recht begeistert. [Endlich kann ich richtig mitkämpfen, auch gegen mächtige Feinde! Aber... ich muss immer daran denken, dass ich Feinde töte... In dieser Gestalt scheint es mich nicht zu kümmern, doch was wird später?]

[Sie haben die Wahl,] entgegnete Dark nun auch telepathisch. [Sie haben die Wahl, sich dir zum Kampf zu stellen und ihr Leben zu riskieren, oder die Flucht zu ergreifen. So ist das im Krieg. Wer mitmischt, muss mit dem Tod rechnen.]

[Aber vielleicht werden sie von Sorc kontrolliert,] gab Yugi zu bedenken.

[Mag schon sein, Insekten sind ja meistens nicht sehr schlau,] gab Appi zurück. [Aber darauf können wir keine Rücksicht nehmen, wenn uns was an unseren Leben liegt.]

Yugi schlug nebenbei mit dem Schwanzende, das sich im Moment vier Meter vor seinem Kopf befand, eine Riesenheuschrecke nieder. [Wie gesagt, zur Zeit habe ich kein Problem damit. So kenne ich mich gar nicht.]

[Denk später darüber nach, wir haben jetzt ein dringenderes Problem,] stellte der Schwarze Magier unnötigerweise fest. Exodia war nicht mehr weit von der Feenburg entfernt...
 

***

Fortsetzung folgt

Exodias Ende

Kapitel 32: Exodias Ende
 

Marik und Tristan verpassten ihre Rallye, während sie sich um Yami und somit auch um Yugi sorgten. Thea hatte bei Mutous zu Hause angerufen und die zurückgebliebenen Freunde über den neuesten Stand informiert. Raphael hatte sich ganz besorgt per Handy bei Marik erkundigt, ob etwas passiert sei, was der Blonde mit ein paar ausweichenden Erklärungen beantwortet hatte. Er versprach seinem amerikanischen Kumpel, zumindest abends zur Abschlussparty zu kommen. Dazu war auch der Rest der Truppe eingeladen, aber Yami und Seto waren sich einig, dass sie lieber nicht hingehen wollten. Nicht bei Yamis derzeitigem Aussehen.

"Ich werde in einem halben Jahr oder so eine Motorradrallye sponsern, damit ihr daran teilnehmen könnt," schlug Seto vor, dem nicht entging, dass Marik bei aller Sorge um den Pharao doch etwas enttäuscht war.

Das Gesicht des Ägypters hellte sich merklich auf. "Ja, das wäre nett. Tristan wird sich bestimmt auch darüber freuen, das zu hören." Er schrieb ihm sogleich eine SMS.

Indessen überlegten Großvater, Thea und Mokuba, ob Yami so in die Schule gehen konnte. Er konnte den Kragen seiner Jacke schließen, aber das sah sicher seltsam aus, wenn er es den ganzen Tag so ließ. Dann musste eben ein besonders breites Halsband her. Allerdings wussten sie nicht recht, was sie mit den Krallen machen sollten. Sie sahen sehr stabil aus und konnten wohl kaum mit normalen Werkzeugen gekürzt werden. Außerdem hatte er ja Schuppen auf dem Handrücken...

Seto, der inzwischen auf der Bettkante saß, entschied, erst einmal abzuwarten. Vielleicht ging das Phänomen ja bald von selbst wieder weg. Zumindest hatte Yami jetzt keine Probleme mit seinen Insektenstichen mehr, die waren einfach verschwunden.

"Also ich persönlich finde das schön, Drachen mag ich doch besonders," murmelte der Firmenchef. "Ob du wohl einen zweiten Schwanz bekommen hast?"

Mokuba, Marik und Thea erröteten bei der Vorstellung. Großvater machte "Uiuiui!" und war wohl eher amüsiert.

Ob Yami errötete, konnte man nicht genau erkennen, weil das meiste seines Körpers schon rot war und deshalb möglicherweise optisch auf das Gesicht abfärbte. Er fasste sich dezent an den Hintern. "Nun, also..." Korrektur: Man konnte jetzt ganz genau erkennen, dass er rot anlief.

"Zeig!" rief Seto begeistert und wollte sich auf ihn stürzen, doch der Kleinere wehrte ihn entschieden ab.

"Nicht vor den anderen!" protestierte Yami. Er schubste seinen Geliebten von sich - worauf der durchs halbe Zimmer flog. Der Pharao starrte ihn entgeistert an, dann seine Hände. Offenbar beschränkte die Verwandlung sich nicht auf das Äußere.

Seto grinste begeistert. "Ja, richtig so! Ein Drache muss auch Kraft haben!"

"Äh, Bruder, alles klar?" erkundigte Mokuba sich, der sich langsam Sorgen um den Geisteszustand des Älteren machte.

"Alles bestens," versicherte Seto, obwohl er durch das Wespengift noch etwas unsicher auf den Beinen war, als er aufstand.

Auch Yami verließ nun das Bett. Er fühlte sich überhaupt nicht mehr krank. "Ähm... könntet ihr uns vielleicht allein lassen?" bat er seine Freunde. "Ich möchte gerne selber nachschauen, was da noch alles... anders ist..."

Dafür hatten sie Verständnis, fanden es aber fast schade, dass sie das nicht erfahren würden. Außer sie konnten Yami später zum Reden bringen. Die kleine Gruppe verließ den Raum und die Liebenden waren unter sich.

Yami lächelte und zog sich mit dem Rücken zu Seto ganz aus, bis auf das Puzzle. Sein Steißbein war ein wenig verlängert und bildete ein rotes, vielleicht zehn Zentimeter langes Drachenschwänzchen mit einem winzigen fächerförmigen Fortsatz am Ende, ähnlich wie bei Slifer. Der Braunhaarige nahm es interessiert unter die Lupe. Dann drehte er Yami herum - und stellte etwas enttäuscht fest, dass der "kleine Yami" noch ganz normal aussah. Drumherum war ein Bereich menschlicher Haut sichtbar, das Glied selbst ebenfalls ungeschuppt.

"Naja, Drachen und Reptilien generell haben eben keine Penisse, die denen von uns Menschen gleichen... kein Wunder also, das die Verwandlung da aufhört," überlegte er.

Yami staunte, wie sachlich Seto darüber reden konnte. "Was ist, wenn ich immer so bleibe?" fragte er nach. "Oder sollte ich mich lieber darum sorgen, was passiert, wenn ich wieder normal werde?"

"Du kommst mir nicht davon, egal in welcher Gestalt," versicherte sein Geliebter. "Auf alle Fälle hast du einen neuen Spitznamen weg, mein roter Drache!" Er begann, Yamis Körper auch mit den Händen zu untersuchen. Die Schuppen waren glatt und warm, das gefiel ihm. "Ob du wohl auch wie ein Drache schreist?" Er schubste Yami aufs Bett, um das herauszufinden...
 

***
 

Slifers Anwesenheit motivierte die Feen und ihre Verbündeten stark. Die letzten Insekten sahen schließlich ein, dass sie unterlegen waren, und ergriffen die Flucht.

Exodia tat das natürlich nicht. Das fürchterliche Geschöpf hatte die Burg fast erreicht. Dass diese nur fliegenden Wesen zugänglich war, spielte da wohl kaum eine Rolle, ein Angriff mit ihrer Vernichtungsmagie, und es war aus. Yugi wünschte sich, Obelisk wäre da, der hätte sich im Nahkampf mit Exodia duellieren können. Aber sie mussten mit dem vorlieb nehmen, was sie hatten.

Appi bekam es ein bisschen mit der Angst, als Yugi einfach so auf Exodia zu flog. Vielleicht musste man ein Duellant sein, um sich das zu trauen. Der Drache wickelte sich mit seinem langen, roten Körper mehrfach um den Feind herum. Blacky auf Schattensturm und Dark flogen ihm nach, auch Weaver und Joan kamen ihnen zu Hilfe. Sie bauten sich in der Luft um das Monster herum so auf, dass sie zusammen mit Appi, der etwas entfernt von Exodias Kopf auf Yugis Nackenkamm hockte, ein Fünfeck bildeten.

"Appi, mach dich bereit! Wir brauchen fünf Leute hierfür!" rief Dark ihm zu.

Der Blonde war entsetzt. "Ich? Aber... ich weiß doch gar nicht..."

"Du musst einfach nur mit festhalten," erklärte Dark ihm. "Hab keine Angst, du bist in letzter Zeit viel stärker geworden." Er fing an, einen Spruch in einer altertümlich anmutenden Sprache aufzusagen.

Von seinem Zauberstab schoss ein Lichtstrahl hinüber zu Weaver, die es zwischen ihren Händen auffing, von ihr zu Blacky, dann zu Joan und schließlich zu Appi. Dieser fing das Licht mit seinem Zauberstab, und es kehrte zurück zu Dark, so dass sich nun zwischen ihnen ein Pentagramm gebildet hatte, in dessen Mitte sich Exodia befand. Der Zauberlehrling hielt seinen Stab verbissen fest, stellte jedoch fest, dass es nicht ganz so schwer war wie erwartet. Seine Magie wurde angezapft, was er bereitwillig zuließ. Exodia brüllte protestierend.

Indessen sprach Dark weiterhin Zauberformeln. Die anderen hatten in Konzentration die Augen geschlossen. Nach einer Weile war auch Blackys Stimme zu hören. Sie beschworen die Magie eine Weile zusammen, während Exodia gegen ihre Fesseln kämpfte und das Pentagramm aus Licht immer heller strahlte. Es wechselte jetzt schnell hintereinander schillernd die Farbe. Als Höhepunkt der Beschwörung schrieen die beiden Magier gemeinsam ein paar letzte Worte und entfesselten damit den Zauber. Die Welt explodierte in grellen Farben. Sogar die Luft zum Atmen schien von der Wucht weggeblasen zu werden. Yugi bekam am Rande mit, dass den Windungen seines Drachenkörpers kein Widerstand mehr entgegengebracht wurde. Er wollte fliegen, aber irgendwie hatte er keine Kraft mehr.

Das nächste, woran er sich bewusst erinnerte, war Setos Gesicht undeutlich über seinem, und er konnte seinen Geliebten auch körperlich spüren... "Schrei, roter Drache! Lass mich dein Gebrüll hören!" rief der Chef der Kaiba Corporation. Und Yugi erwachte mit einem Aufschrei.

Er saß im Bett, ließ sich aber sogleich seufzend zurücksinken. "Nicht schon wieder... immer erwache ich in einem Bett und weiß nicht genau, wie ich da hingekommen bin..." Hatte er nur geträumt, Slifer zu sein, oder hatte er sich einfach wieder zurückverwandelt? Er betrachtete seine rechte Hand im halbhellen Abendlicht. "Was zum..."

Yugi sprang nun doch auf und stellte fest, dass er ein bescheidenes Nachthemdchen trug. Er sah deutlich, dass sein Körper rot und auf der Brust schwarz geschuppt war, seine Finger- und Fußnägel waren Krallen! Schnell rannte er hinter den Wandschirm, wo er sich morgens immer wusch und wo er einen Spiegel an der Wand wusste. "Aaargh! Oh nein, hoffentlich geht das wieder weg!"

"Maaaann, mach nicht solchen Lärm!" beschwerte sich jemand. Das war natürlich Appi, den er wieder mal im anderen Bett übersehen hatte. Auch er trug nur so ein Hemd.

Yugi suchte nach seiner Kleidung, um seine Schuppen zu bedecken, aber vermutlich war sie der Verwandlung zum Opfer gefallen. Wenigsten hatte er die Schuppen nicht im Gesicht. Vorsichtshalber tastete er in seinen Haare, ob vielleicht Slifers Gehörn auf seinem Kopf war, aber es war nichts zu entdecken. Dafür stellte er fest... "Oh nein! Ich hab einen Schwanz!"

Appi gähnte vernehmlich. "Du bist doch ein ganzer Mann, oder? Klar hast du 'nen Schwanz."

"Den meine ich doch nicht!" rief der Kleinere hastig und trat dann langsam hinter dem Wandschirm hervor. "Sieh dir das an! Die Verwandlung ist nicht ganz verschwunden..."

Appi starrte ihn mit großen Augen an. "Das ist in der Tat erstaunlich. Und dazu gehört ein Schwanz? Zeig!"

"Nein!" Yugi hielt sich entsetzt die Hände ans Gesäß. "Er ist ganz klein!"

Doch der Blonde gab keine Ruhe und jagte Yugi durch das Zimmer, bis er ihn am Zipfel des Hemdes erwischte, das dadurch zerriss und ihm einen kurzen Einblick gewährte. Lachend ließ er dann von dem peinlich berührten Jungen ab. "So klein ist der doch gar nicht! Naja, der Drachenschwanz schon! Hahahahaaaa!"

Yugi spürte, dass all sein Blut in seinem Kopf sein musste. "Appiii! Das war gemein!" Er bedeckte sich mit den Resten des Kleidungsstücks so gut wie möglich, obwohl es darauf jetzt nicht mehr ankam. "Ähm... wo sind denn die beiden Großen hin?"

Appi blickte auf das leere Bett. "Nun... entweder schon auf oder... Obwohl, ist es noch derselbe Tag? Und... haben wir Exodia eigentlich besiegt?"

"Sonst wären wir wohl nicht mehr hier," vermutete Yugi. Er blickte aus dem Fenster. "Ist anscheinend gerade Abend, die Sonne muss erst vor kurzem untergegangen sein. Es ist noch hell. Lass uns nach ihnen suchen gehen. Vielleicht sind sie ja auch verletzt..."

Appi nickte zustimmend. Sie fanden in der Kleidertruhe die allgegenwärtigen weißen Gewänder und zogen jeder eins an. Ihre Zauberstäbe lehnten daneben an der Wand. Da sie nicht wussten, wie die Lage war, nahmen sie sie vorsichtshalber mit.
 

Anscheinend gab es aber keinen Grund zur Besorgnis. Sie trafen auf dem Gang einige Feen, die Tücher, Verbandsstoffe und Heilmittel in den Händen trugen und bei ihrem Anblick geradezu ehrfürchtig stehen blieben und sich höflich verneigten. Yugi war das ziemlich peinlich, während es Appi gelang, eine passende, würdevolle Mine aufzusetzen.

"Ich bin auf dem großen Götterdrachen geritten, die halten mich offenbar auch für einen Helden! Und dich erst! Außerdem haben wir geholfen, Exodia zu besiegen!" flüsterte er seinem kleineren Freund zu, als die Feen außer Hörweite waren.

"Was mit Exodia ist, wissen wir noch nicht," gab Yugi zu bedenken. "Allerdings machen die Leute hier nicht den Eindruck, als wären sie sehr besorgt..."

Sie erreichten schließlich den Hof und sahen, wie etliche Helfer die Reste von Insekten wegräumten, die noch herumlagen. Feen, Magier, ein paar wenige Krieger und einige Leute vom Friedenslicht-Orden arbeiteten Hand in Hand. Yugi sprach einen Mann an. Als dieser ihn erkannte, fanden die beiden Zauberschüler sich sogleich im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit wieder. Die Ordensmitglieder fielen sogar vor ihrem Avatar auf die Knie und versuchten, seine Füße oder zumindest den Saum seines Gewandes zu küssen. Yugi konnte nicht zurückweichen, ohne gegen jemanden zu stoßen, also musst er es geschehen lassen. Selbst Appi wurde das allmählich zuviel.

Es dauerte eine Weile, bis sie in Erfahrung bringen konnten, dass Blacky und Dark Exodia in irgendein Tier verwandelt hatten, aber von den Anwesenden wusste niemand etwas Genaues. Die beiden Magier waren sehr schwach und in einem speziellen Bereich der Burg untergebracht, wo sie sich erholen sollten. Appi und Yugi wollten natürlich zu ihnen, aber erst einmal mussten sie etwas zu essen finden - was sich nicht als zu schwierig erwies, denn alle rissen sich darum, ihnen zu helfen.

Ehe sie den Platz verließen, warf Yugi noch einen Blick zurück auf die Insektenteile, die übrig waren. Als Slifer hatte er sie einfach niedergemacht, und er konnte im Nachhinein keine Reue empfinden. Das erschreckte ihn, aber es war sicher besser so... immerhin hatte er seine Freunde retten können.
 

***
 

Sorc lief wie eine nervöse Katze auf und ab, während Malice scheinbar gleichgültig am Fenster lehnte und auf ein ganz normal aussehendes Land hinabblickte. Im Gegensatz zur allgemeinen Meinung wohnte nicht jeder Herrscher des Bösen in einem Schloss irgendwo im finsteren Tal. Aber was Sorc betraf, der hatte mehrere Stützpunkte, und vielleicht war ja auch so ein finsterer dabei.

"Ich kann nicht glauben, dass er Slifer schon wieder gerufen hat! Wie hat er das gemacht? Er kann nicht jedes Mal drei der stärksten Kämpfer opfern! Da hat natürlich sogar Exodia keine Chance. Ich war so sicher, dass er endlich seine Freunde aus der anderen Welt zu Hilfe rufen würde..." Sorc hatte sich regelrecht in Rage geredet. Oder er redete sich gerade die Wut von der schwarzen Seele, Malice war sich nicht sicher. Er wartete, bis sein Verbündeter mit seinem Monolog fertig war.

"Können wir jetzt vielleicht einen neuen Plan entwerfen?" schlug er dann vor. "Wir erreichen nichts, wenn wir über den fehlgeschlagenen alten lamentieren, obwohl es schon bedauerlich ist, nachdem wir so viel Aufwand dafür betrieben haben..."

Sorc riss sich zusammen. "Nun gut. Dann schlage ich vor, dass wir es nun mit etwas Einfachem versuchen." Er dachte über ein Beispiel nach, aber ihm fiel nichts ein. Schließlich machte er eine wegwerfende Geste und verließ den Raum.

"Wo gehst du hin?" rief Malice ihm entgeistert nach.

"Ich will mich vergnügen, vorzugsweise mit ein paar geilen Weibern oder Jünglingen. Komm mit oder lass es sein."

Der Blonde grinste und folgte ihm. "Aber was machen wir mit unseren Gegnern? Wir können sie doch nicht einfach in Ruhe lassen!"

"Geduld, mein Freund," lächelte der Hexer nun auf seine hinterhältige Art. "Unterschätze nie die Fähigkeiten des Chaos. Wir müssen ihm nur etwas Zeit geben. Und bis dahin beobachten wir ein wenig, um die Schwächen unserer Gegner zu ergründen."

"Ich kapier' nicht, was du meinst."

"Macht nichts. Aber glaub mir, die Zeit läuft für uns. Auch wenn wir nun unseren Gegnern Zeit geben, ihre Wunden zu lecken - was taktisch unklug sein mag - so wird die Zeit auch die Sehnsucht des Pharao nach seinem kleinen Bettgefährten steigern, nicht wahr?"

Malice lachte gehässig, als er das begriff. Sie mussten eigentlich kaum etwas unternehmen außer zu warten, bis entweder Yami oder Yugi etwas Dummes tat. "Ich habe mir aber schon vor einer Weile erlaubt, eine Vorsichtsmaßnahme einzubauen," bemerkte er. "Wie du weißt, war ich gut darin, mit Hilfe des Millenniumsstabes Leute zu manipulieren. In diesem Reich stehen mir aber noch ganz andere Mittel zur Verfügung."

Sein Begleiter hob eine Augenbraue. "Erzählst du es mir?"

Der andere gab sich nachdenklich. "Vielleicht später."

Gemeinsam begaben sie sich in die Gefilde der Festung, in der die dienstbaren Frauen und jungen Männer wohnten.
 

***
 

"Jungs, da seid ihr ja!" Skill flog den beiden am Eingang zum großen Gemeinschaftssaal förmlich entgegen. Seit er bei den Feen angekommen war, sah er nicht mehr wie ein Landstreicher aus, denn er trug ein sauberes Gewand und die Haare ordentlich gekämmt. Sein rechtes Bein war dick bandagiert, aber das schien ihn nicht weiter zu stören, starke Schmerzen hatte er offenbar nicht. "Ihr zwei habt euch ja wieder selbst übertroffen!"

Weaver tauchte auf und zog ihn am Ohr zu einem der Tische. "Du sollst dich hinsetzen! Dein Bein ist verletzt!"

Appi und Yugi folgten ihnen. Hunger hatten sie nicht mehr, denn ihre Verehrer hatten sie bereits reichlich bewirtet. Hier waren keine Angehörigen des Friedenslicht-Ordens anwesend und es fand auch gerade kein Essen, sondern eine Lagebesprechung in kleineren Gruppen statt. Verwandte und Freunde informierten einander über das Befinden ihrer Lieben. Zerato saß mit drei seiner Sendboten an einem anderen Tisch und redete bei einem Becher Wein mit ihnen. Merkur fehlte. Entweder hatte er etwas zu tun oder er war verletzt.

Einige der Magier aus Darks Burg waren auch da, und eine Gruppe von Feen, die Yugi vom Sehen kannte. Nach einer Weile wurden sie auf den Jungen aufmerksam, zeigten auf ihn und standen auf, um seine roten Schuppen aus der Nähe zu bewundern. Doch Weaver scheuchte sie alle energisch weg. Endlich konnten sie in Ruhe reden.

"Du hast den Kampf anscheinend unbeschadet überstanden," stellte Appi fest.

"Was man von meinem Jungen nicht behaupten kann, ich habe immer gesagt, dass diese Magie schädlich ist," seufzte die Fee.

Sie ersparten sich eine Diskussion mit ihr über dieses Thema. "Wo sind Blacky, Dark und Joan?" fragte Yugi statt dessen.

"Joan schläft noch, ihr ist aber nichts passiert," gab Weaver Auskunft. "Auch Dark und Blacky sind nicht verletzt, aber sie haben ihre Kräfte zu sehr strapaziert, so dass es fast ihre Leben gekostet hätte."

Yugis Augen verengten sich. "Warum hast *du* nicht mehr von *deiner* Kraft geopfert, wenn du so besorgt um deinen Sohn bist? Du bist schließlich eine der mächtigsten Feen, die ich kenne!" Die Worte waren heraus, ehe er wusste, was er sagte. Aber im Nachhinein bereute er sie nicht.

"Was fällt dir ein?" fuhr sie ihn an. "Auch ich war nach dem Kampf bewusstlos, falls es dich interessiert! Aber ich habe mich wieder aufgerafft, um den anderen zu helfen!"

"Sie wären auch ohne dich klargekommen, wenn du nicht hättest helfen können. Aber Dark und Blacky hätten sich nicht selbst so aufopfern müssen, wenn sie mehr Energie von dir bekommen hätten! Dark hätte nie so etwas von dir verlangt, deshalb hättest du selbst mehr geben müssen! Für ihn ist es nämlich selbstverständlich, bis an seine Grenzen zu gehen - und sogar noch weiter!"

"Schieb nicht mir die Schuld in die Schuhe! Ich habe mich genauso an dem Kampf beteiligt wie die anderen auch!"

Beide waren im Affekt aufgesprungen und keiften sich über den Tisch hinweg an. Yugi war sich vage bewusst, dass er etwas für ihn einigermaßen Untypisches tat. Aber das lag wohl nur daran, dass bisher immer Yami übernommen hatte, wenn er wütend wurde. Da das jetzt nicht ging, musste sich die Fee dem Zorn dessen stellen, der normalerweise als der Harmlosere von beiden galt. In Wahrheit war Yami einfach nur eher bereit, zu tun, was offensichtlich getan werden musste, um zu gewinnen. Er konnte selbstbewusster auftreten und scheute sich nicht, ein Risiko einzugehen. Aber manchmal war es Yugi, der ihm die Kraft dazu gab, nicht aufzugeben.

Appi lehnte sich lässig mit dem Rücken gegen den Tisch, sich mit den Ellenbogen abstützend. "Gib es auf, Lady, gegen einen Drachen kommt du eh nicht an!"

"Halt du dich mal schön da raus!" ging Weaver auf ihn los. "Er hat uns vielleicht alle gerettet, und ich bin gewiss nicht undankbar, aber deshalb kann er sich hier nicht alles erlauben!"

"Ich gehe jetzt zu Blacky und Dark! Komm mit, Appi!" beschloss Yugi und stapfte, begleitet von mehreren Augenpaaren, aus dem Saal.

Appi folgte ihm, obwohl es ihm nicht passte, dass Yugi ihm das so einfach befohlen hatte, doch er sah es ihm nach. Früher hätte er das wohl nicht getan, aber die letzten Tage in der Gesellschaft dieses Jungen hatten ihn mehr verändert als Jahre des Magiestudiums. Er kam sich vor wie in der Rolle des besten Freundes des Helden, den es neben dem Mentor und dem Feind in so vielen Geschichten gab. Naja, er hätte es schlechter treffen können. Vielleicht war er ja auch ein gleichwertiges Mitglied in einer Gruppe von Helden? Aber dann gefiel ihm die erste Möglichkeit besser, da war die Chance geringer, in der Gruppe an den Rand gedrängt zu werden.

"Hey, Appi!"

"Was?"

"Ich hab dich schon zum dritten Mal gefragt, ob du weißt, wo Dark und Blacky sein könnten!"

Der Blonde war einen Moment verwirrt, dann hatte sein Gehirn die Frage verarbeitet. "Nein, ich war noch nie zuvor hier."

Yugi nahm das mit einem Nicken zur Kenntnis. Er ging einfach weiter den Gang entlang, und kurz darauf erschien Kuriboh aus einem Seitengang. Das Fellknäuel hatte Mava und Neo im Schlepptau.

Appi freute sich, seine Brüder zu sehen und fragte sie sogleich nach dem Rest der Familie aus. Aber sie waren selber noch nicht dahinter gekommen, wohin man Gerfried und Freed gebracht hatte.

"Als ich Vater zuletzt sah, war er verwundet, konnte aber noch laufen. Dann musste ich mich auf andere Dinge konzentrieren," erzählte Mava. Er hatte einen Verband am Kopf, aber sonst keine sichtbaren Verletzungen.

Neo dagegen trug den linken Arm in einer Schlinge und hatte einen hässlichen Kratzer auf dem rechten Handrücken. Er bewegte sich vorsichtig, was darauf schließen ließ, dass unter seiner Kleidung weitere Wunden verborgen waren. Ein Paar Verbände lugten unter dem Gewand hervor. Aber sein Gesicht war in Ordnung, wäre auch schade drum gewesen.

"Wir suchen Dark und Blacky," eröffnete Yugi ihnen.

Mava und Neo tauschten Blicke aus. "Haben sie sie nicht in euer Zimmer gebracht? Wir beide waren jedenfalls gerade auf der Suche nach euch, um euch nach ihnen zu fragen. Das trifft sich ja gut."

"Ja, ich wollte auch gerade Kuriboh suchen, aber er taucht ja immer auf, wenn man ihn braucht, trifft sich echt gut," bestätigte Yugi. "Kuriboh, bring uns dahin, wo Blacky und Dark sind!"

"Huuuh!" machte Kuriboh und flog eifrig voraus.

Das kleine Pelzbüschel führte sie über Treppen und Gänge nicht nur in die Tiefen der Burg, sondern scheinbar auch tief unter die Erde. Yugi wurde an seine Expedition in das Eisgebirge erinnert. In diesen Gefilden, wo nie die Sonne hinkam, war es entsprechend kalt. Die Magier frohren ein bisschen in ihren luftigen Gewändern. Mava, Neo und Appi erschufen Lichtkugeln, die nicht nur die finsteren Gänge ausleuchteten, sondern auch wärmten. Yugi gelang es nach ein paar Versuchen ebenfalls, was ihn sehr freute.

Die Gänge wurden immer enger, und alle vier hatten längst vergessen, um wie viele Biegungen sie gekommen waren und an welcher Abzweigung sie welchen Weg genommen hatten. Vielleicht befanden sie sich schon gar nicht mehr unter der Burg. Der kalte Boden unter ihren nur in Sandalen steckenden Füßen war ausgetreten wie von Jahrhunderten der Benutzung, obwohl man meinen sollte, dass so tief hinunter selten jemand kam.

Letztendlich gelangten sie in eine riesige Tropfsteinhöhle. Die vier Magier betrachteten die Formationen staunend, als ihre Lichtkugeln hoch über ihre Köpfe flogen und ihre Helligkeit weitläufig verteilten. Dieser Ort musste uralt sein, viele der Tropfsteine waren von der Decke aus mit ihrem von unten hoch wachsenden Partner zusammengewachsen und bildeten dicke Säulen. Es roch nach kühlem, mineralstoffhaltigem Wasser. Geräusche von herunterfallenden Tropfen waren leise zu hören, manchmal klang es, als fielen sie in einen unterirdischen See. Kuriboh flog ihnen weiter voraus, nachdem sie eine Weile dagestanden und geschaut hatten. Ehrfürchtig die verschiedenen Tropfsteine bewundernd, gingen sie ihm nach. Alle konnten sie Magie an diesem Ort spüren, die so alt war wie die Welt selbst.

Plötzlich blieb Neo, der als Erster ging, ruckartig stehen. "Leute..." Er zeugte auf einen besonders dicken Tropfstein, und sie erkannten, dass er die Gestalt eines menschlichen Wesens hatte - vielleicht einer Fee.

Mava hob eine Augenbraue und ging näher heran. "Vielleicht hat sich hier nur ein Künstler verewigt..."

Der Tropfstein sah aber so aus, als sei er nie so dick gewesen, als dass man so eine große Figur daraus schnitzen konnte. Sie war etwas größer als Yugi. Ob es ein Mann oder eine Frau war, war schwer zu sagen.

Als der Lichtmagier eine Hand auf das Material legte, zuckte er entsetzt zurück. "Das Wesen lebt! Wie schrecklich, was ist das hier? Ein ritueller Opfertempel?"

Sie blickten sich etwas genauer um und fanden weitere Tropfsteine, in die lebende Geschöpfe eingeschlossen waren. Schockiert von ihrer Entdeckung, wagten sie es nicht, auszusprechen, was sie alle befürchteten. Doch schon bald mussten sie sich der schrecklichen Wahrheit stellen.

Appi schrie erschrocken auf, als er den Tropfstein erblickte, obwohl er mit dem Anblick gerechnet hatte. Dennoch hatte ihn nichts wirklich darauf vorbereiten können. Schon waren die anderen an seiner Seite und starrten fassungslos in dieselbe Richtung. Eine sehr dicke Tropfsteinsäule verbarg einen Großteil der beiden Gestalten; die Gesichter, die sie einander zugewandt hatten, verschwanden im Stein. Aber bei der Art, wie sie sich gegenseitig hielten, die schlanken, offenbar unbekleideten Körper Haut an Haut, das lange Haar auf dem Rücken des Größeren, konnte es keinen Zweifel geben. Dark und Blacky waren dem zum Opfer gefallen, was auch die anderen Wesen hier gefangen hielt.

Yugi sackte fassungslos in die Knie. Waren seine beiden Freunde nun für immer verloren, dazu verdammt, auf ewig hier unten eingeschlossen zu sein?
 

***

Fortsetzung folgt.

Lucrandas Lehren

Kapitel 33: Lucrandas Lehren
 

Neo, Mava, Yugi und Appi waren alle gleichermaßen erschüttert. Sie standen in der Tropfsteinhöhle, starrten ihre in Tropfstein eingewachsenen Freunde an und wussten nichts zu sagen. Niemand traute sich zu fragen, ob sie wohl je wieder dort heraus kamen. Mava hatte bereits festgestellt, dass die Wesen, die hier unten gefangen waren, alle noch lebten, also galt das wohl auch für Dark und Blacky. Aber das machte es umso schlimmer, wenn sie dazu verdammt waren, für immer gefangen zu bleiben.

Kuriboh flog in der Luft vor ihnen herum und machte Geräusche, als wollte er sie aufmuntern. Vielleicht wollte er ihnen auch etwas sagen, aber sie verstanden ihn natürlich nicht.

"Wir können hier nicht ewig stehen bleiben, sondern sollten jemanden fragen, was das hier ist," meinte Mava irgendwann.

"Den ganzen Weg zurück gehen?" Neo seufzte. "Das ist echt weit. Aber zugegeben, hier wird es mir zu kalt, als dass ich hier warten möchte..."

"Können wir nicht Kuriboh schicken, damit er jemanden holt?" schlug Yugi vor.

"Und wenn er dann nicht zurückkommt und wir den Weg nicht finden?" entgegnete Appi wenig begeistert. "Dann hocken wir hier fest oder wir verirren uns auf dem Weg nach oben."

"Kuriboh wird uns sicher nicht im Stich lassen," verteidigte Yugi das kleine Monster, das daraufhin bestätigende Laute von sich gab und auf und ab hüpfte.

"Seid mal leise!" unterbrach Neo. "Hört ihr das auch?"

Alle verstummten und horchten. Es klang entfernt wie schlurfende Schritte, die sich aus dem hintersten Winkel der Höhle langsam ihrem Standort näherten.

"Meint ihr, das ist das Wesen, das die Leute in die Steine sperrt?" flüsterte Mava. "Appi, leih mir mal deinen Ring! Neo, Yugi, krieg ich eure Schwarzen Anhänger?"

"Nein!" zischten alle drei einvernehmlich zurück.

Das Ding schien jetzt ganz nah zu sein, und dann konnten sie durch ein paar Säulen hindurch einen gedrungenen Schatten sehen.

"Lasst uns abhauen!" schlug Appi vor. Seine Stimme klang leicht panisch.

Das Ding kam um die Ecke und bewegte sich nun direkt auf sie zu. Es war eine Gestalt in einer dunklen Kutte mit tief ins Gesicht gezogener Kapuze. Sie trug einen Stock bei sich und eine Laterne.

"Der Schnitter! Nichts wie weg!" rief nun auch Neo.

Yugi und Mava hatten gewiss keine Einwände. Aufschreiend rannte die Gruppe aus der Tropfsteinhöhle, ohne auf den Weg zu achten. In ihrer Furcht erloschen die Lichtkugeln, da sie ihre Konzentration verloren. Sie folgten einfach nur den Wänden, stolperten über Treppen, rannten durch mehrere Gänge und blieben schließlich keuchend stehen.

Mava war als Erster wieder in der Lage, Licht zu machen. Er erschuf aber nur ein kleines, das er mit den Händen abschirmte. "Haben wir es abgehängt? Verflixt, wo ist Kuriboh? Wir haben uns bestimmt komplett verirrt und kommen ohne ihn nie mehr hier raus!"

"Hör auf mit der Schwarzmalerei, Bruder!" ächzte Appi.

"Hey, Neo, zupf nicht dauernd an meinem Gewand," beschwerte Yugi sich.

"Aber ich bin doch hier hinter Mava!" meinte der Schwertkämpfer und sah Yugi über die Lichtkugel hinweg fragend an.

Yugi drehte sich ahnungsvoll um. Eine gebeugte Gestalt, deren schrumpeliges Gesicht vom Schein einer alten Laterne in ein unheimliches Schattenspiel getaucht wurde, blickte zu ihm auf. "Avatar!" krächzte eine Stimme von der Qualität eines Reibeisens.

Der Junge wich schreiend zurück, stieß Appi dabei um, der wiederum seine beiden Brüder anrempelte, bis sie alle auf einem wirren Haufen lagen. Mavas Licht verabschiedete sich. Sie versuchten zu entkommen, aber sie behinderten sich gegenseitig dabei.

Auf einmal hörten sie die alte Stimme herzlich lachen. Wirklich, es klang nicht schauerlich, sondern amüsiert und gutartig. Überrascht hörten sie mit ihren Fluchtversuchen auf und starrten ihr Gegenüber im fahlen Schein der Laterne an.

Eine Greisin kam unter der Kapuze hervor. "Was haben wir denn da, vier junge Burschen, einer von ihnen der Avatar des roten Gottes, von dem alle sprechen! Welch Glanz in diesen finsteren Gängen! Meistens kriege ich nur Frauen zu Gesicht!" Sie kicherte vieldeutig.

"Äh... was willst du von uns und wer bist du eigentlich?" brachte Yugi hervor. Da er auf den drei anderen lag, fühlte er sich genötigt, die Sprecherrolle zu übernehmen.

"Ich bin Lucranda, die Hüterin des Heiligtums. Folgt mir lieber, wenn ihr nicht in diesem Labyrinth verloren gehen wollt." Sie entfernte sich mit ihrem Licht. Die Magier beeilten sich, ihr zu folgen.

"Lucranda? Gibt es nicht in unseren Geschichtsbüchern eine berühmte Fee, die so hieß?" grübelte Mava.

"Aber die hat vor über 2000 Jahren gelebt! Selbst Feen sind nicht unsterblich!" meinte Neo. "Allerdings... leben sie ganz schön lange..."

Das war offensichtlich, wenn es sich bei ihrer Begleiterin wirklich um jene Fee handelte. Sie gingen nicht allzu lange, ehe sie wieder in der Tropfsteinhöhle waren. Appi erschuf eine besonders große Lichtkugel.

"Was ist das für ein Heiligtum?" wollte Yugi wissen, der noch immer fürchtete, seine beiden Freunde hier verloren zu haben.

Lucranda führte sie durch die uralten Formationen hindurch. "Dies ist eine Manifestation der Heilkraft der Erde selbst. Hierher werden Feen gebracht, die im Kampf oder durch Krankheit so sehr geschwächt wurden, dass ihre Überlebenschancen sonst zu gering wären. An diesem Ort können sie die Energie von allem, was ist, in sich aufnehmen und sich heilen. Wir sind die Welt. Die Welt ist wir. Alles ist eins."

Das war etwas sehr kryptisch, aber sie verstanden es in etwa. "Heißt das, die Leute hier unten werden alle wieder aus den Säulen herauskommen und normal weiterleben?" hakte Yugi nach. Er fühlte sich sehr erleichtert, wollte aber zur Sicherheit lieber noch einmal die Bestätigung haben.

Lucranda lachte heiser. "Natürlich, ihr braucht keine Angst zu haben. Jedoch kann nur eine Fee diese Magie nutzen. Andere Wesen sind sich des magischen Flusses der Erde nicht genügend bewusst. Feen leben im Einklang mit dem kosmischen Gleichgewicht."

"Äh, ich will Euch ja nicht widersprechen, weise Frau, aber Blacky und Dark sind keine Feen," warf Appi ein.

Sie waren vor dem Tropfstein, in dem die besagten Magier eingeschlossen waren, angelangt. Jetzt konnten sie sehen, dass die Säule ganz nass war von langsam fließendem Wasser.

"Dark ist halb Fee, aber Blacky nicht," ergänzte Yugi.

Die Alte lachte wieder. "Kinder, Kinder, wenn die Unterscheidung mal so einfach wäre! Dieser blauhäutige Junge hat mehr Ahnung von den Zusammenhängen der Welt, als man von einigen Feen erwarten würde. Ganz einfach deshalb, weil er nicht alles hinterfragt, sondern schlichtweg als gegeben hinnimmt. Chaosmagier werden von vielen Feen abgelehnt, weil sie angeblich zu impulsiv handeln und alle Ordnung vernichten. Aber ein Chaosmagier bedient sich immer der Mittel, die ihm für seine Zwecke zur Verfügung stehen und seinen Fähigkeiten entsprechen. Er fragt nicht nach der Logik, zweifelt nicht an der Möglichkeit. Er tut es einfach, und so überwindet er Hindernisse, die für andere nur bestehen, weil ihnen ihre Zweifel im Weg sind. Davon abgesehen hat dieser hier eine Willenskraft, die für zwei reicht."

Die vier Magier hatten gebannt zugehört, doch der Vortrag war noch nicht beendet. "Ihr hättet die beiden sehen sollen, als sie herkamen," fuhr die Hüterin fort. "Sie waren eigentlich viel zu schwach, dennoch erreichten sie diesen Ort, als würde er sie rufen. Keiner von beiden reagierte auf meine Worte. Sie stützten sich gegenseitig und wankten wie Schlafwandler genau auf diese Säule zu. Meine jungen Gehilfinnen wollten sie aufhalten, weil sie keine Feen sind. Hätte einer von beiden in diesem Moment gezweifelt, wären sie wahrscheinlich beide vor Erschöpfung gestorben. Ich kann das Band zwischen ihnen deutlich spüren. Sie vertrauen einander bedingungslos und können praktisch nur zusammen existieren. So etwas gibt es selten. Die Mutter des Feenjungen sollte froh sein, nicht betrübt."

"Das stimmt allerdings," kam Yugi nicht umhin zu bemerken. "Wie lange wird es dauern, bis sie den Stein wieder verlassen können?"

Lucranda hob die Schultern. "Woher soll ich das wissen? Bei zwei Feen, die dermaßen erschöpft sind, würde ich sagen, etwa dreißig Tage. Aber Feen gehen nicht so großzügig mit ihrer Magie um, weil sie immer daran denken, dass sie mit der Welt eins sind. Ihrer Ansicht nach darf man diese Verbundenheit nicht rücksichtslos ausnutzen. Magier haben eine andere Weltanschauung. Viele beuten die Kräfte des Universums einfach nur aus und wundern sich dann, warum sie ihnen so begrenzt zur Verfügung stehen. Wenn ihr mächtige Magier sein wollt, müsst ihr euch darüber im Klaren sein, dass ihr nur ein unbedeutendes kleines Licht seid. Ihr müsst die Magie bitten, euch zu dienen, statt zu verlangen, dass sie sich euch unterwirft. Die mächtigsten Magier sind deshalb so stark, weil sie nicht ständig um die Herrschaft über ihre Macht kämpfen müssen, sondern sich einer willigen Kraftquelle bedienen können. Aber die wenigsten sind sich dessen bewusst. Natürlich ist auch ein starker Wille wichtig, sonst könnt ihr die kosmischen Kräfte nicht kontrollieren."

Mava, Neo, Yugi und Appi tauschten erstaunte Blicke aus. So kompliziert und gleichzeitig einleuchtend hatten sie es noch nie gehört. Vielleicht wussten auch Dark und Blacky das nicht, oder sie fanden es im Moment noch zu früh, es ihren Schülern zu sagen.

Lucranda führte sie aus einem anderen Höhlengang hinaus ins Freie. Staunend sahen sie die Feenburg in einiger Entfernung als Silhouette auf einem Berg vor dem inzwischen dunklen Himmel. Die Nacht war draußen wärmer als in der Höhle. Sie fanden eine einfache Hütte vor, in der die alte Fee alleine lebte. Anscheinend war sie sehr angetan von den vier interessierten jungen Magiern, als hätte sie lange niemanden mehr gehabt, der ihr reichhaltiges Wissen erfahren wollte.

"Dieser Junge, Dark... den kenne ich schon von klein auf. Seine Mutter brachte ihn zu mir, als er zum ersten Mal geäußert hatte, dass er wie sein Vater ein Magier werden wolle," plauderte sie, während sie eine Suppe über einem einfachen Kaminfeuer aufwärmte. "Weaver hoffte, dass ich ihm das ausreden würde. Sie ließ ihn allein bei mir, damit ich ihn so einschüchtere, dass er seinen Plan aufgibt. Anfangs fürchtete er mich, wie die meisten Kinder heutzutage. Aber als Weaver ihn nach drei Tagen holen kam, wollte er noch länger bleiben. Er war ganz fasziniert von meinen Lehren..."

Das waren ihre vier jetzigen Besucher auch. Sie gaben sich keine Mühe, das zu verbergen, und so redete die Alte erfreut weiter. Besonders Mava war angetan von ihr. Während sie ihre Suppe aßen, erzählte er von seiner Gabe, die sich in letzter Zeit eher als Fluch erwiesen hatte. Lucranda hörte ihm aufmerksam zu und erklärte ihm dann, dass er bei einer solchen Gabe nicht alles seinem eigenen Körper aufbürden dürfe, sondern sich auf den Rückhalt anderer Kräfte verlassen müsse. Schließlich käme die zusätzliche Angriffsstärke ja auch nicht nur aus ihm selbst, sondern durch die magischen Artefakte. Da sein Element das Licht war, sollte er auf die Magie zurückgreifen, die dem Licht innewohnt.

An dieser Stelle kamen Yugi, Appi und Neo bei den Einzelheiten nicht mehr ganz mit. Sie hörten zu, konnten aber nicht recht folgen. Mava dagegen schien regelrecht erleuchtet zu werden. Mit staunend geweiteten Augen hing er an ihrem schrumpeligen Mund und vergaß darüber sogar sein Essen. Er unterhielt sich noch mit der weisen Fee, als diese den anderen bereits ein einfaches Schlaflager hergerichtet hatte und sie im Schlaf all die neuen Informationen verarbeiteten.
 

***
 

Yami und Seto standen am Montag sehr früh auf, da sie sich etwas wegen seiner Schuppen einfallen lassen mussten. Seto zog sich rasch an, borgte seinem Geliebten ein paar Sachen und fuhr ihn dann nach Hause, wo er ihn höchstpersönlich in die Schuluniform steckte. Wegen der Krallen waren ihm die Schuhe etwas eng, deshalb schickte der Firmenchef seinen Chauffeur los, um welche in einer Nummer größer zu kaufen. Nagelschere und Feile hatten leider nur bedingt geholfen. Davon abgesehen fand Seto es schade, einen Drachen zu verstümmeln.

Die Zacken auf dem Rücken zeichneten sich unter der Jacke ab, was nicht gerade unproblematisch war. Letztendlich wickelte Seto Yami einen Verband um den ganzen Leib, so dass die Teile flachgedrückt wurden. Das war etwas unbequem, aber nicht zu ändern. Für den Hals fand Yami ein Shirt mit einem engen Bund am Hals, der genau mit dem Halsband abschloss, das er anlegte. Blieben die Hände. Da war nun wirklich nicht viel zu machen. Schon am Abend - nachdem er sich mit seinem roten Drachen vergnügt hatte - hatte Seto sich abgemüht, die zu Krallen gewordenen Fingernägel zu stutzen. Sie waren ziemlich hart und es wurden anstrengende Stunden des Feilens. Jetzt sahen sie einigermaßen vernünftig aus, wenn man nicht zu genau hinsah. Was die Schuppen auf den Handrücken betraf, da blieb ihnen nichts anderes übrig, als die beiden Hände zu verbinden und sich irgendeine Geschichte auszudenken.

"Es wäre fast einfacher, du würdest gleich zu Hause bleiben, aber dann fällt wieder ein schlechtes Licht auf dich," überlegte Seto.

"Auf Yugi, meinst du wohl. Wenn es nicht er wäre, den es trifft, wäre mir das vollkommen egal..."

"Streng dich an. Dann kann dir keiner etwas vorwerfen. Du kannst halt nicht immer nur die Welt retten."

Yami nickte bloß, schnappte sich die Schultasche und ging zur Limousine. Seine erste Schulwoche war ja nun nicht gerade rühmlich verlaufen, da freute er sich keineswegs auf die nächste. Aber er würde sich zumindest Mühe geben. Irgendwann würde er sich schon daran gewöhnen... allerdings hoffte er, dass er das nicht musste. Ohne Yugi war es ganz schön einsam. Zwar war Yugi im Grunde nur verreist, wenn man es mal beschönigend ausdrücken wollte, aber dass man nicht wusste, wann er zurückkehrte, war etwas lästig. Und während Yami sein Bestes tat, um das Leben seines Geliebten auf die Reihe zu bekommen, musste er ständig daran denken, was der andere wohl gerade durchmachte. Besonders, nachdem er nun ein halber Drache war.
 

Der Schultag gestaltete sich friedlich. Da die Freunde sowieso alle mehr oder weniger von Wespenstichen gezeichnet waren, erzählten sie von ihrem Unfall mit dem Wespennest und behaupteten, dass Yami mehrfach in die Hände gestochen worden war und die Stellen sich entzündet hätten. Seto ließ sich da einige sehr medizinisch klingende Erklärungen einfallen, die im Grunde nur hießen, dass seine Hände Rötungen aufwiesen. Aber natürlich fragten die Lehrer nicht nach.

Joey, Thea, Ryou und Tristan hatten sich vor der Schule aus Solidarität einige Pflaster ins Gesicht und an die Hände geklebt, obwohl es nicht bei allen wirklich etwas zu verdecken gab. Seto hatte sich Hals und Hände verbunden, die ja tatsächlich zerstochen waren. Die halbwahre Story klang demnach für alle plausibel, es überraschte die Mitschüler nur, dass Seto bei Yami übernachtet hatte. Dabei hatten sie allmählich mitbekommen, dass er sich der Truppe angeschlossen hatte.

Frau Morikawa ließ Yami an diesem Tag dann auch in Ruhe, wofür sie alle dankbar waren. Aber sie verkündete, dass sie ein englisches Buch behandeln wollte, und die Schüler sollten sich bis morgen überlegen, welches. Yami wurde schlecht bei dem Gedanken, ein englisches Buch lesen zu müssen, aber er hatte ja außer seinen Freunden noch Großvater, der ihm sicher gerne dabei half.

"Trägst du eigentlich diese Millenniumskette noch?" fragte Tristan in der Pause, als sie alle zusammen unter einem Baum saßen.

Yami holte sie aus seiner Jackentasche. "Die Ärzte haben sie mir abgenommen, seither hatte ich sie nicht mehr um. Aber ich habe sie immer bei mir." Er steckte die Kette wieder weg, nahm das Millenniumspuzzle in beide Hände und betrachtete es wie einen lieben Freund. "Yugi scheint es zur Zeit gut zu gehen... Es ist schade, dass ich schlimme Dinge deutlicher spüren kann, aber ich denke, er ist in Ordnung und sogar ganz zufrieden..."

"Diese Drachengestalt von dir stellt offenbar Slifer dar. Wenn er im Spiel ist, gab es vielleicht einen Kampf, den Yugis Seite gewonnen hat," überlegte Thea.

Die anderen stimmten ihr zu. "Yugi war schon immer sehr mutig, wenn es darauf ankam," meinte Joey, der sich an einen Tag erinnerte, an dem Yugi ihn und Tristan gegen einen brutalen Schläger verteidigt hatte - obwohl er dabei selbst verletzt worden war.

"Ich freue mich schon darauf, von seinem Abenteuern zu hören!" warf Ryou ein. "Der hat bestimmt total abgefahrene Sachen erlebt. Ich wünschte nur, wir müssten uns nicht solche Sorgen machen."

"Jedenfalls dürfen wir bis zu seiner Rückkehr nicht unsere Zeit verschwenden. Yami, lern deine Vokabeln!" ordnete Seto halb ernst an.

"Jawohl," antwortete Yami und vertiefte sich demonstrativ in sein Englischbuch, was die anderen zum Lachen brachte.

"Gib ihm ne Auszeit, Kaiba, nicht jeder ist so ein Arbeitstier wie du!" meinte Joey und klopfte dem Braunhaarigen kumpelhaft auf die Schulter.

"Au!" machte Seto, ehe er es sich verkneifen konnte. "Nimm deine Flossen weg, du wandelnde Katastrophe!"

"Ups, ich vergas, du hast ja da überall Wespenstiche!" erinnerte Joey sich, konnte sich aber ein fieses Grinsen nicht verkneifen. "Man kann sich aber auch anstellen, so doll hab ich doch gar nicht zugeschlagen!"

Seto errötete bis an die Haarwurzeln, während Yami sich hinter dem Buch versteckte. "Nach letzter Nacht..." begann Seto, "...sind da nicht mehr nur Wespenstiche," beendete Yami.

Tristan, Tea, Joey und Ryou starrten die beiden mit offenen Mündern an. Seto holte sein eigenes Englischbuch hervor und hielt es ebenfalls vor sein Gesicht.

Joey fand als Erster seine Sprache wieder. "Genau, wir wollten ja noch wissen, wie es war! Los, raus damit!"

Seto musste trotz der Peinlichkeit der Situation leise kichern. "Wheeler. Was erwartest du? Ich habe mit einem Drachen geschlafen. Das ist etwas, was du niemals überstehen würdest, du Straßenköter."

Tristan blickte von ihm zu Yamis mit Krallen bewehrten Händen, dann wieder zu Kaiba. "Du meinst..."

Seto seufzte theatralisch, legte sein Buch aus der Hand und streifte seinen linken Ärmel bis zum Ellenbogen hoch. Vier unterschiedlich tiefe Kratzer kamen zum Vorschein. Der, welcher vermutlich vom Mittelfinger stammte, sah wirklich fies aus, während der äußere viel feiner war. Dennoch musste diese Nacht für den jungen Mann ziemlich schmerzhaft gewesen sein, wenn er so etwas noch an mehreren weiteren Körperstellen hatte.

Joeys rechte Augenbraue zuckte, er grinste schief. "Tjaaa... das ist wohl der Preis, den man zahlt, wenn man Drachen so vergöttert wie du..."

"Ich war echt erschrocken, als wir fertig waren und ich sah, was ich angerichtet hatte," ließ sich Yami von hinter dem Buch vernehmen. "Das an dem Arm ist noch harmlos. Wir hatten leider keine Verbände mehr dafür übrig, weil wir so viele für mich brauchten."

"Jedenfalls haben wir heute beide einen verbundenen Oberkörper," ergänzte Seto, der sich einigermaßen unter Kontrolle bekommen hatte. Er bedeckte die Kratzer wieder mit dem Ärmel. "Meine Angestellten werden inzwischen neue Bandagen besorgt haben."

"Mann... das ist echt hart," kommentierte Tristan, da ihm nichts Besseres einfiel.

"Wer hätte gedacht, dass Seto so weit gehen würde..." murmelte Thea. "Wenn man bedenkt, dass er vor nicht allzu langer Zeit nichts von Magie und sowas wissen wollte..."

"Pah..." Seto machte eine wegwerfende Handbewegung. "Nur weil ich mein Leben nicht nach Horoskopen ausrichte und nicht dauernd vom Schicksal spreche, muss es nicht heißen, dass ich alles mit der Wissenschaft erklären will, sonst könnte ich nicht mit Yami und Yugi zusammen sein, sondern würde davon ausgehen, dass Yugi schizophren ist."

"Wieso denkst du das eigentlich nicht?" fragte Joey neugierig nach.

Seto verschränkte die Arme hinter dem Kopf und lehnte sich mit einem überheblichen Grinsen gegen den Baumstamm. Herausfordernd sah er den Blonden an. "Hast du etwa noch nie einen Geist gesehen, Wheeler?" Er lachte, als hätte er gerade im Duell triumphiert.

Die anderen seufzten schicksalsergeben.
 

Nach der Schule traf sich Tristan noch mit Marik und ein paar anderen Jungs von der Motorradrallye. Als er später bei Mutous zu Hause auftauchte, wo Großvater gerade eine Runde Duel Monsters gegen Seto verlor, hatte er nicht nur den Ägypter, sondern auch Valon im Schlepptau. Dieser hatte eine Einladung für die Truppe.

"Ich habe meinem Chef von euch erzählt, er möchte euch gerne kennen lernen und lädt euch deshalb zum Essen ein. Er spielt nämlich auch Duel Monsters. Passt es euch heute Abend? Wir müssen dann wieder nach Amerika abreisen."

Yami, der den Neuankömmlingen die Tür geöffnet hatte, nahm den Brief mit der Einladung von Valon entgegen. Kaum dass er den Brief berührte, blitzten seltsame Bilder in seinem Geist auf: Eine unbekannte, brennende Stadt. Ein Drache, der auf einen großen, undefinierbaren Schatten zuflog. Das Gefühl eines schwerwiegenden Verlustes...

Yami brauchte nicht nachzusehen. Er wusste, dass die Millenniumskette in seiner Tasche aufleuchtete. Alles ging jedoch so schnell, dass die anderen so gut wie nichts merkten. Während er die Besucher hereinbat, öffnete er den Brief. "Ich fürchte, ich kann heute nicht. Ich war gesundheitlich sehr angeschlagen in den letzten Tagen, und vielleicht haben dir Marik und Tristan von meinem neuesten Unfall erzählt. Die Ärzte halten es für besser, wenn ich mich so wenig wie möglich anstrenge."

"Ist ja echt schade," meinte Valon. Er wandte sich an Marik und Tristan. "Ihr kommt doch, oder? Und vielleicht Joey und Thea? Oder Seto, Ryou?"

"Ich hab schon was mit meinem Bruder vor, sorry," behauptete Kaiba. "Habt ihr etwa alle vergessen, dass ihr uns begleiten wolltet? Ihr habt es versprochen."

Davon wussten sie zwar nichts, aber die Freunde schalteten schnell.

"Oh nein, sowas Dummes, daran habe ich gar nicht mehr gedacht," rief Tristan aus.

"Schade, es lässt sich wohl auch nicht verlegen, morgen kann ich nicht und Mittwoch hat Joey keine Zeit..." fügte Thea hinzu.

"Genau, wir sind im Moment voll eingespannt," bestätigte Joey. "Marik, du Schussel, du wolltest doch auch mit zu Mokubas Feier kommen!"

"Oh... ja, richtig." Der Ägypter tat ganz verlegen. "Valon, das ist mir jetzt echt peinlich. Aber wir haben Essen bestellt und alles..."

"Ganz zu schweigen davon, was wir alles auf die Beine gestellt haben, um die Band zu bekommen..." fügte Ryou noch hinzu.

Unter diesen Umständen verabschiedete sich Valon gezwungenermaßen. Sie warteten, bis er mit seinem Motorrad davongefahren war.

"Was war denn das jetzt?" wollte Großvater dann wissen. "Ihr habt euch ja am Ende alle gegenseitig mit Geschichten übertroffen."

"Ja, Yami, warum wolltest du nicht hin?" fragte Marik den Pharao.

Dieser holte die Millenniumskette hervor. "Ich hatte eine Vision, denke ich... es war wie eine Warnung... Danke, dass ihr alle mitgespielt habt."

"Ich frag mich, was an diesem Boss faul ist," grübelte Tristan. "Und was ist mit Valon und den anderen? Stecken sie in irgendeiner illegalen Sache drin? Handel mit geklauten Motorrädern oder so?"

"Ich glaub nicht, dass die Kette auf sowas reagiert hätte," meinte Marik.

Seto seufzte. "Ja, ich weiß, sie tut das nur, wenn das Schicksal der Welt davon abhängt. Wie auch immer, wir können jetzt keine weiteren Probleme gebrauchen."

"Aber wenn wirklich wieder was im Gange ist, das das Schicksal der Welt bedroht?" gab Tristan zu bedenken.

"Das muss warten," beharrte Seto. "Wenn es so wichtig ist, wird es schon wieder auf uns zukommen, ansonsten kann ja auch mal ein anderer die Welt retten. Warum geht ihr eigentlich davon aus, dass das immer mit einem Kartenspiel geht?"

"Genau," bestätigte Yami. "Aber wenn Yugi zurück ist, werden ich erstmal versuchen, meine Erinnerungen zurück zu gewinnen."

Die Gruppe verfiel in Schweigen. Allen war klar, dass der Pharao ein Geist war und sie eigentlich irgendwann verlassen musste. Aber falls er das vorher tatsächlich gewollt hatte, sah die Situation nun anders aus. Er hatte jetzt Seto und Yugi, die er mehr als nur freundschaftlich liebte. Konnte er sie verlassen?
 

***

Fortsetzung folgt.

Sorgenvolle Gedanken

Kapitel 34: Sorgenvolle Gedanken
 

Yugi, Neo und Appi kehrten ohne Mava in die Burg zurück, da dieser noch bei Lucranda bleiben wollte, um von ihrer Weisheit zu lernen. Sie hatten gut gefrühstückt, waren aber von dem Weg bergauf durch das Labyrinth der Gänge erschöpft, als sie endlich ankamen. Kuriboh war ihnen ziemlich schnell voraus geflogen. Sie hatten ihn des Öfteren bitten müssen, ihnen Zeit zum Verschnaufen zu geben.

"Ich hoffe doch sehr, dass Dark und Blacky nicht so lange da unten bleiben, wie die alte Frau gesagt hat!" jammerte Appi. "Wer soll mich denn dann solange unterrichten?"

"Vielleicht Neo," schlug Yugi vor.

Dieser winkte entschieden ab. "Auf keinen Fall. Ich eigne mich eher zum Lehrer im Schwertkampf. Als Magier bin ich doch nur ein kleines Licht. Allzu große Weisheiten kann ich euch nicht vermitteln."

"Wir können ja zu Skill gehen, der ist immerhin viel herumgekommen..." schlug Yugi vor. "Oder wir suchen uns ein paar schlaue Bücher und lernen erstmal damit..."

"Hm, andererseits könnten wir auch mal ein paar Tage faulenzen nach dem Programm der letzten Tage..." überlegte Appi.

"So weit her ist es mit deiner Motivation dann wohl doch nicht," stellte Neo fest.

Der Jüngere hatte plötzlich eine Idee. "Ich weiß, was mich motiviert! Ich werde Joan besuchen! Vielleicht ist die Arme ja schwer verletzt oder muss sich noch ausruhen..." Er bekam einen ganz verliebten Blick.

Yugi seufzte. "Bist du sicher, dass du bei ihr landen kannst? Die ist doch um Klassen höher als wir!"

"Noch ein Grund mehr, der Apokalyptische Magier zu werden!" beschloss Appi.

Sie verbrachten die nächste halbe Stunde damit, in Erfahrung zu bringen, wo sich Joan befand. Schließlich wurde ihnen gesagt, dass sie ein Zimmer in einem der Türme hatte, und Kuriboh konnte ihnen den Weg zeigen. Dann, endlich, standen sie vor der Tür.

"Wir warten dann mal," sagte Neo, wobei er sich an das kleine Fenster auf dem Flur stellte und in die Tiefe blickte.

Appi grinste breit, als hätte er ein lang verfolgtes Ziel zum Greifen nahe. Er räusperte sich, strich noch einmal durch sein Haar und klopfte dann höflich an.

Von drinnen rief eine Frauenstimme: "Herein."

Appi gab sich Mühe, die Tür nicht aufzureißen, sondern leise einzutreten.

Drinnen roch es nach Heilkräutern. Das Zimmer war klein, aber sehr angenehm eingerichtet. Die Möbel bestanden aus hellem Holz und auf dem Boden lagen mehrere Wollteppiche. Die Wände waren mit Tierbildern bemalt, hellgelbe Vorhänge verdeckten das halbrunde Fenster zur Hälfte.

Joan lag in einem hübschen Bett, dessen Rahmen reichlich mit Mustern verziert war. Ihre Bettwäsche war lindgrün. Die Fee blickte dem Besucher müde entgegen. Allerdings war sie leider nicht die Einzige.

Zwischen dem Fenster und dem Bett erhob sich Sendbote Merkur von einem Stuhl. "Guten Morgen! Du bist Appi, nicht? Der Schüler von Dark! Ja, natürlich, wir haben uns ja kennen gelernt. Von dir und dem Avatar spricht seit gestern alles!" Er kam auf den Zauberschüler zu und drückte ihm die Hand. "Das war wirklich gute Arbeit!" Als er nun vor dem etwas dümmlich dreinblickenden Jungen stand, entdeckte er Yugi und Neo vor dem Zimmer. "Ah, der Avatar des Gottes ist ebenfalls da! Und... Neo, wenn ich mich recht erinnere."

Die beiden nickten etwas verwirrt. Appi indessen fand seine Sprache wieder. "Ähm... wir wollten nicht stören, nur mal fragen, wie es dir so geht..." murmelte er in Joans Richtung.

"Es geht schon, ich habe eine Wunde an der linken Seite, die aber nicht schlimm ist. Ich hoffe, dass nicht so bald ein neuer Angriff erfolgt, denn die meisten von uns sind verwundet," antwortete sie ihm.

"Streng dich nicht an, Liebes," sagte Merkur mit sanfter Stimme und eilte zurück an ihre Seite.

"Ähm... wir gehen dann mal," presste Appi hervor und schloss eilig die Tür hinter sich. Er war rot angelaufen und fühlte sich ganz heiß vor Verlegenheit.

"Das war dann ja wohl nichts," kommentierte Neo unnötigerweise.

Sein kleiner Bruder stapfte schweigend den Turm hinunter. Erst, nachdem sie den Garten mit dem Brunnen erreicht hatten, wo die Freunde sich ja meistens trafen, raufte er sich frustriert die Haare. "Menno! War ja klar, vermutlich hat sie mich gar nicht gesehen, weil ich nicht so auffällige Flügel hab wie er! Wäre ich doch bloß auch 'ne Fee!"

Yugi wollte eine spitze Bemerkung dazu abgeben, doch in dem Moment spürte er eine magische Entladung ganz in der Nähe. Gleichzeitig stieß Appi ein seltsames Geräusch aus und fiel vornüber auf die Knie. Aus seinem Rücken brach etwas Dunkles hervor. Yugi packte seinen Zauberstab fester und nahm eine verteidigungsbereite Pose ein. Aber dann stellte sich heraus, dass es gefiederte Flügel waren. Sie glänzten schwarz wie der Nachthimmel.

"Äh, Appi... alles in Ordnung?" erkundigte Neo sich besorgt.

Sein Bruder erhob sich langsam. Irgendwie sah er zierlicher aus als sonst, direkt zerbrechlich, und vielleicht etwas kleiner. Sein Haar stand nicht mehr wild ab, sondern hing seidig vor seinen Augen. Er strich es nach hinten. Das Gesicht hatte einen sehr sanften Zug angenommen. "Was... was ist mit mir passiert?" Appi betrachtete erstaunt seine zarten, schlanken Finger.

"Sieh doch mal, dein Ring!" fiel es Yugi auf. "Der Stein hat sich schwarz verfärbt!"

Auch Neo hatte es bemerkt. "Ja, dann hat er das vielleicht bewirkt! Es passierte, als du sagtest, dass du eine Fee sein willst!"

Appi sah sich den Ring fasziniert an. "Ha, ich wusste, dass der was Cooles kann! Anscheinend kann er meinen, äh, wie sagt man? Monstertyp ändern?" Er drehte sich nach allen Seiten um in dem Versuch, sich selbst zu betrachten. Dann probierte er seine Flügel aus - und fiel lang hin.

Yugi, Neo und einige Passanten kicherten amüsiert. Appi war zunächst beleidigt, musste dann aber auch lachen. Anscheinend konnte man nicht gleich fliegen, bloß weil man plötzlich Flügel hatte. Außerdem war es nicht nur das. Sein ganzer Körper hatte etwas andere Proportionen.

"Naaa, ich lass mir das von Dark beibringen. Erstmal will ich, sagen wir, ein Drache werden, so wie Yugi!" entschied Appi. Er blickte erwartungsvoll auf den Ring, aber dieser reagierte nicht.

"Vielleicht kann er nur von deiner Originalgestalt ausgehen, verwandle dich doch erstmal zurück," schlug Neo vor.

Appi nickte. "Ring, mach wieder einen Magier aus mir!" Doch noch immer tat sich nichts. "Was! Muss ich jetzt immer so bleiben?"

"Ach, bestimmt muss er sich erst wieder aufladen," vermutete Yugi. "Bei Duel Monsters kann man manche Effekte nur einmal pro Zug verwenden."

Appi zog zweifelnd seine hübsche Feenstirn kraus. "Wie lange ist denn ein Zug? Eine Stunde, ein Tag?"

Yugi kratzte sich verlegen am Kopf, natürlich wusste er das auch nicht. "Naja... warte halt einfach, bis der Ring sich wieder rot gefärbt hat!"

Etwas anderes blieb dem ehemaligen Magier da wohl nicht übrig. Also versuchte er eben, die Flügel so zu ordnen, dass sich Wind unter ihnen fing und er abheben konnte. "Sollte ich das nicht instinktiv können? Wie gemein!" klagte er.

Am Ende kam die Sendbotin Venus dazu, die durch die neugierig versammelten Feen aufmerksam geworden war, und gab ihm etwas Unterricht im Fliegen. Nachdem sie es ihm gezeigt hatte, begriff er es recht schnell. Er kam in die Luft und fand es super, aber er traute sich nicht, über die Burg hinaus zu fliegen, denn da ging es doch recht tief nach unten.

Nach einer Weile fiel ihnen auf, dass der Stein an dem Ring sich von Schwarz zu Dunkelrot verfärbt hatte. aber das reichte offenbar noch nicht, um Appi zurückzuverwandeln. Obwohl es ihm als Fee mittlerweile gefiel, wollte er doch lieber sein altes Ich wiederhaben. Bis es soweit war, dauerte es drei bis vier Stunden.

"Ich will wieder ein Magier sein!" sagte Appi alle paar Minuten, bis es schließlich klappte. "Boah, es ist schade um die Flügel, aber ich bin wenigstens nicht mehr so ein dürres Feengestell! Vielleicht sollte ich das nächste Mal ein Drache oder Pyro..."

Yugi und Neo sprangen vor und hielten ihm den Mund zu. Zum Glück war der Effekt des Edelsteines für die nächsten Stunden ohnehin nicht mehr zu verwenden. Die Versuchung war groß, deshalb nahm Appi den Ring vom Finger und hängte ihn sich an einer Kette um den Hals. Momentan konnte es täglich, ja stündlich zu einem neuen Angriff kommen, da war es besser, wenn sie die Wirkung nicht verschwendeten.
 

Im Laufe des Tages kehrten Mystic und Mad von der anderen Feenzuflucht zurück, wo ihre Verletzungen behandelt worden waren und sie wiederum geholfen hatten, andere zu versorgen. Das Beste war: Sie brachten Magi mit. Das Mädchen stellte die anderen beiden Magier erst einmal in den Schatten.

"Yugi! Woah, scharf, wie siehst du denn aus!" freute sie sich und fiel ihm um den Hals.

Er wirbelte sie lachend herum, obwohl sie sogar größer war als er, aber seine Drachengestalt gab ihm zusätzliche Körperkraft. "Bist du wieder gesund, Magi?" fragte er vorsichtshalber nach, nachdem er sie abgesetzt hatte.

Sie drehte sich um sich selbst und hüpfte auf der Stelle, damit er sah, wie gut es ihr ging. "Ich bin topfit! Shadow geht es auch wieder gut, aber nun wurde Freed dorthin gebracht, deshalb will sie noch bei ihm bleiben."

"Na endlich erfahren wir etwas über seinen Verbleib, uns konnte hier ja keiner vernünftig Auskunft geben," meinte Neo. "Ist Onkel Gerfried auch bei der Zuflucht?"

Magi nickte eifrig. "Er hat eine Vergiftung von den Insekten, aber er wird sich ganz erholen. Bald schon werden sie alle zurückkommen. Bei der Zuflucht ist es toll, die fliegt im Himmel! Eine Stadt auf einem Stück Land, das einfach so schwebt!"

"Ha! Vor einer Weile konnte ich auch noch fliegen!" verkündete Appi.

Magi verschränkte die Arme vor der Brust. "So? Bestimmt hast du dich in einen Spatz verwandelt. Würde doch passen."

"Pah, dir erzähle ich gar nichts mehr." Der junge Magier wandte sich beleidigt ab. Doch er konnte dem vergnügten Mädchen nicht lange böse sein.

"Lasst uns ein paar Drachen beschwören und einen Ausflug machen!" schlug sie eifrig vor. "Wo sind denn Blacky und Dark?"

"Ähm, also das ist so..." Yugi erklärte es ihr.
 

***
 

Da sie nun angeblich zu einer Feier von Mokuba eingeladen waren, fuhr nicht nur dessen Bruder, sondern die ganze Truppe samt Großvater am Nachmittag zu Kaibas Villa. Immerhin konnte es sein, dass sie von den Amerikanern beobachtet wurden, auch wenn zumindest Tristan nicht daran glauben wollte. Das fiel auch Marik schwer, aber er hielt es immerhin für möglich.

"Du hast ja auch Erfahrung mit Spionage und Manipulation," bemerkte Bakura, der bei der Gelegenheit Ryous Körper übernahm.

Marik warf ihm einen giftigen Blick zu, während er mit den anderen in die Limousine stieg.

"Hey, nun vertragt euch mal," versuchte Joey die Situation zu entschärfen. "Wir wollen doch nicht nachtragend sein, oder?"

"Ansonsten hätten wir dir ja auch noch ein paar Sachen nachzutragen," erinnerte Tristan den Weißhaarigen.

"Soll ich euch alle zu klein Yugi schicken?" knurrte Bakura gereizt.

Doch statt auf wütende Kommentare stieß er auf nachdenkliches Schweigen.

"Wir werden deine Hilfe in dieser Hinsicht bestimmt irgendwann brauchen," vermutete Yami. "Aber solange wir es vermeiden können, lieber nicht. Immerhin sind wir gewarnt, dass dies genau der Fehler sein könnte, auf den unsere Feinde warten."

"Ich würde diesen Gegner stellen und erledigen, wenn ich du wäre, Pharao!" zischte Bakura. "Aber es ist ja dein kleiner Lover, der sich damit abgeben muss."

"Du solltest nicht schlecht über Yugi reden, wenn ich ein halber Drache bin" grummelte Yami und knackte mit den Fingerknochen.

"Wie gesagt, ich kann dich auch zu ihm schicken," entgegnete der Weißhaarige, wobei sein Ring drohend aufleuchtete.

"Darüber haben wir doch schon ausreichend diskutiert," seufzte Seto, den das Gezanke eher nervte. "Wir kennen unseren Gegner nicht, und auch wenn ich es hasse, nichts zu tun, wäre es strategisch dumm, einfach drauflos zu stürmen. Wir wissen, dass sonst auch unserer Welt Gefahr droht."

Bakura wollte etwas erwidern, doch Yami kam ihm zuvor. "Wie läuft es eigentlich mit deinem Angebeteten, Bakura?" erkundigte er sich.

Der Räuber verstummte unvermittelt und zog sich in den Ring zurück, einen etwas verwunderten Ryou zurücklassend.
 

Mokuba freute sich sehr über den vielen Besuch. Es war ohnehin nicht leicht für ihn, dass Seto jetzt so viel Zeit mit Yami und dessen Freunden verbrachte, nachdem er selbst bisher immer sein Lebensinhalt gewesen war. Wenn Seto zu Hause war, dann meistens auch nicht alleine. Obwohl Mokuba sich für seinen Bruder freute, fand er es doch schade, dass er ihn nur noch selten für sich hatte. Natürlich würde er sich nie beschweren - Seto hatte sein ganzes Leben lang hart gearbeitet, um ihnen beiden eine Zukunft aufzubauen, da hatte er etwas Glück verdient. Er lachte auch viel öfter, seit er mit Yami und Yugi zusammen war. Trotzdem...

"Hast du deine Hausaufgaben schon fertig?" fragte Seto seinen jüngeren Bruder.

Dieser schüttelte den Kopf. "Ich dachte, Yami könnte mir bei Mathe helfen. Du hast gesagt, er ist gut. Aber sonst bin ich fertig."

Seto lächelte. Er wusste, dass Mokuba Mathe alleine konnte, aber er ließ sich des Öfteren von jemandem helfen, nur um denjenigen eine Weile für sich zu beanspruchen. Dann machten ihm die Hausaufgaben auch gleich viel mehr Spaß.

Während Yami sich bereitwillig mit Mokuba in ein anderes Zimmer verzog, diskutierten die anderen in Setos geräumigem Wohnzimmer darüber, welches englische Buch sie Frau Morikawa vorschlagen sollten - ein Thema, bei dem der Pharao ohnehin nicht mitreden konnte. Der Firmenchef holte ein paar Exemplare aus seinem Bestand - wobei es sich um eine ganz ansehnliche Menge handelte. Viele Klassiker, zum Beispiel von Shakespeare, waren darunter. Die sortierte Joey gleich erst einmal aus. Er wollte etwas Interessanteres. Seto verkniff sich einen Kommentar.

"Vielleicht sollten wir nicht so ein dickes Buch aussuchen," überlegte Thea. "Yami hat schon genug Probleme mit dem Fach."

"Ich werd`s ihm übersetzen," schlug Seto vor.

"Das ist ja auch nicht das Wahre, er muss das schon selber lernen," meinte Großvater. "Da fällt mir ein, ich habe *Robinson Crusoe* zu Hause."

"Das hab ich hier auch dabei." Seto holte das Buch aus seinem Stapel hervor.

"Aber das kennt doch schon jeder," maulte Joey. "Ich will 'nen Krimi oder SF-Roman lesen. Da ist man wenigstens motiviert."

"Du willst mir nicht ernsthaft erzählen, dass du *Robinson Crusoe* gelesen hast, Wheeler," platzte es aus Seto heraus.

Der Blonde sprang ihm fast an den Kragen. "Na und? Trotzdem kennt die Geschichte jeder! Ich hab vier Filme darüber gesehen!"

"Das ist doch gut, dann verstehst du es wenigstens!" neckte Ryou ihn.

"Seht euch das mal an!" rief Tristan plötzlich. "Krieg der Sterne!"

"Eh? Das gibt's als Buch?" Joey war überrascht.

Seto verkniff sich erneut einen Kommentar. Während er die anderen weiterdiskutieren ließ, rief er einen Partyservice an und ließ etwas zu essen kommen. Zugleich beschloss er, sich das nicht zur Gewohnheit zu machen.

Als Mokuba mit seinen Hausaufgaben fertig war, begannen die anderen mit den ihren. In der Zwischenzeit spielte Marik mit dem jüngeren Kaiba ein Videospiel, da er ja nichts zu tun hatte.

Yami verzweifelte an allen Fächern außer Mathe. Wenn man ihm die Aufgaben erklärte, leuchteten sie ihm ein, aber von selbst kam er nicht drauf. Seto half ihm so geduldig, dass Thea, Joey, Tristan und Ryou nur staunen konnten.

Inzwischen hatte Yami die Bandagen abgelegt, die ihm zur Tarnung gedient hatten. Die Schuppen schienen weniger zu werden, aber sehr langsam. Fürs erste wünschte er sich, dass seine Hände wieder normal wurden, denn die waren ja das größte Problem. Er konnte aber in seiner momentanen Gestalt nicht zum Judoclub gehen, was ihn als gerade angemeldetes neues Mitglied nicht gerade beliebt machte. Aber im Grunde war er kaum auf die Meinung anderer angewiesen, solange er seine Freunde hatte, und da würde Yugi ihm gewiss zustimmen.

Nachdem alles für die Schule endlich erledigt war, wurde der Abend recht besinnlich mit viel gutem Essen. Seto sorgte dafür, dass alle nach Hause oder, in Mariks Fall, ins Hotel gefahren wurden.

"Wie lange willst du eigentlich noch in Japan bleiben?" erkundigte der Braunhaarige sich bei dem Ägypter.

Marik wusste es nicht genau. "Ich wollte längst zurückgeflogen sein, aber wenn der Pharao ein Problem hat, bleibe ich lieber noch."

"Das Hotel wird doch auf die Dauer zu teuer. Du kannst hier wohnen, wenn du willst. Es sind noch jede Menge Zimmer frei," schlug Seto vor.

Mokuba war begeistert, noch einen Freund im Haus zu haben. "Marik, sag ja!"

"Na da habe ich ja wohl keine andere Wahl," lächelte der Blonde. Er wollte aber noch eine Nacht im Hotel verbringen, da er nun ohnehin bis zum Morgen bezahlen musste, auch wenn er schon auszog. So hatte er Zeit zum Packen.

Als die Limousine abfuhr, atmete Mokuba hörbar auf. "Endlich sind sie alle weg. Das hat zwar Spaß gemacht heute, aber ich hab kaum eine ruhige Minute mit dir, Bruder. Und du vernachlässigst die Firma, Kaiba-Land könnte längst fertig sein."

"Ja, das stimmt." Seto wuschelte dem kleineren durchs Haar. "Vielleicht sollte ich dich auch mit jemandem verkuppeln?"

"Wag es ja nicht, ich such mir schon selber wen, wenn ich will, und überhaupt...!" Mokuba regte sich halb gespielt darüber auf, während sein Bruder den Computer anwarf, um festzustellen, wie weit der Bau seines Vergnügungsparks vorangeschritten war...
 

***
 

Yugi hatte - mit Kuribohs Hilfe - Mad, Magi und Mystic zu den Tropfsteinen geführt. Die Frau und das Mädchen standen mit Tränen in den Augen vor ihren Brüdern.

"Sie sind nicht tot, sie müssen sich nur regenerieren," versicherte Yugi ihnen.

Mystic war damit nicht zu überzeugen. "Aber sie sind keine Feen! Wenn es nun schief geht?"

"Beruhige dich, die zwei werden schon wissen, was sie tun. Außerdem scheint es, dass sie wirklich gestorben wären, wenn sie nicht hergekommen wären," gab Mad zu bedenken und nahm die Mystische Elfe tröstend in die Arme.

Als Magi das sah, fiel sie Yugi um den Hals, dieses Mal aber nicht vor Freude. "Warum muss es immer die beiden treffen? Kann sich nicht mal ein anderer aufopfern? Das wäre nur fair!" weinte sie.

Da konnte Yugi ihr allerdings nicht widersprechen, schließlich war er noch wütend auf Weaver. "Da fällt mir ein, wir könnten versuchen herauszufinden, was aus Exodia geworden ist," überlegte er, wobei er Magi sachte übers Haar strich. Bisher hatte er darauf keine vernünftige Antwort gefunden.

Sie gingen wieder zurück, ohne Mava zu besuchen, denn sie wollten ihn nicht beim Lernen stören. Unterwegs schwiegen sie die meiste Zeit, weil der Weg nach oben anstrengender war als hinunter. Aus diesem Grund war Appi auch nicht mitgekommen, sondern mit Neo zur Zuflucht im Himmel geflogen, um seinen Vater zu besuchen.

Jeder vertiefte sich in seine Überlegungen. Yugis wanderten unwillkürlich zu Yami und somit zu Seto, wie immer, wenn er nichts anderes zu tun hatte. Ihm kam der unsinnige Gedanke, dass dies vielleicht eine gute Übung für ihn war. Wenn Yami die Welt irgendwann verließ, sobald er das Rätsel seiner Vergangenheit gelöst hatte, würde er ihn auch nicht mehr bei sich haben. Dieses Wissen hatte Yugi noch nie sonderlich erfreut, aber der Moment der Trennung schien so weit weg, oder zumindest hatte er sich das immer eingeredet.

Wenn nun Yami bei seiner Rückkehr nicht mehr da war? Nein, das würde er ihm nicht antun, nicht wahr? Yugi verpasste sich selbst eine geistige Ohrfeige dafür, das auch nur in Erwägung gezogen zu haben. Er hoffte, dass Yami inzwischen überhaupt nicht mehr gehen wollte - und auch nicht musste. Konnten sie es sich denn aussuchen? Oder war ein Geist gezwungen, in das Reich der Toten einzukehren, wenn die Zeit gekommen war? Wenn ja, woher wusste man, wann die Zeit gekommen war? Vermutlich, sobald der Geist seine letzte Aufgabe erfüllt hatte...

[Wir könnten einfach nichts tun, um seine Vergangenheit zu ergründen,] sagte Yugi sich. [Aber Yami will auch wissen, wer er war und warum er im Puzzle eingeschlossen war. Ich kann ihm das nicht aus lauter Egoismus verwehren.]

Zum Glück wurde Yugi nicht gefragt, was ihn so beschäftigte, da seine Begleiter davon ausgingen, dass er sich um Blacky und Dark sorgte. Nun, das kam zusätzlich hinzu. Bloß gut, dass er sich wegen all den Schuppen auf seinem Körper keine Gedanken machen musste, hier im Reich der Schatten wurde er dafür wenigstens nicht komisch angesehen. Ob Yami wohl etwas von der ganzen Sache mitbekommen hatte?

Yugi hatte es auf einmal eilig, in sein Zimmer zu kommen, und hoffte inständig, dass Appi nicht dort war. Ständig an Yami und Seto zu denken, verursachte langsam aber sicher körperliche Reaktionen, zumal er schon eine Weile auf derartige Freuden hatte verzichten müssen.

Appi musste wohl noch bei seinen Eltern sein. Yugi schloss die Tür fest hinter sich, hoffte, das er den Stillezauber richtig machte und kümmerte sich um das Problem. Mit seinen Krallen war es nicht ganz einfach, fast verletzte er sich selbst, aber er schaffte es. Wenn er noch länger hier blieb, würde er darin wirklich sehr geschickt werden...
 

Tags darauf erst erschien Appi wieder auf der Bildfläche. Er sah ein bisschen besorgt aus, aber er lächelte Yugi entgegen, als er und Neo von Diamantkralles Rücken sprangen. "Vater hat Wundfieber bekommen, obwohl die Feen über die beste Medizin verfügen. Vermutlich, weil die Wunde von einem giftigen Insekt stammt. Aber er wird's schaffen..."

"Viele haben mit Vergiftungen zu tun nach diesem Kampf," bemerkte Neo. "Einige meiner Verletzungen haben sich auch entzündet, aber die meisten haben stark geblutet und das Gift rausgespült. Ist nicht der Rede wert."

Appi fuhr sich mit einer leicht arrogant wirkenden Geste durchs Haar. Tja... ich bin überhaupt nicht verletzt. Ich saß ja auch auf einem Drachen."

Yugi verschränkte die Arme vor der Brust. "Dann tu mal nicht so, als wärst du hier der Held. Ohne den Drachen wärst du zertreten worden."

Alle drei lachten ausgelassen, brachen jedoch nach kurzer Zeit ab.

"Noch so einen Kampf übersteht unsere Seite nicht, wenn wir nicht weitere Verbündete gewinnen," murmelte Neo. "Sorc und seine Leute können anscheinend verschiedene Wesen manipulieren und auf uns hetzen. Falls er doch noch seine Zombies schickt, sind wie geliefert. Um Exodia zu besiegen, mussten Dark und Blacky all ihre Kraft aufbringen, und sie fehlen uns nun."

"Ah, womit wir beim Thema wären. Wo ist Exodia jetzt?" fragte Yugi.

"Tja, da sind wir nach wie vor genauso überfragt wie du. Keiner kann es uns wirklich sagen, nicht einmal Weaver. Wir haben ein bisschen rumgefragt, während du mit Magi und Mystic in der Höhle warst. Vielleicht wissen es nur unsere beiden Helden," antwortete Neo.

"Und bei denen kann es noch ewig dauern, bis sie es uns sagen können," seufzte Yugi. "Bleibt nur zu hoffen, dass keine Gefahr von Exodia mehr ausgeht. Dieses ständige Wachsamsein geht mir auch auf die Nerven. Immer damit rechnen, dass Sorc wieder angreift..."

Ehe sie das Thema weiter vertiefen konnten, kam Skill auf sie zu. "Hey, Jungs!"

Sie wandten sich gleichzeitig zu ihm um. Für jemanden, dessen Sohn in Lebensgefahr schwebte, sah er recht fröhlich aus, aber das war wohl seine Art. Vielleicht hatte er ja auch eine besonders schöne Nacht hinter sich, aber das wagten sie zu bezweifeln. Weaver war da konsequent.

"Unsere Späher konnten nichts Verdächtiges feststellen!" verkündete der ältere Magier. "Das ist doch eine gute Nachricht!"

Appi hob eine Augenbraue. "Nun ja, es ist fürs erste mal ganz nett."

"Ich dachte, wir könnten Yugi mal den Duellierverein zeigen, den kennt er doch sicher noch nicht!" schlug Skill vor.

Davon hatte Yugi mal gehört, aber längst nicht mehr daran gedacht. "Ist das der Verein, wo man sich anmelden kann, damit man schneller in der anderen Welt bekannt wird?"

"Genau, du musst zwar da nicht Mitglied sein, damit du irgendwann beschworen wirst, aber deine Chancen sind dann größer," bestätigte Skill. "Außerdem können sie dir eine Vorläufige Einschätzung geben, wie du als Spielkarte aussehen wirst."

Appi verzog missmutig das Gesicht. "Sie messen deine Angriffs- und Verteidigungsstärke, das ist recht frustrierend. Naja, war's jedenfalls bei mir. Mir wurde damals gesagt, ich sei noch zu jung dafür und würde wahrscheinlich bestenfalls 'nen Flippeffekt und zwei Sterne kriegen. Naja, so falsch lagen sie nicht."

"Wisst ihr hier im Reich der Schatten, wie ihr bei uns als Karte ausseht?" fragte Yugi neugierig.

"Es gibt eine Galerie, wo immer die neuesten Bilder ausgestellt werden. Sie sehen ungefähr so aus wie die Karten," klärte Neo den Jungen auf. "Die Vereinsleitung hat irgendeine Möglichkeit, um das in Erfahrung zu bringen, sobald die Karte gespielt und der Betreffende beschworen wurde. Dann wird ein Bild von ihm gemalt und ausgestellt."

"Ich fand das ziemlich blöd," nuschelte Appi in seinen nicht vorhandenen Bart. "Mein Lehrmeister und meine Mitschüler von damals haben sich über mich lustig gemacht. Naja, es gibt ja wirklich kleine Kinder, die stärker sind als ich."

"Ach, mach dir nichts draus." Neo schlug Appi aufmunternd auf die Schulter.

"Wollen wir hinfliegen und es Yugi zeigen?" drängte Skill weiterhin. "Vielleicht nach dem Mittagessen. Ihr könnt dort ein wenig mit anderen trainieren und euch mal ablenken."

Die Idee war nicht ganz verkehrt, und so stimmten sie zu. Immerhin hatte Yugi sich vor einer Weile sehr dafür interessiert - bevor er wichtigere Probleme bekommen hatte. Vielleicht hatte Skill Recht und die Ablenkung würde ihnen wirklich gut tun...
 

***

Fortsetzung folgt.

Das Bündnis der Schattenspiele

Asche auf mein Haupt *streu*, was habe ich euch lange warten lassen... Naja ich hatte irgendwie ne Schaffenskriese, schwer zu erklären, aber ich konnte gar nichts machen, weil ich keine Ideen hatte... irgendwie alles voll Mist. Also ich hoffe, das ist jetzt vorbei.^^
 


 

Kapitel 35: Das Bündnis der Schattenspiele
 

Die Mädchen in Yamis Schulklasse waren sich über ihr bevorzugtes Buch weitgehend einig und konnten auch noch einige der Jungs auf ihre Seite ziehen, da das Buch ihrer Wünsche nicht so dick war: *The Last Unicorn* von Peter S. Beagle.

Joey klagte darüber, dass es ein langweiliges Mädchenmärchen sei, obwohl er es noch gar nicht gelesen hatte. Yami war es recht, er befand, dass er so eine Geschichte gewiss leichter verstehen würde als eine SF-Geschichte, in der ja auch noch ein Haufen Technik vorgekommen wäre.

Seto war überraschenderweise auch einverstanden, da er dieses Buch noch nicht kannte. Er meinte, so werde es nicht ganz so langweilig für ihn. Aus ihm selbst unbekannten Gründen bekam er einen Großzügigkeitsanfall und erklärte, er werde die Bücher für die ganze Klasse auf seine Kosten bestellen. Dankesbekundungen wehrte er ab mit der Bemerkung, die Ausgabe würde er eh kaum bemerken.

Im Grunde fragte sich auch jeder, warum jemand wie Seto Kaiba eigentlich zur Schule ging, wo er doch Privatunterricht haben konnte. Abgesehen davon, dass er ein großes Firmenimperium leitete und es gar nicht mehr nötig hatte, sich mit etwas anderem abzugeben. Für Yugis Freundeskreis allerdings war die Antwort natürlich offensichtlich...

Gleich in der nächsten Pause klappte Seto sein Notebook auf und bestellte die Bücher online. Da er selbst viel Englisch las, kannte er einen Verlag, der englische Bücher schnell liefern konnte.

"Ich werde am besten eine Weile nur Englisch mit dir reden," überlegte der Braunhaarige, an Yami gewand.

"Eh? Wieso das denn?" erschrak Yami.

"Ist doch ganz klar," grinste Seto. "Wenn wir ein Buch besprechen, wird Frau Morikawa dich bestimmt mal drannehmen, und dann solltest du antworten können. Du musst ganze Sätze auf Englisch sagen können statt die Sprache nur beim Lesen zu verstehen."

Yami sah ihn an, als verlangte er etwas Unmögliches. "Wie soll ich eine Fremdsprache in drei Tagen sprechen lernen?"

Seto tippte ihm mit dem Zeigefinger an die Stirn. "Das Grundwissen sollte doch da drin sein, falls irgendetwas von Yugi auf dich abgefärbt hat. Du hast es nur noch nie bewusst angewendet."

"Ich halte das für eine gute Idee. Wir könnten uns alle für eine Weile auf Englisch unterhalten," schlug Thea vor. "Was haltet ihr davon, wenn wir auch Yugis Großvater um Hilfe bitten?"

"Ja, genau, er hat doch diesen amerikanischen Professor als Freund," erinnerte Tristan sich. "Mann, das wird sicher ganz schön peinlich, mein Englisch ist Mist."

"Na frag mich mal," murmelte Joey. "Aber ich bin dabei! Lasst uns alle Yami helfen!"

Das ausgerechnet von Joey zu hören, überraschte die Gruppe doch. Aber manchmal überragte seine Freundschaft zu den anderen eben sogar die schulische Faulheit.

"Ich werde Duke anrufen, der ist noch in der Stadt!" beschloss Ryou. "Er kann auch gut Englisch, weil er ja in Amerika wohnt, seit Pegasus sein Spiel produziert."

"Hauptsache, du lädst nicht noch Pegasus ein," kam Seto einem eventuellen weiteren Vorschlag zuvor. "Ist der eigentlich noch in Japan?"

"Nein, er musste vor zwei Tagen abreisen," gab Ryou Auskunft. "Er hat seine Abreise eine Weile aufgeschoben, weil er noch an einer Karte gezeichnet hat, von der er glaubte, dass er sie hier zu Ende entwerfen müsste, weil die Stadt ihn inspiriert. Ich weiß aber nicht, ob er es geschafft hat, möglicherweise lässt er die Karte bereits drucken."

Yami blickte betreten zu Boden. "Ihr macht euch alle zu viele Umstände wegen mir."

"Wir werden dich den ganzen Tag hart rannehmen," prophezeite Seto. "Und ich werde in der Nacht damit weitermachen."

Die Gruppe errötete kollektiv. Dass der kühle Firmenboss solche Dinge sagte, waren sie noch nicht recht gewohnt, obwohl sie von Seto des Öfteren ungewöhnliche Äußerungen und auch Taten miterlebt hatten, seit dieser seine Pausen bei ihnen verbrachte.

"Übrigens, auch wenn das ursprünglich nicht meine Absicht war, erweist es sich jetzt als gut, dass ich die Bestellung mache," fiel es dem Braunhaarigen ein. "Falls du es nicht schnell genug auf die Reihe kriegst, kann ich den Beginn der Lektüre um ein oder zwei Tage aufschieben, indem ich behaupte, die Lieferung sei noch nicht eingetroffen. In der Zeit kannst du das Buch schon zu lesen anfangen."

"Ha, du bist ja ein ganz Ausgekochter!" staunte Tristan.

Seto setzte ein überhebliches Lächeln auf und schwieg dazu.

"Betrachte es als Spiel, dann schaffst du es sicher, großer Champion!" neckte Joey Yami. "Vor einer Herausforderung wirst du doch wohl nicht kneifen!"

Der Pharao verzog das Gesicht zu einem schiefen Lächeln. "Dann stellen wir uns ihr zusammen, was, Joey?"

"Äh... hehe, ja, ist wohl so!" Der Blonde kratzte sich verlegen am Hinterkopf.

Yami fand Trost in dem Wissen, dass er nicht alleine war mit seiner Unkenntnis der englischen Sprache, auch wenn sein Freund da noch besser dran sein musste als er.

Und so kam es, dass Yami kein japanisches Wort mehr von Seto und Thea zu hören bekam, sobald sie die Schule verlassen hatten. Joey und Tristan kämpften sich durch, fielen aber oft in ihre Muttersprache zurück, hauptsächlich, um zu entscheiden, was die anderen gesagt hatten. Dann, im Spieleladen, erklärte Seto Yugis Großvater auf Englisch, worum es ging. Sugoroku war von der Idee begeistert und machte sofort mit.

Yami fasste sich aufstöhnend an den Kopf. "Bloß gut, dass ich nicht in ägyptische Sprachgewohnheiten zurückgefallen bin. Frage mich echt, wieso ich Japanisch kann, auch wenn ich mich nicht an meine Vergangenheit erinnere und früher nicht wusste, wo ich herkomme..."

"What did you say?" Seto beugte sich grinsend zu ihm hinunter, als ermahnte er ein Kind. "I can't understand you. Speak English, please!"

Yami seufzte und freundete sich mit dem Gedanken an, dass er sich für die nächsten zwei oder drei Tage ununterbrochen vor seinen Freunden blamieren würde...
 

***
 

Skill flog der Gruppe auf einem der geflügelten Flammenpferde voraus zum Sitz des Duelliervereins, der sich eigentlich *Bündnis der Schattenspiele* nannte, aber so bezeichnete ihn fast niemand. Die drei jüngeren Magier folgten auf Diamantkralle. Es war ein Weg von etwa einer Stunde, und Yugi staunte nicht schlecht, als sie sich dem Ziel näherten. Sie waren ein paar Minuten lang über ein Meer geflogen, als eine Insel in Sicht kam. Sie war nur so groß, dass sechs Stadien und einige Nebengebäude darauf passten. Anders gesagt, die Insel sah aus wie eine moderne Fußballstadt.

"Das überrascht dich wohl," lachte Appi hinter Yugi, da er dessen staunende Blicke nach unten bemerkt hatte. "Wir haben hier auch Städte mit Maschinen und eine Menge Technik. Oder was glaubst du, woher all die Maschinenmonster kommen?"

Yugi wusste nicht recht, was er eigentlich erwartet hatte, jedenfalls war er jetzt überrascht. Fast fühlte er sich wie zu Hause. Indessen landeten sie auf einem speziellen Landefeld außerhalb der Stadienstadt. Die Wege dort waren mit bunten Steinen gepflastert und zeigten teilweise Drachen oder andere Bilder als Mosaik. Sie waren breit genug für einen Drachen. Aber das war ja auch kein Wunder. Wenn hier der Duellierverein seinen Sitz hatte, musste jeder die Möglichkeit haben, die Arenen zu erreichen, in denen wohl dann die Duelle stattfanden. Allerdings verwandelte sich Diamantkralle bis auf weiteres in einen Minidrachen, der sich auf Neos Schulter setzte, während das Pferd hinter ihnen her trottete.

"Komm, wir gehen erst zum Hauptgebäude," schlug der Lichtmagier vor. "Da kannst du dich einschätzen und registrieren lassen, wenn du das willst."

"Ich weiß nicht recht..." Yugi blickte nachdenklich auf den Boden. Wenn er sich hier eintrug und zu einem Duel Monster wurde... war das nicht so, als würde er seine bisherige Identität aufgeben?

Skill schien seine Gedanken zu lesen: "Keine Angst, das ist alles ganz unverbindlich. Es verbaut dir nicht den Weg zurück in deine Welt. Ich kenne Fälle, wo Leute nach deiner Zeitrechnung fünfzig Jahre oder so hier gelebt haben und dann zurückkehrten, weil sie nicht eher weg konnten.

"So lange wollte ich eigentlich nicht hier bleiben!" rief Yugi erschrocken aus.

"Schade eigentlich!" grinste Appi ihn an.

Yugi folgte seinen Freunden zum größten der Gebäude, das ihn tatsächlich an Setos Firmensitz erinnerte. Aber es hatte wohl nicht ganz so viele Stockwerke. Darum herum zog sich eine Parkanlage, in der zahlreiche menschenähnliche Wesen ihrer Freizeit nachgingen, aber auch Drachen, die sich verkleinert hatten, ein paar metergroße Roboter und seltsame Tiere. Die meisten erkannte Yugi ansatzweise wieder, aber viele sahen in Zivil ganz anders aus als auf den Karten. Einige kannte er nicht. Das waren vielleicht solche, die erst noch auf eine Karte kommen wollten.

Das geflügelte Pferd wartete draußen und begann ein wenig auf dem Rasen zu grasen, während die Freunde hinein gingen. Im Inneren des Gebäudes hingen überall Bilder von Monstern, wie sie in etwa auf Spielkarten aussehen mochten. Sie waren vielleicht 40 x 40 cm groß, so dass viele nebeneinander passten. Yugi sah sich interessiert um, während Skill an einen Empfangstresen trat und seine Gruppe anmeldete.

"Wir haben einen Neuen zur Einschätzung dabei," sagte er mit einer Kopfbewegung in Yugis Richtung. "Er kommt aus der Welt des Blauen Lichts."

Die insektenhafte Frau hinter dem Tresen war einigermaßen überrascht. "Wirklich? Er sieht aus wie ein Drachenwesen..."

"Das ist eine längere Geschichte," lächelte Skill.

"Füllt dieses Anmeldeformular bitte aus," bat die Frau und schob einen Zettel auf einem Clipboard samt Stift zu ihnen herüber.

Yugi kam näher und stellte dabei fest, dass sie die *Insektenprinzessin* sein musste. Er nahm das Formular an sich und las es sich durch, wieder einmal überrascht, dass er es überhaupt lesen konnte. "Wesen, bitte ankreuzen... Mensch. Name? Yugi. Geschlecht? Männlich. Alter? 17. Größe? Ey, das ist ja peinlich..."

"Sag ich ja," grinste Appi. "Trag bei *vermuteter Typ* Magier ein und bei *voraussichtliches oder gewünschtes Element* Licht. Ah, *spezielle Gabe* ist interessant. Schreib, du kannst Slifer beschwören."

"Na ich weiß nicht, sollte das jeder wissen?"

"Wird dir eh keiner glauben, schätze ich. Aber das Blatt ist auch nur ne Formalität. Sie werden anhand ihrer Messungen eigene Daten anlegen."

Irgendwie passte es Yugi nicht, dass er zu einer Akte in einem Verzeichnis wurde, aber er füllte alles gewissenhaft aus. Es war ja eigentlich nichts anderes als zu Hause. "*Benachrichtigen, falls mir etwas zustößt...* Was soll denn das heißen?!"

"Es besteht immer die Möglichkeit, dass du dich in einem Duell oder bei einer Übung verletzt," erklärte die Empfangsdame freundlich.

"Mach ihm keine Angst, Sekti," warf Skill sogleich ein. "Die Chance ist recht gering. Schreib Dark oder Blacky hin. Ich meine natürlich Kayos."

Yugi schrieb und fühlte sich etwas mulmig. Letztendlich gab er das Formular ab und war gespannt, was ihn nun erwartete. Fürs erste wurde er in einen Nebenraum zum Warten geschickt. Der Mitarbeiter, der für die Einschätzung zuständig war, war anscheinend nicht da oder gerade beschäftigt. In dem Raum hingen natürlich weitere Bilder, von denen Yugi etliche bekannt waren. Eins zeigte Kuriboh.

Aber es dauerte nicht lange, dann erschien ein junges Mädchen mit violettem Pferdeschwanz bei ihnen. Appi sprang bei ihrem Anblick überrascht auf. "Faith! Was machst du denn hier?"

Sie schien die Magierin des Glaubens zu sein, trug allerdings zur Zeit T-Shirt und Rock und hatte eine Akte in der Hand. "Oh, Appi! Na ich arbeite hier, wenn ich gerade Zeit dafür habe! Seit Burg Drachenfels zerstört wurde, wohne ich bei meinem Lehrmeister Breaker."

"Huh? Seit wann bist du bei ihm?"

"Ach, schon seit ein paar Monaten. Warst du nicht auch sein Schüler? Ich hab gehört, er hätte dich zu Chacom geschickt."

Appi war inzwischen rot angelaufen. "Bei Chacom war ich nur ganz kurz... er hat mich an Dark verwiesen, und bei dem lerne ich jetzt noch."

Faith bekam ganz große Augen. "Dark, wow, du musst ja echt gut sein! Dark nimmt ja eigentlich gar keine Schüler, oder? Jedenfalls ganz selten und nur solche, die von anderen nichts mehr lernen können."

Appi blickte etwas beschämt zu Boden. "Nun ja, das... ist so, ich, ähm..."

"Jetzt tu nicht so, Dark hat doch gesagt, dass er stolz auf deine schnellen Fortschritte ist," griff Yugi ein, wobei er Appi brüderlich auf die Schulter klopfte. "Appi ist voll das Vorbild für mich, ich kenne mich ja in dieser Welt kaum aus!" sagte er an Faith gewandt.

"Ah ja, hier steht, dass du aus der Welt des Blauen Lichts kommst," kam die Magierin auf ihre Akte zurück. "Folge mir bitte, Breaker ist heute für die Einschätzung von Magiern zuständig. Ihr anderen könnt hier warten."

Yugi folgte ihr zögerlich, so ganz allein ohne bekannte Gesichter war er etwas nervös. Faith führte ihn zu einem Fahrstuhl und drückte auf eine Taste ziemlich weit oben.

"Appi war ja fast ein hoffnungsloser Fall, die ganze Magierwelt hat über ihn gespottet," bemerkte das junge Mädchen. "Aber ich habe immer daran geglaubt, dass sein wahres Talent eines Tages entdeckt wird! Wie schön für ihn, dass es endlich soweit ist!" Sie schien sich ernsthaft für den Zauberlehrling zu freuen.

Yugi erzählte von dem Ausflug ins Eisgebirge, wobei er Appis Rolle ein bisschen beschönigte, ohne zu übertreiben. Er konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Faith sich sehr über alle guten Nachrichten über den Blonden freute, vielleicht hatten sie ja zusammen auf der Magierschule angefangen?

Er kam nicht mehr dazu, danach zu fragen, denn sie gelangten in eines der oberen Stockwerke, wo offensichtlich der Magierbereich war. Dies war an zahlreichen magischen Symbolen zu erkennen, die die Wände zierten. Zum Teil waren imposante Zauberstäbe als Dekoration im Flur aufgebaut, bei denen es sich aber nur um Replikate handelte. Yugi entdeckte tatsächlich die von Dark und Blacky neben deren Bildern. Die beiden dunklen Magier mussten wohl so etwas wie Berühmtheiten im Reich der Schatten sein. Auf einem Beistelltischchen neben einigen Stühlen für Wartende lagen Prospekte aus, in denen ein Hersteller von magischen Gegenständen individuelle Zauberstäbe anbot. Man fühlte sich in gewisser Weise wie in einer speziellen Arztpraxis oder so. Zumindest waren Ähnlichkeiten vorhanden.

Faith zeigte Yugi Breakers Büro. Dass ein Magier ein Büro hatte, war eine Vorstellung, vergleichbar mit der, dass es im Sommer Schnee gab. Allerdings stellte der Hüter des Millenniumspuzzles dann recht erleichtert fest, dass das Büro ihn sehr an Blackys oder Darks Zimmer erinnerte. Es war natürlich kleiner und beinhaltete keine Möbel außer einem Schreibtisch, ein paar Stühlen und Regalen, wobei die Regale fast alle Wände einnahmen und mit Büchern und Schriftstücken voll gestopft waren. Auf der Fensterbank eines Fensters mit Buntglasscheibe, deren Motiv ein Drache war, standen in Töpfen seltsame Kräuter, die sich gelegentlich ein vorbei fliegendes Insekt schnappten. Yugi war inzwischen mehr erstaunt als ängstlich.

Sie hatten ein paar Minuten gewartet, als Breaker durch eine andere Tür, die zuerst kaum aufgefallen war, aus einem Nebenraum in sein Büro kam. Anders als Dark oder Blacky war er kräftig gebaut für einen Magier. Da man ihn eigentlich von seiner Karte nur in voller Magiermontur mit Schwert und Schild kannte, war sein legeres Outfit fast ein Schock für Yugi. Breaker hatte blaue Haut wie Blacky und Mystic, und sein Haar war zu einem kurzen Kriegerzopf gebunden und schwarz mit einem deutlichen Rotstich, der sich zeigte, wenn Licht darauf fiel. Dazu trug er ein rotes, kurzärmeliges Hemd mit goldenen Knöpfen, eine farblich passende Hose und Schuhe, was insgesamt ein bisschen an seine Magiersachen erinnerte.

"Du bist also Yugi," begrüßte er seinen neusten Kunden, wobei er ein paar Schriftrollen von seinem Schreibtisch räumte und die Akte aufschlug, die Faith ihm reichte. "Willkommen. Wir können immer Zuwachs gebrauchen."

Seine Stimme erinnerte an Freed oder Zerato, tief und beruhigend, Selbstsicherheit ausstrahlend. Yugi fühlte sich gleich wohler. "Was wird denn jetzt von mir erwartet?" erkundigte er sich.

"Wir bringen dich gleich in den Vorführraum, wo du uns zeigen kannst, was du drauf hast," lächelte der Magier. "Keine Sorge, es ist kein Test in dem Sinne, und falls wir dich hier falsch einschätzen, wird es von dem, der dich als Karte zeichnet, geändert werden. Es ist schon vorgekommen, dass jemandes Karte dann ganz anders aussah als erwartet, in den meisten Fällen besser. Hm, hier steht, du kannst Slifer beschwören... und deine Haut hat ja auch lauter Schuppen, kannst du mir das genauer beschreiben?"

Yugi erzählte von seinen jüngsten Erlebnissen und wie er zu diesen Schuppen gekommen war. Es waren aber inzwischen schon weniger geworden.

Breaker rieb sich nachdenklich das Kinn. "Möglicherweise wird das das Ergebnis beeinflussen, vielleicht aber auch nicht, mal sehen. Komm erstmal mit." Er stand auf und ging den anderen beiden voraus zur Tür, worauf er sie dann den Gang entlang und durch einen Vorraum in eine Art Halle ohne Fenster führte, die aber durch Magie oder andere verborgene Lichtquellen erhellt wurde. Sie schien zwei Stockwerke hoch zu sein, vielleicht war es tatsächlich so. Die Größe entsprach dem Volleyballfeld in der Sporthalle von Yugis Schule. Die Wände waren aus braunrotem Stein, aber von zahlreichen dunklen Flecken übersäht, als hätte dicht daneben etwas gebrannt, an einigen Stellen sahen sie geflickt aus. Das gleiche galt für den sandfarbenen Boden. An der von Yugi aus hinteren Wand befand sich eine Puppe, die sehr an eine Vogelscheuche erinnerte.

"Ich möchte, dass du diese Puppe mit deiner stärksten Attacke angreifst," erklärte Breaker. "Faith und ich gehen zu unserer Sicherheit in den Vorraum. Ist es dir recht, wenn wir deine Aktion aufzeichnen?"

"Äh, sicher," nickte Yugi und fragte sich, ob es so etwas wie Videokameras gab. Das schien nicht der Fall zu sein, statt dessen brachte Faith eine schimmernde, schwebende Kugel herein, die immer in Yugis Nähe blieb. Dann wurde er alleingelassen.

Yugi betrachtete die Strohpuppe und überlegte, was er mit ihr machen sollte. Seine stärkste Attacke war zweifellos Raigeki, und er beherrschte es inzwischen schon so gut, dass er kaum bewusst an den Spruch denken, sondern sich nur kurz den Zauber vorstellen musste - wie er kurz darauf herausfand, denn die Magie löste sich fast von selbst von seinen Händen, zerfetzte die Puppe in einzelne Strohhalme und schlug ein schwarz verkohltes Loch in die hintere Wand. Das war dann wohl etwas zu stark gewesen... was machte dieser Verein bloß, wenn ein richtig mächtiger Magier herkam? Gab es dann noch Hallen mit mehr Sicherheitsmaßnahmen? Dann erst wurde ihm bewusst, dass er gerade ohne Schwierigkeiten Raigeki gezaubert hatte, und er ließ sich erschrocken in die Knie sinken. Seit wann ging das so einfach?!

Die Antwort war nicht einmal besonders kompliziert. Wahrscheinlich hatte es mit Slifer zu tun, gut möglich, dass er seinem Avatar besondere Kraft verlieh. Yugi war nicht sicher, ob er das gut finden sollte, eigentlich wollte er lieber selbst etwas schaffen statt durch die Kraft anderer. Wie auch immer, es war jetzt nun einmal so.

Kurz darauf kamen Breaker und Faith wieder zu ihm und sahen sich staunend die Wand an. "Scheint ich habe dich unterschätzt," bemerkte der Magier. "Willst du es dir ansehen?"

"Ansehen?" Yugi fragte sich, was er wohl meinte, aber kurz darauf erfuhr er es. Im Nebenraum gab es das Gegenstück zu der seltsamen schwebenden Kugel, und diese zeigte in ihrem Inneren eine Aufzeichnung von Yugis Attacke, gleich einer Videoaufnahme. Erstaunt sah er sich selbst, wie er einen der mächtigsten bekannten Zauber zum Einsatz brachte.

"Deine Kraft scheint allerdings recht ungezügelt zu sein," bewertete Breaker die Attacke fachmännisch. "Gerade so, als hätte dir jemand die Fähigkeit verliehen und du kannst nicht recht damit umgehen."

"Wäre möglich," gab Yugi kleinlaut zu. "In den bisherigen Kämpfen, in die ich verwickelt war, hat es keinen Unterschied gemacht. Ich treffe damit nur Feinde, keine Freunde."

"Nun, bei Magie kommt es nicht immer auf die Größe an, aber die körperliche Kraft trägt natürlich zur Ausdauer bei," erklärte Breaker ihm. "Allerdings kann man auch das nicht verallgemeinern, es kommt immer darauf an, was für Kraftquellen man zur Verfügung hat. Dann gibt es noch die Willenskraft, die gesundheitliche Verfassung... Mit anderen Worten, was später auf der Karte steht, kann man nicht durch einen einzigen Test wissen, deshalb machen wir das auch nur, um ein besseres Bild von unseren Mitgliedern vermitteln zu können. Manchmal ist es eine große Überraschung, was dann dabei herauskommt."

"Gibt es noch mehr Tests?" wollte Yugi wissen.

"Nur wenn du willst," bot Breaker indirekt an.

Yugi nickte. "Ja, warum nicht. Ich glaube, ich wäre gerne eine Spielkarte... vielleicht spielt Yami mich dann und ich kann so mit ihm in Kontakt treten."

"Ist das jemand, den du in deiner Welt zurückgelassen hast?" fragte Breaker interessiert.

"Ja. Ich will wieder zurück, aber wir befürchten, dass eine feindliche Macht nur auf einen Fehler von uns wartet." Yugi wandte sich zur Tür. "Können wir weitermachen?"

Faith nahm wieder die Akte mit und trug etwas ein, während sich die drei zu einem weiteren Raum begaben. Yugi wurde nun vor ein paar Aufgaben gestellt, die nur scheinbar einfacher waren, nämlich Geschicklichkeitstests, bei denen man Magie genauestens dosieren musste. Das fiel ihm nicht ganz leicht, denn er hatte keine Übung darin. Selbiges schob er schlicht und einfach darauf, dass er bisher immer gezwungen gewesen war, sich gegen starke Feinde zu wehren. Nun ja, Macht ohne Kontrolle war ja bekanntlich schlecht und barg Gefahren. Aber Yugi hatte sich nie für mächtig gehalten, geschweige denn für gefährlich...

Natürlich musste man den Tatsachen ins Auge sehen, er war auf jeden Fall mächtig genug, um reihenweise Feinde niederzustrecken. Aber er konnte seine Kräfte nicht wirklich gezielt einsetzen. Dennoch war es erstaunlich, dass er überhaupt eigene Magie besaß.
 

Als er zu Skill, Appi und Neo zurückkehrte, hatten diese eine Platte mit Essen vor sich stehen, die schon fast leer gefuttert war, ebenso einige Krüge mit Getränkeresten. Yugi hatte gar nicht mehr daran gedacht, dass sie warteten, anscheinend hatte er viel länger als erwartet gebraucht.

Inzwischen wertete Breaker die Daten in seiner Akte zusammen mit ein paar Kollegen aus, was erfahrungsgemäß ein paar Tage dauern konnte. Deshalb musste die Gruppe auch nicht die ganze Zeit warten, sondern sie beschlossen, die Zeit zu nutzen, um sich noch etwas umzusehen. Sie suchten sich eine Bleibe in einem Hotel, in dem man kostenlos wohnen durfte, wenn man ein Duel Monster war oder werden wollte. Indessen hatte sich Yugis Anwesenheit sogar schon herumgesprochen, und nicht selten fühlte er sich angestarrt, eine Attraktion aus der Welt des Blauen Lichts.

"Wie wird das eigentlich alles finanziert?" fragte der junge Mann. Vermutlich hätte er sich früher keine Gedanken darüber gemacht, aber jetzt war er Seto Kaibas Geliebter. Gewisse Dinge färbten anscheinend ab.

"Hauptsächlich Spenden," erklärte Skill ihm. "Die Leute, die hier arbeiten, machen das ehrenamtlich. Wenn du willst, kannst du das auch mal machen. Aber es gibt auch die Möglichkeit, ein zahlendes Vereinsmitglied zu werden, dann hast du immer Vorrang in den Stadien und noch ein paar andere Privilegien."

"Das erstaunliche an dieser Insel hier ist, dass hier alle Feindschaften auf Eis liegen," ergänzte Appi. "Stell dir vor, Sorc würde herkommen, dann dürften wir uns hier nicht mit ihm bekriegen. Erstaunlicherweise halten sich da alle dran. Aber du darfst dich hier immer nur einen Monat am Stück aufhalten, damit du die Insel nicht als Asyl benutzt, falls du auf der Flucht bist. Ausnahmen gibt es da nur in speziellen Fällen."

"Das ist ja wirklich außergewöhnlich," staunte Yugi. "Gibt es denn auch sowas wie Erzrivalen, also Leute, die sich immer wieder duellieren?"

"Ja sicher," grinste Neo, der immer noch Diamantkralle auf der Schulter mit sich herumtrug. "Dark hat da einen Studienkollegen, der ihn ständig nervt."

"Dafür ist er doch aber mit diesem Buster oder wie er heißt gut befreundet, oder?" hakte Skill nach. "Die zwei haben schon zusammen gespielt, als sie klein waren."

"Ich glaub schon," antwortete der blonde Lichtmagier. "Was hat es eigentlich noch mal mit diesem ägyptischen Priester auf sich, dem Dark mal geholfen hat?"

Yugi horchte auf. "Wieso Priester? Ich dachte, er sei an den Pharao gebunden?"

"Wie schon mal gesagt hab ich das nie wirklich kapiert," murmelte Skill, dem es peinlich war, dass er darauf keine Antwort wusste. "Weaver hat sich jedenfalls damals ordentlich aufgeregt, aber Dark meinte, es wäre eine gute Möglichkeit, seine Kräfte zu erproben, und der Priester war ein kompetenter Magier in seiner Welt. Er kam dann aber irgendwie ums Leben, danach war Dark eine Weile recht seltsam. Naja, ich hab das kaum mitbekommen. Ich war irgendwo unterwegs."

"Wie immer, würde Weaver jetzt wahrscheinlich sagen," grinste Neo.

"Ich muss mich zwar jetzt nicht dazu rechtfertigen, aber ich kann wohl behaupten, dass ich doch auch meinen Teil zu seiner Erziehung beigetragen habe," stellte Skill klar. "Natürlich konnte ich es anfangs ein bisschen schlecht, weil ich erst von meinem Sohn erfuhr, als selbiger schon sechs Zyklen alt war. Aber er hat sich nicht von Weaver zu einer Fee erziehen lassen, darauf bin ich stolz."

Das sah man ihm an, fand Yugi. Dabei wäre es Dark vielleicht als Fee auch nicht schlecht ergangen, aber eine Fee mit dem Element Finsternis war schon etwas ungewöhnlich, wenn auch nicht undenkbar. Wie lange würden sie wohl auf ihn und Blacky verzichten müssen?
 

***

Fortsetzung folgt.
 

Notiz: Es gibt tatsächlich Feen mit dem Element Finsternis.

Darks Rivale

Diese Episode spielt mal ganz im Reich der Schatten... ich hab im Moment nicht so viele Ideen für unsere Welt... da geht halt der Alltag weiter...
 

Fremde Welten 36: Darks Rivale
 

„Na komm doch endlich zurück nach oben.“ Mystic legte tröstend ihre Arme um Magi. Das Mädchen verharrte seit Stunden vor der Tropfsteinsäule von Dark und Blacky. „Du musst mal was essen, und es ist schon dunkel…“

Magi sah verheult aus. „Warum ist Yugi mit Skill und den anderen weggegangen? Kann er sich denn nicht denken, dass die beiden ihn jetzt brauchen? Und Skill sollte sich doch auch um seinen Sohn kümmern.“

„Magi, sie können alle jetzt nichts machen, sei vernünftig. Wir können nur abwarten.“

„Das ist voll gemein.“

„Ja, ich weiß. Aber sie werden es schon schaffen, und du hilfst ihnen am besten, wenn du schön übst, damit du stärker wirst, denn wenn es noch einen Angriff gibt, müssen wir uns selbst verteidigen.“ Mystic führte das Mädchen sanft aus der Höhle fort.

Die beiden Magier, die in dem Stein eingeschlossen waren, bekamen von alledem nichts mit. Sie fühlten die Nähe des jeweils anderen, schwebten zeitlos in einem Pool aus kosmischer Energie, aus dem sie Kraft schöpften. Als Fee hatte Dark ein Gefühl für die Kraft der Welt, als Magier sowieso. Blacky als Chaosmagier konnte sich jeder Kraftquelle bedienen, die sich ihm willig auftat, denn er schreckte nicht davor zurück, wie es ein anderer vielleicht aus Furcht tun würde. Beide taten alles, um schnell wieder zu Kräften zu kommen. Sie waren sich dessen nicht unbedingt bewusst. Die Energien des Schattenreiches unterstützten die beiden, denn sie gehörten zu den Magiern, die nicht einfach nur forderten, sondern baten, wenn sie sich ihrer bedienten. Außerdem – aber das wusste niemand außer vielleicht Dark so genau – gab es da noch eine Möglichkeit… einen Zugang zur Welt des Blauen Lichts, von wo ihnen die Kräfte der Magie zu Hilfe kamen.

Hätte Magi versucht, sich darauf zu konzentrieren, hätte sie den intensiven Energiefluss vielleicht bemerkt und wäre beruhigt gewesen. Doch das Mädchen war zu erschüttert, um so etwas zu tun. Wahrscheinlich war sie auch noch zu unerfahren, obwohl sie als Magierin schon so jung viel Potenzial hatte.

Mava indessen fühlte die Kräfte, auch wenn er zugeben musste, dass es vielleicht nicht so gewesen wäre, hätte Lucranda ihn nicht darauf hingewiesen. Er näherte sich dem Stein, als die beiden anderen fort waren. Konzentriert legte er eine Hand auf das feuchte Material und spürte den Energien nach, die summend zu den beiden mächtigen Magiern strömten. Schnell ließ er wieder los, um den Fluss nicht zu stören.

„Sie können allein damit zurechtkommen,“ sagte Lucranda aus den Schatten. „Komm wieder zurück.“

Mava nickte und folgte ihr zurück zu ihrer Hütte. Er schwankte noch, ob er wirklich seine Freunde allein lassen sollte, aber es war auch wichtig, mit seiner Kraft umzugehen zu lernen.
 

***
 

Yugi, Skill, Appi und Neo übernachteten auf der Duellinsel. Diamantkralle und das Pferd waren irgendwo draußen, da keiner von beiden die Enge eines geschlossenen Raumes schätzte, wie so viele Wesen, die frei fliegen konnten. Yugi schlief nicht gut und stellte fest, dass er die Nähe von Blacky und Dark vermisste, an die er sich so gewöhnt hatte. Er schämte sich ein wenig bei der Erkenntnis, denn sollte er nicht statt ihrer Yami und Seto vermissen? Doch er musste das beste aus seiner Situation machen, und schließlich hatte er ja keine neue Beziehung angefangen, wegen der er ein schlechtes Gewissen haben müsste…

Das Frühstück bestand aus einer Art Müsli mit Milch, die allerdings nicht von Kühen, sondern pflanzlichen Ursprungs war. Dazu gab es exotische Früchte. Yugi aß ausreichend, schließlich hörte man immer wieder, wie wichtig ein gutes Frühstück war. Außerdem überlegte er, dass er es vielleicht für den Tag brauchen konnte, auch wenn noch nicht feststand, was auf ihn zukam. Aber Appi und die anderen hatten etwas von einem richtigen Duell angedeutet. Also würde er vielleicht erleben, was in den Duellstadien passierte.

Und so machten sie sich gleich nach dem Frühstück auf die Socken. Beim ersten Stadion hatten sie Pech, es war noch nichts los dort. Aber im nächsten machte sich gerade eine Gruppe zu einer Übung bereit. Es waren ein paar Duel Monster dabei, die Yugi kannte: Die Elfenzwillinge, der Riesensteinsoldat, eine Gruppe Goblins (die Yugi an seine unschöne Begegnung mit solchen Wesen beim Friedenslichtorden erinnerte…), ein geflügelter Jüngling und mehrere andere. Er stellte fest, dass es hier einen Zufluss vom Meer gab, durch den sogar Fischwesen hereinkamen. Er bildete neben den einzelnen Stadien kleine Teiche und es gab offenbar auch einen Unterwasserweg hinein. Eine Meerjungfrau saß am Ufer und wartete, ob jemand sie in seine Gruppe aufnehmen wollte.

„Kommt, wir gehen mal rein und schauen zu,“ schlug Neo vor. „Um selber mitzumachen, sind wir eh nicht genug.“

Das taten sie und fanden noch mehr als genug freie Plätze im Inneren vor. Die Ähnlichkeit zu einem Fußballstadion war auch im Inneren deutlich. Viele der Anwesenden nickten Appi, Skill oder Neo grüßend zu. Natürlich kannten sich die Duel Monster alle untereinander. Einige erkundigten sich nach Yugi und wurden ihm daraufhin vorgestellt. Er war ähnlich fasziniert wie sie.

„Könnt ihr auch Fallen oder Zauber einsetzen?“ fragte Yugi neugierig. „Und wie ist es mit Ausrüstung? Bei uns sind das alles extra Spielkarten, wie setzt ihr das um?“

„Wenn du Ausrüstung benutzen willst, musst du diese entweder selber mitbringen oder dir ausleihen, der Verein hat einen Vorrat,“ begann Skill eine längere Erklärung. „Beispielsweise dürftest du den Schwarzen Anhänger benutzen, den du trägst, aber du müsstest ihn vor dem Duell natürlich abnehmen. Andere Zauber und Fallen kannst du in Form von Orbs einsetzen, dass sind kleine Kugeln, in denen magische Energie gespeichert ist. Manche Fallen und Zauber, wie Fallgrube oder Spalt, können auch durch die Mechanik des Stadions ausgelöst werden. Aber es gibt rein symbolisch trotzdem einen Orb dafür. Ist ähnlich wie der Einsatz von Spielkarten. Du wählst sie vorher aus und auch eine Anzahl von Leuten, mit denen du antreten willst, dann gehen alle in einem Raum, wo ihnen per Zufallsgenerator eine Startnummer zugewiesen wird.“

„Das entspricht dann also dem Mischen des Decks,“ begriff Yugi. „Wie kann man was verdeckt spielen?“

„Sieh einfach mal zu, da kämpfen gerade zwei Teams,“ unterbrach Appi mit einem Blick nach unten. „Es beginnt mit 4000 LP. Das kann man sich aber aussuchen.“

Yugi wurde Zeuge, wie das erste Team die Spielfeldzauberkarte *Umi* einsetzte, in dem Fall einen blauen Orb, der an der Seite in eine spezielle Halterung gelegt wurde, worauf auf das ganze Feld Wasser gepumpt wurde. Dann konnte der Siebenfarbige Fisch auf das Feld schwimmen.

„Wo ist er hergekommen?“ fragte Yugi erstaunt.

„Unter dem Stadion ist ein Wasserbecken, das sich für Wassermonster auftun kann,“ verriet Appi ihm. „Man kann es jetzt gerade nicht sehen, weil alles voller Wasser ist.“

Ein neutral weiß erscheinender Orb schwebte auf das Feld, wo in etwa die Zauber- und Fallenzone sein musste, dann wurde die Runde beendet.

Das Gegnerteam bestand aus Feuerwesen, die viele Effekte benutzten, die die Lebenspunkte reduzierten. Außerdem zerstörten sie mehrmals die Spielfeldzauber des Wasserteams. Einmal mehr war Yugi fasziniert von der praktischen Anwendung seines Lieblingsspiels, auch wenn es hier einer Projektion in einer Duellarena sehr nahe kam. Am Ende gewann das Feuerteam durch einen Zauber, der in Duel Monsters als „Schreckliches Feuer bekannt war und dem Spieler der Karte 500LP raubte, dem Gegner aber 1000.

„Boah, die hatten vielleicht Glück!“ staunte Appi, der enttäuscht zu sein schien, dass es so schnell vorbei war. „Wenn sie mit 8000 LP gespielt hätten, wäre das noch anders gelaufen! Wassergruppen sind eigentlich voll stark! Der Pinguin ist immer ziemlich fies!“

„Die hatten heute aber auch Pech,“ bestätigte Neo. „Naja, mal gewinnt und mal verliert man.“

„Das war klasse, ich würde gerne mal mitmachen,“ freute Yugi sich. „Wer entscheidet denn, was gemacht wird?“

Appi zuckte mit den Schultern. „Manchmal gibt es nen Teamführer, der selber nicht mitmacht, oder es ist einer vom Team der Boss. Man kann es auch in der Gruppe entscheiden, das dauert oft aber zu lange.“

„Hey, wir haben hier doch den Experten!“ grinste Neo plötzlich. „Yugi! Du suchst dir ein Team und spielst ne Runde!“

Yugi errötete verlegen. „Ja, also… das geht aber nicht so schnell!“

„Die meisten Teams sind schon vorhanden, du musst nur ein paar Entscheidungen über Fallen und Zauber treffen,“ ermutigte Skill ihn. „Wir können ja noch ein bisschen zusehen und dann mal raus gehen, um ein paar Leute zu finden. Die wissen ja alle bald, wo du herkommst, und dass dort dieses Kartenspiel gespielt wird…“

In diesem Moment mischte sich eine fremde Stimme ein: „So, du bist also der Champion aus der anderen Welt, Darks kleiner Schützling… war da nicht noch ein Pharao im Spiel?!“

Yugi und die anderen wandten sich in die entsprechende Richtung um und erblickten einen hoch gewachsenen, schlanken Typen mit gebräunter oder vielleicht auch von Natur aus dunklerer Haut. Er trug eine enge schwarze Hose und eine knallrote Tunika darüber, vom Stil her ähnlich den Sachen, die Dark in seiner Freizeit trug. Sein glattes, weißes Haar wirkte sehr fein und hing ihm fast bis auf die Brust. Er fixierte die Gruppe mit rotbraunen Augen und einem direkt fies wirkenden Grinsen. Yugi betrachtete ihn verwundert. Der Magier – offensichtlich war er einer – kam ihm bekannt vor, aber er konnte ihn im Moment nicht einordnen.

Der Fremde verneigte sich spöttisch vor ihm. „Du musst ja dann der Hüter des Millenniumspuzzles sein. Ist mir eine ausgesprochene Ehre.“

„Ja, so siehst du aus,“ erwiderte Yugi trocken. Warum er sich so feindselig verhielt, war ihn selbst ein Rätsel – vielleicht, weil der andere sich so arrogant benahm.

„Mein Name ist Krad,“ verkündete der Weißhaarige grinsend.

Yugi hob eine Augenbraue. „Bist du sicher, dass du nicht im falschen Film bist?“

Krad – falls er wirklich so hieß – lachte schallend. „Ganz schön clever! Ich nenne mich manchmal so, um Dark zu ärgern. Wir sind zusammen auf die Akademie gegangen und waren schon immer Rivalen. Wir wurden hier auf der Insel als gleich stark eingestuft, und das sind wir auch, leider. Ich wollte nämlich meine eigene Spielkarte haben, aber der Typ, der die Dinger erfindet, hat meine auch *Schwarzer Magier* genannt! Dabei sehe ich doch wirklich ganz anders aus! Ich bin der *Rote Magier der Finsternis* oder der *Blutrote Magier“, was auch immer, aber nein…“ Er ließ theatralisch Kopf und Arme hängen in einer Geste der Hoffnungslosigkeit. „Ich werde auch als *Schwarzer Magier* gespielt, es ist zum Heulen. Aber ich heiße Crimson! Wäre es zuviel verlangt, das zu berücksichtigen?“

Yugi schüttelte nur noch den Kopf. Er fühlte sich von dem Redeschwall etwas erschlagen. Jetzt wusste er auch wieder, wer das war. Es war der Magier, den Arcana in Battle City gegen ihn und Yami gespielt hatte.

„Crimson ist der Sohn meines Bruders und einer Amazone,“ erklärte Skill. „Also sind er und Dark Cousins. Weil Crimson kein Mädchen ist, hat seine Mutter ihn zu Shiro gebracht und sich dann nie wieder um ihn gekümmert. Amazonen sind so.“

„Ist immerhin nicht ganz so peinlich, wie ne Fee als Mutter zu haben,“ fand Crimson.

„Also ich finde, dass sich Dark nicht beschweren kann, immerhin kann er fliegen, hast du das mal gesehen?“ warf Neo ein.

Der Weißhaarige starrte ihn ungläubig an. „Ist nicht dein Ernst…!“ Erst sah es aus, als sei er neidisch, doch dann fing er an zu lachen. „Hey der ist sogar voll die Fee, und dann krieg ich trotzdem keine eigene Karte!“ Seine Stimmung schwankte zu ärgerlicher Belustigung.

„Na, ihr habt bestimmt beide eure Qualitäten…“ versuchte Yugi diplomatisch zu vermitteln.

„Wo steckt Dark eigentlich, ich hab gehört, seine Burg sei zerstört worden,“ erkundigte sich Crimson, ohne auf den Jungen einzugehen. „Musste ja so kommen mit Exodia darunter… Das wusste ja jeder, alle haben ihn immer gewarnt…“

„So?“ Das hätte Yugi nicht gedacht, aber es erklärte, dass die Evakuierung der Burg so schnell gegangen war. Offenbar waren immer Pläne für den Notfall da gewesen.

„Wir wohnen zur Zeit in der Feenburg auf dem Berg, den man nur fliegend erreicht,“ erklärte Skill. „Aber auf die Dauer geht das auch nicht so weiter. Wir müssen uns mal was anderes einfallen lassen…“

„Wie wär’s mit dem Kristallschloss, das staubt sowieso langsam ein,“ schlug Crimson überraschend vor. „Ist auch immer total leer da, voll langweilig. Ein würdiger Gegner unter demselben Dach würde das ganze doch mal interessant machen.“

„Wohnst du da etwa?“ staunte Appi.

Crimson winkte ab, als wäre das nichts Besonderes. „Zusammen mit meinem Vater und ein paar anderen. Ihr könnt’s euch ja mal ansehen, wenn ihr hier fertig seid.“

„Naja, dahin ist es ja nicht weit, wenn wir gleich aufbrechen, können wir vielleicht da übernachten und morgen früh hierher zurückkehren,“ überlegte Skill.

Appi hatte einen Gesichtsausdruck, als würde sich gerade ein Wunschtraum für ihn erfüllen. „Das legendäre Kristallschloss! Jeder träumt davon, da mal seinen Fuß rein zu setzen oder es wenigstens von weitem zu sehen! Aaaah, wir werden da vielleicht sogar wohnen!“

„Ist nicht so, dass man das nicht könnte,“ bemerkte Crimson. „Man muss sich nur hinbemühen, dann kann man es sehen und betreten. Oder was hast du gedacht, etwa diese Märchen von nem verborgenen Ort oder so?“

Appi errötete und enthielt sich eines Kommentars.

„Na, dann lasst uns doch einfach aufbrechen,“ schlug Neo vor und lenkte so vom Thema ab. „Hast du irgendein fliegendes Reittier?“

„Hier laufen ja wohl genug rum,“ meinte Crimson. „Ich treff euch dann auf dem Landeplatz.“ Er machte sich auf, um einen freiwilligen Drachen oder ein sonstiges geeignetes Wesen zu finden.

„Na dann sollten wir mal nach unserem Pferd und Diamantkralle suchen,“ entschied Skill. „Kommt mit.“

Das Flammenpferd hielt sich in der Nähe des Stadions auf, und der Drache kam in seiner kleinen Gestalt zu Neo, als dieser ihn gedanklich rief. Sie begaben sich zu den Landeplattformen und fragten sich, ob Crimson wohl die richtige fand, als der Magier auch schon zu ihnen stieß. Er hatte einen Drachen der anderen Dimension in Kleinformat auf der Schulter, doch nun schwebte dieser elegant herab und nahm seine normale Größe an.

„Hab jemanden gefunden, der mich trägt,“ verkündete der Weißhaarige.

„Ha, das mach ich auch immer so, wenn ich nicht gerade irgendwo zu Besuch war und dort ein Reittier ausleihen kann,“ freute sich Skill.

Diamantkralle tat es dem anderen Drachen gleich, und zusammen machten sie sich auf den Weg zu dem besagten Kristallschloss. Neo und Appi wirkten irgendwie ein bisschen aufgeregt. Auch Yugi war gespannt. Skill schien es eher normal zu finden. Er kannte auch den Weg, aber wenn sein Bruder in dem Schloss wohnte, war das ja auch kein Wunder. Die Reise dauerte eine Weile, und die Gruppe hatte Hunger, als sie gegen Mittag ihr Ziel erreichten.
 

Schon von weitem sah das Bauwerk beeindruckend aus, wie ein weißes Märchenschloss aus dem Bilderbuch. Die Dächer der Türme schillerten bläulich. Yugi musste an Schloss Schwanstein in Deutschland denken, das in Japan eine gewisse Berühmtheit erlangt hatte. Die Ähnlichkeit war durchaus gegeben. Im Gegensatz zu der Burg Drachenfels, die altertümlich, aber standfest ausgesehen hatte, wirkte das Kristallschloss geradezu zerbrechlich. Wie viele solche Zufluchten stand es an einem schwer zugänglichen Ort auf einem Berg, wobei an einer Seite Ein Wasserfall von einer Klippe stürzte. Trotz seines Namens bestand es aber nicht aus Kristall. Unwillkürlich drängte sich da die Frage auf, warum es denn dann so hieß.

Die Magier landeten mit ihren Tieren auf einem großen Hof, dessen Boden mit hellen, glänzenden Steinplatten belegt war, die ein sonnenförmiges Muster rund um einen beeindruckend großen Brunnen bildeten. Das Wasser, dass von drei verschiedenen Drachen aus Marmor ausgespieen wurde, plätscherte angenehm. Aber es gab anscheinend keine Bewohner, jedenfalls zeigte sich zur Zeit keiner. Während Yugi, Appi und Neo sich interessiert einige Statuen auf dem Hof ansahen, ging Crimson zielstrebig auf ein großes Tor zu, dicht gefolgt von Skill. Die drei anderen rissen sich schließlich auch los und folgten ihnen.

„Vater ist wahrscheinlich in der Bibliothek. Es ist hier ja auch sonst nicht viel Interessantes zu tun, außer vielleicht im Garten…“ plauderte Crimson.

Sie gelangten durch ein großes Tor aus dunklem Holz, das reich mit Schnitzereien von mythologischen Szenen verziert war, in eine Art Vorhalle, von der links und rechts ein Gang abzweigte, während es nach vorne durch ein weiteres Tor in eine viel größere Halle ging. Die Wände bestanden alle aus dem hellen Stein, den man auch von außen sah, generell wirkte alles sehr von Licht durchflutet, das durch zahlreiche Bogenfenster hereinfiel. Hier konnte man wohl immer Feste und Empfänge abhalten, wenn es einen passenden Anlass gab. Yugi stellte sich vor, wie es wäre, hier überall Tische aufzubauen wie in Darks Speisesaal, das wäre bestimmt möglich. Zweifellos gelangte man durch irgendeine Seitentür zu den Dienstbotenquartieren und der Küche. Am gegenüberliegenden Ende dieses Saales stand eine Art Thron, als hätte hier einst ein König gewohnt. Was für eine Regierungsform hatte das Reich der Schatten eigentlich?!

Jedenfalls schien dieses Schloss jetzt kein Regierungsgebäude mehr zu sein, aber es war dennoch wunderschön. Von der Decke hingen insgesamt drei große Kronleuchter hintereinander, da der Raum länglich war. An den Wänden sah man Gemälde von einer Art Schlacht, an der etliche Monster teilgenommen hatten.

„In diesem Schloss werden zahlreiche Legenden und Aufzeichnungen bewahrt. Magische Artefakte finden hier auch eine Ruhestätte und werden manchmal bei Bedarf wieder herausgegeben. Aber hauptsächlich gibt es Informationen. Leider interessiert sich für die meisten keiner mehr, oder es gibt genug Abschriften davon, so dass selten jemand herkommt. Mein Vater hat die Aufgabe, das Wissen zu schützen und die Dokumente zu bewahren,“ erzählte Crimson. „Er schreibt die Schriften oft ab und gibt sie an Schulen und Akademien weiter. Manchmal kommen Leute, um hier etwas nachzulesen, aber das ist eher die Ausnahme. Manche Legenden gelten einfach als unwichtig. Die vom Millenniumspuzzle ist allerdings sehr bekannt.“

Appi klopfte Yugi kumpelhaft auf die Schulter. „Hey, voll krass. Naja ich hab auch auf der Akademie davon gehört.“

„Genau genommen schreibt man Tests darüber,“ bemerkte Neo. „Aber Glanzleistungen hast du ja nie gebracht.“

„Laber nicht so’n Mist!“ motzte der Jüngere.

In diesem Moment stieß ein hoch gewachsener Mann in einer aristokratisch anmutenden, bläulich weißen Robe zu ihnen, indem er durch einen der Gänge, die vom Saal abzweigten, hereintrat. Er hatte eine hohe Stirn, die ihn sehr gebildet aussehen ließ, und trug sein hellblondes Haar streng nach hinten gebunden. So fiel es bis auf den Rücken. Mit blauen Augen musterte er die Besucher.

„Hi Paps,“ sagte Crimson lässig. „Ich hab Onkel Black aufgegabelt, zusammen mit ein paar Anhängseln. Yugi, Appi und Neo. Stell dir vor, Yugi ist der Junge mit dem Millenniumspuzzle, von dem man so viel hört in letzter Zeit.“

Ehe der Angesprochene angemessen reagieren konnte, ging Skill auf ihn zu. „Hey White, du Einsiedler, dich trifft man ja auch nur alle Jubeljahre!“

„Ich treibe mich eben nicht wie ein Penner in der Welt rum,“ entgegnete der andere Magier. „Ist richtig peinlich, als großer Bruder solltest du eigentlich ein Vorbild für mich sein!“

„Ich bringe immer ne Menge Wissen mit, das schien dich bisher nie zu stören, also stell dich nicht so an,“ verteidigte Skill sich und verschränkte die Arme in scheinbarer Beleidigung. „Kann ja nicht jeder immer nur als Einsiedler leben!“

Sie starrten sich sekundenlang an, dann fingen beide an zu lachen und umarmten einander. Crimsons Vater trat schließlich als Erster zurück. „Wah, du verdreckst meine Robe!“ Er tat übertrieben reinlich.

„Black and White?“ Yugi sah unsicher zu Crimson. „Was bedeutet das?“

„Ihre Eltern waren sehr kreativ,“ bemerkte der weißhaarige Magier. „Sie nannten ihre Söhne Shiro und Kuro, Weiß und Schwarz. Dabei hatte das nur bedingt mit den Haarfarben zu tun, und in dem Alter kann man auch noch nicht wissen, was aus ihnen mal wird. Aber bei uns ist es so, dass der Geburtsname eines Kindes später geändert werden kann, wenn man mehr über seine Eigenschaften weiß.“

„Ah ja, das wurde in Japan früher von der Samuraiklasse auch praktiziert,“ warf Yugi ein. „Allerdings war es da eher so, dass jemand einen Ehrennamen erhielt oder so.“

„Naja, kommt auch vor,“ fuhr Crimson fort. „Jedenfalls heißt mein Vater jetzt White Skill, sein Bruder dagegen Black Skill, weil einer ein Lichtmagier und der andere ein Finsternismagier ist. Sie machen sich aber einen Spaß daraus, sich immer nur Skill zu nennen, wenn sie allein unterwegs sind, damit verwirren sie manchmal die Leute. Die denken, Skill wäre nur eine Person. Kindsköppe, die zwei.“

„Sind wir das nicht alle?“ winkte Neo ab. „Ich würde mich hier gerne ein bisschen mehr umsehen. Geht das?“

White Skill hatte das mitgehört. „Zeig ihnen alles, Junge. Ich werde Kuro mit ins Archiv nehmen.“ Untereinander benutzten die Brüder noch ihre Geburtsnamen. Sie verschwanden schwatzend durch den Gang, durch den White vorher erschienen war.

Crimson seufzte. „Ich bin kein sehr guter Fremdenführer. Naja was soll’s. Ich zeig euch, wo ihr übernachten könnt, dann schauen wir uns den Rest an. Folgt mir.“

Das taten sie, und er zeigte ihnen ein Schloss, das weitgehend leer stand, wobei alle Zimmer mit Möbeln bestückt waren, die man mit Tüchern bedeckt hatte, um sie vor Staub zu schützen. In manchen Räumen gab es Galerien von Kunstwerken wie Bildern, Figuren, Standbildern, aber auch Ausstellungen von Waffen und Rüstungen vergangener Helden.

„Ich habe den Turm am Abgrund für zuletzt aufgespart,“ verkündete Crimson mit einem geheimnisvollen Lächeln. „Kommt mit.“

Wie sich der große Saal von der Höhe her über zwei Etagen erstreckte, so war es auch mit dem ein oder anderen weiteren Raum, doch der besagte Turm stellte alles in den Schatten. Dorthin gelangte man durch eine hinter dem Thron verborgene Tür. Der Turm bestand nur aus einem einzigen, sehr hohen Saal, groß genug, um drei lebensgroßen Drachenstatuen Platz zu bieten. Sie wurden vom Sonnenlicht beschienen, das von allen Seiten hereinkam, denn die Wände bestanden zum Teil nur aus Säulen, und anhand der Aussicht war klar, dass dieser Ort sich wirklich direkt über dem Abgrund nahe des Wasserfells befand. Wände und Boden waren in Blautönen gehalten, und zum Dach schien ebenfalls Licht herein, vermutlich war es mit Glas abgedeckt. Yugi, Appi und Neo starrten mit offenen Mündern zu den Drachen hinauf. Sie sahen fast aus, als wären sie echt und zu Kristall erstarrt.

„Wozu sind die Schwerter gut?“ fragte Appi. „Sind das etwa Statuen von Drachen, die heroisch besiegt worden sind oder so?“

„Einer hat das Schwert im Auge, der andere im Kiefer und der letzte in der Pranke, das muss eine symbolische Bedeutung haben,“ sinnierte Neo.

Crimson zuckte nur mit den Schultern. „Wenn, dann kenne ich sie nicht. Vater macht ein ziemliches Geheimnis draus, so sehr, dass ich mich frage, ob er nicht vielleicht auch ahnungslos ist. Jedenfalls ist das hier voll das Heiligtum, also macht nichts kaputt, fasst am besten nichts an und kommt gar nicht erst wieder her. Ich wollte euch das nur mal zeigen, weil die Drachen doch ziemlich cool sind. Außerdem hat es keinen Sinn, das Betreten eines Raumes einfach zu verbieten, jeder Idiot weiß, dass die Leute da dann gerade hingehen.“

Das stimmte allerdings, schließlich machte das Verbotene erst den Reiz aus.

„Hast du nicht vorgeschlagen, dass die Magier von Burg Drachenfels hier wohnen könnten? Ist das denn in Ordnung, wenn hier diese wertvollen Statuen aufbewahrt werden?“ hakte Yugi nach.

„Ihr habt ja all die Zimmer gesehen, es ist wirklich schade drum,“ meinte Crimson. „Vater sagt immer, man solle das Gemäuer lieber wieder mit Leben füllen als es verstauben zu lassen. Vermutlich wird er mit Onkel Kuro noch darüber reden. Ich persönlich würde mich freuen, mich mal wieder mit Dark zoffen zu können.“ Er knackte mit den Knöcheln seiner Hände. „Wäre doch gelacht, wenn ich die Fee nicht klein kriegen könnte!“

„Lass ihn das ja nicht hören,“ murmelte Yugi.

„Genau, das wird nicht leicht sein,“ verteidigte Appi seinen Lehrer.

Crimson betrachtete die Jungen abschätzend. „Wer unterrichtet euch beide im Moment eigentlich? Ihr seid ja wohl noch Schüler, nicht wahr? Sowas spricht sich schnell rum. Soll ich euch ein paar fiese Tricks beibringen?“

„Also wirklich, verdirb die beiden nicht,“ empörte sich Neo.

Yugi dachte ernsthaft darüber nach. Es kam ihm ein bisschen wie Verrat vor, andererseits… „Man muss lernen, soviel man kann,“ entschied er. „Ich wäre dafür.“

Appi sah ihn erstaunt an, und auch Neo konnte es kaum glauben, das ausgerechnet aus seinem Mund zu hören.

„Dark und Blacky würden nicht wollen, dass wir faulenzen,“ argumentierte der Kleinere. „Es kann nicht schaden, wenn wir mit Crimson ein bisschen üben. Er ist immerhin auch ein mächtiger Magier.“ [Auch wenn mich sein Verhalten irgendwie mehr an Appi als an Dark erinnert… ihm fehlt die gewisse Würde…] Yugi behielt diese Gedanken wohlweißlich für sich. Aber er war wirklich gespannt, was er von Darks Rivalen lernen konnte.
 

***

Fortsetzung folgt

Veränderungen

Hallo, nach langer Zeit mal wieder!^^°
 

Ich fahre morgen weg, also, liebe Kommentatoren, entschuldigt bitte, falls ich es nicht mehr schaffe, euch zu benachrichtigen. Dieses Kapitel war nicht beim Betaleser, weil im Moment alle im Urlaub sind oder bald fahren, kann also sein, dass ich später noch was bearbeite. Bald gibt es wieder mehr Action.
 

Ihr habt ganz richtig erkannt, dass das Kristallschloss dasselbe ist, das in der Dartzstaffel vorkommt. Ist ein Witzchen von mir, genau wie das Auftauchen von Raphael und Valon.

Ein Duell in der Arena ist tatsächlich geplant, es ist sogar schon gespielt worden und wartet auf seinen Einsatz. Hab knapp gewonnen. *Schweiß abwisch* In der letzten Folge gab es erst auch eins, aber ich hab dann entschieden, dass ich sowas lieber nur einmal schreibe, oder jedenfalls nicht so dicht hintereinander, weil es doch recht lang und für Nichtspieler etwas verwirrend war.
 

Kapitel 37: Veränderungen
 

Yugi wurde am Morgen unsanft aus dem Schlaf gerissen. Nun ja, eigentlich war es nicht richtig unsanft. Ein Wattebausch hüpfte auf seinem Bett herum. „Häh... Watapon?!“

Das Wesen quiekte erfreut und hoppelte weg, um den nächsten zu wecken. Bald hörte man Appis Fluchen von nebenan. Yugi stand auf und sah sich um. Er hatte in einem antik anmutenden Himmelbett aus dunklem Holz und mit samtenen, roten Vorhängen geschlafen. Es war breit genug für zwei, was ihn mal wieder wehmütig an Seto und Yami denken ließ.

Sein Zimmer war wirklich geräumig. Wenn hierher alle Magier zogen, die vorher in Burg Drachenfels gelebt hatten, musste er es bestimmt teilen oder in ein anderes ziehen. In endloser Menge standen die Räume schließlich auch nicht zur Verfügung. Er hatte bei der Besichtigung einiger Zimmer gesehen, dass alle recht edel eingerichtet waren. Blacky und Dark würden bestimmt alles mit Bücherregalen voll stellen... Was war eigentlich mit all den Büchern aus Burg Drachenfels? Da waren doch bestimmt unsagbare Schätze verloren gegangen! Andererseits hatte sich niemand darüber aufgeregt, jedenfalls nicht so, dass er es mitbekommen hätte.

Die steinernen Wände des Zimmers waren mit farbigen Wandteppichen verziert, auf denen verschiedene Szenen dargestellt waren, vermutlich aus der Geschichte oder Legenden. Yugi erkannte in einigen die Szenen wieder, die er schon als Gemälde an manchen Wänden gesehen hatte, und immer waren ein oder mehrere Drachen dabei, die denen glichen, die als Statuen in dem Turm standen. Auf einem der Teppiche war eine Armee zu sehen, die zusammen mit den Drachen gegen ein riesiges schlangenartiges Ungeheuer kämpfte. Yugi fühlte sich seltsam, wenn er das Bild ansah, und konnte sich das nicht erklären.

Kopfschüttelnd trat er ans Fenster, wobei seine Füße in Teppichen auf dem Boden versanken. Das alles war echt zu schade, um einfach einzustauben. Aber es gab keine Bediensteten, oder? Yugi hatte keine Ahnung, wie man einen Teppich ohne Staubsauger reinigte.

Die Aussicht war einfach märchenhaft. Nicht so hoch oben wie die Feenburg, aber doch auf einem Berg gelegen, gewährte das Kristallschloss auf der dem Abgrund mit dem Wasserfall abgewandten Seite einen Ausblick den Berg hinunter und ins Tal, wo es so etwas wie ein Dorf zu geben schien, weiter entfernt sogar eine Stadt. Yugi wollte gerne wissen, wer dort lebte. Während er hinsah, flogen ein paar Vogelwesen vorbei, in einiger Entfernung ein Drache. Das Wetter war gut heute und die Luft klar, auch wenn man wie immer nicht wirklich eine Sonne lokalisieren konnte. Wieder einmal stellte der Junge fest, dass es trotzdem eine Lichtquelle geben musste, denn die Bäume warfen Schatten, von seiner Warte aus momentan nach rechts.

Der Anblick des Drachen in der Ferne erinnerte ihn an seinen eigenen Zustand, deshalb ging er zum Spiegel, der neben dem Bett stand, und betrachtete sich darin. Die Schuppen waren bald ganz verschwunden, es waren schon viel weniger, und die meisten waren verblasst. Auch hatte er keine gefährlichen Krallen und keinen zusätzlichen Schwanz mehr. Das alles beruhigte ihn doch sehr.

Yugi wusch sich in der für diesen Zweck durch einen Wandschirm abgeteilten Ecke und zog sich sein Gewand dann wieder über. Als er auf den Flur trat, stolperte er über Appi, der gerade im Begriff gewesen war, an seine Tür zu klopfen.

Der Zauberlehrling grinste ihn an. „Hey, hast du auch so gut geschlafen?“

„Naja… für dich muss es toll gewesen sein, weil du dich endlich rumwälzen konntest, ohne raus zu fallen, aber ich habe Seto und Yami vermisst,“ gab Yugi zu.

Appi trat nahe zu ihm. „Hey, wenn du Sex brauchst…“ flüsterte er dicht an seinem Ohr in heiserem Tonfall. Doch gerade als Yugi, heftig errötend, zum Protest ansetzte, sprang der Blonde lachend von ihm weg. „Du hast es echt geglaubt! Ich schmeiß mich weg!“

„Appiiiii, das ist *nicht* komisch!!“ motzte Yugi entrüstet.

„Finde ich schon!“ kicherte der andere, der inzwischen die Treppen erreicht hatte. „Komm frühstücken!“

Das Frühstück wartete auf einer Terrasse mit Blick auf den Kräutergarten auf sie. Die beiden Skills und Neo waren bereits in ein Gespräch vertieft. Crimson fehlte noch. Das blieb jedoch nicht lange so: Der Magier trug ein frisch gebackenes, fladenförmiges Brot herbei, das richtig knusprig aussah und nach Ofen duftete, und setzte es mit stolzem Gesicht auf dem Tisch ab. Yugi und Appi waren wie erstarrt stehen geblieben, statt sich zu setzen. Anscheinend unterlagen sie einer Sinnestäuschung, da waren sie sich einig. Sie sahen nicht wirklich, dass Crimson nun ein rotes Shirt mit kurzen Ärmeln und dazu eine weiße Latzschürze trug, und schon gar nicht, dass er sein Haar unter einem Kopftuch hochgebunden hatte. Seine Kleidung war voller Mehlflecken und anderen Rückständen.

„Ist was?“ blaffte er die beiden an, als ihm das Starren zu blöd wurde.

Yugi wandte den Blick ab und sah statt dessen auf das Brot, das wirklich lecker aussah, während er sich hinsetzte.

Appi brauchte etwas länger.

„Schlagt ruhig zu, es ist genug da,“ forderte Shiro sie auf und lenkte die Aufmerksamkeit der Jungen auf Marmelade, Pudding und Honig sowie ein paar kleine Kuchen. „Mein Sohn gehört zu den besten Köchen und Bäckern, die ich kenne.“

„Nur ein unbedeutendes Hobby,“ winkte Crimson ab, doch das hörte sich anders an. Er wusste genau, dass er gut war.

Yugi wagte sich vor und brach ein Stück von dem frischen Brot ab, worauf aus dem inneren heißer Dampf aufstieg und ihm fast die Finger versengte. Er musste ein bisschen warten, bevor er es probieren konnte. Natürlich schmeckte es nicht wie zu Hause, aber deswegen war es nicht schlecht. Im Gegenteil, er hatte noch nie so leckeres Brot gegessen, und dass es so frisch war, machte es noch besser. Der Geschmack war etwas süßlich, und Crimson klärte ihn fachmännisch darüber auf, dass es sich um ein typisches Frühstücksbrot handelte, das aus dem Mehl bestimmter Obstkerne gebacken wurde. Die Früchte waren so voll mit Kernen, dass man das Fruchtfleisch kaum essen konnte, aber die Kerne ergaben ein gutes Mehl, erklärte er ihnen.

Schließlich räusperte sich der weißhaarige Magier. „Genug gefaselt. Esst, Frühstück ist wichtig für ein anständiges Training!“

Appi und Yugi stürzten sich auf ihre Teller, instinktiv dem Befehlston folgend, der Darks ein wenig ähnelte. Crimson überwachte den Vorgang mit ernstem Blick. Er nahm die Schürze und das Kopftuch ab und aß auch etwas. Offenbar hatte er eine Vorliebe für die leicht bittere grünliche Konfitüre.
 

Eine halbe Stunde später saßen die Skill Brüder in der Bibliothek, um sich dort ein paar Aufzeichnungen anzusehen.

„Hier, weißt du noch, das hat unser Lehrer für Fallentechniken geschrieben! Boah, früher kamen mir diese Sprüche alle so schmalzig vor!“ erinnerte Shiro sich.

Kuro las den Eintrag in dem Abschlussbuch. Auch er hatte ein solches, und derselbe Lehrer hatte das gleiche in seins geschrieben. „Vermutlich waren wir damals noch zu naiv, um seine Weisheiten zu verstehen.“

Beide lachten herzlich.

In dem Moment hörten sie einen Knall, der die Schlossmauern erbeben ließ. Kuro sprang auf. „Was zum...“

Sein Bruder zog ihn am Ärmel zurück auf den Stuhl. „Ruhig, das ist nur Crimson, der trainiert bestimmt gerade mit den Jungs. Das Schloss ist vor seinen Attacken geschützt.“

„Ah... wenn du das sagst...“ Der ältere Magier blieb etwas skeptisch, beruhigte sich aber wieder.

Shiro erklärte ihm: „Wir haben einen Trainingsraum im Keller, oder besser eine riesige Höhle im Berg, zu der man über eine paar Treppen hinkommt. Magie wird dort von den Wänden absorbiert und fließt in das Schloss, wo sie zur Verteidigung benutzt wird. Man muss die Schutzzauber ja ab und zu mal stärken, so schlagen wir beim Trainieren zwei Fliegen mit einer Klappe. Überschüssige Energie wird in Form von Licht und ähnlichem abgegeben.“

Kuro hatte fasziniert zugehört. „Das ist sehr interessant, Hauptsache, dabei wird nicht irgendwann das Schloss in die Luft gesprengt, wie Burg Drachenfels.“

„Soweit ich weiß, haben wir kein Monster, das unter dem Schloss schläft,“ versicherte sein Bruder. „Mach dir also keine Sorgen.“

Wieder krachte es, und der Inhalt einer Wasserkaraffe auf einem Tisch in der Nähe schwankte bedenklich. Aber Shiro schien das nicht zu stören, also konzentrierte sich auch Kuro wieder auf die Bücher.
 

Crimson hatte sich in seine Magierkluft geworfen, allerdings die Schulterpolster und den Hut weggelassen. Er sah trotzdem Respekt einflößend aus, was vielleicht auch damit zusammenhing, dass er gerade eine Anzahl von Messern erscheinen ließ, die sich dann in eine Strohpuppe in der hinteren Wand bohrten und wieder verschwanden. Yugi kannte die Attacke durchaus noch von seinem Duell mit Arcana, aber dafür konnte Crimson ja nichts.

„Können wir das auch lernen? Ist doch eigentlich nur für den Schwarzen Magier spielbar, oder?“ erkundigte er sich.

Crimson machte eine wegwerfende Handbewegung. „Jaja, das hat der Spieleerfinder so verfügt. Aber in dieser Welt müsste es auch anderen möglich sein, zumindest ein paar Messer erscheinen zu lassen. Ach ja ich zeig euch noch was… geht aus dem Weg.“

Yugi, Appi und Neo, der eine Aufpasserrolle angenommen hatte, zogen sich an die hintere Wand zurück. Zum Glück war diese Höhle wirklich geräumig, mit Wänden aus Stein, die von leuchtenden Quarzadern und Edelsteinvorkommen durchzogen wurden. Sie strahlten Lichtenergie ab, die von der Magie stammte, die der Ort ständig absorbierte, so war es nie dunkel. Die jungen Magier fühlten sich an diesem Ort irgendwie klein.

Crimson konzentrierte sich. Dann streckte er beide Arme von sich, und das Feld vor ihm explodierte in blauem Feuer, das aussah wie eine Flutwelle. Auch er selbst wurde davon erfasst, und als es zurückging, war nichts mehr da, weder der Magier noch eine Übungspuppe. Die drei Zuschauer starrten entsetzt auf die Stelle, wo er gestanden hatte.

Doch gleich darauf tat sich ein Feld aus Licht auf, wie eine Art Dimensionstor, und aus diesem trat Crimson hervor. „Ich habe euch schön erschreckt, was?“ freute er sich.

Yugi versuchte, den Zauber zu analysieren und eine Karte zu finden, die ihn repräsentierte, gab es aber auf. Woher wollte er denn wissen, dass es für jeden Zauber eine Spielkarte gab? Davon abgesehen wurde er abgelenkt.

Während Appi die Vorstellung ziemlich cool gefunden hatte, setzte Neo nun ein ernstes Gesicht auf. „Ist ja wirklich beeindruckend, aber nichts, was man einfach mal machen sollte! Was da alles passieren kann!“

„Hey, reg dich ab!“ erwiderte Crimson gelassen. „Ich hab das oft geübt. Und zu diesem Zweck muss man’s ab und zu machen, nicht wahr? Es ist sehr viel gefährlicher, einen solchen Zauber nur in Notfällen zu vollführen und ihn dann nicht zu beherrschen.“

Das musste Neo zähneknirschend zugeben. „Trotzdem sollten dann keine Schüler in unmittelbarer Nähe sein! Ich selbst glaube nicht, dass ich sie beschützen kann, wenn etwas schief geht! Ich bin nicht so mächtig.“

„Keine Sorge, ich habe alles unter Kontrolle,“ winkte Crimson ab.

„Ich schätze, das unterscheidet dich von Dark,“ widersprach der Blonde erneut. „Er hat auch alles unter Kontrolle, ist aber trotzdem vorsichtig.“

„Vorsichtig? Oder eher... ängstlich?“ provozierte Crimson ihm.

„Hey, Dark ist nicht ängstlich!“ mischte sich Appi ein, seinen Lehrer verteidigend.

„Vorsichtig ist nicht das gleiche wie ängstlich!“ bestätigte Yugi.

Der Weißhaarige warf den Kopf zurück und lachte. „Das ewige Streitthema! Naja, jedem das seine. Hehe. Und mir das meiste!“ Er grinste frech.

Neo verdrehte stöhnend die Augen. „Mann bist du arrogant...“

„Nein, ich bin gut und weiß es!“ verbesserte Crimson.

„Ist auch ne Einstellung,“ befand Yugi, und Appi nickte zustimmend.

„Trotzdem, du kannst es den beiden noch nicht beibringen,“ beharrte Neo.

„Die Zerstörungewelle nicht, aber das Dimensionsloch ist nicht so schwer.“

„Spinnst du? Was wenn sie nicht zurück finden?“

„Ach hör auf, Yugi beherrscht sogar schon Raigeki!“

„Es ist relativ einfach, mit Kraft um sich zu werfen, aber sich in eine andere Dimension zu teleportieren…“

„Maaaann, bist du verklemmt! Gib endlich Ruhe!“ Crimson ließ ein Fläschchen in seiner Hand erscheinen und warf es in Neos Richtung. Es zerschellte vor den Füßen des Blonden und ein feiner Grüner Nebel steig auf. Neo wich zurück, doch plötzlich konnte er sich nicht mehr bewegen.

Appi starrte seinen Bruder ungläubig an. „Was ist mit ihm passiert?“

„Ich könnte euch beibringen, wie man den Lähmenden Trank braut,“ lächelte Crimson selbstgefällig. „Es sei denn, ihr haltet das für zu gefährlich.“

Yugi und Appi tauschten Blicke aus. „Es wäre uns eine Freude!“ beeilten sie sich zu sagen, ehe der Rote Magier ihnen noch etwas Ähnliches antat wie Neo.

Der Weißhaarige lächelte. [Dark hat nie kapiert, dass man Schüler mit Furcht gefügiger macht als mit Freundlichkeit.] Er ging ihnen voraus aus der Höhle, wo er Neo bis auf weiteres zurückließ. „Kommt mit. Ich zeige euch das Labor. Aber vorher machen wir noch einen Abstecher in den Garten.“

Sie sahen zu, dass sie ihm folgten, ehe sie ihn noch verärgerten.
 

***
 

Yami hatte die Woche ganz gut überlebt, und seine Schuppen waren fast vollständig verschwunden. Am Dienstag war er nur zum Zuschauen zum Judoverein gegangen und hatte sich danach von einem von Setos Leibwächtern ein paar Grundkenntnisse beibringen lassen, die er dann am Mittwoch vertieft hatte. Er wollte nicht ganz unwissend erscheinen. Die Technik fiel ihm nicht so schwer wie erwartet. Wahrscheinlich hatte er als Pharao etwas Ähnliches beherrscht. Heute, am Donnerstag, erschien er in einem neuen Judoanzug in der Sporthalle und fühlte sich doch ein bisschen mulmig. Die meisten seiner Kollegen waren größer als er, aber ein paar jüngere waren auch dabei. Er wusste, dass es nicht auf die Größe ankam. Er durfte weder die Großen noch die Kleinen unterschätzen.

Natürlich wurde ihm nach dem Aufwärmen erst einmal ein Mädchen als Partnerin zugeteilt, das 2 Jahre unter seinem Jahrgang war. Offenbar wollten sie ihn blamieren, indem sie ihn von ihr fertig machen ließen. Sollte er es geschehen lassen und sagen, dass er keine Mädchen schlug? Das war vielleicht besser, als sich zu wehren und trotzdem zu verlieren. Aber dann musste er sich sicher anschließend gegen einen der großen Kerle beweisen. Er seufzte und beschloss, seine Gegnerin so ernst zu nehmen, als wäre es ein Duel Monsters Spiel. Da war es egal, welches Geschlecht sein Gegner hatte.

Er griff sie nicht an, wehrte sie aber ab, als sie es tat. Davon war sie wohl überrascht, offenbar hatte sie erwartet, dass er sie unterschätzte oder falsche Rücksicht nahm. Er vermutete, dass ihm das Pluspunkte einbrachte. Aber dann zwang sie ihn mit ein paar Handgriffen, die viel zu schnell für seinen Geschmack kamen, auf die Matte. Die anderen grölten. Er bemühte sich, es mit Fassung zu tragen, sicher machten sie es mit allen Anfängern so und erwarteten gar nichts anderes. Somit beschäftigte er sich am Nachmittag damit, eine Lektion im Fallen zu lernen. Er verbrachte mehr Zeit auf dem Rücken liegend als auf seinen Füßen, und hinterher tat ihm alles weh. Trotzdem hatte es ihm irgendwie Spaß gemacht, und er fühlte sich zufrieden. Die anderen hatten ihn geneckt, aber nicht verspottet. Immerhin.

Seto hatte die bestellten Bücher längst bekommen, aber in der Schule gesagt, sie würden heute erst geliefert werden und somit Freitag verfügbar sein. Dann konnten die Schüler übers Wochenende zu lesen anfangen. Yami hatte es schon getan, wobei seine Geduld auf eine harte Probe gestellt worden war, mehr aber noch die von Großvater, der ihm die meiste Zeit über geholfen hatte, den Inhalt zu verstehen und Vokabeln nachzuschlagen, die er dann mit ihm geübt hatte. Das war anstrengender als Judo, und Yami war direkt dankbar für den körperlichen Ausgleich.

Großvater nahm seine Rolle als Nachhilfelehrer sehr ernst. Er ließ Yami Textpassagen vorlesen und stellte ihm Fragen auf Englisch, die dann natürlich auch auf Englisch zu beantworten waren. Er fragte ihn Vokabeln ab, und zwar nicht nur mündlich. Er ließ ihn schriftlich Fragen beantworten. Er importierte sogar über seinen Freund Arthur einige Duel Monsters Karten aus Amerika, damit Yami den englischen Text lesen musste, wenn er spielen wollte. Sugoroku sorgte dafür, dass keine dabei waren, die Yami normalerweise benutzte, außer Wiedergeburt und einigen anderen wichtigen Karten. Da Yami sein eigenes Deck nicht haben durfte, stürzte er sich auf die Gelegenheit und stampfte den alten Mann regelrecht in den Boden, quasi aus Rache. Er verstand nicht alles, was auf den englischen Karten stand, aber er hatte ein Gefühl dafür, wie er sie einsetzen musste, das seinen Gegner wiederholt in Erstaunen versetzte.

Eigentlich war er dankbar dafür, dass er nun fast ununterbrochen beschäftigt war, denn so hatte er keine Zeit, sich um Yugi zu sorgen. Wenn er nicht Englisch übte oder andere Hausaufgaben machte, half er im Spieleladen oder war mit seinen Freunden unterwegs. Seto nahm ihn manchmal zu Firmengesprächen mit englischsprachigen Partnern mit. Die Motorradfans aus Amerika hatten sie nicht mehr getroffen.

In ruhigen Momenten fühlte sich Yami manchmal beobachtet, was er sich nicht erklären konnte. Er überlegte, ob er vielleicht wieder Visionen durch die Millenniumskette hatte, trug sie aber weiterhin, um eventuell etwas von Yugi zu erfahren. Oder über den unbekannten Feind…
 

***
 

Sorc und Malice hatten Zeit. Sie konnten einfach warten, bis jemand unvorsichtig wurde, stellten aber bald fest, dass ihnen dazu die Geduld fehlte. Schon planten sie ihren nächsten Angriff. Es sollte diesmal etwas Subtileres sein als der Aufmarsch einer Armee.

„Ich finde trotzdem, wir sollten uns das für den Notfall aufheben,“ beharrte Sorc. „Zerstörung ist eher mein Fall. Wenn wir das gesamte Schattenreich in Trümmer legen, kann uns keiner mehr davon abhalten, die Welt des Blauen Lichts zu erobern.“

„Vielleicht lässt sich ja beides kombinieren,“ sinnierte Malice, der gerade ein paar neue Gifte erfand. Dunkelblaue Flüssigkeit blubberte in einem Reagenzglas über einer Flamme und verfärbte sich zunehmend lila. „Mitten im schlimmsten Kampf setzen wir unsere hinterhältig geplanten Strategien ein.“

Dem anderen gefiel die Idee gut. „OK, ich bin ein Chaosmagier, also können wir von mir aus alles durcheinander machen, wie es sich gerade trifft. Was hältst du davon, wenn wir doch noch die Zombies gegen die Feen schicken?“

„Ich bin aber auch für ein richtig starkes Monster,“ wandte der Blonde ein. „Dann ist die Erfolgswahrscheinlichkeit noch größer.“

„Na klar, welches denn?“ Sorc rollte eine Karte aus, auf der das Schattenreich skizziert war. Farbige Punkte markierten Orte, an denen Ungeheuer lebten, Kreuze zeigten an, wo besonders starke Monster versiegelt waren. Er strich die Markierung für Exodia weg. Leider hatte niemand herausgefunden, wo Exodia hin verschwunden war. Vielleicht war sie auch tot, aber das konnten sich die beiden Hexer – wobei sich Malice eher für einen Unterweltler hielt, sofern es den Monstertyp der Karten betraf – nicht vorstellen.

„Möglichst eins, das macht, was wir wollen,“ setzte Malice fest. „Der Fünfgötterdrache vielleicht.“

„Das ist ja fast schon abgedroschen,“ meinte Sorc, aber er sah nicht so aus, als hätte er etwas dagegen. „Wir müssen die Energie von fünf Monstern mit unterschiedlichen Elementen opfern, um ihn zu erwecken. Naja dann haben wir wenigstens was zu tun.“

„Hast du schon ein paar geeignete Kandidaten im Hinterkopf?“

„Wäre doch ideal, wenn wir einen der zwei Obermagier kriegen könnten, Kayos oder Dark. Sobald sie wieder auf den Beinen sind natürlich. Wenn mein Sohn nicht für uns ist... aber es wäre leichter, diesen Lehrling von Dark zu erwischen oder seinen Vater. Ach nein... Skill geht ja auch nicht...“

Malice lächelte fies. „Ich dachte schon, du hättest es vergessen. Es gäbe da noch diesen Crimson, Darks Rivalen.“

„Die Idee gefällt mir. Lass uns einfach sehen, was sich ergibt.“

„Übrigens... hast du bemerkt, dass die Grenze zur Welt des Blauen Lichts in gewisser Weise offen ist? Nicht so, dass wir es nutzen können, aber eine Verbindung existiert.“

Der Blauhäutige sah überrascht von seiner Karte auf. „Ich dachte schon, das bilde ich mir ein. Woran kann das liegen? An der geistigen Verbindung dieses Jungen zum Pharao?“

„Nein, das haben wir schon mal gespürt. Es ist etwas anderes.“ Malice ärgerte sich, dass er nichts Genaues wusste, er hasste es, die Situation nicht unter Kontrolle zu haben. „Durch die Öffnung scheint Energie zu fließen... Sollen wir dem nachgehen?“

„Na auf jeden Fall. Ich werde ein paar Leute zusammenrufen, die uns helfen sollen.“ Sorc verließ den Raum, in dem sie immer ihre Experimente machten und Pläne ausheckten, um nach seinen Verbündeten Ausschau zu halten.

„Mach das, ich arbeite hier noch etwas weiter,“ murmelte der Blonde, während er eine weitere Flüssigkeit zu seinem Trank hinzufügte. Die Brühe verfärbte sich rot. „Mist... wie beim letzten Mal...“
 

***
 

In der Zwischenzeit hatte Crimson mehr Erfolg: Sein Lähmender Trank nahm unter seiner Aufsicht Gestalt an. Er hatte Yugi und Appi die Zutaten im Garten pflücken lassen und ihnen dabei die Kräuter erklärt, etwas, das sie von den Feen kannten. Nur dass nun dieselben Kräuter, die Wunden heilen konnten, in anderer Kombination Muskelstarre auslösten.

Sie arbeiteten in einem Raum, der zur Küche gehörte. Er hielt die beiden Schüler zur Vorsicht an, nahm ihnen aber die Arbeiten nicht ab. Seiner Meinung nach musste man alles von Anfang an lernen. Appi holte sich taube Finger bei dem Versuch, die fertige Flüssigkeit in kleine Flaschen abzufüllen, und Yugi ließ eine fallen und lähmte seinen Fuß. Crimson sah es nicht gerne, dass eine Flasche ungenutzt zu Bruch ging, aber er lobte die beiden, weil der Trank wirkte, wie er sollte.

Irgendwann kam Neo wieder dazu und sprang Crimson fast an den Hals. Natürlich konnte er es nicht auf einen magischen Kampf ankommen lassen, denn wenn Crimson das gleiche Potential wie Dark hatte, war gegen ihn so schnell kein Kraut gewachsen. Aber er sagte ihm gehörig die Meinung. Der Magier hörte zu, vergaß es aber anschließend wieder und zeigte sich generell nicht sehr interessiert. Neo wünschte sich, Mava wäre hier mit ein paar magischen Amuletten. Aber auch sein Bruder war auf unbestimmte Zeit fort. Und er musste sich mit diesem Arroganzbolzen abgeben. Hielt denn keiner zu ihm?

Yugi und Appi waren wahrscheinlich zu eingeschüchtert, aber wenigstens die beiden Skills konnten doch wohl mal was sagen! Das taten sie nicht, und Neo gab es vorerst auf. Vielleicht war es gut, dass sie etwas von Crimson lernten, aber er hielt es für zu gefährlich.

Als die Experimentierstunde beendet war, schlug Shiro vor, zur Duellinsel zurückzukehren, um Yugis Testergebnisse in Erfahrung zu bringen. Er selbst und Crimson blieben zurück, als Kuro, Neo und die beiden Schüler aufbrachen. Neo war froh, dass sie den Roten Magier los waren, wenn auch nur für kurze Zeit. Dark würde ihm schon seine Grenzen aufzeigen, und wenn er ihn nicht einschüchtern konnte, dann sicher Blacky. Jedenfalls hatte er keine Lust, in dem schönen Kristallschloss zu leben und dauernd von Crimson herumkommandiert zu werden…
 

***

Fortsetzung folgt.
 

Bemerkung: Brot in Japan ist nicht so toll wie bei uns, man kriegt da hauptsächlich labberiges Weißbrot. Außerdem hält es sich wegen der hohen Luftfeuchtigkeit nicht lange.

Ich hoffe, dass meine Berechnungen stimmen und bei Yami echt Donnerstag ist.^^°

Krieger vs. Grabwächter

Hallo, es geht weiter! Ich bin ohne eigenes Internet, also hoffe ich, dass meine Leser alle selber merken, dass es was gibt, denn ich hab im Moment keine Zeit, alle rauszusuchen und zu benachrichtigen. Bitte stellt mein Weblog auf beobachten, darin werde ich vermerken, wenn die Fortsetzung kommt. Danke! *knuffelz*
 

Kapitel 38: Krieger vs. Grabwächter
 

Yugi wurde nach einiger Zeit des Wartens in Breakers Büro geführt, das er ja schon kannte. Der Magier saß an seinem Schreibtisch und blickte ihm entgegen. Faith räumte die Akte weg, die er vorher bearbeitet hatte, so dass er nun Yugis vor sich ausbreiten konnte.

„Da bist du ja, Yugi. Wie ich sehe, sind deine Schuppen fast wieder verschwunden.“

Yugi nickte. „Darüber bin ich eigentlich auch ganz froh.“

Breaker überflog nachdenklich seine Aufzeichnungen. „Nun, also… ich habe stundenlang mit meinen Kollegen diskutiert, aber wir sind zu keinem vernünftigen Ergebnis gekommen. Vielleicht lag es an deiner Verwandlung. Wir konnten uns nicht einigen, welche Attribute wir dir zusprechen sollen. Magier und Licht kann man wohl voraussetzen, aber wir konnten nicht entscheiden, wie viele Sterne oder was für einen Effekt du haben könntest. Erst recht nicht kamen wir bezüglich deiner ATK und DEF auf einen gemeinsamen Nenner. Manche meinten, du müsstest 2000 Angriffspunkte haben, andere fanden, das wäre eher für die Verteidigung denkbar. Tja… du könntest die Tests wiederholen, aber auch einfach abwarten, ob du trotzdem in das Spiel aufgenommen wirst.“

Yugi war ganz verwirrt. Einerseits fühlte er sich betrogen – er war so neugierig auf seine Ergebnisse gewesen. Andererseits blieb ihm vielleicht eine Peinlichkeit erspart. Er kannte Pegasus und beschloss, es erst einmal dabei zu belassen.

Mit einer schriftlichen Auswertung in der Hand kehrte er zu seinen Freunden zurück und erzählte ihnen, was sich ergeben hatte. Es war ihm ein bisschen peinlich, aber sie verspotteten ihn nicht.

„Das kann vorkommen,“ meinte Skill. „Bei Dark stand zunächst nicht fest, ob er vielleicht doch eine Fee werden sollte. Weaver hat darauf gepocht, aber er hat sich gewehrt.“

„Viele von den Drachen können schlecht eingestuft werden, wenn sie noch im Wachstum sind,“ ergänzte Neo.

Yugi seufzte. Er hatte also doch nicht gänzlich versagt. „Können wir noch mal zu den Arenen gehen?“ schlug er vor.

Appi grinste. „Ich sehe schon, es juckt dich in den Fingern, mal ein Duell zu bestreiten... Hey du bist inzwischen bekannt, bestimmt kannst du ganz leicht ein Team finden, das für dich antritt...“

Yugi runzelte die Stirn. „Geht das? Ich wollte sonst einfach noch mal zuschauen...“

„Na komm einfach mit, dann werden wir ja sehen, was sich ergibt.“ ermutigte Neo ihn und ging auch schon vor.

Momentan war recht viel Betrieb auf der Insel. Viele Teams kamen zum Üben in die Arena. Teilweise standen riesige Monster auf dem Rasen, was erklärte, warum es so viel freie Fläche gab. Ein paar Wassermonster waren auf dem Meer zu sehen, wo sie ab und zu auftauchten und Luft holten oder einfach nur umherschauten.

„Gibt es auch Monster, die zu groß für die Arena sind?“ wollte Yugi wissen. Eigentlich war die Frage überflüssig. Nachdem er in einer Arena gewesen war, konnte er sich das denken. Die waren zwar groß, hatten aber ihre Grenzen, oder das betreffende Monster konnte vielleicht nicht einfach herkommen.

„Ach, das geht alles,“ winkte Appi ab. „Dann verlegt man halt das Duell dahin, wo das betreffende Monster lebt. Und wenn zwei davon aufeinander losgehen sollen, beide aber nicht an einen Ort kommen können, muss man halt einen Vertreter bestimmen oder so... obwohl das dann natürlich wenig spektakulär ist und auch nicht sehr realistisch.“

„Sind die Duelle eigentlich immer so, wie sie in meiner Welt wären? Hier könnten doch eigentlich alle aufeinander losgehen, ohne auf die Werte auf den Karten zu achten,“ gab Yugi zu bedenken.

Skill nickte eifrig. „Da hast du ganz Recht, das kann man auch machen. Muss man halt nur vorher vereinbaren.“

Sie erreichten eine Arena, vor der sich mehrere Gruppen versammelt hatten, die darauf warteten, dass sie an die Reihe kamen. Ein Goblin in vornehmer Kleidung, anscheinend ein Mitarbeiter der Insel, lief herum und verteilte die Leute, indem er ankündigte, wo etwas frei war. Seinem Vorschlag folgend, gingen ein paar haarige Gestalten zu Arena 4, wo sie schon von einer Truppe Maschinen erwartet wurden.

Yugi sah sich um und stellte fest, dass die meisten der Anwesenden die Sachen trugen, die sie auf den Karten anhatten. So konnte er sie besonders leicht erkennen. Auf einmal entdeckte er einen Bekannten. „Gerfried! Hey, ich dachte, du wärst noch in der anderen Feenzuflucht!“

Der schwarzhaarige Krieger drehte sich zu ihm um und strahlte. „Hey, da bist du ja! Die haben mich erst vor ein paar Stunden weggelassen, aber als ich erfuhr, dass du hier bist, wollte ich dich unbedingt treffen!“

„Wir haben im Kristallschloss bei White Skill übernachtet und sind erst vor kurzem wieder hergekommen, da hast du Glück gehabt.“ freute Yugi sich. „Hast du weitere Neuigkeiten?“

„Nichts Besonderes, nur dass die Feen meinen, sie würden eine fremde Kraft spüren, die aber nicht feindlich ist. Sie nehmen an, dass diese ihren Ursprung in Dark und Blacky hat, die zur Zeit ihre Tropfsteine benutzen. Normalerweise gehen nur Feen dorthin, insofern kann es durch die Macht der Magier zu Unregelmäßigkeiten im Energiegefüge kommen, die aber keinen Schaden verursachen.“

„Ach du liebe Zeit, das klingt verdammt wissenschaftlich... aber dann hat sich wohl noch nichts geändert...“

„Nein. Aber Magi ist sauer auf dich, weil du nicht bei ihnen geblieben bist.“

„Oh... aber was soll ich denn schon machen? Meine Anwesenheit würde nichts ändern...“ Yugi kam nicht umhin, sich etwas schuldig zu fühlen, aber das lag wohl nur daran, dass es ihm unangenehm war, dass Magi ihm zürnte. Im Grunde, sagte er sich, hatte er sich nichts vorzuwerfen, schließlich hatte er seine Zeit nicht sinnlos vergeudet und sich auch nicht nur amüsiert.

„Willst du einen Übungskampf bestreiten?“ wechselte Gerfried das Thema. „Ich hab hier ein paar Freunde getroffen, aber wir haben keinen Anführer, weil Freed fehlt. Möchtest du uns führen?“

Yugi errötete. Das war eigentlich genau sein Wunsch, aber es überraschte ihn, dass es so einfach ging, ein Team zu finden. „Ähm... ja, gerne! Aber ich spiele meistens Magier, also... naja ich werde schon klarkommen!“

Gerfried freute sich deutlich. „Komm, ich stelle dich den anderen vor.“

Skill, Neo und Appi folgten in einem kurzen Abstand, als Gerfried den Jungen zu einer Kriegertruppe führte, in welcher sich auch ein paar Ungeheuer-Krieger und Felsenmonster befanden. Er stellte die einzelnen vor. Sie waren erstaunt, den Hüter des Millenniumspuzzles kennen zu lernen. Als sie erfuhren, dass er ihr Team leiten würde, fühlten sie sich geehrt. Yugi wurde ganz verlegen. Wenn er nun verlor?

Appi trat zu ihm und klopfte ihm auf die Schulter. „Na los, zeig mal, was du kannst! Wenn’s nicht klappt, auch nicht so schlimm. Es ist ja das erste Mal.“

„Verzeihung.“ Ein dunkelhäutiger Mann in einem grün-weißen Gewand, der etwas orientalisch aussah, trat an sie heran. Er schien nach irdischen Maßstäben vielleicht 30 Jahre alt zu sein und hielt sich sehr gerade, insgesamt machte er einen würdevollen Eindruck. „Ich möchte mit meiner Truppe gegen dich antreten, Hüter des Puzzles.“ Er legte die rechte Hand auf seine Brust und verneigte sich höflich. Seine Linke hielt einen goldenen Stab, dessen Spitze den Kopf einer Kobra darstellte.

Yugi blickte hinter ihn. Die Truppe bestand aus teilweise etwas zwielichtig anmutenden Gestalten, die größtenteils in schwarz gekleidet waren: Grabwächter. Ihre Werte waren nicht besonders hoch, aber zusammen mit den richtigen Zauber- und Fallenkarten konnten sie ein Ärgernis werden. „Du bist der Anführer der Grabwächter, nicht wahr? Ich trete gerne gegen dich an.“ stimmte Yugi zu.

Der Mann lächelte erfreut. „Meine Freunde nennen mich Chief. Wir werden uns um einen anspruchsvollen Kampf bemühen.“ Er winkte den Goblinbeamten herbei und meldete die beiden Teams an. Im Moment war keine Arena frei, aber sie wurden zu Nummer fünf geschickt, wo ein Duell sich gerade dem Ende zuneigte. Wahrscheinlich brauchten sie eh noch etwas für die Vorbereitungen, daher konnten sie die Wartezeit gut nutzen.

Yugi war gespannt, wie die Vorbereitungen aussehen mochten. Wie konnte er Zauber und Fallen wählen? Er hatte das Prinzip mit den Orbs ja schon gesehen, aber alles andere wusste er noch nicht.

Während die Teams draußen warteten, nahm Chief Yugi mit in eine Art Büro, das sich direkt am Eingang der Arena befand. Dort gab ihnen eine quirlige kleine Fee eine Liste, auf der sie die gewünschten Zauber und Fallen sowie die Mitspieler eintragen sollten. Zur Hilfe durften sie sich je eine Karteikartenbox nehmen, in der alle verfügbaren Orbs aufgeführt waren. Für die Auswahl setzten sie sich an einen Tisch mit einer Trennwand. Yugi kam sich ein bisschen vor wie in der Schule während eines Tests.
 

Inzwischen warfen sich draußen die Krieger in ihre Rüstungen. Gerfried verschwand hinter seinem Eisenpanzer.

„Das sieht unglaublich unbequem aus, Onkel Gerfried.“ kommentierte Appi. „Ist nicht normalerweise Vater auch dabei?“

„Es sieht nur unbequem aus, keine Sorge.“ entgegnete Gerfried. „Und ja, eigentlich ist dein Vater dabei.“

„Hey, ich könnte ihn vertreten!“ schlug Appi vor. Er holte den Ring hervor, den er immer an dem Band um den Hals trug, und steckte ihn an. Ehe es jemand verhindern konnte, verkündete er: „Verwandle mich in einen Krieger!“

Es gab einen beeindruckenden Lichteffekt, der Appi einhüllte, dann stand er vor ihnen in einer lila Rüstung, die seinen Bauch und die Oberschenkel frei ließ, ansonsten seinem Magiergewand aber sehr ähnelte. Die Schuhe waren jetzt coole Kampfstiefel, dazu trug er einen kurzen Kriegerschurz. Seine Brust wurde von einer dicken Lederschicht geschützt, und die Armschienen trug er nach wie vor, aber jetzt sahen sie stabiler aus. Die Haare wirkten wilder und das rote Stirnband hatte nicht mehr so lange Bänder, damit man sich damit nicht verheddern konnte. Aber besonders auffällig hatte sich der Stab verändert, denn der war zu einem grünen Schwert mit einem roten Stein im Heft geworden. Appi schwang es kriegerisch herum und steckte es dann in die Scheide an seinem Gürtel, der ebenfalls noch den roten Stein trug, allerdings kein Tuch mehr hielt.

„Naja, an Vater kommst du aber nicht heran.“ kommentierte Neo, aber er musste zugeben, dass Appi gut aussah. „Vielleicht hast du deine Bestimmung verfehlt.“ neckte er den jüngeren. „Jetzt müsstest du mit dem Schwert nur noch umgehen können.“

„Ey, wir haben oft genug mit Vater trainiert!“ zischte sein Bruder ihn an. „Wie lange braucht Yugi denn?“
 

Yugi kam kurz darauf wieder heraus. „Appi! Was ist denn mit dir passiert?“ staunte er, hatte seine Antwort jedoch gleich, als er den Ring am Finger seines Freundes sah. „Du kannst aber nicht mitmachen, ich hab meine Auswahl schon fertig.“

„Ja, ja,“ grummelte Appi und machte sich auf den Weg zu den Zuschauerrängen.

Yugi seufzte und ging mit seinem Team in einen der Gruppenräume, während die Grabräuber in die andere Richtung verschwanden. Die Krieger wussten nicht, welche Fallen und Zauber er gewählt hatte. Jedem war nach dem Zufallsprinzip eine Nummer zugeteilt worden, die aber nur der Assistentin bekannt war, die sich nun gerade neben Yugi aufbaute. Yugi hatte seinen Platz hinter einer Absperrung am Rand des Spielfeldes. Zu seinem Erstaunen befand sich dort ein kleiner Computerbildschirm, auf dem abgebildet wurde, was ihm zur Verfügung stand. Seine Assistentin bediente das Pult für ihn. Wie sie das wohl früher gemacht hatten, als es noch keine Technik gegeben hatte?

Das Duell begann mit 8000 LP. Durch einen Münzwurf wurde entschieden, dass die Grabwächter anfangen durften. Sie spielten eine Karte verdeckt und ein verdecktes Monster, beide repräsentiert durch einen Orb, der auf das Feld schwebte. Yugi konnte Chief auf der anderen Seite an einem Pult sehen, fast wie in seiner eigenen Welt. Auch bei ihm stand eine Assistentin, vermutlich, um Schummeln zu verhindern. Die Damen verglichen immer die „gezogene Karte“ mit einer Liste, die sie auf einem Klippbrett hatten.

Auf Yugis Bildschirm leuchteten die Bilder der Krieger und Fallen/ Zauber auf, die ihm in dieser Runde zur Verfügung standen. Er konnte Dai Grepher wählen, entschied sich aber aufgrund der verdeckten Karte für Sasuke Samurai. Dieser hatte nur 500 Angriffspunkte (ATK), aber sein Effekt ließ ihn das verdeckte Monster vernichten, ohne dass dessen Effekt aktiviert wurde. Eine gute Entscheidung, denn es handelte sich um einen Menschenfresserkäfer. Dieser betrat das Feld gar nicht erst, sondern krabbelte gleich in die Friedhofzone. Yugi beendete seinen Zug, indem er zwei Orbs spielte.

Die Grabwächter hatten keinen Kämpfer zur Verfügung und aktivierten deshalb „Sündenbock“, worauf vier kleine Schäfchen in verschiedenen Farben auf das Feld gehoppelt kamen. Ein weiterer Orb schwebte in die Zauber- und Fallenzone.

„Ich aktiviere *Final Attack Orders*!“ verkündete Yugi. Diese Falle, die er in der letzten Runde verdeckt gespielt hatte, bewirkte, dass alle offenen Monster in die Angriffsposition gebracht werden mussten, solange sie auf dem Feld war. Das galt auch für die Schäfchen (0 ATK). Der Orb leuchtete pinkfarben auf. Nun kam doch noch Dai Grepher mit seinen 1700 ATK zum Einsatz. Er und Sasuke Samurai besiegten jeder einen Sündenbock und richteten insgesamt 2200 Punkte Schaden bei den Gegnern an.

Leider spielten die Grabwächter nun Schwarzes Loch und vernichteten alle Monster auf dem Feld. Anschließend gab es wieder einen Orb, repräsentativ für ein verdecktes Monster.

Yugi rechnete mit einem weiteren Flippeffekt, deshalb benutzte er den Zauber *Der Lebendig zurückkehrende Krieger*, um Sasuke in sein „Blatt“ zurückzuholen. Er schickte ihn auch gleich wieder aufs Feld und ließ ihn das verdeckte Monster angreifen, aber die Grabwächter aktivierten *Waffenstillstand*. Dadurch wurde *Grabwächters Wache* aufgedeckt bzw. dieser trat in Verteidigungsposition an die Stelle des Orbs. Sein Effekt wurde aber nicht aktiviert, weil die Falle es verhinderte. Yugi erhielt 1000 LP Schaden, da sich zwei Effektmonster auf dem Feld befanden. Durch seine eigene permanente Falle wurde *Grabwächters Wache* in Angriffposition gebracht, so dass Sasuke Samurais Angriff mit 500 ATK gegen 1000 ATK verlor und der Krieger zerstört wurde, denn nun wirkte sein Effekt auch nicht mehr. Das Kriegerteam erhielt weitere 500 LP Schaden. Da er nun kein Monster mehr zu seiner Verteidigung hatte, ließ Yugi den Gegner in einen Spalt fallen. Dieser tat sich symbolisch auf dem Feld der Wache auf, war aber nicht tief.

Die Grabwächter (5800 LP) spielten erneut ein verdecktes Monster und eine andere verdeckte Karte. Als Yugi (6500 LP) an der Reihe war und die Assistentin ein weiteres Bild auf seinem Bildschirm erscheinen ließ, aktivierten sie ihren *Staubtornado* und zerstörten damit *Final Attack Orders*.

Davon ließ sich Yugi natürlich nicht entmutigen. „Ich rufe Gerfried den Eisenritter! Greif das verdeckte Monster an!“ Dies war allerdings die *Maske der Finsternis*. Die Grabwächter bekamen *Staubtornado* vom Friedhof zurück.

„Nun spiele ich meinen *Spalt*,“ entschied Chief. Der Zauber traf leider Gerfried. „Anschließend *Lichtschwerter*!“

Yugi fragte sich allmählich, ob der Gegner ihn auch noch angreifen wollte, aber vielleicht hatte das andere Team auch einfach nur Pech oder hatte noch keine so gut ausgeklügelte Strategie. Bestimmt warteten sie darauf, *Tal der Toten* ausspielen zu können.

Doch erst einmal hatte er auch Pech – er bekam keinen neuen Kämpfer und musste die Runde beenden, ohne ein Monster zu spielen. Er steckte 500 LP Effektschaden ein, als die Grabwächter *Grabwächters Fluch* aufriefen, und dann wurde er von diesem direkt angegriffen. Zum Glück machte das nur 800 Punkte aus.

„Das kann ja noch lange dauern – ich hole mal was zum Essen,“ beschloss Skill.

„Was denn, gerade jetzt?“ Appi konnte es nicht fassen. „Wir hatten doch gerade genug Gelegenheit… Aber wenn du meinst…“

„Ich hole was zum Essen,“ wiederholte Skill, wobei er auch schon aufstand und ging. Neo und Appi blickten ihm verwirrt nach. „Irgendwie ist der komisch… hat er was?“ wunderte Neo sich. Appi zuckte nur mit den Schultern und sah Yugi weiter zu, der gerade *Die Verbündeten Truppen* aktivierte und den Strike Ninja aufs Feld rief, aber wegen der *Lichtschwerter* nicht angreifen konnte.
 

Skill suchte sich draußen das geflügelte Pferd und trieb es zu Höchstleistungen an, um schnellstens zum Kristallschloss zurück zu kehren. Dennoch würde die Reise ein paar Stunden dauern…
 

***
 

In der unterirdischen Höhle unter der Feenburg erklangen seltsame Laute. Lucranda hatte sich jedoch schon auf den Weg gemacht, bevor die Geräusche begonnen hatten. Insofern überraschte es sie auch nicht, dass sie Talimecros vorfand, den alle für Blackys Vater gehalten hatten.

„Ich dachte, die meisten Leute wären zur Zuflucht gebracht worden,“ unterbrach sie den Mann, der mit einer Spitzhacke auf den Tropfstein von Dark und Blacky eingeschlagen hatte.

Talimecros blickte erschrocken auf. „Ich… ich bin hier geblieben… ich muss meine Pflicht tun!“

„Seht Ihr es immer noch als Eure Pflicht an, vermeintliche Gefahren aus der Welt zu schaffen?“ erkundigte Mava sich, der nun hinter ihr in die Höhle trat. Er hob eine Hand, und die Spitzhacke entwand sich dem Griff ihres Trägers und flog zu ihm. Er fing sie gekonnt auf.

Talimecros zeigte mit einem zitternden Finger auf ihn wie ein armer Irrer. „Du… von dir habe ich auch gehört… Du bist der mit dem Fluch! Du hast Exodia befreit! Du bist dazu verdammt, stärker zu werden, aber dich selber damit zu ruinieren, wenn du Waffen trägst!“

„Wenn Magi sieht, was du hier machst, bist *du* dazu verdammt, dich ihrem Zorn zu stellen!“ warnte Mava ihn, ohne auf die Worte einzugehen. „Ganz davon abgesehen entweihst du das Heiligtum der Feen – was sie nicht allzu sehr begeistern wird.“

„Die Feen haben ihr Heiligtum selbst entweiht, indem sie diese Kerle hier rein ließen! Das Unglück wird über sie kommen, so wie über meinen Orden! Dieser Chaosmagier zieht es nämlich buchstäblich magisch an!“

„Ich glaube nicht, dass das seine Schuld ist, und das mit Exodia war nicht meine.“ Mava machte sich zwar noch manchmal Vorwürfe, aber Lucranda hatte ihn in den letzten Tagen dazu gebracht, das Ereignis als etwas zu akzeptieren, bei dem er keine Wahl gehabt hatte. In Anbetracht der Situation hatte er das Beste daraus gemacht, das, was zu dem Zeitpunkt am sinnvollsten erschienen war. Und ob es nun richtig gewesen war oder nicht, es lag in der Vergangenheit und er musste erneut tun, was in seiner Macht stand, um zukünftige Bedrohungen zu verhindern. Das war jetzt wichtiger, als sich wegen der Vergangenheit zu grämen, die sich eh nicht mehr ändern ließ.

Talimecros setzte zu einer Erwiderung an, doch dieses Mal kam ihm Lucranda zuvor. „Es ist so bequem, jemandem die Schuld an allem Unglück zuzuschieben, nicht wahr? Hat dein Orden das immer so gemacht und auf diese Weise sinnlos Leute geopfert?“

Der Mann lief rot an. „Was… was erlaubst du dir, alte Frau!“

Sie blieb ganz ruhig, aber von Mava ging auf einmal eine Aura aus wie von einem geladenen Vulkan. Er hob seine freie Hand und zeigte mehrere Ringe und Armbänder, die er trug. Der Effekt war wie gewünscht, Talimecros wich zurück. Aber er zeigte mit seinem bebenden Zeigefinger auf den Lichtmagier und lachte irre. „Du hast noch nichts dazugelernt! Wirst dich selbst ruinieren, aber mir soll es egal sein! Man sollte dich den Göttern opfern, ehe du ihren Zorn noch weiter erregst, aber auf mich hört ja keiner – also beschwert euch nachher nicht! Ich gehe!“ Das tat er.

Mava rief seine Macht zurück. Diese Demonstration hatte ihm gefallen. „Schon nicht schlecht,“ nickte Lucranda anerkennend. „Fühlst du dich geschwächt?“

„Es geht, war ja nichts,“ meinte er nur. „Lass uns wieder gehen und…“ Er unterbrach sich, denn ihm war, als hätte er ein Geräusch gehört… wie brechendes Kristall… oder so ähnlich. Es wiederholte sich, und auf einmal ahnte er, was es war.

Lucranda hatte es nun auch gehört, und beide eilten zu dem Tropfstein, auf den Talimecros eingeschlagen hatte. Der Stein hatte Sprünge von der Gewalteinwirkung davongetragen. Es war noch viel zu früh dafür, aber nun musste man das Beste daraus machen. Weitere Sprünge breiteten sich auf der Oberfläche aus. Es war nur eine Frage der Zeit. Mava und Lucranda warteten, bis mit einem Klirren die einzelnen Teile herabstürzten und die beiden eingeschlossenen Magier freigaben. Sie fingen Dark und Blacky so gut wie möglich auf. Sie waren beide nackt, jedoch bedeckt mit Resten der Tropfsteinmasse wie mit einer Staubschicht, und sie klammerten sich aneinander, doch während sie fielen, lösten sich ihre Griffe um den jeweils anderen.

Blacky war bewusstlos, doch Dark öffnete schwach die Augen. Er griff nach der Hand seines Geliebten und lächelte ansatzweise. Mava, der seinen Kollegen halb im Arm hielt, starrte ungläubig auf ihn herab. Er konnte eine Kraft in Dark spüren, die ihm sonst noch nie aufgefallen war. Kam das durch die Macht der Tropfsteine? Doch ein Blick auf Lucranda verriet ihm, dass sie ebenso überrascht war.

„Wir bringen sie am besten schnell in meine Hütte.“ schlug die alte Fee vor. „Sie brauchen noch viel Ruhe, das hier hätte noch nicht passieren dürfen…“

Mava nickte, fragte sich aber, wie sie das machen sollten. In dem Moment nahm Dark auf einmal seine Katzengestalt an, die er so gerne benutzte, und er verwandelte offenbar Blacky mit. Das vereinfachte die Sache natürlich. Mava und Lucranda nahmen jeweils eine Katze auf den Arm und trugen sie in die Hütte, wo sie beide auf einem Schlaflager ablegten. Unbewusst kuschelten die Katzen sich aneinander und schliefen dann tief und fest.

„Diese Gestalt braucht weniger Energie,“ kommentierte Lucranda. „Aber ich finde es erstaunlich, dass sie sich noch verwandeln konnten…“

„Beschweren wir uns nicht darüber,“ meinte Mava. „Lass uns einfach hoffen, dass sie sich gut erholen.“ Er kraulte das Fell seiner beiden Freunde, bekam aber nicht einmal ein Schnurren zur Antwort, nur das leise Schnarchen von zwei tief schlafenden Katzen.
 

***
 

Inzwischen hatte Yugis Team noch 800 LP, die Gegner noch 2300. Yugi hatte Zombyra beschworen, aber nicht erfolgreich angreifen können. Sein Riesensteinsoldat befand sich im Angriff, da er ihn zuvor direkt angreifen lassen hatte. Und Gerfried war wieder auf dem Feld, alles in allem war die Situation also nicht ganz so schlecht.

„Wir beschwören Grabwächters Speerkrieger!“ verkündete Chief, der zwischenzeitlich selber auf dem Feld gestanden hatte. „Greif den Steinsoldaten an!“ Das brachte Yugi erneut 200 LP Schaden ein, doch davon ließ er sich nicht einschüchtern. Die Grabwächter hatten etwas Pech heute, aber sie waren wohl noch ein neues Team und somit für den Anfang schon sehr gut. Aber die sie hatten wohl nur angegriffen, um noch etwas Schaden anzurichten. Zweifellos wussten sie, was nun auf sie zukam.

Yugis Zauber *Die Verbündeten Truppen* war noch aktiv und stärkte seine Krieger. Zombyra hatte dadurch 2700 Angriffspunkte und verursachte mit seinem Angriff auf den Speerkrieger 1200 Schaden. Den Rest erledigte Gerfried, der Eisenritter, mit einem Direktangriff. Damit gewannen die Krieger das Duell.
 

Alle trafen sich wieder draußen vor der Arena. „Das war sehr gut, wenn man bedenkt, dass du dein Team heute erst kennen gelernt hast,“ lobte Chief seinen Gegner.

Yugi lächelte erfreut. „Danke. Eure Taktik ist nicht schlecht, aber ihr solltet etwas aggressiver werden. Eine Gruppe, die auf Angriff setzt, kann euch sonst zu schnell besiegen, wenn sie erstmal durchgebrochen ist.“

„Wir haben *Tal der Toten* nicht rechtzeitig gezogen, vielleicht sollte ich mich nicht zu sehr auf diesen Zauber verlassen,“ überlegte der Anführer der Grabwächter.

Sie redeten noch eine Weile untereinander über Strategien, ehe Yugi wieder auf seine Freunde stieß. Appi war immer noch in der Gestalt eines Kriegers, da sein Ring noch nicht wieder aufgeladen war. „Wo ist denn Skill?“ fragte Yugi verwundert.

„Eigentlich wollte er nur schnell was Essbares holen, aber er ist nicht wieder aufgetaucht,“ gab Neo Auskunft. „Komisch, wo ist der hin? Vielleicht hat er wen getroffen…“

„Vielleicht ne Frau, die er von früher kennt,“ pflichtete Appi ihm bei.

Gerfried, der sich inzwischen seine Eisenrüstung wieder ausgezogen hatte, schloss sich ihnen an. Zusammen suchten sie nach Skill, konnten ihn aber nirgends finden. Schließlich erfuhren sie von einer Meerjungfrau, dass er auf dem geflügelten Pferd die Insel verlassen hatte. Das war nun wirklich ausgesprochen merkwürdig, da er ihnen nichts davon gesagt hatte. Hatte er vielleicht einen so eiligen Notruf erhalten, dass er keine Zeit gehabt hatte, jemanden zu benachrichtigen? Aber dann hätte er zumindest einen Boten schicken können. Die Freunde sagten im Duellverein Bescheid, dass sie Skill ausrichten sollten, sie seien zum Kristallschloss zurückgekehrt, falls er wieder auftauchte und sie ihn verpassten.

Sie riefen ihre Drachen und traten die Rückreise an.
 

***
 

Malice hockte im Schneidersitz auf einem Stapel Kissen und hatte es sich offensichtlich gemütlich gemacht, allerdings saß er so schon eine ganze Weile, weshalb die Bequemlichkeit dann schon wieder in Frage zu stellen war. Sorc schlich regelrecht um ihn herum, wenn er den Raum durchquerte. Er wusste nicht, ob sein Kollege ihn überhaupt hören konnte, jedenfalls wollte er ihn in seiner Konzentration nicht stören. Also ging er lieber zurück in den Keller, wo sich allmählich der Kerker füllte. Seine Lakaien erstatteten ihm Bericht über die neuesten Fortschritte, und er strich auf einer Liste ab, was sie schon hatten.

„Erde, Wind, Wasser… Finsternis folgt gleich… Hm, bald werden wir das Reich der Schatten in Angst und Schrecken versetzen!“

Ein kleinerer Unterweltler warf sich vor ihm auf die Knie. „Mein Gebieter, Eure Tochter ist eingetroffen!“

Sorc musste eine Weile überlegen, wen er wohl meinen konnte, denn er hatte etliche Bastarde im ganzen Land, natürlich nicht alle so brauchbar wie Kayos. Teilweise hatte er auch viel versprechende Kinder adoptiert und ausgebildet, die ihn heute Vater nannten.

Eine seiner Töchter, auf die er besonders stolz war und die er lange nicht mehr gesehen hatte, kam nun auf ihn zu. „Also wirklich, Vater, kommst du mich gar nicht empfangen?“ Sie küsste ihn zur Begrüßung auf die Wange, schon um ihn zu ärgern.

„Ruin… willkommen. Ich war etwas beschäftigt,“ entschuldigte er sich. Die weißhaarige Fee war natürlich nicht sein leibliches Kind, aber er wünschte, es wäre so. Wie die Dinge standen, hätte er sie gerne mit Kayos zusammen gebracht, aber das ging wohl nicht auf. Sein Sohn, von dem er sich so viel versprochen hatte, war eine Enttäuschung, zumindest in der Hinsicht, dass er ihn nicht für sich hatte gewinnen können. Das Mädchen, das er nur aus einer Laune heraus großgezogen hatte, war da die bessere Verbündete. Nun ja. Inzwischen war sie eine junge Frau, die in aufreizender Kleidung seinen Leuten den Kopf verdrehte.

Ruin sah in den Kerker. „Lauter Frauen? Was hast du denn vor?“

Er lachte geheimnisvoll. „Bald werde ich auch einen Mann haben, warte es ab. Vielleicht gefällt er dir, ich glaube, die Chancen stehen nicht ganz schlecht, dass er sich für unsere Seite interessiert. Er ist etwas eigensinnig, wurde mir berichtet. Ich brauche ihn und die anderen aber erstmal für ein Ritual.“

„Ich bin ja mal gespannt, ob du damit mehr Glück hast als mit diesem Exodiamonster. Was ist eigentlich aus dem geworden?“

„Das weiß bisher keiner. Ist aber auch egal.“ Sorc legte einen Arm um Ruin und führte sie sanft von den Kerkern weg. „Komm, ich stelle dir meinen neuesten Verbündeten vor... er stammt aus der Welt des Blauen Lichts!“

„Hmmm... dann hast du ja reichlich Auswahl für mich, was?“ Lächelnd folgte Ruin ihrem Ziehvater.
 

***

Wird fortgesetzt.
 


 


 

~*Crimsons Backstube*~
 

Heute: Rotweinkuchen
 

Crimson: Dieses Rezept stammt von einer Tüte Maismehl. Es wurde schon mehrfach (in variierter Form) getestet und für gut befunden.

Sorc: Warum wurde nicht das Originalrezept benutzt?

Crimson: PM findet das so besser, weil sie sowas ähnliches schon mal mit Kirschen gegessen hat. Sie meint, der wird sonst vielleicht zu trocken. Außer den Kirschen ändert sich ja nichts.
 

Zutaten
 

250g weiche Margarine oder Butter

250g Zucker

5 Eier (Klasse M)

250g Maismehl

½ Päckchen Backpulver

1 gestr. Teelöffel Zimt

125ml Rotwein

200g Blockschokolade, gehackt
 

zum Bestäuben Puderzucker

1 Rhodon-Kuchenform
 

 Margarine (Butter) und Zucker mit dem Mixer schaumig rühren.

 Nach und nach die Eier unterrühren.

 Maismehl mit Backpulver und Zimt vermischen, nach und nach unterrühren.

 Den Rotwein ebenfalls unterrühren, dann die Schokoladenstückchen unterheben.

 Den Teig in eine gefettete Rhodon-Kuchenform füllen.

 Im vorgeheizten Backofen bei 175°C 50-60 Minuten backen.

 Nach Belieben mit Puderzucker bestäuben.
 

PMs Variation
 

1 Glas Schattenmorellen

1 Springform
 

 Teig in die gefettete Springform geben und die abgetropften Kirschen großzügig darauf verteilen. Alles andere bleibt gleich.

Im Kerker

Nach laaanger Zeit... Naja lassen wir das, ich komme lieber gleich zur Sache. Ich hoffe, einige meiner treuen Fans sind noch übrig...
 

Fremde Welten, Donnerstag
 

Kapitel 39: Im Kerker
 

Crimson gab einem seiner dubiosen Heiltränke den letzten Schliff. Er musste sich gut konzentrieren, um nicht zuviel von der wertvollen Zutat hinein zu geben und den Trank womöglich zu verderben. Zu seiner Verärgerung bekam er Besuch, aber derjenige wartete anscheinend rücksichtsvoll ab. Es konnte ja eh nur sein Vater oder Onkel Kuro sein, er spürte keine fremde Aura. Crimson beendete seine Arbeit gewissenhaft. Der Besucher schien sich in seinem Labor umzusehen, aber er ließ ihn gewähren. Als er fertig war, wandte er sich um. „So, was kann ich für…“

Crimson unterbrach sich mitten im Satz, als eine Flasche zu seinen Füßen zerbrach, deren grünlicher Inhalt sogleich eine Staubwolke bildete und ihn einschloss. Er hustete, kämpfte dagegen an, doch schon trübte sich sein Blick. Er sah undeutlich jemanden in einer dunklen Robe vor sich. Hatte Kuro etwas umgestoßen?
 

„Du liebe Zeit, was ist denn geschehen?“ rief Shiro aus, als er dazukam und seinen Sohn erblickte.

„Ich weiß es nicht… ihm ist etwas runtergefallen, dann wurde er ohnmächtig,“ sagte Kuro ratlos. „Ist ja auch gefährlich, was er macht…“ Mit diesen Worten zertrümmerte er einen weiteren Trank, diesmal neben seinem eigenen Bruder, der sich gerade über Crimson gebeugt und nicht aufgepasst hatte. Shiro wurde überrascht und konnte sich nicht rechtzeitig verteidigen…

Kuro starrte eine Weile auf die beiden Magier, bis er sicher war, dass sie betäubt waren. Dann transportierte er Crimson mit einem Schwebezauber in das Zimmer, in dem er untergebracht war, und riss einige Teppiche auf dem Boden zur Seite. Zum Vorschein kam ein magischer Kreis aus einer Ansammlung mystischer Symbole, den er dort heimlich aufgemalt hatte. Der Kreis schimmerte grünlich und fing an zu leuchten, als er den Bewusstlosen darüber schweben ließ, worauf dieser wegteleportiert wurde. Es handelte sich nämlich um ein Zauberportal… und es führte direkt zu Sorcs Festung.
 

Als Yugi, Appi, Neo und Gerfried das Kristallschloss erreichten, trafen sie dort Kuro und Shiro an, aber die Situation war recht seltsam. Kuro schien völlig verwirrt zu sein, während Shiro herumlief und sich aufregte. Erst nach einer Weile und mehreren gezielten Fragen erkannten die Freunde, dass Crimson verschwunden war, ohne dass jemand wusste, warum. In seinem Labor waren zwei Flaschen zerbrochen, und offenbar hatte der Inhalt erst ihn selbst, dann Shiro betäubt. Letzterer behauptete, dass Kuro etwas damit zu tun hatte, aber der andere stritt das ab.

„Und wie kommt dann das Zauberportal in dein Zimmer?“ motzte der Lichtmagier. „Erzähl mir endlich, wohin das führt!“

„Hey, ich hab keine Ahnung, ich hab es da nicht hingemalt! Wahrscheinlich war es da schon, und du wusstest es nicht!“ versicherte der Finsternismagier.

„Aber du hast daneben gesessen, als ich dich fand, und nun komm mir nicht wieder damit, dass du zu dem Zeitpunkt wie betäubt warst!“

„So war es aber, ich erwachte wie aus einem Tagtraum! Außerdem steht gar nicht fest, dass Crimson durch dieses Portal verschwunden ist!“

„Wir haben doch aber schon alles abgesucht! Er würde sich mit mir nicht solche Scherze erlauben, das glaub mal! Außerdem würde er nie sein Labor verlassen, ohne es aufzuräumen, und da hat sogar noch ein Feuer unter nem Kessel gebrannt!“

Das erklärte den strengen Geruch, der im Schloss herrschte. Die Neuankömmlinge blickten verwirrt zwischen den Brüdern hin und her. Offenbar gab es da keine weiteren Informationen zu holen.

„Können wir nicht einfach ausprobieren, wo dieses Portal in dem Zimmer hinführt?“ wollte Yugi wissen. Natürlich war klar, dass es auch gefährlich werden konnte.

„Es war eins, dass man nur einmal benutzen kann,“ antwortete Shiro frustriert. „Sonst wäre ich ihm doch schon längst gefolgt.“ Er war wirklich mit den Nerven am Boden.

Die anderen standen etwas ratlos herum. „Wieso bist du eigentlich allein von der Insel weg?“ erkundigte sich Appi schließlich. „Wir haben dich gesucht, Kuro.“

Der ältere Magier sah ihn ganz verwirrt an. „Was… hab ich euch nichts gesagt? Ich hab echt ne Gedächtnislücke… weiß nicht, wie ich hierher kam und warum…“ Aus ihm wurden sie nicht schlau, und man sah ihm an, dass ihm das wirklich auf den Magen schlug.

„Wir haben anscheinend nur die Chance, überall zu verbreiten, dass Crimson gesucht wird, und dann zu hoffen, dass ihn jemand gesehen hat,“ überlegte Gerfried sachlich. „Schließlich wissen wir ja, dass er durch dieses Portal verschwunden sein muss, aber nicht, wohin.“

„Oh Mann, ich hab gedacht, es wird jetzt mal ein bisschen ruhiger,“ seufzte Yugi. Aber sie hatten ihren Feind schließlich noch nicht besiegt. „Könnten Sorc und Malice dahinter stecken?“

„Ich wüsste eigentlich nicht, wer sonst,“ grummelte Neo. „Ich fand Crimson zwar nicht gerade so sympathisch, aber dass diese Verrückten ihn erwischen, wünsche ich ihm auch nicht… und wenn ich bedenke, was sie mit Mava gemacht haben…“

Diese Bemerkung trug nicht gerade dazu bei, Shiros Laune zu heben, und er nötigte den Blonden, ihm alles darüber zu erzählen. Natürlich war auch das sinnlos, denn man konnte wohl davon ausgehen, dass Sorc nicht noch einmal Exodia rufen konnte. Sie spekulierten eine Weile, welchen Grund diese Entführung dann haben konnte, kamen aber zu keinem vernünftigen Ergebnis. Eine Verwechslung war eigentlich auch auszuschließen.
 

***
 

Indessen gab es in der Welt des Blauen Lichts nichts wesentlich Neues – Alltag war angesagt. Und natürlich Schule. Der Englischunterricht brachte Yami zur Verzweiflung. Jemand hatte die Schnapsidee gehabt, man könne ja „The Last Unicorn“ mit Ryou in der Hauptrolle als Theaterstsück nachspielen. Daraufhin hatte Seto eine englische DVD des Films zum Buch gekauft und heute der Klasse vorgeführt. Was als Witz begonnen hatte, war nun ein Schulprojekt, denn Pegasus hatte auf mysteriöse Weise davon erfahren und einen Wettbewerb ausgeschrieben: In Gruppen sollte das Stück eingeübt werden, und man durfte auch Personen einbringen, die nicht auf diese Schule gingen. Kreative Eigeninterpretationen waren erlaubt, die Grundidee musste aber beibehalten werden. Pegasus sponserte alle für Kostüme und Bühnenbild benötigten Materialien. Er hatte außerdem angekündigt, der Schule einen neuen Computerraum zu finanzieren, wenn ihm das Ergebnis gefiel. Als Preis für die beste Gruppe hatte er einen Satz bisher unveröffentlichter Duel Monsters Karten ausgeschrieben, die er speziell für diesen Anlass entwickeln wollte. Das spornte natürlich besonders Seto, Joey und Yami zu Höchstleistungen an. Außer der eigenen Klasse durften sich auch andere Gruppen beteiligen, deshalb war mit harter Konkurrenz zu rechnen.

Selbstverständlich bildeten Yami und seine Freunde eine Gruppe. Es wurde heftig diskutiert, wie die Rollen zu verteilen waren. Thea und Ryou waren für Joey als Prinz Lír, denn der war blond, Seto jedoch fand, dass er lieber den Magier Schmendrick spielen sollte, da dieser sich etwas trottelig anstellte. Tristan hatte die Idee, dass man die Hauptpersonen etwas auf Duel Monsters trimmen konnte, das musste doch Pegasus gefallen.

Joey sprang prompt auf die Idee an. „Wie wär’s, wenn Mai die Harpyie spielt? Ich ruf sie nachher gleich an, das macht sie bestimmt!“

„Ist das nicht nur ein Nebencharakter?“ gab Duke zu bedenken.

„Also ich finde sie schon wichtig,“ verteidigte Joey seine Meinung, und sie gestatteten ihm, Mai wirklich anzurufen, obwohl die Harpyie in dem Film sehr hässlich war.

Ryou fand sich erstaunlich gut damit ab, dass er das Einhorn spielen sollte. Anfangs hatte Bakura sich aufgeregt, aber nun, da Pegasus in die Sache verwickelt war, gab er weitgehend Ruhe. Er machte sogar manchmal konstruktive Vorschläge, beispielsweise den, dass Yami mit seiner Zackenfrisur den Stier spielen könnte. Die Idee kam gut an – außer bei Yami.

„Sieh es mal so, du hast keinen schwierigen Text!“ amüsierte Seto sich auf seine Kosten. „Und das Kostüm ist nicht so schwer, häng dir einfach etwas roten Stoff um!“

„Ich dachte, du wolltest die Figuren auf Duel Monsters trimmen, das gilt wohl auch nur für die, wo es euch gerade in den Kram passt,“ grummelte der frühere Pharao.

„Wir können ja statt Stier ein anderes Monster nehmen,“ überlegte Duke. „Wie wäre es mit einem Drachen? Slifer ist doch auch rot, und in den kannst du dich ja einfach verwandeln!“

„Das ist nicht witzig.“ Natürlich wussten alle, dass Yami sich das nicht aussuchen konnte. Die Idee war vielleicht für den Notfall gut.

Statt des Schmetterlings am Anfang suchten sie eine Fee mit Schmetterlingsflügeln aus Theas Deck und beschlossen auch gleich, dass sie die Rolle zu spielen hatte. Das war ihr ganz recht, aber dann wollte Tristan ihr auch noch Mummy Fortuna aufbürden, und die Hexe sah ja im Film wirklich grotesk aus. Da aber nicht so viele andere Mädchen zur Verfügung standen, musste eben ein Kompromiss geschlossen werden und man einigte sich darauf, ein passendes Duel Monster anstatt der Hexe zu finden.

Als nächstes kam die Frage auf, wie das Einhorn dargestellt werden sollte. Mit vier Beinen? Es gab ja kaum etwas Lächerlicheres als zwei Personen, die zusammen in einem Pferdekostüm mit Horn steckten. Die Gruppe war sich einig, dass man es irgendwie schaffen musste, einen aufrecht gehenden Menschen wie ein Fabelwesen wirken zu lassen und später den Unterschied zum Einhorn in Menschengestalt zu verdeutlichen. Ein bisschen Fantasie musste man den Zuschauern schon zutrauen. Irgendwann nahm sich Seto seinen Laptop und legte eine Datei an, in der er die vorläufige Rollenverteilung und noch ausstehende Fragen notierte. Die Fragen nahmen einen Großteil der digitalen Seite ein. Dafür kamen sie bei der Rollenverteilung ganz gut zurecht.

„Yami, meinst du, Großvater würde Mabruck spielen?“ überlegte Joey.

„Ich glaube, er wäre entzückt über die Gastrolle,“ stimmte Yami zu. „Ich frage ihn nachher. Aber ich denke, er wird es machen.“

Seto notierte das mit einem Fragezeichen. „Findet eine Rolle für Mokuba, wenn ihr könnt, ich glaube, er möchte auch gerne, wenn wir all unsere anderen Freunde einplanen,“ bat er. Es überraschte irgendwie alle, dass ausgerechnet er von „unseren Freunden“ sprach.

„Vielleicht kann er diesen Kater von König Haggard spielen,“ schlug Thea vor.

Tristan schielte zu einer der anderen Gruppen, von denen man im Moment nicht viel hörte. Ein Mädchen blickte schnell weg, als sie das bemerkte. „Ich glaube, wir sollten wichtigere Einzelheiten zu Hause besprechen… jedenfalls nicht so, dass uns jemand belauschen kann.“

Seto nickte, ganz der erfahrene Geschäftsmann. „Ich hätte auch noch ein paar Ideen bezüglich der genauen Umsetzung, aber die sollten wir sehr vorsichtig besprechen. Diskutieren wir am besten weiter über die unwichtigen Sachen, die ruhig jeder hören kann…“

Alle schwiegen, unschlüssig, was in diese Kategorie fiel. Seto, Yami und Joey nahmen das Projekt wegen des Preises sehr ernst. Eigentlich gab es an der ganzen Schule keinen Ort, wo man gefahrlos diskutieren konnte, denn Lauscher konnten überall sein. Sie fingen an, sich für jede Rolle ein Duelmonster zurechtzulegen – sofern das möglich war. Manche waren einfach nur Nebenrollen, für die es sich nicht lohnte.

Am Ende der Stunde sprach Seto mit der Lehrerin. Sie willigte ein, sich zu überlegen, ob man vielleicht die Gruppenarbeit nach Hause verlegen und den Unterricht weitgehend normal weiterführen könnte, aber sie konnte noch nichts versprechen, denn andere Gruppen hatten vielleicht etwas dagegen. Das blieb also noch abzuwarten…
 

***
 

Malice und Sorc besuchten die Gefangenen im Kerker. Alle waren an die Wand gekettet und hatten – falls nötig – ein Halseisen bekommen, das Magie hemmte, doch das von Crimson schimmerte leicht, ein Zeichen, dass ein stärkeres Banneisen oder aber weitere Maßnahmen vonnöten waren.

„Hmmm… das hier ist ein starkes Exemplar,“ murmelte Malice. „Kein Wunder… Darks Rivale, nicht wahr? Wir müssen uns vor ihm schützen.“

„Sollen wir doch lieber einen anderen suchen?“ überlegte Sorc. „Oder was schlägst du vor?“

Malice musterte interessiert den schlanken Körper des Magiers. Dieser wurde nur von einem engen, roten Shirt verhüllt, und natürlich einer roten Hose mit dem typischen Muster darauf, das man auch bei Dark immer sah. Malice streichelte voller Hohn Crimsons Kinn. Der weißhaarige Magier musterte ihn seinerseits kalt und hielt seinem Blick trotzig stand, ohne sich gegen die Hand zu wehren.

„Ich kenne ein uraltes Ritual, um seine Kraft zu bannen,“ sagte Malice sehr leise, aber die Kerkerwände und die Stille trugen seine Stimme zu allen Anwesenden. Er hielt immer noch Crimsons Kinn. „Bereite dich geistig schon mal drauf vor, roter Magier! Ist es für einen Magier nicht das Schlimmste, wenn er seine Kräfte verliert? Er ist dann wie ein Krieger mit einem amputierten Schwertarm… Hahahahahaaaarr!“ Er sah seinen Gefangenen erschaudern und den Blick abwenden. Diese Runde hatte er gewonnen. „Ich muss ein paar Sachen haben… wenn du mir bitte zur Hand gehen wurdest, Sorc?“ Der andere nickte, und beide entfernten sich.

Crimson spürte zu seinem Unwillen, dass sein Körper vor Furcht bebte, und er ärgerte sich, dass es alle gesehen hatten. Viele Dinge waren ihm egal, solange er seine Würde dabei behielt. Diese Einstellung war wohl das Erbe seiner Kriegermutter. Was für ein Ritual meinte Malice bloß? Konnte er wirklich seine Magie völlig wegschließen? Was wäre er, wenn nicht ein Magier?

„Mach dir keine Sorgen… sie brauchen uns für irgendwas, sonst würden sie sich den Aufwand nicht machen. Also werden sie uns sicher am Leben lassen,“ bot eine junge Frau neben ihm als Aufmunterung an. Er blickte sich zu ihr um und stellte fest, dass sie sogar noch ein Mädchen war, bestenfalls 15 Zyklen alt. Auch sie trug ein Halseisen, war aber wahrscheinlich eher schwach.

„Vielleicht wäre es besser zu sterben, als ihnen zu dienen,“ warf eine blauhaarige Harpyie von der Wand gegenüber aus ein. „Ich wurde gefangen, als mein Volk gerade überfallen wurde… vielleicht sind sie eh alle tot…“

„Warst du die ganze Zeit da gefesselt?“ wollte das Mädchen wissen.

„Sie haben Angst, dass ich mich töte, deshalb machen sie mich nur ab und zu los,“ antwortete die Harpyie.

Neben ihr war eine Kriegerin angekettet – wahrscheinlich eine Amazone. „Was meint ihr, was sie mit uns vorhaben?“ fragte sie in die Runde. „Haben wir irgendwas gemeinsam?“

„Ich bin eine Magierin,“ begann das junge Mädchen. „Mein Name ist Eria und mein Element Wasser. Besonders stark bin ich nicht, und ich habe auch keine allzu mächtigen Gaben… Was ist mit euch?“

Crimson fühlte sich genötigt, als Nächster zu antworten, denn sie sah ihn an. „Ich bin auch ein Magier. Crimson. Element Finsternis. Ich bin stark genug, dass der Typ Angst vor mir hat. Aber ich weiß auch nicht, was das soll.“ Er schaute zu der Harpyie, weil sie ihm gegenüber war.

„Ich bin ein so genanntes geflügeltes Ungeheuer vom Element Wind. Mein Name ist Haryelle. Es gibt stärkere als mich und ich kann mir nicht erklären, was man ausgerechnet von mir will. Nicht dass ich es jemand anderem wünsche…“

„Ich gehöre zu den Amazonen. Mein Name Paladia und ich bin vom Element Erde,“ gab zuletzt die Kriegerin Auskunft. „Außer, dass wir zwei Magier dabei haben, kann ich keine Übereinstimmung feststellen.“

„Es sind ja nicht einmal gleich viele Männer und Frauen. Ob wohl noch mehr gefangen werden?“ grübelte Haryelle. Es gab noch weitere Ketten an den Wänden, aber das musste ja nichts heißen.

Crimson kam sich irgendwie vor, als würden ihn alle ansehen, aber das bildete er sich vermutlich nur ein. Doch schließlich sprach die kleine Eria ihn wieder an: „Du darfst dich nicht fürchten… bestimmt wollte der dir nur Angst machen. Ich habe von Ritualen gehört, die die Kraft bannen, aber das ist wohl nur unangenehm, weil man nicht mehr zaubern kann. Und man kann sie später auch wieder brechen.“

„Na danke… ich glaube nicht, dass die Kerle halbe Sachen machen… aber wahrscheinlich…“ Er wollte sagen, dass man sie wahrscheinlich eliminieren würde, sobald ihr Zweck erfüllt war, aber als er merkte, dass die Frauen alle besorgt seinen Worten lauschten, überlegte er es sich anders. Er war offenbar der Stärkste hier und durfte sich als letzter hängen lassen. „Wahrscheinlich hast du Recht, und er übertreibt,“ lenkte er ein und lächelte ansatzweise.
 

***
 

Yugi, Neo und Appi kehrten zur Feenburg zurück, um nachzusehen, ob Crimson dort war. Keiner von ihnen glaubte wirklich daran. Yugi hatte von Shiro ein Medaillion bekommen, in dem sich ein kleiner magischer Kristall befand. Diesen sollte er zertrümmern, wenn Crimson gefunden wurde, und dann würde Shiro es wissen. Der schlichte Anhänger verbarg sich unscheinbar unter Yugis Kleidung. Gerfried war zur Zuflucht im Himmel aufgebrochen, ausgerüstet mit einem ähnlichen Kleinod, und sah dort nach. Shiro und Kuro suchten weitere Orte ab, an denen sie sich manchmal mit Crimson aufhielten.

„Er ist bestimmt nicht hier,“ meinte Appi. „Wozu denn auch? Etwa, um Dark zu konfrontieren? Daraus müsste er ja nicht so ein Geheimnis machen.“

„Wir haben ihm ja auch gesagt, dass Dark gerade nicht zu sprechen ist,“ überlegte Neo. „Ob er vielleicht die Situation ausnutzen will? Aber ich hatte nicht den Eindruck, dass er so böse ist, dass er das tun würde…“

Yugi schüttelte entschieden den Kopf. „Nein. Crimson ist vielleicht etwas seltsam, aber ich denke, dass er Dark in gewisser Weise braucht. Er muss immer versuchen, ihn zu übertreffen, und wenn Dark tot wäre, könnte er das nicht mehr. Deshalb glaube ich nicht, dass er ihm was antun würde.“ Er kannte das ja von Kaiba, der immer wieder versuchte, Duel Monsters Champion zu werden. Niemand, der einen so starken Rivalen hatte, wollte diesen loswerden. Das wurde ja sonst langweilig.

Sie suchten Weaver auf und kamen erst einmal nicht zu Wort, denn sie war ebenfalls völlig außer sich. „Ach, da seid ihr ja endlich wieder!“ begrüßte sie die drei mit etwas genervter Stimme. „Wo wart ihr denn? Dark und Blacky hätten eure Hilfe gebraucht! Stellt euch vor, dieser Verrückte, Tamacros oder wie er heißt, wollte die Tropfsteine zerstören, um Blacky zu töten! Aber denkt er vielleicht auch mal an meinen Sohn? Nicht ein bisschen! Dem hab ich ein paar Takte erzählt!“

Magi stand daneben und nickte die ganze Zeit eifrig. „Ihr hätten mal hier sein sollen, statt euch zu amüsieren! Im Moment brauchen sie euch!“

„Aber sie sind in den Tropfsteinen eingeschlossen, was hätten wir denn da tun sollen?“ widersprach Appi etwas beleidigt. „Außerdem haben wir uns nicht nur amüsiert! Wir waren auf der Duellanteninsel und haben Yugi ein Übungsduell machen lassen!“

„Und das soll Arbeit sein? Ihr hatten bestimmt voll Spaß!“ beharrte Magi.

Yugi lächelte schief. „Magi, ich weiß, dass du dir Sorgen machst, aber wir können Dark und Blacky zur Zeit nicht helfen! Wir können nur warten und--“

„Talimecros hat die Tropfsteine beschädigt,“ unterbrach Magi ihn. „Ich kam dort unten hin und bekam den Schreck meines Lebens! Aber dann tauchte Lucranda auf und sagte, es ginge ihnen gut. Sie sind in ihrer Hütte, als Katzen, und schlafen.

„Sie sind jetzt schon aus den Steinen raus?“ rief Neo überrascht. „Das ist doch viel zu früh!“

„Eben,“ stimmte Weaver ihm in einem belehrenden Tonfall zu. „Es war viel zu gefährlich, diesen Schutz jetzt schon zu verlassen!“

„Aber wir können doch nichts dafür, wenn der olle Talimecros sich nicht zurückhalten kann!“ motzte Appi. „Wir können doch nicht die Höhle die ganze Zeit bewachen, ist das nicht Lucrandas Job?“

Yugi vermutete, dass sie diese Diskussion nirgendwo hinführte, er konnte erkennen, dass Weaver und Magi einfach irgendwen beschuldigen mussten, um sich besser zu fühlen. Er fand es nicht fair, dass sie ihm die Schuld zuschieben wollten, aber er konnte es auch nachvollziehen. Trotz allem war das jetzt aber nicht das Hauptproblem. Er würde so schnell wie möglich nach den beiden sehen, aber erst einmal galt es eine Botschaft zu vermitteln.

„Ihnen ist ja wohl nichts passiert,“ stellte er fest. „Wenn ich also auch mal was sagen dürfte? Crimson ist verschwunden. Ihr kennt ihn sicher. Der Sohn von Shiro, auch bekannt als White Skill.“

Weaver starrte ihn an. „Der Einsiedler aus dem Kristallschloss? Ach ja, er hatte diesen weißhaarigen Jungen, der sich immer mit Dark angelegt hat… ein ziemlicher Raufbold, wenn ihr mich fragt. Shiro hätte besser daran getan, ihn zu einem Krieger ausbilden, schließlich ist seine Mutter eine Amazone. Aber er wollte ja unbedingt einen Magier aus ihm machen…“

„Hast du eigentlich was gegen Magier generell?“ fragte Neo die Fee, die ja auch stets darauf bestand, dass ihr eigener Sohn eine bessere Fee abgegeben hätte. Oder mochte sie es nicht, dass jemand Dark herausforderte?

Weaver setzte zu einer wütenden Erwiderung an, doch Magi kam ihr zuvor. „Wie, er ist verschwunden? So richtig vom Erdboden verschluckt?“

Yugi, Appi und Neo schilderten die Ereignisse und endeten damit, dass sie vermuteten, dass Sorc dahinter steckte.

„Wir können im Moment nur wenige für eine Suchmannschaft abstellen, alle Helfer werden für die Verletzten gebraucht,“ gab Weaver zu bedenken. Sie schien aber zu überlegen, ob man nicht doch jemanden übrig hatte. „Ich werde weitergeben, dass er vermisst wird, und jeden bitten, etwas von seiner Freizeit auf die Suche nach ihm zu verwenden. Aber wehe, der Kerl hat sich nur einen Scherz erlaubt…“ Sie schritt in wichtig aussehender Haltung davon.

Magi blieb bei den drei Jungs zurück. „Warum sollte Sorc denn Crimson was antun?“

„Wir wissen ja nicht, ob er ihm was getan hat,“ versuchte Neo sie zu beruhigen. „Aber vielleicht hält er ihn gefangen, vielleicht will er ihn auf seine Seite ziehen…“

Alle sahen sich fragend an, während sie diese Möglichkeit überdachten. Crimson war ja nicht gerade der zartfühlende Typ, aber zum Feind überlaufen?

„Vielleicht hat er das Portal auf den Boden gemalt und sich mit irgendwas aus dem Staub gemacht,“ mutmaßte Appi.

Yugi wollte es nicht wahrhaben. „Nein… er hat sich doch mit uns echt Mühe gegeben, außerdem will er Dark nicht vernichten. Er ist sein Rivale, nicht sein Feind. Ich glaube das nicht… bestimmt ist ihm was zugestoßen.“

„Wir sollten es aber immerhin in Erwägung ziehen, auch wenn wir erstmal davon ausgehen, dass er das Opfer ist,“ meine Neo, und die anderen mussten ihm zustimmen.

Aber großartig helfen konnten sie eigentlich nicht. Es hatte kaum Sinn, aus der Luft zu suchen, denn Crimson konnte ja in einer Höhle oder in einem dichten Wald sein. Um überhaupt etwas zu tun, beschlossen sie, bei den Ruinen von Burg Drachenfels nachzusehen. Ansonsten mussten sie darauf hoffen, dass die Skillbrüder Erfolg hatten, denn sie kannten Crimson besser und hatten vielleicht Ideen, wo er sich aufhielt. Keiner glaubte wirklich daran, wenn man die Umstände seines Verschwindens berücksichtigte…
 

***

Fortsetzung folgt

Der Hahn im Korb

Hallöchen! Danke für die Kommis, ihr lieben!

Bei der Gelegenheit eine Frage... ich wollte das Theaterstück eigentlich als Extrafolge machen, aber ihr scheint das ja alle sehen zu wollen. Also, soll ich es direkt in die Geschichte einbauen?
 

Es wurden hier ja schon ganz richtige Schlüsse gezogen, was Malice und Sorc wohl vorhaben könnten!^^
 

Die Szene mit Crimson hab ich schon länger als Entwurf fertig gehabt, aber ich fand sie immer zu lang. Sie war mal noch länger... aber so ist sie wohl ganz OK. Ich hab überlegt, zwischendrin mal wegzublenden, aber das erschien mir dann unpassend, also... ich hoffe es gefällt euch so. Macht euch nicht zu viele Sorgen, es wird alles gut, muaharharhar!
 


 

Kapitel 40: Der Hahn im Korb
 

Seto hatte sein Laptop auf Hochtouren laufen. Es stand jetzt auf dem Schreibtisch in seinem häuslichen Büro, wo er sich ja auch ab und zu sehen lassen musste. Er hatte mehrere Fenster im Internet offen, wo er Ergebnisse abrief, Statistiken abfragte und solche Dinge eben, aber wenn ihm das zuviel wurde, öffnete er ein Textdokument, über dem er bei jeder Gelegenheit grübelte. Es enthielt folgenden notierten Text:

„Vorläufige Rollenverteilung:

Einhorn/Lady Amalthea: Ryou

Roter Stier: Yami

Prinz Lír: Tristan

König Haggard: ?

Mabruck, der Zauberer (Alter rachsüchtiger Magier): Opa Mutou

Haggards Kater: Mokuba

Zauberer Schmendrick (Auszubildender Magier): Joey

Molly: Serenity

Captain Cully: ?

Andere Räuber: ?

Baum: ?

Bauer: Opa Mutou

Jäger alt: Roland

Jäger jung: Seto

Harpyie (Harpienlady): Mai

Schmetterling (eine knuffige Fee): Thea

Mami Fortuna (Hexe des Schwarzen Waldes): Thea“

Seto war mit der Verteilung nicht zufrieden. Er fand beispielsweise, dass Serenity zu scheu wirkte, um Molly, die Räuberbraut, zu spielen. Dann schon eher Thea. Er teilte die Rolle ihr zu und überlegte, wo er dann Serenity einbauen konnte. Schmetterling? Und konnte Thea gleichzeitig noch die Hexe Mami Fortuna spielen? Sie brauchten mehr Frauen! Moment! Er teilte Mokuba als Schmetterling ein und machte Serenity zu Mami Fortuna. Da musste dann eben genug Schminke her.

Normalerweise hätte er sich mit so einem Blödsinn überhaupt nicht abgegeben, aber wenn Pegasus Karten verloste, musste alles perfekt sein. Wehe, die anderen verdarben es ihm! Zumindest hatte er ja einen Großteil an Leuten dabei, die auch auf die Karten scharf waren, nicht zuletzt Yugis Großvater.

Hatte Pegasus eigentlich was gesagt, wie lange sie Zeit hatten? Daran konnte er sich nicht erinnern, er musste nachfragen. Dann musste jemand die Kostüme entwerfen, das konnte er den Mädchen überlassen. Mai würde die schon triezen. Die Duelmonsters mussten noch den Rollen zugeteilt werden, und bei manchen fiel ihm im Moment noch keins ein. Musste er denn alles selber machen?! Er hatte doch noch was anderes zu tun! Ah, halt, diese Aufgabe konnte er Yami, Joey und Großvater aufdrücken. „Koordination ist alles!“ murmelte er, notierte sich seine Ideen und wandte sich dann wieder der Börsenseite zu. Es war schon sehr spät, als Mokuba vorbeischaute und ihn ermahnte, endlich ins Bett zu gehen, denn morgen war erst Feitag.
 

***
 

Die Suche nach Crimson war für den Rest des Tages erfolglos verlaufen. Yugi, Appi und Neo hatten die Ruinen der Burg Drachenfels besichtigt und nach Dingen durchsucht, die man noch gebrauchen konnte, doch es war kaum noch etwas erhalten geblieben. Die heiße Quelle war noch da, aber sie war unter Steinen begraben. Man konnte ihren Standort nur erkennen, weil es dort dampfte. Unter ihr hatte quasi der Berg nachgegeben, sie musste sich erst wieder neu zu einem Teich formen, und ob das geschehen würde, war noch fraglich. Der Wasserfall fiel jetzt nicht mehr ganz so tief – ein Stück des Berges war weggebrochen. Es war ein trauriger Schauplatz, wenn man wusste, was für ein stolzes Gebäude hier gestanden hatte. Und natürlich war Crimson nicht hier.

Als die drei mit ihren Drachen zur Feenburg zurückkehrten, gab es noch immer keine Neuigkeiten. Kuro war mit Shiro ebenfalls dorthin gekommen, aber sie wollten bald wieder zurück reisen, damit das Kristallschloss nicht zu lange ohne Hüter war. Sie hatten verschiedene Orte abgesucht, wo der Magier hätte sein können: Seine alte Schule, eine Stelle, wo er als Kind gern gespielt hatte, bei Verwandten oder Bekannten… Sie hatten sogar überlegt, ob es einen Unfall mit Crimsons wagemutigen magischen Experimenten gegeben haben könnte, wodurch er in einer anderen Dimension gelandet war. Aber Shiro war sicher, seinen Sohn gesehen zu haben, bevor er selbst betäubt worden war.

Er traute Kuro nicht mehr so ganz. Doch es gab Mittel und Wege, jemanden etwas machen zu lassen, was derjenige gar nicht wollte und hinterher nicht mehr wusste. Das war die einzige logische Erklärung: Kuro hatte unter fremdem Einfluss gestanden und Crimson verschleppt. Natürlich protestierte er dagegen, aber er musste zugeben, dass es möglich war. Als Landstreicher begegnete er genug zwielichtigen Gestalten, dass vielleicht einer davon Sorc oder Malice gewesen sein könnte…

Da Kuro sich nicht mit dem Gedanken anfreunden konnte, dass jemand in seinem Hirn herumpfuschte, zumal das ja zuletzt so ähnlich mit Blacky geschehen war, fragte er unter den Feen nach, ob ihn nicht jemand auf fremde Einflüsse untersuchen konnte. Denn wenn es so war, stellte er vielleicht eine Gefahr dar, da machte er sich keine Illusionen. Es war schließlich Erzlord Zerato, der sich mit Skill in ein Meditationskämmerlein verzog, um ihn einer geistigen Prüfung zu unterziehen. Seine Sendboten begleiteten die beiden, um für mehr Sicherheit zu sorgen. Für eine Weile wurden sie nicht mehr gesehen.

Yugis Seite stellte frustriert fest, dass die Freunde einer nach dem anderen außer Gefecht gesetzt wurden… Blacky und Dark waren nach wie vor bei Lucranda, aber so schwach, dass sie nur aufwachten, um in Katzengestalt Nahrung zu sich zu nehmen. Mava befand sich noch bei der alten Fee, weil er seine Kräfte verbessern wollte, damit er nicht mehr zu Depressionen neigte, denn in seinem alten Zustand war er nicht zu gebrauchen. Crimson war verschwunden und Black Skill möglicherweise vom Feind infiltriert. Nicht zu vergessen all die Leute, die von den vorangegangenen Kämpfen noch Wunden auskurierten.

Inzwischen gab es eine gute Nachricht: Harpa, die Harpyie, die sie im Garten gefunden hatten, war auf dem Wege der Besserung und konnte ihnen Genaueres über ihren Stamm berichten. Daraufhin entsandte Weaver Boten dorthin, um herauszufinden, ob noch jemand überlebt hatte. Leider hausten Harpyien abgeschieden in den Bergen, und manchmal wechselten sie ihr Revier, deshalb war es nicht immer einfach, sie aufzuspüren. Weaver hoffte, dass sie andere Stämme auf ihre Seite ziehen konnte, wenn es ihnen gelang, durch Harpas Schwestern mit ihnen Kontakt aufzunehmen.

Nun konnten die Freunde die meiste Zeit über nur warten. Neo schärfte stundenlang sein Schwert, ehe er entschied, noch etwas zu essen und dann schlafen zu gehen. Magi und Mystic verbrachten die ganze Zeit zusammen und beklagten das Schicksal ihrer Brüder, wobei aber die Blauhäutige immer wieder ihre Magierkollegin beruhigen musste, denn Magi kam mit der Situation einfach nicht zurecht.

Appi experimentierte mit seinem Ring. Gegen Einbruch der Nacht verwandelte sich endlich in einen Magier zurück, nachdem er vergeblich versucht hatte, als Drache in einer vernünftigen Geschwindigkeit zu fliegen, ohne Yugi dabei zu gefährden. Der Kleinere hatte sich bereiterklärt, auf dem verwandelten Magier zu reiten, schließlich hatten sie es ja umgekehrt schon gemacht und es war somit nur fair. Aber Appi fand es einfacher, eine Fee zu sein, denn die hatten wenigstens keinen Körper, der durch keine Tür mehr passte.

Ständig kreisten Feen über der Umgebung, denn man erwartete einen weiteren Angriff. Sicher würde der Feind die momentane Schwäche ausnutzen. Andererseits war es natürlich denkbar, dass auch Sorc und Malice keine Reserven mehr hatten. Die Ungewissheit war kaum zu ertragen.

Als es schon eine Weile dunkel war, kehrte auch Gerfried zur Feenzuflucht zurück und berichtete, sein Bruder Freed sei bald wieder auf den Beinen. Da man einen Mangel an Kämpfern hatte, war Shadow mit ihm gekommen, statt an Freeds Seite zu bleiben. Man sah Joan bei einem späten Mahl; es ging ihr wieder relativ gut, nur bewegte sie sich noch etwas vorsichtig wegen ihrer leichten Verletzung. Mad verbrachte den Abend an dem Teich im kleinen Garten, wo während seiner Anwesenheit die Temperatur um ein paar Grad sank, denn er grübelte und achtete nicht auf seine Magie.

Insgesamt ging man erst recht spät schlafen, und dann war es fraglich, ob der Schlaf erholsam war. Die meisten waren einfach zu unruhig und nervös. Etwas lag in der Luft, aber es war nicht greifbar. Vielleicht spürten sie auch unbewusst, was weit entfernt, in einem gar nicht so finster aussehenden Stützpunkt ihrer Feinde, mit einem von ihnen geschah.
 

***
 

„So, wir sind soweit.“

Malice kam mit ein paar Lakaien, die Crimson losmachten und dann in die gewünschte Richtung bugsierten. Der Weißhaarige blickte noch einmal zu den anderen zurück. Sie hatten beim Öffnen der Tür eine kalte Maske der Entschlossenheit aufgesetzt. Er tat es ihnen gleich.

Natürlich war Crimson nicht gerade wild darauf, sein Ziel zu erreichen, aber es war nur zwei Kerkerzellen weiter. Hier waren Fackeln an der Wand angebracht und es roch nach rituellen Reinigungskräutern. Der Geruch konnte den von altem Blut nicht vollständig überdecken. Offenbar war die Folterkammer etwas umfunktioniert worden.

Der Raum war relativ klein. An den Wänden hingen längenverstellbare Ketten. Doch Crimson wurde zu einem Tisch in der Mitte dirigiert. Er war genau so groß, dass ein durchschnittlich großer Mann darauf Platz fand, und eine Decke und ein kleines Kissen lagen darauf. Wie rücksichtsvoll…

Ein kleineres Tischchen für Geräte befand sich daneben. Eine brennende Kerze, ein schlanker Ritualdolch und einige Fläschchen unbekannten Inhalts sowie eine Schüssel mit Wasser gehörten zur Ausrüstung. Beim Näherkommen konnte Crimson eine Skizze mit einem aufgemalten, kreisförmigen Muster erkennen, hatte jedoch keine Zeit, es sich näher anzuschauen. Auf einmal ahnte er, was auf ihn zukam. Erbebend schloss er die Augen für einen Moment und hoffte, dass seine Schwäche nicht bemerkt wurde.

Sorc erwartete ihn schon. Als auch Malice den Raum betreten hatte, wurde die Tür verschlossen. „Müssen wir dich fesseln oder arbeitest du mit uns zusammen?“ erkundigte der blauhäutige Hexer sich in einem Tonfall, der fast freundlich klang.

Crimson straffte die Schultern. Er hasste es, aber er hatte kaum eine Wahl. Wenn er sich wehrte, würden sie ihn nur niederringen und trotzdem tun, was sie mit ihm vorhatten. Würde bewahren! „Ich werde tun, was von mir verlangt wird,“ teilte er möglichst sachlich mit. Mit einem weiteren Blick auf die rituellen Gegenstände fügte er jedoch hinzu: „Vielleicht sollte mich aber jemand festhalten.“

Malice lachte schadenfroh. „Da hast du sicher Recht! Ich kenne Dank des Menschen, mit dem ich früher den Körper teilte, einige nette Formeln, um die Magie eines Magiers zu versiegeln,“ erklärte er ihm in seiner ruhigen, doch irgendwie irre klingenden Art. „Ich glaube, man muss sie nicht unbedingt ins Fleisch ritzen, aber ich habe all die rituellen Substanzen nicht parat, die sonst nötig wären. Außerdem… hab ich schon Erfahrung mit sowas…“ Jetzt klang er wirklich wie ein irrer Sadist. Crimson fröstelte unwillkürlich. Der Blonde grinste ihn an. „Zieh dein Oberteil aus und leg dich auf den Bauch.“ Er deutete auf den Tisch.

Crimson tat es nicht schneller als nötig und machte es sich auf dem Tisch so bequem wie möglich. Er bekam mit, dass die Lakaien Wetten abschlossen, ob er schreien würde. Malice machte sich ebenfalls mit Mutmaßungen und Prophezeiungen über ihn lustig, während Sorc ihm den Rücken mit einer salbenartigen Substanz einrieb, die nach Kräutern roch und sich kurzzeitig kalt anfühlte, doch bald spürte er sie schon nicht mehr.

Der Weißhaarige hatte zu allem seine eigene Einstellung. Wenn er einen plausiblen Grund zum Schreien hatte, empfand er es nicht als beschämend. Ganz im Gegenteil, es war in gewissem Maße befreiend und erleichternd. Warum sich zusätzlich quälen, indem man sich auf die Zunge biss? Es gehörte zu Crimsons obersten Prinzipien, im Zweifelsfall nach seinen Bedürfnissen zu entscheiden und nicht danach zu gehen, was andere dachten oder wollten. Demnach war es ihm auch egal, ob sein Peiniger eine Wette abgeschlossen hatte.

Sorc winkte ein paar seiner Leute heran. Es waren wohl auch Hexer oder Unterweltler. „Haltet ihn gut fest,“ befahl er ihnen. „Wenn er sich zu heftig bewegt, kann er unsere Arbeit damit ruinieren.“

Crimson hätte es nie zugegeben, aber so war es ihm wirklich lieber. Er glaubte nicht, dass er stillhalten konnte, wenn etwas in seine Haut geritzt wurde. Ein Mann hielt seine Füße fest, ein zweiter stützte sich in Höhe seiner Knie auf seine Beine. Einer stellte sich ans Kopfende des Tisches und hielt seine Schultern. Er konnte dessen Gürtel dicht vor sich sehen, wenn er aufblickte. Seine Hände waren frei – er griff mit ihnen an die Tischbeine. Eine erwartungsvolle Stille trat ein. Crimson hörte seinen eigenen beschleunigten Herzschlag überlaut in seinen Ohren und stellte fest, dass er auch schneller atmete. Kalter Schweiß brach ihm aus, und ihm war klar, dass man ihm seine Angst anmerken musste. Er hasste sich dafür.

Der Feind begann mit einer Art Singsang, möglicherweise Formeln in einer fremden Sprache. Crimsons Aufmerksamkeit wurde auf eine Bewegung zu seiner Linken gelenkt. Dort stand Malice, der den rituellen Dolch zur Desinfektion in die Kerzenflamme hielt. Als die Klinge glühend heiß war, nahm Malice sie aus der Flamme und verschwand aus Crimsons Blickfeld. Die Hände an seinen Schultern und Beinen packten fester zu. Er atmete fast keuchend und hielt schließlich unbewusst die Luft an, während er wartete.

Dann stach ein heißer Schmerz in seine rechte Schulter und zog sich von da nach links. Die rituelle Klinge drang mühelos durch die Haut und schnitt ins Fleisch. Diese Tatsache wurde zu Crimsons einziger Realität. Es war gut, dass er festgehalten wurde, denn er bäumte sich unbewusst auf. Und er schrie natürlich. Aber er musste schreien, um die Tortur einigermaßen zu ertragen. Seine Finger umklammerten die Tischbeine. Das kleine Kissen, das ihm zur Verfügung stand, dämpfte einige seiner Schreie ein wenig, und es verhinderte auch, dass er sich die Nase zertrümmerte oder die Stirn aufschlug, wenn er mit dem Kopf auf den Tisch hämmerte.

Die Schmerzen zogen sich allmählich beidseitig seinen Rücken hinunter Richtung Hüfte. Kurz über der Gürtellinie hörte Malice, der das Messer des Öfteren wieder in die Flamme gehalten hatte, mit seiner Arbeit auf. Crimson wunderte sich am Rande, warum er nicht schon durch den Blutverlust ohnmächtig geworden war, aber vielleicht war er einfach zu stolz. Oder er blutete nicht so stark, wie er dachte. Eine Ohnmacht wäre ihm willkommen gewesen, doch er wollte auf eigenen Füßen diesen Raum verlassen.

Als keine neuen Schmerzen mehr hinzukamen, wurden die vorhandenen ganz langsam erträglich. Er schrie nicht mehr, atmete aber immer noch keuchend. Sein Hals fühlte sich rau an, und er wurde sich eines weiteren Gefühls bewusst, dass sich tief in seinem Inneren breit machte: Verlust. Ein magisches Halseisen zu tragen war eine Sache, etwa wie wenn einem die Beine gefesselt wurden und man versuchte zu laufen. Doch die jetzige Situation war eher damit vergleichbar, gelähmte Beine zu haben… was immer noch besser war als amputierte Beine, aber das war im Moment ein eher geringer Trost.

Er glaubte, es sei vorbei, doch nun verteilte Sorc eine Flüssigkeit auf seinem Rücken. Was das sollte, konnte er sich nicht erklären, jedenfalls brannte es in den Wunden, und er wurde sich erneut jeder einzelnen schmerzenden Stelle bewusst.

Malice schien seine Gedanken zu erraten. „Das ist schwarze Tattoofarbe,“ erläuterte er. „Selbst wenn du keine Narben behalten solltest, wird so der Zweck der Sache erfüllt.“

Großartig, jetzt konnte es auch noch jeder auf den ersten Blick sehen! Vielleicht konnte er vortäuschen, dass es einfach ein cooles Tattoo war. Zumindest Nichtmagier würden ihn dafür bewundern.

Er merkte, dass ihm die Tränen kamen, und das durfte er wirklich niemanden sehen lassen, deshalb verbarg er das Gesicht in dem Kissen und tat so, als wolle er nur sein Keuchen weniger hörbar machen.

Sorc wischte die überschüssige Farbe wieder ab, dann waren die beiden zufrieden und entfernten sogar das Banneisen – einen Unterschied machte es nicht. In einer spöttischen Geste tätschelte der Blauhäutige Crimsons Schulter, während die Helfershelfer den Weißhaarigen allmählich losließen. „Braver Junge... Dafür kriegst du auch den Schlüssel zu den Ketten und dann gibt’s was zu essen.“

Crimson hörte ihm kaum zu. Er wollte einfach liegen bleiben in seinem Elend und sich ausruhen... aber das war ihm nicht vergönnt. „Steh auf. Die Farbe hat zugleich die Blutung gestoppt. Es kann also nichts mehr passieren,“ ordnete Malice an.

Er versuchte zu gehorchen, aber sein ganzer Körper zitterte unter den Nachwirkungen der Prozedur. Als er sich aufsetzte, verzog er unter Schmerzen das Gesicht. Wo war sein Oberteil? Lohnte es sich, es anzuziehen? Vielleicht lieber nicht... auch wenn dann alle sehen würden, was mit ihm passiert war.

„Steh schon auf,“ befahl ihm ein grob aussehender Unterweltler barsch. „Wir ham nich den ganzen Tach Zeit!“

Er tat es, aber sogleich begannen seine Knie zu schlottern und der Raum sich zu drehen. Anscheinend gab es eine körperliche Reaktion, jetzt wo der geistige Stress nachließ. Er roch seinen eigenen Schweiß. Die Augen schließend, klammerte er sich an den Tisch. Doch man ließ ihm die Zeit nicht, sondern packte ihn und zerrte ihn vorwärts. Er konnte nur mit stolpern. Ehe er sich versah, wurde er auch schon in die Zelle geschubst. Bei der Landung schlug er sich den rechten Ellenbogen auf. Nach einer kleinen Verschnaufpause blickte er auf und sah in lauter mitleidige Gesichter. Oh… sie hatten vermutlich seine Schreie gehört, weit war die Entfernung ja nicht…
 

Die Runde war während seiner Abwesenheit ergänzt worden. Eine weißhaarige Frau mit ziemlich freizügiger Kleidung war an der hinteren Wand angekettet, daneben eine weitere, nur mit schwarzem Haar, das an den Spitzen zu weißgrau überging. Beide schienen Rot für ihre Kleidung zu bevorzugen, und davon ziemlich wenig. Crimson mochte Rot auch. Aber momentan erinnerte es ihn zu sehr an Blut.

Sorcs Leute brachten ein Fass mit Wasser und mehrere Körbe mit Essen. Es war gute Ware, Crimson sah es überrascht. Sogar Decken und Kleidung zum Wechseln waren dabei. Einer der Helfershelfer warf ihm einen Schlüssel zu, der wohl zu den Ketten gehörte. Diesen beachtete der Weißhaarige zuerst nicht, sondern stürzte sich auf das Wasserfass. Ein Becher war dabei, den er mehrmals leerte. Folter machte ziemlich durstig... dann sackte er vor dem Fass wieder in die Knie.

„Ich mach euch gleich los... gebt mir eine Minute,“ keuchte er.

„Was haben die mit dir gemacht?“ platze es aus der kleinen Eria heraus. „Du hast so schrecklich geschrieen... hattest du das Bild schon vorher auf dem Rücken?“

„Das... ist ein Bannsiegel,“ erklärte er knapp. Auf weitere Erklärungen hatte er keine Lust. Aber etwas interessierte ihn schon: „Wie sieht es aus?“

„Wie ein Kreis aus komischen Zeichen, und drinnen sind noch mehr Zeichen, ziemlich symmetrisch. Ganz hübsch eigentlich,“ fand Eria.

„Ah... hübsch...“ murmelte Crimson. Na zumindest war er nicht allzu schlimm entstellt, wenn es wenigstens gut aussah. Als er sich stark genug fühlte und seine Beine ihn wieder trugen, erhob er sich und ging zuerst zu Eria, weil er bei ihr am leichtesten an die Kettenscharniere über ihrem Kopf drankam. Dann befreite er die schwarzhaarige Lady, weil die ihm am nächsten war, und überließ den Schlüssel danach ihr. Er selbst setzte sich auf eine der Decken und ruhte sich aus.

Eria sah es als ihre Aufgabe an, ihn darüber zu informieren, dass ihre neuen Kolleginnen Burstinatrix und Runa hießen, erstere war eine Feuerkriegerin und die andere eine Lichtfee. Crimson fühlte sich wie der Hahn im Korb.

„Jetzt haben wir von jedem Element jemanden...“ bemerkte Paladia. Sie sah sich die Essenskörbe an und bediente sich dann ungeniert.

„Wir sollten lieber verhungern,“ grummelte Haryelle. „Vielleicht mästen sie uns, um uns irgendeinem finsteren Gott zu opfern.“

„Nun mal nichts gegen das Finsternis-Element,“ widersprach Crimson ihr und stellte fest, dass sich ein gewisser Kampfgeist in ihm regte. „Ich hab gehört, dass es auch Götteropfer für Götter gibt, die zum Beispiel dem Feuer zugeordnet werden. Davon abgesehen sind wir eh tot, wenn wir geopfert werden, da kann ich es mir vorher noch so gut wie möglich gehen lassen.“ Er durchsuchte die Körbe und fand ein paar bestimmte Früchte. „Eria, sei so nett und press den Saft von denen hier auf meinen Rücken,“ bat er das Magiermädchen mit den hellblauen Haaren. Er lehnte sich ein bisschen vor, damit sie gut drankam und nicht so viel kleckerte.

„Sollten wir die nicht lieber essen?“ wandte Burstinatrix ein.

„Sie haben zufällig außer einem ganz annehmbaren Geschmack eine kühlende und schmerzstillende Wirkung. Und ich hab zufällig eine Ansammlung von frischen Schnitten auf dem Rücken, also wenn’s dir nichts ausmacht?“ blaffte Crimson sie an.

Die Kriegerin wandte sich etwas pikiert ab und nahm sich von dem Brot.

Eria biss ein Stück von den gelben, saftigen Früchten ab. „Schmeckt gar nicht sooo toll.“ Sie drückte den Saft über Crimsons Rücken aus und benutzte den ausgepressten Rest wie einen Schwamm. Der Weißhaarige musste ein bisschen die Zähne zusammenbeißen, aber schon nach kurzer Zeit stellte sich ein kühles Gefühl und eine gewisse Taubheit ein, was ihn aufatmen ließ. „Wenn ihr viele davon esst, verfallt ihr in einen Rauschzustand,“ erklärte er. „Wäre vielleicht gar nicht mal so verkehrt…“ Er nahm sich ein harmloseres Obst und verschlang es gierig. Er hatte eine Weile nichts mehr gegessen und in den letzten Minuten eine Menge Energie verbraucht. Und Essen lenkte ihn ab. [Ich bin kein Magier mehr…] Die anderen machten sich allmählich auch an dem Essen zu schaffen oder nahmen sich Decken. [Was soll jetzt aus mir werden?]

Crimson fragte sich wie schon so oft in seinem Leben, ob er ein guter Krieger geworden wäre. Er war gut gewesen als Magier, und zufrieden. Aber da seine Kräfte gebannt waren, hatte er vielleicht einen guten Grund, sich wie seine Amazonenmutter den Kampfkünsten zu widmen und sich diese eine Frage zu beantworten. Falls er überlebte, was für ihn und die anderen geplant war. Er versuchte, seine Situation positiv zu sehen, hatte aber nur mäßigen Erfolg.

Runa wühlte in einer Kleidertruhe herum. „Hier, das ist vielleicht von Nutzen für dich,“ meinte sie und gab ihm eine andere Hose – seine war ein bisschen mit Salbe, Blut und Farbe verdreckt – und ein Hemd, beides aus einfachem, weißen Leinengewebe, aber besser als nichts. Sein Oberteil hatte es irgendwie nicht bis in die Zelle zurück geschafft. Er bevorzugte es erst einmal, das Hemd nicht anzuziehen, wechselte aber die Hose, wobei es ihm komplett egal war, ob ihm jemand zusah.

Die meisten seiner Mitgefangenen taten so, als wären sie anderweitig beschäftigt, oder zogen sich auch um, aber Runa beobachtete ihn ganz genau. „Hey… schöner Körper,“ stellte sie fest. Neckisch strich sie Crimson mit zwei Fingern übers Kinn.

Er sah sie überrascht an. Sie war hübsch… schön sogar. Aber nach Frauen stand ihm jetzt nicht der Sinn. Um sich aber seine Chancen für später nicht zu verderben, ließ er seinen Blick an ihr herunter wandern und entgegnete: „Das Kompliment kann ich direkt zurückgeben.“

„Leg dich ein bisschen schlafen,“ schlug sie vor. „Ich werde mich hinter dich legen und die Decke von deinen Verletzungen fernhalten.“ Schon lag sie auf einem behelfsmäßigen Bett und bot ihm an, mit unter die Decke zu kriechen. Er tat es dankbar, drehte sich dabei mit dem Rücken zu ihr, so dass die Decke sich über ihre beiden Körper spannte, ohne seine Wunden zu berühren.
 

***

Fortsetzung folgt.

Amazonen und ihre Kinder

Danke für Die Kommies! Und weiter geht's! Den letzten Abschnitt habe ich gerade erst fertig geschrieben, ich hoffe es sind nicht so viele Fehler drin. *g* Viel Spaß!

Übrigens, Sora, hab ich deine Idee mit Ryou aufgegriffen.^^

Es ist Freitag in FW.

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Kapitel 41: Amazonen und ihre Kinder
 

Die Gefangenen von Malice und Sorc wurden zu ihrem Erstaunen sehr gut behandelt, aber sie beschwerten sich natürlich nicht. Am Morgen gab es reichlich Frühstück und frisches Wasser, außerdem wurden sie in Dreiergruppen in einen Raum mit einer unterirdischen heißen Quelle geführt, wo sie sich waschen und entspannt einweichen konnten. Crimson verzichtete auf letzteres, beobachtete aber Runa und Paladia beim Baden. Die beiden Frauen zeigten sich ihrerseits nicht abgeneigt. Eine Amazone suchte ja immer nach dem Vater ihrer nächsten Tochter, wie er wusste, und er hatte bereits zur allgemeinen Unterhaltung erzählt, dass er eine Amazonenmutter hatte. Ein Mann mit Amazonenblut schien besonders interessant zu sein. Und Runa war wohl auch keine Kostverächterin.

Das Badebecken war künstlich gekachelt, der Raum war insgesamt in düsteren Farben gehalten und wurde von Fackeln erhellt, es gab kein Fenster nach draußen. Crimson stieg über eine Treppe in das heiße Wasser und setzte sich auf eine der obersten Stufen, so dass nichts an die Wunde auf seinem Rücken kam. Die Schmerzen ließen sich aushalten. Sie lenkten ihn gut von der Leere in seiner Seele ab, wo die Magie fehlte. Diese Empfindung hatte bisher erfolgreich seine körperliche Lust gedämpft. Dabei hätte er ein kleines Abenteuer begrüßt, wer konnte schon wissen, wie lange noch Gelegenheit dazu war?

Sie badeten weitgehend schweigend, weil ständig Wachen in der Nähe waren, die vor der Tür blieben oder das zumindest vorgaben. Nach einer Weile wurden sie aufgefordert, sich anzuziehen und in die Zelle zurückzukehren. Dort war inzwischen Salbe für Crimsons Rücken hinterlegt worden.

„Warum machen die das?“ murmelte der Weißhaarige eher zu sich selbst. „Warum machen sie sich all die Mühe? Statt meine Magie zu bannen, hätten sie auch einen schwächeren Magier fangen können. Geht es um das Element Finsternis? Um die Stärke? Oder hat er was gegen meinen Vater?“ Crimson konnte es sich nicht erklären. Seine Mitgefangenen waren nicht außergewöhnlich stark, nur Runa wirkte noch ziemlich selbstsicher, aber vor ihr hatten sie wohl keine Angst, also täuschte das vielleicht. Leider konnte er ihre Macht im Moment auch nicht mehr bewusst spüren.

Eria hatte wieder die Aufgebe übernommen, seine Verletzung zu behandeln. Gewissenhaft trug sie die Salbe auf. „Du hast Recht, wenn wir wirklich für irgendwas geopfert werden sollen, hätte man sich jemanden suchen können, der weniger gefährlich ist als du,“ mutmaßte sie. „Aber vielleicht sollen wir nicht geopfert werden.“

„Vielleicht war er auch einfach gerade greifbar,“ meinte Paladia.

„Hast du nicht gesagt, du wärst der Cousin von Dark, dem Herrn von Burg Drachenfels, und dein Vater hütet das Kristallschloss? Vielleicht will man dich aus dem Weg schaffen und schlägt hier zwei Fliegen mit einer klappe,“ vermutete Burstinatrix. „Wenn Avian und die anderen herausfinden, wo ich bin, werden sich diese Kerle wünschen, sie hätten mich nie erwischt!“

„Ich an Stelle unserer Entführer hätte eine sechste Frau genommen,“ grinste Paladia. „Frauen sind viel widerstandsfähiger und haben stärkere Nerven. Nichts gegen dich, Amazonensohn, aber warum ein Mann und fünf Frauen? Ist das Zufall?“

„Wer weiß schon, was solche Leute denken,“ winkte Runa ab.

Haryelle hielt sich raus, sie war zu pessimistisch eingestellt, als dass sie sich derartigen Spekulationen hingegeben hätte. Die Gruppe hatte neue Kleidung bekommen, aber es war alles irgendwie ein zweiteiliges Einheitsmodell aus hellem Leinen, und darin sah die Harpyie ziemlich komisch aus. Dennoch zog sie die Sachen an, weil der Kerker nicht allzu warm war, gerade so, dass man nicht fror. Aber es gab ja auch noch die zahlreichen Decken. Den Umständen entsprechend war es beinahe gemütlich. Die Gefangenen blieben dicht zusammen, um sich leise zu unterhalten und gegenseitig zu wärmen.

„Wisst ihr, was ironisch ist?“ schnitt Eria ein neues Thema an. „Ich habe vor kurzem in der Magierschule eine schlechte Klassenarbeit geschrieben und hatte Angst, das meinem Vater zu sagen, deshalb habe ich mich nicht bei ihm gemeldet. Hätte ich es doch bloß getan, vielleicht sehe ich ihn jetzt nie wieder! Was ist schon eine Klassenarbeit…!“

„Ist dein Vater auch ein Magier?“ erkundigte sich Crimson der Konversation wegen. Es interessierte ihn aber nicht so sehr, wie er vorgab. Im Grunde waren fast alle Magierschüler auch Magierkinder.

„Ein Wassermagier,“ antwortete Eria erwartungsgemäß.

„Was ist das für eine Schule, auf die du gehst? Ich dachte immer, Magier werden von älteren Magiern ausgebildet,“ wollte Runa wissen.

„Du hast Recht, das ist auch oft so,“ erläuterte das Mädchen. „Es hat sich eingebürgert, das Magieanwärter auf die Schule gehen, bis sie eine bestimmte Ausbildungsstufe erreicht haben oder einen eigenen Lehrmeister finden. Natürlich kann man auch gleich einen Lehrmeister haben, wenn man denn einen findet. Aber normalerweise suchen die sich jemanden aus, der schon etwas gelernt hat, weil man dann ja sieht, wie hoffnungsvoll der Schüler ist. Ich hätte auch lieber einen Meister…“

„Ich hoffe, sie bringen euch auch kämpfen bei,“ Warf Paladia ein. „Eine Frau muss kämpfen können, wie soll sie sonst einen Mann erobern und Kinder großziehen?“

„Ihr Amazonen zieht ja eh nur Töchter groß.“ Burstinatrix klang leicht spöttisch, aber die Amazone beachtete den Tonfall nicht. „Das ist Tradition,“ erwiderte sie nur.

Ab und zu, so auch jetzt wieder, gab es Momente, in denen niemandem mehr eine Frage oder Anmerkung einfiel, und sie schwiegen für ein paar Minuten. Crimson war sich wage bewusst, dass er Angst hatte, und so ging es den anderen garantiert auch. Aber sie alle überspielten es. Was konnte noch auf sie zukommen, wofür man sie in gutem Gesundheitszustand brauchte? Und… konnten sie es überleben?

Leider war es kaum möglich zu entkommen – das hatten sie schon getestet. Die Zelle hatte keine lockeren Steine oder dergleichen, und die Wachen waren sehr aufmerksam. Sie wussten auch, dass Burstinatrix über das Feuer gebieten konnte. Die Gefangenen hatten überlegt, die Fähigkeiten der Elementarheldin zur Flucht zu nutzen, aber zahlenmäßig mussten sie unterliegen, auch wenn ihnen ein überraschender Angriff gelang. Sie wussten ja auch gar nicht, wo sie sich befanden und wo es ins Freie ging. Also nutzten sie das Feuer nur, wenn ihnen kalt wurde, und hoben es sich ansonsten für eine gute Gelegenheit oder den Notfall auf. Ansonsten hieß es nur abwarten… ein ziemlich frustrierender Zeitvertreib.
 

***
 

Der Tag war noch jung und versprach Regen zu späterer Stunde. Ein kühler Wind wehte, doch es war noch angenehmes Wetter. Bei der Feenburg gab man sich jedoch nicht zu sehr dem Gefühl der Ruhe hin.

Ein roter Vogel, gerade groß genug für einen Reiter, landete auf der Landeplattform. Von seinem Rücken sprang eine muskulöse, blonde Frau, gekleidet in bräunliche Felle mit schwarzen Tupfen und generell kriegerisch aussehend. Ihr Alter ließ sich schwer schätzen, aber sie sah schon erfahren bis reif aus. Sie wandte sich ohne zu zögern an die erste Fee, die ihr über den Weg lief: „Ich suche Shiro, auch bekannt als White Skill. Man sagte mir, er wäre hier zu finden.“

„Wartet bitte hier. Ich gehe ihn verständigen.“ Die kleine Fee verschwand, und die Frau musste ein paar Minuten warten. In dieser Zeit trafen zehn weitere Frauen auf verschiedenen Vögeln ein, die ihr von der Aufmachung her ähnelten. Alle hatten lange Haare, die sie meist offen trugen, wilde Mähnen im Wind. Ihre unterschiedlich gemusterten Felle oder Lederstücke waren knapp bemessen und sie trugen Waffen teils offen, teils versteckt am Körper. Die Gruppenführerin, die zuerst angekommen war, besaß einen Kampfstab und hatte sich einen Bogen samt Köcher über die Schulter gehängt.

White Skill kam würdevoll aus dem Gebäude. Beim Anblick der Gruppe stutzte er. „Amazia! Dass ich dich wieder sehe… ich freue mich!“

Die Frau gab ihm auf Kriegerart die Hand. „Shiro… Ich habe erfahren, dass du nach unserem Sohn suchst und dass er wahrscheinlich entführt wurde. Auch wenn er nur ein Mann ist, so ist er doch von meinem Blut und kann starke Töchter zeugen. Meine Schwestern und ich werden ihn finden!“

Shiros Augenbraue zuckte. Die Mentalität der Amazonen befremdete ihn immer ein wenig. Aber solange sie sich im richtigen Moment für ihre Söhne interessierten, sollte es ihm recht sein. „Ihr kommt zu einem guten Zeitpunkt, Amazia. Unsere stärksten Kämpfer sind schwer angeschlagen. Wir brauchen dringend Verstärkung.“

Amazia wandte sich um, gab ein paar Zeichen und zwei Amazonen bestiegen ihre Vögel und entschwanden den Blicken. „Du wirst sie bekommen,“ versprach die Kriegerin. „Wir haben schon viel zu lange nicht mehr richtig gekämpft. Wer unser Gegner auch ist, er soll sich vorsehen.“

„Ich danke dir. Folge mir, ich werde dich meinen Freunden vorstellen.“

Die Gruppe, bestehend aus Amazia, Shiro und acht Amazonenkriegerinnen, begab sich in den Speisesaal, wo zu dieser Tageszeit allgemeines Frühstück angesagt war. Zahlreiche Köpfe drehten sich neugierig zu ihnen um, als sie eintraten.

Weaver erhob sich von ihrem Platz. „Amazia! Willkommen!“ Die beiden Frauen kannten sich und umarmten sich in einer schwesterlichen Geste. Amazia war etwas größer und deutlich breiter als die Fee.

Während die beiden Anführerinnen ein Gespräch über ihre Söhne anfingen, setzte Shiro, der irgendwie komplett vergessen worden war, sich wieder auf seinen Platz bei Shadow, Gerfried, Neo, Mad, Appi und Yugi. Er wurde fragend angesehen und fühlte sich zu einer Erklärung genötigt. „Crimsons Mutter. Wäre er ein Mädchen geworden, wäre er jetzt eine von ihnen, eine Verschwendung an magischem Potential. Gut, dass er ein Mann ist.“

„Ich finde, die Amazonen sollten ihren Töchtern, wenn sie Magierväter haben, die Wahl lassen, was sie machen wollen,“ stimmte Mad zu. „Aber Crimson wäre vielleicht auch ein guter Krieger, wenn er wollte.“

„Mag sein,“ räumte Shiro ein. „Die Vorraussetzungen hat er ja, bei DER Mutter…“ Das klang etwas ironisch, so dass die Gruppe leise lachte. „Aber er will das gar nicht. Hat es mal versucht, aber keinen Spaß daran gehabt. Er lebt für die Magie, und Alchemie ist sein Hobby. Niemand außer jemandem, dem er vertraut, hätte ihn entführen können.“

„Hat sich was ergeben mit Skill, äh, Kuro?“ fragte Yugi.

Shiro seufzte langgezogen. „Allerdings. Zerato hat eindeutige Anzeichen dafür gefunden, dass er von außen beeinflusst wurde und vielleicht noch immer wird. Sie meditieren immer noch, um die Ursache zu beseitigen, aber ich weiß nicht, ob man sowas je wieder los wird. Vielleicht nur, indem man denjenigen tötet, der ihn beherrscht.“

Darauf verfielen alle für eine Weile in Schweigen, denn alle wussten, dass Blacky ein ähnliches Problem hatte. Mystic und Magi waren im Moment bei Lucranda, um ihre Brüder zu besuchen, auch wenn das nicht viel Sinn machte. Aber obwohl die beiden bewusstlos waren oder tief schliefen, merkten sie vielleicht, wenn sie von ihren Lieben umgeben waren. Das sagte man in der Welt des Blauen Lichts ja auch immer über Komapatienten.

„Ist Amazia eigentlich die Herrscherin der Amazonen? Haben die eine Königin?“ erkundigte Yugi sich interessiert.

Shiro schüttelte den Kopf. Er kaute gerade irgendetwas und musste erstmal schlucken. „Sie haben eine alte weise Anführerin, aber Amazia ist die Kriegsherrin. Ich glaube, das ist sowas wie stellvertretende Chefin oder so… Es gibt davon mehrere, und sie sind alle Anwärterinnen auf die Nachfolge der obersten Amazone. Aber normalerweise wird die älteste immer die Führerin. Als Amazia Crimson bekam, war sie aber nur eine einfache Kriegerin. Naja, sie zählte schon damals zu den besten.“ Man konnte einen gewissen Stolz aus den Worten des Magiers heraushören. Er war ja auch stolz auf das Ergebnis dieser Verbindung.

„Von denen würde ich mich auch mal gerne verwöhnen lassen,“ schwärmte Neo, dessen Augen kontinuierlich auf den kriegerischen Frauen klebten.

„Du meinst wohl, verdreschen!“ witzelte Appi. „Bestimmt freuen sie sich, wenn sie sehen, dass du ein Magier bist, der ein Schwert führen kann!“

„Was ist denn mit dir, nicht interessiert?“ hakte Yugi nach.

Sein Kumpel runzelte nachdenklich die Stirn. „Na ich weiß nicht… ich habe das Gefühl, die würden mich nur für einen Grünschnabel halten… Die zarten Feen sind mir lieber.“ Allerdings hatte er nach der Enttäuschung mit Joan keine mehr in die nähere Auswahl genommen.

Shadow wandte sich neugierig an Shiro: „Sag mal, warum kommen die jetzt, nachdem sich Amazia all die Jahre nicht um Crimson geschert hat?“ Da sie selber Söhne hatte, interessierte sie das natürlich.

Der Lichtmagier wurde etwas verlegen. „Najaaa… ganz so ist es nicht. Jede Amazone behält ihre Kinder im Gedächtnis, auch die Jungen. Crimson trägt eine Ohrklemme an der linken Ohrmuschel, die ihm Amazia mitgegeben hat, als sie ihn bei mir ließ. Sie hat mich vorher gebeten, ein kleines Schmuckstück vorzubereiten, das ich meiner Tochter geben kann, falls es ein Mädchen wird. Auf die Art soll die Liebe des Elternteils symbolisiert werden, auf den das Kind verzichten muss.“

„Ist mir gar nicht aufgefallen, aber wahrscheinlich war sein Haar darüber,“ überlegte Yugi. „Oder ich hab das einfach nicht ungewöhnlich genug gefunden, um es mir zu merken.“

„Er trägt sie nicht immer. Wenn er in seine Labor arbeitet, legt er allen Schmuck ab, damit das Metall keinen Schaden nimmt – das kann durch Spritzer oder Dämpfe passieren.“

„Oh, ach so.“ Yugi fand das Thema faszinierend. „Also trägt jeder Sohn einer Amazone ein Schmuckstück von seiner Mutter?“ Er sah nach, ob seine Kumpels eins hatten. „Könnte ja jeder sein…“

„Ja, da hast du recht,“ nickte Shiro. „Manchmal sehe ich tatsächlich Männer, die einen Ohrring oder einen Armreif oder einen Anhänger im typischen Stil der Amazonen tragen. Ich frage aber meistens nicht nach, außer wenn ich mit dem Betreffenden näher ins Gespräch komme. Dann stellt sich normalerweise heraus, dass er wirklich eine Amazonenmutter hat. Die meisten, die ich kenne, sind stolz darauf.“

„Aber hättest du deine Tochter auch bei den Amazonen besuchen können?“ hakte Shadow nach und lenkte damit vom Thema Schmuck ab.

Shiro nickte. „Na klar. Eine Amazone gibt ihr Kind ja nicht gerne her, sie ist immer noch seine Mutter. Es ist aber nun einmal so Tradition. Sie fragte mich auch schon vor der Geburt, ob ich einen Jungen zu mir nehmen würde – ansonsten hätte sie sich rechtzeitig um eine Familie gekümmert, die ihn nimmt.“

„Ich habe das Gefühl, die eine da starrt zu mir rüber,“ meinte Gerfried, der auf der Seite des Tisches saß, die den Amazonen zugewandt war. „Die Brünette mit dem Pferdeschwanz…“ Er widmete sich demonstrativ seinem Essen. Ob er ebenfalls interessiert war, konnte man nur erahnen.

„Die nutzen jede Gelegenheit, wenn sie einen Krieger finden, der ihrer würdig ist,“ grinste Shiro. „Immerhin könntest du morgen im Kampf sterben, also mach dich drauf gefasst, dass du heute nicht alleine schläfst.“ Dann aber wurde er wieder ernst. „Ich frage mich, warum Crimson entführt wurde… warum hat man ihn nicht, nun ja… gleich getötet? Immerhin könnte man meinen, dass er vielleicht jemandem ein Dorn im Auge ist, also was wollen sie mit ihm? Mich erpressen?“

„Weil du der Hüter des Kristallschlosses bist?“ fragte Appi.

Doch er bekam vorerst keine Antwort, denn die Amazone, die sich für Gerfried interessierte, kam an den Tisch der Gruppe. Sie bewegte sich wie eine Raubkatze, die sich ihrer Eleganz bewusst ist. Sie war deutlich jünger als Amazia, jedoch gewiss kein Kind mehr. „Du, Krieger… wie heißt du, starker Mann?“ sprach sie das Ziel ihres Begehrens an.

Gerfried schaute zu ihr auf. „Gerfried… auch bekannt als der Eiserne Ritter.“

„Huh… von dir habe ich gehört… steh mal auf…“ Die Amazone unterstrich ihre Forderung – und es war keine Bitte – mit einer Hand unter Gerfrieds Kinn. Er stand auf, und sie positionierte ihn so, dass sie ihn umrunden und von allen Seiten betrachten konnte. „Hm, gute Anlagen,“ befand sie. Dann blickte sie zu Shadow. „Deiner?“

Die blonde Kriegerin schüttelte den Kopf. „Er ist mein Schwager.“

„Aah… verstehe.“ Sogleich galt ihre Aufmerksamkeit nur noch ihrem Erwählten. „Mein Name ist Chani…“ Der Tonfall klang wie ein bindendes Eheversprechen, und von dieser Sekunde an wich sie Gerfried nicht mehr von der Seite.

Yugi und seine Freunde erfuhren, dass Amazonen, die sich einen Mann erwählt hatten, bei ihm blieben, bis sie schwanger waren, und so demonstrierten, dass er vergeben war. Ob das dem Mann passte, war hierbei zweitrangig. Gerfried jedenfalls ertrug sein Schicksal tapfer.

„Du kommst mir bekannt vor,“ sagte Chani zu Mad, als man sich allmählich vom Esstisch entfernte.

Doch der Wassermagier schüttelte den Kopf. „Du musst mich verwechseln.“ Und er verließ fast etwas zu hektisch den Raum.
 

Im Laufe des Tages trafen gruppenweise weitere Amazonen ein, darunter auch ältere, die wie Amazia eine Kampftruppe anführten. Amazias eigene Truppe wurde noch ergänzt. Weitere Verstärkungen wurden für den nächsten Tag erwartet, denn mehrere der Frauen befanden sich noch auf der Jagd oder sonstigen Missionen.

Während Neo sich ständig inmitten des weiblichen Getümmels aufhielt und hoffte, eine abzukriegen, nahmen Yugi und Appi Reißaus. Auch Mad legte keinen gesteigerten Wert auf die Gesellschaft der Amazonen, aber anders als seine Freunde schien er sich regelrecht zu fürchten. Er wich allen Fragen diesbezüglich jedoch aus. Yugi und Appi fanden ihn dann auf der Bank bei dem Teich im kleinen Garten, wo sie ihn zur Rede stellen wollten.

„Sag mal, Mad… du bist nicht etwa auch ein Amazonensohn? Ist doch nicht schlimm, na komm…“ Appi rückte ihm auf die Pelle und untersuchte seine Ohren und Handgelenke nach Schmuck, der ihn verriet.

„Hey, lass das!“ wehrte der Magier sich. „Ich warne dich! Und dich auch, Yugi!“

Doch Yugi stürzte sich auf ihn und kitzelte ihn, worauf Mad wesentlich umgänglicher wurde, wenn man außer Acht ließ, das er kichernd um sich schlug.

„Na guck mal an!“ rief Appi triumphierend. Er hatte aus Mads Hemd ein Lederband zutage gefördert, an dem er einen feinen Armreif um den Hals trug. „Das ist nicht die richtige Art, das Teil zu tragen!“

„Gib das her!“ Der Blauhaarige schnappte es ihm aus der Hand. Die beiden Jungs ließen jetzt auch von ihm ab, nachdem sie gefunden hatten, was sie suchten. „Das geht euch gar nichts an!“ Er steckte das Objekt zurück unter sein Hemd.

„Warum versteckst du das?“ wollte Yugi ernsthaft wissen und hockte sich wie ein neugieriger Schüler vor ihm auf die Wiese. „Oder ist es dir etwa peinlich, dass aus die kein mächtiger Krieger geworden ist? Du ist doch ein hochklassiger Magier!“

„Darum geht es nicht! Lasst mich einfach in Ruhe!“ Mit ihm war nicht zu reden. Er stand gehetzt auf und wollte den Garten verlassen, doch in dem Moment kamen zwei Amazonen dazu. Eine war Chani.

„Das ist der, den ich meinte,“ verkündete die Brünette ihrer Kollegin.

„Du hast Recht…“ Die andere hatte dunkelblaues Haar, das sie im Nacken zusammengebunden trug. „Madoor, erkennst du mich denn nicht?“

Mad war stehen geblieben, als hätte ihn ein Raubtier gestellt. „Äh… Rohka… es ist lange her…“

„Ja, du hättest dich mal blicken lassen können. Wie geht es unserem Sohn?“

Appi und Yugi klappten die Münder auf. Mads Sohn? „Hey, warum hast du uns nicht gesagt, dass du einen Sohn hast?“ beschwerte Yugi sich.

„Genau, ich hab nur von deiner Tochter gehört!“ ergänzte Appi.

„Wie, du wusstest, dass er eine Tochter hat? Ich weiß gar nichts von einem Kind!“ klagte Yugi nun seinen blonden Kollegen an.

Mad indessen wurde immer kleiner und wollte offensichtlich gar nicht hier sein. „Ach, das hast du falsch verstanden, Appi! Ihr seid euch ja nie persönlich begegnet, najaaa…“

Rohka packte Mad grob am Kragen, wobei sie ihn von der Bank zerrte. „TOCHTER? Du hast gesagt, es wäre ein Junge! Du hast ihn mir GEZEIGT!“

Jetzt verstanden die beiden Jungs gar nichts mehr und hielten sich lieber aus der Sache raus, bis es jemand für sie aufklärte. Mad jedenfalls sah sehr… schuldbewusst aus und ihm fiel wohl nichts zu erwidern ein. Was sollte man davon halten?

„Das ist ein Missverständnis!“ versuchte er sich herauszureden. „Du hast ganz Recht, ich hab dir einen Jungen gezeigt! Du hast dich doch noch davon überzeugt, dass es ein Junge ist!“ Nachdrücklich befreite er sich aus ihrem Griff, den sie etwas verunsichert gelockert hatte.

Dummerweise hielt das Schicksal es für angebracht, ihm einen Strich durch die Rechnung zu machen. Sie bekamen weiteren Besuch, diesmal von einem Kind, das wohl etwas jünger als Yugi war, ein Mädchen einem wuscheligen, braunen Pferdeschwanz und einer ebenfalls braunen Magierrobe, an deren Kragen man das Zeichen einer Organisation erkennen konnte. In dem Fall die Magierakademie, wie Appi Yugi sogleich informierte.

„Meister Madoor!“ rief sie aufgeregt. Hinter ihr flog ein kleiner gelber Drache her. „Da seid Ihr ja, zum Glück habe ich Euch gefunden! Wir glauben, dass Eria verschwunden ist, möglicherweise entführt! Sie hat ihren Gefährten zurückgelassen, das würde sie nie tun!“

„Oh! Wynn! Was sagst du da? Was ist mit Eria, bist du sicher?“ Für einen Moment hatte Mad die Amazone vergessen, aber sie brachte sich sogleich wieder in Erinnerung.

„Eria? Entführt?“ Rohka war empört, aber es war schwer zu sagen, worüber mehr. Sie baute sich ganz dicht vor Mad auf, der wohl nur deshalb nicht die Flucht ergriff, weil es um sein Kind ging. „Unser Sohn ist also doch ein Mädchen! Du hast mich irgendwie reingelegt und mir eine Tochter vorenthalten! Wir sprechen uns noch, Unwürdiger!“ Plötzlich wandte sie sich mit einem absolut freundlichen Gesichtsausdruck an das Mädchen. „Du bist eine Freundin von Eria? Erzähl mir, warum du annimmst, dass ihr etwas zugestoßen ist, Liebes.“

Wynn schaute unsicher von Mad zu der Frau, die sich eben noch so wild aufgeführt hatte. Aber die Botschaft war ihr wohl wichtiger, also berichtete sie: „Also… Eria hat eine schlechte Note bekommen und wir dachten, sie wollte allein sein und hat sich versteckt… aber sie kam nicht zurück, auch am Abend nicht. Am nächsten Morgen war sie immer noch nicht da, aber ihr Gefährte tauchte auf und war ganz zerstreut. Leider können ihn nur Eria selbst und andere Wassermagier verstehen. Sie ist nie von ihm getrennt, bestimmt ist ihr was passiert! Gigo führte uns dann zu einer Stelle am See, wo sie gerne sitzt, und dort fanden wir ihre Sachen, aber keine Spur von ihr! Dafür komische Abdrücke im Gras, wie von großen Tieren…“

Chani hatte natürlich auch mitgehört. „Wir sagen besser den anderen Bescheid. Vielleicht hängt dieser Fall mit dem Verschwinden von Crimson zusammen. Wir müssen feststellen, ob noch mehr Personen betroffen sind!“

„Das habe ich ja noch gar nicht erzählt!“ rief Rohka aus. „Als wir uns zum Aufbruch bereit machten, kam Avian zu uns… du weißt schon, dieser viel versprechende Elementarheld… Er war auf der Suche nach seiner Kollegin Burstinatrix, der Feuerkriegerin. Sie ist ohne Erklärung zu einem Treffen nicht erschienen, was gar nicht ihre Art ist. Seither wird sie vermisst.“

Chani runzelte die Stirn. Die drei männlichen Wesen in ihrer Nähe wurden vorerst nicht mehr beachtet. „Gehen wir zu Weaver! Bestimmt sind das nicht alle. Verdammt! Hat es da jemand auf Kriegerinnen abgesehen? Aber nein, dann passt Amazias Sohn nicht dazu…“

Rohka nahm Wynn bei der Hand. „Komm, mein Kind. Du sollst deine Aussage vor der Herrin der Feenburg wiederholen.“ Mad bekam noch einen giftigen Blick zugeworfen, hatte aber das Glück, dass die Amazonen momentan wichtigeres zu tun hatten, als ihn zu bestrafen.

Der Wassermagier sank ächzend auf die Bank zurück und stützte den Kopf auf seine Hände. „Verdammt… Eria…“

Yugi war schon neugierig, was das alles zu bedeuten hatte, hielt es aber für taktvoller, im Moment nicht nachzufragen. Auch Appi hielt den Mund. Sie blieben einfach dort und leisteten Mad Gesellschaft, falls er reden wollte, aber er schwieg.
 

***
 

Seto hatte erfahren müssen, dass seine Gruppenmitglieder auch ohne sein sensationelles Organisationstalent klarkamen. Noch vor der Schule trafen sie sich an seiner Limousine, um ungestört reden zu können. Das Auto war groß genug für alle und er hatte auch schon Ausdrucke seiner Besetzungsliste vorbereitet, welche erst einmal so hingenommen wurden. Dann aber ging es gar nicht wie geplant weiter, denn die Pappenheimer dachten vorerst gar nicht daran, seine Aufstellung zu besprechen.

„Das sind meine Kostümentwürfe,“ verkündete Ryou. Ausgerechnet Ryou! Das hatte der große Firmenboss nicht eingeplant. Der Weißhaarige hatte vorerst Kostüme für diejenigen Charaktere entworfen, für die sie kein Duel Monster fanden, wie zum Beispiel den Roten Stier. Niemandem fiel ein, welches seine feurige Schrecklichkeit zur Geltung bringen konnte, also hatten sie beschlossen, ihn selbst zu kreieren. Ähnliches galt für das Einhorn. Stier und Einhorn waren ja auch Fabelwesen und besonders wichtig, also fand die Gruppe das legitim.

Ryou hatte eine farbige Skitzze von Yami gezeichnet (er war nicht SO gut im Zeichnen, aber es reichte allemal) und Skizzen-Yami dann mit allerhand rotem und orangefarbenem Stoff behängt, der ein ziemliches Volumen entwickelte und leicht hinter ihm her wehte, wenn er sich bewegte, wodurch er das Feuer zu symbolisieren dachte. Darunter musste Yami irgendeine Art von Anzug tragen, an dem das dann alles befestigt wurde. Es waren ja nur erste Entwürfe.

Das Einhorn machte ihn etwas verlegen, denn die Skizze zeigte eindeutig ihn selbst. Sein Haar sah kunstvoll geglättet und frisiert aus und auf der Stirn thronte das Horn. Er hatte daneben „transparentes Gummiband“ notiert. Skizzen-Ryou trug einen hautengen, weißen Anzug mit einem puscheligen Material an Hand- und Fußgelenken sowie am Hals. Natürlich hatte er auch einen Schwanz, der dem eines Löwen glich, denn so war das im Film. Eine weitere Skizze, die möglicherweise von der ersten abgepaust war, denn die Haltung war gleich, zeigte ihn in dem Kleid von Lady Amalthea, was für ziemlich homorvolle Reaktionen sorgte.

„Was haltet ihr davon, wenn wir die Geschlechter vertauschen, so dass das Einhorn männlich und der Prinz ’ne Prinzessin ist?“ schlug Tristan vor.

„Du willst nur nicht mitspielen!“ feixte Joey. „Die Idee hat aber ihren Reiz, Mai könnte doch die Prinzessin spielen, hm… Prinzessin Liranda!“

Die anderen schwiegen kurz und erwogen die Möglichkeit.

„Aber Mai ist nicht von unserer Schule,“ wandte Thea dann ein.

„Willst du Liranda spielen?“ entgegnete Joey etwas pikiert.

„Ich finde die Idee zwar ganz kreativ, aber wir sollten es sein lassen… Ryou als Lady Amalthea sieht viel zu niedlich aus!“ grinste Mokuba. Seine Meinung erhielt allgemeine Zustimmung, wodurch Ryou noch heftiger errötete als ohnehin schon.

„Seto, warum hast du eigentlich nur den jungen Jäger?“ wollte nun Yami wissen.

„Genau, zeig mal etwas mehr Einsatz!“ ereiferte Joey sich. „Du kommst dir doch sonst so wichtig vor, warum hast du dich nicht gleich noch für den Baum, Cully und Haggard eingetragen?“

„Ich muss alles organisieren,“ grummelte Seto. Er wirkte aber, als wäre es ihm einfach nur peinlich, und das konnte sich kaum jemand wirklich vorstellen, weil man das gar nicht von ihm kannte.

„Wir kümmern uns doch auch um die Organisation!“ Thea war etwas beleidigt, weil es fast so aussah, als ob Seto den anderen nichts zutraute. „Du musst doch noch die Firma leiten, dann überlass das Stück ruhig etwas mehr uns! Ich werde das Drehbuch schreiben, und Großvater kann das Englisch korrigieren.“

„Aber…“

„Ich kümmere mich um die Kostüme,“ bekräftigte Ryou. „Ich hab zwar noch nie eins gemacht, dass man tatsächlich anziehen kann, aber das krieg ich schon hin. Ein oder zwei Helfer finden sich schon.“

„Ich kann Besorgungen machen, wozu hab ich denn das Motorrad?“ erbot sich Tristan.

„Aber…“ Seto kam gar nicht mehr zu Wort.

In dem Moment hörten sie die Schulglocke, und damit war die Diskussion erstmal beendet. Skizzen und Zettel wurden schnell weggepackt und man sprang mit eilig ergriffenen Taschen aus dem Fahrzeug. Sie mussten einen Schritt zulegen, denn der Weg zum Klassenzimmer war von der Straße aus noch etwas weit.

„Jetzt habe ich euch gar nicht mehr die anderen Skizzen zeigen können!“ jammerte Ryou.
 

***

Fortsetzung folgt

Pannen im Feindeslager

Hallo, ich hab mal wieder was geschafft! Die letzte Szene war gar nicht eingaplant, sondern ist spontan entstanden... weiß nicht, ob sie so gut geworden ist, aber ich finde sie auch nicht schlecht genug, um sie zu löschen, also müsst ihr damit leben. :P

Über den Titel musste ich ne Weile nachdenken, aber er passt wohl ganz gut.

Irgendwie ist das eine dieser Zwischenfolgen, wo nicht wirklich was Konkretes passiert, dafür soll es aber in 43 wieder etwas voran gehen. Enjoy!
 

In der Welt des Blauen Lichts ist Freitag.
 

Kapitel 42: Pannen im Feindeslager
 

Seto musste sich damit abfinden, das er in seiner Schauspielergruppe nicht der Anführer war, als den er sich immer gesehen hatte. Yami fand das sehr amüsant. Sein Geliebter war richtig verstimmt darüber und hatte anscheinend Angst, dass ohne seine Leitung nichts klappte. Aber die Gruppe hatte die Sache ganz gut im Griff.

Nach der Schule fuhren alle zusammen zu einem Großhandel für Textilien. Es war vielleicht noch zu früh dafür, aber man konnte sich ja mal umsehen, welche Möglichkeiten man hatte. Inzwischen begeisterte sich sogar Yami dafür, und er war beruhigt, dass Thea den Text schrieb, dann musste er selbigen später nur auswendig lernen – falls man ihm noch irgendeine zweite Rolle andichtete, was wahrscheinlich war.

Während der Fahrt wurde pausenlos geschwatzt. Ryou reichte weitere Skizzen herum. Eine zeigte Joey im Kostüm des Auszubildenden Magiers, eine andere Thea als Fee mit Schmetterlingsflügeln oder Mai als Harpyie. Die Gruppe hatte ihren Spaß und Seto entglitt die Kontrolle. Yami legte einen Arm um ihn und kuschelte sich an. „Hör auf, so grummelig zu gucken. Sei doch froh, dass du dich nicht um alles kümmern musst. So ist das eben, man muss Aufgaben an verlässliche Leute verteilen und dann auf die Ergebnisse warten.“

„Du als Pharao musst das ja wissen.“

„Sei nicht unfair, wie du weißt, erinnere ich mich nicht daran.“

Seto seufzte. „Ich will ja nur, dass alles klappt. Ich kann doch keinen anderen die Sonderkarten gewinnen lassen, die Pegasus verlost!“

„Tja… am Ende läuft es aber wohl darauf hinaus, dass die Gruppe gewinnt, die Pegasus am besten findet.“

„Wenn ich nur wüsste, nach welchen Kriterien er bewertet…“

„Ach… zur Not kannst du dem Gewinner die Karten vielleicht abkaufen. Schließlich haben wir kaum andere Duel Monsters Spieler in der Klasse. Die sind alle bei uns.“

„Jaaa… stimmt.“ Seto wurde merklich besser gelaunt. „Die anderen Gruppen haben keinen so großen Anreiz!“

„Waaaah!“ machte Ryou plötzlich. Der Weißhaarige schüttelte heftig den Kopf. Sein Gesicht glühte. „Das ist nicht dein Ernst, Thea!“

„Ach komm schon, du kannst einen hautfarbenen String oder sowas anziehen. Dann werden Requisiten und mitwirkende Schauspieler geschickt angeordnet…“

Tristan und Joey lachten sich kaputt, auch Mokuba grinste breit. Yami und Seto hatten die allgemeine Konversation nicht verfolgt und wussten deshalb nicht, worum es ging.

Thea hatte einen handschriftlich beschriebenen Ringbuchblock in den Händen, offenbar einen Entwurf des Drehbuchs. „Aber im Film – im Buch übrigens auch – ist das Einhorn nach seiner Verwandlung nun mal nackt. Natürlich wird das immer irgendwie kaschiert, und das kriegen wir auch hin, keine Sorge. Man kann doch viel mit irgendwelchen Tricks arbeiten. Wenn Schmendrick seinen Zauber macht, kann ja kurz das Licht ausgehen oder so. Aber solche Feinheiten bespreche ich mit euch, wenn das Drehbuch fertig ist. Dann müssen wir die Umsetzung besprechen.“

„Ich will nicht nackt auf der Bühne seeeeiiiin…“ jammerte Ryou. Aber erstmal musste er sich damit abfinden und hoffen, das man die Szene dann irgendwie möglichst würdevoll hinbekam.

„Schmendrick legt dem Mädchen dann seinen Umhang um,“ warf Joey ein. „Ich hab aber mit meinem Kostüm gar keinen.“

„Ich bin überrascht, dass Wheeler so weit denkt,“ flüsterte Seto Yami zu.

„Ach, zur Not ergänzen wir einen oder wir nehmen statt dessen Mollys Umhang oder so…“ winkte Thea ab. „Kann ja auch keiner von einem Magier verlangen, dass er so spärlich bekleidet weite Reisen unternimmt.“

„Wir haben Molly noch gar kein Duel Monster zugeteilt,“ gab Tristan zu bedenken. „Dem Prinzen und vielen anderen übrigens auch nicht… vielleicht sollten wir die Idee verwerfen…“

„Kommt nicht in Frage!“ mischte sich Seto überraschend ein. „Pegasus wird begeistert sein, da können wir keine halben Sachen machen.“

„Naa… wenn du das sagst…“ Tristen zuckte mit den Schultern.

Sie erreichten das Ziel und die Truppe stürmte den Textilmarkt wie eine Horde Weiber beim Sommerschlussverkauf der Schuhe. Seto und Yami blieben als einzige zurück, beeilten sich dann aber, nicht den Anschluss zu verlieren.
 

Der Tag in der Welt des Blauen Lichts verging damit, dass man verschiedene Läden abklapperte und sich notierte, was es dort alles gab. Das zumindest war geplant. Aber es endete damit, dass dann doch auf Setos Rechnung schon allerhand gekauft wurde, was die Gruppe nie im Leben alles brauchen würde.

„Ich könnte mir vorstellen, dass Pegasus noch eine Obergrenze einrichtet, damit nicht jeder solche Unsummen ausgibt!“ beschwerte sich der Firmenchef.

„Vielleicht wird er auch nur das bezahlen, was wir tatsächlich benutzen, das halte ich für wahrscheinlicher,“ winkte Mokuba ab. „Nun mach dir mal nicht ins Hemd. Ist ja nicht so, als würde dich das arm machen.“

Das vielleicht nicht, aber eins der Zimmer in Setos Villa musste zu einem Bastel-und Nähzimmer umgewandelt werden, um den Ansprüchen zu genügen. Wenigstens musste er keine Nähmaschine kaufen, denn Thea, Serenity und Ryou (Ryou!!) hatten eine.

Am Abend kam Großvater Mutou dazu und sah sich die Stoffe an, die sie schon hatten. Er hatte zwar nur einige kleine Auftritte in dem Stück, jedenfalls bis jetzt, aber er steigerte sich voll rein. Er gab wertvolle Tipps, wie man die Kostüme der Duel Monster am besten erkennbar machen konnte. Seto war der ganze Trubel bald zuviel und er verzog sich in sein Büro, um sich in aller Ruhe mit Aktien zu beschäftigen. Dummerweise sollte es das ganze Wochenende so weitergehen – wodurch seine Ausflüge mit Mokuba ausfielen, aber der Jüngere war absolut zufrieden damit, Kostüme zu planen…
 

***
 

„Schon wieder ist so eine Gruppe von Vögeln mit Reitern angekommen…“ Magi kam in Lucrandas Hütte zurück. Sie war unruhig, ging ständig hinein und hinaus, wollte den Ort aber auch nicht verlassen. Sie und Mystic wussten, dass es sich um Amazonen handelte, denn dieses Volk benutzte eine große Vogelrasse als Reittiere, so wie die Magier Drachen benutzten.

„Nachdem Crimson verschwunden ist und White Skill überall gesucht hat, war es klar, dass die Amazonen das erfahren und hier auftauchen,“ meinte die Mystische Elfe. „Sie helfen auch ihren Söhnen.“

„Ich würde zu gerne wissen, was da oben vorgeht. Ob sie schon was erreicht haben?“

„Geh doch hin. Ich halte solange die Stellung.“

„Nein. Ich lasse Dark nicht alleine.“

Lucranda, die lange nicht mehr soviel Besuch auf einmal gehabt hatte, war nicht anwesend. Zusammen mit Mava war sie zu einem Spaziergang in den Wald aufgebrochen, um zu meditieren und Essen zu suchen, welches meist aus Beeren, Wurzeln und Kräutern bestand. Die beiden jungen Frauen konnten noch keine große Veränderung an Mava bemerken, aber er wirkte ausgeglichener als zuvor.

Mystic kraulte abwechselnd die beiden Katzen, die Dark und Blacky waren. Wenn sie mit ihrem Magier-Blick hinsah, konnte sie erkennen, dass Dark eine flimmernde Aura um sich hatte, die sie nicht deuten konnte. Sie spürte, dass er sich von irgendwo her Energie holte, und sie konnte erkennen, dass die Aura teilweise auch Blacky einhüllte und um ihn herum eigentümlich waberte. Letzteres wunderte sie nicht. Er war das personifizierte Chaos, man konnte nicht erwarten, dass er eine ordentliche Aura hatte. Doch es schien, als wären die Magier zwar bewusstlos, aber nicht untätig. Vermutlich arbeiteten sie an ihrer raschen Heilung. Aber Mytic kannte sie besser, sie dachten nie nur an sich selbst.

„Wenn du nicht willst, kann ich ja mal gehen und nachsehen,“ schlug sie Magi vor.

Sie strich über Blackys Katzenkopf und wollte sich von ihm verabschieden, doch er schnappte plötzlich ihr Handgelenk mit den Vorderpfoten und bohrte seine Krallen in ihre Haut. [Bleib.]

Hatte sie das wirklich gehört? Die Stimme in ihrem Kopf war ganz leise gewesen, und Blacky ließ sie sofort wieder los. Vielleicht nur ein Reflex von ihm… Mystic rührte sich nicht vom Fleck. Ihr Bruder seufzte im Schlaf. Sie wunderte sich, was er wohl tat, während alle dachten, er täte nichts außer sich zu erholen.

„Nein… ich will nicht alleine hier bleiben,“ murmelte Magi und riss Mystic aus ihren Gedanken. „Lucranda ist mir etwas unheimlich, und Mava auch fast…

Na das passte ja. Mystic lächelte. „Gut… dann bleiben wir zusammen hier.“
 

Die Amazonen, die erst am Abend eintrafen, hatten beunruhigende Nachrichten: Eine ihrer Schwestern, Paladia, war von der Jagd nicht zurückgekehrt, und man hatte ihren Vogel tot aufgefunden. Offenbar waren beide Opfer eines Angriffs geworden. Es gab Spuren, wie zum Beispiel einen toten Gegner, verlorene Waffen und andere Ausrüstung der Unholde und das Schwert, das Paladia gehörte. „Der Feind war äußerst unprofessionell,“ stellte Amazia fest. „Auf diese Weise können wir das Gebiet, wo sie sich aufhalten, stark eingrenzen. Es waren offenbar Unterweltler, wie sie westlich von hier im Schattenlosen Wald hausen. Dort können wir mit unserer Suche beginnen.“

Somit hatte die neue Entführung doch etwas Gutes: Sie hatten endlich eine konkrete Spur. Eine Gruppe von Amazonen inklusive Rohka war mit Wynn und zwei Feen zu der Stelle geflogen, wo Eria verschwunden war, um dort die Spuren zu untersuchen. Auch Mad war dabei, obwohl die Mutter seiner Tochter nicht gut auf ihn zu sprechen war, aber sie arbeiteten um des Kindes willen zusammen. Niemand versprach sich viel davon, denn die Spuren sagten zumindest nach Meinung der Magier von der Akademie nicht viel aus.

Nun aber konnte auch noch in dem besagten Wald gesucht werden. Amazia war bereits dabei, eine Truppe aufzustellen, als Yugi und Appi zu ihr stießen und verkündeten, sie wollten mit, denn nur untätig abzuwarten hielten sie auf die Dauer nicht aus.

Die Amazone sah beide prüfend an, und irgendwie von oben herab. Yugi dachte bereits, dass es vielleicht keine gute Idee gewesen war, sich ihr anschließen zu wollen, doch sie nickte schließlich. „Von mir aus. Am besten passt ihr auf die Reittiere auf, wenn wir angekommen sind.“

Yugi und Appi warfen sich Blicke zu und schwiegen lieber. Auf die Reittiere aufpassen, also biiiitteee! Sie kamen sich ziemlich unterschätzt vor, aber zumindest beim Kämpfen waren die Amazonen ihnen gewiss überlegen.

Zu ihrer Erleichterung schlossen sich ihnen auch White Skill, Neo, Gerfried und Shadow an, wobei Shadow irgendwie am nettesten behandelt wurde, geradezu wie eine Amazonenschwester. Chani begleitete die Gruppe natürlich auch. Neo rief Diamantkralle herbei und nahm Shiro und Shadow auf dem Drachen mit. Gerfried durfte auf Chanis Vogel mitfliegen, oder besser gesagt, er wurde dazu genötigt, obwohl die Vögel normalerweise nur für einen Reiter geeignet waren.

Es gelang Yugi, die Frauen zu beeindrucken, indem er Schattensturm rief und zusammen mit Appi auf ihm ritt. Yugi war auch ganz stolz auf sich, denn er hatte nicht viel Übung darin, Drachen zu rufen, wenn man von Slifer absah. Da weder er noch Appi den Weg kannten, mussten sie warten, bis die anderen aufbrachen, dann folgten sie ihnen dichtauf. Die Vögel wurden durch die Nähe des Drachen nervös, daher vergrößerten sie etwas den Abstand, aber der Sichtkontakt war ausreichend und Schattensturm folgte den Amazonen quasi von alleine. Diamantkralle blieb dicht hinter ihm.

„Die sind ganz schön eingebildet,“ rief Appi in Yugis Ohr.

Der Kleinere nickte nur, denn er war froh, sich überhaupt auf dem Drachen halten zu können, und traute sich nicht, sich umzudrehen. Appi hatte da anscheinend weniger Probleme.

Unter ihnen wurde die Landschaft kahl, dann flogen sie über Wasser und nach ein paar Bergen und Steppen schließlich über Wald, der bald so dicht war, dass man unter den Blättern wahrscheinlich gar kein Licht mehr hatte. War das der Schattenlose Wald? Es sah eher aus, als gäbe es dort nichts anderes als Schatten…
 

***
 

Malice hatte mehrere Flaschen mit einer ominösen Flüssigkeit gefüllt und einen Reiserucksack mit Dingen gepackt, die er und sein Verbündeter brauchten, um ihren nächsten Schlag auszuführen. Er wartete darauf, dass Sorc erschien und ihm sagte, wann sie aufbrechen konnten, und starrte ungeduldig aus dem Fenster. Endlich kam der Magier in das Gemach geschritten, und er wirkte ziemlich angespannt.

„Du kannst dich erstmal wieder hinsetzen, Malice. Heute geht es noch nicht los.“

Der Blonde runzelte die Stirn. „Was sagst du da? Wieso sollen wir denn warten? Es ist doch alles vorbereitet und wir hatten doch vereinbart…“

„Ja doch, ja!“ unterbrach ihn der Blauhäutige. „Aber es ist etwas dazwischen gekommen. Ich erhielt gerade die Meldung, dass sich auf dem Fünfgötterberg zur Zeit der Drachenhauch-Orden aufhält. Wir müssen warten, bis die weg sind, aber keine Sorge, das ist übermorgen. Dann werden wir unseren Plan ausführen.“

„Spinnst du? Das erhöht die Chance, dass unsere Gegner die Gefangenen befreien! Auch wenn sie wahrscheinlich erstmal einer falschen Spur folgen, sind die vielleicht schlauer, als du denkst!“ regte Malice sich auf. „Was interessiert es uns denn, ob schon jemand auf dem Berg ist? Fegen wir die komischen Leute einfach weg!“

Sorc verschränkte die Arme und schien sich um Geduld zu bemühen. „Bei diesen komischen Leuten handelt es sich zufällig um die besten Krieger des Schattenreichs, die sich alle paar Monate treffen, um irgendwo ein mächtiges Monster anzubeten. Dazu suchen sie Orte auf, an denen sich diese Monster angeblich aufhalten. Es ist ein Wanderorden, bestehend aus Mitgliedern, die normalerweise anderswo einer Arbeit nachgehen. Diesen Helden stellt man sich nicht in den Weg, wenn man im selben Leben noch was anderes vorhat.“

Sein Kollege schnaubte verächtlich. „Na, meinetwegen. Hast du eigentlich immer noch vor, diesen Crimson zu fragen, ob er für uns arbeiten will?“

„Ich glaube nicht, dass dein Bannsiegel ihn dazu animiert hat, sich uns anzuschließen, aber ich könnte ihm anbieten, dass du es löst, wenn er zustimmt.“

„Ja, mach das. Ich kann es aufheben, das ist kein Problem. Vor allem bin ich der Einzige, der es kann, denn ich allein kenne den ägyptischen Zauber. Nicht einmal der Pharao kann da mithalten. Also selbst wenn er befreit wird, muss er sich an mich wenden, falls er je wieder zaubern will. Sag ihm das. Ich bin sicher, er ist vernünftig.“

Sorc nickte. „Ich werde einen Boten hinschicken. Nein, ich werde den Gefangenen holen lassen.“ Er gab einem Unterweltler, der wachsam an der Tür gestanden hatte, ein kurzes Zeichen, worauf dieser auch schon verschwand, um den Auftrag zu erledigen, ohne dass Sorc ihn noch einmal aussprechen musste.

Malice lächelte hintergründig. „Ich wäre sehr erfreut, wenn er zustimmen würde,“ überlegte er. „Den würde ich nicht von der Bettkante schubsen. Aber wo wir gerade beim Thema sind; was machen wir mit den Gefangenen, wenn wir sie nicht mehr brauchen?“

Sorc setzte sich an den Tisch, der zu den wenigen Einrichtungsgegenständen des Gemachs seines Verbündeten zählte, und nahm sich von dem bereitstehenden Wein. „Nun… wenn das Beschwörungsritual beendet ist, sollten wir lieber aufpassen, dass der Drache uns nicht erledigt. Falls wir die Gelegenheit haben, dachte ich mir, wir könnten sie wieder einsammeln und gegen Lösegeld an ihre Familien verkaufen, sofern sie das Beschwörungsritual überleben. Oder möchtest du sie lieber als Sklaven behalten?“

„Hmmm… den Weißhaarigen schon. Mir hat die Art gefallen, wie er sich dem Bannritual gestellt hat. Er hat stolz seine Würde bewahrt. Zu gerne würde ich ihn bettelnd vor mir knien sehen! Er soll mich anflehen, dass ich ihn von dem Siegel befreie!“ Malice lachte sein irres Lachen. „Und die Amazone… sie erinnert mich an eine Duellantin, gegen die ich mal gespielt habe. Ihren Stolz zu brechen würde mir auch gefallen. Die anderen sind mir egal.“

Sorc verdrehte die Augen. „Du änderst auch dauernd deine Meinung! Wenn Crimson für uns arbeiten soll, kannst du nicht verlangen, dass er auf Knien rumrutscht! Ich bezog mich jetzt eher auf den Rest der Bande.“

„Wir könnten ihn erst versklaven und dann fragen, ob er nicht lieber für uns arbeiten will.“

„Jetzt hab ich schon jemanden geschickt, um ihn zu holen. Pass auf, wir fragen ihn, und wenn er ablehnt, wird er nach dem Ritual versklavt.“

„Ah… na gut, soll mir auch recht sein.“ Malice setzte sich zu Sorc, und die beiden stießen mit ihren Weinbechern an, während sie warteten.
 

„Du da! Mitkommen!“

Hätte man Crimson gefragt, hätte er zugeben müssen, dass ihm das Herz in die Hose rutschte, als der Typ, der wie ein Gespenst in Rüstung aussah, auf ihn zeigte. Ob die anderen es merkten, wusste er nicht, auf jeden Fall aber bauten sich Burstinatrix und Paladia sofort vor ihm auf, während Runa ihn daran hinderte, sich vom Boden zu erheben.

„Macht keine Zicken!“ drohte der Unterweltler. „Sorc wünscht, dass der Magier zu ihm gebracht wird!“ Neben ihm tauchten bekräftigend noch ein paar bewaffnete Kollegen auf.

„Schon gut, ich… ich komme ja,“ presste Crimson hervor und machte sich sanft, aber bestimmt von Runa los. Die Frauen sollten keine Schwierigkeiten bekommen. Zum Glück sahen sie das wohl auch alle ein. Paladia legte ihm im Vorbeigehen eine Hand auf die Schulter und drückte sie ermutigend.

Vor der Zelle, die hinter ihm sogleich verrammelt wurde, legten sie ihn in Ketten und führten ihn dann durch die Burg, oder was immer es war. Seine Hände waren auf dem Rücken gefesselt und seine Füße durch eine Kette verbunden, die ihm eine normale Gangart erlaubte. Er fragte sich, ob sie ihn wohl zu seiner Hinrichtung führten, immerhin wusste niemand, was die Gefangenen eigentlich hier sollten. Aber es hätte keinen Sinn ergeben, ihn hinzurichten, dazu hatte man sie alle viel zu gut behandelt. Er wollte sich gar nicht vorstellen, was es noch für Alternativen gab. Statt dessen konzentrierte er sich lieber darauf, seine Angst unter Kontrolle zu bekommen, damit man sie ihm nicht gleich ansah. Ohne seine Magie fühlte er sich schrecklich wehrlos.

Malice und Sorc empfingen ihn zu seiner Überraschung in einem Zimmer, das wie ein Privatgemach aussah, und der Raum war außerdem relativ klein, maximal 30m². Hier konnte nur jemand wohnen, der keine großen Ansprüche an Komfort hatte, denn es war nur mit dem Nötigsten eingerichtet, ohne eine erkennbare persönliche Note. Auf dem Boden lag ein abgetretener Teppich und das Fenster war mit einer Buntglasscheibe verschlossen, wahrscheinlich, um ihm Hinweise auf den Standort des Gemäuers zu verwehren. Der Geruch von magischen Dämpfen lag in der Luft, aber Crimson konnte nicht identifizieren, von was für welchen genau. Das Labor musste wohl woanders sein. Sehnsüchtig dachte er an seine eigene Hexenküche und fragte sich, ob er sie jemals wieder sehen würde.

„Ah… da bist du ja, junger Magier,“ begrüßte Sorc ihn spöttisch.

„Ja, du kannst wieder ein Magier sein,“ fügte Malice hinzu. „Aber nur, wenn ich dich von dem Siegel befreie, denn ich bin der einzige, der weiß, wie das geht.“

Beide saßen an einem Tisch, um den sich insgesamt vier Stühle gruppierten, und tranken gemütlich Wein.

„Du bist… der einzige…?“ wiederholte Crimson schockiert. Er hatte gehofft, dass es irgendwo in einem Buch oder so eine Information gab… Ach was, sicher log der Kerl! „Ich glaube dir nicht! Du willst ich nur verunsichern!“ Na klasse, jetzt war es um seine Beherrschung geschehen, obwohl das Gespräch kaum richtig angefangen hatte!

Malice zuckte die Achseln. „Denk doch, was du willst. Aber ich komme aus der Welt des blauen Lichts und kenne Dinge, die hier noch nie gesehen wurden. Sie wurden in der Familie meines ehemaligen Wirts überliefert, Formeln aus alter Zeit. Du trägst ein altägyptisches Bannsiegel auf dem Rücken, und nur ich kann dich davon befreien!“

Zu Crimsons Entsetzen klang das einleuchtend. Zwar waren die Ägypter hier nicht unbekannt, aber solche Formeln waren nicht von ihnen ins Reich der Schatten überliefert worden. Also konnte der Verrückte Recht haben.

„Ich sehe, du erkennst deine Lage,“ stellte Sorc fest. „Ich mache dir ein Angebot.“

Crimson blickte hoffnungsvoll zu ihm auf. „Ein Angebot?“

„Ja. Arbeite für uns. Das gibt dir die Möglichkeit, deinem alten Rivalen Dark gegenüber zu treten und ihn zu besiegen. Denn wenn du für uns arbeitest, wird Malice den Bann von dir lösen. Du wirst bei uns endlich die Anerkennung erhalten, die dir gebührt.“

„Wie kommst du darauf, dass ich Anerkennung will?“ Crimsons Gedanken rasten. Konnte er es irgendwie so drehen, dass er seine Magie zurückbekam und dann floh? Er musste versuchen, Malice dazu zu kriegen, ihn von dem Siegel zu befreien, denn sonst wurde er es wohl wirklich nie mehr los. Aber sich auf seine Seite schlagen? Gegen seinen eigenen Vater sein? Er hielt sich nicht für einen sehr guten Schauspieler – konnte er seine Gegner täuschen?

Dann fiel ihm noch etwas ein. Wie sollte denn das Bannsiegel von ihm gelöst werden? Doch sicher nicht nur mit ein paar Worten und einer Geste. Nein, er war Magier genug um zu wissen, dass Blut fließen musste, wo vorher Blut geflossen war. Und das war völlig ausgeschlossen. Er würde es nicht über sich bringen, Malice noch einmal mit dem Messer an seinen Rücken zu lassen, selbst wenn er wollte. Die Schmerzen und die Demütigung waren noch zu frisch in seiner Erinnerung. Als er das dachte, bewegte sich sein Kopf auch schon ganz von allein verneinend hin und her. Wahrscheinlich machte es keinen Unterschied mehr – er und die anderen mussten für irgendeinen Zweck gefangen genommen worden sein, und den überlebten sie vielleicht gar nicht. Es war also unnötig, sich Sorgen zu machen.

„War das jetzt ein ‚Nein’?“ hakte Malice nach. „Ich an deiner Stelle würde es mir überlegen. Du hängst doch an deiner Magie… oder nicht?“

„Gerade deswegen… werde ich sie nicht für eure Zwecke einsetzen,“ legte Crimson fest. „Ich kann die anderen nicht im Stich lassen, und ich gehe mal nicht davon aus, dass ihr sie freilasst, wenn ich zustimme.“

„Nun, vielleicht hinterher,“ überlegte Sorc. Er lehnte sich gemütlich auf seinem Stuhl zurück. „Dich würden wir ebenfalls offiziell freilassen, oder wir lassen es so aussehen, als wärst du mit den anderen geflohen. Aber du wirst heimlich für uns arbeiten.“

„Ich habe noch sowas wie Ehre,“ zischte Crimson ihn an. „Wenn ich die Seiten wechsle, dann ganz offen.“ Ja, das war eine gute Antwort, kein völliges Nein. „Warum habt ihr uns gefangen genommen? Und warum wurden wir ausgesucht?“ Das interessierte sie ja alle.

„Ihr wart gerade verfügbar,“ antwortete Malice mit einer abwinkenden Handbewegung. „Naja, und bei dir dachten wir, du lässt dich vielleicht rekrutieren. Schließlich bist du sehr ehrgeizig…“

Das war wohl wieder eine Anspielung auf seine Rivalität mit Dark. Crimson nahm zur Kenntnis, dass er den Grund seiner Entführung noch immer nicht kannte, außer dass es eher zufällig ihn und die anderen getroffen hatte. „Was wird aus uns, wenn ich ablehne?“ erkundigte er sich sachlich.

„Wir werden eure Lieben verständigen und ihnen gestatten, euch freizukaufen,“ erklärte Sorc. „Wird natürlich nicht billig. Aber vielleicht versklaven wir ein paar von euch auch, je nachdem, wie wir Lust haben.“

Crimson verdrehte die Augen. „Ihr seid schon ein paar Idioten! Warum bannt ihr erst meine Kräfte und versucht dann, mich zu rekrutieren? Wäre das nicht umgekehrt sinnvoller gewesen? So bin ich ja nicht gerade freundlich auf euch zu sprechen!“ Genervt wollte er instinktiv die Arme vor der Brust verschränken und seine arrogante Pose einnehmen, aber das ging wegen der Ketten nicht.

Der Blauhäutige zuckte mit den Schultern. „Vielleicht, aber Malice hat ne sadistische Veranlagung,“ seufzte Sorc theatralisch, als wäre das etwas, womit man sich leider abzufinden hatte. „Und wir mussten ja auch sicherstellen, dass du keine Probleme machst. Davon abgesehen glaube ich nicht, dass du vorher allzu bereitwillig zu uns gekommen wärst. Jetzt aber hast du einen Anreiz: Deine Magie.“

Da hatte er leider Recht. Crimson wurde nach seinem Ausrutscher schlagartig wieder ruhiger, denn dagegen konnte er nichts sagen. „Wer hat mich eigentlich hierher gebracht? Wer war in meinem Labor?“ fragte er ausweichend. Die Wahrheit hatte er ja bisher nicht erfahren.

„Spielt keine Rolle,“ schmetterte Malice das Thema ab. „Das ist Betriebsgeheimnis. Du kannst dir ja noch überlegen, ob du nun auf unsere Seite kommst oder nicht. Ansonsten können wir uns jedes weitere Wort sparen, denke ich.“ Er machte eine Handbewegung, die wohl den Lakaien wegschicken sollte, doch dieser schaute erstmal fragend zu Sorc. „Bring ihn zurück in den Kerker!“ verdeutlichte Malice sein Begehren.

Crimson erwischte sich dabei, dass er schadenfroh grinste, genau wie der Chaoszauberer. Da hatte wohl einer doch noch nicht so viel Autorität, wie er gerne wollte…
 

***

Fortsetzung folgt.

Lord Genesis

Hallo! Diese Folge spielt erstmals nur an einem einzigen Ort. Ich fand, es würde die Stimmung verderben, wenn ich hin und her blende. Aber es hat sehr viel Spaß gemacht, das hier zu schreiben, folglich wünsche ich euch viel Vergnügen beim Lesen - fröhliches Gruseln im Schattenlosen Wald!
 

Fremde Welten 43: Lord Genesis
 

Yugi fragte sich, wie er mit einem Drachen im Schattenlosen Wald landen sollte. Das Gehölz war von oben eine dunkelgrüne Blätterdecke, ohne eine Lichtung oder auch nur eine kleine Lücke. Ein Haus oder ein Stützpunkt, nach dem die Amazonen ja wohl suchten, gab es erst recht nicht. Aber selbst Unterweltler lebten nicht wild im Wald, oder?

Er hatte nicht den Eindruck, dass Amazia sonderlich verzweifelt war. Sie flog auf ihrem roten Vogel zielstrebig weiter, als sähe sie etwas, das dem Jungen verborgen blieb. Dann auf einmal faltete der Vogel die Flügel dicht an den Körper und tauchte ab, wie ein Eisvogel in einen Fluss.

„Waaah! Wo ist sie hin?“ Yugi beobachtete, wie die anderen Amazonen es ihr nachmachten, und versuchte, sich die Stelle zu merken. Schattensturm flog von selbst dorthin und kreiste dann unschlüssig. Er war ja doch noch etwas größer als die Vögel, und wenn es eine Lücke gab, war sie für ihn vielleicht noch zu klein.

Shiro, Shadow und Neo auf Diamantkralle gesellten sich dazu. Neo zeigte nach unten und gestikulierte herum, aber Yugi verstand ihn nicht. Auch Appi wurde daraus offensichtlich nicht schlau, denn er moserte unverständlich in Yugis Ohr.

Auf einmal war Diamantkralle verschwunden. Sie sahen nur noch ein Aufblitzen der silbrigen Schuppen und ein paar fliegende Blätter. Yugi starrte zu der Stelle und versuchte, Schattensturm darüber zu lenken, damit er sehen konnte, was ihm bisher entgangen war. Der Drache tat, was er wollte, aber Yugi hatte keinen Plan, wieso. War ja auch nicht so wichtig.

Er schaute nach unten, sorgsam darauf bedacht, nicht runter zu fallen. War das Blätterdach hier dünner? Es sah darunter dunkel aus, während sonst überall noch mehr Blätter zu erkennen waren. Anscheinend musste man hier eintauchen, um zu landen. Als er noch darüber nachdachte, ging es plötzlich abwärts, da Schattensturm mal wieder schneller dachte als sein Reiter. „Woooaaah!“

Schattensturms angelegte Flügel halfen ein bisschen, dennoch peitschten einige kleine Zweige durch Yugis Gesicht. Er klammerte sich panikartig am Hals des Drachen fest.

Anders als befürchtet endete der Sturz aber schon bald, denn Schattensturm fing sich gekonnt ab und schwebte langsam zu Boden, um neben dem Drachenkollegen und den Vögeln zu landen. Indessen sah sich Yugi staunend um. Sie befanden sich unter dem Blätterdach, doch die Bäume waren so groß, dass er sich fühlte wie ein Spatz. Der Abstand zwischen den Stämmen bot einem Drachen genug Platz, um seine Flügel bequem auszubreiten. Die Stämme waren meterdick.

Aber das Erstaunlichste war das Licht: Im Grunde war es völlig dunkel, denn die Blätter ließen sehr wenig Licht durch, und wenn, gelangte es nicht bis zum Boden. Man sah aber trotzdem alles, denn alle Personen, Tiere und Pflanzen sahen aus, als hätten sie eine Lichtquelle in ihrem Inneren, die sie auf eine Art leuchten ließ, die sie erkennbar machte, aber nicht die Umgebung anstrahlte, und die vorherrschenden Farben waren Blau und Schwarz – wie in einem alten Film, nur schwarz-blau statt schwarz-weiß. Da kein Licht von irgendjemandem oder irgendetwas abstrahlte, gab es auch keine Schatten. Der Schattenlose Wald hieß nicht umsonst so, stellte der Junge fasziniert fest.

„Wow,“ murmelte Appi, der hinter Yugi vom Schwarzen Drachen kletterte. „Ich hab davon gehört, aber es noch nie gesehen.“

Amazia und ihre Truppe setzten sich zielstrebig in Bewegung, die Vögel zurücklassend. Sie machten den Eindruck, sich hier auszukennen, gaben ihren Begleitern aber keine Erklärung.

„Die Amazonen kommen viel rum, weil sie ja häufig auf Männerfang sind,“ bemerkte Shiro, der sich mit den anderen zu seinen jungen Freunden gesellte. Chani blieb bei ihnen, weil Gerfried das auch tat. Gelegentlich ließ sie ihm ja noch ein paar Freiheiten, aber sie passte genau auf, dass er ihr nicht abhanden kam.

Yugis Gruppe folgte den Amazonen. Sie wanderten ein paar Minuten durch den Wald, was kaum ein Problem war, weil auf dem Boden kaum Vegetation wuchs. Das war ganz logisch, denn es gab hier ja kein Sonnenlicht, um die Pflanzen am Leben zu erhalten. Gerade als Yugi sich zu seiner klugen Erkenntnis beglückwünschte, kamen sie an einer Ansammlung von Sträuchern vorbei, an denen sogar zahlreiche eiförmige Früchte von der Größe eines Apfels hingen. Soviel zu seiner Theorie. Aber die Sträucher hielten sich in diesem Teil des Waldes eher in Grenzen. Dafür fiel ihm auf, dass um manche Bäume herum Kletterpflanzen wuchsen, die sich an den Stämmen empor wanden und in den Höhen verschwanden. Sie hatten herzförmige Blätter und hübsche, gefüllte Blüten, aber ob sie nun blau waren oder bei Licht betrachtet vielleicht doch eine andere Farbe hatten, war schwer zu sagen.

Shiro sah sich aufmerksam um und hob ab und zu etwas vom Boden auf, das dann in einer Tasche an seinem Gürtel verschwand. „Ich muss unbedingt bald wieder herkommen,“ murmelte er halb zu sich selbst. „Crimsons Alchemistenküche auffüllen…“

Yugi musste lächeln. Man merkte, dass Crimson seinem Vater viel bedeutete. Er fragte sich nur, was der Magier da sammelte, für ihn sah alles gleich dunkel aus. Dass da überhaupt jemand verschiedene Dinge unterscheiden konnte, war schon erstaunlich.

„Wolltet ihr beiden Halbstarken nicht bei den Reittieren bleiben?“ sprach Chani auf einmal die beiden Jungen in einem scharfen Tonfall an.

„Keineswegs,“ antwortete Yugi sogleich in einem möglichst selbstbewussten Tonfall. Als Duellant war er es gewohnt, auf Spötteleien zu reagieren. „Amazia hat das zwar vorgeschlagen, aber ich glaube, die Vögel und Drachen kommen auch allein klar.“ Er formulierte das absichtlich so, als wäre er der Meinung, dass er und Appi die Tiere hätten bewachen sollen und nicht umgekehrt, dabei war ihm klar, dass die Amazonen wahrscheinlich eher vermeiden wollten, dass die beiden ihnen irgendwie hinderlich waren.

Chani sah ihn skeptisch an und zuckte die Achseln. „Von mir aus, aber wir werden nicht ständig ein Auge auf euch haben können.“

„Nicht nötig,“ versicherte Yugi, um das letzte Wort zu haben.

Während Chani sich wieder Gerfried zuwandte, hielt Appi seinen jungen Kollegen etwas zurück, so dass sie außer Hörweite waren. Überrascht stellte Yugi fest, dass er ein sehr ernstes bis frustriertes Gesicht hatte, und wunderte sich, was dafür der Grund sein konnte.

„Yuuuugii… die sehen in mir nur einen Halbstarken! Einen Jungen, ein halbes Kind!“ Appi hörte sich an, als wäre er den Tränen nahe, und sah auch fast so aus.

„Ach, reg dich nicht auf,“ winkte Yugi ab. „Das sind Amazonen, die haben nun mal seltsame Ansichten. Sei doch froh, die wollen von einem Mann eh nur das eine.“

„Aber darum geht es mir ja!“ jammerte Appi. „Ich will doch keine Langzeitbeziehung mit einer Amazone! Aber… aber… naja, das sind alles erfahrene Frauen, und ich dachte, ich könnte was lernen, damit ich nicht so ahnungslos bin, wenn ich mal ne richtige Freundin habe…“

„Oh.“ Appi hatte immer so gewirkt, als wäre er ein erfahrener Frauenheld. Naja, Yugi hatte sich seinen Teil gedacht, viele Burschen in seinem Alter waren so. Aber das jetzt tatsächlich von ihm zu hören war schon unerwartet. „Dann hast du also noch gar nicht…?“

Appi schüttelte mit gesenktem Block den Kopf. „Ich mach immer nur Sprüche, die ich mal von Kumpels gehört habe, und ich weiß über Frauen kaum mehr, als die mir erzählt haben. Im Nachhinein frage ich mich, ob die nicht so waren wie ich jetzt. Große Klappe und nichts dahinter…“

„Ach Appi… es ist doch keine Schande, unerfahren zu sein.“ Ach du liebe Zeit! Yugi war doch kein Psychologe! Er dachte fieberhaft nach, bis er sich an etwas erinnerte, das er mal in einer Fernsehsendung gesehen hatte. „Ähm… weißt du, vielleicht hast du später mal eine Freundin, die auch unerfahren und unsicher ist, und dann könnt ihr… äh… das alles gemeinsam entdecken… zusammen Erfahrungen machen.“

Appi schaute ihn halb verzweifelt, halb hoffnungsvoll an. „Meinst du? Aber… wenn ich nun eine kriege, die schon ganz viel Erfahrung hat?“

„Na umso besser!“ meinte Yugi. „Dann kannst du von ihr lernen. Das muss dir nicht peinlich sein.“ Er stieß Appi verschwörerisch mit dem Ellenbogen an. „Ich glaube, Faith mag dich gerne!“

Der andere war überrascht. „Was? Sie ist eine alte Kindheitsfreundin, aber… Bist du sicher?“

„Naja, ich kann es nur vermuten, aber es kam mir so vor, als ob sie in dir zumindest einen teuren Freund sieht. Sie hat nach dir gefragt.“

„Oh, wirklich?“ Appi sah etwas glücklicher aus, wenn auch immer noch zweifelnd. „Huch! Die anderen haben uns fast abgehängt!“ Er schnappte sich Yugis Hand, und beide sahen zu, dass sie den Anschluss nicht verpassten.
 

„Ich dachte schon, ihr hättet es euch anders überlegt,“ kommentierte Chani, als sie zu der Gruppe aufschlossen. „Wir sind gleich da. Seid so gut und bring euch nicht selbst in Gefahr.“

Yugi verdrehte innerlich die Augen, schwieg aber. Letzteres hing vielleicht auch damit zusammen, dass vor ihnen nun zwischen den Bäumen ein Gebäude zu sehen war, eine gigantische Villa, die aber schon fast wie ein Schloss wirkte. Sie hatte aber nur maximal zwei Etagen und keine Türme, daher beschloss Yugi, dass es eher eine Villa war. Aber was für eine! Die Mauern bestanden aus stabil wirkenden Steinen; an vielen Stellen rankte Efeu oder etwas ähnliches hoch. Die mindestens zwei Meter hohen Fenster liefen oben spitz zu und waren mit schnörkelig verzierten Rahmen versehen, während die Scheiben selbst von Streben unterteilt waren, die in der Spitze eine Blume bildeten. In der oberen Etage hatten die Fenster Balkone, meist erstreckte sich ein Balkon über zwei oder drei Fenster. In regelmäßigen Abständen gab es Vorsprünge mit gruseligen Statuen darauf, die wie Wächter aussahen, vergleichbar mit den Figuren an einer alten Kirche. Das ganze Gemäuer erinnerte Yugi an ein barockes Gebäude aus einem englischen Schauerroman, aber er wollte sich bezüglich des Baustils nicht festlegen, denn damit kannte er sich nicht aus.

Drinnen brannte Licht, zwar nicht in allen Fenstern, aber doch einigen. Zu Yugis Überraschung sah es recht normal aus, also gelblich wie von Kerzen oder Fackeln. Aber es warf keinen Schein in den Garten. Der Garten war blauschwarz wie der Wald und unterschied sich von diesem eigentlich nur dadurch, dass er viele kunstvoll geschnittene Sträucher und Bäume vorzuweisen hatte, die allesamt alles andere als überdimensional groß waren. Sogar ein Teich war zu erkennen und verschiedene Statuen. Yugi überlegte sich, dass man sich das alles mal bei Tageslicht ansehen müsste, ehe ihm wieder einfiel, dass ja noch Tag war. Sowas Dummes. Wie war dann hier erst die Nacht?

Das ganze Grundstück war seitlich und hinten von einer Mauer umgeben, aber an der Vorderseite gab es einen hohen Metallgitterzaun. Natürlich war der Zaun in einem ästhetischen Muster gearbeitet, das wahrscheinlich ein Wappensymbol darstellte, und seine Streben endeten oben in bedrohlichen Spitzen. Vermutlich gab es auf der anderen Seite Wachhunde… oder was auch immer man im Reich der Schatten hatte.

Amazia war vor dem Tor stehen geblieben. „Hier lebt der Herr der Vampire,“ erklärte sie hauptsächlich ihren nicht-amazonischen Begleitern. „Die Rüstungsteile, die wir fanden, passen zu denen, die seine Lakaien benutzen. Wir werden ihn auffordern, unsere Schwester und die anderen Gefangenen herauszurücken!“ Die Amazonen reckten jede einen Arm in die Höhe und stießen einen kriegerischen Ruf aus. Es war ihnen anscheinend egal, ob sie bemerkt wurden.

Als hätten sie höflich angeklopft, schwang in diesem Moment lautlos das Tor nach beiden Seiten auf und gab den Zugang auf einen gepflasterten Weg frei, der gut vier Meter breit war und an beiden Seiten von Stauen gesäumt wurde, die im Abstand von etwa zwei Metern aufgebaut waren. Sie waren alle größer als ein Mensch und stellten dämonenartige Kreaturen mit Schwertern dar. Als das Tor vollständig geöffnet war, schlug es mit einem dumpfen Klang an irgendeine Begrenzung, und die Gruppe wurde aus ihrem Staunen wachgerüttelt.

„Na dann… lasst uns eintreten, wenn wir schon so nett eingeladen werden,“ forderte Amazia ihre Begleiterinnen und Begleiter auf und ging auch schon voran.

Yugi und Appi gingen als letzte. Irgendwie kam es nicht überraschend, als hinter ihnen sogleich das Tor wieder ins Schloss fiel (was sie erst an dem metallischen Geräusch bemerkten, das dabei entstand). Das allein wäre ja noch in Ordnung gewesen, aber außerhalb des Gitters tauchten auf einmal etliche monströse Wesen auf, die nur eine sehr entfernte Ähnlichkeit mit Hunden hatten und so groß waren wie Grislybären. Yugi erkannte entsetzt, dass diese Viecher sie die ganze Zeit beobachtet haben mussten, während sie durch den Wald gegangen waren, mehr noch, sie hätten sie alle angreifen und töten können!

Ob die Amazonen etwas davon merkten, wusste er nicht, jedenfalls tauschte er einen viel sagenden Blick mit Appi, und beide blieben von nun an dicht bei Shiro. Der Lichtmagier nickte ihnen wissend zu, sagte aber nichts.

Während sie hinter allen anderen den Weg entlang gingen, fühlten sie sich beobachtet, und zwar von allen Seiten. Zweifellos war der Hausherr auf sie aufmerksam geworden und hatte die Kontrolle über die Situation, was aber zumindest die Amazonen, die sich darüber ja auch im klaren sein mussten, nicht weiter zu stören schien.

Die Besucher kamen an eine breite Treppe mit etwa zwanzig ziemlich flachen Stufen, die sich nach oben hin ein wenig verjüngte und auf einem kleinen Treppenabsatz vor dem Eingang endete, auf dem nur die Hälfte von ihnen Platz hatte, also musste der Rest der Gruppe auf den Stufen abwarten.

Der Eingang war ein fast drei Meter hohes Portal mit zwei Flügeltüren aus dunklem Holz (vielleicht sah es auch nur so dunkel aus), auf dem Schnitzereien ein Muster aus Blüten und Blättern bildeten, die sich an langen Ranken ineinander verflochten. Auf der Mitte jedes Türflügels prangte wieder das Wappensymbol, das schon auf dem Zaun zu sehen gewesen war. Nur war es hier auf einem typisch wappenförmigen Untergrund dargestellt, wobei das Wappen selbst noch Vampirflügel trug, die nicht ganz ausgebreitet, sondern schützend an den Rand gefaltet waren. Das Symbol an sich bestand aus einem Sichelmond, nach links hin offen, von dessen oberer Spitze ein Tropfen herabhing, der in die untere Sichelhälfte fallen wollte, und hinter diesem Gebilde loderte eine Flamme. Leider war das alles auf dem Holzuntergrund natürlich einfarbig, deshalb konnte man nur raten, ob die Flamme Feuer sein sollte oder vielleicht Magie, und ob der Tropfen wohl rot war.

Die Flügeltüren schwangen nach innen auf und machten dabei ebenso wenig Lärm wie das Tor. Es war so einladend, dass es schon wieder verdächtig war. Die Amazonen zogen vorsichtshalber ihre Waffen, sofern sie das nicht schon vorher getan hatten, und auch die Krieger hielten ihre Hände wachsam am Schwertknauf. Sie traten ein, Yugi und Appi warfen noch einen Blick zurück und überschritten dann auch die Türschwelle. Es kam keineswegs überraschend, als die Türflügel zu schwangen, sobald alle in der Mitte der Eingangshalle standen. Diesmal gab es einen sanften Knall wie ein Unheil verkündendes Omen.

Yugi sah sich gehetzt um. Es war eine typische Eingangshalle, wie man sie sich vorstellte… mit Rüstungen als Deko, Bildern von altehrwürdigen Männern und Frauen an den Wänden und einem Kronleuchter an der Decke. Seitlich führte jeweils eine leicht nach innen gewundene Treppe in die andere Etage, wo sich dann so etwas wie ein Balkon bildete, von dem aus man die Räumlichkeiten erreichte. Zwischen den Treppen befand sich eine besonders große, zweiflügelige Tür, die von der Halle wegführte, und unter jeder Treppe eine kleinere, die möglicherweise für Dienstboten war. Jedenfalls wurde die große Tür wiederum von Rüstungen flankiert. Sie hatten allerdings keinen Kopf.

Aber so unheimlich das ganze auch wirkte, man musste dem Ort zugute halten, dass die Lichtverhältnisse wieder normal waren im Vergleich zu draußen. Im Kronleuchter waren nicht alle Kerzen entzündet, weswegen das Licht eher dämmrig ausfiel, aber es gab noch verschiedene Kerzenhalter an den Wänden, in denen je eine Kerze sich bemühte, für etwas Helligkeit zu sorgen. Und es gab vor allem wieder Schatten! Die dann aber etwas unheimlich an den Wänden tanzten, so dass man sich fragte, ob denn auch jeder davon zu einer Person oder einem Gegenstand gehörte.

Die Amazonen hatten sich mit dem Rücken zum Eingang kreisförmig mit einsatzbereiten Waffen aufgebaut, während die Krieger sozusagen die Nachhut bildeten und Shiro, Yugi und Appi noch ziemlich nahe an der Tür standen und nervös umher schauten. Ließ man sie absichtlich warten, um sie zu Fehlern zu verleiten? Der Hausherr hatte sich noch nicht gezeigt. Yugi hatte ein schlechtes Gewissen, denn im Grunde war es nicht höflich, hier einfach so einzudringen. Und er fühlte sich weiterhin beobachtet.

Dann, endlich, tat sich etwas. Eine unheimliche, tiefe Stimme donnerte durch die ganze Halle. „Was wollt ihr hier? Warum betreten ihr mein Haus mit gezogenen Waffen?“

Passend zu diesen Worten flog die hintere Flügeltür auf und ein heftiger Sturm blies ihnen plötzlich ins Gesicht, so dass alle reflexartig ihr Gesicht mit den Armen verdeckten. Auf einmal stand eine gut zwei Meter hohe Gestalt vor ihnen, ein violetter Muskelberg von einem Vampir. Auf seinem Rücken spannte sich in abstrakter Form etwas, das wie ein einzelner, blauer Flügel aussah; er hatte Hörner am Kopf und ein seltsames, klauenartiges Rüstungsteil am Körper.

„Vampir Genesis!“ ächzte Yugi. „3000 ATK! Ich glaube, wir hätten lieber höflich anklopfen sollen!“

„Wie denn, die Türen sind doch alle von selber auf gegangen!“ zischte Appi ihm zu, wobei er sich halb hinter dem kleineren versteckte.

Amazia zeigte keinerlei Furcht. „Wir haben Grund zu der Annahme, dass sich mein Sohn und eine meiner Schwestern sowie weitere Gefangene in Eurer Gewalt befinden, Vampirlord! Gebt sie heraus!“ schrie sie fordernd, aber wenigstens benutzte sie eine höfliche Anrede.

Der Vampir brüllte gereizt und verursachte erneut einen Sturm, der den Kronleuchter zum Klirren brachte. „Du! Was bildest du dir ein? Du stellst in meinem Haus unverschämte Forderungen an mich?“ Er machte einen bedrohlichen Schritt auf sie zu, was aber dazu führte, dass alle Amazonen ihre Waffen auf ihn richteten. „Soll mich das beeindrucken?“ fauchte er.

„Sie meint es nicht so.“ White Skill drängelte sich durch die Reihen der Freunde und an Amazia vorbei, um sich dann würdevoll und aufrecht zwischen den Frauen und dem wütenden Vampir aufzubauen. „Wir suchen meinen Sohn, eine Amazone, eine Kriegerin und ein Mädchen. Habt Ihr zur Zeit Gefangene, Lord Genesis?“

Der Vampir knurrte nachdenklich. „Und wenn, frage ich mich, warum sollte ich euch das sagen?“

Amazia wollte sich einmischen, doch Shiro machte eine Handbewegung nach hinten und erschuf einen Lichtschild, der die Amazonen davon abhielt, einen Fehler zu machen. Sie hämmerte empört mit den Fäusten gegen die magische Wand. „Was soll das? Er hat unseren Sohn! Auf wessen Seite stehst du eigentlich?!“

Appi, der das alles von weiter hinten beobachtete, seufzte. „Mit Diplomatie haben es die Damen aber nicht so, was?“

„Scheint so,“ pflichtete Yugi ihm bei. „Sie gehen wohl davon aus, dass sie nur jemandem ihr Schwert unter die Nase halten müssen, und alles wird gut.“

Im nächsten Moment hatte er eine Metallspitze an einer Kette unterm Kinn, die Chani ihm mit geballter Faust hinhielt. „Pass auf, was du sagst, kleiner Magier!“

„Äh… okay, manchmal ist es auch eine andere Waffe!“ lenkte Yugi ein, doch das beschwichtigte Chani natürlich nicht.

„Hey, er hat doch Recht!“ motzte Appi und schob ihren Arm weg. „Aber das ist jetzt kaum der richtige Zeitpunkt für solche Diskussionen!“ Er deutete mit einer Kopfbewegung nach vorne, worauf sich Chani widerstrebend wieder dem eigentlichen Geschehen zuwandte. Gerfried wandte sich auch wieder nach vorn, war aber schon nahe daran gewesen, ihr auch noch etwas zu sagen, was ihr vielleicht nicht gefiel. Yugi und Appi atmeten auf.

Inzwischen hatte Amazia sich etwas zusammengerissen und gab ihren Amazonen ein Zeichen, dass sie ihre Waffen wegstecken sollten.

„Ihr würdet wohl kaum Gefangene machen, wenn Ihr es dann geheim halten wollt, oder?“ erkundigte Shiro sich. „Wir möchten nur wissen, ob unsere Leute hier sind, und wenn nicht, gehen wir wieder.“

„Aha… ach so. Und dafür weckt ihr mich mitten am Tage?“ Vampir Genesis klang verärgert, aber nicht so, als wollte er dafür Blut sehen. Vor den Augen der Freunde schrumpfte er auf einmal zusammen und wurde mit ein paar Lichteffekten zu einem jugendlich wirkenden Mann mit türkisfarbener Kurzhaarfrisur, der vielleicht so groß war wie Skill, wenn überhaupt. Er hielt sich die Hand vor den Mund und gähnte herzhaft. „Mann, ich hätte euch ja schon eher begrüßt, aber ich musste mich erstmal anziehen! Unter diesen Umständen könnt ihr nicht erwarten, dass ich sehr erfreut bin, wenn ihr auch noch mit Waffen rumfuchtelt. Da kann man ja sonst was denken, was ihr hier wollt!“

Shiro überraschte diese Verwandlung offenbar nicht, auch Amazia nahm es gelassen, aber einige der jüngeren Amazonen, Appi und Neo waren sichtbar überrascht. Auch Yugi war erstaunt, aber mehr von dem Verhalten des Vampirs als von der Verwandlung, schließlich kannte er die Karte.

„Wir möchten gerne Eure Kerker inspizieren,“ forderte Crimsons Mutter nun in einem einigermaßen umgänglichen Tonfall. „Ich möchte mich selbst davon überzeugen, ob mein Sohn hier ist.

Der Vampirlord grinste frech. „Und woher willst du wissen, dass ich ihn im Kerker aufbewahren würde, wenn er hier wäre? Aber nur zu, geht ruhig alle und seht euch nach Belieben um, aber beschwert euch hinterher nicht. Meine Gefährtin wird mit euch gehen und euch zeigen, was ihr sehen wollt.“ Er gähnte wieder. „Anschließend könnt ihr hier frühstücken. Naja, ich glaube, ihr nennt das dann Abendessen, aber für uns ist es Frühstück, denn es ist ja dann frühe Nacht. Ach ja…“ Ein neugieriger Blick über alle Anwesenden. „Der da bleibt bei mir, nur zur Sicherheit, dass ihr hier nichts anstellt.“

Appi zuckte zusammen. „Was? Aber wieso denn?!“

„Doch nicht etwa… als Frühstück?“ entfuhr es Yugi, der sich sofort schützend vor seinen Freund stellte.

Der Blutsauger amüsierte sich anscheinend. „Keine Sorge, ihr kriegt ihn wohlbehalten, lebendig und in einem Stück zurück. Auch wenn ich vielleicht ein bisschen von ihm nasche. Was ist nun, wollt ihr euch umsehen oder nicht? Dann bleibt der junge Blondie bei mir.“

„Nein, nehmt mich an seiner Stelle und lasst meinen Sohn in Ruhe!“ rief Shadow.

Lord Genesis tat so, als hätte er nichts gehört.

„Lass nur, Mutter… ich gehe schon,“ murmelte Appi. „So kann ich wenigstens auch mal von Nutzen sein… sucht ihr dann nach Crimson und den anderen…“

Neo schaute ihn zweifelnd an, nickte dann aber. „Ich habe gehört, dass Vampire ihr Wort halten, auch wenn sie manchmal etwas… seltsam sind. Wir kriegen Appi unversehrt wieder. Lass uns mit der Suche beginnen, Mutter.“

Shadow seufzte unwillig, umarmte Appi und folgte zögernd den Amazonen, die bereits im Gang hinter dem Vampir verschwanden, wo sie von einer Vampirlady erwartet wurden. Shiro wartete noch auf Yugi.

„Soll ich auch bleiben?“ fragte der Junge.

Appi schüttelte den Kopf, obwohl er sich bestimmt gewünscht hätte, dass er nicht alleine zurückblieb. „Er hat sich klar ausgedrückt. Ich schaff das schon.“

„Na dann… viel Glück. Wir sehen uns dann beim Frühstück…“ Yugi fragte sich, was ein Vampir wohl seinen Gästen auftischen mochte. Er ging zu Shiro, während Appi dort stehen blieb, wo er seit ihrem Eintreten stand, und ließ sich von dem Lichtmagier wegführen, um den anderen bei der Durchsuchung des Gebäudes zu helfen. Als sie in den Gang traten, hatten alle außer Shadows Sohn die Eingangshalle verlassen, und die Tür schloss sich hinter ihnen. So bekamen sie nicht mehr mit, was mit Appi geschah.

„Konzentrier dich jetzt auf unsere Aufgabe,“ bat Shiro. „Vielleicht sind die Gefangenen gar nicht hier. Der Lord wirkt nicht sehr hinterhältig, wenn du mich fragst.“

„Aber die Amazonen haben doch eine Spur hierher gefunden…“

„Nun, wir werden sehen. Das klärt sich bestimmt noch.“

„Bitte folgt mir, die anderen sind schon weit vor euch,“ säuselte eine Stimme ganz nah bei ihnen, so dass Yugi vor Schreck zusammenzuckte. Er hatte die Vampirlady gar nicht kommen hören. Unsicher warf er noch einen Blick zurück und folgte ihr dann. Er hatte seine Aufgabe, und Appi seine. Er sah ihn ja bald wieder… nicht wahr?
 

***

Fortsetzung folgt

Der Auserwählte

Hallo!

Jetzt gibt es doch keine Szene mit Yami und Seto, obwohl ich mit einer angefangen habe. Aber da fiel mir nicht so viel ein, daher hab ich erstmal bei Crimson und Genesis weitergemacht. Leider bin ich im Moment immer von der Arbeit so müde, dass ich ewig nicht zum Schreiben komme (die halbe Folge entstand an einem Wochenende), und nachdem ich nun schon seit Wochen versuche, ne Szene in der Welt des Blauen Lichts einzubauen, habe ich beschlossen, es einfach zu lassen und euch lieber erstmal wieder ne Folge zu präsentieren. Momentan ist es eben im Schattenreich unterhaltsamer, ich hoffe mal, ihr könnt euch damit begnügen. In 45 soll dann aber die Szene mit Yami und Seto kommen.^^
 


 

Nach wie vor Freitag, aber spät.
 

Kapitel 44: Der Auserwählte
 

Crimson wurde in die Zelle gelassen und die Tür hinter ihm verrammelt. Die Frauen sahen ihn erwartungsvoll und besorgt an, doch er konnte sie gleich beruhigen. „Mir ist nichts passiert, keine Sorge.“ Sein Lächeln erreichte seine Augen nicht, und das fiel ihnen auch auf.

„Hat man dir irgendwas gesagt, was man mit uns vorhat? Hat man dich bedroht?“ rief Paladia und sprach damit für alle anderen.

„Nicht direkt,“ informierte er sie. „Aber irgendetwas haben sie mit uns vor, soviel wussten wir ja schon… eventuell lassen sie uns danach frei, wenn unsere Angehörigen gut zahlen… oder sie versklaven uns, ganz nach Lust und Laune.“ Crimson seufzte. „Sie wollten mich rekrutieren. Stellt euch das vor.“ Er ging in die Zellenmitte, wo sie die Decken auf dem Boden ausgebreitet hatten, und nahm wieder seinen Platz von vorhin ein. Aber er konnte seine Niedergeschlagenheit nicht verbergen.

Runa kniete sich hinter ihn und massierte beruhigend seine Schultern, wobei sie natürlich aufpasste, ihm nicht wehzutun. „Sag schon, was war wirklich? Du verheimlichst doch was.“

„Ähm… nein, wie kommst du darauf? Naja, die haben mir gedroht und so, das übliche eben…“ versuchte Crimson, das Thema zu wechseln. Es war eine dieser Situationen, wo man gerne alles für sich behalten und es andererseits erzählen will. „Najaaa… dieser Malice… er hat gesagt, dass… dass nur er das Bannsiegel brechen kann. Ich habe einen Moment darüber nachgedacht, also…“

Burstinatrix reichte ihm ein Stück Brot, dass er automatisch entgegen nahm und zu essen begann. „Beruhig dich, wir kommen alle mal in solche Situationen. Aber du hast ihm ja nicht nachgegeben – oder?“

Er schüttelte den Kopf. „Unsinn. Aber ich hatte gehofft… ich dachte…“

„Ach, der Kerl hat bestimmt gelogen,“ meinte Eria überzeugt. „Er wollte dich auf seine Seite ziehen, das ist alles. Irgendein großer Magier wird schon eine Lösung finden. Mein Vater kennt ganz viele, er wohnt nämlich in Burg Drachenfels. Naja oder wohnte da, als es sie noch gab.“

Crimson fasste sich stöhnend an den Kopf. „Ich kann doch nicht jeden fragen, ob er ein ägyptisches Bannsiegel brechen kann! Eigentlich hoffte ich, dass ich darum nicht viel Aufhebens machen muss, dass vielleicht mein Vater in einem Buch nachliest und gut…“

„Na dann versuch das doch erstmal,“ schlug das Mädchen ernsthaft vor. Sie hockte sich an seine rechte Seite und schaute ihn an, doch er starrte auf einen Fleck vor sich in der Luft. „Das wird schon,“ meinte sie zuversichtlich. „Du, Crimson… wirst du mein Meister, wenn du wieder zaubern kannst? Bis dahin kannst du ja die Theorie mit mir durchgehen, ja?“

Der Weißhaarige blickte überrascht zu ihr auf. „Das meinst du sicher nicht ernst. Ich habe einen miesen Charakter und wäre als Ausbilder unausstehlich.“

„Aber ich hab die Nase voll von der Akademie. Mein Vater hat mich da hingeschickt, weil er meint, das wäre besser, weil ich dann erstmal ne solide Grundausbildung habe…“ Sie verdrehte die Augen. „Aber da muss ich Klausuren schreiben und dafür irgendwas lernen, was mich gar nicht interessiert, meiner Meinung nach gibt es zu wenig Praxisbezug und man bringt uns nur Kinderkram bei. Ich will was lernen, was mir im Leben wirklich weiterhilft! Gut, ich hab meinen magischen Gefährten da bekommen und hab ihn sehr gerne, aber dazu hätte ich nicht auf die Akademie gemusst!“

„Ah, du hast einen magischen Gefährten?“ Das weckte tatsächlich Crimsons Interesse. „Das Thema hat mich persönlich nie besonders interessiert, aber ich respektiere Leute, die das machen… mein Vater hat so nen kleinen Wattebausch. Ich glaube, Dark hat das auch mal probiert, aber nichts erreicht…“ Er grinste schadenfroh.

Eria lächelte. „So? Und was für ein Gebiet hast du stattdessen gewählt?“

„Alchemie. Aber das war mir auf der Akademie bald zu öde. Ich hab in meinem Zimmer experimentiert, als meine Zimmergenossen auf einer Expedition waren, und einer von ihnen kam überraschend zurück, weil er krank geworden war… Weichei. Naja, sein plötzliches Reinplatzen hat meine Konzentration gestört, also kann ich auch nichts dafür, dass dann der halbe Flügel des Gebäudes fehlte… hätte ich meine Ruhe gehabt, wäre der Erleuchtungstrank auch nicht in die Luft geflogen. Und er war fast fertig. Drei Wochen Arbeit und Heimlichtuerei für nichts!“

Das Mädchen hing bewundernd an seinen Lippen. „Was wurde aus deinem Zimmergenossen? War er verletzt?“

„Ach was… ich hab angeboten, das Gegenmittel für seine Pusteln zu brauen, aber sie steckten uns beide auf die Krankenstation, wo wir eine Woche lang irgendein widerliches Teegebräu trinken mussten, statt gleich was Anständiges zu benutzen! Man kommt zwar nicht ungeschoren davon, wenn man daneben steht, während ein solcher Trank hochgeht, aber man muss sich nur zu helfen wissen. Anstatt mein Talent zu erkennen, wurde ich von der Akademie verwiesen, sobald ich genesen war. Vater nahm es zu meiner Überraschung gelassen… er sagte, er sei durch seinen Bruder schon abgehärtet.“

Nicht nur Eria hörte interessiert und staunend seinen Geschichten zu, sondern auch die anderen vier. „Kann man Alchemie auch praktizieren, wenn man keine Magie beherrscht?“ erkundigte Paladia sich. „Vielleicht kannst du irgendwas herstellen…“

Er schüttelte den Kopf. „Daran habe ich auch schon gedacht, aber wir haben zu wenige Zutaten und keine, die wirkungsvoll zusammen passen. Um deine Frage zu beantworten… manche weniger komplexe Tränke kann man ohne Magie herstellen, aber die richtig gefährlichen nicht. Jedenfalls nicht, wenn man bis zum Ende am Leben bleiben will.“

Eria ballte eine Hand zur Faust. „Das ist es!“ Sie stand auf und nahm eine entschlossene Pose ein, immer noch mit der geballten Faust. „Wenn mein Vater sich weiter weigert, mich von der Akademie zu nehmen, werde ich dafür sorgen, dass sie mich rauswerfen! Darauf hätte ich auch eher kommen können!“

Auch Crimson erhob sich. Er legte ihr beide Hände auf die Schultern und sah sie ernst an. „Eria… Falls wir das hier überleben, werde ich dich lehren, was du dafür tun musst! Ich mache dich zu meiner Schülerin! Mein Vater wird uns unterstützen, solange ich nicht zaubern kann.“

Sie strahlte, nickte dann entschlossen. „Ich bin sicher, dass *mein* Vater unter diesen Umständen vernünftig wird! Danke… Meister!“

Burstinatrix räusperte sich. „Ich unterbreche diesen ergreifenden Moment nur ungern, aber erstmal müssen wir hier raus kommen.“

„Das werden wir schon,“ meinte Paladia zuversichtlich. „Lasst uns die Zeit des Wartens mit Training verbringen. Als Sohn einer Amazone solltest du in der Lage sein, dich auch ohne Magie zu verteidigen, Junge!“

Crimson wich nie einer Herausforderung aus – außer wenn es ihm dumm vorkam, sie anzunehmen. Das war jetzt nicht der Fall. Er fand sein arrogantes Grinsen wieder. „Du würdest dich wundern…“
 

***
 

Yugi und seine Gruppe hatten mit magischen Lichtkugeln bewaffnet schon in ungefähr fünfzig Kerkerzellen geschaut. Es gab wirklich viele davon, und man hatte den Eindruck, als erstrecke sich das Kerkergewölbe weiter als die Grundmauern des Hauses, aber das täuschte vielleicht. Jedenfalls gab es einen Hauptgang, wenn man die Treppe runter ging – eine Treppe, die sich außerhalb des Hauses befand und in eine Wachstube führte, die von außen eher wie eine Gartenlaube aus Stein aussah – und mehrere Seitengänge, die beidseitig von ihm abzweigten. Obwohl der Eingang draußen war, musste sich der Kerker unter dem Haus befinden, denn manche Zellen hatten vergitterte Fenster, so dass die Belüftung gewährleistet war. Vermutlich wollte der Hausherr einfach nicht, dass Gefangene, die ja vielleicht dreckig und verwundet waren, durch seine Villa geführt wurden, oder es gab noch einen anderen Zugang durchs Haus.

Was die Gefangenen betraf… Fehlanzeige. Die meisten Zellen waren leer. Andere beinhalteten… merkwürdige Dinge oder Wesen. Zum Beispiel legte Amazia gerade ihre Hand auf den Knauf einer Tür, als die Vampirlady, die die Gruppe begleitete, sie davor warnte. „Diese Tür würde ich lieber nicht…“ Amazia riss sie auf, und ein ohrenbetäubendes Gebrüll erfüllte den ganzen Keller. Die Haare der Amazone standen waagerecht von ihrem Kopf ab, so stark war der dazugehörige Wind. „… öffnen. Der Berserkerdrache erschrickt sich leicht.“ Amazia schlug kommentarlos und scheinbar unbeeindruckt die Tür wieder zu.

Diese spezielle hatte kein Gitterfenster. Andere hatten eins, oder eins, das man aufschieben konnte. Alle bestanden aus schwerem, stabilem Holz, dem man teilweise ansah, dass es mal erneuert worden war, in anderen Fällen hatte man es einfach verfallen lassen, so dass es sehr unwahrscheinlich war, dass darin jemand gefangen war.

Ein andermal entdeckten die Freunde eine Zelle voller Gerümpel. Yugi wurde darauf aufmerksam, als Shiro ein staunendes Pfeifen von sich gab. Neugierig fanden sich die anderen dort ein. Diese Zelle war besonders groß, gehörte aber zu den fensterlosen und hatte ein Türfenster zum Zuschieben. Dennoch war darin niemand gefangen, sondern es sah aus wie in einer Rumpelkammer. Die Luft war abgestanden, aber trocken, so dass den Büchern, die zum Bestand gehörten, nichts passierte. Aber die Bücher, gestapelt auf einem Schränkchen, waren eher die Ausnahme. Wie die meisten anderen Dinge waren sie mit einem Tuch abgedeckt. Neugierig sahen Neo, Yugi und Shiro sich um, während die anderen so taten, als interessierte sie das alles nur mäßig. Yugi entdeckte ein abgerundetes Stück sandfarbenen Stein, das etwa so groß war wie er selbst und auf der Rückseite so aussah, als wäre es irgendwo abgebrochen. Verwundert starrte er das Ding an, erinnerte sich dann an etwas und schüttelte dann entschieden den Kopf. „Neee… wie sollte die denn hierher kommen… wurde zwar nie gefunden, aber… neee…“

Shiro schaute sich das Objekt an. „Hm… sieht fast aus wie ne Nase… muss von ner großen Statue stammen…“

Yugi deckte seinen Fund wieder zu. „Ach… wer weiß, was das ist…“

Neo hatte ein Schwert gefunden und fuchtelte damit herum, beeindruckte die Amazonen damit aber wenig. „Haaa…! Nehmt euch in Acht, Schurken!“ Das Schwert hatte einen goldenen Griff und sah einfach, aber edel aus. Am Ansatz der Klinge war etwas eingraviert.

„Was steht da drauf?“ wollte Yugi wissen, aber Neo zuckte mit den Schultern.

„Kann ich nicht lesen…“ Er hielt es mit der Klinge nach oben vor sich und studierte die Schrift. Das machte sie auch nicht verständlicher.

Yugi ging näher heran und legte den Kopf schief. „Anders herum…“ Er drehte es in Neos Hand, so dass die Klinge nun nach unten zeigte. „Oh… das ist Englisch. ‚Who so pulleth out this sword of this stone… Wer dieses Schwert herauszieht aus dem Stein…’ Äh, Neo, wo hast du das her?“

„Lag da drüben. Aber ein Stein war da nicht.“

„Leg’s am besten schnell wieder hin!“

„Wieso denn? Ich find’s cool!“

„Aber, äh… es gehört dir nicht, also lass es lieber liegen.“

Wieder mal war auf einmal die Vampirlady da… oder eine davon. Yugi glaubte schon langsam, dass es davon mehrere geben musste, aber wenn, dann hatte er den Unterschied zwischen ihnen noch nicht erkannt.

„Er möge diese Klinge an sich nehmen…“ säuselte sie kryptisch. Ihre Stimme klang anders als vorhin, als sie… oder die andere… die Gruppe vor dem Berserkerdrachen gewarnt hatte.

„Aber… kann er das Schwert denn überhaupt benutzen? Ich meine… was ist mit dem Stein?“ fragte Yugi.

„Er kann das Schwert berühren, schon das ist ein Zeichen,“ fuhr die Vampirin fort und wandte sich wieder an Neo. „Aber du musst dein bisheriges Schwert hier lassen.“

Der Magier griff an den Schwertknauf an seinem Gürtel. „Mein Schwert? Aber… das haben mir meine Eltern eigens anfertigen lassen…“ Er lehnte das neue Schwert kurz an eine hüfthohe Kiste mit der Aufschrift ‚UPS’ und zog seine Waffe. Andächtig strich er mit den Fingerspitzen über das Metall und betrachtete es wehmütig. „Ich schätze… irgendwann geht es allen so,“ murmelte er. „Magier brauchen ja manchmal auch einen neuen Stab. Aber eigentlich dachte ich, mein Schwert würde irgendwann einem ruhmreichen Kampf zum Opfer fallen, und ich würde mir dann ein neues machen lassen…“

„Dumme Einstellung,“ entgegnete Amazia, bevor Gerfried oder Shadow das tun konnten. „Wenn dein Schwert in einem Kampf zerbricht, bist du tot.“

Das hatte Neo anscheinend nicht bedacht, denn er wurde auf einmal ganz nachdenklich. „Nun… dann ist es vielleicht… besser so…“ Er betrachtete sein Schwert noch einmal und legte es dann auf ein Regal, wo ein Tuch lag, in das wohl das andere eingewickelt gewesen war. Er deckte es damit zu und strich zum Abschied über den Stoff. „Es wird hier sein… oder vielleicht mal einem anderen gehören, der es nützlich findet.“

Das war irgendwie ein so ergreifender Augenblick, dass Yugi sich fühlte wie in einem romantischen Film. Er sah zu, wie Neo Excalibur an sich nahm und kurz bewundernd anscheute, dann wegsteckte. Es passte offenbar perfekt in die alte Schwertscheide. Erstaunlich... Yugi hätte gerne gefragt, wie das alles möglich war, aber er wollte niemandem auf die Nase reiben, dass hier legendäre Sachen aus der Welt des Blauen Lichts lagerten. Das erklärte jedenfalls, warum diese Dinge nie gefunden wurden oder verschollen waren.

„Neo, du bist tatsächlich der Auserwählte,“ meinte Yugi mit einem schiefen Grinsen, doch anscheinend verstand sein Kumpel den Witz nicht.

Sie untersuchten noch ein paar weitere Verließe, fanden einige seltsame Haustiere und weitere Rumpelkammern, in denen aber nichts Außergewöhnliches passierte, und untersuchten dann auf Drängen der Amazonen auch die Wohnräume. Yugi wurde schon müde, aber er sah, dass es den anderen auch nicht besser ging und hielt durch.

Aus irgendeinem Grund – vielleicht Zufall oder Fügung – war es dann er selbst, der das Spielzimmer fand. Jedenfalls war das das erste Wort, das ihm dazu einfiel. Aber es handelte sich nicht etwa um ein Kinderzimmer, sondern… um einen Raum, der mit einem Laptop, einem Fernseher, mehreren Spielekonsolen und Regalen mit passenden Spielen ausgestattet war. Das Zimmer war wie alle anderen mit leicht kitschig anmutenden, altmodischen Möbeln samt Vorhängen und Teppichen ausgestattet, wie man sie in so einem Haus typischerweise erwartete, sogar der Schreibtisch war so. Die moderne Ausstattung passte irgendwie nicht ganz hierher.

Yugi fragte sich, wer hier wohl spielte. Er konnte Titel entdecken, die ab 18 waren, aber auch kindgerechte Alternativen. Erst verspätet wunderte er sich, wie das wohl alles hierher gekommen war! „Ich hab das… nicht gesehen,“ beschloss er letztendlich, machte die Tür von außen zu und versuchte, nicht mehr daran zu denken. Es gab jetzt wichtigeres, vielleicht konnte er Lord Genesis unter vier Augen danach fragen, wenn sich die Gelegenheit ergab.

Es dauerte auch mit der gesamten Gruppe mehrere Stunden, bis das ganze Haus durchsucht war, aber danach waren sie wenigstens davon überzeugt, dass Crimson nicht hier war, und auch sonst niemand, der es nicht wollte. Sie hatten nur die Privaträume von Lord Genesis nicht gesehen, aber dort befand sich ja Appi. Gerfried hatte die Küche besichtigt und wirkte danach irgendwie etwas blass wegen leichter Übelkeit. Den Speisesaal und das große Bad kannten sie noch nicht. Dies sollte sich bald ändern.

„Lord Genesis legt Wert auf Ordnung und Sauberkeit,“ erklärte die Lady. „Nehmt es nicht persönlich, aber ihr habt eine lange Reise hinter euch und habt gerade lauter staubige Verließe durchsucht. Vor dem Essen solltet ihr euch waschen.“ Sie bedeutete ihnen mit einer Geste, ihr zu folgen, und führte die Gruppe zum Bad. Das zumindest stand auf der Flügeltür, die sie dann erreichten. Aber Yugi hatte noch nie so ein Privatbad gesehen, und den Blicken der anderen nach zu urteilen, diese auch nicht. Es hatte schon eher die Qualität eines Vergnügungsbades für Familienausflüge! Der Raum war anscheinend an eine Seite des Hauses angebaut, und zwar über zwei Etagen, denn es gab einen Balkon, der zur oberen Etage gehörte und von dem aus eine Wendeltreppe nach unten führte.

Alle anderen Wände bestanden eigentlich nur aus hohen, aneinander gereihten Bogenfenstern mit den üblichen verschnörkelten Verstrebungen dazwischen. Von seinem jetzigem Standpunkt aus konnte Yugi links und rechts drei Fenster von jeweils etwa einem Meter Breite zählen, darauf folgte ein halber Meter Wand, bestehend aus einer gewundenen Säule mit einem Sockel auf halber Höhe, auf dem ein steinerner Gargoylewasserspeier saß. Die Vorderfront war als Halbkreis gebaut und bestand ebenfalls aus Bogenfenstern. Die Dachkonstruktion erinnerte an ein Kirchendach, doch auch dieses war zwischen den Steinstreben aus Glas gebaut, jedoch mit einem Bleiglasmuster, das hübsche Szenen mit Drachen und Vampiren zeigte. Letztere ähnelten auffällig dem Vampirlord und seiner Lady… allerdings waren dort insgesamt vier Frauen abgebildet, was die Frage aufwarf, ob es tatsächlich vier Ladys gab – dieser Verdacht war Yugi ja schon gekommen.

Natürlich konnte man durch die Fenster nach draußen blicken, aber es gab nur die übliche düstere Kulisse zu sehen. Nichts desto Trotz war das irgendwie hübsch, so als wäre draußen Nacht – was man in diesem Wald ja nicht wirklich beurteilen konnte.

Die Vampirlady machte irgendeine Geste, worauf die seitlichen Wasserspeier tatsächlich anfingen, Wasser aus ihren Mäulern zu entlassen, das dann etwa zwei Meter tief in ein kleines Backen fiel und von da aus in eine schmale Rinne im Boden sprudelte, die in das eigentliche Badebecken führte. Selbiges hatte die Ausmaße eines privaten Schwimmbeckens. Wie der Raum war es eckig mit einer abgerundeten Seite, wobei rundherum etwa zwei Meter Platz für die Badegäste war, nur auf der Seite des Eingangs natürlich etwas mehr. An der abgerundeten Seite fand man Treppen zum bequemen Betreten des Beckens. Der Boden aus weißem Marmor verstärkte den Eindruck von Reichtum und vornehmer Eleganz, dem man sich schon im Rest des Hauses kaum entziehen konnte.

Licht kam von den Leuchtkugeln, die die Magier mit sich führten, aber sie ließen diese erlöschen, denn im Raum verteilt standen Sockel in Gestalt von hoch aufgerichteten Drachen, die Schalen hielten, in denen weißblaues Feuer brannte. Auch gab es Blumenkübel mit Grünpflanzen oder blühenden Gewächsen und natürlich Bänke und Liegestühle. Es war wie ein Ferienparadies!

„Wow!“ entfuhr es Yugi schließlich, nachdem er wie seine Begleiter eine Weile bewundert dagestanden hatte. „DAS ist das Bad?“

„Selbstverständlich! Tretet nur ein,“ sprach die Lady in ihrer charakteristischen Säuselstimme. „Das Wasser ist warm, denn soweit ich weiß, mögt ihr Sterbliches es so… Geht ruhig schon ins Wasser, ich werde Shampoo und Seife besorgen. All unsere Pflegeprodukte sind rein biologisch und werden auf magische und natürliche Methoden aus dem Wasser gefiltert, ihr könnt sie also ruhig benutzen, ohne euch zu sorgen, dass ihr das Wasser verschmutzt.“

Die Amazonen gingen daraufhin sofort an Yugi und den Männern vorbei, suchten sich eine Bank und legten ihre Waffen ab. Ohne zu zögern entledigten sie sich auch ihrer Kleidung.

„Wollt ihr heute auch noch fertig werden? Ich habe Hunger und würde gerne demnächst was zu essen kriegen, also beeilt euch gefälligst,“ rief Amazia den Männern zu, während sie zu der Seite mit den Stufen ging und dabei für alle gut sichtbar ins Wasser stieg.

Shiro räusperte sich. „Ähm… anscheinend gibt es hier keine Geschlechtertrennung,“ stellte er fest.

Shadow war den Amazonen gefolgt, wenn auch nicht ganz so selbstverständlich. Aber als Kriegerin kannte sie nicht die Scheu, die andere Damen oftmals vor männlichen Blicken hatten.

„Gerfried, komm endlich!“ rief Chani befehlend.

Der große Krieger zuckte mit den Schultern. „Also mich stört’s nicht,“ grinste er seine Begleiter an und ging zu ihr.

„Tja, von mir aus,“ stimmte Neo eifrig zu. „Vielleicht erkennt ja doch noch eine meine Qualitäten…“

„Amazonen stören sich eben nicht daran,“ sagte Shiro. „Komm, Yugi, trau dich.“

Yugi überwand sich und suchte sich einen freien Liegestuhl, um seine Sachen abzulegen. Aber er war sehr schüchtern, wenn er all diese Muskeln um sich herum sah… er war der kleinste von allen. Wenn wenigstens Appi da gewesen wäre… er kam sich vor wie ein Kind, das einzige unter all den Erwachsenen. Doch letztendlich, als er im Wasser war, fand er das viel zu entspannend, als sich länger Sorgen zu machen. Das Wasserplätschern wirkte sehr beruhigend. Er stellte fest, dass die Tiefe nach hinten hin abfiel, und hielt sich deshalb mehr in der Mitte.

Als alle ihren Platz eingenommen hatten, erschien eine Vampirlady. Yugi konnte nicht sagen, woran es lag, aber er vermutete, dass es eine andere war als eben noch. Sie ging irgendwie anders, und sie sprach lauter, wenn auch fast mit derselben Stimme, als sie sagte: „Hier habe ich Seife für euch, und Shampoo, jeweils in drei verschiedenen Sorten.“ Sie stellte ein kleines Tablett vor sich ab, als sie sich diensteifrig an den Rand kniete, wo die Amazonen sich eingefunden hatten. Darauf lagen mehrere kunstvoll geformte Seifenstücke – verschiedene Blüten, vermutlich mit passendem Duft. Und es gab handgefertigte, schlanke Flaschen mit Shampoo. Auf die handbeschrifteten Etiketten waren Blumen aufgemalt, die den Seifen glichen.

Die Amazonen nahmen sich mehr oder weniger wahllos irgendetwas und fingen an, sich zu waschen. Yugi fragte sich, ob da wohl was für Männer dabei war, doch gerade, als er sich der Stelle zuwenden wollte, um sich auch Seife zu besorgen, tauchte eine zweite Vampirlady auf – die mit der leisen Stimme. Sie kniete sich bei ihm hin und stellte ein alternatives Sortiment ab. „Diese Düfte sind eher herb, schön für das männliche Geschlecht.“

Neo, Gerfried und Shiro fanden sich ebenfalls ein. Zumindest Gerfried hatte mehrer Narben am Körper, die Yugi vorher nicht so sehr aufgefallen waren. Auch Neo hatte ein paar, aber sie wirkten sehr frisch, wahrscheinlich vom letzten Gefecht. Shiro… nun, den hatte Yugi ja noch nie ohne seine Robe gesehen. Er war gut trainiert, man konnte ihn auf den ersten Blick kaum von den Kriegern unterscheiden, zumal er wie sie langes Haar hatte.

„Diese Blüte sieht aus wie die, die im Wald am Baum hoch gerankt ist,“ stellte Yugi fest, als er eine Flasche in die Hand nahm und das Etikett betrachtete. Die Blüte war rot dargestellt, aber im Wald hatte er natürlich keine Farbe erkannt. Vielleicht war sie rot, wenn Licht darauf fiel.

„Wir verarbeiten nur Pflanzen aus dem Wald oder unserem Garten,“ erklärte die flüsternde Lady.

Nun, da er sie beide zugleich sehen konnte, bemerkte Yugi, dass sie ihre Haare weiter hinten am Kopf zusammengesteckt hatte, während die andere sie fast ganz auf dem Kopf zu einem Knoten zusammengebunden hatte, von dem eine Strähne herunter hing. Aber ansonsten sahen sie fast gleich aus. Vielleicht Unterschiede in der Kleidung, aber er konnte sie ja nicht ständig anstarren.

In den nächsten Minuten breiteten sich verschiedene Düfte aus, die insgesamt eine wohlriechende Mischung ergaben. Es war sehr wohltuend, sich mal ordentlich abzuschrubben. Zu diesem Zweck wurde die Gruppe auch noch mit Bürsten und Schwämmen versorgt. Während sie beschäftigt waren, holten die Ladys Badetücher.

„Ich könnte hier noch eine Menge Zeit verbringen, aber ich hab Hunger,“ murmelte Yugi nach einer Weile, als sein Magen sich beschwerte. „Und Durst auch…“ er suchte sich also ein Badetuch aus – sie waren eh alle gleich, royalblau und ganz weich. Es reichte aus, um außer seinem zierlichen Körper auch seine Haare einigermaßen trocken zu rubbeln.

Amazia hatte auch schon das Wasser verlassen, trocknete sich aber eher sachlich ab. „Hey! Wo sind unsere Sachen?“ rief sie auf einmal.

„Wir haben sie zum Waschen gebracht, morgen früh könnt ihr sie wieder haben, sagte die Haarknoten-Lady.

„Morgen früh? Wir haben zugestimmt, zum Essen zu bleiben, aber nicht die ganze Nacht!“ empörte sich Amazia. Sie stemmte die Hände in die Hüften und hatte das Badetuch in der Rechten.

„Haach! Ist sie nicht bezaubernd, wenn sie sich aufregt?“ seufzte Shiro, der die Gelegenheit nutzte und sie eingehend betrachtete. Sie warf ihm ein Stück Seife an den Kopf – oder wollte das tun, aber seine Magier-Reflexe waren besser.

Die Lady, die immer flüsterte, erlaubte sich ein verhaltenes Lächeln. „Selbstverständlich könnt ihr gehen, wann ihr wollt. Aber wir haben bereits Gästezimmer für euch hergerichtet, und es wäre unhöflich, Lord Genesis zu enttäuschen. Außerdem ist die Nacht bereits hereingebrochen. Alle möglichen Arten von Geschöpfen wandeln um diese Tageszeit durch den Wald. Zweifellos kannst du einige besiegen, Kindchen… aber letztendlich wirst du ihr Nachtmahl sein.“

Amazia öffnete den Mund, um zu antworten, aber die Logik leuchtete ihr vermutlich ein. Sie verkniff sich, was immer sie sagen wollte, dabei sah man ihr an, dass sie sich über die unhöfliche Wortwahl aufregte.

„Oh, sie hasst es, wenn man ihr über ist,“ grinste Shiro. Auch er war mittlerweile mit einem Tuch beschäftigt.

Sie hatte ihn gehört, zog es jedoch offenbar vor, ihn zu ignorieren und sich stattdessen wieder den Gastgebern zuzuwenden. „Verlangt der Lord etwa, dass wir in diesem Aufzug zum Essen erscheinen?“ Sie deutete auf ihre nackte Gestalt.

„Mitnichten. Folgt mir,“ forderte die flüsternde Lady die Allgemeinheit auf.

Yugi wickelte sich in sein Badetuch und folgte der Vampirin neugierig. Amazia stapfte hinterher, nach und nach auch die anderen.

„Ich hoffe, das ist jetzt nicht irgendein mieser Trick,“ murmelte die Amazone missgelaunt.

Yugi zweifelte für einen Moment… was war, wenn man ihnen die Waffen abgenommen hatte, um sie wehrlos zu machen? Waren sie doch noch in eine Falle geraten…?
 

***

Wird fortgesetzt.

Der Widerspenstigen Zähmung

Endlich! Dieses Kapitel lag schon lange angefangen vor. Die Szene bei Sorc gefällt mir irgendwie nicht so recht, das liegt aber vielleicht nur daran, dass ich mich damit so lange aufgehalten habe.

Der Titel meint mehrere widerspenstige Leute oder Dinge.^^
 


 

Fremde Welten 45: Der Widerspenstigen Zähmung
 

Yugi blickte unglücklich in den Spiegel. Er hatte sich gewehrt, geflucht, gebettelt und gefleht, aber die Vampirladys hatten eine sehr beharrliche Art. Wie sie es gemacht hatten, war ihm schleierhaft, und wahrscheinlich war es auch nur temporär: Sie hatten seine Haare platt gekämmt!!! Das war ein Ding der Unmöglichkeit, und doch sah er jetzt aus wie ein vornehmer junger Erbe aus einem vorigen Jahrhundert.

Sein Haar war gebändigt und zu einem Nackenzopf zusammengebunden worden, letzteres mit Hilfe einer schwarzen Samtschleife. Er trug ein blütenweißes Rüschenhemd, dessen Rüschen zum Teil aus den Ärmeln und dem Ausschnitt des nachtblauen Gehrocks heraus schauten, den er darüber anhatte. Der edle Stoff war vornehm mit Blütenranken gemustert, Ton in Ton, man sah es nur bei Lichteinfall. Ein Kleidungsstück, das er sich nie freiwillig in den Schrank hängen würde! Wenigstens die Schwarze Lederhose dazu entsprach seinem Geschmack, obwohl das Material eine matte statt glänzende Qualität hatte. Die vornehmen Halbschuhe mit der albernen Schnalle drückten aber noch. Sein Gürtel zeigte in Silber das Wappen des Lords.

Kleidung wie diese hatten auch all seine Begleiter bekommen. Gerfrieds Gehrock war aber dunkelgrün, Neos silbergrau und Shiros beige. Ihre Frisuren wirkten nicht ganz so befremdlich, weil sie die Haare ja manchmal so trugen, wenn auch nicht ganz so ordentlich.

Aus dem Nebenzimmer hatte man vorhin das Fluchen von Amazia gehört. Auch Chani und die anderen Amazonen hatten vernehmlich ihre Meinung kundgetan. Die Frauen waren noch nicht fertig angekleidet, als die Männer schon mal in den Saal gehen durften.

Der Saal war natürlich ein prunkvoller Raum, doch Yugi und die anderen hoben sich ihre Betrachtungen für später auf, denn zu ihrer Freude trafen sie Appi wieder. Der Zauberlehrling kam auf sie zu, kaum dass sie eingetreten waren. „Hey, da seid ihr ja! Yugi, bist du das? Mann, dich erkennt man ja kaum wieder!“

Er hatte gut Reden! Ihn erkannte man auch kaum wieder, denn sein wildes, blondes Haar war ebenfalls gebändigt worden, aber es war zu kurz, als dass es vollständig in einen Nackenzopf gepasst hätte, deshalb war es zu einer leicht schmalzig wirkenden Frisur gestylt worden, die der des Lords ähnelte. Seine Kleidungsfarbe war natürlich Lila. Es wurde für jeden immer durchaus etwas Passendes gewählt.

Appi hatte sich von der großen Tafel erhoben, um den anderen entgegen zu gehen. Der Lord selbst saß noch am Kopf derselben, während der Platz des jungen Magiers an seiner Rechten war. Gerfried schaute sich seinen Neffen von alles Seiten an. „Hat er dich… gebissen?“

Appi seufzte Augen verdrehend. „Onkel Gerfried, er ist ein Vampir. Selbstverständlich hat er mich gebissen. Und jetzt regt euch mal ab und setzt euch doch schon mal… wo sind denn Mutter und die Amazonen?“

„Noch nicht fertig mit Umziehen,“ antwortete Shiro. Er begab sich ganz sachlich zum Tisch und setzte sich an die lange Tafel, jedoch ließ er mehrere Plätze zwischen sich und Lord Genesis frei. Die anderen machten es ähnlich.

Yugi suchte sich den Platz neben Appi aus, zumal er es interessant fand, den Vampir von nahem zu betrachten. Niemand schien etwas dagegen zu haben, und Appi freute sich. Auf dem Tisch stand bisher noch nichts Essbares, aber allein die Gedecke auf der blütenweißen Tischdecke waren schon ein Blickfang. Natürlich Teller aus glänzendem Porzellan, verziert mit dem Wappen, und auch das Silberbesteck trug auf dem Griff dieses Motiv. Die Kelche bestanden aus Bleikristall oder etwas ähnlichem… natürlich mit eingraviertem Wappen. Offenbar hielt der Lord viel auf sein Haus und seine Familie… aber das konnte man ihm wohl kaum verdenken.

Nun da Yugi am Tisch saß, konnte er sich auch etwas umschauen. Wie auch das Bad und die anderen großen Räume war der Saal natürlich prunkvoll gestaltet, schon allein die Bogenfenster konnte man sich immer wieder ansehen. Draußen im Dunkeln flogen manchmal Tiere vorbei, die nicht immer nur wie Fledermäuse aussahen. Sie hatten den Saal durch eine Tür an der breiteren Seite betreten, an der es auch Fenster gab, so wie an der gegenüberliegenden Seite. Die Tafel war mit dem Kopf zur rechten Fensterseite aufgebaut. Das ließ einen Großteil des Saales frei, aber vielleicht baute der Lord den Tisch anders auf, wenn mehr Besuch da war. Dass seine männlichen Begleiter sich nicht ganz oben an die Tafel gesetzt hatten, interpretierte Yugi als Höflichkeit. Schließlich kamen die Amazonen noch, und man wusste ja nicht, wie sich der Gastgeber die Anordnung vorstellte.

„Ihr habt anscheinend nichts gefunden,“ lenkte Appi Yugi von seinen Betrachtungen der protzigen Kronleuchter ab.

„Ähm… es war interessant, aber Crimson und die anderen sind anscheinend nicht hier,“ antwortete der Kleinere. „Wir waren baden, in einem riesigen Bad… was ist mit dir, warst du da auch?“

Der Magierschüler schüttelte den Kopf. „Jedenfalls nicht zum Baden. Aber ich habe Lord Genesis’ Privatbad kennen gelernt. Damit kann so schnell keiner mithalten, in das Becken passen bequem vier, fünf Leute.“

Während Yugi sich den Lord vorstellte, der sich von seinen Ladys im Bad verwöhnen ließ, ging die Tür auf und die erste Dame trat ein. Es war Shadow, wie man auf den zweiten Blick erkannte. Sie trug ein sehr elegantes Kleid in blassgelb, das ihr Haar unterstrich und ihren gebräunten Teint zur Geltung brachte. Es war großzügig ausgeschnitten und hatte Träger, die aus einem Band zu bestehen schienen, das an der Spitze des Ausschnitts begann und dann zur Seite hin breiter wurde. Eigentlich waren das auch gar keine Träger. Yugi fiel aber nicht ein, wie man sowas nannte. Es war einfach etwas Stoff an den Armen, der keine tragende Funktion hatte. Da die Arme selbst dabei frei blieben, trug sie passende Handschuhe, und der Rock des Kleides floss hübsch bis über ihre Füße, die in goldfarbenen Schuhen mit leichtem Absatz steckten, doch konnte man, wenn sie ging, erkennen, dass an der linken Seite ein Schlitz bis auf Höhe der Oberschenkel war, der die Rüschen eines Unterkleides offenbarte und einen guten Blick auf ihr Bein gewährte, insgesamt sehr reizvoll. Das Bild wurde durch ein zartes, brilliantenbesetztes Goldcollier, passende Ohrringe und ein paar goldene Kügelchen mit glitzernden Steinen in ihrem hochgesteckten Haar vervollständigt.

Die Kriegerin sah recht zufrieden mit sich aus und genoss offenbar die Beachtung, die das Outfit ihr einbrachte. Stolz kam sie zum Tisch und gab sich alle Mühe, bei Appis Anblick nicht gleich erfreut loszulaufen. Sachlich blieb sie neben ihm stehen und neigte höflich den Kopf. „Lord Genesis.“ Sie wartete, bis der Lord ihre Geste mit einem „Lady Shadow“ erwiderte, ehe sie sich auf Appi konzentrierte. „Mein Junge! Du siehst gut aus!“ Sie betastete seine Wangen mit beiden Händen und betrachtete ihn ganz genau.

„Ähm… du bist auch sehr hübsch, Mutter, du solltest öfter Kleider tragen,“ meinte Appi etwas verlegen.

Yugi stand von seinem Platz auf. „Möchtest du hier sitzen, Shadow? Neben Appi?“

„Nein, schon gut, bleib ruhig sitzen,“ winkte sie ab. „Ich nehme einfach den Stuhl neben dir, wenn niemand was dagegen hat.“ Das hatte keiner, also nahm sie dort Platz. Yugi konnte ein Parfüm an ihr riechen, das nach wilden Blumen roch und ein Bild von einem sonnigen Frühlingstag in ihm heraufbeschwor.

Sodann fehlten nur noch die Amazonen. Als Yugi schon befürchtete, sie würden gar nicht erscheinen, wurde erneut die Tür geöffnet, und da war es wohl gut, dass alle Türen zu größeren Räumen zwei großzügige Flügel hatten, denn sonst hätten die Damen mit ihren Kleidern nur schwer hinein gepasst. Anders als Shadow hatten sie alle dasselbe, barock anmutende Kleid an, nur in unterschiedlichen Farben. Die Ärmel waren pompös gebauscht und mit Spitze besetzt, das Dekolletee wurde deutlich betont und vermutlich etwas gehoben, da sich unter dem oberen Teil wohl ein Korsett verbarg. Der Rock bestand aus mehreren Lagen von Rüschen und Spitze und sah generell so aus, als könnte man sich darin nur begrenzt frei bewegen. Dazu passend hatten alle Damen sehr aufwendige Frisuren, schweren Gold- oder Silberschmuck und anscheinend unbequeme Schuhe, denn sie gingen alle recht seltsam.

Amazia kam an der Spitze ihrer Gruppe herein, und sie war nicht erfreut. Das Kleid stand ihr auch nicht so wirklich, dazu war sie zu muskulös und gebräunt, und das gleiche galt für die anderen Amazonen. Sie trugen bestimmt ein Korsett, aber es brachte nicht viel. Ein Wunder, dass die Kleider ihnen einigermaßen passten. Yugi hielt sich grinsend die Hand vor den Mund.

„Ah, die Damen geben uns die Ehre!“ Lord Genesis erhob sich und komplimentierte Amazia auf den freien Platz neben sich. Er übertrieb sein Gehabe, so dass man deutlich merkte, dass er sich ein bisschen lustig machte, zweifellos eine Rache für das unhöfliche Verhalten der Truppe bei ihrer Ankunft. Nun verteilten sich auch die Vampirladys am Tisch, und zwar so, dass jeder der verbleibenden Männer eine neben sich hatte. Sie trugen Kleider in dem Stil, das Shadows auszeichnete.

„Nein danke, wir trinken keinen Alkohol,“ lehnte Amazia etwas unterkühlt ab, als der Lord ihr Glas füllen wollte. Er ließ sich davon aber nicht abhalten und gab auch Yugi und Appi davon, während die Ladys es ähnlich bei ihren Sitznachbarn machten.

Totenkopfdiener erschienen und servierten das Essen. Das war nun wirklich gruselig! Yugi musste sich kurz daran gewöhnen, von wandelnden Skeletten bewirtet zu werden, die zu diesem Anlass eine ganz schwarze Kutte statt einer blauen trugen. Um seine Verlegenheit zu überspielen, trank er von dem Wein, nur um festzustellen, dass es keiner war. Es war Fruchtsaft.

„Wir essen und trinken nur frische Dinge,“ erklärte Genesis ihm, da man Yugi die Verwunderung ansah. „Den Saft vergären zu lassen, widerspricht unseren Prinzipien, leider wird das in den Vampirgeschichten immer anders dargestellt. Aber soll es doch, es ist gut, wenn niemand alles über uns weiß.“ Er lächelte ehrlich amüsiert. „Ihr seht, Lady Amazia, wir trinken auch keinen Alkohol.“

Die Amazone grummelte irgendetwas und kostete zögerlich. Sie gab keinen Kommentar ab, was bei ihr wohl als gutes Zeichen zu werten war.

Zu essen gab es hauptsächlich kalte, vegetarische Kost. „Wir habe ein paar Eier für Euch gebraten, weil viele Menschen sie nicht roh mögen,“ kommentierte der Lord. Diese Information mochte er von Appi haben, denn der nickte eifrig. „Aber die Krieger unter Euch wissen sicherlich ein Ei zu schätzen, das man trinkt?“

Das traf zumindest auf Shadow, Gerfried und Chani zu. Sie nahmen ein Glas an, in dem ein Ei verquirlt worden war, und machten es dem Gastgeber und seinen Ladys nach, die das zügig leerten. Yugi sah lieber weg, denn er konnte dem nichts abgewinnen.

Es gab auch Brot, Käse und Salat. Nun war Käse streng genommen festgewordene Milch, aber anscheinend widersprach *das* nicht den Prinzipien der Vampire. Des weiteren gab es Getreidebrei, etwas ähnliches wie Reis, Gemüse und jede Menge Früchte. Einige Gerichte waren an die japanische Küche angelehnt und enthielten rohen Fisch. Zur Krönung wurden dann sogar gebratene Hühner - oder ähnliche Tiere - aufgetischt, die extra für die Gäste geschlachtet worden waren. Es war sehr kalorienarm, aber man wurde gut satt. Für ein Festgelage war das ganze dennoch sehr ungewöhnlich.
 

Mit dem Essen war es aber noch nicht genug! Im Anschluss gab es noch eine Tanzveranstaltung. Der Lord ließ es sich natürlich nicht nehmen, Amazia aufzufordern, die vermutlich in ihrem ganzen Leben noch nicht getanzt hatte... oder jedenfalls nicht so. An dieser Stelle hatte Yugi Vorteile, da er ja zusammen mit Yami heimlich das Tanzen gelernt hatte, um Seto zu überraschen. Ihn verwunderte nur, dass der Lord Tänze aus der Welt des Blauen Lichts kannte, und nicht nur das, anscheinend waren sie hier generell geläufig, denn auch Shadow und Shiro kamen zusammen ganz gut zurecht. Appi schlug sich tapfer mit einer Vampirlady, doch er gab es auf, sobald er konnte.

Später in der Nacht war es dann endlich Zeit zu schlafen, auch wenn die Amazonen wohl lieber gleich abgereist wären. Yugi und Appi fanden sich in einem gemeinsamen Schlafzimmer mit einem einzelnen, großen Bett.

„Na, das sollte dir ja nichts ausmachen, du bist es ja gewohnt, mit einem Mann im Bett zu schlafen,“ neckte Appi seinen Kollegen.

„Pass auf, dass ich dir nicht zeige, was ich noch alles gewohnt bin,“ schoss Yugi gutmütig zurück. „Oh, das ist...“ Er hatte an Appis Hals zwei rote Punkte entdeckt, als der Blonde sein Hemd abstreifte.

„Hast du’s nicht geglaubt? Dachtest du, ich hätte nur Spaß gemacht?“ grinste Appi frech. Hatte er anfangs noch etwas furchtsam gewirkt, so war er nach seinem Aufenthalt bei Lord Genesis richtig aufgekratzt und gut gelaunt.

„Du hast es wohl richtig genossen, hier zu sein,“ stellte Yugi fest, während er sich ein altertümlich anmutendes Rüschennachthemd überzog.

„Najaaa... der Lord kann richtig nett sein, wenn man ihn privat erlebt, gar nicht mehr so unheimlich ist er dann... Es ist ja auch sehr freundlich von ihm, uns alle hier zu dulden, immerhin haben wir ihm unterstellt, dass er unsere Leute entführt hat...“

„Du hast nicht einen Augenblick mal gedacht, dass er uns vielleicht absichtlich von der Suche abhält?“ gab Yugi zu bedenken.

Appi hatte etwas zögerlich und mit viel Stirnrunzeln ein ebensolches Nachthemd übergestreift, wie es Yugi hatte, und ließ sich erschöpft, aber zufrieden neben den kleineren ins Bett fallen. „Nö... ich hab ihn nach Sorc gefragt. Genesis hat nur gelacht und gemeint, dem Kerl hätte er Beine gemacht, als er hier auftauchte und die Villa beanspruchen wollte... das wirkte sowas von glaubwürdig, dass ich nicht mehr daran zweifle. Er steckt nicht mit unseren Feinden unter einer Decke. Aber offenbar hat er die Typen schonmal gesehen, sie sind ihm auf die Nerven gegangen und er hat ihnen die Meinung gesagt. Fertig.“

„So?“ Yugi staunte. Aber er war zu müde, um sich länger Gedanken zu machen. „Ich hoffe, Crimson und den anderen geht es gut, während wir uns hier amüsieren... ich hab ein etwas schlechtes Gewissen...“

Doch Appi neben ihm atmete bereits ganz ruhig, dabei konnte er eben erst die Augen geschlossen haben.
 

***
 

Es gab eine Lücke. Alle sechs sahen sie zugleich.

Sie hatten mit ihrem Kampftraining weiter gemacht, nicht nur Crimson und Paladia, sondern auch die anderen hatten sich paarweise aufgeteilt und sich auf diese Art die Zeit vertrieben. Das hatte aber Lärm verursacht, der die Wachen aufmerksam gemacht hatte.

„Eeey! Was ist hier los?“ motzte der diensthabende Unterweltler barsch.

Alle Bewegungen in der Kerkerzelle waren eingefroren. Die Tür war offen. Es gab keine Absprache, und doch...

Eria schrie gellend auf. Der Wächter war kurz abgelenkt, was Burstinatrix ausnutzte - sie warf ihm einen Feuerball entgegen, dem er eiligst auswich. Sogleich war Paladia bei der Tür und überwältigte seinen Kollegen.

Die Sechsergruppe floh. Es war, als hätten sie lange dafür geübt, so gut klappte die Zusammenarbeit. Paladia nahm die Waffe eines besiegten Gegners mit, aber es war leider nur ein Knüppel. Burstinatrix bearbeitete die Unterweltler weiter mit Feuer. Sie waren das nicht gewohnt und ergriffen vor Angst die Flucht, und wer es nicht tat, bekam Haryielles Krallen zu spüren. Runa warf mit sehr wirkungsvollen Blendattacken um sich, nur musste sie darauf achten, ihre Freunde nicht auch zu blenden. Crimson schlug sich kämpfend ganz gut, aber als sie um die nächste Ecke stürmten, fanden sie sich einem Magier gegenüber, der so aussah, als würde er nicht freiwillig den Weg freimachen. Er war sehr alt und lachte auf eine irre Art.

„Zurück!“ schrie Eria, doch Crimson dachte gar nicht daran.

„Pah, den Kerl erledige ich doch mit links!“ er vollführte zeitgleich mit dem Feind eine komplizierte, fließende Handbewegung, rief ein Wort und - nichts. Er hatte vergessen, dass es nicht ging, und die Rechnung folgte sogleich. Denn der andere Magier hatte dieses Handicap nicht. Er fegte Crimson mit einer Ladung schwarzer Blitze von den Füßen, und der Weißhaarige blieb benommen liegen. Er konnte Stimmen hören, die durcheinander redeten...

„Nein!“

„Crimson! Crimson, bleib wach...!“

„Weg, fass ihn nicht an, du Missgeburt!“

Er bemerkte zu seinem Entsetzen, dass die Frauen an seiner Seite blieben, statt die Flucht fortzusetzen. Das war wirklich rührend. Aber dämlich. Er hätte das nicht getan. Oder zumindest hätte er gesagt, dass er es nicht getan hätte, wenn man ihn gefragt hätte.
 

„Ich hätte euch wirklich für schlauer gehalten,“ teilte Sorc den Gefangenen mit, während er vor ihnen auf und ab stolzierte. „Man muss manchmal kooperieren. Das ist doch nicht so schwierig, oder?“

Er hatte sie alle wieder an die Wand ketten lassen, von wo aus sie ihn zornig anfunkelten. Er mochte diesen Anblick. Diese Opfer würden ihre Sache gut machen, denn sie waren nichts wert, wenn sie zu fügsam waren. Aber weglaufen sollten sie natürlich auch nicht - dazu würden sie keine Gelegenheit mehr bekommen. Die trottelige Wache, die die Tür geöffnet hatte, erwartete auch schon eine angemessene Strafe.

„Darf ich sie foltern?“ bat Malice voller Genugtuung. „Oder vernaschen? Komm schon... den arroganten Magier würde ich mir gerne vornehmen. Der weiß anschließend nicht mehr, wo hinten und vorne ist.“

Sorc verdrehte die Augen in seine Richtung. „Wie vulgär! Aber ich hab ne bessere Idee.“ Er schaute sich um. Crimson hatte sich gut von seinem Treffer erholt und war nicht verletzt, wenn man von ein paar Schrammen absah, die er sich geholt hatte, aber da bildete er keine Ausnahme. Sorc ließ seine Hand mit schwarzen Blitzen aufleuchten und sah, dass der Weißhaarige schon damit rechnete, sie gleich zu spüren zu kriegen. Doch das wäre zu einfach. Sorc drehte sich im letzten Moment weg und schoss den Zauber auf Eria ab.

Das Mädchen schrie schrill auf. Sorc ließ die Blitze weiter ihren Körper einhüllen. Der Zauber war nämlich nicht nur für Angriffe gut, sondern taugte auch zur Folter. Malice schaute sich das Spektakel lachend an. Zur Geräuschkulisse kamen die Proteste der anderen Gefangenen hinzu. Sie riefen leider alle durcheinander, so dass Sorc nur wenig verstand. Er hörte aber heraus, dass sich alle wünschten, dass er nicht ausgerechnet das junge Ding quälte, sondern lieber einen von ihnen. Wie schön, genau deswegen hatte er Eria ausgesucht, weil sie die Jüngste und Schwächste war und weil es am grausamsten war, wenn er sie wählte.

Crimson schaffte es dann aber, seine Aufmerksamkeit zu erregen. „Lass sie in Ruhe! Ich bin ihr Lehrmeister und berufe mich auf den Magierkodex, der von mir verlangt, meine Schülerin in Schutz zu nehmen!“

Sorc stoppte und wandte sich ihm zu. „Ach... ist das so? Nun, an den Kodex halte sogar ich mich. Ich foltere keine Schülerin, wenn ihr Meister sich für sie hergibt. Aber du kennst sie erst, seit du sie hier getroffen hast, das weiß ich. Sie geht auf die Magierschule und hat keinen speziellen Meister.“

„Sie hasst die Schule! Deshalb habe ich zugestimmt, sie als Schülerin anzunehmen.“

Schallendes Lachen des Blauhäutigen war zu hören. „Guter Versuch, ich mag Edelmut, ja, wirklich! Aber selbst wenn du die Wahrheit sagst: Der Kodex besagt auch, dass ein Magier, der seine Kunst nicht beherrscht, keine Schüler annehmen darf, und einer, der schon einen Schüler hat und seine Kräfte verliert, muss den Schüler abgeben. Denn wie will er einem anderen beibringen, was er selbst nicht tun kann? Mit anderen Worten: Du bist nicht in der Position, um ein rechtskräftiges Lehrverhältnis mit dem Mädchen einzugehen!“

Sorcs Hand hüllte sich erneut in Blitze. Er drehte sich um.

„Bitte nicht! Bitte...“

Doch Crimsons Flehen oder das der anderen erweichte den Hexer nicht. Er ließ Eria leiden, bis sie das Bewusstsein verlor, dann ließ er sie losmachen und legte den Schlüssel für die Kettenscharnieren neben ihr ab. „Merkt euch das, falls ihr mal wieder fliehen wollt.“

Er drehte sich schwungvoll um, aber da er keinen Umhang trug, war die Geste weniger effektvoll als Malices, der ihm etwas grummelig folgte. „Ich wäre so gerne noch ein bisschen vulgärer geworden,“ hörten sie den Blonden sagen.

Die Gruppe wartete erschüttert, bis die beiden die Zelle verlassen hatten. Sie waren leider nicht imstande, sich um Eria zu kümmern, denn sie waren ja alle angekettet. Aber sie riefen nach ihr, sobald ihre Peiniger weg waren. Das Mädchen rührte sich lange Zeit nicht, so dass sie schon befürchteten, sie würde gar nicht wieder erwachen. Aber sie war sehr willensstark. Sie öffnete irgendwann doch wieder die Augen und drehte den Kopf in Crimsons Richtung. Tatsächlich brachte sie ein schwaches Lächeln zustande, aber man hörte keine Worte, als sie die Lippen bewegte.

Crimson fühlte sich gemüßigt, das Lächeln zu erwidern. „Eria... versuch, jemanden von uns zu befreien. Schaffst du es? Lass dir Zeit. Der Schlüssel liegt da neben dir.“

Das war ziemlich fies von Sorc, denn Eria war kleiner als alle anderen und kam schon gar nicht so leicht an die Ketten heran, mit denen die Hände der Gefangenen über den Köpfen gefesselt waren. Das Mädchen suchte auf allen Vieren nach dem Schlüssel und quälte sich auf die Füße. Die anderen konnten ganz deutlich sehen, dass jede Bewegung ihr wehtat. Es war schlimm, sich das anzuschauen.

Paladia feuerte sie sanft an. „Ja, komm... zeig uns dein amazonisches Erbe! Lass dich nicht unterkriegen!“

Eria wankte zur Wand. Obwohl Crimson ihr nicht am nächsten war, wählte sie ihn. Sie konnte seine Handgelenke nicht erreichen, aber er winkelte ein Bein an, da zum Glück nur die Hände gefesselt waren. „Hier, klettere auf mein Knie... mach eine Hand los und gib mir dann den Schlüssel...“

Sie nickte und versuchte es. Es war auch für Crimson nicht gerade ein angenehmer Vorgang, denn sie hielt sich erst an seiner Schulter, dann an seinem Arm fest, und stand dann mehr schlecht als recht auf seinem angewinkelten Oberschenkel, keine bequeme Stellung für ihn. Aber Eria war nicht besonders schwer. Er hielt die Position eisern, und sie kam schließlich an seine Fessel heran. Kaum hatte sie aufgeschlossen, wäre sie fast gefallen, denn der Arm, den sie zum festhalten benutzte, kam frei und der Halt ging verloren. Aber Crimson packte reaktionsschnell ihr Handgelenk. Er konnte ihren Sturz nicht ganz verhindern, aber wenigstens schlug sie nicht mit dem Kopf auf. Sie hatte den Schlüssel festgehalten und gab ihn ihm, sobald sie wieder einigermaßen stand. Danach aber ließ sie sich zu Boden sinken.

Crimson befreite sich schnell, dann Burstinatrix, die sich neben ihm befand, und überließ den Rest dann ihr. Er selbst eilte zu seiner Schülerin. Ach halt... er durfte laut Kodex nicht ihr Lehrmeister sein. Das hinderte ihn aber nicht daran, sich als solcher zu betrachten. Dann unterrichtete sein Vater sie eben vorerst. Schnell trug er Eria in die Ecke mit den Vorräten und flößte ihr Wasser ein.

Die Frauen gesellten sich bald zu den beiden. Es war eine ziemlich bedrückte Stimmung. Niemand dachte mehr an Flucht, oder zumindest sagte es keiner laut. Still waren sie sich einig, dass sie abwarten mussten, was mit ihnen passieren würde. Erias Schicksal hatte sie alle mit einem Schlag sehr gezähmt. Allein konnten sie nichts erreichen. Sie mussten abwarten, ob sie befreit wurden...
 

***

Fortsetzung folgt

Die Folgen einer blutigen Begegnung

Endlich wieder was Neues! Ich weiß nicht, ob diese Episode so gut ist - ich hab mich während einiger Tage, in denen ich krankgeschrieben war, mehr oder weniger zum Schreiben gezwungen, aber ich bin jetzt in so einer Überbrückungsphase, wo ich was schreiben muss, das zu einer Szene führt, die ich schon gut im Kopf habe. Äh, versteht man das? Auch egal... viel Spaß!
 

Samstag früh
 

Fremde Welten 46: Die Folgen einer blutigen Begegnung
 

Lucranda schlug den beiden Frauen beim Frühstück vor, die Katzen mit nach oben in die Burg zu nehmen. Magi und Mystic hatten den Eindruck, dass die alte Fee es nur nicht mochte, wenn in ihrer Hütte so viel Betrieb war, und das konnte man ihr nicht einmal verdenken, immerhin musste sie eine viel größere Menge an Essen herbeischaffen.

Blacky und Dark waren wohl nicht mehr in Lebensgefahr, jedenfalls war anscheinend nichts dagegen einzuwenden, die beiden zu transportieren. Zum Frühstück standen sie kurz auf und tranken ein bisschen Suppe mit Fisch. Während des Vorgangs sahen beide sehr verschlafen aus und legten sich auch gleich wieder hin. Die beiden Magierinnen nahmen also jede ihren Bruder auf den Arm und verabschiedeten sich von Mava und Lucranda.

Auf dem Weg durch die Höhlen schwiegen sie die meiste Zeit und kraulten die Katzen. „Wir sollten sie am besten in ihr Zimmer bringen und weiterschlafen lassen,“ meinte Magi. „Vielleicht lässt Blacky dich ja noch immer nicht weg… er muss irgendwas sagen wollen, denke ich…“

„Ja, aber warum macht er es nicht?“ sinnierte Mystic. „Vielleicht… ist er noch zu schwach, oder sich nicht sicher…“ Die Elfe schaute auf Blacky hinunter. Er schien friedlich zu schlafen und bewegte manchmal mit einem wohligen Schnurren seine Pfoten, so dass er sie mit seinen Krallen piekte. Sie kraulte ihn automatisch.

Die beiden Magierinnen mussten den langen Weg durch das Labyrinth im Inneren der Felsen auf sich nehmen. Mystic ließ ein Licht vorneweg schweben. Sie kamen ganz gut voran und verirrten sich auch nicht, aber sie waren müde, als sie ankamen. Sogleich wurden die Katzen in ihr Zimmer verfrachtet und auf dem Bett abgelegt.

„Was ist denn da draußen los?“ Magi stand am Fenster und schaute hinaus. Da waren mehrere Personen zu sehen, die heftig diskutierten. Sie konnte es nicht verstehen, aber sie sprach einfach einen Zauber, der das Problem umging. Die Stimmen waren nun wie direkt neben ihrem Ohr.

„… wir erstmal abwarten, bis Yugis Gruppe wiederkommt. Überstürze nichts, Rohka.“ Das war anscheinend Weaver, Magi sah ihre Flügel.

„Wo bleiben die denn? Es geht hier um mein Kind, aber sie trödeln irgendwo rum! Es kann doch nicht so lange dauern, bei einem Schloss im Wald vorbeizuschauen!“

„Amazia ist doch dabei, und sie weiß ganz sicher, wie du dich fühlst, Rohka. Schließlich geht es auch um ihren Sohn. Hat deine Gruppe denn gar nichts entdeckt?“

„Nein, nichts, außer den Spuren auf dem Gelände, und das war ja nichts Neues. Aber die Lehrer da sind alle völlig inkompetent! Sie sagen, dass Eria wahrscheinlich nur ausgebüchst ist, kannst du dir das vorstellen? Eine Unverschämtheit ist das!“

„Rohka, du fühlst dich hilflos, ich weiß. Aber es hilft nichts, wenn du dich aufregst. Du solltest... Oh, sieh! Die Drachen und Vögel!“

Magi gab ihren Horchposten auf. „Ich glaube, wir haben was verpasst, während wir bei Lucranda waren. Lass uns nachsehen gehen.“

Mytic nickte. Sie ging noch kurz bei Blacky vorbei und streichelte ihn am Kopf. „Bin gleich wieder da.“ Er krallte nach ihr und sie merkte, wie er sich telepathisch bei ihr einklinkte, dann entspannte er sich und schlief weiter. Scheinbar jedenfalls. Mystic lächelte und folgte Magi nach draußen.
 

Yugi war froh, dass er endlich seine gewohnten Sachen tragen und seine gewohnte Frisur wieder haben konnte - obwohl seine Haare immer noch irgendwie zahm aussahen, die Zacken waren nicht ganz so spitz...

Sie waren früh aufgebrochen, und es hatte noch einige Überraschungen gegeben. Nicht zuletzt das deutlich schwuchtelig anmutende Winken von Lord Genesis mit den Worten: „Wiedersehen, Appi!“ Außerdem hatte der Vampir dem Zauberschüler zwei Dinge mitgegeben: Ein Buch, das er für die Dauer der Reise an Shiro weitergegeben hatte, und einen in Zeitungspapier eingewickelten Gegenstand, so lang wie ein Magierzauberstab und oben mit einem rechtwinklig abknickenden, gebogenen Fortsatz, der dann spitz zuzulaufen schien, wie bei einer Sense. Eine Sense?!

Appi hatte sich bisher nicht dazu geäußert, immer nur geheimnisvoll gelächelt und bestenfalls „Wirst du ja dann sehen!“ gesagt. Er schien irgendwie... verändert, aber so richtig! Viel selbstbewusster, er hielt sich gerader, so dass er größer wirke, obwohl er es nicht war. Konnte eine Nacht mit einem Vampir das bewirken? Und was genau war da eigentlich zischen Appi und Genesis passiert, außer einem Biss?

Ja, der Biss... der war anscheinend nicht ganz ohne. Yugi erinnerte sich an Appis Gesicht, als sie das Haus verlassen hatten. Der Blonde hatte fasziniert in das Unterholz gestarrt, als hätte er alle Wunder der Welt vor sich. „Yugi! Ich kann... ich kann alles sehen! Die Farben! Wow!“ Für eine Erklärung war leider keine Zeit geblieben, Yugi wusste nur, dass es mit dem Biss zu tun hatte. Offenbar bewirkte er eine andere Wahrnehmung an diesem verwunschenen Ort, so als gehörte man von da an zu einem Kreis von Eingeweihten.

Der Junge war nicht ganz sicher, ob er die Veränderung in seinem Freund begrüßen sollte. Er freute sich für Appi, denn er war immer etwas unsicher gewesen, auch wenn er das ganz gut überspielt hatte. Jetzt schien das wie weggeblasen. War das eine Facette seiner Selbst, die Genesis an die Oberfläche gebracht hatte, oder war es eine hinterhältige Veränderung, bewirkt von einem manipulativen Vampir? Der Blonde wirkte aber ansonsten ganz natürlich, nicht irgendwie verwirrt oder so. Yugi beschloss, sich das eine Weile anzusehen. Vielleicht musste er sich einfach nur daran gewöhnen, er selbst hatte sich ja auch von einem unauffälligen Einzelgänger zu einem beliebten Jungen mit einem großen Freundeskreis gemausert.

Weaver und Rohka stießen zu ihnen. Bevor jemand anderes etwas sagen konnte, schritt Amazia auf ihre Amazonenschwester zu. „Rohka, wie geht es dir? Du siehst unglücklich aus, ihr habt wohl nichts erreicht...“

„Es war völlig sinnlos, wir haben nichts erfahren, was wir noch nicht wussten. Was hat euch aufgehalten?“

„Der Vampir, Lord Genesis, hat darauf bestanden, dass wir über Nacht bleiben. Dafür hat er uns gestattet, sein Haus zu durchsuchen, aber es gab auch da nichts zu finden! Die Spuren führten zu ihm, aber entweder hat er uns alle getäuscht, oder jemand hat uns in die Irre geführt. Ich frage mich nur, warum er uns so lange aufgehalten hat!“

„Aber Amazia, du hast es doch gehört - in der Nacht sind im Wald zu viele Wesen unterwegs,“ versuchte Shiro sie zu beruhigen.

„Mit denen wären wir fertig geworden!“ keifte die Amazone ihn an. „Sorgst du dich denn nicht um unseren Sohn?“

Er sah sie streng an, für den Moment nicht der sanfte Kerl, den man kannte. „Doch. Wage es nicht, mir etwas anderes zu unterstellen! Ich habe Crimson aufgezogen und bin für einen Großteil seiner Erziehung und Ausbildung verantwortlich. Dennoch ist er ganz anders als wir beide. Du wärst stolz auf ihn, glaub mir. Er fürchtet ich vor nichts, und wenn doch, zeigt er es nicht. Wir finden ihn, und zwar lebend.“

Natürlich wussten alle, dass auch Shiro sich sorgte, aber ihm ging anscheinend das Gezeter der Amazonen auf die Nerven. Die Damen waren es sicherlich auch nicht gewohnt, dass man es wagte, eine der ihren zu verschleppen.

Appi trat zu der Gruppe. „Wenn ich etwas sagen dürfte...“

„Misch dich nicht ein!“ zischte Amazia. „Du hast dich anscheinend ganz gut amüsiert, während wir nach Hinweisen gesucht haben!“

Yugi wollte widersprechen, auch Shadow kam mit empörtem Gesichtsausdruck näher, doch Appi kam allen zuvor. „Ich habe mehr erreicht als ihr alle,“ sagte er selbstbewusst.

Er hatte die volle Aufmerksamkeit und wusste es. Yugi konnte nur staunen. Was genau war nur mit Appi passiert? Er trug jetzt wieder sein Gewand von der Karte, das in lila, so dass man den Vampirbiss nicht sah. Es musste mehr sein als nur der Biss.

Appi wandte sich um. „Lasst uns in die Große Halle gehen und bei etwas zu essen darüber reden. Shiro, bitte bring das Buch mit.“

Sprachlos folgten sie ihm alle: Amazia, Rohka, Shiro, Shadow, Gerfried, Chani, Neo und nicht zuletzt Yugi. Ein paar Amazonen und Feen, die den Austausch verfolgt hatten, schlossen sich an und hielten sich lauschend im Hintergrund, als die Gruppe sich in der Halle einen Tisch suchte, der genug Platz bot. Dort gesellten sich auch Mytic und Magi zu ihnen.

„Hey!“ rief Yugi den beiden zu. „Wie geht es unseren beiden Oberhelden?“

„Die Kätzchen schlafen noch,“ lächelte Magi. Sie setzte sich gegenüber von Mytic hin. Yugi saß ein paar Plätze weiter neben Appi, der nun das Buch von Shiro entgegennahm und darin zu blättern begann. Das eingewickelte Objekt lehnte in der Nähe an der Wand, wo er es sehen konnte.

„Dies ist ein Buch über die mächtigen Wesen, die es im Schattenreich gibt – solche wie Exodia,“ erörterte er, während er eine bestimmte Seite zu suchen schien. „Ich habe Lord Genesis erzählt, welches Problem wir haben, und er…“

„Du hast ihm alles erzählt?“ empörte sich Amazia, ihn unterbrechend. „Bist du verrückt? Was geht es ihn an? Vielleicht geht er gleich zu Sorc und erzählt es ihm!“

„… meinte, dass unser Feind vielleicht den Fünfgötterdrachen beschwören will,“ beendete Appi unbeirrt seinen Satz. Er wandte seinen Blick der Amazone zu, aber erst, nachdem er die passende Seite gefunden hatte, wo man ein Bild vom Fünfgötterdrachen sah. „Genesis verachtet Sorc!“ erklärte er ihr. „Deshalb hilft er uns. Was übrigens nicht dein Verdienst ist. Ihr Amazonen wart mehr als nur unhöflich. Bei euch zu Hause mag es ja üblich sein, dass Männer nichts als Samenspender sind, aber woanders sollte man besser höflich zu einem sein, in dessen Villa man gerade eindringt.“

Amazia sprang von ihrem Platz auf und schlug geräuschvoll mit den Händen auf den Tisch. „Was erlaubst du dir?!“

Yugi schrak zusammen und ein paar andere auch, aber Appi ignorierte ihren Anfall. „Ich dachte heute früh noch, dass es toll wäre, von einer deiner Schwestern erwählt zu werden. Aber ich denke… in dem Fall würde ich ablehnen.“ Das war so ungefähr die größte Beleidigung, die man zu einer Amazone sagen konnte. Amazia starrte mit offenem Mund und fand keine Worte mehr. Er lächelte frech und schaute sie von unten herauf herausfordernd an.

Yugi erkannte seinen Freund kaum wieder. „Wer bist du und wo ist Appi?“ fragte er. Natürlich war es nur ein Spaß, aber so langsam wurde ihm Appi wirklich unheimlich.

Der Blonde wandte sich ihm zu. „Es scheint einen zu verändern, wenn man eine Nacht lang die Geisel eines Vampirlords ist und es überlebt,“ meinte er. „Ich kann Blacky jetzt viel besser verstehen. Er hält nichts für unmöglich, solange er es nicht ausprobiert hat.“

Appis Augen waren noch die gleichen, stellte Yugi fest. Etwas schüchtern, aber entschlossen jetzt im Angesicht der Notwendigkeit. Ob es so auf andere wirkte, wenn er Yami an die Macht ließ? „Tja… was steht denn nun in dem Buch?“

Amazia setzte sich wieder, denn auch ihr war es jetzt wohl wichtiger, das zu erfahren. Alle beugten sich so weit wie möglich vor, um in das Buch schauen zu können. „Der Fünfgötterdrache schläft in einer Höhle unter dem Fünfgötterberg, von wo aus er sich bei korrekter Beschwörung auf dem Gipfel materialisiert,“ las Appi, wobei er einige unwesentliche Details wegließ. „Diese Beschwörung erfordert als Opfer entweder fünf verschiedene Drachen oder fünf Wesen der Elemente Feuer, Wasser, Wind, Erde, Finsternis. Blabla und so weiter… Besiegt werden kann er nur durch ein Wesen des Elements Licht mit entsprechender Angriffskraft. Hier seitlich ist noch notiert, dass seine Angriffskraft 5000 beträgt und die Verteidigung auch 5000. Laut Duellierverein, schätze ich.“

„Aber… der Drachenhauchorden kampiert zur Zeit auf dem Fünfgötterberg,“ wandte Gerfried ein.

„Freed nickte. „Genau, aber sie wollen ihn nicht beschwören, es ist zu riskant.“

„Vor fünf Jahren haben wir es doch aber getan,“ erinnerte Shadow ihn.

Ihr Mann nickte. „Jaaa, aber du weißt doch, dass sowas nicht oft gemacht wird, weil es immer so viele Sicherheitsmaßnahmen benötigt.“

Die drei wurden etwas schief angesehen, so dass sie sich zu einer Erklärung genötigt sahen. „Wir sind auch Mitglieder,“ sagte Gerfried. „Aber wir konnten nicht mit, schließlich haben wir hier zu tun. Der Orden besteht aus den größten Kriegern des Schattenreiches und reist einmal im Jahr zu einem Ort, an dem ein gefährliches Monster schläft, um es anzubeten. Manche Helden haben ja sonst keine Herausforderung mehr. Meinen sie jedenfalls.“

„Wann hattet ihr vor, mir das zu erzählen?“ erkundigte Appi sich bei seinen Eltern und seinem Onkel.

„Gar nicht,“ entgegnete Gerfried. „Es ist ein Geheimbund, aber im Grunde hat jeder mal davon gehört, und ob du uns enttarnst, ist uns egal.“

„Können diese Leute nicht Sorc einfach aus dem Schattenreich jagen?“ wollte Chani wissen, die jetzt noch hingerissener von ihrem Erwählten war.

Da wurde sie jedoch enttäuscht. „Der Orden als solcher schlägt sich auf keine Seite, weil diese dann automatisch gewinnen würde, und es soll doch fair bleiben.“

Für etwa drei Sekunden herrschte ungläubiges Schweigen. Ob es daran lag, dass diese Behauptung einfach sehr arrogant rüberkam oder daran, dass der Orden überhaupt diese Einstellung vertrat, war nicht deutlich zu erkennen.

Rohka war dabei, nachzurechnen, ob die Vermutung zutreffen konnte. „Wir wissen nicht, ob er jemanden vom Element Wind hat, aber die Harpyien wurden angegriffen, es kann daher gut sein.“

„Also müssen wir zu diesem Berg!“ meinte Amazia und schaute in die Runde, ob jemand es wagte, Einwände zu erheben.

„Nichtmal Sorc ist so blöd, sich mit dem Orden anzulegen,“ widersprach Appi ihr prompt. „Die Krieger bleiben noch bis morgen.“

„Wir sollten auf alle Fälle eine Gruppe hinschicken,“ meldete sich Mystic zu Wort, die bisher noch gar nichts gesagt hatte. „Es müssen keine Krieger mitkommen, wenn da so viele sind – helfen werden sie ja wohl, wenn dort jemand mit Gefangenen auftaucht, oder?“

Shadow nickte. „Mir scheint, du willst gehen. Such dir ein paar Leute zusammen.“

Yugi, Appi, Rohka und Amazia sprangen sofort auf. Der Rest blieb lieber, um im Falle des Falles die Burg zu verteidigen.

Magi schien etwas überrascht. „Mystic, ist es okay, dass du von Blackys Seite weichst? Er wollte doch, dass du bei ihm bleibst…“

„Das geht schon,“ meinte die Mystische Elfe.

Sie nahmen schnell eine Mahlzeit ein und machten sich dann auf den Weg. Die Amazonen ritten auf ihren Vögeln, während Mystic ein geflügeltes Feuerpferd herbeirief und Yugi mit Appi mal wieder auf Schattensturm reiste. Es war faszinierend, wie schnell die Amazonen und Appi sich wieder vertrugen, aber zweifellos lag es wohl daran, weil sie als Mütter ihren Stolz mal zurückstellen konnten.
 

***
 

Sorc starrte gebannt in eine Kugel aus durchsichtigem Kristall, die auf einem kleinen Ständer vor ihm auf dem Tisch stand, an dem er saß. Alle anderen im Raum konnten zwar mithören, jedoch nichts erkennen, aber er sah das Bild eines seiner Schergen in der Kugel. Ein Dorfbewohner, der dachte, er könne sich eines Tages einen großen Namen machen. Sorc fand solche Leute hilfreich, solange er Verwendung für sie hatte.

Sein Scherge sah sich gehetzt um. „Gebieter! Ich habe die Genesis-Villa überwacht, wie Ihr wünschtet… die Gruppe kam dort wie geplant an, aber der Vampir hat sie am Leben gelassen! Sie kamen sogar gut gelaunt wieder heraus und trugen Gegenstände bei sich, die sie vorher nicht hatten! Ein Buch und etwas Längliches, das eine Waffe sein könnte. Anscheinend bekamen sie auch noch Hilfe, statt ihr Leben zu verlie---Waaaah!“ Der Scherge wurde von seiner Seite der Kugel weggerissen. Sorc konnte ihn ihm Hintergrund jämmerlich quieken und röcheln hören, dann war Stille. Ein anderes Gesicht erschien in der Kugel. Erst glaubte er, es sei Lord Genesis, doch das Gesicht sah nur so ähnlich aus. „Mein Herr schätzt es nicht, wenn sich jemand in seine Angelegenheiten einmischt oder bei ihm spioniert. Merkt Euch das, wer immer Ihr seid!“

Eine blaue Hand füllte das Bild aus, als sie nach der anderen Kugel griff, dann verwischte das Bild und letztendlich wurde Sorcs Kugel ganz trübe. Die Verbindungskugel war zerstört worden.

Das an sich bedeutete Sorc nichts, aber es war ärgerlich, dass er nichts Genaueres erfahren hatte. „Genesis hat unsere lieben Freunde nicht gefressen, wie mir scheint,“ informierte er die Anwesenden, also Malice, den alten Magier, diverse Mitarbeiter und Wachen. „Es kann sogar sein, dass er ihnen irgendwelche nützlichen Informationen gegeben hat… Mist, das war so nicht geplant. Die sollten durch die gefälschten Hinweise zu ihm geführt werden, damit sie erstmal beschäftigt sind, und ich dachte außerdem, der würde ihnen die Köpfe abreißen… Aber da der Drachenhauchorden auf dem Berg ist, haben wir keine Zeit gewonnen, obwohl sie eine Weile im Haus waren. Hm… ich bin mir nicht sicher, ob wir es noch riskieren können, auf den Berg zu gehen. Hat sich unser Spitzel schon da postiert? Und was ist mit denen, die die Feenburg im Auge behalten?“

„Wir erwarten ihre Berichte jeden Moment,“ sagte ein dunkel gekleideter Unterweltler, sich verbeugend.

„Anscheinend ist dein Plan nach hinten losgegangen,“ meinte Malice. Er war ein bisschen schadenfroh, denn er hatte lieber selber die Pläne, die funktionierten. Daher freute es ihn, wenn die der anderen fehlschlugen. Allerdings war das in dem Fall für ihn auch ärgerlich, so verzögerte sich der große Gesamtplan erneut.

Sorc zuckte bloß mit den Schultern. „Ach, das hätten wir uns schon denken können, als wir erfuhren, dass der Drachenhauchorden da ist. Je länger man wartet, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die andere Seite etwas herausfindet. Sie wissen inzwischen vielleicht, dass wir verschiedene Elementarwesen entführt haben. Wenn wir die Zeremonie schon durchgeführt hätten, würde ihnen das nichts mehr nützen.“

Sorc regte sich gar nicht so sehr darüber auf. Er dachte bereits darüber nach, wie man den Rückschlag kompensieren konnte, im Zweifelsfall durch einen Angriff an anderer Stelle. Das würde die Helden zumindest ablenken, damit er sein eigentlich es Ziel wieder verfolgen konnte. Jedoch hatte er nicht endlos Leute dafür übrig. „Wir werden auf die Berichte warten,“ beschloss er. „Dann entscheide ich, wie wir weiter vorgehen.“

Malice setzte sich halb auf den Tisch, den Sorc benutzt hatte. Die Kristallkugel wurde langsam wieder klar, bereit für neue Benutzung. Doch momentan gab es keine Verwendung für sie. „Wir können die Gefangenen ja nicht ewig durchfüttern. Was machen wir, wenn wir sie nicht mehr brauchen?“

„Du meinst, wenn wir den Drachen nicht beschwören können?“

„Genau. Hast du eine Alternative? Vielleicht lassen sie sich noch für was anderes opfern. Ansonsten…“ Malice grinste fies.

Sorc verdrehte die Augen, aber man erahnte es eher, weil er keine Pupillen hatte. „Was hast du gerade wieder für Fantasien?“

„Hey, warum soll ich keine Fantasien haben? Da sind lauter geile Weiber da unten und der eine Kerl hat auch lange Haare. Er ist ziemlich schmal gebaut. Würde also auch als Frau durchgehen.“

„Du musst es ziemlich geil gefunden haben, seinen Rücken zu zerschneiden.“

„Das kannst du aber laut sagen.“ Malice leckte sich die Lippen, die Geste hatte etwas Wahnsinniges an sich.

Sorc machte sich Sorgen, ob seine Wahl an Verbündeten vielleicht nicht immer ganz richtig war. Malice schien manchmal das Ziel ihrer Bemühungen aus den Augen zu verlieren und statt dessen irgendwelche Rachegelüste zu haben. Allerdings hatte Crimson ihm nichts getan, was also hatte er für ein Problem mit ihm? Konnte eigentlich nur sein, dass er unter den gleichen Namen wie Dark auf den Spielkarten erschien, und Dark hatte ihm so einiges an Ärger bereitet, im Deck des Pharaos. Das war aber doch etwas weit hergeholt. Dark und Crimson waren Rivalen, was für einen Sinn hätte das dann? Naja, wahnsinnige Leute suchten nicht immer nach einer Logik. Wahrscheinlich kam der Magier ihm gerade recht, um seinen Frust abzubauen.

Schließlich blinkte Sorcs Kristallkugel wieder auf, und das Gesicht eines koboldartigen Wesens erschien. Der Spion versteckte sich anscheinend irgendwo im Wald, denn die Umgebung wirkte sehr dunkel und voller Blätter. „Meister! Eine Gruppe ist von hier weggeflogen, auf einem Drachen, einem Pferd und Vögeln! Das war kurz nachdem die anderen, die beim Vampir waren, angekommen waren!“

„Konntest du näher ran, um Einzelheiten zu erfahren?“ fragte Sorc.

„Nein, immer wenn ich das versuche, kriege ich einen Schlag und bin ne Weile bewusstlos!“

Malice grummelte unwillig vor sich hin. Auch Sorc war nicht ganz zufrieden. Es war schöner gewesen, als sie noch Spione im Inneren gehabt hatten, solche, die nicht wussten, dass sie Spione waren. Die waren aber leider alle aufgeflogen. Manchmal hatte er den Eindruck, dass er in seiner Position etwas besser organisiert hätte sein müssen. Aber es war nicht mehr zu ändern, er war eben auch ein Chaosmagier. Jemand wie er plante nicht besonders viel. Jedenfalls nicht besonders weit voraus.

„Beobachte weiter, so gut du kannst, und berichte, wenn etwas Neues passiert, auch wenn es unwichtig aussieht!“ befahl Sorc. Er beendete die Verbindung, und das letzte, was man sah und hörte, waren die Ehrerbietungen seines Lakaien. Kurz dachte er darüber nach, ob er den anderen Spitzel von sich aus kontaktieren sollte, aber das barg immer das Risiko, dass er diesen damit verriet, weil er sich gerade irgendwo unter Feinden versteckte. Also musste er warten, bis der Bericht eintrudelte.

Das geschah dann aber auch gleich, denn die Schergen hatten bestimmte Zeiten mit Sorc vereinbart, die nur dann geändert wurden, wenn ein guter Grund vorlag, etwa ein unvorhergesehener Zwischenfall. Der Beobachter beim Fünfgötterberg meldete sich. Es war eine Frau, oder besser, ein Mädchen, das ziemlich heruntergekommen aussah. Sorc hatte sie extra für diese Mission ausgewählt, weil sie in dieser Verkleidung den Helden eine tragische Geschichte auftischen konnte. Normalerweise war sie zusammen mit ihrer Schwester für das Kräuterlager zuständig.

Das Mädchen befand sich anscheinend in der Nähe des Lagers des Drachenhauchordens, das man im Hintergrund sehen konnte. Sie schaute sich ab und zu dorthin um. „Sorc, mein Gebieter, ich habe mich beim Drachenhauchorden eingeschlichen. Sie halten mich für eine schutzbedürftige Jungfer. Bisher ist aber noch nichts passiert… sie halten sich nahe beim Gipfel auf und gehen alle paar Stunden dorthin, um irgendwelche Rituale zu vollziehen. Inzwischen überlegen sie, ob sie den Drachen nicht doch beschwören sollen, obwohl sie das eigentlich nicht vorhatten. Die meisten sind aber dagegen, weil sie es erst vor einigen Jahren gemacht haben und es auch ziemlich gefährlich ist.“

Sorc nickte. „Gut. Bleib dort und sag uns Bescheid, falls jemand Neues auftaucht. Kürzlich ist eine Gruppe von der Feenburg aufgebrochen, die eventuell zum Berg will.“

„Jawohl. Ach ja, Meister Sorc… vergesst nicht, meiner Schwester schon mal das Geld zu geben, sonst sag ich denen alles.“

„Es wird alles so ablaufen wie vereinbart.“ Sorc beendete die Verbindung. „Freche Göre, aber sie ist zu gut für solche Missionen und weiß es…“

Malice schaute ihn ganz erstaunt an, dann veränderte sich sein Gesichtsausdruck wieder zum üblichen, fiesen Grinsen. „Naja, wenn du meinst… Soll ich mir die Schwester mal vornehmen, damit demnächst Ruhe ist?“

„Klappe.“

„Ich mein’ ja nur…“

„Ich glaube es wird Zeit, dass wir in Aktion treten. Olvin, bereite unsere Gefangenen auf die Abreise vor, lass Vorräte einpacken und etwa 50 Kämpfer antreten.“

Auf Sorcs Befehl hin entfernte sich der untersetzte, kleine Magier und machte ein paar Gesten, worauf mehrere der anwesenden Unterweltler ihm folgten.

Malice war offensichtlich überrascht. „Ich dachte, wir können da jetzt nicht hin?“

„Nicht auf den Gipfel.“ Sorc lächelte hinterhältig, ohne seine Pläne näher zu erläutern.
 

***

Fortsetzung folgt.
 

Ich mache vielleicht eine Extraserie zu FW, wo dann zusätzliche (Adult-)Episoden oder weggelassene Szenen vorkommen, wie man es manchmal auf DVDs findet. Zum Beispiel habe ich mal im Zug, als ich länger unterwegs war, geschrieben, was eigentlich passierte, als Appi mit Genesis alleine war... Da dies allerdings für die Geschichte nicht so wichtig ist und ihr auch nicht immerzu mit dem Vampir gelangweilt werden sollt, kommt das nicht in der eigentlichen Serie vor. Sollte ich mich für dieses Extra entscheiden, sage ich aber in der nächsten Folge bescheid.

Fünfgötterberg

So, da habe ich endlich die nächste Episode geschafft! Hierbei empfielt es sich, den Film "Das letzte Einhorn" vorher nochmal zu sehen, weil ich ein oder zwei Szenen einsetze bzw. etwas veralbere, und zwar da, wo Crimson aufs Meer blickt und dann beim Szenenwechsel. Das kam so über mich, ich hoffe, ihr findet es lustig. Es ist aber nicht zwingend notwendig, dass man "Das letzte Einhorn" kennt.

Des weiteren lernen wir nun endlich den Drachenhauchorden etwas näher kennen und jemand namens Blacky spielt mit...
 

Samstag früh/Mittag
 

Fremde Welten 47: Fünfgötterberg
 

Die Gefangenen verhielten sich fügsam, als Sorcs Leute sie nach dem Frühstück aus dem Verließ holten. Der Gruppe wurde ein Bad gestattet bzw. aufgedrängt, dann bekamen sie stabile Kleidung wie für eine Reise. Das war recht merkwürdig, schließlich hatten sie gedacht, ihr letztes Stündlein habe bald geschlagen, weil Sorc sie in der Nähe für irgendetwas benutzen wollte. Was das betraf, konnte man noch immer nicht das Gegenteil annehmen, aber zumindest war wohl eine längere Reise nötig.

Als sie auf einen der Türme stiegen und schließlich auf der Dachplattform ankamen, sahen sie zum ersten Mal die umgebende Landschaft. Crimson und die Frauen schauten sich ungläubig um. Zu einer Seite erstreckte sich ein Meer. Küstenvögel flogen kreischend über ihren Köpfen dahin. Sie waren in Schwindel erregender Höhe über den Steilklippen, und der Wind pfiff ihnen von der See her um die Ohren. Crimsons Haare wehten dramatisch im Wind, aber auch die seiner weiblichen Mitgefangenen.

Vom Schloss führte ein schmaler, von schroffen Felsen umgebener Weg weg, der dann in eine unerwartet hübsche Landschaft überging. Crimson konnte das Schloss unter sich nicht völlig sehen, aber die anderen Türmchen und weitere Bauteile, die sichtbar waren, wirkten recht stabil und waren aus grauen, von Wind und Wetter gezeichneten Steinen gebaut. An manchen Stellen sah man, dass etwas ausgebessert worden war. Insgesamt jedenfalls war das nicht gerade ein Schloss, wo man einen dunklen Herrscher vermuten würde. Vielleicht hatte Sorc es unlängst erobert. Während der Weißhaarige noch versuchte, seinen Standort zu bestimmen, näherten sich vom Land her fliegende Wesen. Er konnte sich schon denken, was das werden sollte. Sie wurden jetzt an den Ort gebracht, an dem sich ihr Schicksal erfüllen sollte. Seltsamerweise ließ ihn das eher kalt.

Die Gruppe blieb dicht zusammen. Im Moment verwehrte ihnen das keiner, und sie waren auch nicht gefesselt. Crimson trat an die Brüstung, schaute hinunter und erwog, sich in die Fluten zu stürzen, statt Sorcs Spiel mitzumachen, verwarf den Gedanken aber. Alle waren sich in der letzten Nacht einig geworden, einfach zu tun, was der Magier wollte. So traf es niemanden an ihrer Stelle und es war vielleicht schnell vorüber, ohne dass noch jemand gequält wurde. Sorc schien das zu wissen, denn er ließ sie zwar bewachen, aber auch nicht übermäßig.

Die ganze Gruppe trug Kleidung in Dunkelblau oder schwarz, die teilweise nicht richtig passte, aber was wollte man erwarten. Dazu gab es einen Umhang. Crimsons war hellblau. Er fragte sich, ob Sorc gerne Umhänge in seiner Hautfarbe mochte. Aber während er da stand und den Wellen zusah, konnte er sich für einen Moment einbilden, alles wäre in Ordnung.

Dann aber trat jemand an ihn heran. „Nicht!“ Crimson wich zurück und funkelte Malice drohend an, verärgert darüber, dass er eine gewisse Furcht vor dem Kerl verspürte.

Der Strubbelkopf war zwischen ihn und die Frauen gelangt. Er machte eine versöhnliche Geste, grinste aber dabei berechnend. „Ich werde dich schon nicht anrühren. Was gibt es da zu sehen?“

„Natürlich das Meer, Vollidiot.“

„Ah ja, das Meer... ist immer gut. Es gibt nichts, was ich mir besonders lange ansehen kann, aber das Meer beruhigt irgendwie mein Gemüt.“

„Hä?“
 

***
 

„Du bist das letzte.“ Eine einfache Feststellung.

„Majestät, ich... ich verstehe nicht... Ich sehe überhaupt nichts im Wasser!“ Eine verwirrte Äußerung.

„Du verleugnest dich also immer noch? Wagst es immer noch, zu behaupten ein Mensch zu sein? Ich werde dich zu den anderen hinunter stoßen, wenn du es wagst, dich weiter zu verleugnen!“ Erst ein ernstes Nachhaken, dann wurde die Stimme drohend mit einem Hauch von Irrsinn.

„Was sagt Ihr da?“ Erschrecken!

„Es muss so sein. Ich kann mich nicht irren.“ Marik drehte sich zu Seto um. „Siehst du? So habe ich das gemeint. Du musst mehr Gefühl reinlegen.“

Ryou, in einem provisorischen, hellblauen Bettlaken statt eines Kleides, machte ein dramatisches Gesicht. „Oh... das war so Furcht erregend. Sicher, dass du nicht König Haggard spielen willst, Marik?“

Der Blonde lachte und gab den Umhang, den sie für Haggard benutzten, an Seto zurück. Es war im Moment erst noch nur ein Mantel. „So, jetzt versuch es noch mal.“

Seto seufzte und nahm das Kostümteil entgegen. Ryou baute sich an der Balkonbrüstung auf und schaute in den Garten, denn einen Turm, von dem aus man aufs Meer schauen konnte, hatten sie ja bisher nicht.

Seto stellte sich daneben und räusperte sich. Hinter sich hörte er, wie Mokuba Popcorn kaute, während er zusah. „Du bist das letzte.“ sagte er sachlich.

Ryou brachte wieder seinen verwirrten Gesichtsausdruck zustande. „Aber Majestät, i-ich verstehe nicht, ich sehe überhaupt nichts im Wasser!“

„Du leugnest dich also immer noch? Wagst es immer noch, zu behaupten, ein Mensch zu sein?“ Seto merkte selber, dass er das zu sehr im Stil des kühlen Firmenchefs sagte. Bevor ihn jemand korrigieren konnte, gab er Zeichen, dass er es noch einmal versuchen wollte. Er dachte an die Duellarena, was ihn gleich viel besser in die richtige Laune versetzte, und legte eine unterschwellige Drohung in seine Stimme: „Du leugnest dich also immer noch? Wagst es immer noch, zu behaupten, ein Mensch zu sein?“ Er packte Ryous Hände und rückte ihm auf die Pelle, dass der Kleinere sich gefährlich über die Brüstung lehnen musste. „Ich werde dich zu den anderen hinunter stoßen, wenn du es wagst, dich weiter zu verleugnen!“

Diesmal jubelte das Publikum, und Seto konnte Yamis Stimme heraushören. Dafür hatte es sich ja direkt schon gelohnt.

„Super, so langsam kriegst du es hin,“ meinte Marik. „Das wurde aber auch Zeit.“

Sie probten schon wie verrückt, hatten sich den Film drei bis fünfmal angesehen und richteten sich nach einem Drehbuch, dass Thea geschrieben hatte, es war aber nur vorläufig.

„Warum müssen wir mit dieser Szene anfangen? Die kommt doch ganz hinten!“ beschwerte Seto sich. Die anderen hatten ihm zwar schon oft erklärt, dass es auf die Reihenfolge jetzt noch nicht ankam, aber das stellte ihn nicht zufrieden. Eigentlich war er ja auch nur sauer, weil er nicht in Ruhe mit Yami rummachen konnte. Auch wurde er natürlich von der Arbeit abgehalten – wenn er schon auf seinen Liebsten verzichten musste, dann sollte man ja wenigstens etwas Sinnvollen machen können.

Die ganze Truppe lungerte in seinem Haus rum. Wenn sie nicht gerade Kostüme bearbeiteten oder entwarfen, wurde in willkürlicher Reihenfolge irgendwas geprobt, das Drehbuch nachgebessert, der Film noch einmal gesehen, das Buch zu Rate gezogen oder diskutiert, wo die Unterschiede zwischen beiden waren. Es war insgesamt ziemlich planlos, also etwas, das überhaupt nicht zu ihm, dem Firmenchef, passte. Er musste alles Tage im Voraus planen. Dass er noch eine Minute vorher nicht wusste, was gleich geschehen sollte, ging ihm mehr auf den Keks als irgendwelche stressigen Termine.

„Wir müssen doch wissen, ob du nicht ne Fehlbesetzung für die Rolle bist,“ grinste Tristan.

„Naja, er hat sich ja schon ganz gut geschlagen,“ meinte Joey.

„Pah! Als ob ich auf eure Meinung wert lege,“ grummelte Seto. „Ihr wolltet doch unbedingt, dass ich diese Rolle annehme! Meine Idee war das nicht.“

„Gib’s doch zu, du hättest es nicht ertragen, wenn ein anderer den König gespielt hätte.“ Das war Yami, er fiel ihm auch noch in den Rücken! „Auch wenn er am Ende verliert… das bist du ja gewohnt!“

„Hey!“ Seto stapfte zu Yami und packte ihn an den Haaren. „Sag das noch mal, und ich erinnere dich mal an einige Gelegenheiten, als DU verloren hast!“

„Hehe… das war aber dann nicht in der Duellarena!“ Und nicht beim Kartenspiel, aber das konnte sich auch jeder denken, ohne dass er es sagte.

Seto schnaufte genervt. Früher hätte es keiner gewagt, so mit ihm zu reden! Er wurde hier echt zu weich. „Reicht euch das denn jetzt oder soll die Szene wiederholt werden?“

„Ach, einmal noch,“ schlug Mokuba von irgendwo im Hintergrund vor.

Na fein. Seto begab sich in Ausgangsstellung und spielte die Szene mit Ryou noch mal… zumindest gab es die leichte Genugtuung, dass Ryou theoretisch eine Weile nackt herumlaufen musste, wenn man dem Buch glaubte. Auch im Film war das Einhorn als Mensch ja erstmal nur mit dem Umhang des Magiers bekleidet. Aber in dieser späteren Szene hatte es ja schon ein Kleid an.

„Wir sollten gleich da weitermachen, wo Haggard dann weggegangen ist und Schmendrick dazukommt,“ schlug Marik vor. „War doch Schmendrick, oder?“ Er blätterte in seinen Notizen.

„Wann bist du eigentlich zum Regisseur geworden?“ erkundigte sich Seto vom Balkon aus.

„Ich habe in der Szene eben nichts anderes zu tun und spiele eh nicht mit,“ erwiderte Marik.

Das würde wohl auch so bleiben, denn er musste ja wieder nach Ägypten zurück und konnte nicht anwesend sein, bis das Stück aufgeführt wurde. Aber auf jeden Fall hatte er sich vorgenommen zu bleiben, bis die derzeitige Krise überwunden war. Seto war das relativ egal, aber den anderen schien es zu helfen. Bitte sehr. Ihn lenkte der ganze Trubel jedenfalls vom momentanen Problem etwas ab…
 

***
 

Nach Stunden kamen sie endlich am Ziel an, einer Höhle im Fünfgötterberg. Aber nicht der Flug hatte so lange gedauert, sondern das Freikämpfen des Weges vom Landeplatz bis zum Ziel. Crimson und seine Mitgefangenen waren völlig unversehrt, weil Sorcs Leute sie beschützt hatten, dafür sahen die aber recht mitgenommen aus. Auch jetzt noch grillte Malice die letzten Viecher, die sich hier eingenistet hatten. Er hatte tatsächlich eine Attacke drauf, das überraschte Crimson ja glatt. Offensichtlich gehörte er aber zum Typ Unterweltler, nicht Magier. Seine Attacke war einfach nur eine zerstörerische Energieentladung, die Feinde vernichtete oder verjagte, je nachdem. Aber was wollte man erwarten, Malice lebte ja noch nicht lange hier. Hatte er vielleicht noch einen Effekt? Crimson blieb wachsam.

Als die Höhle erobert war, also von allem Getier gereinigt, erschuf Sorc ein paar Lichtkugeln. Das konnte jeder Magier, der was auf sich hielt, egal welches Element er vertrat. In dem kalten Licht war in der Mitte der Höhle ein Mosaik auf dem Boden zu sehen, das aber von Schmutz unkenntlich gemacht war. Einige Helfershelfer von Sorc machten sich daran, es notdürftig zu reinigen. Ganz offensichtlich gab es niemanden mehr, der sich regelmäßig darum kümmerte. Das hier ansässige Getier hatte die Höhle mit Nistmaterial, Beutetierknochen und Kot verunreinigt. Die Höhle war hoch genug, um einen großen Drachen zu beherbergen, und als Crimson sah, dass auf dem Mosaik ein Pentagramm zum Vorschein kam, an dessen Zacken je ein farbiges Elementsymbol zu sehen war, schwante ihm endgültig, warum sie hier waren. Auch das Pentagramm war weitläufig genug, um in der Mitte einem Drachen Platz zu bieten.

„Der Fünfgötterdrache?“ entfuhr es ihm, an Sorc gerichtet. Sogleich fiel ihm etwas ein, als Sorcs Grinsen praktisch schon Antwort genug war. „Aber… wozu brauchen wir Runa?“

„Sie wird dafür sorgen, dass der Drache von Licht nicht besiegt werden kann!“ verkündete der Chaoshexer. „Es ist nicht sehr bekannt, aber man kann das erreichen, wenn man ihm ein Lichtmonster als Opfer darbringt, nachdem man ihn beschworen hat.“

Crimson starrte ihn entsetzt an. „Wie jetzt… wird er Runa… fressen? Davon habe ich noch nie was gehört!“

„Er wird mit ihr fusionieren! Damit ist sie natürlich für die Welt verloren. Aber nur, weil du davon nichts weißt, heißt das nicht, dass es nicht geht. Euch Vorbildsmagiern bringt man ja nur die ungefährlichen Sachen bei, das solltest du eigentlich wissen. Etwas, das mit ernsthaften Opfern zu tun hat, wird doch unter den Tisch gekehrt. Aber nur so erlangt man wahre Macht!“ Er winkte eine Gruppe seiner Helfer herbei, die wie ziemlich magere Krieger oder Unterweltler, aber eben noch menschlich aussahen. „Bringt die Gefangenen auf ihre Plätze und bereitet sie vor,“ befahl Sorc ihnen.

Einer der Typen, der viel stärker war als erwartet, packte Crimsons Arme und schob ihn zu dem Feld, auf dem ein Zeichen für Dunkelheit zu sehen war, ein schwarzer Strudel. „Zieh die Klamotten aus,“ befahl er dann.

„Was? Gibt es jetzt auch noch Opferkleidung?“ entfuhr es dem Weißhaarigen. Doch er bekam nur ein Grinsen zur Antwort, und es schien, als gäbe es keine. Seufzend kam er der Aufforderung nach. Auch die Frauen taten das, und es war zumindest ein Trost, dass er zum Schluss noch ihren Anblick genießen konnte. Als er sich ganz entkleidet hatte, bog sein Aufpasser ihm die Arme nach hinten und fesselte die Handgelenke auf dem Rücken. Dann zwang er Crimson auf die Knie und stellte sich hinter ihn, um zu verhindern, dass er aufstand, denn es gab nichts, woran man die Gefangenen fesseln konnte. Auch die Frauen wurden auf diese Weise auf ihren jeweiligen Feldern auf das Ritual vorbereitet. Nur Runa nicht: Sie wurde außer an den Händen auch an den Füßen gefesselt und in die Mitte des Pentagramms auf den Boden gelegt. Sie wehrte sich, bis sie schließlich schluchzend liegen blieb. Sie war auch nackt. Ihre Vorderseite war Crimson teilweise zugewandt, aber er konnte auch sehen, dass sich ihr weißes Haar hinter ihr in langen Wellen fächerte.

„Runa…“ hörte er Erias Stimme von der anderen Seite. Sie klang weinerlich.

Paladia war links neben ihm. „Wir werden dich rächen, Schwester.“

Haryielle sagte nichts, aber sie sah sehr erschüttert aus. Als Harpyie hielt sie sich oft mit sentimentalen Äußerungen zurück, anscheinend war das diesem Volk eigen, da sie sich eher als ein Schwarm verstanden.

Burstinatrix war auf Crimsons anderer Seite. „Wir müssen doch was tun können…“

„Es wird eh nicht klappen,“ meinte Crimson. „Von diesem Ritual habe ich noch nie was gehört. Selbst wenn es etwas ist, das unter den Tisch gekehrt wurde, wie Sorc sagt, müsste es Gerüchte darüber geben, Aufzeichnungen in alten Büchern, irgendwas!“

Sie wussten alle, dass er keiner dieser Vorzeigemagier von der Akademie war. Wenn er diese Variante nicht kannte, war es sehr wahrscheinlich, dass es sie nicht gab. Leider hieß das nicht, dass man sie nicht ausprobieren und zum Erfolg führen konnte… allerdings tat Sorc so, als wäre es eine altbewährte Methode, also war das kein Test. Wie auch immer… all diese Theorien schlossen niemals aus, dass Runa trotzdem starb, selbst wenn der Drache sie nicht fraß. Vielleicht tötete er sie einfach nur so, oder sie starb, während er sich materialisierte…

„Es ist zu spät, um jetzt noch etwas zu ändern,“ sagte Haryielle bedrückt. „Wir haben doch darüber gesprochen… Wenn wir nicht mitmachen, trifft es andere, und wir werden trotzdem getötet. Wir müssen… den Schaden in Grenzen halten.“

„Lasst es uns einfach zu Ende bringen,“ nickte Paladia mit belegter Stimme. „Jemand wird diesen Drachen aufhalten.“

„Wenn meine Kollegen hiervon erfahren…!“ Burstinatrix funkelte wütend in die Runde, ihre Verzweiflung überspielend.

„Ich wünschte, ich hätte vorher noch mit meinem Vater geredet,“ murmelte Eria.

„Fang endlich an, Sorc!“ rief Runa trotzig. „Der Boden ist kalt!“

Das stimmte, auch Crimson fror, aber das fiel ihm nur als Nebensache auf. Malice und Sorc hatten am Rand gestanden und getuschelt, wobei der Blonde wie immer ein irres Grinsen drauf hatte. Nun kamen sie wohl zum Schluss. Sie nickten einander ein paar Mal zu, dann trat Sorc in den Kreis. „Ich sehe, ihr seid schon ganz ungeduldig,“ grinste er. „Dann soll es gewiss an mir nicht liegen…“

„Ich hoffe, ihr überlebt das Ritual,“ spöttelte Malice von der Seite. Seine Stimme hatte eine Unterton, der den Gefangenen nicht gefiel, auch wenn sie nicht so recht wussten, was er wohl meinte.

Crimson spannte sich an und sah aus den Augenwinkeln, dass auch seine Mitgegangenen sich mehr oder weniger aufrecht hinknieten. Sie waren nicht bereit, wie Schwächlinge zu enden. Dabei fühlten sie sich vermutlich so, wenn es den anderen ansatzweise so ging wie ihm selbst. Crimson hatte noch nie solche Angst gehabt. Nicht einmal, als sie ihn in dem Folterkeller auf den Tisch gedrängt hatten, um ihm ein Bannsiegel in den Rücken zu schneiden. Da hatte er gewusst, wie es enden würde, dass es wehtun würde und dass er eine Lösung für das Problem finden würde, und wenn es die war, die Magie völlig aufzugeben und ein Krieger zu werden. Er hatte gewusst, dass er es überleben würde.

Doch das Bannsiegel betraf nur ihn persönlich. Das hier konnte das ganze Schattenreich erschüttern. Und es würde vielleicht die Leben der fünf Opfer kosten, bevor es Runas forderte. Crimson machte sich ganz besonders Sorgen um Eria. Haryielle, Burstinatrix und Paladia waren starke Kriegerinnen. Er selbst hatte sich nach dem Bannsiegel gut erholt. Doch Eria war noch ein Kind. Sie war geschwächt, nachdem Sorc sie gefoltert hatte. Sie war sicherlich die erste, die ihr Leben verlor…

Sorc breitete theatralisch die Arme aus und begann die Beschwörung. Crimson hörte nicht zu, denn er startete seine eigene. Es war eigentlich ein tonloses Flüstern, nur ein Bewegen der Lippen, als würde er beten. „Nicht meine Schülerin… ich gebe gerne von meiner Kraft, was ihr fehlt…“ Natürlich konnte sie offiziell nicht seine Schülerin sein, aber die Regeln der Magier hatten ihn ja noch nie sonderlich beeindruckt. Deshalb scheute er sich auch nicht, die Magie anzurufen, obwohl er keine benutzen konnte. Das hieß ja noch lange nicht, dass sie nicht auf ihn hörte, wenn er lieb fragte. „Alle Kräfte der Magie… beschützt Eria! Sie hat doch ihr Leben noch vor sich…“ Sein Blick fiel auch auf Runa, aber er wusste instinktiv, dass er für sie nichts tun konnte. Die anderen, also auch Eria, waren im selben magischen Vorgang verstrickt wie er, Runa jedoch nicht.

Haryielle keuchte auf. Hatte es begonnen? Crimson merkte noch nicht wirklich etwas, außer dass die Realität irgendwie verschwamm. Er spürte den harten Boden unter seinen Knien nicht mehr und schloss die Augen, um sich dem Gefühl hinzugeben, eins zu werden mit etwas Größerem… es war eine faszinierende Erfahrung, trotz ihrer Schrecklichkeit. Dann aber gab es einen heftigen Ruck. Es fühlte sich so an wie damals, als der bekloppte Arcana ihn für diese Ectoplasma-Zauberkarte geopfert hatte. Und da sage noch jemand, das war ja nur ein Spiel!

Er stöhnte gepeinigt auf und konnte nur noch vermuten, dass sein Körper in sich zusammen sackte. Viel mehr war er sich der Tatsache bewusst, dass etwas Neues in seiner Nähe war, eine Wesenheit von gigantischer Energie. Runa schrie panikartig. Ihre Schreie brachen plötzlich ab. Vielleicht waren nur seine Sinne schon zu schwach, überlegte er, aber im Grunde wusste er es doch besser. Schließlich entglitt er aber vollends aus der Wirklichkeit und driftete hinüber in die Schwärze der Ohnmacht, die dicht vor dem Tod kam…
 

***
 

Als Sorc von seiner Festung aufbrach, waren auch Yugi und seine Begleiter unterwegs. Ihr Weg war allerdings etwas weiter, und so erreichten sie den Fünfgötterberg, als Sorcs Leute gerade den Weg in die Höhle freikämpften. Es gab in der Nähe des Gipfels, wo sich ein von fünf Säulen gesäumter, großer Platz befand, ein von oben deutlich sichtbares Lager aus verschieden großen, bunten Zelten. Yugi und Appi taten es den Amazonen nach, die ihre Vögel unterhalb davon landen ließen, und Sekunden später setzte auch Mystics geflügeltes Pferd dort auf. Auf dieser Seite war der Berg flacher als auf der anderen, wo er relativ steil abfiel und von kleinwüchsigen Bäumen bewachsen war, die aus jeder Ritze sprossen, in die etwas Erde gefallen war. Allerdings führte auch auf dieser Seite ein Weg nach oben, der sich gefährlich schmal hin und her schlängelte. Viel einfacher war es, fliegend anzureisen oder den Aufstieg von der flacheren Seite zu wagen.

„Wozu gibt es an der anderen Seite einen Weg, wenn alle von hier nach oben kommen?“ wollte Yugi wissen.

„Das tun eben nicht alle,“ erklärte Mystic. „Ich weiß es nicht genau, gehe aber davon aus, dass manche Besucher den steileren Weg bevorzugen, wenn sie nicht um den Berg herum wandern wollen. Wahrscheinlich gibt es in der Felswand ab und zu eine Höhle, die jemand erreichen will. Hat jedenfalls von oben so ausgesehen, und offenbar wird der Weg auch noch ab und zu benutzt, sonst wäre er nicht so deutlich zu erkennen.“

„Vielleicht klettert der Drachenhauchorden da hoch, weil sie es heldenhafter finden, und schlagen dann hier drüben ihr Lager auf,“ witzelte Appi.

„Steht hier nicht rum!“ Amazia schritt rasch an ihnen vorbei, dicht gefolgt von Rohka.

Doch weit kam sie nicht, denn ein Krieger in einer roten Rüstung trat ihnen entgegen. „Halt! Wer da? Oh… Yugi!“ Der Krieger ließ sein Schwert sinken und hob den Kopf, so dass sie unter den schnabelähnlich überstehenden Teil des Helms schauen konnten, der das Gesicht halb verdeckte, wenn er nach unten sah. „Und Appi! Wenn ihr Gerfried und Freed sucht, die sind nicht hier…“

Appi blinzelte verwirrt, hauptsächlich, weil der Typ ihn kannte. Die Amazonen hatten nach den Waffen gegriffen, während sich Mystic im Hintergrund hielt und die Augen verdrehte.

Yugi fiel als Erstem auf, wen sie vor sich hatten. „Breaker? Hey, dich hab ich zum letzten Mal auf der Duellinsel gesehen!“

Der Magierkrieger steckte sein Schwert in die Scheide auf seinem Rücken und nahm dann mit der freien Hand den Halm ab. „Hey! Du treibst dich auch überall rum, was? Ah, ist das nicht die Mystische Elfe? Und zwei Amazonen! Was treibt euch denn her?“ Er zeigte sich nicht sonderlich beeindruckt von den Kriegerinnen, sondern nahm sie eher als Nebenfiguren zur Kenntnis, wie Yugi auffiel. Das schienen sie ihm aber nicht so sehr übel zu nehmen, sondern sie musterten ihn mit dem Blick, den Amazonen hatten, wenn sie einen Mann auf genetische Brauchbarkeit abschätzten.

„Wir haben Grund zu der Annahme, dass ein gewisser Sorc mit einigen Gefangenen hier auftauchen wird,“ ergriff Appi das Wort mit dem gleichen Selbstbewusstsein, das er schon in der Feenburg an den Tag gelegt hatte. „Er will wahrscheinlich den Fünfgötterdrachen beschwören.“

Breaker lachte amüsiert. „Aber nicht heute oder morgen!“

„Davon haben wir auch schon gehört,“ fuhr Appi unbeirrt fort. „Dennoch mussten wir sicher gehen, dass hier nichts dergleichen passiert. Wir könnten euch die ganze Geschichte erzählen, dir und deinen Kollegen…“

Breaker nickte. „Von mir aus. Geht in das große Zelt da drüben, ich hole ein paar Leute.“

Das große Zelt entpuppte sich als das Essenszelt. Davor brutzelte ein Braten über offenem Feuer und über einem anderen Feuer köchelte Suppe in einem gigantischen Kessel von der Sorte, wie man ihn in Filmen immer im Besitz von Magiern sah. Ein paar Männer standen darum herum und verfolgten die Gruppe neugierig mit Blicken, während die Amazonen wiederum sie interessiert abschätzten. Ein junges, rothaariges Mädchen in einfacher Kleidung sprang eifrig herum und bot Teller mit Essen an.

Yugi und die anderen setzten sich alle in einer Reihe irgendwo in der Mitte hin und warteten. Die Tische waren in mehreren Reihen organisiert, so ähnlich wie früher in Burg Drachenfels. Breaker brauchte eine Weile, bis er selbst wieder dazukam, aber nach und nach trudelten Krieger ein, die er benachrichtigt hatte, bis das ganze Zelt besetzt war. Yugi erkannte die meisten nicht, weil sie nicht ihre üblichen Rüstungen trugen, aber er stellte so seine Vermutungen an.

Als Letzter kam ein besonders beeindruckender Mann herein. Er hatte einen rotbraunen Pferdeschwanz und grünliche Haut. Abgesehen von der Hautfarbe, die für Yugis Begriffe eher unästhetisch war, sah er verdammt gut aus, das musste sogar Yugi zugeben. Er trug ein schlichtes Hemd und Lederhosen. Die Sachen spannten sich über ansehnliche Muskeln. Er kam auf die Gäste zu, lächelte strahlend, und beugte sich über Mystics, Amazias und Rohkas Hände, um sie in dieser Reihenfolge galant zu küssen. „Willkommen, meine Damen. Mein Name ist Black Luster.“

Die Frauen seufzten und schmolzen förmlich dahin. Yugi hätte schwören können, dass seine Zähne beim Lächeln weiß aufblitzten. Der Krieger setzte sich in der Nähe auf einen freien Platz.

Sodann trat eine erwartungsvolle Stille ein. Yugi hatte es gar nicht gemerkt und den Krieger angestarrt, was er erst beendete, als Appi das Wort ergriff – er war anscheinend der Einzige, der nicht von dem Schönling regelrecht hingerissen war. Yugi riss sich von dem Anblick des Kriegers los. Was sollte denn das!

Appi erhob sich und schilderte sachlich die Ereignisse, nannte die Namen der Verschwundenen, soweit sie sie wussten, und erläuterte, was sie vermuteten. Die Krieger hörten aufmerksam zu. Ab und zu ging ein Raunen durch ihre Reihen, aber sie unterbrachen den Zauberschüler nicht.

Im Anschluss sprach wieder Breaker. „Nun... wenn euer Feind mit den Gefangenen herkommen würde, würden wir ihn natürlich bekämpfen. Aber wir können nicht nach ihm suchen gehen. Der Drachenhauchorden schlägt sich auf keine Seite.“

„Wir wissen das,“ nickte Appi. „Und wir glauben auch, dass Sorc sich nicht absichtlich mit euch anlegen wird. Aber sagt... gibt es noch eine andere Möglichkeit, den Fünfgötterdrachen zu beschwören, außer hier oben?“

Gemurmel ging durch die Versammlung. Dann meldete sich ein Veteran vom Rande der Tischreihen zu Wort. „Ganz früher, vor mehr als hundert Jahren Schattenreichzeit, war ein Tempel in einer Höhle der Ort dafür, bevor es sich durchgesetzt hat, den Drachen von hier oben aus zu beschwören. Der Zugang ist am Fuße des Berges, an der steilen Seite.“

„Ach das...“ Black Luster winkte ab. „Da geht keiner mehr hin, es wimmelt da von düsteren Kreaturen. Relativ harmlose Viecher, aber in großen Mengen sind sie eine echte Plage und gar nicht mal so ungefährlich.

„Wir müssen nachsehen,“ beschloss Appi, und damit nahm er Yugi das Wort aus dem Munde.

„Nein, ich weiß, was wir machen.“ Black Luster stand auf. „Wir beschwören den Drachen selber, dann kann der andere es nicht mehr machen. Ihr fünf bleibt hier. Eine Abordnung von uns wird in die Höhle hinabsteigen.“

„Kommt nicht in Frage, ich komme auch mit!“ rief Amazia und kam auf die Füße, ebenso Rohka. „Es geht um unsere Kinder!“

„Na gut. Breaker, geh mit, wenn es um einen Zauberer geht, sollte ein Zauberer dabei sein. Schnapp dir ein paar Männer, und wenn da unten etwas vorgeht, das da nicht hingehört, mach dem ein Ende.“

„Wollte ich gerade vorschlagen, Blacky.“ Breaker rief einige andere Männer namentlich an und verließ mit ihnen und den Amazonen das Zelt.

„Blacky?!“ Yugi guckte zu dem großen Krieger. „Naja, Black Luster ist ja auch eher lang, aber…“ Dass der Name schon besetzt war, konnte er ja schlecht sagen, immerhin hatte Kayos den nicht gepachtet.

„Ist was?“ fragte Black Luster neugierig.

„Äh… ich kenne einen Magier, der auf den Namen Blacky hört.“

Black Luster sah ihn einen Moment nachdenklich an, dann erhellte sich sein Gesicht. „Ach ja! Kayos vom Friedenslicht-Orden! Na was soll’s, Blacky ist eben ein schlichter Kosename. Sobald man Black irgendwas als Name hat, wird man so abgekürzt.“ Der Krieger seufzte, als wäre dieser Name eine Bürde, die er selbstlos trug. „Nun denn! Ich werde die Opferzeremonie vorbereiten. Gilford! Swift Gaia! Möbius! Mr. Volcano! Folgt mir. Haaach! Ich sollte Sorc danken, eigentlich wollten wir den Drachen ja gar nicht beschwören, und ich wollte doch so gerne mitmachen…“

„Bist du nicht Licht?“ hakte Yugi nach.

„Nicht, wenn man mich als Ritual beschwört!“ freute Luster sich, und Yugi wunderte sich, woher die Monster im Schattenreich wussten, welchem Element sie gerade zugetan waren, wenn sie in der Welt des Blauen Lichts mehrere Elemente haben konnten. Der Krieger rieb sich nachdenklich das Kinn. „Zu dumm, das Avian fehlt, haben wir noch ein Windelement?“

„Ich!“ Eine grünhaarige Frau stand aus den Reihen im Zelt auf.

„Ah, Lady Yae! Natürlich!“ Luster hielt ihr galant die Arme entgegen und lächelte, dass sie trotz ihrer kühlen Ninjafassade deutlich dahinschmolz.

„Was ist mit Gilford? Habt ihr denn mit ihm nicht Erde doppelt? Oder ist er jetzt gerade Licht?“ zweifelte Yugi.

„Er wird die Beschwörung aufsagen. Außerdem ist er die Legende, also Erde. Sein Bruder ist Licht, Gilford der Blitz.“

„Das sind Brüder?!“

„Ja… Zwillinge.“

„Aha…“

Black Luster fand offenbar gar nichts dabei, das zu erzählen, und fragte auch gar nicht, warum Yugi das nicht wusste. Vermutlich ging er einfach nicht davon aus, dass jeder die internen Angelegenheiten des Kriegerordens bzw. die Familienverhältnisse der einzelnen Mitglieder genau kannte, aber selbige schienen auch nicht geheim zu sein.

Die erwählten Personen scharten sich um ihn, während die übrigen sich teilweise anschlossen und teilweise wieder anderen Beschäftigungen zuwandten. Yugi, Appi und Mystic folgten den Kriegern auf den Gipfel.

Oben angekommen, beobachtete sie, wie sich die Krieger an den entsprechend markierten Ecken eines Pentagramms aufstellten, das im Bodenmosaik zu erkennen war. Gilford nahm eine Schriftrolle in die Hand und wartete.

Die Krieger legten ihre schwereren Rüstungsteile ab, sofern sie welche trugten, und während sie das taten, kam ein junger Blondschopf dazu und überreichte jedem eine Handvoll Stoff, die sich als eine Art rituelles Gewand erwies. Gewand war eigentlich schon zuviel gesagt. Als die Gruppe die Kleidung angelegt hatte, trug jeder nicht mehr als das, was gerade nötig war, um die intimsten Teile zu verdecken, nämlich ein Tuch, das so um die Hüften gebunden war, dass es an der Vorderseite herabhing und bei einem Windstoß weitere Einblicke gewährte. Lady Yae hatte noch ein weiteres Tuch um den Nacken gelegt, dessen Enden über ihre Brüste hingen. Nur Gilford war ausgenommen, aber er zog seine schützenden Rüstungsteile ebenfalls aus, so dass er nur noch das Untergewand trug. Die Zuschauer machten es wie er.

Yugi nutzte den Moment, um Möbius genauer zu betrachten… auf der Karte trug er immer eine Rüstung am ganzen Körper, man wusste gar nicht, wie er aussah. Der große, kräftige Frostmonarch hatte ganz weiße Haut und auch kurze, weiße Haare, die glatt an seinem Kopf anlagen. Er hatte einen hohen Haaransatz, was ihn sehr aristokratisch aussehen ließ, aber er wirkte trotzdem relativ jung, vielleicht dreißig. Seine Augen waren eisblau und man hatte den Eindruck, dass es in seiner Gegenwart mehrere Grad kälter wurde. Hätte jemand gesagt, er sei der Weiße Drache in Menschengestalt, hätte Yugi das auch geglaubt.

„Solltet ihr nicht lieber bereit sein, euch zu verteidigen?“ erkundigte sich Mystic.

„Aber nein! Wir erweisen dem Fünfgötterdrachen Ehre!“ klärte Gilford sie auf. „Anderen mögen diese Formalitäten egal sein, aber wir halten uns daran.“

Die Elfe rieb sich die Schläfen und hatte für einen Moment einen Ausdruck tiefer Konzentration im Gesicht. Yugi fand, dass sie dabei ihrem Bruder sehr ähnelte. „Ihr dürft nicht so lange zögern, Sorc ist bereits… Ah! Ooooh…“

„Mystic! Was ist denn los?“ Appi eilte an ihre Seite und stützte sie, als sie zu taumeln begann.

„Ich kann es sehen,“ murmelte sie. „Sorc hat das Ritual schon begonnen!“

Gilford hatte sie gehört. Er hielt die Schriftrolle vor sein Gesicht. „Ich überspringe die Einleitung. Black Luster, Lady Yae, Möbius, Gaia und Volcano, macht euch bereit…“

Die Opfer knieten sich feierlich an ihren Plätzen nieder, hielten dabei ihre Oberkörper gerade und schlossen in ruhiger Konzentration die Augen. Gilford trat in das Pentagramm.

Yugi sah mit klopfendem Herzen zu. Doch Mystic, die sich einigermaßen gefangen hatte, nahm ihn beiseite. „Es wird nicht klappen, du musst Slifer beschwören!“

„Was?“ Yugi war erschrocken, damit hatte er nicht gerechnet. „Bist du sicher?“

Sie nickte drängend. „Ich habe eine Gedankenverbindung mit Blacky, seit ich von seiner Seite gewichen bin… und ich glaube, er kann sehen, was sein Vater tut! Es ist schon zu spät!“

Neben ihnen hatte Gilford mit der Beschwörungsformel begonnen. Es war ein ziemlich aufwändiger Text, der sich damit beschäftigte, dass der großmächtige, Ehrfurcht gebietende Drache die Opfer annehmen möge, ein typischer Anbetungstext, der aber viel zu lange dauerte, wenn man es eilig hatte.

Yugis Herz begann heftig zu schlagen. Beim letzten Mal hatte er den Vorgang nicht gerade angenehm gefunden, andererseits wollte er auch gerne etwas beitragen… aber gegen den Fünfgötterdrachen? „Ich kann ihn nicht besiegen… Slifer ist kein Lichtmonster!“

„Aber du kannst ihn erstmal aufhalten!“ beharrte Mytic.

Der Junge nickte zögernd. „Ist gut… ich mache es.“ Er rannte ein Stück weg, um nicht bei seiner Verwandlung die Krieger zu zerquetschen. Appi folgte ihm, hielt sich aber in sicherer Entfernung.

„Geh lieber zu den anderen!“ rief Yugi.

„Quatsch! Ich lasse dich nicht alleine!“ beharrte der Magier.

Yugi wollte nicht lange diskutieren. Aus der tiefe des Berges kam ein Beben, ein tiefes Grollen, das sich zu einem fürchterlichen Drachengebrüll entwickelte. Es klang sogar nach einer ganzen Drachenhorde… oder einem Drachen mit fünf Mäulern.

Gilford hatte seine Beschwörung beendet. Aber nichts geschah, jedenfalls nicht auf dem Gipfel. „Die anderen waren schneller,“ stellte Gilford unnötigerweise fest. „Zu den Waffen!“

Unter großem Klimpern und Klappern wurden zahlreiche Rüstungen in großer Eile angelegt, dennoch wirkte all das völlig routiniert und gelassen.

Yugi schloss die Augen und konzentrierte sich. [Slifer! Wir brauchen hier deine Hilfe!]

[WIE DU WÜNSCHST, STERBLICHER! SEI BEREIT!]
 

***

Fortsetzung folgt.

Die Bestie in mir

Endlich! Ich hab noch mehr Zeug, habe mich aber entschieden, das auf mehrere Folgen aufzuteilen. Es soll noch eine Szene in der Welt des Blauen Lichts hinzukommen. Jetzt kriegt ihr erstmal so viel, dass es meiner Durchschnitts-Episodenlänge entspricht. Bald geht es weiter, und danach hoffentlich auch noch...^^

Enjoy!
 


 

Samstag Mittag → Sonntag
 

Fremde Welten 48: Die Bestie in mir
 

Die Beschwörung des Göttermonsters war wiedermal nicht das, was Yugi als angenehm bezeichnet hätte. Das Zeichen auf seinem Rücken fing an zu brennen, bis er schrie und in die Knie ging. Die Verwandlung selbst fühlte sich seltsam unwirklich an, etwa so, als wäre er betrunken. Er war erst wieder bei vollem Bewusstsein, als er auf den kleinen Appi auf dem Boden herab blickte. Slifer hatte zwar Füße, aber üblicherweise nicht auf dem Boden. Er schwebte immer, auch wenn er nicht mit den Flügeln schlug.

Yugi senkte den roten Drachenkopf nach unten, so dass Appi auf ihn steigen konnte. Als er abheben wollte, hielt ihn noch etwas zurück. „Halt, wartet noch!“ Gilford rannte auf ihn zu, wobei er Teile seiner Rüstung mit sich trug, die er schnell noch anlegte. „Lass mich dir helfen!“

Er schien sich überhaupt nicht zu wundern, wie Yugi auf einmal zu Slifer werden konnte, und er zögerte auch nicht, einfach hinter Appi aufzusteigen. Wahrscheinlich hatte Breaker dem Orden schon berichtet, was es mit Yugi auf sich hatte. Oder diese Truppe ließ sich durch solche Trivialitäten einfach nicht beeindrucken.

Zu seiner Überraschung schloss Black Luster sich Gilford nicht an. Er war noch damit beschäftigt, seine Rüstung anzuziehen, und währenddessen verteilte er Anweisungen. War er hier der Anführer? Auf jeden Fall wohl derjenige, auf den alle wegen seines unwiderstehlichen Charismas hörten. Yugi hatte ihn auch so eingeschätzt, dass er die Gelegenheit wahrnahm, auf einem Götterdrachen zu reiten, aber ganz so selbstverliebt war er dann wohl doch nicht. Yugi kam auch nicht umhin, ihn trotz dieser Eigenschaft zu mögen.

Der Berg erbebte, wie er unter seinen Vorderfüßen bemerkte. Man hörte erneut das Brüllen aus dem Inneren. Yugi hob schnell ab, sicher war der Gegner nicht weit. Aber wo? Wo war er? Er musste eine Möglichkeit haben, die Höhle da unten zu verlassen, sonst machte es keinen Sinn, ihn dort zu beschwören. Yugi stieg höher und blickte nach unten, während er den Berg umkreiste. Und dann war es soweit: Obwohl auf dem Gipfel die Beschwörung misslungen war, materialisierte sich der Fünfgötterdrache dort. Er sah aus Yugis Sicht momentan klein aus, aber die Krieger daneben zeigten den erschreckenden Größenunterschied.

Der Fünfgötterdrache, der Yugi ja von verschiedenen Gelegenheiten bekannt war, spie einmal Attacken mit verschiedenen Elementen in die Runde, dann hob er ab und stürzte sich auf den Himmelsdrachen. Offensichtlich war er von dessen Göttlichkeit nicht sonderlich beeindruckt. Da Yugi nicht viel Ahnung davon hatte, wie man mit so einem Drachenkörper taktisch kämpfte, verlegte er sich ausnahmsweise auf rohe Gewalt. Der Gegner war gerade erst beschworen worden. Quasi von selbst öffnete sich sein zweites Maul und entließ einen Energiestrahl, der den gelben Drachen einhüllte und schwächte. Aber er wusste nicht, wie sich das in der Wirklichkeit auswirkte, wenn ihn das auf dem Duelplatz 2000 seiner Angriffspunkte gekostet hätte. Yugi fackelte nicht lange, sondern schlug mit dem Schwanz nach ihm. Das warf den anderen zurück zu Boden, und er landete unterhalb des Camps. Schon war Yugi über ihm. Es war größenordnungsmäßig etwa so, als würde er einen zehnjähriges Kind verprügeln. Aber für Sentimentalität war hier der falsche Platz.

Der Fünfgötterdrache gab nicht auf, obwohl er unterlegen schien. Er biss sich mit vier Mäulern in seinem Gegner fest und spuckte mit dem Wasserkopf Eis in sein Gesicht. Gilford sprang von Yugi herunter und attackierte den Wasserkopf, der sich daraufhin ihm zu wandte. Yugi schüttelte eine Eiskruste von seinem Hals. Er wich zurück, um die zahnbewehrten Mäuler abzuschütteln. Der Feuerkopf hatte nicht einmal wirklich Zähne, dafür war er wie eine Greifzange, deren Enden sich wie spitze Haken ins Fleisch ihres Opfers bohrten. Die Flammen verbrannten schmerzhaft Yugis rote Schuppen. Er brüllte vor Schmerz und Ärger. Da hatte er schon die Gestalt eines unbezwingbaren Drachen, und dann solche Probleme! Er schlug mit einer Pranke nach dem Feind, während Gilford beinahe vereist wurde. Er wurde den Fünfgötterdrachen los, aber dessen Zähne rissen dabei unterschiedlich schlimme Wunden in sein Fleisch.

„Pass gefälligst besser auf, Yugi, unverwundbar bist du nicht!“ schimpfte Appi mit ihm.

Yugi gab als Antwort ein verärgertes Knurren von sich. Er wusste ja selber, dass Größe und Angriffskraft nicht alles war, daher ärgerte es ihn umso mehr, dass er verletzt worden war.

Von weiter oben kamen nun zahlreiche Krieger herbei, in Rüstungen und gut bewaffnet. Als der Fünfgötterdrache das sah, zog er es anscheinend vor, sich erstmal zu verziehen, denn diese Übermacht war dann doch nicht empfehlenswert. Er schoss in die Höhe und suchte das weite in Richtung Gipfel, den er überflog, um dann dahinter zu verschwinden, doch er flog in niedriger Höhe weiter, statt in seine Höhle zurück zu kehren.

Yugi setzte ihm nach. Er wollte ihn nicht entkommen lassen, denn früher oder später würde das Biest wieder angreifen! Lieber bestimmte er selbst den Ort. Doch auch seine Feinde hatten sich Gedanken gemacht. Mehrere Drachen mit Reitern kamen vom Fuss des Berges und stellten sich dem Göttermonster. Es machte den Eindruck, als wollten sie unter Einsatz ihres Lebens dafür sorgen, dass der Plan ihres Herrn nicht vereitelt wurde, denn sie waren alle keine wirklichen Gegner. Diesmal hütete Yugi sich aber, sie zu unterschätzen, schließlich tauchten sie in größeren Mengen auf. Er feuerte aus seinem zweiten Maul in die Reihen seiner Gegner, konnte aber nicht alle erwischen. Einige derer, die er traf, setzte dieser Angriff bereits außer Gefecht. Von seinem Rücken aus warf Appi magische Energiekugeln.

Leider hielt der Angriff von Sorcs Lakaien ihn so lange auf, dass Yugi den Fünfgötterdrachen trotz seiner Größe aus den Augen verlor. Verärgert bekämpfte er die Lakaien noch wilder. Er merkte, das diese Gestalt seinen Character veränderte... statt der liebe, zurückhaltende Junge zu sein, wurde er regelrecht zur Bestie, wenn er kämpfte. Und im Moment störte es ihn nicht einmal, obwohl er wusste, dass er sich darüber Sorgen machen müsste.

Appi versuchte, ihn etwas zu beruhigen, aber er hörte nicht darauf, sondern schmetterte die anderen Drachen gnadenlos zu Boden. Die schmerzenden Bisswunden machten ihn erst recht wütend, wenn er sie während des Kampfes störend bemerkte. Als der Weg frei war, jagte er in die Richtung, in der der Fünfgötterdrache verschwunden war, doch er konnte ihn nicht mehr finden. Entweder war er unglaublich schnell oder hatte sich versteckt. Beides fand er ziemlich feige, doch wenn er mit seinem menschlichen Verstand darüber nachdachte, war es das, was er auch gemacht hätte. Frustriert kehrte er zurück und landete schließlich auf dem Fünfgötterberg, wobei er das Mosaik auf dem Gipfel beschädigte und zwei Säulen umschubste. Appi sagte irgendetwas tadelndes.

Der Zauberschüler sprang von seinem Rücken herunter und baute sich vor seinem Gesicht auf. „Kriegst du es hin, dich zurück zu verwandeln? Sei vorsichtig, du blutest!“

Yugi gab ein zischendes Geräusch von sich. [Was ist mit den Kriegern, die den Berg runter gestiegen sind? Sollen wir ihnen helfen?]

„Ich glaube nicht, dass das nötig sein wird. Wir reden hier vom Drachenhauchorden.“

[Na gut...] Es kostete Yugi schon ein bisschen Konzentration, in seine normale Gestalt zurück zu kommen. Er hatte zwischenzeitlich den Eindruck, als wollte er das auch gar nicht. Als es ihm schließlich gelungen war, fühlte er sich seltsam kraftlos, aber das überraschte ihn nicht. An seiner Brust und seinem Hals waren Bisspuren, die jetzt so aussahen, als stammten sie von einem Hund. Eine davon war tiefer, die von dem hakenförmigen Maul des Feuerkopfes. Sie war mit einer Brandwunde kombiniert. Yugi stöhnte auf und sackte in die Knie.

Appi fing ihn ab und ließ ihn sachte zu Boden gleiten. „Du solltest dir wirklich angewöhnen, dich vorher auszuziehen.“ Er grinste. „Aber dafür haste wieder ein paar rote Schuppen behalten, und wer weiß was noch...“

„Oh... Mist... Mann ist mir schlecht!“

„Jedenfalls hast du den Drachen erstmal in die Flucht geschlagen, das reicht ja für den Moment. Der muss sich erstmal erholen.“

„Ich hätte mich mehr anstrengen müssen! Vielleicht hätten wir ihn besiegt, schließlich hatte der Treffer am Anfang ihm Angriffskraft genommen!“

Appi tätschelte die Schulter seines Freudes. „Und vielleicht ist das in der Realität etwas anders als auf dem Spielfeld, wer kann das sagen? Wir werden schon mit ihm fertig. Sorc schickt ihn bestimmt gegen das Feenschloss, was sonst sollte er tun? Bis dahin haben wir uns darauf vorbereitet, denn er kann das heute sicher nicht mehr machen.“

Yugi schaute auf. „Sag mal... wie lange bleibt der Drache denn jetzt hier, nachdem die ihn beschworen haben? Wird er nicht irgendwann wieder verschwinden?“

„Weiß ich nicht... wahrscheinlich, wenn er besiegt ist...“

Appi half Yugi, die Zelte zu erreichen, wo ihnen jemand entgegen kam und ihnen das Lazarettzelt zeigte. Dort wurden Yugis Verletzungen verbunden und er bekam etwas zum Überziehen, allerdings war es nur ein Hemdchen, das ihn an Krankenhaus erinnerte. Im Moment interessierte ihn das nicht besonders. Er legte sich auf ein Feldbett und schlief vor Erschöpfung ein.
 

***
 

Sorc musste in der Höhle unter dem Berg eine Niederlage einstecken. Seine Leute, geschwächt vom Freikämpfen des Weges gegen unzählige kleine, lästige Viecher, hatten Breakers Männern nicht viel entgegen zu setzen, zumal einige geschickt wurden, um Slifer aufzuhalten, damit er nicht gleich den Fünfgötterdrachen erledigte – oder eher, ihn so lange aufhielt, bis ihn ein Lichtkrieger erwischte. Sorc wollte da kein Risiko eingehen, aber das führte dazu, dass er und der Rest seiner Truppe die Höhle nicht halten konnten. Sie mussten die Gefangenen zurücklassen, sehr zum Verdruss von Malice, der sich ziemlich lautstark beschwerte, als sie auf einem Drachen gemeinsam zum Stützpunkt zurück flogen. Aber es wäre lästig gewesen, auch nur eine bewusstlose Person mitzunehmen.

„Was ist mit Ruin, kommt sie nach?“ erkundigte sich Malice. „Und warum sitzt DU vorne?“

Sorc blickte nach unten, sah noch Slifer in der Ferne verschwinden, als er versuchte, den Fünfgötterdrachen einzuholen. Seine Gefolgsdrachen waren besiegt und lagen am Boden oder waren geflohen, aber die würden mit ihren Reitern schon nachkommen. Schließlich wussten die Lakaien ja nicht, wo sie sonst hin sollten. Letztendlich war es Sorc egal, wenn er erstmal sein Ziel erreicht hatte, aber bis dahin behielt er lieber so viele Mitarbeiter wie möglich.

„Sie kommt schon zurecht,“ antwortete er Malice schließlich. „Die Helden werden niemanden verfolgen, dafür sind sie zu edelmütig. Sie besiegen uns jetzt und sind damit zufrieden. Zumal der Orden sich eh nur mit etwas befasst, das ihn direkt betrifft. Die Drachen erholen sich auch, jedenfalls die meisten...“ Er ging nicht auf die andere Frage ein.

„Warum habe ich nur immer das Gefühl, dass deine hoch brillianten Pläne nicht gelungen sind?“ moserte Malice.

„Wieso immer? Wir haben den Drachen doch beschworen! Er wird uns zum Hauptquartier folgen und dann sehen wir weiter. Der Himmelsdrache hat ihn übersehen, dabei hat er sich doch nur in den Schatten da unten versteckt... Wie die meisten Drachen kann er sich klein machen. Naja unser kleiner Yugi ist eben noch unerfahren. Wir werden bald am Ziel sein. Ruhen wir uns etwas aus, und dann geht es zur Sache.“

Vor allem musste sich wohl der Fünfgötterdrache regenerieren. Sorc wollte ja nicht mit einem schlappen Supermonster angreifen, das wäre peinlich. Er fand, dass ihr Plan geglückt war. Eventuell war die kleine Wassermagierin tot, weil sie zu erschöpft gewesen war, aber das interessierte ihn nicht weiter. Er rechnete diesmal fest mit einem Erfolg. Seine noblen Gegner waren zu edelmütig, um effektiv zu sein. Würden sie einen Drachen bekämpfen, der Runa mit sich vereint hatte, wenn sie noch eine Chance sahen, die Frau zu retten? Das war der Trumph, auf den er noch bauen konnte! Aber ganz davon abgesehen gab es kaum ein Monster, das es mit dem Drachen aufnehmen konnte. Jedenfalls keins, das man mal eben aus dem Ärmel zog. Dieses Mal war der Erfolg ihnen gewiss.
 

***
 

Als Crimson allmählich wieder seine Umgebung bewusst wahrnahm, erkannte er, dass er nicht mehr auf kalten Steinen lag. Unter seinem Rücken befand sich eine weiche Unterlage und etwas war über ihn gedeckt. Die Augen zu öffnen erschien ihm sehr anstrengend, daher beschränkte er sich darauf, das rechte Lid einen Spalt weit zu heben. Über ihm war eine Zeltplane gespannt. Er erkannte das an der grauweißen, leicht dreckig aussehenden Farbe und einer Querstange, die durch sein Blickfeld verlief. Außerdem roch es wie in einem Zeltlager, nach Erde, zertretenem Gras, feuchten Textilien und Eintopf, aber auch nach Medizin, vielleicht in Form von Kräutertee.

Ob das positiv zu bewerten war, vermochte er noch nicht zu sagen. Er fühlte sich ein wenig erleichtert, aber das Lager konnte auch Sorc gehören, obwohl er sich nicht erinnern konnte, dass der Spinner Zelte mitgenommen hatte. Crimson wollte sich aber noch nichts vormachen. Bis er von jemandem, den er kannte und der nicht im Kerker mit ihm gewesen war, etwas anderes gesagt bekam, rechnete er noch mit dem Schlimmsten.

Er musste wohl irgendwie gezeigt haben, dass er bei Bewusstsein war, denn jemand strich ihm mit einer sanften, aber schwieligen Hand über die Wange und sprach seinen Namen, eine Frau. Aber es war nicht Runa, auch keine der anderen. Instinktiv sammelte er seine Magie, nur um festzustellen, dass sie nicht reagierte. Es war, als würde er jemanden rufen, der in einem Haus mit geschlossenen Fenstern und Türen eingesperrt war.

Die Hand und die Stimme blieben hartnäckig, und es ging so weit, dass die Frau seinen Kopf anhob und ihm etwas Wasser anbot. Crimson fand es es unglaublich mühsam, aber er bewegte die Lippen und schluckte, was ihm daraufhin eingetrichtert wurde. Welche Wohltat! Auf einmal war er richtig gierig und wollte mehr, konnte aber nicht so schnell trinken, wie er es sich wünschte. Er schluckte, was er bekam, und es dauerte bestimmt eine Minute, bis er etwa einen halben Becher geleert hatte. Dann befand seine Helferin, dass es erstmal reichte, und ließ seinen Kopf wieder auf das flache Kissen sinken. Sie nannte ihn „mein Junge“. Verwundert zwang er sich, beide Augen aufzuschlagen und sie anzusehen.

Er kannte die Frau nicht, und doch... irgendwie schien sie ihm vertraut. Sie war blond, älter als er, und kriegerisch gekleidet. Ihr Stil erinnerte ihn an Paladia. Eine Amazone? Doch nicht etwa...? Er wollte etwas sagen, doch seine Stimmbänder spielten nicht mit. Seine Hände waren zu schwer. Diese Situation war so nicht tragbar!

Energisch versuchte er, sich auf den Ellenbogen abzustützen, doch er schaffte es nur mit ihrer Hilfe und eiserner Willenskraft. Bei der Gelegenheit schaute er sich in dem Zelt um, und nun gab es auch keinen Zweifel mehr, dass es ein Zelt war. Ein großes mit mehreren Feldbetten drin. Einige waren belegt: Er sah Haryielle zuerst, sie hockte zusammen gekauert wie ein frierender Vogel auf der Liegefläche, doch es schien ihr gut zu gehen. Paladia lag auf ihrem Bett, aber sie war wach und blickte in seine Richtung. Als sie sah, dass sie seine Aufmerksamkeit hatte, lächelte sie. Burstinatrix saß auf ihrem Bett, stützte aber den Kopf schwer auf ihre Ellenbogen, die wiederum auf ihren Knien ruhten. Und Eria... ja, sie war auch noch am Leben. Crimson sah, dass eine andere Amazone an ihrem Bett saß und ihr Wasser zu trinken gab. Eria konnte alleine sitzen, die Amazone hielt aber vorsichtshalber eine Hand an ihren Rücken. War er etwa der letzte, der zu sich kam?!

Er blickte wieder zu 'seiner' Amazone. „Mutter...?“

Sie lächelte strahlend, legte einen Arm um seine Schultern und drückte ihn kräftig. „Mein Junge... die anderen haben mir berichtet, wie tapfer du warst, ich bin ja so stolz... Wie schade, dass wir uns erst so begegnen, aber dein Vater war nie gerne auf Reisen, auch nicht zu mir...“

Oh... hatten sie ihr etwa alles erzählt? Er lächelte gequält. „Ähm... ja... ist ungünstig...“ Viel mehr brachte er nicht heraus und er war auch nicht der Typ für Sentimentalitäten, was aber wohl in ihrem Sinne war.

„Mein Name ist Amazia,“ stellte sie sich vor. „Ich bin eine der Truppenführerinnen meines Stammes. Paladia gehört auch zu uns. Sie hat gesagt, dass du ihr gefällst...“ Ihre Augen blitzten berechnend.

„Ich... fühle mich geehrt,“ murmelte Crimson. Er sank wieder zurück auf die Liege. Warum war er noch so geschafft, wenn alle anderen zumindest sitzen konnten? Und machte es eine Amazone besonders stolz, wenn ihr Sohn einer anderen gefiel?

Die dünne Decke, die Crimsons Körper bedeckt hatte, war bei seinen Bemühungen ein Stückchen nach unten gerutscht. Amazia deckte ihn wieder zu, aber als sich der Stoff auf seiner nackten Haut bewegte, fiel ihm auf, dass er anscheinend gar keine Kleidung trug. Seine Gefährtinnen hatten alle etwas Behelfsmäßiges an, aber sie waren ja auch schon länger wach. Wie lange eigentlich? Er versuchte, an der Deckenplane des Zeltes die Zeit abzuschätzen, aber das war nicht leicht – er wusste nicht, wie dick oder wie dreckig die Plane war, doch es schien noch Tag zu sein, nicht etwa Nacht. Oder war die Nacht schon vorbei?

„Ist... Vater auch da? Erkundigte er sich. Das war ihm wichtig, denn Shiro war die wichtigste Bezugsperson in seinem Leben. Eigentlich auch die einzige, wenn man von Dark als seinem Rivalen absah. Er war ein vom Vater allein erzogenes Kind.

„Er wartet draußen,“ antwortete Amazia. „Wir haben uns seit gestern Nachmittag damit abgewechselt, neben dir zu wachen. Eigentlich sollte er jetzt etwas schlafen, aber das gelang uns beiden bisher nicht.“

Crimson runzelte die Stirn. Anscheinend war es doch schon der nächste Tag. Aber das war ganz logisch, wenn man einem übermächtigen Monster geopfert worden war. Wenigstens schienen es nicht mehrere Tage zu sein.

„Ich gehe ihn holen,“ schlug die Amazone vor und tat das dann auch. In der Zwischenzeit blieben Crimson ein paar Augenblicke für sich. Erleichterung überkam ihn: Er und die anderen waren wirklich gerettet! Das allein zählte. Alles drumherum erfuhr er schon noch, und das Siegel wurde er los, sobald er ein paar Bücher durchforstet hatte. Unwillkürlich musste er an die Behauptung von Malice denken, dass er der Einzige war, der es lösen konnte. Unsinn! Das war bestimmt nur so eine Behauptung, um sich wichtig zu machen. Nicht wahr? Crimson stellte fest, dass er den Gedanken nicht ertragen konnte, seine Kräfte für immer verloren zu haben. Aber bevor er nicht ganz sicher war, dass in keinem Buch etwas stand, gab er nicht auf. Und dann konnte er immer noch irgendwelche weisen Leute besuchen, durch die Welt reisen auf der Suche... Ach herrje, was dachte er da? Er würde Malice zwingen, ihm die Lösung zu verraten! Ganz einfach!

Seine etwas düsteren Gedanken wurden in dem Moment zum Glück von Shiro unterbrochen, der nun das Zelt betrat. Amazia war bei ihm, aber sie ging zu Paladia, überließ ihm das Feld. Shiro beschleunigte seine Schritte und fiel regelrecht neben dem niedrigen Feldbett auf die Knie. Mit dem Oberkörper lag er halb auf Crimson in einer seltsamen Art der Umarmung. Es dauerte nur kurz, doch in dieser Zeit schwankte Crimson zwischen sich freuen, gerührt sein, sich wundern und belustigt sein. All diese Gefühle waren fast zu viel. Er entschied sich schließlich, gerührt zu sein, denn sein Vater und er hatten zwar eine innige Beziehung, aber so emotional wurde Shiro eigentlich nie. Besorgt, ja. Manchmal umarmte er seinen Sohn auf kurze, kumpelhafte Weise, etwa wenn er froh war, dass er sein neuestes Experiment überlebt hatte. Doch jetzt... er schien fast zu weinen!

„Ich dachte schon...!“ presste Shiro hervor, doch der Rest kam nicht über seine Lippen. Als er sich schließlich erhob und auf dem Sitzplatz niederließ, sah er sehr geschafft und unausgeschlafen aus. „Erst machen diese Kerle meinen Bruder zu ihrer Marionette, und nun haben sie sich an dir vergriffen! Oh Crimson, ich hatte solche Angst, dass ich dich nie wiedersehe...“

Der Weißhaarige musste glatt lächeln. „So leicht wirst du mich nicht los, Paps. Sag mal... stimmt es, dass Mad Erias Vater ist?“

„Shiro warf einen kurzen Blick zu dem Mädchen hinüber. „Ja doch... Jene Amazone dort ist ihre Mutter, Rohka. Sie weicht seit Stunden nicht von Erias Seite, also seit die Kleine aufgewacht ist. Mad fühlte sich überflüssig und schläft in dem zweiten Zelt, jetzt da er weiß, dass es dem Kind gut geht... Der wird sich noch dafür verantworten müssen, dass er Eria mit einem Trick bei sich behalten hat. Stell dir vor, er hat einer Amazone vorgegaukelt, sie hätte einen Jungen geboren...“

Crimson konnte sich kaum vorstellen, wie das möglich war, aber danach wollte er jetzt nicht weiter fragen. Es gab etwas anderes, das sie betraf, und damit waren sie leider wieder bei dem Thema, das ihm im Moment am meisten zu schaffen machte. „Ich habe Eria versprochen, sie zu unterrichten – sie hasst die Akademie.“

Ein wissendes Lächeln schlich sich auf Shiros Gesicht, hatte er doch das gleiche mit seinem Sohn durchgemacht.

Doch Crimson fuhr fort: „Ich kann im Moment nicht offiziell ihr Lehrer sein. Würdest du dich ihrer annehmen?“

Das Lächeln wich einem besorgten Ausdruck. „Dann ist es also wahr? Crimson, ich mache alles, was dir hilft.“

„Das weiß ich doch...“ Sein Vater war bei ihm. Das überzeugte Crimson endgültig, dass er nichts mehr zu befürchten hatte. Die Erlebnisse der letzten Tage verlangten nach einem Ventil, und er erlaubte nur seinem Vater, jemals seine Schwäche zu sehen. „Bleib... einfach dort sitzen, ja?“ bat er, während sich sein Blick mit Tränen trübte, die er stumm vergoss, damit niemand sonst darauf aufmerksam wurde. Es gab andere Geräusche im Zelt und draußen, aber man hätte ein Schluchzen von ihm wohl trotzdem gehört. Shiro verdeckte den Blick auf sein Gesicht mit seinem Körper. Er war sogar so geistesgegenwärtig, irgendwas zu erzählen, damit Crimson einen Grund hatte zu schweigen, und falls er sich doch durch irgendwelche Geräusche verriet, wurden sie durch die Stimme des Lichtmagiers gedämpft. Crimson hörte halbherzig zu, doch ein paar Dinge erregten seine Aufmerksamkeit, und er fragte nach, als er sich etwas beruhigt hatte. „Ihr wart bei... Lord Genesis? Und Yugi hat Slifer gerufen?“

„Nun, letzteres habe ich nicht selber gesehen, aber der Junge wurde verletzt und ruht sich noch aus. Genesis ist schon recht schräg, aber anscheinend auf seine Art hilfreich... ich fand es interessant, ihm mal persönlich zu begegnen.“

„Er hat auch eine Bibliothek,“ überlegte Crimson. „Und da sind uralte Bücher drin... ich werde ihn schnellstmöglich besuchen. Könntest du inzwischen in unseren Beständen nachsehen? Vielleicht mit etwas Hilfe von ein paar Freiwilligen? Such nach... so etwas...“

Er drehte sich auf den Bauch, so dass Shiro das Siegel sehen konnte. Dieser Akt an sich strengte ihn wahnsinnig an. Wieso war er so schwach? Seine Decke rutschte ihm dabei fast weg, aber Shiro half ihm und strich sie soweit herunter, dass sie über dem Hintern endete. Der Anblick ließ den Magier scharf die Luft einsaugen. Crimson spürte die Finger seines Vaters auf seinem Rücken und verspannte sich. Das ärgerte ihn, denn er wollte auf keinen Fall zu den Leuten gehören, die nach so einem Erlebnis ein Trauma hatten, das sie sogar vor Berührungen geliebter Menschen zurückschrecken ließ! Er bemühte sich um Ruhe und spürte die Finger, wie sie an den frisch vernarbten Schnittstellen auf Wölbungen in der Haut stießen und darüber strichen.

„Sie müssen dich mit irgendwas behandelt haben, das die Wundheilung beschleunigt,“ analysierte Shiro. „Dafür, dass es erst ein paar Tage alt ist, sieht es gut aus... naja im medizinischen Sinne.“ Seine flache Hand strich jetzt beruhigend über die unverletzte Rückenfläche. „Crimson... ich habe so etwas noch nie gesehen, auch nicht in Büchern, und ich lese sie alle regelmäßig, damit ich weiß, wo ich suchen muss. Ich werde nochmal nachsehen, aber ich glaube nicht, dass... Nun, also... gewiss habe ich es übersehen.“

Crimson atmete tief durch. „Schon gut, Paps. Nimm doch jemanden mit, der dir hilft... vielleicht Mad oder so. Ich reise zu Genesis.“ Das sagte sich leicht, denn er konnte kaum aufstehen. „Was ist... mit mir los?!“ Mit Mühe brachte er sich zurück in die Rückenlage.

„Du wurdest dem Fünfgötterdrachen geopfert, das ist ganz normal...“

„Aber die anderen sind auch schon wieder ganz fit!“ Paladia hatte sich aufgesetzt, um mit Amazia zu sprechen, und die übrigen hatten damit offensichtlich auch keine Probleme.

Shiro lächelte sanft. „Eria ist noch ein Kind. Ich habe schon gehört, dass sie durch Folter geschwächt gewesen ist, deshalb wäre es nicht verwunderlich gewesen, wenn sie bei dem Ritual gestorben wäre. Nicht umsonst nimmt man starke, gesunde Opfer für sowas. Denk genau nach, hm?“

„Ich... ich habe versucht...“ Crimsons Augen weiteten sich, als er begriff. Es hatte anscheinend geklappt. Eria war durch seine Kraft am Leben geblieben. Also war er nicht völlig machtlos. Was er noch vermochte, musste sich jedoch erst erweisen.

„Du solltest was essen,“ meinte sein Vater schließlich. „Die anderen hatten alle schon was. Ich werde dir was holen und auch etwas Kleidung organisieren. Danach geht es dir bestimmt besser.“

Crimson nickte nur und ließ ihm machen. Gerne sogar. Mit der Aussicht auf Essen fing sein Magen erfreut an zu knurren...
 

***
 

Fortsetzung folgt.

Die Magie findet einen Weg

So, das versprochene nächste Kapitel! Bei Yami und den anderen ist nicht viel los, aber wenn's nach mir geht, wird es bald rund gehen! Diese Geschichte hat jetzt 98%, ich fürchte, insgesamt werden es 110 oder so. LOL

Ich hab das hier letzte Woche korrigiert, nachdem ich 6 Tage ohne frei gearbeitet habe und immer um 4 oder so aufstehen musste, also hoffe ich mal, dass es einen Sinn macht. Sagt es mir, wenn was nicht stimmt.
 


 

Sonntag
 

Fremde Welten 49: Die Magie findet einen Weg
 

Yugi ging es nach einer Nacht wieder besser. Seine Verletzung schmerzte und zog, aber sie war gut verbunden worden und nicht besonders gefährlich – eine Fleischwunde eben. Er musste nur darauf achten, dass er keine Infektion bekam.

Seit Körper hatte wie beim letzten Mal Schuppen behalten, und er hatte auch wieder ein verlängertes Steißbein. Er fand, dass seine Fingernägel wie Krallen wirkten, und am Haaransatz war ein harter, gewölbter Bereich zu spüren, Ansätze von Slifers Gehörn. Großartig, es wurde anscheinend schlimmer. Dieses Mal waren auch seine Wangen vom Hals aus zur Hälfte rot geschuppt.

Er hatte die Zeit seit dem Kampf gegen den Fünfgötterdrachen im Bett verbracht und sich erholt. Heute früh hatte er etwas gegessen und sich dann Kleidung aus einer Ansammlung von Spenden ausgesucht, die ihm angeboten wurden. Anscheinend hatte jemand alle Krieger, die annähernd seine Statur hatten, dazu aufgefordert, ihm etwas zu überlassen, was sie entbehren konnten. War ja nicht so, als besäßen Krieger nichts zum Wechseln.

Eine Kriegerin hatte ihm eine braune Hose zur Verfügung gestellt, die ihm peinlicherweise trotzdem noch zu groß war, so dass er den Gürtel eng schnallen musste. Ihre Stiefel gingen einigermaßen. Das schwarze Oberteil gehörte einem Ninjakrieger und saß ganz gut, wenn auch etwas locker. Das war aber für den Verband gut.

Im Lager herrschte eifrige Betriebsamkeit. Es sah nicht so aus, als würde der Orden aufbrechen wollen, obwohl der geplante Aufenthalt hier wohl bald vorbei war. Aber man war da flexibel. Die Krieger untersuchten die untere Höhle, als hätten sie eine heilige Stätte entdeckt. In gewisser Weise war es ja auch so. Yugi musste daran denken, dass sein Großvater, der Archäologe, das auch sehr interessant gefunden hätte.

Für ihn gab es nicht sehr viel zu tun, daher sah Yugi sich einfach nur mal um. Appi war hier auch irgendwo, vielleicht bei Crimson und den Frauen, die sie mit ihm befreit hatten. Wegen seiner eigenen Verletzung war Yugi noch nicht dazu gekommen, Darks Rivalen einen Besuch abzustatten.

Während Yugi so durch das Camp wanderte, stieß er plötzlich auf eine seltsame Szene. Er war neben einem der Zelte, wo nicht so oft jemand hin kam. Dort stand ein unscheinbares, harmlos aussehendes Mädchen mit roten Haaren. Sie hielt eine Kugel in der Hand, die wohl aus Kristall oder Glas bestand, und redete damit. Die Kugel schimmerte verschiedenfarbig. Aber was das seltsamste daran war... Mystic stand vor ihr und bedrohte das Mädchen mit einem Schwert, das sie auf den Unterleib gerichtet hatte. Bei Mystic standen Appi und einer der Gilfords.

Yugi näherte sich vorsichtig. Als Appi ihn bemerkte, löste er sich von der Gruppe und kam zu ihm. „Leise, Yugi. Wir haben eine Spionin entdeckt.“

„So? Wie denn das?“

„Mystic. Sie wusste es einfach... durch ihren Bruder. Blacky muss noch irgendwie mit Sorc Kontakt haben, aber ohne dass der es merkt.“

Yugi war nahe genug, um etwas zu hören: „... und haben beschlossen, den Ort hier gründlich abzusuchen. Sie wollen den Drachen finden und unschädlich machen.“ Es gab eine Antwort, aber die war zu leise für Yugi. Anscheinend war die Kugel ein Kommunikationsmittel. Mytic stand wohl so, dass sie am anderen Ende nicht gesehen wurde, sofern das Ding Bilder übertrug. „Nein, sie denken, dass er noch in der Nähe sein muss. Es sind Krieger, die sind recht einfach gestrickt...“ sagte das Mädchen gerade. „Wie lange muss ich noch bleiben? Ich bin es Leid, die Bande zu bekochen! Seid Ihr denn nicht schon für den Angriff bereit?“

Yugi blieb ganz still stehen. Er konnte undeutlich Sorcs Stimme vernehmen, aber die Worte nicht verstehen. Soso... er hatte also auch Spione, die freiwillig für ihn arbeiteten. So wie das Gör mit ihm umsprang, hatte sie keine große Angst vor ihm und war wohl nicht dazu gezwungen worden, sondern eher angeheuert.

Jetzt verdrehte sie theatralisch die Augen. „Ja, die leben alle noch. Ich hab sie aber nicht besucht. Meister, ich muss jetzt wieder zum Kochtopf, also entweder sagt Ihr mir, dass Ihr mich nicht mehr braucht, oder ihr lasst mich besser dafür sorgen, dass meine Tarnung nicht auffliegt...“ Sie seufzte genervt. „Ja, ja...“ Dann wurde die Kugel matt und durchsichtig. Das Mädchen steckte sie in ihre Gürteltasche und sah Mystic fragend an.

Mystic nickte langsam und ließ das Schwert sinken. „Fein. Du wirst ihm jetzt nicht bei nächster Gelegenheit sagen, was wirklich war, verstanden?“

„Pah!“ Das Mädchen machte eine abwinkende Handbewegung. „Mir doch egal. Ich arbeite für ihn, weil er dafür bezahlt. Meine Schwester auch. Aber ob er einen drauf kriegt, interessiert mich nicht weiter, Hauptsache, er gibt meiner Schwester das Geld, ehe er draufgeht.“ Sie schlenderte davon, um sich wohl wirklich wieder dem Kochtopf zuzuwenden.

„Sowas,“ meinte Gilford kopfschüttelnd. „Sie kam her und tat so, als wäre sie in Not, deshalb haben wir ihr das Kochen überlassen... oder besser gesagt, sie wollte kochen, um sich zu bedanken. Naja... im Grunde kann uns ein Spion egal sein. Was werdet ihr jetzt unternehmen?“

Mystic hielt noch das Schwert, das sie aber hatte sinken lassen. „Sorc will als nächstes die Feenburg angreifen, und er wird nicht warten, bis wir uns neu formiert haben. Wir sollten so schnell wie möglich dorthin zurück fliegen. Helft ihr uns? Ich weiß, dass der Orden neutral ist, aber vielleicht der ein oder andere...“

„Ich rede mal mit den anderen. Vielleicht kommt Blacky mit, der fühlt sich persönlich gekränkt, weil er nicht als Opfer dienen durfte. Das wäre ein Grund, sich an Sorc zu rächen.“ Gilford lachte amüsiert und schritt davon, Mystic im Gefolge.

Yugi hatte sich noch nicht daran gewöhnt, dass sie Black Luster auch Blacky nannten. Jedenfalls war er auch sehr dafür, dass sie bald aufbrachen, denn inzwischen waren noch weitere seiner Freunde hier: Mad und Shiro, sowie einige Amazonen, die mit ihren Vögeln Nachrichten hin und her trugen. Soweit Yugi wusste, war Amazia selbst schon einmal hin und her geflogen, um die Nachricht von der Befreiung der Gruppe zu überbringen und dann zu ihrem Sohn zurück zu kehren.

Während Yugi sich nun seinerseits aufmachte, um Crimson einen Besuch abzustatten und die anderen kennen zu lernen, wurde am Himmel ein fliegendes Wesen gesichtet. Nur Minuten später erreichte den Ort ein beeindruckender, geflügelter Mann in einem grünen Anzug wie aus einem Heldencomic. Er sah Yugis Gruppe und fragte sogleich: „Ihr da, wo finde ich Burstinatrix?“

Appi, der Yugi an den Fersen geklebt hatte, übernahm die Führung. „Hier lang, zu dem Zelt da.“

Der Mann folgte, und indessen konnte Yugi sich ihn genauer ansehen. An den Armen und Beinen hatte er Rüstungselemente, die aussahen, als bestünden sie aus organischem Material, links endete das sogar in einer Art Klauenhandschuh. Er trug einen Helm, der schon fast wie eine Krone aussah. Seine Flügel waren ebenfalls mit Metall versehen, was auch noch sehr dekorativ aussah, während es wohl hauptsächlich einen Rüstungszweck erfüllte. Yugi erkannte ihn ganz deutlich wieder: Elementarheld Avian. Vermutlich wollte er Burstinatrix besuchen, die einzige Frau unter den Elementarhelden. Yugi hatte sie noch nicht kennen gelernt, nur davon gehört, dass sie auch dabei war.

Als sie das Zelt erreichten, stießen sie fast mit einem weißhaarigen Krieger zusammen. Aber nein – es war Crimson! Yugi und Appi starrten ihn an, während Avian sich an ihnen vorbei drängelte und ins Zelt schlüpfte. Appi und Yugi starrten gleichermaßen mit offenem Mund.

„Was gibt’s zu glotzen?“ moserte Crimson. Dabei konnte er es sich wahrscheinlich denken, denn er war nicht wieder zu erkennen. Seine Kleidung bestand aus schuppigem, rotbraunem Leder, eventuell von Drachen. Es war im Amazonenstil verarbeitet, also zu einem Lendenschurz und einem Oberteil, das die Brust bedeckte, aber bauchfrei und ärmellos war. Seine langen Haare waren im Nacken zusammengebunden. Einige Zierbändchen aus demselben Leder hielten Federn und Perlenschnüre an seinen Oberarmen. Schuhe gehörten nicht dazu, aber ein breites Lederbändchen am linken Knöchel, damit die Beine nicht so nackt aussahen.

„Geht da vor dem Eingang weg, ihr steht im Weg,“ grummelte Crimson und schob die beiden zur Seite. Er wirkte noch ein bisschen schwach auf den Beinen, aber immerhin ging es ihm wohl ganz gut.

„Wir wollten eh gerade zu dir,“ bemerkte Appi, der bereitwillig etwas vom Zelt weg ging.

Crimson musterte den Blonden von oben bis unten. „Appi, du wirkst fünf Zentimeter größer! Hast du den aufrechten Gang gelernt? Deine Frisur scheint anders zu sein...“

Huh? Das war Yugi noch gar nicht so aufgefallen, aber er war eh so klein, dass es kaum einen Unterschied machte.

„Ich hab's!“ rief Crimson. „Du warst bei Lord Genesis!“

„Wir waren alle da,“ bemerkte Yugi. „Also Appi und ich, Shiro, Amazia, Gerfried, Chani und Neo...“ Aus den Augenwinkeln sah er, dass Appi knallrot angelaufen war.

Crimson lächelte belustigt. „Soso... ihr alle wart da, aber dich hat er vernascht,“ stellte er an den Blonden gewandt fest.

„Vernascht?“ Yugi fragte sich, ob das Wort Zufall war oder eine tiefer gehende Bedeutung hatte.

Crimson drehte ihnen lachend den Rücken zu und entfernte sich ein paar Schritte. Dabei konnten Yugi und Appi den Kreis aus Hyroglyphen und Symbolen sehen, der unter seinem Oberteil hervorschaute. Also stimmte das Gerücht wohl auch, das sie über die Ereignisse in Sorcs Kerker gehört hatten... Die beiden angehenden Magier wechselten einen kurzen Blick und waren sich einig, ihn vorerst nicht darauf anzusprechen. Crimson schlenderte etwas umher, probierte seine Beine aus und streckte seinen Körper. „Aaaah... ich werde Genesis mal einen Besuch abstatten, soll ich ihm was von dir ausrichten, Appi?“

Appi zuckte mit den Augenbrauen und räusperte sich. „Du redest gerade so, als würdest du ihn schon länger kennen... aber soweit ich das verstanden habe, kennt er dich auch.“

Crimson wandte sich in einer schwungvollen Bewegung um und schenkte den beiden ein hochmütiges Lächeln. „Ich bringe ihm manchmal... das Essen.“

Das Essen? Fein, Yugi fragte lieber nicht nach. Hörte sich jedenfalls so an, als würde Crimson den Vampir öfter mal besuchen. Und sich dann beißen lassen... oder vernaschen, wie auch immer... irgendwie passte das zu seinem Character. Schließlich machte er ja auch sonst, was er wollte. Ein bisschen wie Blacky... also der Magier Blacky.

„Ähm... sollen wir dich begleiten?“ erkundigte Yugi sich. Immerhin war Crimson für ihn und Appi sowas wie ein Ersatzlehrer. Aber diese Begründung wollte er im Moment sicher nicht hören, mit seinen gesperrten Kräften. „Du könntest mit uns auf Schattensturm fliegen. Und bist du denn schon wieder stark genug?“

„Ich komme schon klar, ich werde den Vogel meiner Mutter ausleihen,“ winkte Crimson ab. „Aber danke für das Angebot.“

„Warte...“ Appi zog ein Band unter seinem Shirt hervor. „Hier, nimm diesen Ring. Er kann deinen Monstertyp verändern, vielleicht nützt er dir was...“

„Meinen Monstertyp?“ Crimson kam neugierig näher und nahm den Ring an sich. Er knotete das Band auf und steckte ihn sich an den linken Ringfinger. „Hmmm... ah, ich hab's. Ich will eine Fee sein.“

Von dem Ring gingen kurz ein paar Lichtwellen aus und hüllten den Magier ein, um ihn zu einer noch schlankeren Gestalt zu machen, die geradezu zerbrechlich wirkte. Die Haare waren länger, fast bis zum Hintern reichten sie. Dazu hatte er ein Paar weiße Federflügel auf dem Rücken. „Wow! Hahaha! Jetzt kann ich selber hinfliegen! Dann wäre aber vielleicht sogar Drache besser gewesen.“ Er schlug ein bisschen mit den Flügeln und flog erstmal unkontrolliert zur Seite. „Woooaah!“

Appi lachte, er hatte ähnliche Probleme damit gehabt, aber es machte ja auch Spaß. „Leider dauert es ein bisschen, bis man den Ring wieder nutzen kann, du musst warten, bis der Stein wieder rot ist...“

„Ach ja?“ Crimson hielt die Hand so, das sie den Ring sehen konnten, und den Stein auch... er war rot, ganz normal.

„Was? Hey, bei mir dauert es ne Stunde!“ regte Appi sich auf.

„Wirklich?“ Crimson bekam einen nachdenklichen Gesichtsausdruck, während er dastand und auf seine beringte Hand blickte. „Nun... es könnte eine Erklärung dafür geben. Meine Magie ist gesperrt. Aber sie hat mir dennoch geholfen, Energie an Eria zu übertragen, damit sie das Ritual übersteht. Es könnte sein, dass... dass sie noch da ist, aber nur nicht von mir benutzt werden kann... und so macht sie sich halt anders nützlich.“ Er umklammerte seine Linke wie einen wertvollen Schatz. „Mach mich zu einem Drachen.“

Yugi und Appi wichen schnell ein paar Schritte zurück. Crimson verwandelte sich in einen eher kleinen, aber dennoch beeindruckenden Drachen, auf dem man sicher auch gut reiten konnte. Er war von schlanker Gestalt mit einem länglichen Kopf, gefährlichen Zähnen im Maul und einem imposanten Gehörn, das nach hinten zeigte. In Weiß.

„Hey, du siehst aus, als wärst du der 'Heilige Drache' oder so,“ grinste Yugi.

Der Drache brüllte frustriert. [Das war nicht der Sinn der Sache!] übermittelte er telepathisch.

„Also ich find's cool,“ meinte Appi, aber das zählte anscheinend für Crimson nicht. Er überlegte offenbar schon wieder, was er noch machen konnte.

„Ungeheuer-Krieger?“ schlug Yugi vor. „Oder geflügeltes Ungeheuer? Vielleicht wirst du zu einer männlichen Harpyie!“ Die Vorstellung hatte zumindest etwas sehr Verlockendes, das hätte er gerne gesehen.

Man konnte sehen, dass der Drache die Augen verdrehte. Dann nahm er wieder menschliche Gestalt an. Aber halt – er sah etwas blasser aus als sonst, und er hatte wieder Flügel. Lederne dieses Mal, wie eine Fledermaus, nur weiß. „Hach, die Farbe kann man wohl nicht ändern,“ seufzte er. „Aber es scheint gut zu sein, um einen Vampir zu besuchen...“ Er grinste und sah dabei so aus, als sei er selber ein Vampir... wenn die verlängerten Eckzähne irgendwas dazu zu sagen hatten... Die Kleidung war noch ähnlich, hatte sich aber schwarz verfärbt und sah ein bisschen gotisch aus.

„Ein Vampir im Gothic-Amazonen-Look,“ kommentierte Yugi.

„Nur keinen Neid.“ Crimson bewegte probeweise die Flügel. Es schien leichter zu gehen als in Feengestalt, weil die normale Masse seines Körpers sich nicht nennenswert verändert hatte.

„In dieser Gestalt kannst du Genesis aber kaum das Essen bringen, oder saugen Vampire sich gegenseitig aus?“ merkte Appi spitzfindig an. „Was ist eigentlich mit dem Licht? Schadet das nicht?“

„Licht wird überbewertet!“ prahlte Crimson, jedoch verwandelte er sich kurz danach wieder in einen Magier, also seine normale Gestalt. Diese Verwandlung ließ ihn erschrocken aufkeuchen und zwang ihn in die Knie.

Yugi wollte schon zu Hilfe eilen, doch Appi streckte einen Arm seitlich aus und stoppte ihn damit. „Lass ihn.“

Er hatte Recht – Crimson kämpfte sich wieder auf die Füße und sah nicht so aus, als hätte er sich gerne bemuttern lassen. „Verflixt... anscheinend hat das Artefakt Probleme, mich zu einem Magier zu machen, weil... naja ihr wisst schon... Trotzdem danke für den Ring, Appi, diese Kleinigkeit wird mich nicht davon abhalten, ihn zu benutzen.“

Appi nickte einfach, und er wirkte nicht mehr wie ein Junge zwischen Männern, sondern wie ein Mann unter seinesgleichen. Yugi fand es faszinierend.

„Wann willst du zu Genesis aufbrechen?“ erkundigte der Blonde sich sachlich. „Im Moment würde ich dir empfehlen, dich noch zu erholen.“

Crimson winkte ab. „Ich bin ja nicht blöd! Eigentlich war ich auf dem Weg, um was zu essen zu finden, weil ich nur ne Suppe mit trocken Brot hatte. Krieger sind leider nicht für ihre herausragenden Kochkünste bekannt.“

„Wie wahr,“ kommentierte Yugi, der von dem Essen in der Feenburg wesentlich angetaner war als von der Feldration. Nachdenklich schaute er zu Crimson hoch. „Du... nimmst es relativ gelassen... scheint jedenfalls so. Ist alles in Ordnung?“

Der Weißhaarige bekam ein ernstes Gesicht und ließ die beiden für kurze Zeit seine wahren Gefühle sehen. „Es muss, Yugi. Ich finde einen Weg, dieses... Ding unschädlich zu machen. Allerdings muss ich mich wohl mit dem Tattoo an sich abfinden. Die anderen sagen, es ist dekorativ. Naja. Das ist mir egal, wenn es keine Wirkung mehr hat. Ich bin zuversichtlich, dass Genesis was in seiner Bibliothek hat. Mein Vater ist schon unterwegs zum Kristallschloss, um die dortige zu durchsuchen. “

Hinter der Gruppe verließ noch jemand das Zelt, die blonde Amazone Paladia. Ihre Schwestern mussten ihr neue Kleidung besorgt haben, denn sie trug nicht mehr die notdürftigen Kleidungsstücke, die es im Lager gab, sondern ein typisches Amazonenoutfit. Außerdem trug sie einen Bogen bei sich.

Alles andere als männerfeindlich näherte sie sich Crimson. „Ah, da bist du also! Ich möchte jagen gehen... begleitest du mich?“

Er nickte und schlenderte Hand in Hand mit ihr davon. „Bis später, ihr zwei... wenn wir was größeres fangen, geben wir euch was ab!“

Appi und Yugi warteten, bis das Pärchen außer Hörweite war. „Anscheinend hat er schon eine alternative Karriere gefunden. Der Typ ist schon irgendwie seltsam.“ Appi kratzte sich nachdenklich am Kopf. „Und warum kriegen alle eine ab, bloß ich nicht?!“

„Erzähl doch jetzt mal was darüber, wie der Vampir dich vernascht hat,“ neckte Yugi ihn. Er war ja schon neugierig. War da echt nur der Biss gemeint? „Sag schon, wo waren seine Zähne außer an deinem Hals?“

Doch Appi ließ sich nicht erweichen. „Das geht dich nichts an.“

Schade, aber anscheinend hatte Appi sich wirklich weiter entwickelt. Er ließ sich nicht mehr zu unbedachten Äußerungen provozieren. Nun, das war vielleicht eine gute Sache.

Während Appi und Yugi da herum standen, gesellte sich Amazia zu ihnen, die gerade aus dem Zelt kam. Sie sah zufrieden aus. „Na, ihr beiden? Hach, ich kann der ganzen Sache noch einen Vorteil abgewinnen; mein Sohn wird sein Blut an eine junge Amazone weitergeben! Außerdem hat Rohka ihre Tochter gefunden, allein dafür hat es sich gelohnt... Bedauerlich ist nur, dass wohl eine aus der Gruppe gestorben ist, eine Fee namens Runa. Aber vielleicht gibt es noch Hoffnung, denn sie ist anscheinend mit dem Drachen fusioniert...“

Yugi warf Appi einen Blick zu. Das hatte man ihnen noch nicht gesagt. „Aber... es gibt keine bekannte Fusion mit dem Fünfgötterdrachen...“ Im Grunde sprach nichts dagegen, dass es im Reich der Schatten trotzdem funktionierte, aber warum sollte man sowas machen?

Amazia hob nur ratlos die Schultern. „Ich weiß es auch nicht, aber so haben Crimson und seine Gruppe es erzählt. Yugi, du kommst doch aus der Welt des Blauen Lichts, kann man eine solche Fusion nicht wieder rückgängig machen? Das Schlimme ist nämlich, dass der Drache dadurch wahrscheinlich unempfindlich gegen Lichtmagie geworden ist.“

Oha, das war sehr bedenklich, erklärte aber Sorcs Motiv. Yugi fröstelte. „Wir sollten ganz schnell zur Feenburg fliegen. Und dort tun, was wir können... Ich weiß aber nicht, ob wir Runa helfen können, aber wir sollten es versuchen.“

Burstinatrix und Avian traten aus dem Zelt und hatten die letzten Sätze gehört. „Wir werden euch beistehen,“ verkündete der geflügelte Krieger. Er war zwar auch Mitglied im Orden, aber momentan schien er sich mehr als Burstinatrix' Teamkollege zu fühlen. Die Hilfe wurde natürlich sehr gerne angenommen.

Amazia hatte nun wohl eine freundlichere Einstellung zu Yugi und Appi, aber das bedeutete nicht, dass sie ein Kind von ihnen wollte oder die beiden ihren Schwestern empfahl. Zumindest hatten die beiden aber das Gefühl, dass sie nun besser mit ihr auskommen würden. Die Gesamtstimmung im Lager war allerdings etwas bedrückt, oder vielleicht war es auch Anspannung? Die Krieger liefen öfter in ihrer Rüstung herum und kümmerten sich besonders fürsorglich um ihre Waffen. Es war nicht mehr zu übersehen, dass es mal wieder sehr ernst wurde...
 

***
 

In der Welt des blauen Lichts bewirkte Yugis erneute Verwandlung freilich ein vorläufiges Ende sämtlicher Theaterproben. Jedenfalls, bis Yami aufhörte, sich stöhnend und manchmal schreiend am Boden zu wälzen. Danach meinte Tristan, dass er ja nun viel besser dafür geeignet sei, den Roten Stier zu spielen, und schlug vor, dass man doch statt des Stiers Slifer nehmen könnte. Eine Idee, die durchaus Anklang fand, gleich nachdem Seto Tristan fast eine reingehauen hätte.

Yami sah nun ungefähr so aus wie Yugi... auch bei ihm war am Haaransatz eine Verdickung zu erahnen. „Oh nein... beim nächsten Mal bekomme ich wirklich Hörner!“ jammerte er.

„Naja... warten wir erstmal bis morgen,“ schlug Thea vor. „Aber wenn das so bleibt, kannst du wieder nicht zur Schule gehen... das ist zuviel, als dass man es irgendwie verstecken könnte.“

„Da wird die Morikawa aber wieder sonstwas denken,“ meinte Joey. „Vielleicht sollten wir ihr einfach mal alles erzählen, für viel verrückter kann sie uns ja dann auch nicht halten.“

Seto legte den Kopf schräg und sah ihn an. „Hm... das hat was für sich.“

„Was?“ Yami war fassungslos, und auch die anderen glotzten ganz verdattert.

„Denkt doch mal nach,“ beharrte Seto. „Wir bestellen sie zu uns nach Hause und zeigen ihr Yami, erzählen ihr die Geschichte und dann kann sie ja mal sehen, was sie glauben soll.“

Keiner widersprach. Manchmal waren eben extreme Maßnahmen vonnöten.

Sie verbrachten den Rest des Abends mit halbherzigen Proben von Szenen, in denen der Stier nicht vorkam, und beschlossen schließlich, lieber einen Film zu schauen.

In der Nacht gab es freilich keine Annäherung von Seto und Yami... obwohl der Firmenchef nichts dagegen gehabt hätte, bestand der König der Spiele darauf, in getrennten Betten zu schlafen, denn er wollte seinen Liebhaber nicht wieder verletzen. Und er hatte jetzt sogar größere Krallen als beim letzten Mal. Um gar nicht erst in Versuchung zu geraten, fuhr er sogar mit Großvater Mutou nach Hause, sehr zu Setos Verdruss. Mokuba hingegen war sehr dafür, dass sein Bruder sich keiner unnötigen Gefahr aussetzte.

Yami fühlte sich aber auch viel zu müde, um irgendwas zu machen außer zu schlafen. Vielleicht kam das von der Verwandlung oder davon, dass Yugi ebenso erschöpft war. Jedenfalls schlief er schnell ein und träumte nichts, bis er am nächsten Morgen von den singenden Vögeln geweckt wurde. Es war noch recht früh. Nach wenigen Minuten klingelte dann auch der Wecker. Yami musste über diese Tatsache direkt lächeln. Er musste so fest geschlafen haben, dass sein Schlaf von hervorragender Qualität gewesen war.

Leider waren seine Krallen noch da, wie er merkte, sobald er sich gedankenverloren am Kopf kratzte. Ein Blick in den Spiegel brachte dann Gewissheit: Es hatte sich nicht viel verändert und die Schuppen schienen generell dieses Mal besonders langsam wieder weg zu gehen. Er seufzte und versuchte, sich anzuziehen, ohne seine Kleidung zu zerstören. Es ging ganz gut. Er suchte jedoch Teile aus, die nicht so teuer aussahen. Nur für den Fall.

Bevor er zum Frühstück hinunter ging, nahm Yami das Millenniumspuzzle in die Hand und betrachtete es, als könne es ihm Antworten nennen. Seine Verwandlung war dieses Mal schlimmer. Nächstes Mal, nahm er sich vor, würde er Yugi helfen und das Tor ins Reich der Schatten öffnen, denn wenn Yugi sich in Slifer verwandelte, musste es dafür einen dramatischen Grund geben. Da hielten ihn auch irgendwelche ominösen Warnungen nicht auf. Yami spürte keine Angst oder dergleichen, eher eine gewisse Anspannung, die er sich nicht anders erklären konnte als damit, dass sie von Yugi auf ihn überging. Er hielt das Puzzle an seine Brust wie ein lebendes Wesen. [Yugi... ich hoffe, bei dir ist alles in Ordnung...]

Er entschied sich aber, seinen Entschluss vorläufig für sich zu behalten, denn er wusste ja, dass es unklug war, und hatte keine Lust, sich vor den anderen zu rechtfertigen. Die Erfahrung hatte ihn gelehrt, dass es irgendwann unausweichlich zu einer Konfrontation mit ihrem Gegner kommen musste...
 

***

Fortsetzung folgt.

Die Seele des Magiers

Jipiiieee! Die Jubiläumsfolge!

Ich hab sie absichtlich etwas länger werden lassen, obwohl man zwei daraus machen könnte, aber ihr sollt ja zu diesem Anlass was zu gucken haben. :) Ich hoffe, dass ich tatsächlich noch nicht erklärt hatte, wie Mad die Amazone reingelegt hat, sonst sagt mir Bescheid.

Ansonsten lernt ihr Yugis Lehrin mal etwas näher kennen und ihr erfahrt endlich, ob noch jemand das Siegel auf Crimsons Rücken kennt. Und alles dazwischen ist hoffentlich recht witzig. Bitte entschuldigt, falls rechtschreiberische Schnitzer drin sind. Ich habe getan, was ich konnte, aber bei der Hitze kann ich schonmal was übersehen.

Eigentlich sollte Fremde Welten so langsam beendet werden, aber das sehe ich noch nicht. XD

Enjoy!
 

***
 

Welt des Blauen Lichts: Montag.
 

Fremde Welten 50: Die Seele des Magiers
 

Yugi Motou fehlte wieder. Misaki Morikawa nahm diese Tatsache kopfschüttelnd zur Kenntnis. Der Junge machte ihr Sorgen. Er war immer unauffällig und freundlich gewesen, aber seit dieser Sache im Klassenzimmer schien er ein ganz anderer Mensch zu sein. Sie fand sogar, dass er sich äußerlich verändert hatte, konnte aber nicht sagen, wieso ihr das auffiel. Aber das bildete sie sich wahrscheinlich nur ein, vielleicht hatte er die Haare etwas anders.

Jedenfalls ließ ja sein Benehmen in letzter Zeit zu wünschen übrig. Er prügelte sich und fehlte dauernd. Sie wollte ihm ja nichts unterstellen, aber das fiel schon auf. Sie kannte andere Schüler, die den Schulbesuch auch nicht ganz so ernst nahmen. Aber sie wollte kein vorschnelles Urteil fällen, es konnte schließlich gut sein, dass er noch unter den Folgen seiner Kopfverletzungen zu leiden. Und sie konnte sich auch nicht vorstellen, dass Seto Kaiba, Thea Gardner und Ryou Bakura schwindelten... bei Joey Wheeler und Tristan Taylor schloss sie das nicht ganz aus; das waren besonders dicke Freunde von Yugi und außerdem selber dafür bekannt, Raufbolde zu sein.

Yugis Veränderung hatte ja auch seine guten Seiten – seine Rechenkünste waren ganz erstaunlich, warum hatte er ihr das bisher nicht gezeigt?

Heute lag der Lehrerin noch kein Entschuldigungsschreiben von Yugis Großvater vor, aber wahrscheinlich bekam sie das morgen. Zunächst einmal machte sie sich darüber keine weiteren Gedanken, sondern fuhr mit dem Unterricht fort.
 

Als die letzte Stunde zu Ende war, die sie an diesem Tag in jener Klasse hatte, trat die Gruppe um Seto Kaiba – Gardner, Wheeler, Taylor und Bakura – an sie heran, angeführt vom besagten Firmenchef. Nebenbei bemerkt wunderte Misaki sich, dass er noch die Schule besuchte, aber vielleicht brauchte er das. Seltsam war auch, wie gut der verschlossene Junge sich jetzt mit Yugis Freunden verstand. Wie dem auch sei...

Kaiba räusperte sich ernst. „Frau Morikawa... wir waren nicht ganz ehrlich zu ihnen. Yugi Mutou hat mehr Probleme, und von anderer Art, als Sie ahnen.“

Ja, das hatte sie sich auch schon überlegt, aber jetzt fragte sie sich unwillkürlich, ob Yugi vielleicht bedroht wurde oder so... oder eine schwere Krankheit hatte. Vielleicht familiäre Probleme? Etwas mit dem Großvater? Er war ein alter Mann, vielleicht---

„Wir möchten Sie bitten mitzukommen,“ fuhr Kaiba fort. „Dann erklären wir Ihnen alles.“

oh, damit hatte sie jetzt nicht gerechnet. Aber sie wollte durchaus wissen, was los war, daher nickte sie, packte ihre Sachen und folgte den Schülern. Nebenbei kam sie in den Genuss, einmal in Kaibas Limousine fahren zu können – das wünschte sich ja fast jeder hier an der Schule, seit das Fahrzeug regelmäßig zu sehen war.

Die fahrt ging ganz wie erwartet zum Spieleladen, über dem die Familie Mutou wohnte. Die jungen Leute gingen wie selbstverständlich hinein und begrüßten den alten Herrn mit „Opa“.

Misaki kannte Herrn Mutou. Er kam immer zu den Elternabenden. Sie schüttelte ihm die Hand und sah sich neugierig um... vielleicht kaufte sie nachher ein paar Karten von Duel Monsters. Jedoch wollte sie eigentlich nicht, dass ihre Schüler davon erfuhren, dass sie spielte. Das war ihr peinlich.

„Kommen Sie...“ Thea winkte sie durch eine Hintertür aus dem Laden in den Wohnbereich. Die anderen waren schon vor ihnen. Sie erreichten das Wohnzimmer, wo es nach Tee und Keksen roch.

Yugi erhob sich vom Sofa. Bei seinem Anblick fasste Misaki sich an den Mund vor Schreck. Wie sah der denn aus? Und warum? Zuerst dachte sie, es sei eine misslungene Theaterbemalung, die nicht mehr ab ging, doch es sah so... echt aus! Rote Schuppen, krallenartig verlängerte Fingernägel, mit denen er ihr sehr vorsichtig die Hand schüttelte...

„Frau Morikawa, ich bin froh, dass Sie es einrichten konnten...“ Er gestikulierte zum Sofa, und sie setzte sich. Yugis Freunde hatten ihre Taschen abgestellt und setzten sich auch dazu. Thea verteilte den Tee. Kekse waren zur Selbstbedienung.

Wieder fand Misaki, dass Yugi anders aussah... irgendwie erwachsener, aber das lag vielleicht an dem roten Zeug... „Was hat das zu bedeuten?“ erkundigte sie sich streng. „Ist das ein Scherz?“ In dem Fall hätte sie ihn nicht witzig gefunden.

Sechs junge Gesichter sahen sie ruhig und ernst an. Yugi holte tief Luft und begann seine Geschichte: „Ich bin eigentlich gar nicht Yugi Mutou...“

Was dann folgte, war... nun, wie beschrieb man es am besten? Haarsträubend bis unglaublich. Aber doch widerum gerade wegen seiner Unwahrscheinlichkeit glaubwürdig, denn wer dachte sich sowas aus, noch dazu in einer ganzen Gruppe? Da musste man schon viel auswendig lernen können, und zumindest Wheeler traute sie das nicht zu, doch er beteiligte sich fleißig an der Erzählung. Kaiba kommentierte sachlich. Die anderen ergänzten hier und da etwas.

Am Ende war sie darüber informiert, dass der richtige Yugi in einer ominösen Parallelwelt feststeckte und sein Freund hier Dinge mitbekam, die er erlebte, seit sich Yugi und Ryou Bakura geprügelt hatten. Ach nein, nicht geprügelt, sondern duelliert unter seltsamen Bedingungen... und der Weißhaarige war auch... schizophren?

Misaki schüttelte den Kopf, denn so schnell kam sie gar nicht mit. „Äh... nochmal von Anfang, ja?“ Dies hatte auch einen weiteren Sinn: Wenn die Schüler sich jetzt was anderes ausdachten, würde sie es merken... jedenfalls in etwa.

Aber nein... sie wirkten zwar etwas genervt, berichteten aber noch einmal haargenau das gleiche. Sie wussten sogar auf alle Fragen eine Antwort. Und zwar einstimmig. Sowas konnte man sich ja unmöglich ausdenken... Als Yugi ihr dann noch erlaubte, seine Schuppen zu untersuchen und zu berühren, konnte sie nichts mehr einwenden.

„Warum erzählt ihr mir das alles?“ hakte sie schließlich nach.

Yugi Mutou – oder dieser Geist in Yugis Körper; Masaki beschloss, einfach bei Yugi zu bleiben – zuckte mit den Schultern. „Ist doch klar... weil Sie ja langsam sonstwas von mir denken mussten, und ich wollte nicht, dass sie bald auch noch denken, ich wäre ein Schulschwänzer.“

Das zumindest war einleuchtend und kam der Wahrheit sehr nahe, hatte sie doch tatsächlich schon die Möglichkeit in Betracht gezogen.

„Und was ist mit... dieser anderen Persönlichkeit von dir, Ryou?“

Der Weißhaarige grinste ganz uncharakteristisch. Sahen seine Haare anders aus als vorher? Ach was... die hatten wohl einen Windstoß abbekommen. „Das bin ich,“ sagte er. „Aber diesen Teil müssen Sie nicht verstehen, Fräulein.“

„Frau!“ verbesserte Misaki, ohne nachzudenken. „Ich bin verheiratet und habe einen kleinen Sohn! Er wird nächsten Monat vier!“

„Ohohohoooh“! Das war Herr Mutou. Er musste wohl seinen Laden kurz mal geschlossen haben. „Besuchen Sie uns doch mal im Laden, meine Dame!“

Den alten Mann hatte sie ja schon ab und zu mal gesehen, er war eigentlich wohl ein ganz netter Zausel, aber, wenn er wollte, auch sehr ernst. Ein Großvater eben.

„Wie ich sehe, wurden Sie bereits mit den Tatsachen konfrontiert,“ sagte er jetzt, wobei sein Lächeln vollständig aus seinem Gesicht verschwand. Er setzte sich ihr gegenüber auf einen Sessel und bekam von Thea eine Teetasse in die Hand gedrückt. „Ich zähle auf ihre Mithilfe, Frau Morikawa. Der Pharao gibt sich Mühe, aber im Moment... nun ja, sehen Sie ja.“

Er konnte echt gruselig sein, wenn er so war. Wie der Boss eines Syndikats. Misaki konnte nicht anders, als das irgendwie... cool zu finden. Sie räusperte sich. „Herr Mutou, sie können diese abenteuerliche Geschichte demnach bestätigen?“ Nicht dass sie noch groß was dagegen sagen konnte, bei DIESEN offensichtlichen Beweisen...

„Natürlich... ich habe das schließlich alles miterlebt, wie Sie ja erfahren haben...“

„Aber machen Sie sich denn gar keine Sorgen, Herr Mutou? Ich meine, wenn Yugi... äh...“ Sie schaute verwirrt zu dem anderen, der für sie Yugi war. „Also, wenn Yugi in dieser anderen Welt ist...“ Hatte sie das wirklich gesagt, statt ihn für geisteskrank zu erklären? Vermutlich hatte sie ihre Kindheit doch nicht so ganz hinter sich gelassen. Zuviel Duel Monsters.

Herr Mutou lächelte. „Wir haben uns im Moment vor allem darum gesorgt, dass Yami in der Schule... nun ja... einen falschen Eindruck hinterlässt.“

Oh, ja, so nannten sie ihn. Yami. „Nun... es war in der Tat schwierig für mich, nicht die falschen Schlüsse zu ziehen,“ räumte Misaki ein, da sie lieber nicht verriet, was sie sich schon so alles überlegt hatte. Ratlos nippte sie an ihrem Tee.

Der alte Mann fing nun an zu berichten, wie er diesem anderen Yugi Nachhilfe in Englisch gegeben hatte, oder wie er ihn mitten in der Nacht mit Kopfschmerztabletten versorgt hatte... alles passte zu den Geschichten der jungen Leute. Misaki musste das alles wohl glauben.

„Na gut... sagte sie schließlich. „Haltet mich einfach auf dem Laufenden, ja? Yugi... ich erwarte, dass du deine Hausaufgaben machst und den Stoff nacharbeitest, ich bin sicher, dass deine Freunde dir dabei helfen...“ Im Grunde musste sie ja bewundern, wie eng der Zusammenhalt in der Gruppe war. Das gab es nicht so oft.

Jetzt war der Gesprächsstoff irgendwie verbraucht, wurde von ihr erwartet, dass sie sich verabschiedete? Doch das erschien ihr irgendwie nicht richtig, also blieb sie erstmal still sitzen.

„Es ist auf jeden Fall gut, dass Sie versuchen, uns zu glauben!“ lächelte Yugi verlegen. Diese Schuppen sahen einfach zu krass aus.

„Wir könnten ihnen Ja noch mehr erzählen, aber besser, Sie wissen nicht, dass manchmal das Schicksal der Welt vom Kartenspiel abhängt,“ meinte Joey.

„Ja, dieser Verrückte, der letztens in Battle City...“ begann Tristan, wurde aber von Theas Ellenbogen gestoppt.

„Das interessiert Frau Morikawa bestimmt nicht!“ zischte das Mädchen.

„Äh... doch, warum nicht? Darauf kommt es ja jetzt auch nicht mehr an,“ meinte sie und versuchte, ihre Neugier zu verbergen. Wenn man Duel Monsters spielte, hatte man ja doch ein wenig Fantasie aus der Kindheit behalten, und sie hätte zugeben müssen, wenn man sie gefragt hätte, dass die Geschichten sie nun schon interessierten – zumal jeder wusste, dass Yugi Mutou der amtierende Champion war. Naja, jeder, der eine Duel Disk zu Hause hatte... ähem. Täuschte sie sich oder sah Kaiba gerade wissend zu ihr rüber? Sie war leider in Battle City nicht weit gekommen, wohl aber gerade ausreichend qualifiziert gewesen, um teilzunehmen.

Die Jungs stürzten sich auf die Gelegenheit und redeten munter drauflos. Herr Mutou saß breit lächelnd dabei, während Thea noch mehr Tee machte und neue Kekse holte. Bald tauchte Mokuba Kaiba auf und beschwerte sich, dass er nichts von Seto gehört hatte. Kurz darauf war er Teil des Gesprächs. Der Nachmittag gestaltete sich nun überraschend angenehm...
 

***
 

Crimson und Paladia hatten ein Tier von der Größe eines Kaninchens erlegt und brieten es über einem Feuer. Yugi und Appi waren eingeladen. Es war das erste Mal, das Yugi praktisch sah, was er aß. Zum Glück erkannte er das Tier von keiner Karte wieder. Er schaute weg, während Crimson es fachmännisch ausnahm. Paladia verschlang einen Teil der Innereien. Eklig! Aber für die Amazone schien es eine Delikatesse zu sein. Was nicht essbar war, gaben sie den Drachen oder Vögeln, die sich im Lager aufhielten.

Crimson verstand sich offensichtlich nicht nur auf das Kochen von Tränken und Backen von Brot, sondern war wohl generell ein Hobbykoch. Er würzte das Fleisch mit Kräutern, die er während der Jagd gefunden hatte. Was er noch alles in der Zeit gemacht hatte, blieb mal dahingestellt, denn die beiden hatten sich ziemlich viel Zeit gelassen.

Letztendlich bekamen Yugi und Appi ein heißes Stück Fleisch in die Hand gedrückt, und sie hatten inzwischen solchen Hunger, dass sie glaubten, es sei das Beste, was sie je gegessen hatten. Es war wirklich gut geworden.

„Eine weitere Karrieremöglichkeit!“ kommentierte Appi.

Yugi zuckte zusammen, das war wirklich taktlos. Doch Crimson nahm es gelassen und lachte.

Das Fleisch reichte gerade für die vier, deshalb hatte der Weißhaarige wohl auch sonst niemanden eingeladen. Aus dem Lager beklagte sich auch niemand darüber. Es war sowieso Aufbruchstimmung. Viele Krieger reisten bereits ab, obwohl es wohl eigentlich üblich war, die Versammlung mit einem großen Festschmaus zu beenden, doch dafür war die Situation einfach nicht geschaffen.

Als sie nur noch Knochen übrig hatten, erhob Crimson sich. „Ich muss los. Jungs, will bei Einbruch der Nacht ankommen. Sagt den anderen, dass ich zur Burg komme, sobald ich durch Genesis' Bibliothek durch bin.“

Die Amazone sah ihm unwillig nach, als er sich entfernte, aber sie versuchte nicht, ihm zu folgen. Möglicherweise hatten sie schon darüber gesprochen.

„Viel Glück...“ rief Yugi, da ihm nichts besseres einfiel.

Paladia nahm die Knochen und vergrub sie in der Nähe. „So zeigen wir unseren Respekt gegenüber dem Wesen, das für uns gestorben ist,“ erklärte sie den beiden verwunderten Jungen. „Entschuldigt mich, ich muss jemanden finden, mit dem ich mitfliegen kann...“ Sie entfernte sich.

Die Jungen blieben noch kurz sitzen und ließen das Essen sacken, doch dann wurde es Zeit zum Aufbruch. Yugi und seine Freunde wollten noch am Abend die Feenburg erreichen, damit sie nicht im Dunkeln fliegen mussten.

Kurz vor dem Abflug gesellte sich Mad zu Appi und Yugi. Ein blauhaariges Mädchen war bei ihm, doch er wirkte etwas geknickt. „Hey ihr beiden... habt ihr meine Tochter Eria kennen gelernt?“

„Wir hatten noch nicht das Vergnügen,“ verneinte Yugi, obgleich er nur von sich sprechen konnte, denn er hatte ja lange geschlafen.

Mad legte einen Arm um ihre Schulter, während er sie einander vorstellte. „Eria, das sind Yugi und Appi, von denen ich dir erzählt habe.“

„Hallo...“ Das Mädchen wirkte leicht verunsichert, jedoch mochte das andere Ursachen haben. Erstens hatte sie ein schlimmes Erlebnis hinter sich und nun war sie in Gefahr, ihrem Vater weggenommen zu werden, wie man hörte.

„Mad, ist alles in Ordnung?“ erkundigte Appi sich. „Ich hab dich vorhin mit dieser Amazone gesehen... Rohka. Ihr habt euch anscheinend gestritten...“

[Das war wohl, während ich geschlafen habe,] dachte Yugi.

„Rohka besteht darauf, dass Eria mit ihr zu den Amazonen geht und dort in den Kampfkünsten unterrichtet wird. Dann soll sie entscheiden, ob sie dort bleiben oder als Magierin weiterleben will.“

„Aber... das eine schließt das andere doch nicht aus!“ wandte Appi ein.

„Die Amazonen haben eine Shamanin, die sie unterrichten könnte.“ Mad war wirklich am Boden. Er schien sie schon aufgegeben zu haben.

„Oh. Und was wird aus dir?“ hakte Appi nach. „Wirst du bestraft?“

Yugi stand mehr oder weniger als Beobachter daneben, denn er kannte die Bräuche der Amazonen nicht und auch nicht, wie ein solcher Fall sonst so gehandhabt wurde.

„So etwas ist noch nie vorgekommen,“ murmelte Mad. „Es gibt keine Beispielfälle, die man zu Rate ziehen könnte. Doch es kam schon vor, dass den Amazonen Kinder gestohlen wurden. Sie haben die Schuldigen aufgespürt und vernichtet, sagen ihre Legenden. Ich habe den Amazonen ein weibliches Kind vorenthalten, das ist sogar noch schlimmer. Rohka hat mich darüber aufgeklärt, dass ich nur deshalb noch lebe, weil es grausam gegenüber dem Kind wäre, mich zu töten.“

„Was? So schlimm...?“ Yugi blieb der Mund offen stehen, damit hatte er nicht gerechnet. Amazonen waren wohl sehr rabiat.

„Wie konntest du überhaupt einer Amazone vorgaukeln, dass das Kind ein Junge ist?“ wollte Appi wissen.

Mad seufzte, als ob ihn das in letzter Zeit jeder fragte. „Wir waren zusammen unterwegs. Als Rohka spürte, dass es bald soweit war, suchten wir ein Gasthaus auf. Es war eine schwere Geburt und Rohka war sehr schwach, deshalb dauerte es eine Weile, ehe sie das Kind sehen konnte. Sie war zunächst für ein paar Stunden bewusstlos. Da boten mir die Wirtsleute an, eine Frau zu benachrichtigen, die mit ihrer Familie ganz in der Nähe einen Hof hatte. Sie hatte zufällig am Tag zuvor einen Sohn geboren und konnte Milch abgeben. Ich nahm den Vorschlag an und passte auf den Jungen auf, während die Frau sich um Eria kümmerte. In der Zwischenzeit hatte ich bemerkt, dass ich mein Kind nicht hergeben wollte. Ich hatte sie in den Armen gehalten, mich um sie gesorgt... ich hatte so gehofft, dass es ein Junge wird, ein Magier. In meiner Fantasie hatte ich mir die Zukunft bereits ausgemalt; darin hatte die Vorstellung, dass es eine Amazonentochter wird, die ich ab und zu besuche, keinen Platz. Und als Rohka aufwachte und ihr Kind sehen wollte, hatte ich eine Eingebung: Ich zeigte ihr den Sohn jener Frau und behauptete, er sei unser Kind. Sie stillte ihn einmal, doch sie hatte nur wenig Milch. In der Nacht verschwand sie und ließ einen Armreif für ihren vermeintlichen Sohn zurück. Der richtigen Mutter des Jungen verschwieg ich, dass Rohka eine Amazone war, und die Wirtsleute hatten es nicht bemerkt. Ich behauptete, sie hätte mich sitzen lassen. Niemand bekam je diesen Armreif zu Gesicht. Ich blieb dort, bis Eria feste Nahrung essen konnte, und kehrte dann zur Burg Drachenfels zurück. Auch dort erzählte ich, dass die Mutter das Kind nicht wollte. Ich belog alle... sogar Eria.“

„Dann war es... eine Kurzschlusshandlung?“ fasste Yugi zusammen.

Mad nickte. „Die Gelegenheit ergab sich... und ich schlug zu. Doch das hatte lauter Lügen zur Folge und Jahre der Angst, dass es auffliegt. Eigentlich bin ich fast froh, dass das vorbei ist. Ich war noch jung und voreilig... heute würde mir sowas nicht mehr einfallen... glaube ich...“

Eria seufzte hörbar. „Ich sollte vielleicht sauer sein, weil ich meine Mutter all die Jahre nicht kannte, aber ich mache mir auch Sorgen um meinen Vater. Die Amazonen wollen über ihn Gericht halten. Auch wenn ich mich sehr freue, dass ich meine Mutter kennen gelernt habe, kann ich nicht so für sie empfinden wie für ihn... Außerdem bin ich zwar neugierig auf das Leben der Amazonen, aber ich habe mich jetzt darauf gefreut, bei Crimson zu lernen...“

„Das zumindest sollte kein Problem sein, der ist ja auch ne halbe Amazone und ist zur Zeit mit dieser Paladia zusammen,“ wandte Appi ein. „Höchstens dieses Siegel ist etwas unpraktisch...“

„Er darf nicht mein Lehrer sein, wenn er keinen Zugriff auf seine Kräfte hat,“ bestätigte Eria. „Aber wir haben schon vereinbart, dass sein Vater solange offiziell mein Lehrer ist. Dann muss ich nicht mehr in diese blöde Schule. Ich geh da nur noch meine Sachen und Gigo holen.“

„Fragen dich die Amazonen eigentlich auch mal, was du eigentlich willst?“ fragte Yugi kritisch. „Willst du denn zu denen?“

Eria zuckte mit den Schultern. „Also... ich bin ja schon neugierig. Aber ich glaube nicht, dass ich eine Amazone werden will... Crimson kann mir coole magische Sachen beibringen! Ich gehe wahrscheinlich zu den Amazonen, damit meine Mutter zufrieden ist. Aber wenn es mir da nicht gefällt, können sie mich nicht zwingen.“

„Hey, wo bleibt ihr denn?“ Mystic kam auf sie zu. „Wir wollen los.“

„Ja, klar, wir kommen gleich,“ versprach Yugi.

Sie mussten also das Gespräch unterbrechen. Yugi und Appi reisten wie immer auf Schattensturm, die Mitreisenden auf verschiedenen anderen Drachen und geflügelten Wesen.

Die Amazonen kamen natürlich samt Paladia wieder mit, ebenso Burstinatrix und Avian, und sogar Haryielle, also – wenn man Eria mitzählte – alle vier Frauen, die zusammen mit Crimson dem Drachen geopfert worden waren. Die Harpyie hatte eine Weile überlegt, ob sie die anderen Schwärme benachrichtigen sollte. Sie glaubte, dass ihr eigener nicht mehr existierte. Doch sie entschied, dass die Harpyien in ihrem geschwächten Gesamtzustand lieber nicht in diese Sache hineingezogen werden sollten, da sie gegen den Drachen auch im Nachteil waren. Eher noch konnten die Feen etwas ausrichten. Die Freunde verstanden ihren Entschluss. Harielle wirkte ziemlich pessimistisch, aber sie wollte helfen.

Auch die beiden Gilfords begleiteten die Gruppe. Sie hatten einen gigantischen Drachen... den Chaos Imperator Drachen. Seltsam, Yugi hatte erwartet, dass Black Luster auf einem imposanten Drachen wie ihm reiten würde, aber der mächtige Krieger war nicht zu sehen. Aber vielleicht war er schon aufgebrochen, ohne dass sie es gesehen hatten. Schattensturm hob ab, und Yugi hatte von da an wichtigeres zu tun, denn er hatte noch immer Probleme, keine Angst vor dem Fallen zu haben.

Zum Glück war der Flug an sich ereignislos, abgesehen davon, dass die einzelnen Reisenden sich einen Spaß daraus machten, sich gegenseitig zu überholen. Dachte Yugi jedenfalls zuerst, doch nach einer Weile fiel ihm auf, dass ein bestimmtes System dahinter steckte und dass Schattensturm, ob nun von selbst oder durch Appis Einwirken, auch mitmachte. Offenbar flog jeder mal ganz vorne, und rückte dann wieder nach hinten, so dass jeder mal den Windschatten hatte. Wie bei Zugvögeln. Bisher war Yugi noch nicht in Formation gereist, aber er war ja auch mit besonders vielen Leuten unterwegs.

Es wurde doch etwas spät, ehe sie bei der Burg eintrafen. Es war eine ziemlich große Gruppe, die ankam, daher mussten sie in Etappen landen. Sobald Schattensturm aufsetzte, sprangen seine Reiter von ihm herunter und er machte sich klein, damit die nächsten Platz hatten. Yugi und Appi räumten schnell das Landefeld und achteten nicht weiter darauf, was hinter ihnen passierte. Sie hatten eigentlich schon wieder Hunger, aber sie waren auch ziemlich müde. Sie und viele der anderen Mitreisenden gingen in den großen Saal in der Hoffnung, dass sie dort noch etwas zu essen bekamen. Um diese Zeit war das eigentliche Mal schon beendet, aber sie bekamen noch eine einfache Malzeit. Bei der Gelegenheit wurden die Feen über das zu erwartende Problem informiert. Yugi und Appi bekamen nicht mehr mit, ob Weaver etwas dazu sagte, denn sie zogen sich gleich zurück und gingen schlafen.

In ihrem angestammten Zimmer stellten sie überrascht fest, dass Dark und Blacky in ihrer Katzengestalt zusammen in ihrem Bett schliefen. Appi freute sich, dass seines unberührt war, und machte sich sogleich darin breit. Yugi schob die Katzen vorsichtig etwas an die Seite und legte sich dazu. Er streichelte die beiden automatisch, bekam zwei Schnurren zur Antwort und schlief bei dem Geräusch ein, während er im Unterbewusstsein noch Appis Schnarchen mitbekam.
 

Am Morgen darauf waren alle schon früh auf den Beinen, denn es lag eine gewisse nervöse Spannung in der Luft, die auch diejenigen weckte, die sonst länger geschlafen hätten. Das galt auch für Yugi und Appi. Die beiden nahmen ihr Essen vom überfüllten Speisesaal mit aufs Zimmer, da es ihnen dort gemütlicher vorkam und weil sie den Katzen eine Kleinigkeit bringen wollten. Es war gar nicht einfach zu entscheiden, ob sie etwas wählen sollten, was eine Katze mögen würde, oder etwas, das einem Magier geschmeckt hätte. Letztendlich gab es Fleischstückchen und pflanzliche Milch. Musste wohl sowas wie Soja sein.

Dark und Blacky erhoben sich schwerfällig und tapsten zu den Schälchen, die Yugi ihnen hinstellte. Er und Appi setzten sich auf die Fensterbank und aßen da, obwohl der Raum auch ein Tischchen hatte, aber sie wollten rausgucken können.

Draußen standen auffällig viele Feen Wache. Auch in der Luft sah man sie kreisen und den Himmel absuchen. Doch die Flieger schauten auch nach unten, denn der Drache konnte im Tiefflug herankommen. Es war klar, dass Sorc wahrscheinlich einige weitere Streitkräfte mitbringen würde, denn mit dem Drachen allein würden sie sonst womöglich noch fertig werden, wenn sie sich auf ihn allein konzentrieren konnten.

Als die Jungs fertig waren und das Zimmer verlassen wollten, schlossen sich ihnen die beiden Katzen an, was sie doch ein wenig überraschte, aber sie hatten natürlich nichts dagegen. Dark und Blacky trabten neben ihnen her auf den Hof, wo sie sich in der morgendlichen Sonne – soweit man davon sprechen konnte – lang hinstreckten. Blacky schnappte nach Darks Schwanz, der sich leicht bewegt hatte.

Während Appi mit Yugi auf den Fersen herum ging und fragte, ob es etwas Neues gab, tauchte in einiger Entfernung ein Amazonenvogel auf. Er näherte sich, und bald war zu erkennen, dass es Crimson war, der ihn ritt. Er landete den Vogel, sprang von seinem Rücken und gähnte herzhaft. Yugi fiel ein deutlich sichtbares Bissmal an seinem Hals auf, zumal er danach Ausschau hielt.

„Crimson, wie ist es gelaufen?“ fragte er den Magier... oder wie auch immer er ihn jetzt bezeichnen sollte.

Crimson schüttelte nur den Kopf und winkte ab. „Nichts... Genesis kennt seine Bücher so gut wie auswendig. Er suchte alle raus, wo etwas drinstehen könnte, alle, bei denen er unsicher war und alle, die vielleicht einen Hinweis enthielten, wo man nachsehen könnte. Er schloss viele sofort aus, beauftragte aber seine Frauen, dennoch nachzusehen. Am Morgen waren wir mit einigen durch und er meinte, ich solle euch lieber helfen, statt meine Zeit zu verschwenden, er würde weiter suchen. Da hat er wohl auch Recht... ich kann euch Tränke brauen oder sowas.“

Yugi fühlte Besorgnis in sich aufsteigen. Crimson wirkte weniger zuversichtlich als gestern. Er hatte dieses fiese, charakteristische Grinsen nicht mehr im Gesicht. Anscheinend hatte er sich von Genesis' Beständen viel erhofft. Möglicherweise mehr als von den Büchern im Kristallschloss, mit denen Shiro wohl noch beschäftigt war. Vielleicht hatte er auch anfangs den Ernst seiner Lage falsch eingeschätzt oder schlicht und einfach verdrängt.

„Ich geh ne Runde schlafen... sonst habe ich gar keinen Nutzen, weil ich im Stehen einschlafe...“ murmelte er.

Als er über den Platz schlenderte und schon fast das Gebäude erreicht hatte, sprang Dark plötzlich auf, rannte ihm nach und strich ihm um die Beine. Crimson blieb überrascht stehen. Er ging in die Hocke und streichelte den Kater. „Dark? Was soll der Quatsch?“

Dark rieb sich an seiner Hand und schnurrte wie ein Trecker. Yugi war etwas näher heran getreten. Er spürte etwas, aber erst nach einigen Sekunden ging ihm auf, dass es das Echo einer telepathischen Unterhaltung zwischen den beiden war.

„Du willst mich verarschen,“ sagte Crimson.

Dark maunzte anklagend. Inzwischen hatte sich auch Blacky erhoben, schlurfte eher lustlos zu den beiden hin und setzte sich. Er fing an, sich zu putzen.

„Jaja, das geht vielleicht,“ seufzte Crimson kurz darauf. Anscheinend zog er es vor, in Worten zu antworten, während Dark das in seiner Gestalt ja nicht konnte. Er nahm wieder eine aufrechte Position ein und ging weiter auf den Eingang zu. Die Katzen folgten ihm.

„Die haben's wohl auch nicht nötig, uns einzuweihen, was?“ kommentierte Appi.

„Vielleicht mögen sie es einfach, mit jemandem im Bett zu liegen, weil es dann wärmer ist,“ spekulierte Yugi wenig ernst. „Sie werden uns schon alles erklären, wenn sie es für richtig halten.“

Appi zuckte mit den Schultern. „Und was machen wir jetzt?“

„Keine Ahnung... aber so langsam stinkt es mir, dass wir immerzu irgendwo sind und darauf warten, dass Sorc uns attackiert!“ Yugi verschränkte eingeschnappt die Arme. „Wir müssen ihn ausfindig machen und erledigen, sonst geht das ewig so weiter.“

„Naja... das finde ich ja auch, aber wir haben im Moment schlechte Karten, solange Dark und Blacky in diesem Zustand sind.“ Appi fuhr sich mit den Fingern durch die Haare. „Weißte was? Ich werde ein bisschen an meiner Sense arbeiten.“

„An was? Ach so!“ Das war wohl das Ding, das Appi von Lord Genesis mitgebracht hatte. „Eine Sense? Wozu brauchtst du denn sowas?“

Appi lachte verlegen, als wäre ihm das nur rausgerutscht. „Siehst du ja dann, aber ich will keine Zuschauer. Bis später!“ Der Blonde ging mit federnden Schritten davon.

Yugi blieb etwas ratlos allein zurück, aber es war ja nicht so, als wäre er auf Appis Gesellschaft angewiesen. Er beschloss, sich unter den Kriegern und Feen umzusehen. In gewisser Weise war es ja auch entspannend, mal alleine unterwegs zu sein, statt immer jemanden am Hacken kleben zu haben.

Er suchte die Gärten auf, weil er sich davon die meisten Entspannung versprach.Während er herum ging, fiel ihm die große, rothaarige Gestalt von Black Luster auf. Dann war er also doch mitgekommen. Umso besser, das beruhigte Yugi doch. Der mächtige Krieger war gerade damit beschäftigt, ohne Waffen und nur in Trainingskleidung in die Luft zu boxen, was Yugi an Tai-Chi erinnerte. Der Ort war günstig dafür: Mehrere Bänke aus Stein standen am Rand um einen runden Platz von vielleicht vier Metern Durchmesser herum, der schon so aussah, als sei er für kleine künstlerische Darbietungen oder so etwas geschaffen. Die Steine auf dem Boden waren zu einem Strahlenmuster angeordnet, das aber wahrscheinlich reine Zierbedeutung hatte. Außen darum herum befanden sich Blumenbeete und Sträucher. Mehrere Frauen – sowohl Amazonen als auch Feen – saßen auf den Bänken oder standen dahinter und himmelten Black Luster an.

[Meine Güte, macht er das absichtlich? Naja er sieht schon verdammt gut aus...] Yugi ging näher ran, aber keineswegs, um ihn ebenfalls zu bewundern. Ihn interessierte eher, wie der Krieger auf die ganze Aufmerksamkeit reagierte. Manche waren ja doch sehr arrogant. Das war ihm bisher nicht so vorgekommen, aber man konnte sich täuschen.

Als Blacky, der Krieger, Yugi sah, hielt er inne und lächelte ihm entgegen. „Ah, mein lieber Junge! Wie geht es dir denn heute? Ich fand deine Vorstellung auf dem Berg äußerst faszinierend!“

Der Junge war überrascht. „Wirklich?“ Er selbst erinnerte sich, dass er fast die Kontrolle über diese animalische Seite von sich verloren hatte, was ihm Angst machte, wenn er im Nachhinein darüber nachdachte, deshalb vermied er diese Gedanken.

„Blacky, du darfst dein Training nicht unterbrechen!“ rief eine junge Fee von den Zuschauerrängen. Die anderen stimmten ihr nickend und rufend zu.

Der Krieger drehte sich galant um. „Keine Sorge, meine Damen!“ Er lächelte dieses strahlende Lächeln, bei dem Yugi immer schwören konnte, dass seine Zähne blitzten wie im Film. „Ich habe mich doch kaum angestrengt... meinem Körper schadet eine kleine Pause nicht.“

Die Zuschauerrinnen schmolzen dahin. Was war an seinen Ausführungen nur so toll?

Blacky nahm Yugi zur Seite. „Yugi, du bist eine Berühmtheit, alles spricht von deiner Verwandlung in Slifer! Du solltest dir ein passendes Benehmen angewöhnen!“

„Hä?“ Das traf natürlich auf Unverständnis beim Avatar. „Wie meinst du das?“

„Na, du bist ziemlich klein, also halt dich besonders gerade!“ Luster rückte seine Schultern zurecht. „Breaker hat erzählt, dass du beim Duellierverein warst – du solltest dir ein Kostüm entwerfen lassen, in dem man dich wiedererkennt, dann kann der Zeichner in deiner Welt das vielleicht sogar übernehmen! Und wie wäre es... mit einem unverkennbaren Lächeln?“ Er führte seins vor, und diesmal war Yugi ganz sicher, dass seine Zähne aufblitzten. Aber wie ging das, wenn es hier gar keine Sonne gab? Oder jedenfalls keine, die direkt zu ihm durch kam.

„Äh... hast du was an deinen Zähnen? Einen... Glitzerstein oder so?“ Yugi kam sich blöd vor, aber es gab ja Menschen, die sich kleine Zierplättchen auf ihre Zähne kleben ließen.

„Ahaaa, du hast es bemerkt!“ grinste Blacky. „Ist ein ganz einfacher Lichttrick, willst du es lernen?“

„Wie bitte? Äh, also... nein, ich glaube, das passt nicht zu mir...“

„Ach komm, dir verrate ich es gerne. Vielleicht wirst du mal größer und von Frauen umlagert... dann musst du dem auch gerecht werden!“

„Na also, ich glaube nicht, dass... Oh, du hast da was...“ Yugi deutete auf Blackys rechten Oberarm, der ja von seiner Trainingskleidung nicht bedeckt wurde. „Sieht aus wie... Schuppen?!“

„Oh, ja...“ Blacky griff danach und zupfte den Bereich ab. Schien ganz leicht zu gehen. „Passiert manchmal... hier, willst du sie haben? Alchemisten sind ganz scharf darauf!“

Yugi nahm die Schuppen entgegen. Sie waren getrocknet wie alte Haut, von grünlicher Farbe und fühlten sich hart an. Er konnte drei Stück unterscheiden, die zusammenhingen. Skeptisch blickte er zu dem Krieger auf, dann auf seine eigenen Schuppen. „Aber... wie kann das...“

Luster grinste strahlend. „Muss ich DIR das erklären?“ Er lachte gutmütig. Der weibliche Fanclub blieb zurück in der Hoffnung, dass er gleich wiederkam.

Yugi war bei sich selbst nicht aufgefallen, dass er Schuppen verlor. Vielleicht verschwanden sie auch wirklich nur. Er zog aus Lusters Worten so seine Schlüsse und fragte nicht weiter nach, weil er nicht für blöd gehalten werden wollte.

„Können wir Sorc schlagen?“ fragte er statt dessen. Die Frage war irgendwie auch nicht die hellste, aber ihm fiel nichts besseres zu sagen ein.

„Den Drachen können wir zumindest in Schach halten, und je nachdem, was er sonst noch anschleppt, müssen wir eben unsere Strategie anpassen,“ winkte der Größere lässig ab. „Keine Sorge, es gibt immer eine Lösung.“

„Aber angeblich ist eine Lichtfee mit ihm fusioniert, so dass er gar nicht mehr angreifbar ist...“

„Nichts und niemand ist unbesiegbar.“

Das sagte der Krieger so, als schlösse er damit sich selbst mit ein, und das konnte Yugi ja nur bestätigen, schließlich hatte er bei Duel Monsters auch schon unbesiegbar erscheinende Gegner geschlagen.

„Wie geht’s deiner Wunde?“ wurde er nun gefragt.

„Ach die...“ Yugi hatte sie kaum noch gespürt, während er auf etwas anderes konzentriert gewesen war. Sie war gut verbunden worden. „Naja, ich weiß nicht. Ich weiß auch nicht, ob ich mich gleich wieder verwandeln kann, wenn der Angriff kommt...“

„Geh lieber zu den Heilern und lass danach sehen. Die können sie vielleicht auch gleich wegheilen,“ riet Luster ihm.

Yugi nahm das als Gelegenheit, sich zu verabschieden und ihn wieder seinen Anhängern zu überlassen. Er verschwendete keine Zeit mehr, sondern ging direkt zu den Heilern. Da hätte er ja auch selbst drauf kommen können! Aber genau genommen hatte er ein wenig Angst davor, sich wieder zu verwandeln. Er wurde dann immer sich selbst fremd. Wie machte Black Luster das nur? Ging es ihm auch so?
 

Drei Stunden später verließ Yugi den Heilertrakt. Seine Wunde war zu einer kleinen, ziehenden Stelle zusammengeschrumpft, die aussah, als wäre sie zwei Wochen alt. Es war zur Hälfte die Wirkung von Heiltränken und Salbe und zur Hälfte das Werk eines Feenheilers, der das mit seiner Magie erreicht hatte. So fühlte er sich viel sicherer, aber die Furcht blieb. Bei den Heilern hatte er nebenbei bemerkt auch die Schuppen gelassen. Die zuständige Fee war ganz verrückt danach gewesen. Yugi hatte ihr das Material gerne überlassen, aber eigentlich hatte er vorgehabt, es Crimson zu geben. Naja, nächstes Mal vielleicht.

Inzwischen hatte er schon wieder Hunger und suchte sich im großen Saal einen Snack. Irgendwie war da immer was los, und immer gab es irgendwelche Leute, die aßen und ihm etwas anboten. Er hatte noch nicht herausgefunden, wo die Küche war, falls er mal anders nichts mehr fand. Kuriboh kam angeschwirrt und wollte kuscheln. Yugi ließ sich das gerne gefallen, hauptsächlich deshalb, weil er nicht wusste, was er sonst machen sollte. Alle Leute, die er gut kannte, waren außer Gefecht, beschäftigt oder nicht aufzufinden. Magi hatte er zum Beispiel lange nicht mehr gesehen.

Auf der anderen Seite hatte Yugi auch keine Lust, die ganze Burg nach seinen Freunden abzusuchen, da wartete er lieber, bis er jemanden zufällig traf. Und da war er ja hier genau richtig, denn hier kam jeder irgendwann mal hin. So begegnete ihm nach einer Weile Neo, der ein bisschen schwitzend, aber auch zufrieden aussah.

„Hey, Yugi! Ganz alleine? Ich hab mit dem neuen Schwert trainiert, es ist wie für mich geschaffen!“ rief der Magier ihm schon von weitem zu. Besagte Klinge hing auf seinem Rücken.

„Oh, das freut mich für dich,“ antwortete Yugi ehrlich und zog ihm einen Stuhl zurück. „Appi scheint auch eine neue Waffe zu haben, die muss er aber wohl noch bearbeiten...“

„Etwa dieses Geschenkt von Genesis?“ Neo setzte sich und nahm sich von einem Brot, das in einem Korb auf dem Tisch lag. „Naja, ich hoffe, das ist nichts Seltsames. Appi ist so anders, seit er bei dem Vampir war... Inzwischen habe ich gehört, dass Genesis sich wohl ganz gerne mal einen hübschen Jüngling oder eine holde Maid vornimmt... die Feen reden mehr oder weniger mit Abscheu über ihm, was mir ganz natürlich erscheint, schließlich ist er ein Unterweltler... oder Zombie, weiß ich nicht genau. Naja die Typeneinteilung ist eh nicht immer so passend. Zombies stelle ich mir hirnlos vor. Jedenfalls habe ich mit einigen Leuten gesprochen seit Appis selbstbewussten Auftritt hier, da hat ja auch jeder mitbekommen, wo er vorher war... manch einer hat mich gefragt.“

„Ah, ja...“ Du liebe Zeit, Genesis erfreute sich wohl einer gewissen Berühmtheit, wenn auch nicht unbedingt im positiven Sinne. Yugi war neugierig geworden. „Was redet man denn so?“

Neo kaute, zeigte aber schonmal an, dass er was zu sagen hatte und schluckte schnell. „Also, es heißt, dass der Lord kein Kostverächter ist, und es soll Leute geben, die zu ihm gehen und sich ihm hingeben, weil es dafür irgendeine Belohnung von ihm gibt, eine mysteriöse Gabe oder seltene Artefakte... das wissen wohl nur die, die dabei waren. Appi hatte nicht nur dieses Ding dabei, sondern er konnte die seltsame Dunkelheit im Wald durchblicken, als wir gingen, oder?“

Yugi nickte. „Ja, stimmt, er war ganz fasziniert, sobald wir nach draußen kamen. Aber das kam doch von dem Biss, oder?“

„Ja, soweit ich weiß, schon.“

„Es gibt bei mir zu Hause viele Geschichten, in denen ein Biss von einem Vampir einen auch zum Vampir macht, aber das ist nicht zwangsläufig so. Und hier bei euch ist eh alles anders. Wenn Genesis jemandem eine Gabe verleihen kann, dann wäre es doch nahe liegend, dass es durch den Biss passiert, nicht wahr?“

„Naja, schon...“ Neo kratzte sich nachdenklich am Hinterkopf. „Aber er ist so verändert! Ich habe wirklich Angst, dass er beeinflusst wurde oder irgendwie umgekrempelt.“

„Warum fragst du ihn nicht einfach mal? Oder Crimson, der war vorhin bei Genesis, um seine Bibliothek zu durchsuchen, aber jetzt hat er sich schlafen gelegt... Er hat ein Bissmal am Hals.“

Der Blonde fuhr zu Yugi herum. „Was, der auch?“

„War nicht das erste Mal, wenn ich das richtig mitbekommen habe, aber genauer nachgefragt habe ich nicht.“

„Ich geh sofort hin!“ Neo sprang auf und vergaß sein halb gegessenes Brotstück. „Ich muss wissen, was mit meinem Bruder los ist!“

„Aber Neo, Crimson schläft! Er muss sich ausruhen!“ Yugi lief Neo nach, als dieser aus dem Saal marschierte. Kuriboh schwebte hinterher, was gut war, denn sie kannten den Weg zu Crimsons Zimmer gar nicht...
 

***
 

Crimson freute sich über die Ruhepause. Normalerweise machte ihm eine durchwachte Nacht nicht viel aus, aber er war wohl noch von den jüngsten Ereignissen etwas mitgenommen. Da passte es ihm nicht so recht in den Kram, dass Dark ihn gebeten hatte, etwas von seiner Magie nutzen zu dürfen. Woher wusste der Kerl, dass das ging? Oder wollte er einfach ausprobieren, ob es klappte? Jedenfalls hatte er Crimson angeboten, ihm zu helfen, konnte die Zeichen seines Siegels angeblich entziffern. Das hatte den Magier dazu veranlasst zuzustimmen, auch wenn Dark sein ärgster Rivale war. Rivalität war schließlich nicht gleich Feindschaft. Und wenn er dafür das verdammte Siegel los wurde, konnte Crimson noch viel weiter als bloß über seinen Schatten springen. Er entschied stets so, dass es das kleinere Übel für ihn war... wie kürzlich, als er sich nicht gegen Malice gewehrt hatte, um nicht noch weiter gedemütigt zu werden. Er wollte lieber nicht mehr daran denken.

Er wäre wohl noch lange grübelnd wach geblieben, wenn Dark nicht seine Kraft angezapft hätte. Crimson merkte, dass es funktionierte, und musste zugeben, dass er staunte, weil der andere Magier das in Katzengestalt schaffte. Durch die Aktion wurde er zugleich ruhiger und konnte schließlich schlafen.

Als es an der Tür donnerte, weil jemand wie irre dagegen schlug, kam es ihm vor, als wäre keine Minute vergangen. „Wer stört?“ rief er unwirsch. „Kann man hier nicht mal eine Weile seine--- Waaaaah!“

Seine Schimpftirade brach in einem Aufschrei ab, dann polterte er seitlich aus dem Bett. Zu sehr hatte er sich erschrocken, denn neben ihm lag ein Mann. Das war an sich nichts Schlimmes, aber es gab Männer, die er nicht im selben Bett haben wollte, und er war sicher, dass er keinen mitgenommen hatte. Naja, nicht im wahrsten Sinne des Wortes.

Die Tür öffnete sich, aber Crimson achtete nicht darauf. Er rappelte sich schon wieder hoch. „Dark! Verdammt, was soll das?“ Im Gegensatz zu seinem Rivalen hatte er selbst zumindest sein Amazonenröckchen noch an, wenn auch nicht das Oberteil.

Dark schaute schwerfällig gähnend an sich herunter. „Oh... entschuldige, Crimson, ich verwandle mich im Schlaf zurück, wenn ich genug Energie hab...“ Er griff neben sich, wo Blacky noch immer in Katzengestalt zu ihm hoch blinzelte. Mit der anderen Hand zog er die Decke über seine Blöße, was Crimson zum Anlass nahm, sich zur Tür umzudrehen.

„Yugi, was gibt es denn so Wichtiges? Neo, hast du so bescheuert geklopft? Ich hoffe, wir werden angegriffen, sonst gleiche ich deine Größe Yugis an!“ Yugi stand etwas versetzt hinter Neo, daher verdächtigte er den Blonden.

„Ich will wissen, was mit meinem Bruder passiert ist!“ fuhr dieser ihn an.

Mit dieser Antwort hatte Crimson nicht gerechnet und wusste auch nichts damit anzufangen, ehe er einige Fakten in seinem Kopf ausgewertet hatte. Das dauerte im Moment bei ihm etwas länger als sonst. „Dein Bruder? Ach, du meinst Appi! Und was soll ihm passiert sein? Etwa bei Genesis? Mann, der hatte kürzlich eine Erleuchtung, was sonst? Spiel dich nicht so auf, bloß weil der Kleine ein Stück größer geworden ist!“ Was er eher symbolisch meinte, aber man hatte bei dem Lehrling echt den Eindruck, als sei er gewachsen.

„Rede nicht so über meinen Bruder!“ plusterte Neo sich weiter auf. „Warum ist er so verändert? Was hat er mit ihm gemacht?“

Crimson fand das lästig. „Er ist ein Vampir, rate doch mal!“ Er legte seinen Kopf etwas auf die Seite, so dass sein eigenes Bissmal zu sehen war, falls der Heißsporn es vorher noch nicht entdeckt hatte. „Tür zu.“ Er wartete, bis seiner Anordnung Folge geleistet worden war und niemand mehr auf dem Gang lauschen konnte. Dann setzte er genervt zu einer längeren Erklärung an, doch wieder einmal wurde er unterbrochen. Dieses Mal von Dark.

„Crimson, während du erzählst, könntest du dich doch aufs Bett setzen, so dass ich das Siegel sehen kann, ja? Hallo Yugi übrigens, und hallo Neo.“

Yugi lief um das Bett herum, umarmte den Magier und knuddelte die Katze Blacky. „Dark, ich freue mich, dass du wieder... naja normal bist? Bist du doch, oder?“

„Weitestgehend. Noch etwas müde. Crimson war sehr hilfreich.“

Besagter Weißhaariger reckte trotzig das Kinn vor, verschränkte die Arme und schnaubte nur, enthielt sich aber eines Kommentars. Er setzte sich auf die andere Bettkante mit dem Rücken zu Dark und zog seine Haare allesamt nach vorne.

„Was denn für ein Siegel?“ wollte Neo wissen.

Der hatte von der ganzen Sache anscheinend noch gar nichts mitgekriegt, das sah ihm mal wieder ähnlich. Crimson verdrehte die Augen und ließ ihn gucken. War ja nicht so, als hätte er ein Problem damit oder gar ein Trauma! Er doch nicht!

„Sorc hat seine Magie damit gebannt,“ hörte er den Knirps sagen, was bei Neo zumindest ein geschocktes Einatmen auslöste. Na danke.

Der Blonde hielt erstmal die Klappe und ließ Dark das Siegel untersuchen. Crimson bedauerte, dass er kein einziges Gesicht sehen konnte, er hätte gerne einen Anhaltspunkt gehabt, was sie gerade dachten. Aber sie befanden sich jetzt alle hinter ihm.

Dark rückte näher an ihn heran und berührte seinen Rücken mit einer Hand. Crimson war darauf vorbereitet, umso mehr ärgerte er sich, als er trotzdem zusammen zuckte. Die Angst saß ihm doch noch in den Knochen. Verflixt!

Eine Weile sagte Dark nichts dazu, dann: „Erklär mir, wie Malice und Sorc das gemacht haben.“

Crimson schloss für einen Moment des Sammelns die Augen. „Malice hat es mit einem Dolch eingeritzt und Tatoofarbe draufgetan, damit es sichtbar bleibt. Ich glaube nicht, dass man das einfach rückgängig machen kann… er hat gesagt, dass außer ihm niemand weiß, wie es zu brechen ist.“

„Einfach vielleicht nicht…“ Darks Blick auf seinem Rücken war fast spürbar. „Aber vielleicht mit viel Fingerspitzengefühl.“ Der Magier strich vorsichtig über die tätowierten Stellen. „Man kann hier und da ein paar Zeichen ergänzen, andere verändern… dann verliert die Formel ihre Bedeutung. Natürlich kann man auch einfach alles wegbrennen… aber das wäre zu schmerzhaft und dafür ist die Farbe auch zu tief.“ Seine Stimme klang anders, und auch wieder nicht. Es war seine, aber sie hatte einen fremdartigen Tonfall angenommen. „Würdest du zulassen, dass ich es tue?“

Er sagte tun, nicht versuchen, nahm Crimson zur Kenntnis. „Du bist dir ja deiner Sache sehr sicher.“

„Ich kenne dieses Ritual. Man kann damit auch Teile der Kräfte von jemandem wegsperren. Normalerweise ritzt man es aber nicht in die Haut, außer man will den Betreffenden wirklich für immer zeichnen. Es gibt verschiedene Varianten, je nach Bedarf.“

Crimson schnaufte wieder. „Toll. Weißt du, was der Kerl gesagt hat? Man muss es nicht so machen, aber er hat unter anderem Erfahrung mit sowas… Ich glaube es hat ihm Spaß gemacht.“

„Hmmm...“ machte Dark nachdenklich. „Yugi und Neo, würdet ihr bitte draußen warten? Ihr könnt auch Blacky mitnehmen...“

„Ähm... ist gut.“ Yugi nahm die Katze auf den Arm und ging als Erster zur Tür. Neo folgte unter Protest. Er wollte seine Information auf jeden Fall noch kriegen.

Crimson war froh, dass er nun mit Dark alleine war. Er wollte nicht, dass alle mithörten, was man über seine Erlebnisse und die weiterführenden Maßnahmen zu besprechen hatte. Er wollte nicht bemitleidet werden oder vor Zeugen Schwäche zeigen. Schlimm genug, wenn Dark es mitbekam. Und wenn der ihm wirklich helfen konnte, würde sich das kaum vermeiden lassen. Sie kannten einander auch zu gut, als dass er ihm etwas hätte vormachen können.

„Dark… woher weißt du etwas über diese Sachen? Dieser Malice sagte, er käme aus Ägypten.“ Crimson spürte noch immer die Hand seines Rivalen auf dem Rücken. Die Hand war sanft; er fragte sich, ob sie so auch immer Blacky berührte. Sein Rücken war momentan sehr empfindlich, doch Dark verursachte ihm keine Schmerzen.

„Ich bin mit dem Pharao verbunden – auf mehr als eine Art. Ich glaube, zu dem Thema existieren mehrere Gerüchte…“

Crimson drehte sich ungläubig um. „Stimmt es, dass du die Seele eines Menschen besitzt?“

Dark lächelte geheimnisvoll „Besitzen ist das falsche Wort. Manchmal kommt seine Persönlichkeit in mir hoch, aber es ist nicht so, dass ich dann nichts mitkriege – also es ist nicht vergleichbar mit Yugi, wenn er Yami seinen Körper überlässt. Eher wie… eine andere Seite von mir selbst. Ich war sein Ka, eine Manifestation seiner Seele… niemand weiß ganz genau, was das bedeutet.“

Crimson verzog angewidert das Gesicht, aber nicht wegen Dark. „Mann… ich hoffe, ich bin nicht das Ka von diesem Arcana… und vor allem will ich nicht mit dem verschmelzen!“

Dark lachte leise. „Mach dir keine Sorgen…das würde dich kaum verändern.“

Crimson beschloss, das mal als gut gemeinten Spott zu werten, und kam wieder zum eigentlichen Thema zurück. „Also... musst du mir auch was in die Haut ritzen?“ Seine Schultern sackten etwas nach vorne. Das wollte er nicht! Aber es war wohl unvermeidlich, wie Darks Nicken gleich darauf anzeigte.

„Ich muss es möglichst so machen wie Malice, mit Farbe und allem. Am besten wäre, wir hätten die gleichen Materialien. Aber etwas Gleichwertiges wird auch reichen.“

Crimson schloss erschaudernd die Augen und bemühte sich, seine unbewusst zu Fäusten geballten Hände zu entkrampfen. Dark war die einzige Person im ganzen Schattenreich, vor der er sich keine Blöße geben wollte – obwohl es ihm sonst egal war, ob er vor Schmerzen schrie. „Kann man nicht einfach quer über das Symbol einen Schnitt machen oder einen Teil wegbrennen?“ Das würde er auch ohne die Hilfe seines Rivalen schaffen.

Doch Dark schüttelte entschieden den Kopf. „Es ist zu tief in deinem Fleisch, wie ich schon sagte. Außerdem ist es magisch auf deinen magischen Kräften verankert, was sich nicht ändern würde, indem man das rituelle Symbol beschädigt. Im Gegenteil, wenn es beschädigt wird, ist es schwieriger, es zu neutralisieren, weil es dann eben nicht mehr funktioniert... aber immerhin wirkt. Klingt verwirrend, ist aber so... Stell dir ein Türschloss vor, das sich nicht öffnen lässt, weil das Schlüsselloch verformt ist.“

Der Vergleich war gut verständlich. Crimson zog es vor, einfach nur zu nicken.

„Ich bin wahrscheinlich der Einzige, der dir helfen kann,“ murmelte Dark, und es klang wieder nach dem Dark, den er kannte. Keine Schadenfreude schwang in der Stimme mit. „Ich weiß, dass dir das widerstrebt. Aber ich bin auch nicht scharf drauf.“

Crimson schaffte ein Lächeln. „Irgendwer muss dir ja auf die Nerven gehen... also sag mir einfach, wann du es machen kannst.“

„Ich muss solche Tatoofarbe besorgen... oder hast du welche da?“

„Ich könnte welche herstellen, wenn mir mein Vater mit seiner Magie hilft.“

„Sie ist nicht magisch... die Farbe dient wahrscheinlich nur dazu, dich zu ärgern.“

„Oh...“ Crimson seufzte. „Was habe ich diesem Malice getan, dass er mir das antut?“

Das wusste Dark natürlich auch nicht. „Vielleicht ist er einfach nur... irre. Stell die Farbe her und wähle ein paar Leute aus, die dich halten können... es sei denn du möchtest, dass ich das mache.“

Crimson dachte darüber nach. „Mach du das. Nimm niemanden, der mich kennt. Ich wüsste nicht, wen ich fragen sollte... meinem Vater möchte ich das nicht zumuten, er würde es vermutlich nicht über sich bringen. Und... besorgst du auch ein passendes Messer und so?“

„Ich mach das schon,“ versicherte Dark und drückte ermutigend seines Rivalen Schulter. „Aber ich weiß nicht, ob ich jemanden finde, der dir völlig fremd ist. Ich suche einfach Leute aus, die mit der Situation umgehen können und nicht spotten werden. Stell die Farbe her, in der Zwischenzeit werde ich sicher auch mit meinen Vorbereitungen fertig sein. Lass mich wissen, wenn du bereit bist.“

Crimson nickte, und Dark legte sich wieder im Bett zurecht.

„Hey, was denkst du, was du da tust?“

„Na ich muss mich noch ausruhen!“ grinste der Dunkle Magier frech. „Komm, gib mir noch etwas magische Energie. Eine Stunde oder so haben wir sicher noch.“

„Duuuu, ich geb dir gleich!“ Crimson griff sich ein Kissen und warf es ihm ins Gesicht, doch Dark kicherte nur und drehte sich einfach auf die Seite.

„Komm schon, stell dich nicht so an. Ich muss schließlich bei Kräften sein, wenn der Angriff erfolgt...“

„Du gehst nirgendwo hin! Wenn dir was zustößt, hilft mir keiner mehr!“ protestierte der Weißhaarige. Er seufzte und gab nach.

Er lag noch eine Weile wach auf dem Bett und dachte daran, dass er sich bald noch einmal einem solchen Ritual aussetzen musste. Würde er das über sich bringen?

Vor der Tür wartete vielleicht noch immer Neo auf seine Erklärung, doch die blieb er ihm vorerst schuldig. Sollte er doch Appi fragen. Crimson schloss die Augen und lächelte. [Falls Appi ihm das so gut erklären kann, wie ich das könnte...]
 

***
 

Fortsetzung folgt.

Bis(s) zum Familienstreit

Seltsamer Titel? Tja mir fiel nichts besseres ein und ich fand's lustig, weil Bis(s)-Geschichten ja gerade in sind... :P

Enjoy!
 


 

Fremde Welten 51: Bis(s) zum Familienstreit
 

Neo und Yugi hatten irgendwann entschieden, dass sie wohl in Crimsons Schlafzimmer nicht mehr erwünscht waren. Da sie auch nicht wussten, wo Appi steckte, konnten sie ihn schlecht nach Genesis fragen, daher brachten sie erstmal Blacky in das Zimmer, das Yugi mit den beiden Magiern und Appi bewohnte. Kuriboh schwebte ihnen voraus, denn sie mussten in einen anderen Trakt der Burg. Das Geschenk von Genesis war nicht mehr im Raum.

Yugi setzte Blacky auf dem Bett ab. Der Kater streckte sich und rollte sich ein.

„Komisch, er verwandelt sich nicht zurück... wahrscheinlich hat nur Dark Energie von Crimson bekommen. Aber dafür war Crimson ganz schön agil...“ wunderte Yugi sich.

„Es gibt Unterschiede, ob du die Lebensenergie nimmst oder die Magie. Jemand, der selber keine Magie anwenden kann, kann trotzdem welche haben und anderen zur Verfügung stellen. Bei Crimson ist das offensichtlich, denn er ist ja ein Magier,“ erklärte Neo fachkundig. „Wenn seine Magie gesperrt ist, hat er eine Menge ungenutzte Kraft, die Dark nutzen kann. Zum Beispiel, um sich selbst zu regenerieren. Ich könnte mir vorstellen, dass die beiden nicht zu unverschämt sein wollten...“

Ein bestätigendes Maunzen kam von Blacky, der ein Auge geöffnet hatte.

Neo schaute ein paar Sekunden lang zu ihm hin. „Hm... vielleicht könnte ich auch...“ Er setzte sich auf das Bett und hob sich die Katze auf den Schoß. „Blacky, meinst du, du könntest was von mir nutzen?“

Yugi beobachtete die Szene neugierig. Beim Magier des Schwarzen Chaos musste man wahrscheinlich vorsichtig sein, wenn man ihm sowas anbot.

Blacky stellte sich auf die Hinterbeine und leckte Neo am Kinn, was wohl sowas wie „Danke, gerne!“ heißen sollte. Im Anschluss machte er es sich neben Neo gemütlich, jedoch so, dass sein Körper den Magier leicht berührte. Sein Katzengesicht bekam einen konzentrierten Ausdruck.

„Merkst du was?“ fragte Yugi neugierig.

Neo nickte. „Er ist nicht kleinlich, der Schuft. Aber was will man von ihm erwarten... er ist ein Chaosmagier. DER Chaosmagier.“

Yugi setzte sich auf den Boden und wartete. Kuriboh schwebte seitlich über seinem Kopf. „Was bewirkt es, wenn er dir Magie abzieht? Wirst du davon müde oder kannst du schlechter zaubern?“

„Jeder Magier hat eine bestimmte Menge an Magie zur Verfügung, genau wie seine körperliche Kraft irgendwann erschöpft ist,“ nickte Neo. „Wenn ich von dieser Energie etwas abgebe, fehlt sie mir, aber sie lädt sich auch permanent neu auf.“

„Na hoffentlich fehlt sie dir nachher nicht im Kampf...“gab Yugi zu bedenken, doch Neo zuckte nur mit den Schultern. Wahrscheinlich hatte er recht, wenn er Blacky half, war das besser. Er hatte ja dann noch sein Schwert...

Diesen Moment suchte sich Blacky aus, um seine menschliche Gestalt wieder anzunehmen. Er war noch wie eine Katze neben Neo zusammengerollt. „Oh... hallo Leute! Keine Sorge, Sorc kommt heute nicht mehr.“

Er sortierte seine Gliedmaßen, um aufstehen zu können, und ging sich ganz ungeniert ein Gewand holen, das er dann überstreifte. Dabei gähnte er herzhaft.

„Woher weißt du das?“ fragte Neo erstaunt. „Ist der Kerl noch immer in deinem Hirn?“

„Neeeeeiiiiin!“ lachte Blacky, das Wort in spöttischem Tonfall lang ziehend. „Ich in seinem!“ Er kicherte, freute sich offenbar kindisch darüber. Dann aber wurde er wieder ernster. „Ihr habt euch ja gut geschlagen ohne uns... tut mir Leid, dass wir nicht mehr helfen konnten... und ich konnte, obwohl ich es mitbekam, nicht verhindern, was mit Crimson passiert ist.“

„Du hast das mitbekommen? Also... quasi durch Sorcs Augen?“ Neo runzelte skeptisch die Stirn. „Und das hat er nicht gemerkt?“

„Nicht dass ich wüsste. Und ja, so war es. Aber ich konnte nicht stets und ständig beobachten, dazu fehlte mir die Kraft, und auch dazu, euch immer alles zu sagen. Ich wartete also, bis ein brauchbarer Hinweis auftauchte. Das übermittelte ich dann Mystic – ich kann mich leicht geistig mit ihr verbinden, wir standen uns immer schon sehr nahe... und sie hat ja bei Lucranda viel Zeit bei mir verbracht...“

„Lucranda hat gesagt, ihr müsstet viel länger in diesen Tropfsteinen bleiben! Aber das ging jetzt so schnell, wie ist das möglich?“ wollte Yugi wissen.

Blacky zwinkerte ihm verschwörerisch lächelnd zu. „Yugi, diese Feen brauchen sehr lange, wenn sie da unten sind. Sie haben ja auch Zeit, die uns fehlt. Wir aber haben uns aller Mittel bedient, die uns zur Verfügung standen, jede Quelle angezapft, die sich anbot. Sogar aus der Welt des blauen Lichts bekamen wir Energie, aber die Verbindung war nicht so intensiv, dass es aufgefallen oder gefährlich geworden wäre...“

„Aus meiner Welt? Wie das denn?“

„Dark. Seine zweite Seele kommt von dort. Oder... der Teil seiner Seele, der ein ägyptischer Magier und Priester war. Es gibt ja verschiedene Theorien zu dem Thema – manche besagen, dass jeder von uns mit einem Menschen aus deiner Welt verbunden ist, andere besagen, dass es manchmal vorkommt, dass sich eine Seele aufteilt und zur Hälfte in beiden Welten lebt, bis sie sich durch den Tod des einen Körpers ganz im zweiten wiederfindet. Aber warum man das Ka von jemandem ist, gilt noch als völlig ungeklärt. Nur hat wohl jeder Mensch eins, es wissen aber nicht alle. Dark kann auf die magischen Ströme der Welt des Blauen Lichts zugreifen, weil er durch einen speziellen Zauber mit seinem früheren Beschwörer verbunden und damit auch in Loyalität an den Pharao gebunden ist, der sich dort befindet und ihn als Karte in seinem Duelmonsters-Deck hat.“

Blacky sprach so, als wäre das alles völlig logisch für ihn. War es vielleicht auch – er wirkte immer so planlos und chaotisch, aber manchmal schien er Zusammanhänge zu begreifen, die andere schlichtweg ins Reich der Legenden abtaten.

„Und dieser ägyptische Priester kann Hyroglyphen lesen,“ stellte Neo fest. „Er kann sogar mit dem Kram auf Crimsons Rücken was anfangen...?“

Blacky nickte. „Ja, ich glaube, das ist latentes Wissen für Dark – etwas, das er nur abrufen kann, wenn er mit etwas konfrontiert wird, wofür er es braucht.“

„Ich finde Crimson zwar keineswegs sympatisch, aber so etwas hätte ich ihm nicht gewünscht,“ gestand Neo nun. „Sowas wünscht man niemandem... schon allein wegen der Schmerzen... Aber ein Magier, der so mächtig ist, leidet mehr unter den Demütigungen und den Folgen der Prozedur, den gesperrten Kräften.“

„Jemand, der von Genesis gebissen wurde, findet einen Weg,“ winkte Blacky ab. „Und Crimson hat offenbar schon der Zufall geholfen.“

Neo fuhr zu ihm herum. „Was weißt du denn über Genesis?!“

„Er ist ein Vampir.“

„Ach!“

Blacky grinste frech. „Ach, richtig, du fragst wegen Appi, nicht wahr? Mach dir um den keine Sorgen, der ist nur endlich aus deinem und Mavas Schatten getreten.“

„Was soll das denn heißen?“

„Bin ich Psychologe?“

„Ich will jedenfalls endlich wissen, das der Kerl mit meinem Bruder gemacht hat! Er muss ihm das Gehirn gewaschen haben oder sowas!“

Blacky legte dem kleineren theatralisch eine Hand auf die Schulter. „Neo... tief in dir weißt du doch die Antwort... Vampire wie Genesis sind echte Genießer, und gewiss keine Kostverächter, wenn die Beute so bereitwillig zu ihnen kommt!“

Yugi prustete fast vor Lachen. Er hatte sich anfangs gewundert, aber so langsam ergab es einen Sinn. Genesis hatte Appi anscheinend das Gefühl gegeben, begehrt zu werden, und sein Biss musste gewisse Dinge bewirken – wie eben die Tatsache, dass man danach die Dunkelheit im Schattenlosen Wald durchschauen konnte. Ob es immer so lief, dass man danach eine Characterentwicklung durchmachte, war noch fraglich, aber das war gut möglich. Appi entwickelte sich zu einem viel selbstbewussteren Magier, der sogar Verantwortungsbewusstsein zeigte. Auch Crimson hatte ja ein Ego für zwei. Vielleicht hatte das auch was mit dem Biss zu tun. Und was war mit Blacky? Er wusste ganz selbstverständlich, was Appi widerfahren war, oder so schien es jedenfalls. Woher? Aber Yugi fragte nicht nach, denn wenn Blacky dieses Wissen teilen wollte, hätte er eben eine gute Gelegenheit gehabt.

Neo gab sich beleidigt, weil er keine Antwort erhielt und Yugi auch noch darüber lachte. Aber er wandte sich dann wichtigeren Themen zu: „Also... wenn Sorc heute nicht mehr kommt, wann dann?“

„Er sammelt seine Armee um sich,“ sagte Blacky. „Und der Fünfgötterdrache muss sich von Slifers Angriff erholen. Aber das wird bis morgen geschehen sein... wahrscheinlich kommt er morgen Abend, wenn die Lichtfeen im Dunkeln benachteiligt sind.“

„Das sollten wir Weaver erzählen,“ meinte Yugi. „Lasst uns gleich zu ihr gehen!“

„Ach, wieso?“ winkte Blacky ab. „Es schadet nicht, wenn ihre Späher wachsam sind. Wenn wir Entwarnung geben, verschlafen sie noch den Angriff...“

Man konnte glatt auf die Idee kommen, dass der Magier Weaver noch wegen irgendwas böse war. Vielleicht, weil sie von ihm als Partner ihres Sohnes nicht so begeistert war. Oder weil sie etwas mehr Einsatz hätte zeigen können beim Kampf gegen Exodia... Oh, da fiel Yugi was ein.

„Blacky, was wurde eigentlich aus Exodia?“

Die Frage schien den Blauhäutigen zu überraschen. „Exodia? Ach so...! Oh, den haben wir unschädlich gemacht... mach dir keine Sorgen. Und bevor du fragst – löcher mich nicht damit. Wirst es schon irgendwann erfahren.“

Yugi seufzte, im Einklang mit Neo, denn sie bekamen hier wirklich keine klaren Antworten. „Schafft Dark es denn bis zum Angriff, Crimsons Siegel zu brechen?“ fragte er daher, um das Thema zu wechseln.

Blacky schüttelte den Kopf. „Glaube ich nicht... die Vorbereitungen und alles... Dark muss sich erholen... Nein, wahrscheinlich nicht. Ich würde sagen, drei Tage bräuchten sie mindestens.“

„Aber Blacky, du hast gesagt, du wärst in Sorcs Kopf... und er hat dich doch dazu gebracht, Dinge zu tun... kannst du das nicht auch? Ihn überreden, länger zu warten oder es sogar gleich sein zu lassen?“

Der Chaosmagier lachte. „Ganz ausreden kann ich es ihm wohl nicht, sonst merkt er was. Aber deine Idee ist gut, ich werd's versuchen. Nur müsste ich ihm auch einen Grund geben, damit er sich selbst erklären kann, wieso er das tut, und nebenbei muss er ja Malice überzeugen.“

„Äääähm... sag ihm einfach, die Ungewissheit würde die Feen zermürben, deshalb ist später besser,“ schlug Neo vor. „Außerdem gibt es vielleicht Streit, wie man vorzugehen hat. Ihr wisst schon, weil ja diese Runa mit dem Drachen fusioniert sein soll.“

„Oh, da sagst du was, Neo...“ Yugi rieb sich das Kinn. „Kann man sie nicht einfach defusionieren wie im Spiel?“

„Schön wär's... aber nur fusionierte Magier beherrschen Defusion. Das ist nicht einfach.“

„Dark kann fusionieren!“

„Schon, aber er wird im Kampf gebraucht.“

„Wir können aber den Drachen nicht besiegen, wenn er gegen Licht immun ist!“

„Das können wir spontan entscheiden.“ Während Yugi und Neo sich die Köpfe zerbrachen, winkte Blacky einfach ab. „Das klappt schon... ich glaube nicht, dass wir ein Problem haben werden, sofern wir ein Lichtmonster finden, das gegen den Drachen ankommt.“

Die beiden anderen schauten Blacky skeptisch an. „Verschweigst du uns was?“

Der Blauhäutige grinste. „Vielleicht... aber fürchtet euch nicht, es kommt alles in Ordnung.“

„Ah ja...“ Neo hatte wenig Verständnis in dieser Situation, und vielleicht war Blacky wirklich der Einzige, der ganz ruhig blieb.
 

Etwas später hatten sich die Freunde auf den Hof begeben zu ihrem gewohnten Brunnen. Dort fand sich auch Appi wieder ein. Er hatte eine Schramme im Gesicht, generell rußige Kleidung und einen verbundenen Finger an der linken Hand. Er roch auch nach Ruß. Kam er aus einer Schmiede? Doch er wehrte alle Fragen danach ab und vertröstete die Gruppe auf später, denn er war noch nicht fertig, sah aber schon sehr zufrieden aus.

Blacky erschuf eine Schattenkugel und spielte damit herum, denn er war etwas eingerostet nach seinem Dasein als Katze. Wahrscheinlich übertrieb er, fand Yugi. Jemand wie er rostete doch nicht ein!

Das Gewusel in der Burg war inzwischen einer gewissen Routine gewichen. Gegen Abend kam auch Dark wieder dazu, während Crimson im Kräutergarten der Feen verschwand. Das Team war fast wieder wie früher.

Appi trat vor Dark hin und neigte den Kopf. „Willkommen zurück, Meister.“

Dark schaute für einen Moment mehr als überrascht aus der Wäsche, dann aber lächelte er. „Danke, mein Schüler, ich gehe davon aus, dass du fleißig warst?“

„Najaaa... in gewisser Weise...“

„Ach so... naja das werden wir bald sehen.“

Von ihrem Standpunkt am Brunnen aus konnten sie sehen, dass Crimson sich alle Beete der Feen genau ansah und hier und da etwas pflückte, das er in einem Körbchen sammelte. Doch er machte dabei ein so ernstes Gesicht, dass man meinen konnte, die Pflanzen hätten allesamt Dornen oder Stacheln.

„Crimson meint, er kann die Tatoofarbe aus Pflanzen herstellen, die er hier oder in der Umgebung findet,“ bemerkte Dark. „Wir haben Glück, denn die Feen stellen ihre Tinte ja auch selber aus Pflanzen her. Er kann wohl teilweise dieselben Zutaten verwenden. Sieht bei ihm ganz einfach aus, aber Alchemie war schon immer sein Steckenpferd. Er flog von der Akademie, weil er einen verbotenen Trank hergestellt hatte, der den Wohnflügel der Schüler verwüstete, als er hochging.“

Die Geschichte sorgte für allgemeine Erheiterung und ließ Crimson glatt sympathisch wirken.

Im Laufe ihres Aufenthalts auf dem Burghof konnten sie sehen, dass Erzlord Zerato wieder oder noch da war und seine Truppen instruierte. Anscheinend hatte er hier die militärische Führung. Seine Sendboten standen um ihn herum, nickten öfter mal oder sagten etwas, was man aber auf die Entfernung nicht verstand.

Yugi fragte sich gerade, was Weaver machte, als eben jene regelrecht angeschossen kam. „DARK! Bei Shinatos Flügeln, warum sagt mir keiner, dass du wieder hier bist?“ schon war sie bei ihm, nahm sein Gesicht in die Hände und prüfte, ob alles heil war, umarmte ihn und redete ununterbrochen davon, was sie sich für Sorgen gemacht hatte.

Zum allgemeinen Erstaunen legte Dark die flache Hand auf ihre Brust und schob sie von sich. „Dass wir wieder hier sind, verdanken wir gewiss nicht dir!“

Sie wich noch weiter zurück, als er sie geschoben hatte. „Was... aber Dark! Wie redest du denn mit ---“

Dark unterbrach sie mit einer heftigen Handbewegung, als wollte er einen imaginären Gegner wegwischen. „Ich habe mich darauf verlassen, dass du alles gibst... von meinem Schüler konnte ich das nicht verlangen, er wusste gar nicht, wie, und Joan hat getan, was sie konnte. Aber du... du hast so viel Kraft und gehst so geizig damit um! Dass du dich um mich sorgen musstest, ist deine eigene Schuld!“

„Wir Feen vergeuden unsere Kräfte nicht, wir sind im Einklang mit allem Leben...“

„Ach ja? Mit meinem Leben und Blackys warst du das aber nicht! Du musst alles aus dir rausholen, wenn du etwas erreichen willst. Nicht warten, dass die Natur es dir anbietet, sondern gehen und bitten, dass sie es gibt! Du würdest doch auch ein Brot nicht liegen lassen und aufsparen, bis es hart ist und nichts mehr nützt!“

„D-Dark! Hat dir dieser... Chaosmagier solche Flausen in den Kopf gesetzt?“ Sie betonte das Wort Chaosmagier, als wäre selbiger eine Küchenschabe.

„Du hast dich wohl zu lange mit den Leuten vom Friedenslichtorden unterhalten,“ zischte Dark zurück. „Dieser Chaosmagier hat Kräfte aufgeboten, von denen du nichtmal weißt, dass man sie nutzen kann. Es ist nichts Schlechtes, ein Chaosmagier zu sein; es heißt ganz einfach, dass man nimmt, was man kriegt! Ohne zu zögern, ohne zu warten, dass es einem andere wegnehmen! Manchmal darf man einfach nicht erst nachdenken.“ Er wandte seiner Mutter mit verschränkten Armen die kalte Schulter zu, und man sah ihr genau an, dass sie etwas zu erwidern versuchte, aber anscheinend fiel ihr nichts ein.

Blacky äußerte sich nicht dazu. Er hatte einen Gesichtsausdruck, der besagte, dass er zustimmte. Und natürlich war er weit davon entfernt, seinem Geliebten zu widersprechen und Weaver in Schutz zu nehmen.

Yugi hatte so seine Vermutung, dass Weaver nahe dran war, davon zu stürmen, denn sie konnte sich anscheinend nicht dazu durchringen, ihren Fehler einzugestehen. Ihr Gesicht war ganz rot angelaufen und ihre Flügel bebten verdächtig, die Hände waren Fäuste. Irgendwie hatte auch niemand damit gerechnet, dass er ihr die Sache mit Exodia noch vorwerfen würde.

Appi betrachtete die Szene mit Interessiertem Blick, schließlich ging es um seinen Lehrer. Neo schaute weg, als würde er nichts bemerken, wahrscheinlich wartete er noch auf eine Gelegenheit, mit dem kleinen Bruder alleine zu reden.

Ehe die Situation eskalieren konnte, gab es aufgeregte Rufe vom Rand der Plattformen. Die dort befindlichen Wachen deuteten in dir Richtung, die vorne war, wenn man mit der Burg auf der rechten Seite stand. Yugi fragte sich, wie hier eigentlich die Himmelsrichtungen hießen, solche simplen Dinge hatte er noch gar nicht mitbekommen.

Weaver fuhr herum. Dort näherte sich eine dunkle Wolke, darunter eine Armee von vielleicht 100 Mann. Genaueres war erstmal nicht zu erkennen. Die Herrin der Burg rief ihre Soldaten zu den Waffen.

„Ich dachte, Sorc kommt noch nicht?“ hakte Neo bei Blacky nach.

„Ist auch so,“ meinte dieser ungerührt.

Crimson kam in aller Seelenruhe aus dem Garten geschlendert, während auch die Amazonen in Alarmbereitschaft versetzt wurden und zu ihren Vögeln eilten. Eine Abordnung startete und bezog Stellung einen halben Kilometer vor der Burg. Erzlord Zerato dagegen ließ seine Sendboten ihre Truppen in Bereitschaft versetzen, blieb aber ansonsten ruhig.

„Was haben die denn?“ erkundigte Crimson sich. „Scheint Lord Genesis zu sein.“

„Genesis?“ Neo war nicht begeistert. „Was will der denn hier?“

„Ich hab ihm erzählt, dass wir ein Problem mit dem Drachen haben. Vielleicht hat er sich überlegt, dass er uns helfen könnte.“ Sein Korb war randvoll mit Grünzeug, manche Kräuter hatten aber auch eine eher violette Färbung, und ein Büschel trug dunkelrote Blüten. Auf den Pflanzen lagen eine Handvoll verschiedene Früchte. Crimson behielt die purpurfarbenen Beeren, aber verteilte das gelbe und rote Obst. „Hier, nehmt einen Happen... man kriegt davon einen wohltuenden Vitaminschock, und die Konzentrationsfähigkeit steigt.“ Er genehmigte sich gleich selber eine rote Frucht, die aussah wie eine Pflaume.

Yugi hatte eine gelbe bekommen. Die kannte er, man musste sie schälen wie Orangen und innen waren sie grün. Die Beeren in Crimsons Korb hatte er aber noch nie gesehen und schloss daraus, dass sie wohl nicht zum Essen gedacht waren.

„Hast du hier alles gefunden?“ fragte Dark ihn.

Crimson sah auf sein Sortiment. „Nun... denke schon, aber eine der Pflanzen ist nur zweite Wahl für den Zweck, ich hätte lieber eine Azurdistel.“

„In dem Garten bei dem Teich gibt es welche, sie werden aber normalerweise nicht geerntet.“

„Oh... dann gehe ich da mal nachsehen.“ Crimson schlenderte davon, aber er hatte fast etwas schockiert ausgesehen, als Dark ihm gesagt hatte, wo die Disteln wuchsen.

„Ich glaube, er fürchtet sich ein bisschen,“ meinte der Dunkle Magier. „Kann ich ihm nicht verdenken... aber er ist noch nie vor etwas davon gelaufen.

„Wart ihr nicht zusammen auf der Akademie?“ fragte Neo.

Dark nickte. „Ja, aber wir hatten beide unseren eigenen Stil... vor allem habe ich mich nie bei illegalen Sachen erwischen lassen.“

Alle schauten ihn fassungslos an, nur Blacky schien das nicht zu überraschen.. „Wie, du hast was Verbotenes gemacht?“ entfuhr es Appi stellvertretend für den Rest der Gruppe.

Dark biss von seiner Frucht ab und setzte sich auf den Brunnenrand. Sie sammelten sich um ihn wie um einen Geschichtenerzähler. „Bei Crimson haben sich alle immer gefragt, was er als nächstes ausheckt. Er hat auch ständig was angestellt. Immer was Großes, was auch auffällt. Etwas, das explodieren konnte. Oder einmal, als er überlegte, ob er einen Tierpartner nehmen sollte, war er sauer, weil er keinen Drachenfluch haben durfte. Die fangen da nunmal mit kleinen Tierchen an, aber der Sinn ist ja, dass sie sich dann weiterentwickeln, wenn der Magier besser wird. Crimson fühlte sich immer unterfordert.

In der Akademie war es sowas wie eine Legende, dass man zu Lord Genesis gehen soll, wenn man ein besonders guter Alchemist werden will, weil der Lord einem eine Gabe verleiht, die dabei hilft. Viele der älteren Schüler erzählten, sie wären dort gewesen, aber sobald man Einzelheiten wissen wollte, erzählte jeder was anderes. Doch wer wirklich dort war, prahlte nicht damit.“

Appi hob die Augenbrauen. „Was? Davon hab ich ja gar nichts mitgekriegt...“

„Na du warst ja auch nicht lange auf der Akademie,“ entgegnete Neo. „Hattest ja dann Privatlehrer. Wusstest du, dass Vater dir einen besorgt hat, weil die Lehrer ihm nahe legten, dich doch lieber in ein Soldatenlager zur Ausbildung zu schicken? Aber du wolltest ja unbedingt mir und Mava nacheifern.“

Anders als erwartet rastete Appi daraufhin nicht aus. „Echt? Mann, das hab ich immer geahnt...“ Doch er nahm es anscheinend gelassen, schließlich war er ja inzwischen ganz gut als Magier.

„Manche von uns finden ihren Platz im Leben nur schwer,“ meinte Dark und klopfte ihm auf die Schulter. „Der Biss von Genesis kann dabei helfen, dass man erkennt, was man sein will. Außerdem, so heißt es, gibt er einem den Mut, dieses Ziel zu verfolgen und zu erreichen.“

Appi sah seinen Meister andächtig an. „Aber... du hast nicht...?“

Dark schüttelte den Kopf. „Nein. Ich habe meine Bestimmung schon sehr früh gefunden.“

Neo war ganz Ohr, denn nun erfuhr er endlich, was ihn so brennend interessierte.

„Manche von uns brauchen den Biss nicht,“ warf Blacky ein. „Aber ich denke mal, dass man nie weiß, wie es gelaufen wäre, wenn man den Biss doch oder doch nicht gekriegt hätte. Vielleicht wäre Dark jetzt ein berühmter Bösewicht!“

Dark lächelte verlegen. „Ach was! Aber es kann gut sein, dass daraus nicht nur Gutes hervorgeht. Vielleicht gibt es schüchterne Leute, die insgeheim immer ein böses Imperium haben wollten und durch den Biss den Mut finden, es sich zu erschaffen.“

Neo schnappte sich seinen Bruder. „Appi! Hat er dich... ausgenutzt? Ich meine... was außer dein Blut hat er noch genommen?“

Appi wischte Neos Hände von seinem Kragen. „Das geht dich nichts an. Wollt ihr eigentlich nicht nachsehen, ob das wirklich Genesis mit seinen Leuten ist, der da kommt?“

„Lenk nicht vom Thema ab!“

„Kommt, wir gehen mal hin,“ schlug Dark vor. Er musste sich ja auch auf die Seite seines Schülers schlagen, aber vielleicht befand er auch nur, dass das Thema nicht öffentlich besprochen werden sollte.

Blacky hielt sich dicht bei Yugi, da dieser ja sein Schützling war, wenn auch nicht so wirklich sein Schüler. Ob den Unterschied noch jemand bemerkte oder ob es überhaupt einen gab, war aber fraglich. Yugi freute sich und genoss es, den Großen wieder an seiner Seite zu haben. Er war es irgendwie gewohnt, dass immer jemand bei ihm war... auch wenn er natürlich nicht mehr so schüchtern war wie früher.

Die Gruppe begab sich in die Richtung, aus der die dunkle Wolke anrückte. Es handelte sich dabei anscheinend um einen Spielfeldzauber, wie Yugi erkannte, und er musste schmerzlich an Yami denken, weil der Zauber so hieß. Die Finsternis diente dazu, die Wesen zu beschützen, die unter ihr flogen. Dabei handelte es sich größtenteils um Monster der Kategorie Unterweltler und Zombie, von denen einige auf geflügelten Reittieren saßen, wenn sie nicht selber fliegen konnten. Dass man die Feenburg nicht anders erreichen konnte, war ja allgemein bekannt. Allerdings war Lord Genesis selbst nicht zu sehen.

Yugi und seine Freunde blieben etwas entfernt von Weaver stehen und konnten sehen, dass sie mit einem Vampir redete, der farblich und vom generellen Äußeren her dem Lord ähnelte, aber viel ernster aussah und eine andere Frisur hatte: Seine Karte hieß Fluch des Vampirs. Er führte die Verhandlungen an Genesis's Stelle.

„...wird seine Lordschaft so bald wie möglich nachkommen, doch vorerst hat er mich mit einigen Kriegern geschickt, um euch beizustehen,“ hörten sie den Vampir sagen.

Weaver hatte eine recht steife Pose eingenommen und wirkte nervös. Ob das etwas damit zu tun hatte, dass sie sich eben noch mit ihrem einzigen Sohn gestritten hatte, war schwer zu sagen. Sie presste die Antwort regelrecht hervor: „Vielen Dank, General Curse... jedoch sind wir auf den Besuch von, ähm, Euresgleichen nicht vorbereitet...“

Das konnte man jetzt als Beleidigung auffassen, doch der Untote lächelte geradezu erfreut. „Ach, kein Problem! Wir werden uns einfach ein Plätzchen suchen. Der Großteil der Truppe kann am Hang ein Lager aufschlagen. Zweifellos habt Ihr nicht solche Unmengen an Zimmern übrig...“

Auch das konnte man als böswillige Bemerkung interpretieren, wenn man doch sah, dass die Burg sehr groß war. Tatsache aber war, dass sie meistens recht gut bewohnt war und zur Zeit schon zu viele Gäste hatte, als dass noch viel Platz für eine kleine Kampftruppe gewesen wäre.

„Ist es nötig, diesen Zauber zu behalten?“ erkundigte Weaver sich zaghaft.

General Curse dachte überhaupt nicht darüber nach. „Aber natürlich... es schont unsere Kräfte, wenn das Tageslicht von uns ferngehalten wird. Im Kampf selbst können wir freilich darauf verzichten, wenn Ihr etwas bevorzugt, das Eure eigenen Streitkräfte begünstigt.“

Weaver nickte nachdenklich. „Ja, so machen wir es...“

„Sehr schön... Truppe! Wir bauen am Hang das Lager auf!“

Die Zombies, Vampire und Unterweltler zogen ab und nahmen die Wolke mit. Dass die Feen und Amazonen schon bereit gewesen waren, sie anzugreifen, interessierte sie offenbar gar nicht oder sie zeigten das einfach nicht.

„Sie erinnert mich momentan sehr an Talimecros,“ flüsterte Dark den anderen zu.

Man konnte es nicht leugnen... Weaver hatte sich wirklich nicht gerade einladend benommen, dabei mussten sie jetzt jede Hilfe in Anspruch nehmen, die sie kriegen konnten.

Die Fee drehte sich zu ihnen um. Doch sie brachte keine Worte heraus.

Dark verschränkte die Arme vor der Brust, war nicht bereit, so einfach zu vergeben. Aber das war jetzt auch nicht der Moment und der Ort, um darüber zu reden... er ersparte ihr die Verlegenheit, indem er sich als Erster wegdrehte und ging. Die anderen folgten ihm.
 

***

Fortsetzung folgt.

Küsschen!

Welt des Blauen Lichts: Montag
 

Fremde Welten 52: Küsschen!
 

Crimson betrat den Garten, der mit seinem Teich und den wild wachsenden Pflanzen darum herum zur Erholung diente, mit gemischten Gefühlen. Die kniehohen Azurdisteln sah er sofort. Perfekt. Seufzend ließ er sich auf die Bank sinken und blickte auf den Teich.

Er hatte alles, was er brauchte. Farbe herzustellen war eine seiner leichtesten Übungen, auch tatootaugliche. Sie konnte bis morgen fertig sein, wenn er eine geeignete Küche fand. Am besten flog er gleich zum Kristallschloss, da hatte er Ruhe, und er konnte seinem Vater sagen, dass er nicht mehr in den Büchern suchen musste. So war es doch gut – besser, als es vor sich her zu schieben.

Aber Crimson wollte sich noch nicht zu sehr freuen, vielleicht klappte es nicht. Dark hatte sehr sicher geklungen, trotzdem hatte er seine Zweifel. Es konnte immer schief gehen, gerade bei magischer Präzisionsarbeit. Und dass er die Schmerzen auf jeden Fall erdulden musste, bereitete ihm starke Übelkeit. Wenn er ehrlich war, hatte er große Angst. Vor allem aber davor, dass er den Rest seines Lebens ohne Magie verbringen musste, vielleicht bestenfalls noch als Energiequelle für andere dienen konnte... welche Demütigung! Vielleicht sollte er lieber warten, bis er Malice erwischte? Aber der musste, um das Siegel zu lösen, vermutlich auch ein neues Ritual durchführen. Und er konnte es absichtlich schief gehen lassen. Keine wirkliche Option also. Aber zumindest musste er den Kerl vermöbeln!

Während Crimson grübelte, bekam er Besuch.

„Hallo... Ich habe mit dir hier irgendwie nicht gerechnet...“ Mad packte sich neben ihm auf die Bank.

Eria war bei ihrem Vater und quetschte sich zwischen die beiden. „Crimson! Wozu hast du denn das Körbchen dabei? Das passt ja irgendwie so gar nicht zu deinen Klamotten!“ grinste sie.

„Ich will Azurdisteln pflücken,“ antwortete er. „Aber sie haben Stacheln und ich habe kein Messer dabei. Normalerweise ernte ich sowas dann mit Magie...“ Er zuckte hilflos mit den Schultern.

Nicht sonderlich überraschend für ihn, sprang Eria auf und bot ihre Hilfe an. „Ich pflücke sie! Wie viele brauchst du?“

„Nur die oberen Teile mit den jungen Blättern und Blüten... drei oder vier Stück...“

Während Eria sich daran machte, ihre Finger mit Magie zu schützen und die benötigten Teile abzuschneiden, fingen die Männer ein Gespräch an.

„Du willst also meine Tochter unterrichten,“ stellte Mad fest. „Ich habe an sich nichts dagegen. Aber ihre Mutter will sie zu den Amazonen mitnehmen. Und ich weiß nicht, was aus mir wird... Die wollen über mich urteilen, sobald wir nicht mehr bedroht werden.“

Der Wassermagier sah echt besorgt aus, und Crimson überlegte sich, dass er selbst es wohl noch gut hatte... auf ihn kamen ein paar Schmerzen zu, aber bei Mad war es wohl noch schlimmer. Was machten Amazonen mit jemandem, der ihnen eine Tochter, also eine Kriegerin für ihren Stamm, stahl? „Die nehmen sie nicht mit, wenn sie es nicht will,“ versicherte er dem Blauhaarigen. „Und ich kann ihr Lehrer sein... in ein paar Tagen.“

Eria hatte das gehört und blickte ihn überrascht an, ebenso wie Mad. „Dann hast du einen Weg gefunden?“ staunte sie. „Ich will nämlich unbedingt von dir lernen!“

Er nickte. „Dark kann es machen. Daher brauche ich all diese Pflanzen, um daraus Tattoofarbe zu machen.“

Eria betrachtete die Disteln in ihrer Hand und legte sie nachdenklich in den Korb zu den anderen. „Tattoofarbe? Aber... dann muss wieder was in deinen Rücken geritzt werden?“

Sie begriff erschreckend schnell. Naja, die Grundlagen hatte sie ja schon gelernt. Und vermutlich hatte sie besser aufgepasst als er damals. „Erinnere mich nicht daran,“ antwortete er ausweichend. Er wollte vor ihr keine Schwäche zeigen, daher lehnte er sich scheinbar lässig zurück und seufzte. „Mach dir um mich keine Sorgen. Dark ist gut in dem, was er tut, auch wenn ich das ungern zugebe.“ Und wie. Aber er sagte es hauptsächlich, um das Mädchen zu beruhigen, und bemühte sich, seine Angst zu verbergen. Dummerweise wusste sie sehr gut, wie er mit Angst im Gesicht aussah. Das war so, wenn man tagelang gemeinsam gefangen gewesen war.

Sie kniete sich neben die Bank, legte die Hände auf sein Knie und ihr Kinn darauf und sah ihn prüfend an. Dabei wirkte sie viel jünger, als sie war. „Kann ich irgendwie helfen? Vielleicht... kann ich dabei deine Hand halten! Du musst diesmal nicht alleine gehen.“

Crimson bemerkte am Rande, dass Mad neben ihm breit grinste und ganz unschuldig woanders hin guckte. Anscheinend kannte er das von ihr, es musste so eine Töchterchen-Methode sein. Vielleicht hatte sie das schon immer so gemacht, wenn sie etwas wollte?

„Ich würde deine Hand ziemlich übel quetschen,“ gab er zu bedenken. „Außerdem ist es besser, wenn ich was fasse, das fest ist, dann bewege ich mich nicht so viel.“

„Ich hab dich nie gefragt, aber... wie haben sie es gemacht? Hat Malice dich gefesselt?“ wollte sie wissen. Dabei sah sie ihn so offen an, dass die Antwort praktisch schon auf seiner Zunge lag, obwohl er nicht darüber reden wollte.

„Ich glaube, ich hab da drüben was gesehen, was dir vielleicht auch nützlich ist,“ meinte Mad und verzog sich aus der recht privaten Szene. Crimson fand das sehr rücksichtsvoll.

Seufzend sah er das Mädchen an. „Seine Handlanger haben mich festgehalten. Auf einem Tisch mit etwas Polstermaterial drauf. Daneben hatten sie ihre Sachen aufgebaut...“

„Du hast so schrecklich geschrien... ich dachte, sie foltern dich zu Tode und danach sind wir dran... ich hatte solche Angst!“ Eria legte ihre Stirn auf sein Knie, um ihr Gesicht zu verbergen, aber er bemerkte auch den weinerlichen Ton in ihrer Stimme. Endlich begriff er, dass es ihr nicht nur darum ging, ihre Neugier zu befriedigen... sie versuchte, ihre Erlebnisse zu verarbeiten. Die Gespräche, die sie alle zusammen im Kerker geführt hatten, reichten dafür nicht. Er fragte sich, wie es den anderen ging.

„Als Sorc dich mit den Blitzen gefoltert hat, dachte ich, er bringt dich um... obwohl wir alle dachten, er bräuchte uns lebend,“ gestand er in dem Zusammenhang. „Ich konnte gar nichts tun, dabei war es als dein Meister doch meine Pflicht, dir zu helfen... scheißegal, ob ich nun nach den Regeln der Magier dein Lehrer sein darf oder nicht...“ Er streichelte über ihr Haar.

„Du hast mir deine Energie gegeben. Ich hab mich noch gar nicht dafür bedankt...“

„Das war das Mindeste, denn sonst konnte ich nichts machen...“

Sie schaute wieder zu ihm auf und hatte ganz wie erwartet tränennasse Augen. „Ich will dir so gerne helfen... vielleicht kann ich Dark assistieren?“ Sie kam seinem Protest zuvor: „Nur, wenn es dir recht ist, ich meine... bestimmt ist es dir peinlich, aber... ich stelle mir die Szene dauernd vor, höre deine Schreie im Schlaf...“

„Dann willst du... diese Erinnerung mit einer anderen überdecken?“ Nun, das wollte er auch. „Ich kann mir ungefähr vorstellen, wie du dich fühlst.“

„Wenn ich dabei sein kann, werde ich bestimmt aufhören können, darüber nachzudenken und es mir auszumalen,“ vermutete Eria. „Bitte erlaube es mir... wir haben dich danach alle schwach gesehen, und du hast dennoch nicht nachgegeben... es muss dir also nicht peinlich sein. Ich glaube, dich kann nichts aufhalten, wenn du es nicht zulässt. Deshalb will ich ja auch so gerne deine Schülerin sein!“

Crimson fühlte sich geschmeichelt. „Rhetorisch schon mal nicht schlecht. Ich denke drüber nach, und du solltest mal mit Dark reden, was er dazu sagt.“ Er konnte fühlen, dass sie nickte.

An ihrem Standort wurde es dunkler. Crimson sah, dass Mad misstrauisch den Himmel anstarrte. Die Yami-Wolke der Vampire war über der Burg und beeinträchtigte auch die Lichtverhältnisse im Garten. Sie war von hier aus zu sehen, befand sich aber nicht genau über ihnen. Crimson hatte gar nicht so schnell mit Genesis' Auftauchen gerechnet – sollte er gehen, um ihn zu begrüßen? Aber vielleicht ließ er ihn lieber erst einmal mit Weaver diskutieren, und dazu würde es gewiss kommen. Momentan fühlte er sich ziemlich aufgewühlt und wollte sich lieber etwas beruhigen, bevor er dem Vampir begegnete.

Mad warf fragende Blicke in seine Richtung. Crimson fühlte sich zu einer Erklärung genötigt. „Lord Genesis... du brauchst dir keine Sorgen zu machen, er reist mit Yami, um sich vor dem Tageslicht zu schützen.“ Es war ja kein Alarm ausgelöst worden, also war wohl noch alles in Ordnung.

„Du weißt ziemlich viel über diesen Vampir,“ stellte Mad fest und kam wieder näher. „Und du warst offenbar letzte Nacht bei ihm...“ Das Bissmal war ja noch gut zu sehen. „Und ich dachte immer, das wären nur Geschichten... Ha, wir haben zu meiner Zeit damit rumgeprollt... die wüstesten Abenteuer haben wir uns ausgedacht!“

„Das macht man immer noch,“ grummelte Eria. „Und was für Sachen manche Leute sich ausdenken... dass Genesis einem eine besondere Gabe verleiht, und dabei wendet er die abenteuerlichsten Methoden an... Manche sagen, man muss selber ein Vampir werden, oder man muss gegen seine Monster kämpfen... stimmt es, dass man sein Blut trinken muss, um die Gabe zu bekommen?“

Crimson lachte, antwortete aber nicht.

„Dein Lachen war es wert, finde ich... auch wenn du es mir nicht sagst,“ meinte Eria.

Der Weißhaarige sah sie an und behielt dabei sein Lächeln bei. „Was Genesis tut, ist für viele nur eine einmalige Sache... und man erhält wirklich eine Gabe. Aber für mich ist es mehr... ich besuche ihn immer wieder. Oft, wenn mir langweilig ist. Aber auch, damit er mir meine Ängste nimmt. Wenn du dich einem Vampir völlig auslieferst, bietest du ihm dein Leben als Geschenk an, und du kannst nie wissen, ob er es nicht doch einmal nimmt. Kann gut sein, dass ich auf den Kick stehe.“ Mal ganz zu schweigen von anderen Dingen, die aber niemanden etwas angingen.

Er stand auf und sah zu der Yami-Wolke hinüber, die sich jetzt ein bisschen zur Seite verzogen hatte. „Lasst uns mal nachsehen. Und ich werde wohl zum Kristallschloss fliegen, um meine Arbeit zu machen, denn da haben ich mehr Ruhe.“

„Ich begleite dich!“ rief Eria sofort und wich nicht von seiner Seite. Doch sie wollte Mad auch nicht aus den Augen lassen. „Kommst du mit, Vater?“

Mad lächelte und schlenderte hinter den beiden her. „Aber Kind, hast du etwa Angst, dass deine Mutter mir in der Zeit was tut? Begleiten kann ich euch nicht, denn das würde sie nicht zulassen.“

Es war nicht wirklich zu spüren, aber Mad wurde von den Amazonen natürlich ständig im Auge behalten, besonders, wenn er mit Eria zusammen war. Sie rechneten wohl damit, dass er sich mit ihr aus dem Staub machen könnte, aber er wusste es besser, als sich so dumm zu verhalten.

Als sie den Garten verlassen hatten und den Platz überquerten, wo die Drachen und Feen zu landen pflegten, sahen sie noch die Gruppe um General Curse abziehen. Crimson stellte dies nicht weiter in Frage. Wenn Lord Genesis persönlich mitgekommen wäre, hätte er sich vermutlich nach ihm erkundigt. Oder er hatte seine Gründe, es nicht zu tun. Jedenfalls sah er den Vampirlord nirgends und suchte auch nicht nach ihm.

„Wir treffen uns in zwei Stunden bei der Abflugplattform,“ beschloss Crimson. „Bis dahin habe ich alles zusammengepackt und Vögel organisiert.“

Das war Eria recht. Crimson trennte sich von den anderen und machte sich daran, seine Kräuter reisefertig zu verpacken, ehe er sich noch eine kleine Stärkung besorgte...
 

Dark hatte sich etwas von der kleinen Auseinandersetzung mit seiner Mutter erholt, nachdem er sich noch ein paar Minuten lang aufgeregt hatte. Dann entschied er, dass auch er Vorbereitungen zu treffen hatte. „Crimson hat die Zutaten für die Farbe zusammen, er wird schnell damit fertig sein, wie ich ihn kenne. Sowas schiebt er nicht auf die lange Bank. Also sollte ich zusehen, dass ich auch zurande komme... wäre peinlich, wenn ich nicht fertig bin, wenn er bereit ist...“ Falls man für so etwas wirklich bereit sein konnte, aber das war mal zweitrangig. Er verabschiedete sich für eine Weile von seiner Gruppe und verschwand in der Burg.

„Ich muss mich dann auch mal um meine Aufgabe kümmern,“ meinte Blacky und suchte sich ein gemütliches Fleckchen im Garten. Yugi, Appi und Neo konnten ihn vom Brunnen aus noch sehen, auch wenn etwas Gestrüpp dazwischen war, und sahen von weitem zu, wie er sich auf eine Bank setzte und die Augen schloss. Dabei lehnte er sich gegen den Baum, um den herum die Bank im Kreis gebaut war... ein idyllisches Fleckchen.

„Was genau hat er jetzt vor?“ erkundigte Appi sich, der die Konversation vorhin ja verpasst hatte, in der es um das Thema gegangen war.

„Er versucht, Sorc so zu beeinflussen, dass er erst in ein paar Tagen angreift,“ sagte Neo.

„Und damit stehen wir wieder ohne Lehrer da,“ kommentierte Yugi. Er wandte sich Neo zu. „Dann müssen wir uns wohl an dich halten.“

Neo, der das Problem ja schon einmal gehabt hatte, verdrehte die Augen. „Och nööö... ich bin kein guter Lehrer, dann fragt doch lieber... ach nein, Crimson kann ja nicht.“ Dass er den anderen Magier vorgeschlagen hatte, ließ aber darauf schließen, dass seine Sympathie für ihn gestiegen war, und wenn es nur aus Mitleid war. Vielleicht aber auch sowas wie Respekt, weil Crimson sein Schicksal nicht bejammerte.

„Naja... wir können uns auch nach Magi, Mystique oder sonstwem umschauen...“ meinte Appi und schielte dabei auf Neo, als wäre das eine Herausforderung.

Doch sein großer Bruder war dafür nicht empfänglich. „Damit kriegst du mich nicht.“

„Naja, man kann's ja mal versuchen... komm Yugi, wir üben Schutzschilde. Neo, wie wär's, wenn du uns dabei beaufsichtigst?“

„Also... jetzt bestimmst du schon euren Lehrplan, oder was?“ Nichts desto trotz begleitete er die beiden zu einer geeigneten freien Stelle auf den Burghof, wo man auch des Öfteren die Krieger trainieren sah. Dort fingen Yugi und Appi an, sich gegenseitig mit harmlosen Magiegeschossen zu bewerfen und Schutzschilde zur Abwehr zu erschaffen. Sie übten dabei natürlich auch, beides schnell hintereinander oder zugleich zu machen. Manche Schilde waren von hinten durchlässig für Angriffszauber, aber es war schwierig, sie zu halten, während man zugleich einen Angriffszauber warf. Inmitten einer Schlacht tat man das ohnehin selten, weil Gegner ja meistens von allen Seiten kamen.
 

Währenddessen hatte Dark sich in die Schmiede der Feen begeben. Diese war zugleich so eine Art Geschäft, in dem man Waffen, aber auch Gebrauchsgegenstände erwerben konnte, etwa für die Küche. Leider hatte Dark keinerlei Zahlungsmittel anzubieten, aber er betrachtete dennoch alle zur Verfügung stehenden Messer. Irgendwie erfüllte keines von ihnen seine Ansprüche.

Der Schmied der Feen war nicht Mitglied im Duellierverein, daher hatte Dark den jungen Mann noch nie bewusst gesehen. Er war zierlich wie die meisten Feen, aber seine Arme waren deutlich muskulöser als bei den meisten, was er seiner schweren Arbeit zu verdanken hatte.

„Du bist Dark, Weavers Sohn, nicht wahr?“ sprach er den Magier an. „Was benötigst du? Nicht etwa einen neuen Zauberstab?“

Dark bestätigte das Verwandschaftsverhältnis, obwohl er im Moment nicht über seine Mutter reden wollte. Aber sie war auch nicht das Thema. „Ich brauche ein Messer, eine rituelle Klinge. Sie muss durch Haut und Fleisch gehen wir durch Butter und leicht zu handhaben sein, nicht zu groß.“ Er erläuterte genauer, wofür er es brauchte, und der Schmied nickte die ganze Zeit lächelnd mit dem Kopf. Der Auftrag schien ihn zu interessieren.

„Wenn du willst, schmiede ich dir eins. Du brauchst es schnell? Ich arbeite schnell, die ganze Nacht. Du hast Exodia besiegt. Wir stehen alle in deiner Schuld.“

„Nun ich... war es nicht allein.“

„Natürlich. Verlass dich auf mich und komm morgen früh wieder.“

Das ließ Dark sich natürlich nicht zweimal sagen. Ein speziell für den Zweck hergestelltes Messer würde ihm bessere Dienste leisten als eines, das er nun einmal dafür benutzte.

Er wollte schon wieder zu den anderen gehen, als er es sich spontan anders überlegte. Seine Beine trugen ihn zu einem Raum in den tieferen Stockwerken der Burg, wo es nur bedingt Fenster gab – Räume, die von dunklen Feen bewohnt wurden oder von solchen, die aus religiösen Gründen die Stille und Kühle dieser Kammern suchten. Jedoch waren hier auch Lebewesen untergebracht, die zu ihrer oder der allgemeinen Sicherheit weggeschlossen werden mussten. Genau eine Kammer war zu diesem Zweck besetzt und hatte ein stabiles Schloss an der Tür; ein Wächter stand davor. Es war einer von Zeratos Männern.

„Ich will meinen Vater sehen,“ sagte Dark.

Er wurde skeptisch gemustert, ehe der Wächter ihn hinein ließ. „Nicht zu lange...“

„Keine Sorge...“ Dark trat in den von einer Kerze erhellten Raum. Man ließ Kuro wenigstens nicht im Dunkeln.

„Bist du es, mein Sohn?“ Der wie immer etwas schäbig wirkende Magier erhob sich von einem einfachen Arbeitstisch, auf dem er einige Bücher ausgebreitet hatte. Keine wichtigen Werke – er durfte nichts lesen, was dem Feind nützliche Informationen liefern könnte. Doch man hatte ihm gegen die Langeweile etwas Lektüre gegönnt. „Meine Güte, ich hatte schon gedacht, du wärst wieder in irgendeiner Gefahr... man erzählt mir ja nichts!“

Dark ließ sich bereitwillig umarmen und drücken. Sein Vater hatte hier unten nur das nötigste. Ein Bett, Tisch, Stuhl, ein kleines Regal. Alles andere brachte man ihm regelmäßig. „Sind die Feen noch immer der Meinung, dass du kontrolliert oder als Spion benutzt werden könntest?“

Er nickte bedrückt. „Ich selbst befürchte es ja auch! Oh Dark, du wirkst... verändert... aber vielleicht liegt das am Licht?“ Eine Lichtkugel erschien auf seiner Hand. Man hatte seine Kräfte nicht gesperrt, aber einen Wachposten gewählt, der es mit ihm aufnehmen konnte. Schließlich war er noch kein Verbrecher.

Dark hob erstaunt die Augenbrauen. „Verändert? Naja ich war...“

„Nein, erzähl mir nichts!“ unterbrach Skill ihn mit einer abwehrenden Handbewegung. „Ich will es zwar wissen, aber es wäre nicht klug.“

„Weil du meinst, du könntest von Sorc oder Malice belauscht werden?“ Dark schaffte ein Lächeln. „Nun, ich könnte dir was vorlügen. Du weißt doch nie, ob ich die Wahrheit sage...“ Er überlegte kurz. „Wir konnten leider nicht verhindern, dass Sorc den Fünfgötterdrachen beschwört, aber zumindest haben wir seine Gefangenen gerettet... Crimsons Magie ist versiegelt worden, er ist ganz verzweifelt. Malik ist anscheinend der Einzige, der daran etwas ändern kann, und warum sollte der es tun? Mad hat Probleme mit den Amazonen, denn Eria ist das Kind einer Amazone, aber er hat es der Mutter durch einen Trick vorenthalten... Appi benimmt sich viel vernünftiger, seit er mit einer Gruppe bei Lord Genesis war...“ Dark fuhr fort, seinem Vater in knappen Sätzen Bericht zu erstatten. Er hielt sich an die Wahrheit, ließ aber oft wichtige Kleinigkeiten weg, so dass es nachher so aussah, als wäre die Situation viel schlechter, als sie war.

„Du siehst aber nicht besonders besorgt aus,“ meinte Skill dann und dachte sich wohl seinen Teil, fragte aber nicht nach.

Dark lächelte wissend. „Wie gesagt... du weißt nicht, ob ich die Wahrheit sage, aber ich habe dir wohl etwas die Langeweile vertrieben. Bist du sicher, dass du hier unten bleiben willst?“

„Es ist besser, glaube mir... ich habe Angst, dass er mich kontrolliert... ich habe so ein Bild vor Augen, wie aus einem Traum... ein Horusauge, aber die Schnörkel sind nicht daran.“

„Dann... war es vielleicht eher Malice als Sorc. Du meinst vielleicht einen Millenniumsgegenstand...“ Das klang sogar sehr logisch, denn Sorc hatte sicher genug damit zu tun gehabt, Blacky zu kontrollieren.

Viel länger konnte Dark nicht mehr bleiben, denn zur Sicherheit sollte sein Vater immer nur kurz Besuch haben, so dass es sich für den Feind nicht lohnte zu lauschen. Er umarmte ihn herzlich und verabschiedete sich dann. Die Tür wurde von außen wieder gut verriegelt. Dark befand, dass es mehr als einen Grund gab, Sorc und Malice in den Hintern zu treten.

Auf dem Weg nach oben war er in Gedanken, so dass er fast erschrak, als Erian ihn ansprach. „Oh, Dark! So ein Zufall, ich hab dich schon gesucht, und jetzt läufst du mir über den Weg!“ Sie lächelte breit, und ihn beschlich der Verdacht, dass sie irgendein kniffeliges Anliegen hatte.

„Was kann ich für dich tun, Eria?“ Er lotste das Mädchen an die Seite, damit sie in dem Gang niemandem im Weg standen. Hin und wieder kamen Feen vorbei, die auf den Weg zu oder von Lagerräumen waren, die sich auch in dieser Richtung befanden.

Sie schaute mit diesem erprobten Bitteblick mit den großen, unwiderstehlichen Augen zu ihm auf. „Ich möchte dabei sein, wenn du Crimsons Siegel brichst! Schließlich bin ich seine Schülerin!“

Gut, das hatte er nicht erwartet. „Eria, das wird keine schöne Angelegenheit. Und Crimson will das bestimmt nicht...“

„Er hat gesagt, ich soll dich fragen!“

[Ach so... danke, Crimson!] Die Kleine hatte anscheinend schon an alles gedacht. „Ist das so... naja, wenn es ihm recht ist... Aber sag dann nicht, ich hätte dich nicht gewarnt!“

„Ich könnte dir doch Sachen anreichen oder so etwas... eben dir assistieren!“ schlug sie eifrig vor. „Das ist wirklich sehr wichtig für mich!“

„Na fein. Aber du darfst mich auf keinen Fall stören! Wenn dir schlecht wird, gehst du einfach ganz ruhig raus.“

„Ja, ganz bestimmt! Kann ich schon bei irgendwas helfen?“

„Ähm...“ Dark dachte kurz darüber nach. „Ich brauche ein paar Leute, die Crimson dabei festhalten. Fällt dir jemand ein?“

Zu seiner Überraschung nickte sie sofort. „Ich glaube, dafür hab ich genau das richtige Team.“
 

***
 

Sorc gab seinen Leuten Anweisungen für den Angriff, der morgen... nein... übermorgen... in drei Tagen stattfinden sollte! Aber vielleicht reichte auch noch in einer Woche.

Malice schaute ihn schräg an. „Entscheidest du dich mal? Jetzt änderst du schon zum dritten Mal heute deine Meinung!“

Sorc hob eine Augenbraue. „So? Na und? Ich denke eben nochmal darüber nach. Und dann stelle ich fest, dass es doch besser ist, noch zu warten. Der Drache muss sich regenerieren, und wir zermürben den Feind durch Ungewissheit, wenn wir erst später angreifen...“

„Aha. Aber sag mal... was machen wir bis dahin? Unsere Streitmacht wartet schon auf ihren Einsatz und der Drache... naja wie lange steht der uns denn noch zur Verfügung? Hast du keine Angst, dass er einfach verschwindet? Dass die Truppe desertiert? Oder dass unsere Gegner in der Zwischenzeit zu stark werden?“

Sorc winkte genervt ab. „Quatsch. Der Drache ist jetzt für uns da, bis wir ihn wegschicken oder er besiegt wird. Bisher haben wir immer viel zu wenig geplant.“ Sorc argumentierte gegen Malice noch eine Weile an, und zu dessen Leidwesen hatte er Logik in seinen Worten. Er selbst hingegen wunderte sich etwas über seine eigenen Gedanken – früher waren ihm solche Dinge doch auch egal gewesen, schließlich war er ein Chaosmagier. Er ahnte nicht, dass es nicht ganz seine Ideen waren, die ihm da in den Sinn kamen, doch er war ja nicht der einzige Chaosmagier...
 

Blacky wurde in seiner Konzentration gestört, als sich ein paar Lippen auf seine eigenen legte. Er hatte in dem Moment nicht damit gerechnet, aber er reagierte automatisch une begann mit einem Zungenspielchen, während er sich aus Sorcs Gedanken verzog und dabei aufpasste, dass dieser nichts bemerkte. Erst nach und nach wurden ihm Einzelheiten bewusst. Er hielt die Augen noch geschlossen und fand, dass Dark heute etwas zurückhaltend küsste... zugleich waren seine Zunge und die Lippen irgendwie... anders.

„Oh, wie schnuckelig!“

„So ein süßes Bild!“

Bitte was?! Blacky riss die Augen auf. Vor ihm stand nicht Dark, demnach war es auch nicht Dark, der ihn küsste.! Sein nächster Reflex schleuderte den Übeltäter schwarzmagisch von sich. Er rappelte sich von der Steinbank hoch, auf der er bequem gesessen hatte, mit dem Rücken gegen den angrenzenden Baumstamm gelehnt. Vermutlich hatte er wirklich ein schönes Bild abgegeben aber das berechtigte noch lange nicht---

„Black Luster! Was fällt dir ein?!“

Die Mädels – hauptsächlich sehr junge Amazonen und Feen – bildeten ja stets einen Pulk um den Mann, wo immer er auftauchte. Jetzt war in ihre Gruppe praktisch eine Schneise geschlagen, der Blacky folgte, um den Krieger am Kragen zu packen – soweit das in den Feengewändern möglich war, die sie beide trugen.

„Leidest du neuerdings an einer Störung des Orientierungssinns? Über zwanzig Weiber um dich rum und du verfällst ausgerechnet auf mich?“

Luster erhob sich lachend und klopfte sich das Gewand ab, wobei er Blackys Hände mit sanfter Gewalt losmachte. Schaden genommen hatte er nicht. „Black Chaos! Was regst du dich so auf? Ich habe doch nur den Wünschen der holden Weiblichkeit entsprochen!“

„Wiiiieee bitte?“

„Na, die haben dich hier gesehen, im Schatten schlafend. Du hattest die Lippen leicht geöffnet, dein Gesicht wirkte ganz jung und sanft. Sie fanden, dass es doch gewiss ein schönes Bild wäre, wenn ich dich küsse.“

„Waaas? Hast du sie noch alle?“

„Das sah wirklich verführerisch aus.“

Blacky fuhr zu den Frauen herum. „Ihr habt ihn angestiftet? Wisst ihr denn nicht, dass es sich nicht gehört, einfach schlafende Leute zu küssen, mit denen man kein näheres Verhältnis hat?“ Es interessierte den Magier herzlich wenig, dass er es mit mehreren bewaffneten Jungamazonen und zaubermächtigem Jungfeen zu tun hatte. Was Luster sich geleistet hatte, durfte nur Dark!

Eine Amazone mit gebräunter Haut und rötlichem Haar trat auf ihn zu. Sie sah etwas reifer aus als die meisten anderen. Abschätzend ergriff sie sein Kinn und drehte seinen Kopf hin und her, um sein Gesicht genau zu betrachten. „Was haltet ihr von dem hier, Schwestern? Etwas dünn vielleicht, aber viel Magie hat er in sich, dass er eine Schamanin zeugen könnte... Und er scheint entweder sehr mutig oder sehr töricht zu sein...“

Blacky hatte zunächst vor Überraschung gar nicht reagiert, doch als er merkte, dass die Amazone sich für ihn erwärmte und im Begriff war, ihn zu erwählen, wischte er sehr eilig ihre Hand weg und machte einen Schritt rückwärts. „Ich bin schon vergeben!“

Es gab einige geschockte Ausrufe, aber ob das Empörung war angesichts seiner Dreistigkeit, eine Amazone abzuweisen, oder Bedauern, weil er nicht verfügbar war, konnte er nicht sagen. Jedenfalls war ja allgemein bekannt, dass die Kriegerinnen keinen Mann erwählten, der schon in einer Beziehung war.

„Aber Black Chaos, du kannst doch keine Amazone abweisen,“ mischte Luster sich ein. „Dadurch fühlen sie sich gekränkt, schließlich---“

„Halt die Klappe!“ unterbrach Blacky ihn eilig, denn er wusste selber, dass es für die Amazonen nicht denselben Stellenwert hatte, wenn ein Mann mit einem Mann zusammen war – das waren immerhin beides potenzielle Zielpersonen. „Mit dir bin ich noch nicht fertig! Triff mich bei Sonnenuntergang auf dem Übungsgelände! Und vergiss ja dein Schwert nicht!“

„Oooh! Ein Duell?“ Der Krieger klang überrascht und irgendwie so, als hielte er Blacky für sehr voreilig. Er grinste neckisch. „Sicher, dass du dir das antun willst, Chaos? Doch nicht wegen eines Kusses, oder?“

„Doch, genau deswegen! Und nun beschäftige dich weiter mit deinem Fanclub und lass mich zufrieden!“ Blacky stürmte an ihm vorbei, zwischen den Frauen hindurch, und sah zu, dass er Abstand zwischen sich und die Gruppe brachte. [Ich muss bekloppt sein. Black Luster zu einem Duell herauszufordern... Mann, im Hirn meines Vaters rumzugraben hat garantiert einen schlechten Einfluss auf meine Psyche!] Aber Kneifen kam selbstredend nicht in Frage, und außerdem standen seine Siegeschancen ja durchaus nicht bei null. Der Vorteil war, dass niemand wirklich erwartete, dass er gegen den Helden des Drachenhauchordens gewann!
 

Zwei Stunden nach seiner letzten Unterhaltung mit Eria war Crimson abflugbereit auf der Startrampe. Der Vogel seiner Mutter war inzwischen ausreichend ausgeruht, dass er ihn für diese Reise wieder benutzen konnte. Das Tier kannte ihn auch schon, insofern war es eine gute Lösung.

Für Eria hatte er den von Rohka geborgt. Sie war ihm gegenüber etwas skeptisch. Einerseits war er ein Amazonensohn und damit würdig, dass man ihm half. Aber es ging auch um ihre Tochter. Sie befürchtete wohl, dass er sie in Mads Auftrag entführen könnte. Und sicherlich gefiel es ihr auch nicht, dass Eria so erpicht darauf war, bei ihm zu lernen, denn das verminderte ihre Chance, sie mit ins Amazonendorf zu nehmen. Wenn Eria das nicht wollte, konnten sie sie nicht zwingen. Natürlich sagte sie das nicht laut, sondern gab sich freundlich.

Crimson fragte sich gerade, ob es vielleicht klüger gewesen wäre, zum Beispiel Chani zu fragen, als Paladia zu ihm stieß.

„Ich werde euch auch begleiten, denn es ist meine Pflicht, mich dort aufzuhalten, wo du bist,“ erklärte sie ihm.

Der Weißhaarige hob die Augenbrauen. Da war er wohl wirklich offiziell erwählt worden, und Paladia ließ ihn nicht vom Haken, ehe sie wusste, ob ihre Schäferstündchen Erfolg gehabt hatten. Er konnte nicht behaupten, dass ihm das etwas ausmachte. Das Schicksal hatte ihn ja ohnehin schon mit ihr zusammengeschweißt.

„Sieh!“ rief die Amazone. Sie zeigte ihm einen roten Vogel, der noch etwas kleiner war als alle anderen und zwischen den roten Federn überall vereinzelte grüne und gelbe hatte. Außerdem war sein Schnabel braun statt gelb. „Mein neuer Vogel, Dornenkralle. Er ist noch ganz jung und nicht fertig trainiert. Später wird er teilweise lila werden, aber noch hat er etwas von seinem Jugendgefieder.“

Crimson streichelte den Kopf des Vogels und ignorierte den nach ihm schnappenden Schnabel. „Ach ja, dein anderer wurde ja getötet, nicht wahr? Kannst du Dornenkralle denn schon fliegen? Er wirkt noch sehr ungestüm.“

Sie zuckte mit den Schultern. „Es ist eine gute Übung. Die anderen beiden sind schon älter, er wird sich an ihnen orientieren. Es wäre dumm von mir, auf eine Schlacht zu warten, um ihn zu testen.“ Sie schwang sich auf den Rücken des Tieres. Dornenkralle musste sein Gleichgewicht wiederfinden, als sie saß, denn er kannte sie noch nicht sehr gut, aber er sträubte sich nicht gegen sie.

„Kämpft ihr Amazonen denn auch, wenn ihr schwanger seid?“ erkundigte Crimson sich.

„Wir sind keine Weichlinge!“ entgegnete sie ernst. „Der Stamm muss zwar wachsen, aber bis dahin muss auch verhindert werden, dass er dezimiert wird! Wir kämpfen, bis es nicht mehr geht!“

Über diese Logik konnte man sich streiten, aber Crimson hütete sich, etwas dagegen zu sagen. Er trug seine Kräuter in einem stabilen Reisebeutel bei sich, den ihm seine Mutter gegeben hatte. Ein Grund, dass er zum Kristallschloss wollte, war, dass er dort alles hatte, was er für seine Brauerei brauchte, aber er wollte außerdem seinem Vater sagen, dass er nicht weiter in den Büchern stöbern musste. Es war unwahrscheinlich, dass es eine zuverlässigere Methode zu finden gab als die von Dark vorgeschlagene, aber er hätte nichts dagegen gehabt, wenn es etwas weniger Schmerzhaftes gewesen wäre.

Als Eria sich eingefunden hatte, konnte es losgehen. Alle drei brauchten ein paar Minuten, um sich mit den unbekannten Reittieren vertraut zu machen, aber die älteren Vögel stellten sich schnell auf ihre temporären Reiter ein und Paladia, die Erfahrung mit anderen Vögeln hatte, kam mit ihrem Jungvogel ausreichend zurecht. Er schien sich über die Reise zu freuen, die deutlich weiter war als die üblichen Trainigsstrecken. Schätzungsweise würden sie das Kristallschloss in einigen Stunden erreichen. Morgen schon konnten sie dann mit der fertigen Tattoofarbe zurück sein. Crimson fröstelte ein wenig, und es lag nicht an dem Wind, der ihm um die Ohren pfiff...
 


 

***

Fortsetzung folgt

Blacky vs Blacky

Ich wünsche meinen Lesern frohe Weihnachten!
 


 


 

Welt des Blauen Lichts: Montag, später Dienstag
 

Fremde Welten 53: Blacky vs Blacky
 

Die Feenburg erbebte unter dem Ansturm brutaler Gewalten. Man konnte es glatt mit der Angst zu tun bekommen, doch das Gebäude war nicht in Gefahr. In einem großen Kreis hatten sich Feen, Magier, Amazonen, Untote und Krieger aufgebaut, und wer einen wirksamen Schild errichten konnte, tat dies, alle anderen gingen entweder möglichst hinter einem stärkeren in Deckung oder standen in Angriffsposition da, um einen fehlgeleiteten Angriff abzuwehren.

Yugi für seinen Teil hielt sich hinter Dark auf. Dieser verfolgte das Geschehen mit steinerner Mine. Schon als er erfahren hatte, dass Blacky sich mit Blacky zu schlagen gedachte – ja, der Witz hatte die Runde gemacht –, hatte er nicht gerade mit Begeisterung reagiert. Aber ob er es dumm fand oder waghalsig, gerechtfertigt oder voreilig oder was auch immer, dazu hatte er sich nicht geäußert. Er stand auf jedem Fall zu seinem Geliebten.

Es gab ungeschriebene Regeln für solche Duelle. Weil Blacky einen Krieger herausgefordert hatte, durfte er ihn nicht mit hoher Magie angreifen, sondern musste sich im Nahkampf mit ihm messen. Wäre ja sonst unfair gewesen – was allerdings bei einem Gegner wie Black Luster relativ war. Energiebälle zu verschießen war erlaubt, leider wehrte das Schwert des Kriegers sie leichter ab, als man meinen sollte.

Häufig trafen der Zauberstab des Chaosmagiers und das Schwert seines Gegners aufeinander. Dabei entluden sich manchmal Funken und Blitze, vor denen die Zuschauer sich in Acht nehmen mussten. Es war immerhin weniger gefährlich als bei einem Duell zwischen Magiern. Erstaunlicherweise hielt Blackys Zauberstab dem gigantischen Schwert stand. In Yugis Gedankenwelt war Blacky immer der Magier, während er zur besseren Unterscheidung den anderen Blacky als Black Luster abgespeichert hatte.

Die Show war klasse, wenn auch Ehrfurcht gebietend. Während Black Luster die schwere Waffe mühelos zur Abwehr führte, wuselte Blacky um ihn herum, immer auf der Suche nach einer Unachtsamkeit, einer ungedeckten Stelle. Wenn Luster angriff, wich Blacky geschmeidig aus, manchmal wehrte er den Hieb aber auch ab, was aber mühsam für ihn sein musste, schon allein wegen des darauf prallenden Gewichts. Konnte er auf Dauer diesem gewaltigen Krieger standhalten? Die ständigen Ausweichmanöver mussten ihn doch ermüden, ebenso wie die vergeblichen Angriffe!

Die Zuschauer waren ziemlich laut. Sie feuerten einen der Duellanten an, stöhnten auf, schrien begeistert oder versuchten, ihrem Nachbarn etwas zu sagen. Eine insgesamt sehr geladene Stimmung lag in der Luft, aber im positiven Sinne. Den Kämpfenden schien es auch sehr viel Spaß zu machen. Beide hatten sich zur Feier des Tages in ihr Kartengewand geworfen, wie Yugi es nannte. Die Rüstung von Black Luster machte es Blacky nicht leichter. Gerade wurde er wieder abgewehrt und ein Stück zurückgeschleudert. Er konnte sich fangen, blieb aber erstmal keuchend stehen und fixierte dabei seinen abwartenden Gegner.

[Wie will er das schaffen?] dachte Yugi ängstlich. Gut, es würde Blacky nicht umbringen zu verlieren, es wäre nicht einmal besonders schändlich. Aber Yugi wünschte sich, dass ihm der Sieg gelang, schon allein, um Luster einen kleinen Dämpfer zu verpassen. Der Krieger war zwar nicht unsympathisch, aber vielleicht ein bisschen ZU selbstsicher.

Schon prallten wieder Stab und Schwert aufeinander. Es gab rosa Funken, und Dark verspannte sich neben Yugi. „Sein Zauberstab ist beschädigt...“

„Was?“ Furchtsam sah Yugi hin. Der Stab war ja nun eigentlich nicht als Kampfstab gedacht. Auf die Dauer hielt er diese Belastung vielleicht nicht aus... „Ist es schlimm, wenn er kaputt geht?“

Dark zuckte mit den Schultern. „Nicht wirklich. Der Stab ermöglicht es dem Magier, seine Kraft besser zu konzentrieren. Könnte lustig werden, wenn Blacky seine Kraft wild auf die Welt loslässt... aber wer weiß, vielleicht ist der Unterschied auch nicht so groß.“

Blacky wich einem Schwerthieb aus, stürzte, rollte sich aber ab und stand gleich wieder. Yugi atmete auf. Das hatte gefährlich ausgesehen. Der Kampf ging nun schon eine Weile, und es sah für ihn so aus, als müsste Blacky irgendwann vor Erschöpfung unterliegen, wenn er nicht irgendeine listige Idee hatte. So war das eben, wenn man sich mit einem berufsmäßigen Helden anlegte... Nicht dass Luster nicht auch aus der Puste kam, aber er hatte vermutlich die größere Ausdauer, zumal Blacky sich mehr bewegen musste als er, um dem großen Schwert auszuweichen.

Obwohl er Black Luster nicht unsympathisch fand, überraschte es Yugi, wie sehr er auf der Seite seines Magierfreundes stand. Aber andererseits war das nicht verwunderlich. Blacky war das erste Wesen, das ihm im Reich der Schatten begegnet war, und sowas wie sein Mentor.

Das Duell musste wohl langsam in eine entscheidende Phase übergehen, jedenfalls hatte Yugi den Eindruck, dass die Stimmung noch aufgeladener wirkte, und er selbst hatte auch ein Gefühl wie in der Endphase eines Duel Monsters Spiels. Blacky und Luster standen sich abschätzend und lauernd gegenüber. Blacky nutzte die Pause anscheinend, um sich etwas zu erholen. Er atmete schwer, hatte aber ein beinahe irre wirkendes Grinsen im Gesicht. Luster stand fast arrogant da und lächelte, jedoch ohne die Zähne dabei zu zeigen. Das sah umso arroganter aus.

Niemand wusste, ob es ein Signal gegeben hatte, jedoch wirkte es so, als beide auf einmal einen kriegerischen Schrei ausstießen und aufeinander los gingen. Blacky griff seinen Stab ziemlich weit unten und holte damit aus wie mit einem Schlagstock. Doch Luster konterte natürlich mit seinem Schwert. Alles hielt den Atem an, so dass es für einen Moment still war bis auf ein kollektives, gespanntes Einatmen.

Es gab ein metallisches, schepperndes Geräusch, als die beiden Waffen (wenn man den Stab so nennen konnte) aufeinander prallten. Ein greller Lichtblitz ließ Yugi den Arm vors Gesicht heben, und es klang, als würde etwas durch die Luft geschleudert werden, um dann weiter hinten scheppernd zu landen. Als Yugi wieder hinsehen wollte, rannten plötzlich lauter Zuschauer auf den Kampflatz und riefen alle durcheinander. Auch Dark war von Yugis Seite verschwunden. Er musste definitiv den Ausgang des Kampfes verpasst haben...
 

Blacky wusste, worauf er sich einließ bei diesem letzten Angriff. Er setzte quasi alles auf eine Karte. Sein Stab war beschädigt, das wusste er, eventuell brauchte er eh einen neuen. Also schwang er ihn ähnlich wie ein Schwert, und war nicht überrascht, als er nur noch das untere Ende in der Hand hielt, das jetzt vielleicht noch 30-40cm lang war. Das Blitzen, das der brechende Stab verursachte, störte den Magier kaum, wahrscheinlich den abgehärteten Krieger auch nicht. Luster führte noch den Schlag seines mächtigen Schwertes zu Ende, was ihn in der Mitte offen ließ. Blacky dagegen konnte seine Bewegung leicht stoppen und umkehren: Er drehte sein Stabstück in den Händen, so dass er mit dem unteren, spitzen Teil zustoßen konnte. Luster trug eine Rüstung; er wusste, dass er eine passende Stelle treffen musste um...

*Klong.*

Es gab ein metallisches Geräusch, als seine Waffe gegen etwas Hartes stieß.

„Scheiße...“

Er hatte den Schild vergessen. Luster war vielleicht überrascht von der Aktion gewesen, aber er war viel zu sehr Krieger und Held, als dass er nicht reagiert hätte. Blacky's Angriff wurde folglich recht wirkungsvoll gestoppt. Mehr noch... der Krieger wuchtete den Schild vor, brachte seinen Gegner zum Straucheln und schlug dann mit dem Schwert zu. Blacky wurde quer über den Platz geschleudert und war sich vage bewusst, dass er sich eine oder zwei Rippen gebrochen oder wenigstens geprellt haben musste, wobei er noch Glück gehabt hatte, denn Luster hatte die stumpfe Seite der Klinge benutzt. Doch ganz nach Heldenmanier, die besagte, dass ein gefallener Feind noch nicht zwangsläufig besiegt war, kam Luster ihm nach und setzte noch einen drauf: Sein Schwert bohrte sich links neben Blackys Gesicht in den Boden, dass Stückchen der schönen Bodenplatten seine Wange streiften.

Der Held grinste auf ihn herab. „Du bist tot.“

Blacky ließ seinen Körper erschlaffen, schloss die Augen und rang erstmal nach Luft. Gut, er hatte sich Chancen ausgemalt, und schlecht gekämpft hatte er nicht, brauchte sich also nicht zu schämen. Rundherum brach Geschrei aus. Klang wie Jubel, der wahrscheinlich ihnen beiden galt. Als Blacky wieder hinsah, streckte Luster ihm die Hand hin. Auch wenn es ihm widerstrebte, er nahm sie als Zeichen des guten Willens an und ließ sich hochziehen.

Doch Luster ging noch weiter als das – er zog ihn direkt an sich heran, quasi in seine Arme. „Na, wie wär's mit einem Küsschen für den Sieger?“

„Nicht von ihm.“ Eine Hand hatte sich von hinten auf Lusters Schulter gelegt. Die Hand machte zischende Geräusche, während sie einen einsatzbereiten Zauber zurückhielt und dunkel leuchtete.

„Aber Dark... warum nimmst du das denn alles so ernst?“ wandte sich der Krieger zu ihm um.

Der Magier kam um eine Antwort herum, weil sich ein Pulk von Amazonen um Luster scharte und ihn wegdrängte. Allerdings waren auch Feen, Kriegerinnen und andere Frauen dabei, sogar ein paar Jünglinge. „Was die bloß an ihm finden...“ Dark trat vor Blacky hin und schob dabei wie selbstverständlich die eine Amazone aus dem Weg, die sich immer noch für den Chaosmagier interessierte, schnappte sich Blackys Kinn und drückte ihm einen innigen Kuss auf. Dies löste bei der Mehrzahl der Umstehenden machohaftes Gegröhle aus. Dark warf der Amazone, die sich gerade darüber empören wollte, einen sehr warnenden Blick zu. Es musste selbst für eine Amazone gruselig ausgesehen haben, jedenfalls zog sie sich zurück, wenn auch schmollend. Möglicherweise hatte sie noch nicht ganz aufgegeben.

Das interessierte im Moment allerdings weder Blacky noch Dark. Letzterer betrachtete seinen Geliebten skeptisch, betastete die Stelle, wo Lusters Schwert getroffen hatte und entlockte ihm damit einen unterdrückten Aufschrei. „Heilzauber,“ kommentierte er nur und zog den Chaosmagier mit sich weg, was Blacky sich natürlich gerne gefallen ließ.

Das war das letzte Mal an diesem Abend, dass man die beiden sah.
 

***
 

Yugi sah die beiden Magier noch verschwinden, gab es aber beizeiten auf, zu ihnen vorstoßen zu wollen, und grinste sich einfach eins. Er wandte sich also Black Luster zu, der nun anfing, sich mit den Damen zu unterhalten. „Oh... dein Schild ist beschädigt,“ stellte er fest.

Luster sah nach. „Oh... Tatsache...“ Blackys Stück vom Zauberstab hatte eine unschöne Macke verursacht, eine kurze, aber hässliche Schramme mit einem Loch am Ende, das vielleicht 5cm tief war. Das war doch immerhin beachtlich. Der Schild musste repariert werden, sonst schmälerte dieser Fehler Lusters Glorie.

„Ach, du kannst morgen in die Schmiede gehen,“ schlug eine junge Fee vor. „Oder lass den Jungen deinen Schild da hinbringen.“

Yugi machte eine abwehrende Handbewegung. „Nicht doch... das Ding ist viel zu schwer für mich!“ Was ihn allerdings auf eine andere Idee brachte. „Ich überlasse dich dann mal deinem Fanclub, Luster...“

Yugi musste ein bisschen suchen, bevor er die Stücke von Blackys Zauberstab fand. Die ließen sich wahrscheinlich nicht mehr reparieren, denn die Bruchstelle würde wohl immer etwas empfindlich bleiben, wenn man den Stab wieder zusammenschmiedete. Doch vielleicht brauchte Blacky die Kugel noch, die ganz oben eingearbeitet war.

Yugi brachte den Stab daher in sein Zimmer... allerdings fiel ihm erst vor der Tür ein, dass Dark und Blacky ja auch dort schliefen. Er horchte also, bevor er langsam öffnete. Niemand da. Vielleicht waren sie wieder unten beim See... Yugi legte die Stabstücke ans Fußende des Bettes und begab sich in den Speisesaal, wo er sich eine kleine Mahlzeit gönnen und dann ins Bett gehen wollte.

Es stellte sich heraus, dass im Speisesaal jetzt ziemlich viel los war, denn fast alle Zuschauer von eben hatten die gleiche Idee wie Yugi gehabt und wollten jetzt etwas essen. Das Duell wurde lebhaft diskutiert. Yugi hatte keine Lust zuzuhören, kam aber nicht umhin, Gesprächsfetzen mit anzuhören.

„Was hat sich der Magier dabei gedacht... einen Helden wie Black Luster herauszufordern!“

„Für einen Magier hat er sich im Kampf gut gehalten.“

„Kann ein Magier einen Krieger nicht einfach in irgendwas verwandeln?“

„Sie haben wohl nach Regeln gekämpft, die das verbieten. Ist ja nur fair.“

„Er ist selber schuld, dass sein Stab kaputt ist...“

Yugi fand keinen ruhigen Platz, weil der Saal proppenvoll war. Er belud sich einen Teller und zog sich zurück.

Als er das Zimmer erreichte, war Appi schon dort. Während des Kampfes hatte er ihn gar nicht gesehen. Der Blonde lehnte gerade sein Geschenk von Genesis, erneut verpackt in das Zeitungspapier, an die Wand neben seinem Bett. Er lächelte dabei sehr zufrieden.

„Hallo Appi... hast du gar nicht das Duell verfolgt?“

„Ach was... Luster musste doch gewinnen,“ meinte Appi. „Ich hab gehört, Blacky hat's ihm schwer gemacht. Aber du wirst es mir sicher gleich nochmal ganz genau erzählen, also hab ich die Zeit lieber produktiv genutzt...“

Yugi bemerkte ein paar neue Schrammen und kleine Brandwunden in Appis Gesicht, an seinen nackten Oberarmen und vor allem an den Händen. Er musste in der Schmiede gearbeitet haben, vermutlich an dem... Ding. In gewisser Weise wirkte er damit ziemlich erwachsen. Das Jungenhafte war weitgehend aus seinen Zügen gewichen, und sein ganzes Benehmen war vernünftiger und bedachter. Eine erstaunliche Veränderung in sehr kurzer Zeit.

„Ich wollte dann schlafen gehen,“ teilte Yugi ihm mit.

Appi nickte. „Ich auch. Essen war ich vorhin schon.“

„Gute Idee. Da war eben der Bär los.“

„Der Bär los? Welcher Bär?“

„Hä? Ach... das ist ne Redensart!“

Beide lachten und fingen dann an, sich die Nachtgewänder anzuziehen, die sich nicht so sehr von denen unterschieden, die sie trugen, abgesehen davon, dass man die weiten Tagesgewänder mit einer Kordel zusammenband, während die Nachtgewänder Yugi an große T-Shirts erinnerten. Der Stoff war aber anscheinend gleich, nur etwas dünner. Währenddessen berichtete Yugi ganz genau von dem Duell, nur gerade zum Schluss, als es richtig spannend wurde, konnte er nicht genau berichten, wie das Ende war.

Appi zog ein angesäuertes Gesicht. „Da erzählst du mir das alles und dann fehlt das Ende? Argh!“ Er raufte sich fluchend die Haare.

„Ach...“ Yugi winkte ab. „Irgendjemand hat es schon gesehen.“

„Ja, aber bis ich es erfahre, hat sich die Geschichte so hochgeschaukelt, dass man denkt, zwei Götter wären gegeneinander angetreten!“

„Frag die beiden doch selbst. Außerdem hat Dark alles gesehen, glaube ich.“

Die Jungen legten sich in jeweils ein Bett. Yugi fragte sich, ob Dark und Blacky heute wohl noch kamen, aber als er Appi nach seiner Meinung fragen wollte, atmete dieser bereits regelmäßig. Er hatte den Kopf zur Seite gedreht, so dass noch ganz klein die beiden Punkte des Vampirbisses am Hals zu erkennen waren. Es war schon praktisch, so schnell einschlafen zu können. Lag wohl an der körperlichen Arbeit. Yugi lächelte und schloss auch die Augen.
 

***
 

„Oh Mann ich hab verschlafen,“ stellte Crimson fest, denn als er die Augen aufschlug, war es schon ziemlich hell draußen. Er wollte sich aus dem Bett schälen und in die Küche schleichen, aber ein Arm schlang sich gebieterisch um ihn.

„Hiergeblieben...“ Paladia klang gar nicht müde, obwohl sie bestimmt auch eben erst aufgewacht war. Sie zog ihn mit Kraft wieder an sich.

Crimson konnte ihre Brüste an seinem Rücken spüren. Huuuh... wenn das kein gutes Argument war. Besser als eine Messerklinge allemal. Warum also nicht das morgendliche Schwert nutzen... „Du unersättliche Frau! Wenn du nicht bald schwanger bist, werde ich noch an Erschöpfung sterben,“ übertrieb er und versuchte, sie unter sich zu bringen.

Paladia schaffte es irgendwie, ihn auf den Rücken zu drehen und auf ihn zu klettern. Und das wurde dann der erste Ritt des Tages.
 

Als Crimson später doch noch in die Küche kam, wunderte er sich, dass sein Vater noch nicht wach war und Essen machte. Aber er hatte ihn am Abend zuvor in der Bibliothek vorgefunden, wo er über einem alten Buch eingeschlafen war, etliche andere Bücher neben sich gestapelt. Gerade so, als hätte er ohne Pause nach einer Rettung für seinen Sohn gesucht. Crimson fand das rührend. Aber er konnte ihm ja nun die frohe Botschaft verkünden, dass es eine Lösung gab, sehr wahrscheinlich jedenfalls. Dennoch hatte er Shiro darin bestärkt, weiter zu suchen, nur für den Fall... in Wirklichkeit wollte er nicht, dass sein Vater bei dem Ritual dabei war. Das war ihm viel zu peinlich.

Wahrscheinlich schlief Shiro erstmal seine Erschöpfung aus, zumal er jetzt ja wieder relativ beruhigt sein konnte. Crimson nutzte diesen Umstand aus, um sich in 'seiner' Küche auszutoben. Er backte Brot und kochte eine Suppe dazu; das konnte man über den ganzen Tag verteilt essen. Dann fing er mit einem Kuchen an. Der Duft verbreitete sich auch außerhalb der Küche.

Er war gerade mit ein paar Pfannkuchen beschäftigt, die er in der Pfanne wendete, als Eria zu ihm stieß. „Guten Morgen... Ich dachte, du wärst in deinem Alchemistenlabor...“

Crimson fühlte sich ertappt. „Ich habe erstmal was gekocht...“

„Nun, ich glaube, du kannst aufhören... das reicht für den Rest des Tages,“ grinste das Mädchen. „Soll ich irgendwo den Tisch decken?“

Crimson erklärte ihr, wo draußen der Tisch stand, um gab ihr die Teller aus dem Schrank. Als Eria weg war, seufzte er und verzichtete nun darauf, Marmelade zu kochen. Es war eh noch genug auf Lager. Im Grunde hatte er auch nur so viel gearbeitet, um sich von anderen Dingen abzuhalten... das war wohl seine Art, mit der Angst umzugehen, aber eigentlich sah es ihm gar nicht ähnlich. Er beschloss, gleich nach dem Essen mit der Farbe zu beginnen und die anderen zu bitten, sich um den Abwasch zu kümmern. Schließlich wollte er ja die ganze Sache so schnell wie möglich hinter sich haben. Aber es war ja wohl noch erlaubt, nach all diesen Strapazen seinem Hobby zu frönen.

Eria kam wieder und fragte nach Besteck. Crimson zeigte ihr die Schubladen, in denen es sich befand, und folgte mit den Pfannkuchen. Dazu gab es dann Marmelade aus dem Vorratslager, die Suppe und das Brot – der noch warme Kuchen blieb für den Nachmittag.

Shiro, der sich inzwischen eingefunden hatte, schaute etwas skeptisch, als diese Kombinatuion aufgetischt wurde, beschwerte sich aber nicht. „Gemüsesuppe mit Fleischklößchen? Hmmmm!“ Er zerschnitt seinen Pfannkuchen in Streifen und gab die Suppe darüber.

Eria bevorzugte es, sich Marmelade auf ein Stück des Brotes zu schmieren, und Paladia aß die Pfannkuchen mit Marmelade, wobei sie ankündigte, die Suppe anschließend zu probieren. Crimson freute sich, dass sein Essen Zuspruch fand. Er selbst hatte nicht viel Hunger und hielt sich an die Suppe.

Als alle gesättigt waren, war es kein Problem, die anderen zum Abräumen und Abwaschen zu überreden, so dass er selbst in sein Labor konnte. Mit gemischten Gefühlen kam er dort an, doch erst einmal drinnen, fühlte er sich in den vertrauten Räumlichkeiten und bei der bekannten Arbeit sehr viel besser. Er hatte schon immer gerne Zaubertränke gebraut, um seinen Geist zu entspannen, so ging ihm auch jetzt die Arbeit leicht von der Hand. Allerdings fing er mit ein paar einfachen Sachen an, die er im Schlaf beherrschte. Lähmungstrank, Heilmittel, solche Sachen eben. Es machte kaum einen Unterschied, ob er zaubern konnte oder nicht, denn man konnte bei der Herstellung magische Formeln murmeln, um sie besser zu machen, aber ob das überhaupt half, war umstritten. Er hatte jedenfalls noch nie bemerkt, dass es auf die ein oder andere Art besser oder schlechter ausfiel, aber vielleicht wirkte seine Magie auch immer automatisch... was die Frage aufwarf, ob das jetzt auch noch klappte. Zumindest wusste er ja, dass seine Kräfte noch genutzt werden konnten, nur nicht willentlich von ihm.

Crimson erlaubte sich einen kleinen Scherz und machte absichtlich etwas, das in die Luft flog. Dabei fühlte er sich immer in seine Kindheit zurückversetzt. Explosionen waren durchaus eine Kunstform, die leider viel zu selten gewürdigt wurde. Shiro würde wahrscheinlich gleich mal gucken kommen, ob er noch lebte, sich aber nicht sonderlich aufregen, denn er war derartige Geräusche gewohnt. Allerdings war er dennoch nie zu bequem, nach dem Rechten zu sehen, denn man wusste nie – es konnte doch einmal ernst sein.

Tatsächlich öffnete sich wenige Minuten später kurz die Tür. „Brauchst du Hilfe, Junge?“

Crimson lachte „Nein, ist schon gut, Paps. Ich hab ein paar Entspannungsübungen gemacht.“

„Ah, Entspannungsübungen. Ist jedenfalls schön, dein Lachen zu hören.“ Die Tür schloss sich wieder.

Crimson blieb allein, und das war ihm auch ganz recht so, denn er wollte ungestört sein, wenn er etwas Wichtiges wie dieses machte. Vielleicht hatte Shiro Eria davon abgehalten, zu ihm zu kommen. Er hatte jetzt nicht den Nerv dafür, einer Schülerin die Vorgänge zu erklären.

Nachdem er alle seine Werke in Flaschen und Phiolen abgefüllt hatte, räumte er den Arbeitsplatz auf, nur um anschließend die Zutaten auszubreiten, die er für die Tattoofarbe brauchte. Sein Verstand war klar und konzentriert, als er sich an die Arbeit machte. Vorsichtshalber hatte er ein verstaubtes Buch hervorgeholt, in dem er ein entsprechendes Grundrezept wusste, und dieses kurz überflogen. Crimson verwendete eine leichte Variation.

Die Tasche, die er von der Feenburg mitgebracht hatte, wurde langsam leer, während Crimson die Pflanzen zerkleinerte, zerrieb und aufkochte. Die Disteln musste er ziemlich vorsichtig behandeln und stach sich mehrmals, weil er keine Handschuhe hatte, um sie festzuhalten. Normalerweise brauchte er ja auch keine. Zu dem Gebräu kamen einige andere Pülverchen, Substanzen aus seinem permanenten Bestand, solche, die nicht pflanzlich waren. Im Kessel bildete sich eine schwarze Brühe, während Crimson alles nach und nach fachmännisch dazugab und verrührte. Er war leicht angespannt, weil er dies nicht jeden Tag machte und das Ergebnis für ihn zugleich sehr wichtig war. Dennoch war er sich sicher, dass er es hinkriegen würde, denn auf sein alchemistisches Geschick vertraute er vollkommen.

Nach einer Stunde Kochen, in der er nichts anderes gemacht und das Gebräu nicht aus den Augen gelassen hatte, aus reiner Vorsicht natürlich, kippte er alles durch einen feinen Filter und übrig blieb eine schwarze Flüssigkeit, von der er eilig seine Finger reinigen musste, damit sie nicht permanent gefärbt wurden. Er füllte sie in eine Literflasche, verkorkte diese sorgfältig und betrachtete sie nachdenklich. „Das sollte reichen...“

Schnell stellte er die Flasche auf den Tisch, denn seine Hände fingen an zu zittern. Am besten vertraute er sie Eria an, denn er war nicht sicher, ob er sie heile ans Ziel bringen konnte. Jetzt war es an der Zeit, und es gab nichts mehr, womit er sich vor dem Ritual drücken konnte.

Er hatte vielleicht eine Viertelstunde so dagestanden, die Hände links und rechts neben der Flasche auf den Tisch gestützt, als die Tür wieder vorsichtig geöffnet wurde. Es war erneut sein Vater, denn dieser wusste, dass er nicht anklopfen sollte – das konnte Crimson empfindlich stören, wenn er gerade sehr konzentriert beschäftigt war.

Shiro legte ihm eine Hand auf die Schultern. „Alles in Ordnung? Die anderen warten vor der Tür...“ Er machte eine Geste, mit der er die Tür dazu brachte, sich zu schließen. Dann wandte er sich Crimsons Werk zu bzw. dem Buch, das noch in der Nähe aufgeschlagen auf dem Tisch lag. „Tattoofarbe?“ Stirnrunzelnd trat er neben seinen Sohn, betrachtete die Flasche und strich dabei ganz selbstverständlich über Crimsons Rücken.

Der Weißhaarige zuckte leicht zusammen. Er ärgerte sich über diese furchtsame Reaktion. „Ich hab dir nicht erzählt, was genau ich vorhabe, Paps... Es war Darks Idee, er sagt, er kann das Siegel auf meinem Rücken neutralisieren. Aber er muss dazu das Ritual wiederholen... oder besser gesagt, unter gleichen Bedingungen ein weiteres ausführen. Meinst du, das ist ungefähr die gleiche Farbe?“

„Hmmm...“ Shiro gab sich sachlich. Er schwenkte die Flasche, entkorkte sie kurz und steckte den kleinen Finger in die Öffnung, um etwas von der Farbe auf die Haut zu bekommen, die er prüfend zwischen dem kleinen Finger und dem Daumen verrieb. „Nun... es ist schwarz.“ Mit der anderen Hand hob er Crimsons Oberteil ein bisschen an, so dass er die Zeichen auf Hüfthöhe sehen konnte. „Auch schwarz. Mach dir nicht so viele Gedanken... selbst wenn die Übereinstimmung nicht hundertprozentig ist, wird das sicher nicht auffallen.“ Schnell wusch er sich die Hände, ehe die Farbe an seinen Fingern trocken wurde.

Als er damit fertig war, hatte Crimson sich umgedreht und gegen den Tisch gelehnt. Sein Vater sah besorgt aus. Vielleicht war es doch nicht richtig, ihn hier zurück zu lassen, aber er wollte auch nicht, dass das Schloss leer stand... ach, Unsinn! Das Schloss hatte seine eigenen Sicherheitsvorkehrungen. „Paps...“ begann er zögerlich. „Könntest du... ich meine... ich brauche dich vielleicht... ich meine, wahrscheinlich. Wenn es vorbei ist.“ Ganz zu schweigen von vorher.

Shiro lächelte, als hätte er gehofft, einbezogen zu werden. „Ich bin für dich da, das weißt du doch.“ Er breitete einladend die Arme aus, was Crimson gerne annahm, um sich drücken zu lassen. Sein Vater war der Einzige, vor dem er jemals solche Schwäche zeigte.
 

***
 

Dark tauchte an diesem Morgen in der Feenschmiede auf und wurde auch gleich von dem Schmied begrüßt, der müde, aber sehr zufrieden mit sich aussah. Stolz präsentierte er Dark das Werk der vergangenen Nacht.

„Ein Athame?“ Dark nahm überrascht den silbernen Dolch mit dem Griff aus dunkelviolettem Edelstein an sich. Der Griff war nicht einfach gerade, sondern leicht gebogen, damit er besser in der Hand lag, und mit einem gewundenen Muster zur besseren Griffsicherheit versehen.

Die Oberseite der Klinge war gerade und die Unterseite entsprechend gebogen, so dass gleich zu erkennen war, dass es sich um ein einschneidiges Messer handelte. Von der Spitze bis zum Heft verlief dicht unter der oberen Kante eine kleine Rille, wie Dark stirnrunzelnd feststellte. Darunter befanden sich eingeritzte magische Muster, wie sie für das Schattenreich typisch waren.

Der Schmied nickte eifrig. „Ja... du sagtest ja, dass du es für ein Ritual brauchst. Also dachte ich mir, dass ein einfacher Dolch es nicht tut. Ein Athame, ja – ein ritueller Dolch. Die Klinge wird das Blut aufsaugen und... nun, wenn alles klappt, siehst du das ja dann. Gib es Crimson, wenn du fertig bist. Mit seinem Blut geweiht wird das Messer auf ihn geeicht sein. Vielleicht kann er es für seine Alchemistenarbeiten nutzen. Aber auch als Waffe wird es ihm gute Dienste leisten.“

Dark war recht angetan von der Arbeit. „Vielen Dank... das wird dem Zweck mehr als genügen,“ sagte er mit einer höflichen Verbeugung zu dem Feenschmied, der sich stolz in die Brust warf und strahlte.

„Es freut mich sehr, dass ich helfen konnte. Aber jetzt, wenn du erlaubst, werde ich mich hinlegen...“ Er unterdrückte ein Gähnen und Dark beeilte sich, sich zu verabschieden, damit der fleißige Mann sich zurückziehen konnte.

Als nächstes ließ er sich von Weaver einen geeigneten Raum zuweisen, in dem er dann seine Vorbereitungen traf. Hilfe bekam er dabei von Haryelle und Burstinatrix. Sie hatten schnell zusammen alles fertig, dann musste Dark nur noch auf Crimson warten.

Blacky sorgte inzwischen wieder dafür, dass Sorc seinen Angriff verschob, so dass sie sicher sein konnten, dass das Ritual nicht gestört werden würde. Das war wichtig. Wenn ein Angriff erfolgte, während sie beschäftigt waren, konnte es schlimm schief gehen. Daher war der Raum, den sie benutzten, auch im Keller, wo sie im Notfall noch ihre Ruhe hatten. Und es hatte noch einen Vorteil, den Crimson vielleicht zu schätzen wissen würde, auch wenn der Keller ihn vielleicht an den Kerker erinnern würde, wie Burstinatrix zu bedenken gab: Dort unten würde niemand seine Schreie hören...
 

Blacky hatte sich in Katzengestalt auf einem Baum im Garten versteckt. Eigentlich war er damit beschäftigt gewesen, wieder auf der Bank zu sitzen und sich auf Sorc zu konzentrieren, doch mal wieder war er gestört worden. Diese verflixte Amazone war immer noch hinter ihm her! Er hatte versucht, es ihr im Guten zu erklären, doch sie nahm nicht hin, dass er sie wegen eines anderen Mannes abwies. Für sie war das undenkbar; ein Mann hatte sich geehrt zu fühlen, von ihr erwählt zu werden, und Ausnahmen gab es nur, wenn er schon einer anderen Frau gehörte. Blacky hatte genervt seinen Platz verlassen. Sie war ihm gefolgt, doch es war ihm gelungen, vor ihr um eine Ecke des Gartens zu biegen, sich hinter dem Gestrüpp zu verwandeln und sich zu verstecken, obgleich er vermutete, dass sie seine Katzengestalt vielleicht sowieso nicht kannte.

Jetzt saß er auf dem Baum und beobachtete, wie sie sich verwirrt umsah und sich schließlich entfernte. Dies war seiner Aufgabe, Sorc zu beeinflussen, nicht gerade förderlich. Er kletterte von seinem Baum, als die Amazone aus dem Weg war, und schlich in sein Schlafzimmer, ohne sich zurück zu verwandeln.

Das Bett, auf das er sprang, war noch belegt. Er leckte Yugi am Ohr. Der Junge räkelte sich und drehte sich zu ihm um, lächelte und streichelte ihn erfreut. „Na, schöne Nacht gehabt?“

Blacky fing an zu schnurren wie ein Trecker und legte sich auf den Bauch, seine Füße unter den Bauch klappend. Er kniff vergnügt die Augen zusammen, während Yugi ihn am Kopf kraulte.

Auf dem anderen Bett lag Appi, der aber auch schon wach war und anscheinend nur noch keine Lust hatte, sich zu erheben. „Hey, Blacky, wie bist'n du reingekommen?“ gähnte er.

Blacky schaute zur Tür und ließ sie einmal auf und zu klappen.

„Ah... klar, verstehe.“

Die Jungs krochen ganz allmählich und zögerlich aus dem Bett, und Blacky machte sich lang. Entspannt schnurrend beobachtete er die beiden, die sich entweder an seiner Anwesenheit nicht störten oder vergessen hatten, wer er war, während sie sich freizügig umzogen. Indessen versenkte er sich wieder in Sorcs Gedankenwelt, so dass seine Umwelt wahrscheinlich dachte er schliefe. So bekam er nicht mit, wie Appi und Yugi sich zum Frühstück entfernten. Erst Darks streichelnde Hand holte ihn wieder aus seiner Konzentration. Dem Stand der Sonne nach zu urteilen war etwas Zeit vergangen, ein oder zwei Stunden.

Blacky verwandelte sich zurück und lag sodann in seiner Menschengestalt auf dem Bett. Dark saß neben ihm. Der blauhäutige Magier streckte eine Hand aus, um seines Partners Wange zu berühren, runzelte jedoch dabei die Stirn. „Du bist nicht...“

Dark ergriff seine Hand und schmiegte sein Gesicht daran. „Dark und ich sind eins. Er ist ich und ich bin er. Wir sind wie eine Münze, bei der manchmal die andere Seite oben liegt, das ist alles.“

„Hach... damit kann ich leben.“ Blacky war nicht der Typ, der alles präzise erklärt haben musste. Ein Chaosmagier nahm Dinge hin und nutzte sie für sich, wie es ihm in den Kram passte, und setzte alle verfügbaren Mittel ein, um sein Ziel zu erreichen.

„Was machen die Rippen?“ erkundigte Dark sich.

„Oh, ähm...“ Blacky griff sich an die Seite. „Oooooh... diese Schmerzen.... unerträglich...!“

„So.“ Dark grinste. „Wenn ich jetzt wüsste, wie lange Crimson noch braucht, würde ich es mir ja mit dir gemütlich machen, aber unter den gegebenen Umständen werden wir nach dem Ritual einen weiteren Heilzauber machen, ja? Dann muss ich mich nämlich sicherlich auch entspannen.“

„Ach, der lässt sich bestimmt noch Zeit und braucht doch auch ne Weile, um hierher zu reisen...“

„Es wäre aber unfair, wenn ich mich bis dahin ungezügelt amüsiere. Ich muss mit dem nötigen Ernst an die Sache herangehen.“

„Und wenn er gar nicht mehr heute kommt?“

„Ich glaube, das wird er. Und du auch, keine Sorge.“

Blacky lachte über das Wortspiel. Er begnügte sich damit, ein wenig zu kuscheln, und es war gut, dass sie sich in der Nacht gut amüsiert hatten, sonst hätte das Schmusen gereicht, um ihn scharf zu machen. Doch er bestand nicht darauf, dass Dark ihm seine ganze Aufmerksamkeit gab, denn er war wohl auch ein bisschen nervös. „Hast du Schiss, dass du was falsch machst?“ erkundigte er sich.

Dark konnte es nicht abstreiten, er zuckte ratlos mit den Schultern. „Nun ja... sicher. Crimson und ich sind zwar keine Freunde, aber deshalb wünsche ich ihm ja nicht, dass er so geschädigt bleibt... und ich habe als Einziger die Fähigkeit, ihm zu helfen, das ist ein großes Stück Verantwortung! Mir graut davor, ihm Schmerzen zuzufügen. Mich dabei noch zu konzentrieren, wird nicht leicht sein.“

„Aber machbar.“ Blackys Stimme klang zuversichtlich; er wusste, dass er jetzt nicht an seinem Partner zweifeln durfte, da dieser anscheinend seinen Beistand suchte. „Crimson übersteht es, Dark,“ versicherte Blacky. „Er ist nicht wehleidig... schon deshalb nicht, weil er den Vampirbiss von Genesis hat.“

„Oh, er war schon vorher... anders.“ lachte Dark. „Danach hat er immer geheimnisvoll gelächelt, wenn jemand Geschichten darüber erzählt hat. Du hast Recht... ich muss bei ihm keine Sorge haben, dass ich ihn seelisch schädige oder so. Er weiß ja auch, worauf er sich einlässt. Meine Vorbereitungen sind abgeschlossen, ich muss nur noch warten, bis er soweit ist.“

„Nun... dann sollten wir vielleicht bis dahin noch was essen gehen und generell nichts Anstrengendes machen.“

Für den Vorschlag war Dark gerne zu haben und stimmte begeistert zu.
 

***

Fortsetzung folgt
 

Das/der (selten die) Athame: Ein ritueller Dolch, Bestandteil des Wicca-Kultes. Kann für das Element Luft stehen. (bei näherem Interesse bitte googeln)

Meine Beschreibung in Fremde Welten ist vielleicht nicht hundertprozentig korrekt, was Farben und Form betrifft, aber ich wollte gerne ein mysteriös klingendes Wort verwenden. Athame könnten ja auch im Reich der Schatten anders aussehen, nicht wahr? Es soll eine Bezeichnung sein, die verdeutlicht, dass es sich nicht um einen einfachen Dolch handelt.

So wird man ein Effektmonster – nicht zur Nachahmung empfohlen.

Welt des Blauen Lichts: Dienstag
 

Fremde Welten 54: So wird man ein Effektmonster – nicht zur Nachahmung empfohlen.
 

Crimson hatte ein paar kleinere Schwierigkeiten mit seinem geliehenen Vogel, denn dieser bemerkte seine Nervosität. Es war gut, dass er die Farbe Eria gegeben hatte. Auch Shiro reiste mit ihm, und im Nachhinein fand er das doch nicht schlecht. Dass sein Vater bei dem Ritual nicht dabei sein sollte, stand aber noch immer fest. Jedoch hatte Crimson so seine Vermutungen, dass der alte Zausel sich anderweitig durchsetzen würde. Einerseits hoffte er das, andererseits wollte er es nicht – er war unsicher und ließ es einfach auf sich zukommen.

Es war schon gegen Abend, als sie die Feenburg erreichten, aber dafür, dass sie gestern erst zum Kristallschloss geflogen waren, hatten sie alles schnell geschafft. Die Nachricht seiner Rückkehr verbreitete sich offenbar schnell, denn kaum dass er den Vogel einer Amazone übergeben hatte, kam Dark aus dem Gebäude, gekleidet in eine eher untypische schwarze Robe. Crimson ging dem anderen Magier entgegen. Dieser schien darauf zu warten, dass er zuerst das Wort ergriff

„Ich habe die Farbe hergestellt,“ teilte er ihm sachlich mit, wobei Eria neben ihn trat und die Flasche präsentierte, als hätten sie das eingeübt.

Dark nickte. „Wir können beginnen, wenn du soweit bist, Crimson.“

„So schnell?“ entfuhr es dem Weißhaarigen, und er befürchtete, dass er wohl etwas erschrocken klang. „Nun... dann verlieren wir besser keine Zeit.“

„Das ist mir recht, ich muss nur kurz vorher was mit dir besprechen.“ Dark setzte sich in Bewegng, und während er zu dem Raum im Keller voran ging, gesellten sich Amazia, Burstinatrix und Haryelle zu ihnen, während Shiro und Paladia und natürlich Eria nicht von seiner Seite wichen.

Wollten die etwa alle mitkommen? Crimson nahm an, dass sie ihm noch viel Glück wünschen wollten, und fand es lieb von ihnen.

„Ich bin verschiedene Möglichkeiten durchgegangen,“ begann Dark. „Ich kann das Siegel einfach nur unschädlich machen, aber auch erweitern, so dass es statt deine Kräfte zu sperren einen Effekt bewirkt. Letzteres wäre aber wesentlich umständlicher und würde dir mehr abverlangen.“

Dark sprach irgendwie feierlich, fiel Crimson auf, oder jedenfalls anders als sonst, wie vor kurzem, als er das Siegel begutachtet hatte. Auch war seine Art zu gehen leicht verschieden von seinem sonstigen Schritt. Bedächtiger vielleicht. Wie einer, der weiß, dass ihm sein Schicksal ohnehin begegnet, auch wenn er sich nicht beeilt. Der Unterschied war nicht klar greifbar.

„Du kannst damit einen Effekt bewirken?“ hakte Crimson nach und fühlte Interesse in sich auflodern. Das wäre doch was, wenn er Malice noch eins auswischen konnte, indem er das Siegel zu seinem Vorteil nutzte! Diese Aussicht drängte sogar seine Angst vor den Schmerzen in den Hintergrund, so sehr hasste er den Kerl. „Was wäre das für ein Effekt? Kann ich zwischen mehreren Möglichkeiten wählen?“

„Ich müsste es mir noch einmal genau ansehen, aber ich glaube, ich kann lediglich einen Effekt bewirken... und welcher es dann sein wird, hängt von dir ab. Es käme was anderes dabei raus, wenn ich zum Beispiel deinem Vater dasselbe auf den Rücken tätowieren würde. Ich sag's dir gleich: Du könntest eine böse Überraschung erleben und einen unerwünschten oder schwachen Effekt bekommen.“

Crimson nickte. „Gut... sag mir, wieviel mehr du dafür tun müsstest, und danach treffe ich die Entscheidung.“ Es war also ein Glücksspiel mit hohem Einsatz. Er entspannte seine Hände, weil er feststellte, dass er sie nervös zu Fäusten geballt hatte. Sie waren schweißnass. Dass Dark ihn in den Keller führte, wo die Wände wie in einem Kerker aussahen, trug nicht zu seiner Entspannung bei. Aber dafür war man da wohl ungestört.

Schließlich öffnete Dark eine Tür und ließ ihn zuerst hinein gehen. Feuerschalen sorgten für ausreichend Licht. Crimson trat in einen umdekorierten Arbeitsraum mit kleinen, verglasten Fenstern. Erstaunlich, Dark hatte daraus eine Art Ritualzimmer gemacht, mit zwei aneinander geschobenen Tischen in der Mitte, auf denen eine weiche Decke und ein Kissen lagen. Es roch nach Kräutern, ähnlich wie bei Sorc und Malice, nur der unterschwellige Blutgeruch fehlte. Auf dem Beistelltisch daneben lag aber keine Skizze, Dark hatte sein Muster auch so im Kopf. Es gab allerdings eine Wasserschüssel, eine Kerze, Salbe und… ein Messer. Es war ein besonders schönes, ein Athame, fiel ihm auf. Er musste sich beherrschen, um es nicht in die Hand zu nehmen und zu bewundern. Man erkannte schon beim bloßen Hinsehen, dass es sehr scharf war.

[Ich kann das nicht!] Er blickte auf den zur Pritsche umfunktionierten Tisch. Darauf sollte er sich freiwillig legen? Niemals! Er wusste, dass er musste, aber er konnte es nicht über sich bringen. Es war eine Art der Abneigung, von der er wusste, dass sie falsch war, aber er konnte es nicht ändern. Ein einziges schmerzhaftes Erlebnis hatte ihn traumatisiert. Wie jämmerlich. Warum hatte er solche Angst? Weil er schon wusste, wie es sich anfühlte?

Doch Dark sah ihn nur an und erkannte die Situation, als hätte er damit gerechnet. Er nickte seinen Begleiterinnen zu, und mit sanfter Gewalt packten sie Crimson, der sich nun widerstandslos das Oberteil seiner Amazonenkleidung abnehmen und sich auf den Tisch bugsieren ließ. Er brauchte den Zwang… aber er wusste nicht, warum. Einen Moment lang versuchte er einfach nur, sich zu beruhigen und sicher zu stellen, dass seine Stimme sich normal anhörte, wenn er sprach.

„Sag mal... wolltest du nicht einige Krieger besorgen...?“ erkundigte er sich zweifelnd.

„Reichen wir etwa nicht?“ entgegnete Burstinatrix und strich ihm sachte über die Wange.

Crimson schaute in die Runde, so gut er es vermochte. Eria, Haryelle, Burstinatrix, Paladia... und seine beiden Eltern. Er war unentschlossen, ob er das peinlich finden oder gutheißen sollte. Wenn man bedachte, dass er Shiro eigentlich gar nicht hatte hierhin mitnehmen wollen... Doch letztendlich verzichtete er auf einen Protest, denn alle sahen sehr entschlossen aus – viel entschlossener, als er sich fühlte, während er versuchte, seiner behelfsmäßigen Pritsche etwas Bequemes abzugewinnen. Noch wurde er nicht festgehalten, aber die sechs Personen nahmen schon einmal ihre Plätze ein. Eria stellte die Flasche mit der Tattoofarbe auf den Tisch.

Dark kam hinzu und betrachtete das Siegel noch einmal genau. Er strich nachdenklich und leise murmelnd über die vorhandenen Symbole. Crimson zuckte diesmal zum Glück nicht vor der Hand zurück, denn er hatte die Bewegung gesehen. Davon abgesehen gab es nichts, wohin er zurückzucken konnte.

„Wenn ich es nur unwirksam mache, muss ich ein paar Stellen verändern... fünf oder sechs. Und hier ein paar neue Zeichen hinzufügen.“ Er tippte angedeutet auf die entsprechenden Stellen rund um den Kreis und entlang der Wirbelsäule. „Aber wenn ich einen Effekt bewirken soll, wird es mehr.“ Er beschrieb wieder mit seinen Fingern die Stellen am vorhandenen Kreis, doch statt ein paar weiteren Punkten musste er zu diesem Zweck wohl regelrecht das Bild ergänzen.

Crimson konnte anhand der Berührungen nicht genau erkennen, wie es hinterher aussehen würde, doch ihm wurde schlecht bei dem Gedanken. „Mach den Effekt,“ beschloss er dennoch und verbot sich, noch mehr zu sagen, damit er seine Meinung nicht noch änderte. Seine Stimme klang irgendwie rau.

„Es tut mir Leid, aber ich kann dich nicht betäuben oder so,“ murmelte Dark, wobei er eine Salbe auf seinem Rücken verteilte, die sich so kalt anfühlte wie die bei Malice und auch so roch. „Es ist auch ein psychologischer Aspekt dabei… Wenn du Schmerzen hast, wissen dein Körper, dein Geist und deine Magie, dass dir etwas widerfahren ist, deshalb musst du es auch diesmal spüren.“

Er hatte nach wie vor den anderen Tonfall, stellte Crimson fest. Vielleicht konnte er sich damit trösten, dass nicht wirklich Dark, sondern dieser andere Aspekt von ihm seine Schwäche sehen würde.

Er wurde jetzt festgehalten, sonst hätte er vielleicht einen Rückzieher gemacht. Paladia und Burstinatrix standen an seinen Schultern, während er an seinen Beinen auf Kniehöhe die schwieligen Hände seiner Mutter und an den Knöcheln die Krallen und Federn von Haryelle spüren konnte. Sein Vater stützte sich auf seinen Hintern und hielt so die Hüften unten. Eria assistierte Dark, aber wie genau, war für ihn nicht zu sehen.

Der Magier legte ihm auch noch ein Magie hemmendes Halseisen an. „Damit du die Damen und Shiro dann nicht wegpustest…“ Crimson fing wieder an, schneller zu atmen. [Götter! Lasst mich das durchstehen, ohne mich lächerlich zu machen…!]

„Ruhig… versuch, dich zu entspannen,“ drang Darks Stimme an sein Ohr.

Sicher versuchte er das, aber es ging nicht! „Bring es verdammt noch mal hinter uns, ehe ich so tief sinke, dass ich um Erbarmen bettle!“ schrie Crimson ihn an. Etwas in ihm verband diese Situation mit dem Ausgeliefertsein an einen Feind, einen Kerker und ein weiteres grausames Ritual. Und er fühlte sich wieder genauso hilflos wie während seiner Zeit in Gefangenschaft. „Bring es zu Ende, auch wenn ich anfange, was anderes zu sagen,“ ergänzte er etwas leiser. [Oder wenn ich meine Meinung bezüglich des Effekts ändere.]

Darks Nicken war eher zu erahnen. Burstinatrix bot ihm ein Stück Holz zum darauf Beißen an, was er bereitwillig annahm. Er biss sich regelrecht daran fest und klammerte sich mit den Händen an die Tischbeine. Indessen begann Dark, die Messerklinge in die Kerzenflamme zu halten, und er stimmte dabei einen seltsamen Singsang an. Die Sprache erinnerte ihn sehr an Malice, aber es war auch anders… vermutlich ein anderer Text, da es diesmal um etwas anderes ging. Obwohl Magier manchmal sangen, um ihre Formeln besser zu artikulieren, hatte Crimson Dark noch nie singen gehört. Das Geräusch war irgendwie beruhigend, seine Stimme sanft im Gegensatz zu der tiefen, bedrohlichen Tonlage von Malice. Er schloss die Augen und konzentrierte sich darauf.

Der Gesang hörte nicht auf, gerade so, als wäre Dark sich seiner Wirkung bewusst. Der Weißhaarige spürte eine leichte Hand auf seinem Rücken und konnte nicht verhindern, dass er seinen Körper anspannte. Die Hand streichelte beruhigend über seine rechte Schulter, dort hielt sie inne, so dass Crimson kurz Zeit hatte, sich seelisch vorzubereiten. Dann kam das Messer zum Einsatz. Beim Einstich zuckte Crimson stöhnend zusammen, biss auf sein Holz und stemmte sich gegen die haltenden Hände, als es zu schneiden begann. Aber es war kurz darauf schon wieder vorbei. Dafür spürte er die Hand weiter unten über seinen Rippen, und es fiel ihm wieder ein, dass Dark zunächst nur ein paar Stellen ändern musste.

Der Gesang hielt immer noch an. Das Messer wurde sicher und präzise ein weiteres Mal geführt, was dem „Opfer“ einen weinerlichen Laut entlockte, doch er ließ das Holz nicht los. Es folgte eine Stelle auf Hüfthöhe, hier mit ein paar Schnitten quer zu seiner Wirbelsäule. Darauf kamen zwei weitere, parallel zu den ersten beiden. Als das überstanden war, legte sich die freie Hand mitten auf seinen Rücken. Es gab eine kurze Pause, in der das Messer in der Flamme desinfiziert und rituell gereinigt wurde. Bisher war es ja einigermaßen erträglich gewesen, aber…

Crimson kniff die Augen fest zu, um ja niemanden ansehen zu müssen. Zusätzlich vergrub er sein Gesicht in dem Kissen, wobei er gerade noch atmen konnte. Dark fuhr mit einem Finger Linien innerhalb des Kreises nach und schien kurz auf eine Reaktion zu warten, während er immer noch sang. Anscheinend war jetzt der letzte Moment, sich für die harmlosere Variante zu entscheiden. Crimson nickte angedeutet, blieb bei seinem Wunsch. Er stellte sich Dinge vor, die ihm ein Effekt einbringen konnte, und Sorcs dummes Gesicht, wenn er es merkte...

Dann jedoch wurde all sein Denken ausgeschaltet und es gab nur noch den Schmerz der Klinge, die sich in einem für ihn nicht erkennbaren Muster einen Weg über seinen Rücken schnitt. Die Hände packten fester zu; er bäumte sich vergeblich auf und schrie, konnte sich nicht länger beherrschen. Was hatte ihn nur geritten, dieser Tortur zuzustimmen? Konnte er denn nicht ohnmächtig werden?!

Das geschah jetzt leider ebenso wenig wie beim letzten Mal. Folglich musste er einfach warten, bis es aufhörte, was eine Ewigkeit zu dauern schien. Doch schließlich war Dark mit dem Messer fertig. Er legte es beiseite und griff nach der Tattoofarbe. Sie brannte in den offenen Wunden, doch das Gefühl verebbte bald wieder, zusammen mit dem Gesang. Crimson bemerkte, dass er vor Anstrengung keuchte und in Schweiß gebadet war, und natürlich fühlte sich sein Hals ganz kratzig an. Er wurde losgelassen; die Frauen und sein Vater entfernten sich mit ein paar anerkennenden oder ermutigenden Worten, blieben jedoch in der Nähe.

Dark wusch seine Hände und das Messer in der Wasserschüssel. „Das sollte den Zweck erfüllt haben. Bleib liegen, bis es dir besser geht.“

Das brauchte er ihm nicht zweimal zu sagen, Crimson wusste noch vom letzten Mal, wie sich so etwas auf den Kreislauf auswirkte. Er drehte den Kopf seinem Rivalen zu. „Bist du sicher, dass es funktioniert hat? Warum machst du das Banneisen nicht ab?“

„Lass die Magie des Siegels erst einmal kurz einsinken,“ bat ihn der andere. „Ganz sicher sein können wir noch nicht, aber ich bin ziemlich zuversichtlich.“

Dark wirkte auch müde. Im Gegensatz zu Malice war er eben nicht schadenfroh über seine Tat. Außerdem war es vermutlich leichter, einen neuen Bann zu erschaffen, als einen vorhandenen präzise zu brechen. Ob es anstrengte, diese andere Persönlichkeit heraus zu lassen?

Als Crimson sich dazu in der Lage fühlte, setzte er sich vorsichtig auf. Die Schmerzen waren erträglich, aber er traute seinen Beinen noch nicht. Eria reichte ihm einen Becher mit Wasser, den er gierig leerte, auch wenn er ihn kaum ruhig halten konnte. Er ließ ihn zweimal von ihr nachfüllen.

„Ich hab was für dich organisiert!“ verkündete sie dann stolz und hielt eine Frucht hoch, die er wiedererkannte. Er musste lächeln und ließ zu, dass sie den Saft der Frucht auf seiner frischen Wunde verteilte, wo sich sogleich eine kühlende und schmerzlindernde Wirkung einstellte.

Dark räumte indessen ein bisschen auf, behielt sich jedoch die Möglichkeit, noch fortzufahren, falls er nachbessern musste. Nach einer gewissen Wartezeit trat er auf Crimson zu und stand dann dicht vor ihm. „So... jetzt wird es sich erweisen.“

Der Weißhaarige blickte zweifelnd auf die Hände, die sich zu seinem Hals begaben. Dark zögerte nicht weiter, sondern nahm das Eisen ab. Es gab einen Moment der Besorgnis, der Ungewissheit… aber dann spürte er, wie seine Magie wieder in ihm hoch loderte… es war ein berauschendes Gefühl. Crimson seufzte wohlig und fühlte eine Last von seinen Schultern weichen.

„Ich nehme das als Zeichen, dass alles in Ordnung ist,“ stellte Dark lächelnd fest.

Der andere Magier nickte. „Ja… ich fühle mich wie neu geboren. Was ist mit dem Effekt, wie werde ich wissen, was er bewirkt?“

„Ich bin nicht sicher… aber schätzungsweise wird er sich offenbaren, wenn es soweit ist. Ich habe das Siegel so geändert, dass man es nie wieder für einen weiteren magischen Zweck benutzen kann, es ist abgesehen von seiner gewollten Wirkung nur noch Zierde. Und so schlecht sieht es gar nicht aus. Ich hatte zuerst überlegt, ob man es später entfernen könnte, aber das wäre wirklich zu schmerzhaft und gesundheitsgefährdend, denn es ist ziemlich tief eingeritzt. Und die Option scheidet nun ja eh aus.“

„Damit kann ich gut leben. Auf das Gesicht von Malice bin ich gespannt!“ Der Weißhaarige wandte sich Dark zu und öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber es brauchte einige Anläufe, um das einfache Wort hervor zu bringen. „Danke.“

Dark sah ihn an, als käme das vollkommen unerwartet für ihn, und der Anblick entschädigte Crimson für seine Mühen. Zugleich verspürte er das Bedürfnis, laut zu lachen vor Erleichterung, doch es schien, als wäre das Ritual noch nicht offiziell vorbei.

Er behielt Recht: Dark griff nach dem Messer, das er benutzt hatte, und reichte es ihm feierlich mit dem Griff voran. „Das ist für dich, geweiht mit deinem Blut, um dir fortan zu dienen.“

Crimson nahm es überrascht an sich, aber auch erfreut, denn er hatte das Athame von Anfang an bewundert, trotz des Zwecks, für den es bereit gelegen hatte. Die Symbole auf der Klinge hatten sich mit seinem Blut dunkelrot verfärbt, die feine Rille jedoch nicht. Sie war ganz verschwunden, als hätte sie nur dazu gedient, das erste Blut zu trinken, mit dem sie in Berührung kam. Wenn er das Metall ins Licht hielt, glänzte es rötlich. Er bewunderte die Waffe eine Weile und steckte sie dann provisorisch in seinen Gürtel.

In diesem Moment löschte Dark seine Kerze. Damit erlosch auch die ernste Stimmung.

„Kannst du aufstehen?“ erkundigte er sich und hielt dem Kollegen eine Hand hin.

Crimson nahm die Hilfe ausnahmsweise an und ließ sich vom Tisch gleiten. Er schwankte kurz und musste sich vorübergehend mit beiden Händen an Dark festhalten, erholte sich jedoch rasch. Sogleich wurde es laut im Raum: Die Frauen und Shiro scharten sich um ihn, beglückwünschten ihn und tätschelten seine Schultern. Er ließ es sich eine Weile gefallen, wandte sich dann aber Eria zu. Das Stimmengewirr verstummte.

Crimson suchte Augenkontakt zu dem Mädchen, legte eine Hand auf ihre Schulter und sprach: „Vor diesen Zeugen nehme ich dich, Eria, als meine Schülerin an. Wer jetzt nicht protestiert, möge sich hinterher nicht beschweren.“

Amazia schien sich einmischen zu wollen, doch Paladia hielt sie zurück. Natürlich war Eria immer noch eine Amazonentochter. Doch Crimson wusste selbst, was das bedeutete.

Eria war weit davon entfernt zu protestieren, statt dessen strahlte sie ihn an und ging sogar so weit, ihm um den Hals zu fallen.

„Jetzt aber raus hier,“ bestimmte Crimson schließlich. „Ich kann die erste Unterrichtsstunde kaum erwarten...“
 

Dark blieb zurück, während der Pulk um Crimson herum mit dem Weißhaarigen nach draußen strömte. Er nahm es ihnen nicht übel, denn er war auch froh, kurz verschnaufen zu können. Im Nachhinein fingen seine Hände ein wenig an zu zittern. Im Zustand magischer Konzentration hatte er die Tatsache, dass er wirklich große Schmerzen verursacht hatte, und die Anspannung, unbedingt perfekt arbeiten zu müssen, einigermaßen verdrängen können. Jetzt holten ihn die Nachwirkungen ein und er musste sich setzen. Er trank den Rest Wasser aus der Karaffe. Doch er fühlte sich auch stolz auf seine Leistung und beschloss, seinen Schüler ebenfalls aufzusuchen. Er hatte Appi ziemlich vernachlässigt. Nun waren Crimson und er erneut Konkurrenten, jeder hatte einen Schüler.

Dark räumte seine Sachen zusammen, brachte alles dorthin, wo er es sich entliehen hatte und ging dann als erstes in die Schmiede, wo er Appi vermutete, und er behielt Recht. Wieder einmal war sein Schüler damit beschäftigt, an seiner neuen Waffe zu arbeiten – Zauberstab konnte man das nicht nennen. Ein älterer Schmied war anwesend und arbeitete an einem eigenen Projekt, hatte aber wohl auch ein Auge auf den Gast.

Obwohl der Blonde auf seine Arbeit konzentriert schien, sah er auf und nickte in Darks Richtung. Er war also dennoch wachsam, das gefiel Dark natürlich. Appi war gerade dabei, eine Zierkugel in eine bedrohlich aussehende Sense einzuarbeiten. Er beendete seine Tätigkeit, da er sie nicht einfach unterbrechen konnte, und kam dann zu ihm.

„Meister? Ich hoffe, du hast nicht zu lange nach mir gesucht.“

Dark schüttelte den Kopf. „Schon gut. Hast du noch zu tun? Sonst lass uns nach Yugi und Blacky schauen und ein paar Übungen machen.“

„Gerne. Wie geht es Crimson?“ Appi überprüfte die Temperatur seines Werkes und wickelte das altbekannte Zeitungspapier darum, welches wieder mit demselben Band festgezurrt wurde. Er legte die Schmiedeschürze ab und folgte dem älteren Magier nach draußen, selbstverständlich nicht ohne seine Sense.

„Crimson geht es fantastisch, würde ich sagen,“ antwortete Dark mit ein klein bisschen Selbstzufriedenheit in der Stimme. „Sein schmerzender Rücken wird bald vergessen sein, wenn er erstmal wieder was magisch in die Luft gesprengt hat...“

„Aaaach, nichts, was du nicht auch könntest, da bin ich sicher. Du bist nur... vorsichtiger,“ meinte Appi stolz, wobei er seinen Lehrer geradezu anhimmelte.

„Inzwischen glaube ich daran, dass du der Apokalyptische Magier werden kannst,“ lobte Dark ihn und wuschelte ihm durchs verstrubbelte Haar. „Deine momentane Zielstrebigkeit ist wirklich mal was ganz Neues.“

Appi lachte ausgelassen, wo er früher vielleicht eher beleidigt gewesen wäre. „Ich will unserem Gegner so richtig eine reinwürgen!“ Er machte mit der freien Hand Boxbewegungen.

Dark fand den Jungen mittlerweile ganz erfrischend, während er früher einfach nur anstrengend gewesen war. Er hoffte nur, dass das zumindest zum Teil auch an seinen Lehren lag... obwohl er natürlich ziemlich oft als Lehrer ausgefallen war. Auf jeden Fall aber hatte Appi der Biss des Vampirs gut getan... jedenfalls sah es im Moment so aus.

Auf dem Weg nach draußen bat Appi darum, das Ende des Duells zwischen Black Luster und Black Chaos zu erfahren, was Dark ihm natürlich gerne schilderte. Dafür plauderte der Blonde ein bisschen aus dem Nähkästchen. Dark erfuhr mehr über Appis Nacht bei Genesis als irgendjemand sonst. Manche Dinge verschwieg man schmunzelnd vor seinen Brüdern und verschonte erst recht seine Eltern damit. Doch anscheinend hatte Appi das Bedürfnis gehabt, es irgendjemandem zu erzählen. Er sah danach fast erleichtert aus, er musste darauf gebrannt haben.

„Findest du das... merkwürdig?“ fragte der Junge zweifelnd.

„Kein Bisschen,“ winkte Dark ab. „Viele haben das gleiche getan. Mach dir keine Sorgen. Soll ich dir was verraten?“ Sie waren inzwischen in den Wohntrakt gelangt und näherten sich dem Zimmer, das sie bewohnten. Dark beugte sich verschwörerisch zu Appi hinüber und flüsterte ihm etwas zu.

Appi bekam ganz große Augen. „Was, er? Im Ernst?“

Dark zuckte mit den Schultern. „Er sagt, er hätte keinen Unterschied im Wald bemerkt...“

„Das will ich wirklich von ihm selbst hören...“ Appi war als Erster an der Tür und stieß sie auf, die Sense vorsichtig an der Seite haltend.

„Dark! Da bist du ja endlich!“ Yugi sprang vom Bett auf. „Ich glaube, es gibt ein Problem...“

Auf dem Bett lag Blacky, als hätte er im Schlaf einen Alptraum. Sofort war Dark an seiner Seite, kurz darauf auch Appi, der erst noch seine Waffe an die Wand lehnte. „Blacky, was ist los, hast du Schmerzen?“

Der Chaosmagier schüttelte den Kopf. „Nichts dergleichen! Aber sie... haben mich ertappt... Malice wurde misstrauisch durch Sorcs ständig wechselnde Meinung, da hat er ihn überprüft... ist in seinen Geist eingedrungen und hat mich fast geschnappt... jetzt verfolgen sie mich beide...“

„Heißt das, es geht wieder von vorne los und sie versuchen, dich zu kontrollieren, Blacky?“ rief Appi erschrocken.

„Das hab ich auch schon befürchtet!“ antwortete Yugi ihm. „Womöglich endet Blacky wie Kuro... in Sicherheitsverwahrung unten in den Kerkern!“

„Aber das geht nicht, wie brauchen ihn im Kampf!“ wandte Appi ein. Und natürlich wussten sie alle, dass er Recht hatte.

„Das wird er nicht.“ Dark nahm Blackys Hand und sah ihn ernst an. „Wir sind stärker, Kayos, auch wenn sie zu zweit sind. Wir müssen diese Verbindung zwischen dir und deinem Vater endgültig trennen! Auch wenn wir dann keinen Vorteil mehr daraus ziehen können...“

„Erinnere mich nicht daran, dass ich mit dem Kerl verwandt bin!“

„Konzentrier dich! Du hast es schon einmal geschafft!“

Appi knabberte nervös an seinen Fingernägeln. Yugi hatte die Hände zu Fäusten geballt und drückte die Daumen.

Blacky hatte die Augen geschlossen und konzentrierte sich. Durch Darks Anwesenheit war er viel ruhiger geworden. Auch Dark schloss die Augen. „Wir haben es schon einmal geschafft... wir schaffen es wieder.“
 

***

Fortsetzung folgt.

Ehemalige Akademieschüler

Tja... wurde letztes Jahr nicht mehr fertig, weil meine Familie ja noch was von mir haben wollte XD

Hier erfährt man was über Crimsons Schullaufbahn... eigentlich wollte ich das nicht so auswalzen, fand es aber dann zu lustig, um es euch vorzuenthalten.^^
 

Welt des blauen Lichts: Dienstag
 

Fremde Welten 55: Ehemalige Akademieschüler
 

Joey kam aus dem Bad. Die Gruppe starrte ihn an und prustete kollektiv laut los.

„Waaaas! Gefällt es euch etwa nicht? Das war eure Idee! Ryou hat es genäht, wollt ihr ihn etwa kränken?“ Er zeigte anklagend mit dem Finger von einem zum anderen.

„Schon sehr authentisch,“ befand Seto. „Nur müssten deine Haare mehr abstehen, um den Apprentice Magician darzustellen.“

Joey stellte sich gerade hin und verschränkte die Arme. „Also im Grunde soll das ja eh Schmendrik sein, nicht wahr? Da ist es doch nicht ganz so wichtig!“ Er schob sich das rote Stirnband höher in den Haaransatz, was seine Ponyfransen nach oben und außen drückte.

„Ich finde es ausreichend,“ teilte Thea den anderen mit. „Wenn du dazu noch diesen weiten Mantel trägst, den du später dem verwandelten Einhorn gibst, ist es echt niedlich!“

Joey schnaubte nichtssagend und pfläzte sich in Setos privatem Wohnzimmer auf einen Sessel. Er hatte gar nicht mitgekriegt, wer als Nächster im Bad verschwunden war, doch ein Blick in die Runde zeigte, dass Mokuba fehlte. Er tauchte wenig später als Kater von König Haggard wieder auf. Alle fanden ihn niedlich und wollten ihn streicheln, bis Seto ein Machtwort sprach und ihn aus ihren Fängen befreite.

„Das Katzenkostüm war einfach, nur der lange Plüschstoff etwas schwierig zu verarbeiten...“ lächelte Ryou verlegen, kratzte sich am Hinterkopf und griff wieder in seinen großen Karton, den er für die fertigen Kostüme benutzte.. „Hier, Serenity... die Kriegerin der Einöde hat auch keine zu komplizierten Sachen an... wir müssen einen Hut und Waffen besorgen.“

Serenity nahm das Kostüm an sich und ging sich umziehen. Tristan und Duke erwarteten sie gespannt und gafften, als sie wieder auftauchte. Joey verdrehte die Augen. War Duke denn nicht anderweitig vergeben? Offenbar hinderte ihn das nicht daran, ein Mädchen zu begaffen.

„Du siehst vielleicht etwas zu lieb aus für eine Kriegerin,“ meinte Yami. „Und auch Molly macht ja eher einen abgebrühten Eindruck...“

„Ach, das kriegen wir mit ein bisschen Schminke hin,“ winkte Thea ab. „Hast du dein Kleid denn auch schon fertig, Ryou?“

Alle sahen den Weißhaarigen gespannt an, und dieser errötete bis unter die Haarwurzeln. „Nun, also...“ Er zog langsam etwas Hellblaues aus dem Bestand.

„Na los, probier's an!“ freute Tristan sich.

Thea bekam einen schwärmerischen Blick. „Oh ja, bitte...“

Duke schwieg hoffnungsvoll.

Ryou wurde ganz klein, während sie ihn dazu drängten, seine Version von Lady Amalthea zu präsentieren. Letztendlich gab er nach und verschwand auch kurz im Bad.

Das waren vorerst alle Kostüme, die schon in der Herstellung waren. Doch in der kurzen Zeit hatte Ryou sich selbst übertroffen. Auch wenn Joey der Näherei nicht viel abgewinnen konnte, war er doch immer sehr amüsiert, wenn Kaiba in Verlegenheit geriet, weil Ryou schneller war, als er planen konnte.

Ryou kam nach einigen Minuten in dem blauen Kleid zurück, das dem aus dem Film sehr ähnelte, er hatte es nur nicht ganz so weit ausgeschnitten gemacht. Die Mädchen waren verzückt und sogar die (meisten) Jungen bekamen ganz große, staunende Augen.

„Hehehe, die Lady hätte echt kein Mädchen unschuldiger hingekriegt!“ neckte Joey den Klassenkameraden. „Jetzt lauf mal graziös...“

Auch das bekam Ryou scheinbar ganz instinktiv hin. Jetzt müsste nur noch das viele Rot aus seinem Gesicht verschwinden. Momentan hatte das nicht viel mit der vornehmen Einhornblässe zu tun.

„Wie willst du denn das Einhorn darstellen?“ versuchte es Seto mit einer sachlichen Frage, die Ryou dann auch von seiner Verlegenheit ablenkte, denn sein Gesicht nahm langsam eine normale Farbe an.

„Oh... ich hab mir gedacht, da trage ich einen eng anliegenden weißen Anzug, etwas Plüschiges an den Handgelenken und Knöcheln und ein bisschen Glitzerzeug... und natürlich muss ich ein Horn basteln, das leicht ist, so dass ich es an einem Stirnband tragen kann, ohne dass es abknickt...“

Seto sah aus, als hätte er das so genau jetzt auch nicht wissen wollen, nickte aber höflich.

„Und einen Schwanz wie ein Löwe...“ ergänzte Ryou. „Natürlich ganz weiß...“ Er schien vergessen zu haben, dass er ein Kleid trug, war wieder ganz der Kostümplaner.

„Wann kommen denn Marik und Mai dazu, Joey?“ wollte Mokuba nun wissen. Sie hatten Joey die Aufgabe überlassen, die Leute anzurufen, die noch dazukommen sollten.

„Ja, also...“ Joey holte ein Notizbuch hervor.

„Moment... mich interessiert viel mehr dieser Schwanz wie ein Löwe,“ grinste Yami und schob sich an Ryou heran. Mit seinen roten Schuppen bot er einen krassen Gegensatz zu dessen heller Farbe. Aber seit gestern waren es schon wieder weniger geworden.

Seto wurde auf ihn aufmerksam. „Was interessiert dich Ryous Schwanz?“

„Ja, das frage ich mich auch!“ ließ sich Duke vernehmen.

„Und ich mich erst...“ DAS kam von Bakura, der Yami böse anschielte.

Hatte Ryou etwa noch den Millenniumsring unter dem Kleid getragen? Alle waren mehr oder weniger überrascht. Man sah das kein bisschen!

„Hey, nie gemerkt, dass die Gegenstände eine gewisse Reichweite haben?“ machte sich Bakura lustig. Er schubste Yami von sich weg. Das Kleid wirkte an ihm irgendwie... fehl am Platze.

„Steht dir gut,“ kommentierte Yami trotzdem provozierend. „Ich darf auch nen Schwanz haben, einen Schwanz wie ein Stier – einen roten! Und der ist größer als deiner!“

„Quatsch nicht, Pharao. Wenn du so groß wie ein Stier wärst!“ Tatsächlich waren die beiden Jungen momentan ungefähr gleich groß, was sich dann wohl auch aufs Kostüm auswirken würde.

„Wir können ja vergleichen, wenn das Kostüm fertig ist!“ grinste Yami frech. „Außerdem hab ich das imposantere Gehörn!“

„DAS wird sich zeigen!“ zischte Bakura. Er warf stolz den Kopf zurück, zog seine Röcke ein bisschen zurecht und ging zurück zu seinem Karton.

Yami, Joey, Tristan und Duke machten johlende Geräusche.

Seto fasste sich an den Kopf. „Leute... habt ihr nichts Besseres zu tun?“

„Ach komm, Bruder, lach doch mal!“ meinte Mokuba.

Die Tatsache, dass Mokuba bei dem ganzen Schwachsinn seinen Spaß hatte, war wohl einer der Hauptgründe, dass Seto überhaupt dabei mitmachte. Und natürlich die Karten.

Da fiel Joey etwas ein: „Sagt mal... wenn wir Spielkarten gewinnen, kriegt dann jeder von uns einen ganzen Satz?“

„Nun, wenn nicht, gibt es ne ganz einfache Art, den Besitzer zu ermitteln,“ spöttelte Seto. „Womit du ja schonmal ausscheidest, Straßenköter!“

„Halt lieber die Klappe, Kaiba, wenn ich nicht den Zauberer spiele, seid ihr doch völlig aufgeschmissen, jawohl!“ Joey wusste sehr wohl, dass er keine große Chance hatte, wenn sie das ausduellierten, daher begab er sich lieber zurück ins Bad und zog sich seine normalen Sachen wieder an. Wenigstens würde auch Kaiba nicht gewinnen, solange Yugi mitspielte. Basta.
 

***
 

Wenn man es genau nahm, hatte Crimson nicht viel Zeit mit dem Bannsiegel auf dem Rücken zugebracht. Es kam ihm aber ziemlich lange vor, und er wusste jetzt umso mehr zu schätzen, dass er seine Magie wieder benutzen konnte. Für seinen neuesten Flug hatte er sich Schattensturm 'geborgt' – der Drache hatte irgendwo in der Sonne gedöst und er hatte ihn aufgescheucht. Auf ihm hatte er zusammen mit Eria Platz. Das Mädchen durfte vor ihm sitzen, denn hinter sich wollte er im Moment Mitreisende vermeiden.

Der Drache bemerkte die euphorische Stimmung seiner beiden Reiter und erlaubte sich einen sehr gewagten Flugstil, was Eria vergnügtes Gekreische und Crimson einen Jubelruf entlockte. Sie waren alle drei guter Dinge, als sie in der Ferne die Türme und Mauern der Magierakademie auftauchen sahen. Das südliche Nebengebäude hatte eine leicht andere Farbe, weil es vor einigen Jahren renoviert werden musste...

Im Grunde war die Akademie schön gelegen. Grüne Landschaft, Berge, ein See... fast schon klassisch. Sie war aber keineswegs ein Schloss oder eine Burg, sondern ein zweckmäßiges, rötliches Steingebäude mit drei Stockwerken, das sich eher in die Breite als in die Höhe ausweitete. Die Unfallgefahr war ja auch ziemlich groß bei so vielen Zauberschülern auf einem Haufen... Crimson wusste das nur zu gut, aber sein kleines Missgeschick von damals tat ihm kein bisschen Leid, er fand, man hätte ihn eben nicht stören müssen, dann wäre gar nichts passiert. Alles die Schuld seines Zimmergenossen!

Für seinen Besuch hatte er sich in eine locker sitzende, rote Tunika mit enger, gleichfarbiger Magierhose geworfen und trug sein Haar offen. Nichts zu offizielles... Die Tattoofarbe hatte die Blutung seiner frischen Wunden weitgehend gestillt und er hatte sich von den Feen einen Verband anlegen lassen. Dennoch ging er davon aus, dass Dark schimpfen würde, wenn er wüsste, dass er schon wieder Reisen unternahm statt sich auszuruhen. Egal... Eria konnte es kaum erwarten, sich hier abzumelden, und das war für ihn wichtiger.

Schattensturm setzte auf dem Rasen vor dem Hauptgebäude auf. Ein großes Schild am Eingang zeigte einen Drachen, der durchgestrichen war, aber Crimson übersah das einfach mal, genau wie die Tatsache, dass die Flügelschläge fast einen hübsch zurechtgeschnittenen Baum umknickten. Er hielt sowieso nichts von spießig gepflegten Gartenanlagen.

Seine Aktion verursachte natürlich gleich Aufmerksamkeit: Kinder und Jugendliche versammelten sich neugierig in der Nähe. Spekulationen wurden laut, Erias Name wurde ab und zu genannt, als ihre Mitschüler sie erkannten. Über seine Identität wurde heftig spekuliert.

Eria und er stiegen ab und betraten das Gebäude. Den Weg zum Büro des Direktors kannte er noch gut – er war ihn vermutlich öfter gegangen als irgendein anderer Schüler. Er klopfte und hörte überrascht eine Frauenstimme „Herein!“ rufen. Vielleicht die Sekretärin.

Crimson öffnete die Tür – und blieb jäh stehen. „Silentia... du hier? Hast du dich hereingeschlichen, um...“ Er verstummte, denn sie deutete wortlos auf ein Schildchen, das auf dem Schreibtisch stand: 'Silentia, Direktorin'.

Eria war davon anscheinend nicht überrascht, denn sie schloss die Tür, trat neben ihn und sagte: „Guten Tag, Frau Direktorin.“

Silentia erhob sich, kam um ihren Tisch herum und legte dem Mädchen beide Hände auf die Schultern. „Eria! Es ist gut, dich wiederzusehen. Mein Bruder vom Drachenhauchorden hat mich bereits davon verständigt, dass man dich bei einer Opferzeremonie aus den Fängen einiger Verbrecher retten konnte... zusammen mit ein paar anderen...“ Hierbei wandte sie sich Crimson zu und begrüßte ihn, während sie wieder ihren Platz einnahm. „Crimson, ich freue mich auch, dich zu sehen! Es ist lange her!“

„Offensichtlich... ich hab wohl was verpasst.“

„Ja... ich bin Lehrerin geworden und dann Direktorin.“

„Das ging wohl sehr schnell...“

„Als mein Vorgänger, Direktor Dezard, abdankte, wollte keiner so wirklich seine Nachfolge antreten. Während sie noch grübelten, habe ich die Gelegenheit ergriffen.“ Sie saß jetzt wieder hinter dem Schreibtisch.

Crimson hatte sich aus alter Gewohnheit einfach auf einen der beiden Stühle gesetzt, die davor standen, natürlich ohne sich anzulehnen. Eria setzte sich dagegen erst, als sie mit einer Geste dazu aufgefordert wurde.

„Du bist ja sicher nicht hier, um mich zu besuchen, sondern wolltest zum Direktor. Schade, aber kommen wir erstmal zum Punkt. Also, was kann ich für euch tun?“ fuhr Silentia mit dem Gespräch fort, nun ein sachliches Thema anschneidend.

„Ich habe Eria begleitet,“ erklärte Crimson ohne weitere Umschweife. „Sie möchte die Akademie verlassen und einen Lehrmeister nehmen – mich.“

Was immer die Direktorin erwartet hatte, das war es offensichtlich nicht. Sie musste sich einige Sekunden sammeln. „Du machst Witze!“

Doch Crimson sah sie ernst an. „Eria und ich wurden uns einig, während wir gemeinsam Gefangene waren.“

„Aber... Aqua Madoor wünscht eindeutig nicht, dass seine Tochter einen Meister bekommt – er hat uns gebeten, sie nicht in das Vermittlungsprogramm aufzunehmen. Außerdem ist sie eine Wassermagierin, kommst du damit überhaupt zurecht?“

„Das Element ist vielleicht im Idealfall mit dem der Schülerin identisch, muss aber nicht zwangsläufig so sein,“ wandte der Weißhaarige ein.

Eria holte eine leicht zerknickte Schriftrolle hervor. „Hier ist eine Erklärung von meinem Vater. Er ist damit einverstanden, dass ich die Akademie verlasse, wenn mich jemand als Schülerin nimmt. Er hat sich eh nur so angestellt, weil er... mich beschützen wollte, könnte man sagen...“

Naja, eigentlich wohl eher sich selbst vor dem Zorn der Mutter. Crimson war froh, dass sie daran gedacht hatte, etwas Schriftliches von Mad mitzunehmen, denn darauf wäre er nicht gekommen. Bürokratie, pah! Und es war ja wohl noch jedem selbst überlassen, sich einen Lehrer zu suchen, oder?

„Wie dir bekannt ist, vermitteln wir Schüler eigentlich nur an kompetente Magier mit einer vollständigen Ausbildung. Mit kompetent meine ich, dass der Betreffende auch pädagogische Qualifikationen hat. Ich kann mir dich irgendwie nicht als Lehrer vorstellen,“ gab die Magierin zu bedenken.

„Zum Glück zählt nicht, was die Akademie normalerweise macht oder von mir hält. Ich bin nur mit Eria hergekommen, um ihre Sachen zu holen und Bescheid zu sagen, dass sie nicht mehr kommt.“ Crimson ersparte es sich zu erwähnen, dass er ja durchaus auch eine Ausbildung genossen hatte, sein Fall unterschied sich nicht sehr von denen, die die Akademie für einen eigenen Meister verlassen hatten. Seiner Meinung nach existierte die Akademie eh nur, um den Kindern zu helfen, die keinen Lehrer fanden, was ja im Grunde nicht schlecht war. Schon damit man eine Art Grundausbildung bekam, um die eigenen Interessengebiete und Begabungen abzustecken.

„Oh, du hast mich missverstanden, mein Lieber. Ich kann und will dir nicht verbieten, eine Schülerin zu nehmen. Ich habe nur begründete Bedenken – ich erinnere mich noch gut daran, dass du ein sehr ungeduldiger Schüler warst. Auf der anderen Seite weiß ich nicht, ob du dich nicht zum Positiven entwickelt hast. Man erzählt sich ja im Allgemeinen nichts Schlechtes über dich, aber man hört auch generell nur wenig von dir.“ Silentia hatte sich zu einem Aktenschrank begeben und wühlte darin herum. „Ah, da ist es ja...“

Eine dicke Mappe landete auf dem Tisch, nach weiterer Suche eine wesentlich dünnere. Crimson wusste, dass so die Mappen aussahen, die zu jedem Schüler geführt wurden, und die dicke war wohl seine... sie musste dutzendweise Berichte über seine Vergehen enthalten. Nicht selten hatte man Shiro herbestellt, und sie hatten genau hier nebeneinander gesessen, um das Problem mit dem Direktor zu besprechen. Er hatte stets Besserung gelobt, obwohl ihm das keiner mehr abgenommen hatte.

„Ich bin nicht ganz sicher, ob du ein Vorbild für Eria sein kannst,“ fuhr Silentia fort, und vermutlich wollte sie dem Mädchen Gelegenheit gegen, ihre Entscheidung zu überdenken. Sie blätterte seine Mappe grob durch. „Unverschämtes Betragen gegenüber einem Lehrer... davon habe ich hier gleich sechsundzwanzig Stück. Und das sind nur die, die wirklich zu Protokoll gegeben wurden, wenn ich mich recht erinnere.“

„Man kann sich nicht immer alles bieten lassen,“ grummelte Crimson. „Außerdem wird hier ein sachlicher Diskussionsansatz immer gleich mit unverschämten Widerworten verwechselt.“

„Es gibt nichts zu diskutieren, wenn man dich mit einem hochgiftigen Trank in der Tasche erwischt, der nichtmal auf dem Lehrplan steht!“

„Was bedauerlich ist, wie ich versucht habe zu verdeutlichen! Die Schule soll einen schließlich auf das Leben vorbereiten!“

Silentia verdrehte die Augen. „Und hier... unerlaubter Aufenthalt im Labor mitten in der Nacht.“

„Naja... das war, bevor ich Mittel und Wege gefunden hatte, in meinem Zimmer...“

„Und das: Prügelei auf dem Hof. Auf dem Gang. Im Sportunterricht. Im Klassenzimmer! Insgesamt achtzehn wurden hier festgehalten. In elf dieser Fälle hast du Kampfzauber verwendet, die an dieser Akademie außerhalb des Zauberunterrichts verboten sind und auch nur in den Kursen für Fortgeschrittene gelehrt werden!“

„Ich wurde provoziert.“

„Selbstverständlich...“ Die Stimme der Magierin troff bei diesem Wort vor Ironie. „Das schlimmste daran ist, dass andere dich als Vorbild genommen haben!“

„Dafür kann ich nichts,“ wies Crimson die Schuld dafür von sich, wobei er aber nicht durchblicken ließ, ob er es bedauerte. Eria, fiel ihm auf, schaute die Frau gebannt an und wartete offensichtlich auf mehr.

„Verspätetes Erscheinen zum Unterricht, Fernbleiben vom Unterricht...“

„Das war sicher Alchemie... da hat's mir nicht geschadet, wenn ich mal nicht da war! Oder Pipifax-Kampfzaubern.“

„Böswilliges Verbreiten von Gerüchten und üble Nachrede!“

„Ach... du meinst diese eine Woche, in der ich rumerzählt habe, dass die Stunde ausfällt, in der die Klausur in Sphärenforschung geschrieben werden sollte?“

„Schlimm genug! Aber über den alten Professor Vindictus zu verbreiten, er sei pädophil, war wirklich unter der Gürtellinie!“

„Wie wahr... Ist der immer noch hier?“

„Nein, er musste seine Identität ändern, hat einen anderen Namen angenommen und ist untergetaucht!“

Crimson musste sich ein Grinsen verkneifen. Vindictus war einer der unbeliebtesten Lehrer gewesen, die man sich vorstellen konnte, sehr schnell mit Strafarbeiten zur Hand und generell unfair und voller Vorurteile. Beispielsweise war er der Meinung, dass Söhne von Amazonen als Magier nichts taugten, sondern lieber Krieger werden sollten. Sogar Dark hatte seine Probleme mit ihm gehabt, denn er hatte in Vindictus' Fach, der Theoretischen Necromantie, stets schlechte Noten bekommen und diese einklagen müssen, denn ganz offensichtlich lag das nur daran, dass Vindictus Feenkinder immer lieber in Heilkunde gesehen hätte, da sie angeblich zu sonst nichts in der Lage waren. Der Kerl war schlichtweg eine Zumutung gewesen, insofern hatte Crimson kein schlechtes Gewissen. Zweifellos konnte Silentia das nachvollziehen, schließlich war er ihr auch auf die Nerven gegangen.

„Das ist nicht witzig!“ meinte sie, aber ein verräterisches Grinsen spielte auch um ihren Mund. Sie verfolgte das Thema nicht weiter. „Sechs Fälle von vergifteten Mitschülern!“

„Was? Vergiftung? Hey, denen war höchstens ein bisschen schlecht!“ Gut, streng genommen war das auch eine Vergiftung, und das Zeug, was er den Kollegen untergeschoben hatte, verursachte Durchfall, Übelkeit, Kopfschmerzen und Halluzinationen, wurde allerdings in Verbindung mit Fruchtsäften abgeschwächt. Jedenfalls konnte von 'ein bisschen' keine Rede sein. „Außerdem reden wir hier doch von Meisei und seiner Clique, das war was Persönliches.“

„Passierte aber nicht nur einmal.“

„Aber immer mit anderer Wirkung. Besonders niedlich fand ich, als ihm und Violetta ein Fell gewachsen ist!“

Silentia verdrehte die Augen. „Jaaa... das war ganz nett...“ Sie räusperte sich. „Nur für meinen persönlichen Seelenfrieden wüsste ich ganz gerne, wie es um deine pädagogischen Fähigkeiten bestellt ist. Hmmm... bist du eigentlich noch so gut in Alchemie?“

„Na hör mal... ich hatte nicht immer eine 1+, um das dann aufzugeben!“ Was bei der Langweilerin von Professorin damals wirklich was heißen dürfte.

„So ein Zufall. Jetzt findet gleich die Alchemiestunde der zehnten Klasse statt, Erias Jahrgang. Leider hat sie das Fach abgewählt... wie wäre es, wenn wir alle dorthin gehen? Du kannst die Vertretung von Professor Allurea übernehmen. Das kriegst du doch hin, oder? Der Lehrplan ist ja bei den Unterlagen von Professor Allurea. Musst dich aber nicht unbedingt danach richten, vielleicht hast du was... Spezielles auf Lager.“

Crimson lächelte arrogant. „Kinderspiel... Aber dann hat wohl auch Allurea als Lehrerin hier angefangen, was?“

„Allerdings... ihr zwei seid ja auch alte Bekannte, nicht wahr? Wie oft hast du mich mit ihr betrogen?“

„Betrogen? Hey, du und ich, wir hatten eine offene Beziehung! Kein festes Verhältnis!“

Silentia warf einen Blick auf Eria, die nun ganz große Augen hatte vor Überraschung. „Sei bloß auf der Hut, Kind. Falls du dir Chancen bei ihm ausrechnest, solltest du wissen, dass er nie treu sein wird.“

Doch Eria kicherte bloß. „Er hat doch schon Paladia!“

„Na, ich möchte dich nur vor einem Fehler bewahren.“

Crimson ersparte es sich zu erwähnen, dass eine Amazone normalerweise auch nichts für die Ewigkeit war.
 

***
 

„Gleich hab ich ihn...“ Malice war schon immer gut darin gewesen, den Geist anderer zu beeinflussen, sofern ihm die nötigen Mittel zur Verfügung standen. Hier gab es keinen millenniumsstab, aber genug andere Sachen. Hinzu kam noch sein kleines... Talent. Er war gut darin, den magischen Spuren anderer zu folgen.

Er hatte Kayos erwischt, als Yugi versucht hatte, zu seiner Welt Kontakt aufzunehmen. Er hatte Sorc mit ihm verbunden, denn die beiden waren Verwandte. Malice nannte es 'manipulative Gedankenmagie', was er machte. Und so ein kleiner Chaoshexer entkam ihm da nicht! Auch nicht, wenn noch ein anderes Bewusstsein ihm half... das war dann wohl Dark.

Huh... die beiden hatten den Nerv, sich ihm und Sorc auf geistiger Ebene zu stellen! Na das war ihr letzter Feh--- Hey!

„Hey, was soll das? Sorc!“ Malice protestierte und musste die Verbindung unterbrechen. „Warum hast du das gemacht? Du hast meine Konzentration versaut!“

Auch Sorc war wieder in der Realität. „Er hat mich angegriffen, hat versucht, an Informationen zu kommen! Und er... er wollte mich dahingehend beeinflussen, dass ich... meine Haare rosa färbe!“

Malice starrte seinen Verbündeten einfach nur ungläubig an. „Und wieso lässt du dir das gefallen? Warum hast du ihn nicht dazu gebracht, sich in Duftöl zu ertränken?“

„Quatsch nicht! Stell lieber fest, ob er immer noch in meinem Kopf ist!“

„Im Moment isser erstmal abgehauen. Mehr kann ich auch nicht machen!“

„Aber klugscheißen, was?“

Beide verschränkten die Arme und drehten einander schmollend den Rücken zu.

In dem Moment wurde ungefragt die Tür geöffnet. „Naaa... seid ihr immer noch am Zanken?“

„Oh... hallo Ruin,“ begrüßte Sorc seine Ziehtochter. „Es ist alles bestens... wir haben herausgefunden, was mit mir los war.“

„Ja, er hatte einen kleinen Mann im Ohr!“ spottete Malice. „Seinen Sohn, der eigentlich von uns kontrolliert werden sollte! Ich bin dafür, dass Wir sofort die Armee zusammenrufen und aufbrechen!“

Der Chaosmagier verdrehte die pupillelnlosen Augen. „So schnell geht das nicht.“

„Genau, und zwar Dank der Tatsache, dass unsere Krieger alle beinahe desertiert haben, weil du dich nicht entscheiden konntest.“

„Ach komm! Dieser Zustand hat doch nicht lange angedauert!“

„Viel zu lange!“

Die Männer hatten sich wieder einander zugewandt und keiften sich an. Ruin wartete mit verschränkten Armen darauf, dass sie fertig wurden.

„Ich geh mich dann mal um die Armee kümmern,“ entschied sie, als es ihr zu lange wurde. „Lasst mich machen und einigt euch in der Zwischenzeit, ja?“ Weg war sie.

„Na toll!“ zischte Malice. „Jetzt ist es so weit gekommen, dass eine Frau die Armee befehligt! Wegen Unfähigkeit des Vaters!“

„Vielleicht solltest du besser mitgehen und ihr helfen,“ schlug Sorc vor. „Sie ist immerhin meine Tochter, also rede nicht schlecht über sie. Ich werde mich etwas ausruhen...“

„Ja, mach das... und wenn du das nächste Mal deine Meinung änderst, weiß ich ja, woran ich bin.“ Malice ging Ruin nach und beschloss, von nun an mit ihr zusammen zu arbeiten, bis er sicher war, dass Sorc nicht mehr beeinflusst wurde. Man musste echt alles selber machen...
 

***

Fortsetzung folgt

Mütter

Hallo! Endlich hab ich es geschafft! Hoffentlich ergibt hier jetzt alles eine Logik, denn ich habe das über Monate hinweg aneinander gestückelt...

Crimsons Unterrichtsstunde wird nicht näher erläutert, aber weil sich das mehrere Leser gewünscht haben, werde ich eine Extrafolge darüber schreiben. Erinnert mich dran...^^°

Weiterhin bleibt das Thema erstmal entspannt. Ich hoffe, dass ich bald das große Finale einläuten kann, so dass ich bei 60 oder so fertig werde... naja, 75 ist wohl realistischer. *drop*
 

Welt des Blauen Lichts: Dienstag
 

Fremde Welten 56: Mütter
 

Blacky hatte seinen zerbrochenen Stab dankbar von Yugi entgegen genommen, der ihn nach dem Duell sichergestellt hatte. Da er jetzt Sorc – hoffentlich endgültig – aus seinem Geist vertrieben hatte, war natürlich nicht mehr gewährleistet, dass der Angriff des Fünfgötterdrachen noch viel länger auf sich warten ließ. Deshalb wollte Blacky seinen Stab so schnell wie möglich reparieren. Falls das noch möglich war jedenfalls.

Allerdings konnten die Magier nicht sicher sein, dass der Chaosmagier Sorc nun wirklich für immer los war. Deshalb suchte Dark Erzlord Zerato auf, während Appi und Yugi Blacky darum baten, ihm bei seiner Arbeit zusehen zu dürfen.

Als sie die Schmiede erreichten, war dort ein ziemlicher Lärm, denn ein Pulk von Amazonen, jungen Feen und sonstigen Vertreterinnen weiblichen Geschlechts sowie einigen Jünglingen scharte sich um Luster, der mit seinem beschädigten Schild dastand und mit dem Oberschmied der Feen redete.

„Das glaub' ich jetzt nicht,“ zischte Blacky. Und damit machte er sich bemerkbar.

„Kayos!“ begrüßte Black Luster ihn erfreut. „Wie schön, dass du uns Gesellschaft leistest.“

„Ich bin nicht zu deiner Unterhaltung hier!“ stellte der Magier klar. „Wenn du deinen Fanclub nicht draußen lassen kannst, verlass bitte die Schmiede, ich muss nämlich meinen Stab reparieren.“

„Und ich meinen Schild.“

„Das ist ja wohl nur ein Loch, das kann nicht besonders lange dauern und zur Not auch so bleiben!“

„Also ich bitte dich, so kann ich den nicht benutzen, wie sieht denn das aus?“

„Geh zur Seite!“

Doch das tat Luster nicht. „Ich als Sieger habe ja wohl das Vorrecht.“

„Ich habe den größeren Schaden!“ wandte Blacky ein.

„Das ist ja wohl nicht meine Schuld,“ gab der andere zurück.

„Du hast mit dem Quatsch angefangen, als du mich geküsst hast!“

„Willst du nochmal?“

Lusters Fangemeinde kreischte wie ein paar Groupies beim Kattun-Konzert. Es war schon fast lächerlich. Yugi und Appi, die irgendwie ein bisschen in den Hintergrund geraten waren, konnten kaum mehr tun als zuschauen.

„Raus jetzt hier, und zwar alle!“ brüllte auf einmal der Feenschmiedemeister. „Das ist eine Schmiede, kein Rummelplatz!“

„Na ganz toll, weil du deinen Fanclub nicht draußen lassen kannst!“ zischte Blacky und stiefelte hinaus, gefolgt von den beiden Schülern, Luster und seiner Fangemeinde.

Hinter ihnen schloss sich das Tor und es sah ganz so aus, als dürfe man so bald nicht mehr hinein. Blacky grummelte und fluchte vor sich hin, während Luster es locker sah und sich seinen Verehrerinnen zuwandte.

„Äh, Blacky... gibt es keinen anderen Ort, um den Stab zu reparieren?“ fragte Yugi ihn.

„Ich hätte die Schmiede heute auch noch gebrauchen können,“ beschwerte Appi sich aus dem Hintergrund.

Blacky seufzte. „Vielleicht geht heute Abend wieder was... ich will den Stab fertig haben, wenn Sorc angreift. Ansonsten... naja es gibt schon noch Schmieden im Reich der Schatten, aber ehe man da hingeflogen ist... ich könnte vielleicht einen Feuermagier fragen, ob er mir hilft...“

Er war ziemlich genervt, vor allem aber von seiner eigenen Dummheit... hätte er sich nur nicht auf Luster eingelassen! Das Duell war im Nachhinein doch ziemlich unnötig gewesen. Andererseits... wenn er nochmal anfangen könnte, würde er wohl wieder entscheiden, dem Krieger eine reinhauen zu wollen, und wenn es nur war, um ihm zu zeigen, dass er hier nicht mit allem durchkam, nur weil er ein Held war.

Der Magier überlegte gerade, ob er sich lieber irgendwie abreagieren sollte, weil er jetzt ziemlich gereizt war, als Dark zu ihnen stieß. Er hatte Erzlord Zerato im Schlepptau, den er wohl wie angekündigt um Rat gefragt hatte. Bei seinem Anblick wurde es Blacky irgendwie mulmig zumute.

„Blacky, ich habe den Erzlord gebeten, dich auf Beeinträchtigung durch Sorc zu überprüfen. Wir sollten in unser Zimmer gehen.“ Dark legte einen Arm um ihn, um ihn mit sich zu führen, doch Blacky ging nur zögerlich mit.

Der Erzlord lächelte freundlich. „Mach dir mal keine Sorgen, Kayos, wir werden das schon schaukeln...“

„Nein, ich...“ Blacky blieb stehen, wobei er auch die anderen zum Anhalten zwang. „Ich will das nicht... Ich will nicht, dass jemand in meinem Kopf rumwühlt!“

Entgegen seiner Befürchtung war Zerato davon nicht beleidigt. „Ich verstehe, dass dir das unangenehm ist, aber es ist doch nur zu deiner Sicherheit und wird auch nicht lange dauern.“

„Ich will nicht wie Kuro in einer Einzelzelle landen!“

„Aber dazu besteht gar kein Grund, denn wenn es Sorc ist, kann ich ihn wahrscheinlich aus deinem Geist aussperren. Bei Kuro war irgendetwas anderes der Fall... vielleicht haben sie ein Artefakt benutzt oder etwas in der Art. Es ist jedenfalls nicht einfach nur ein fremder Geist. Bei dir dürfte das einfacher sein, und bestimmt wird es nicht nötig sein, dich einzusperren...“

Blacky wusste selber nicht, warum ihn der bloße Gedanke so störte. Er blickte sich hilfesuchend um. Dark erwiderte seinen Blick bittend. Da er derjenige war, der den Erzlord hergeholt hatte, verstand er jetzt wohl die Reaktion seines Partners nicht wirklich. „Bitte, Blacky... er kann dir helfen herauszufinden, ob du immer noch beeinflusst wirst!“

„Ja, stell dir vor, wenn Sorc während des Kampfes wieder zuschlägt,“ warf auch Appi ein.

„Magier des Schwarzen Chaos...“ begann Yugi, doch Blacky unterbrach ihn.

„Du nicht auch noch, Yugi! Ich weiß genau, dass du mir befehlen kannst, wenn du meinen Kartennamen benutzt, also klemm dir das!“

Der Junge sah gequält aus, als wäre ihm der Versuch auch nicht leicht gefallen. „Aber Blacky... ich dachte doch nur, dass es besser für dich ist... Komm schon, dir tut doch keiner was!“

„Ich mag es einfach nicht,“ presste Blacky hervor. „Allein der Gedanke... ich weiß auch nicht.“ Er wischte sich fahrig mit einer Hand durchs Gesicht. Dann aber setzte er sich wieder in Bewegung und folgte den anderen.
 

Die Gruppe begab sich in das Zimmer der Magier, und Blacky setzte sich mit dem Erzlord an den Tisch, so dass sie sich gegenüber saßen. Die anderen nahmen auf dem Bett platz.

„Meinst du, dass wir das Problem heute Abend dann endlich gelöst haben werden?“ fragte Yugi hoffnungsvoll den Schwarzen Magier.

„Wenn es Zerato nicht schafft, weiß ich auch nicht weiter,“ murmelte Dark leise, um das Vorgehen des Erzlords nicht zu stören.

Man sah eigentlich gar nicht, dass etwas geschah. Der Erzlord der Feen saß einfach nur da und starrte Blacky an. Nein, falsch, sie hatten beide ihre Augen geschlossen.

„Du musst dich entspannen,“ sagte Zerato nach einer Weile. „Ich komme nicht durch deine geistige Abwehr.“

Blacky nickte einfach und runzelte in Konzentration die Stirn.

„Nein... nicht so. Sei ganz locker!“ bat der Erzlord.

Yugi, Dark und Appi waren ganz verstummt. Offenbar gab es Probleme, obwohl Blacky mitarbeitete. Er wehrte sich anscheinend instinktiv. Der Vorgang zog sich noch eine Weile hin, bis Zerato schließlich aufgab.

„Es hat keinen Sinn,“ entschied er. „Wenn ich mir den Zugriff erzwinge, könnte ich dich verletzen. Anscheinend traust du mir nicht genug, um dich mir zu öffnen.“

„Tut mir Leid,“ sagte Blacky leise. „Ich hab's wirklich versucht...“

„Ja, ich weiß. Wir müssen eben weiter vorsichtig mit dir sein.“

Blackys Hände verkrampften sich vor ihm auf dem Tisch zu Fäusten, als ihm so das Misstrauen ausgesprochen wurde. Doch er und alle im Raum wussten, dass Zerato Recht hatte.

„Wie kommt es denn eigentlich, dass Blacky von Sorc kontrolliert werden kann, wenn Zerato keinen Zugriff auf seinen Geist hat?“ wollte Yugi wissen. Denn hätte Blacky nicht auch Sorc auf die gleiche Art abwehren müssen wie den Feenmann eben?

„Wir nehmen an, dass es passierte, als wir Verbindung zu deiner Welt hatten,“ analysierte Dark die Situation. „Wir wurden angegriffen, und Blacky war hinterher ganz erschöpft, weiß du noch? Sorc muss das ausgenutzt haben. Blacky ist außerdem sein Sohn, deshalb--“

„Sag das nicht!“ unterbrach Blacky seinen Geliebten. „Ich werde ihn nicht als meinen Vater anerkennen!“

„Rein biologisch kannst du dich aber nicht dagegen wehren,“ erwiderte Dark kühl. „Ist immerhin besser als Talimecros, wenn du mich fragst... also ich bin froh, dass du nicht dessen Erbgut teilst.“

„Was? Hey, du beleidigst meine... ähm, Mystic! Sie ist immerhin seine Tochter!“

„Ja, stimmt... Verzeihung. Sie hat aber eindeutig mehr von der Mutter.“

Yugi fiel auf, dass Blacky es sich verkniff, Mystic als seine Schwester zu bezeichnen. Dass er die Regeln seines Ordens dermaßen ernst nahm, überraschte den Jungen doch etwas.

„Es wäre sicher auch besser für dich, wenn du akzeptieren würdest, dass unser Feind dich gezeugt hat,“ bemerkte Zerato. „Es ist ja nicht weiter schlimm, solange du unser Blacky bleibst.“

„Du musst es mal so sehen, es ist Sorcs Schwäche, dass wir dich auf unserer Seite haben,“ gab Appi seinen Senf dazu.

„Außerdem gibt es in jeder Geschichte einen Helden, dessen Vater der Böse ist,“ fügte Yugi hinzu. „Najaa... jedenfalls in meiner Welt. Es ist ein beliebtes Thema in Romanen und Geschichten. Meistens hat dieser Held dann immer eine besondere Mission.“

„Ah, ja.“ Blacky sah nicht begeistert aus.

„Und er ist meistens gut aussehend, geheimnisvoll und mächtig,“ versuchte Yugi ihm die Sache schmackhaft zu machen.

Blacky warf ihm einen vernichtenden Blick zu. „Du willst dich bei mir einschleimen, oder was? Ich lege keinen Wert darauf, die Heldenrolle in einer Geschichte aus deiner Welt zu haben!“

Dark lachte. „Ach komm... das gefällt dir doch!“ Er stand auf und stellte sich hinter Blackys Stuhl, um seinen Geliebten von hinten zu umarmen. „Außerdem trifft die Beschreibung voll und ganz zu...“

Der Chaosmagier lächelte geschmeichelt. „Na fein. Ich bin der Sohn von Sorc. Aber ich bin gegen meinen Vater. Besser?“

Yugi grinste. „Perfekt.“
 

***
 

Als Crimson von seinem Ausflug zurückkehrte, war es Nachmittag. Eria hüpfte voller Begeisterung vor im von Schattensturms Rücken und lief zu ihrer Mutter, die ihnen gerade entgegen eilte. Sie musste sich noch daran gewöhnen, sie Mutter zu nennen, doch sie übte es gerne.

„Mutter, ich bin jetzt offiziell Crimsons Zauberschülerin!“ verkündete das Mädchen. „Und weißt du, was? Crimson hat auf der Akademie eine Doppelstunde Alchemie unterrichtet und war so gut, dass er im nächsten Halbjahr ein Seminar als Gastdozent halten soll!“

Rohka konnte ihre Begeisterung leider nicht so teilen, wie die junge Magierin sich das erhofft hatte. „Aber ich dachte, dass wir Zeit miteinander verbringen könnten... Zeit, in der ich dich die Kampfkünste lehre,“ sagte sie enttäuscht.

Crimson trat neben seine Schülerin und legte ihr väterlich einen Arm um die Schultern, zugleich eine besitzergreifende Geste. „Als ihr Lehrmeister bin ich für sie verantwortlich wie für ein eigenes Kind. Ich passe gut auf sie auf,“ versprach er. „Und wir kommen oft zu Besuch.“

Eria sah zu Boden. „Mutter, ich... ich möchte eine Magierin werden, keine Amazone.“

„Aber... das kannst du doch noch gar nicht beurteilen! Willst du nicht wenigstens ein paar Wochen bei meinem Stamm leben, um dich danach zu entscheiden?“ Rohka flehte regelrecht.

„Bevor das neue Semester an der Akademie anfängt, haben wir ja noch Zeit,“ lenkte Eria ein. „Aber das wird sicherlich nichts an meiner Entscheidung ändern. Ich wollte immer einen eigenen Lehrmeister haben und Sachen lernen, die sich nicht nach einem Lehrplan richten. Jetzt, wo ich das erreicht habe, werde ich auch dabei bleiben. Aber ein bisschen Amazonentraining kann ich ja nebenbei machen...“

Rohka schloss sie in die Arme, wobei sie sich zwischen Crimson und seine Schülerin drängte, aber er ließ es ihr durchgehen. Schließlich konnte er ihren Standpunkt ja auch nachvollziehen.

„Du gehörst zu mir,“ beharrte die Amazone. „Wenn du nicht schon alt genug wärst, um selber zu entscheiden, und wenn es nicht Amazias Sohn wäre, von dem wir hier reden...“ Sie sah zu dem Weißhaarigen auf. „Deine Tapferkeit ist inzwischen bei meinen Schwestern bekannt – nicht jeder würde freiwillig auf sich nehmen, was du ertragen hast. Wir respektieren dich.“

Normalerweise hätte Crimson abwinkend geantwortet, dass es schlicht und einfach notwendig gewesen war, um seine Zauberkraft wieder freizusetzen. Es war ja nicht so, als wäre er scharf darauf gewesen. Doch vor der Amazone hielt er seine angeborene Bescheidenheit im Zaum. „Ich würde es jederzeit wieder tun, wenn ich damit meinen Feinden ein Schnippchen schlagen kann.“

„Davon sind wir alle überzeugt,“ sagte Rohka ernst und voller Bewunderung.

Crimson hoffte inständig, dass er nie in die Verlegenheit kam, seine Worte beweisen zu müssen. Die Erfahrungen der letzten Zeit hatten ihm erstmal gereicht.

Er wollte gerade Mutter und Tochter höflich allein lassen, als Dark vom Garten aus auf ihn zu kam. „Crimson! Wo kommst du denn jetzt her? Hab ich dir nicht gesagt, dass du Schonung brauchst? Drachenflüge sind nicht gerade das, was ich darunter verstehe!“

Der Magier hatte natürlich Blacky im Schlepptau, und der hatte so einen seltsamen Schimmer im Haar, was war das denn?

„Hörst du mir zu?“ rief Dark sich in Erinnerung.

„Oh, ja, kein Problem, Dark. Es ist nichts passiert – ich hab mich ordentlich verbinden lassen, bevor ich aufgebrochen bin. Sag mal... hat Blacky irgendwelche Glitzerkrümel im Haar oder so?“

„Wovon redest du? Willst du vom Thema ablenken?“

„Na das... oh...“ Auf einmal wusste Crimson, was das war, und dass er etwas dagegen tun konnte. Er streckte eine Hand nach Blackys Stirn aus, so dass der Chaosmagier überrascht zurückzuckte, und ein Ruck ging durch seinen Körper... Crimson biss die Zähne zusammen, denn dieser Ruck hatte seinen Ursprung auf seinem Rücken. Er merkte, dass der Verbandsstoff nass und warm wurde.

Nun griff sich Blacky an den Kopf, und Dark bewegte sich schon, um dazwischen zu gehen, zögerte jedoch...

„Es ist alles in Ordnung,“ sagte der Blauhäutige als Erster, wobei er sich aufatmend wieder gerade hinstellte.

Crimson ließ seine Hand sinken und nickte einfach. „Puh... ja, alles klar.“ Er betrachtete seine völlig normal aussehende Handfläche und musste breit grinsen. „Wow, das ist ja krass...“

„Du blutest,“ stellte Dark fest. Er war hinter ihn getreten und untersuchte das Oberteil. „Sehr stark – deine Kleidung saugt sich schon voll. Komm mit.“

Crimson ließ sich einfach mitführen, regelrecht berauscht von dem, was gerade passiert war. „Ich hab was zerstört!“ freute er sich. „Einen Effekt!“

Dark tauschte einen Blick mit Blacky aus, der auf Crimsons anderer Seite ging.

Der Chaosmagier lächelte. „Ja, ich habe es gespürt... die ganze Zeit hatte ich so einen Druck im Kopf, ganz leicht nur, so dass man es manchmal vergisst... aber jetzt ist es weg. Ich spüre es ganz deutlich. Deine Tat hat eine Lücke hinterlassen, Crimson... aber eine gute.“

„Heißt das, wir haben Sorc nun endlich aus deinem Kopf rausgekriegt?“ fragte sein Geliebter hoffnungsvoll. „Und dann ausgerechnet so!“

Crimson kicherte amüsiert. „Ja, denkt euch bloß: Hätte Malice mir nicht ein Siegel in den Rücken geschnitten, hätte ich nicht deine Hilfe in Anspruch genommen, Dark, und nie einen Effekt bekommen, der jetzt dafür verantwortlich ist, dass ich Sorc eins auswischen konnte!“ Diese Gedankenfolge versetzte den Weißhaarigen in Hochstimmung, obwohl er mittlerweile spüren konnte, dass sein Blut seinen Hintern hinunter lief, langsam, aber sicher.

Dark und Blacky brachten ihn in einen Notfallraum der Feen, wo er recht unzeremoniell am Oberkörper entkleidet und von seinen Verbänden befreit wurde. Crimson erwachte erst aus seiner Euphorie, als sie ihn auf eine Behandlungspritsche drängen wollten.

„Hey, stop. Das muss doch wohl nicht---“

„Hinlegen!“ Dark war jetzt unnachgiebig. „Wenn du auf mich gehört hättest, wäre das auch gar nicht nötig. Aber dir passiert doch nichts... Sieh nur, die Feen warten nur darauf, dich behandeln zu dürfen.“ Er deutete auf drei junge Mädchen, die bereitstanden, um sich um ihn zu kümmern. Sie waren niedliche kleine Feen, die ihre farbenfrohen Haare zweckmäßig kurz trugen und kurze Schwesternkleidchen anhatten, so dass man ihre Beine gut sehen konnte.

„Oh... na dann.“ Crimson legte sich nun brav hin. Hier gab es schließlich keine Kerzen und Messer neben ihm. Eine ältere Heilerin kam herbei und begutachtete seinen Rücken, worauf sie den Mädchen kurze Anweisungen gab.

„Die werden dich angemessen verwöhnen,“ versprach Dark ihm. „Und du lässt dich erst wieder blicken, wenn dein Rücken anständig verheilt ist! Nicht fliegen, keine Effektnutzung!“

„Jaja, schon gut!“ Crimson machte es sich bequem. Die Krankenschwestern widmeten sich ihm sehr gewissenhaft, was er sich gerne gefallen ließ. Sie trugen Heilpasten auf seinen Rücken auf, die vielleicht ein bisschen brannten, aber sich danach sehr angenehm anfühlten und auch gut rochen. “Sag mal, Dark... passiert das jedes Mal, wenn ich den Effekt nutze?“

„Verdient hättest du es, wenn du so mit deiner Gesundheit umgehst,“ neckte ihn der andere Magier. „Aber das dürfte sich geben, wenn du dich daran gewöhnt hast. Aber erst, wenn die Verletzungen geheilt sind, verstanden? Sonst kippst du mir im Kampf aus den Latschen!“

„Du machst dir wohl richtig Sorgen um mich?“

„Ich will mir die Mühe nur nicht umsonst gemacht haben.“

Crimson kicherte gutmütig und streckte eine Hand aus, um die von Dark zu packen, denn dieser befand sich gerade noch in der Reichweite. „Ich mache, was du sagst, okay? Bei jedem Zauber werde ich wissen, wem ich verdanke, dass ich es noch kann.“ Er drückte die Hand leicht.

„Nun übertreib's mal nicht,“ wiegelte Dark ab und bekam rosa Bäckchen.

Doch Crimson meinte es völlig ernst. Wenn nichts anderes, würde er Dark ein guter Rivale sein, um ihn immer zu Höchstleistungen anzuspornen. „Ich werde dir auf die Nerven gehen mit meiner Dankbarkeit!“ Die Reaktionen des anderen Magiers waren interessant zu beobachten. „Sag einfach, wenn du was brauchst. Ich mach dir Heiltränke, explosive Gebräue, illegale Mittelchen...“ Crimson grinste zu ihm hoch.

Dark entzog ihm seine Hand, schaffte aber ein Lächeln. „Ich werd's mir merken. Und jetzt konzentrier dich auf deine Heilung. Ich will dich nicht mehr sehen, bis die Wunden richtig schön zugewachsen sind, kapiert? Du bewegst dich nicht hier weg, bis du wieder einsatzfähig bist oder ich was anderes sage!“

„Und wenn ich Hunger kriege?“

„Ich bin sicher, dafür findest du eine Lösung.“

„Jawohl. Ich tue, was du verlangst, mein Retter.“

„Brav.“ Dark wuschelte ihm durchs Haar, wofür Crimson ihm früher eine geknallt hätte, doch jetzt ließ er es einfach zu. „Ich sehe später nochmal nach dir.“ Er wandte sich der Tür zu, wo Blacky auf ihn wartete.

Crimson beobachtete, wie die beiden zusammen weggingen. Er schloss die Augen und döste ein bisschen ein, während das angenehm duftende Zeug auf seinem Rücken einwirkte.
 

***
 

Dark wollte mit Blacky in den Garten zurückkehren, wo sie vorhin gemütlich gesessen und die Leute beobachtet hatten, doch vor der Tür des Behandlungszimmers rannte er fast mit Weaver zusammen, die gerade hinein wollte.

„Oh... Dark, ich, äh...“ Sie war stehen geblieben und suchte offenbar nach passenden Worten.

„Verzeihung,“ murmelte Dark, schlängelte sich um sie herum und hatte die Absicht, sie einfach nicht weiter zu beachten, denn er war ihr noch immer böse. Doch dieses Mal machte sein eigener Geliebter ihm einen Strich durch die Rechnung.

„Sieht dir gar nicht ähnlich, einer Konfrontation aus dem Weg zu gehen... klär das lieber, solange du kannst, oder der Tag wird kommen, an dem du bereust, es nicht getan zu haben.“ Er tätschelte Darks Schulter und ging demonstrativ ohne ihn weiter.

[Verräter!]

[Du wirst mir dankbar sein.]

„Ähm... lass uns woanders hingehen,“ schlug Weaver vor. Sie bedeutete ihm, ihr zu folgen, und zusammen gingen sie in einen der Türme, wo ihre privaten Räume waren. Die Fee trat auf den Balkon und schaute über das Land. Das Geländer war niedrig und es gab keine Sitzmöbel, so dass sie hier auch landen konnte, wenn sie die Treppen nicht gehen wollte.

Dark hatte keinen Blick für die geschmackvolle Einrichtung des Zimmers, das er durchquerte. Er stellte sich abwartend neben sie. Höhenangst hatte er keine, schließlich konnte er auch fliegen.

Weaver sah ihn verunsichert an. „Dark, ich habe über das nachgedacht, was du gesagt hast... vielleicht hattest du Recht und ich hätte mehr von meiner Kraft geben müssen. Als deine Mutter wäre das meine Pflicht gewesen! Ich habe mich gefragt, warum ich es dann nicht getan habe... aber ich kam zu dem Schluss, dass ich zu sehr daran dachte, dass ich auch für mein Volk da sein muss. Ich habe Verantwortung und kann es mir nicht leisten auszufallen... als ich sah, dass ihr es schafft, da... habe ich einfach nur noch an meine Position gedacht und... Es tut mir Leid.“

Dark schnaubte abwertend. „Fein, du wolltest für deine Leute da sein. Und was ist mit meinen? Ich kann deine Ansicht trotzdem verstehen, doch mich stört, dass du immer auf Blacky herabsiehst, als wäre er... eine Krankheit, die ich mir eingefangen habe!“

„Er ist der Sohn unseres Feindes! Und der Feind hat auch Kuro verhext!“

„Aber Blacky ist auch der Sohn von Arienne. Ist sie denn nicht eine Freundin für dich? Wenn das nicht zählt, solltest du ihn zumindest als meinen Partner respektieren, so wie Arienne mich gleich wie einen eigenen Sohn angenommen hat.“ Doch die Erwähnung seines eigenen Vaters brachte Dark auf eine Idee. „Übrigens... es könnte sein, dass ich eine Heilung für Kuro gefunden habe... dafür kannst du dich bei meiner zweiten Seele bedanken, die du ja auch nie so richtig befürwortet hast. Ist dir eigentlich mal aufgefallen, dass ich dir gar nichts recht machen kann? Angefangen damit, dass ich keine Fee bin!“

„Für mich bist du eine Fee, Dark, auch wenn die Karten dich als Magier klassifizieren, das eine schließt das andere ja nicht aus.“

„Ich bin keine Fee. Bestenfalls eine halbe,“ lenkte Dark zum Teil ein. „Aber nun bleib mal beim Thema! Hast du es schon bereut, mich von einem Magier empfangen zu haben statt von einem Feenmann? Oder dass du nicht weitere Kinder bekommen hast, die besser gelungen sind?“

„Wer lenkt jetzt vom Thema ab?“ entgegnete Weaver traurig. „Wir sind in eine Grundsatzdiskussion geraten, die mit einer speziellen Sache angefangen hat...“

„Mag sein,“ gab Dark zu. Aber diese grundsätzlichen Fragen hatten ihn schon lange mehr beschäftigt, als er sich selbst eingestehen wollte.

Sie schwiegen sich eine Weile an, jeder in Gedanken versunken.

„Ich, ähm... hätte dich gerne hier bei mir gewusst... und dich mit jemandem wie Joan verheiratet,“ gestand Weaver schließlich. „So wie es jetzt ist, werde ich keine Enkel bekommen...“

„Ach... wenn es nur darum geht, kann ich mich ja mal bei den Amazonen umsehen,“ spöttelte Dark. „Aber dann wird’s natürlich auch keine Fee.“ Er musste ein wenig lächeln.

„Es scheint, dass Amazia neuerdings große Stücke auf dich hält... hab ich gehört,“ bemerkte Weaver mit einem angedeuteten Grinsen. „Du hast sie sehr beeindruckt, weil du ihrem Jungen geholfen hast. Sie selbst ist zwar schon etwas älter, aber sie hat Töchter...“

Dark schlug sich in einer Geste gespielter Frustration mit einer Hand vor's Gesicht. „Ermutige sie ja nicht darin, klar?“ Mit Crimson verwandt zu sein, war das letzte, was er wollte... oder jedenfalls, noch mehr als ohnehin schon mit ihm verwandt zu sein.

Weaver näherte sich vorsichtig und wagte es, eine Hand auf Darks Schulter zu legen. Er wurde ernst und sah sie streng an, entzog sich ihr aber nicht. „Ich bin wirklich stolz auf dich... und nächstes Mal werde ich mich nicht zurück halten, das verspreche ich.“

„Und Blacky? Akzeptierst du ihn auch?“

„Ja... sicher. Auch wenn er ganz bestimmt keine Fee ist.“

Beide konnten darüber lachen, und Dark spürte erleichtert, dass sie sich langsam wieder annäherten. Blacky behielt Recht, es war besser, sich mit seiner Mutter ausgesprochen zu haben.

„Was ist es denn nun, was Kuro helfen könnte?“ erkundigte Weaver sich schließlich.

Dark grinste, und es war ein richtig überhebliches Grinsen... vielleicht hatte er sich das von seinem Cousin abgeguckt. „Crimson. Ich hab ihm einen Effekt verpasst, und der hat schon Blacky von Sorcs Einfluss befreit. Allerdings können wir es jetzt nicht gleich ausprobieren, sonst kann Crimson seinen Rücken schon wieder flicken lassen. Die Schnitte müssen vollständig vernarben, dann sollte er keine Probleme mehr haben.“

Weaver schüttelte sich und schaute über das Land. „Ich muss gestehen... ich hätte mich das nicht getraut, was du getan hast. Selbst wenn ich gewusst hätte, wie es geht. Als Fee bin ich auch ein bisschen Heilerin, aber ich kann generell nichts tun, was auf solche Art mit Messern zu tun hat.“

„Das kannst du auch getrost jenen überlassen, die dafür extra ausgebildet wurden. Es war auch für mich nicht einfach und ich will es gewiss nicht wiederholen...“ Zumal er Crimsons Schreie wohl nie wieder aus seiner Erinnerung verbannen konnte, und der Idiot war ihm auch noch dankbar für diese Tortur!

Dark hatte dabei zwar in gewisser Weise seinem anderen Ich die Kontrolle überlassen, doch er und die Seele des ägyptischen Priesters waren viel enger verbunden als Yami und Yugi, daher war seine Situation nur begrenzt mit den beiden vergleichbar. Er selbst verglich sich gerne mit einem Fruchtdessert, das man mit Zucker vermischt hatte. Untrennbar verbunden.

Manchmal entdeckte er Seiten an sich, die er früher nie gekannt hatte, oder tat Dinge, die er nie gelernt hatte. Er konnte nicht beurteilen, wo er aufhörte und Mahado anfing, doch es war ein harmonisches Miteinander. Er fühlte sich dadurch nicht etwa beobachtet oder beeinflusst, sondern akzeptiert und bestätigt auf eine Weise, die unmöglich zu erklären war. Der Priester hatte ihm mit seiner Seele ein unbezahlbares Geschenkt gemacht, und Dark fand, dass es das mindeste war, wenn er die völlige Ergebenheit des Mannes an den Pharao zu seiner eigenen machte. Im Prinzip hatte er auch gar keine Wahl, aber das bereute er nicht.

Er war ein wenig in Gedanken versunken und bemerkte nun, dass Weaver ihn interessiert musterte. „Du hast so eine nachdenkliche Art, manchmal... Immer, wenn ich dich so sehe, wirkst du so... erwachsen...“

„Mutter, ich BIN erwachsen, falls du es noch nicht bemerkt hast.“

„Ja... eine Mutter tut sich damit oft schwer.“

„Sprich nur für dich.“ Schließlich konnte sie ja nicht davon ausgehen, dass es allen so ging, oder? „Wirke ich denn sonst nicht erwachsen?“ erkundigte er sich argwöhnisch.

Sie musste zu ihm aufschauen, wenn sie direkt neben ihm stand, insofern gab es nichts abzustreiten, was sein Alter anging. „Nun... ich finde es einfach extremer, wenn du so nachdenklich dreinschaust.“

Dark setzte eine selbstgefällige Mine auf. „Dann sieh mir zu, wenn ich Sex habe, und beurteile dann, wie erwachsen ich bin.“ Er grinste frech und schaute nach unten. Weaver folgte seinem Blick. Unten im Garten spazierte ein hochgewachsener, blauhäutiger Magier auf eine Bank unter einem blühenden Baum zu, wo bereits eine Frau saß...
 

***
 

Blacky hatte sie schon von weitem erkannt, und da Dark auch gerade mit seiner Mutter zusammen war, nahm er die Gelegenheit wahr, mit ihr zu reden. „Darf ich mich zu dir setzen, Arienne?“

Sie hatte ihm ihrerseits schon entgegen gesehen, und nun verfinsterte sich ihre Mine ein bisschen. „Kayos, fällt es dir schwer, mich Mutter zu nennen?“

Er lächelte traurig. „Ich möchte dich nicht in Schwierigkeiten bringen. Nach den Regeln des Ordens musst du deinen Sohn als tot ansehen.“

„Ha! Ich habe Dark als deinen Partner an Sohnes statt angenommen, und da du wiederum sein Partner bist, kann ich dich, den Partner meines neuen Sohnes, nun auch als Sohn annehmen, was dich wiederum zu meinem Sohn macht.“

Blacky war fasziniert von ihrer Denkweise. „Ich nehme an, das... könnte hinkommen. Aber unterwirft uns das nicht wieder den Regeln des Ordens?“

Arienne schüttelte den Kopf. „Dark ist ja kein Mitglied. Außerdem ist der Orden eh nur noch ein verstreuter Haufen. Talimecros gelingt es nicht, ihn zusammen zu halten. Ich selbst habe eine neue Gruppe gegründet, die einige Anhänger hat. Wir nennen uns 'Boten des Friedens'.“

„Ach... hast wohl auch die Nase voll, was?“ Blacky setzte sich dicht beben sie und lehnte seine Stirn an ihren Kopf. Als Kind hatte er sich an sie kuscheln können, doch dafür war er inzwischen natürlich zu groß. Doch er wusste, dass die Geste sie glücklich machte.

Arienne griff nach seiner Hand und drückte sie fest. Sie hatte einen sehr starken Griff für eine Frau, die keine Amazone war. Aber sie arbeitete eben viel und hart, um dem Orden zu dienen. „Bitte pass gut auf dich auf... ich weiß, dass du in die Kämpfe immer sehr stark verwickelt warst und auch weiterhin sein wirst...“

„Kein Problem, Mutter, mir passiert schon nichts.“ Es fühlte sich gut an, sie wieder so zu nennen, und das fand sie offenbar auch, denn sie lächelte und streichelte ihm durchs Haar.

„Kayos, es hat irgendwie auch gute Seiten, dass du... nun, also... Talimecros hat sein wahres Gesicht gezeigt, weil du nicht sein Sohn bist. Und ich dachte, er liebt mich bedingungslos.“ Arienne seufzte, behielt aber ihr Lächeln bei. „Zeig diesem...Sorc?... dass er nicht einfach Kinder in die Welt setzen kann, ohne an die Folgen zu denken.“

Seltsamerweise konnte Blacky breit grinsen, obwohl das Thema ihm bisher immer unangenehm gewesen war. „Ich werde ihn von dir grüßen, wenn ich ihm dir Fresse poliere.“

„Aber mein Sohn! Achte auf deine Ausdrucksweise!“

Beide lachten entspannt und blieben noch ein wenig dort sitzen, einfach, weil sie es konnten.
 

***

Fortsetzung folgt.

Drachenschuppen

Welt des Blauen Lichts: Letzte Folge Dienstag, jetzt Donnerstag
 

Fremde Welten 57: Drachenschuppen
 

Misaki Morikawa brachte ihren kleinen Sohn Yukihito mit zu den Mutous, weil sie ihn um diese Urzeit nicht alleine zu Hause lassen konnte. Ihr Mann Keisuke arbeitete Donnerstags länger und hatte versprochen, sie dann abzuholen. Aber Yukihito beschwerte sich gewiss nicht – schließlich wurde ihm in dem Spieleladen nicht langweilig und Großvater Mutou schloss den Jungen sofort in sein Herz. Er zeigte Yukihito die Spielsachen für kleine Kinder und schaffte es auch gleich, ihn mit seinem natürlichen Charme zu fesseln.

Misaki ließ die beiden getrost alleine und wandte sich den jungen Leuten zu, die auf dem Küchentisch ihre Schulsachen ausgebreitet hatten. Seto Kaiba war nicht dabei, denn er hatte geschäftlich zu tun, aber die anderen vier wichen praktisch nicht von Yugis Seite. Thea Gardner war gerade dabei, ihm eine englische Satzkontruktion zu erklären, während Joey Wheeler und Ryou Bakura vom Thema abgekommen waren und über ihr Kostüm für das geplante Theaterstück diskutierten. Tristan Taylor versuchte indessen verbissen, dabei seine eigenen Hausaufgaben zu machen, wirkte jedoch so, als wäre er kurz davor, die Geduld zu verlieren.

Als die Lehrerin eintrat, unterbrachen alle ihre Tätigkeiten und begrüßten sie. Ihr fiel sofort auf, dass Yugi wieder besser aussah als am Vortag, aber die Schuppen waren noch nicht ganz weg. Vielleicht hätte man sie mit etwas Kleidung verbergen können – er trug gerade ein ärmelloses, schwarzes Oberteil – aber Misaki hatte ihm geraten, lieber weiter zu Hause zu bleiben, denn das sah für die Mitschüler und das Lehrerkollegium normaler aus, als wenn er immerzu für ein oder zwei Tage fehlte. Inzwischen war in der Klasse und bei den Lehrern verbreitet, dass Yugi noch unter posttraumatischen Störungen litt, Folgen seines Zwischenfalls mit Bakura. Es gab allerhand Spekulationen, jedoch war die bevorzugte Variante – auch durch Yugis Freunde – dass Yugi durch einen Schlag auf den Kopf irgendeinen Schaden davongetragen hatte, sowas wie eine Beschädigung des zentralen Nervensystems, wobei aber niemand wirklich verstand, wie das aussah. Jedenfalls mussten sie ja irgendwas erzählen.

Auch Misaki dachte sich Geschichten aus und versicherte ihren Kollegen, dass sie die Situation im Griff hatte. Keiner fragte weiter nach, denn wer interessierte sich schon groß für einen einzelnen Schüler, wenn die Klassenlehrerin sich darum kümmerte? Selbstverständlich sagte sie niemandem, dass sie in dieser Woche täglich bei Mutous gewesen war und das sehr genoss. Ihr Mann fing schon an, sich zu beschweren, aber nicht ernsthaft. Er fand es nichtmal so übel, wenn er daheim ein, zwei Stunden für sich hatte, bevor Yukihito aus dem Kindergarten kam. Misaki freute sich darauf, ihm diese Familie heute einmal vorzustellen, damit er wusste, mit wem sie ihre Zeit verbrachte.

Sie löste Thea ab und widmete sich Yugi, dem sie geduldig den Unterrichtsstoff des Tages näherbrachte. Der antike Geist hatte kein Problem mit Mathe, aber mit Englisch. Dafür, dass er die Sprache vorher nie gesprochen hatte, war er jedoch ganz gut – vielleicht sowas wie latentes Wissen durch den echten Yugi, vermutete die Lehrerin. Die anderen Fächer erschlossen sich ihm auch ausreichend – Naturwissenschaften, Politik und religiöse Themen interessierten Yugi (sie blieb nach wie vor bei dem Namen, das war sonst zu verwirrend, schließlich durfte sie sich in der Schule nicht vertun), er hatte nur Probleme, so viele neue Informationen zu verarbeiten. Seine wahrhaft pharaonische Disziplin, mit der er sich abmühte, war beispielhaft – davon konnten sich viele Schüler noch eine Scheibe abschneiden. Inzwischen verzweifelte der Junge auch nicht mehr so schnell an den Schulfächern. Vielleicht fiel es ihm leichter, weil er sich jetzt keine Sorgen mehr darüber machen musste, was man in der Schule von ihm dachte.

Misaki bediente sich aus der bereitstehenden Teekanne. Sie hatte den jungen Leuten zu verstehen gegeben, dass sie nicht die ganze Zeit wie ein hoher Gast behandelt werden musste, schließlich fühlte sie sich auch schon wie zu Hause. Ihr Sohn offenbar auch, wenn das vergnügte Quietschen aus dem Nebenraum etwas dazu zu sagen hatte... Sukoroku Mutou spielte mit ihm im Wohnzimmer, und immer wenn die Ladenklingel läutete, schrie Yukihito „Kunsaft, Kunsaft!“ und man hörte beide in den Laden verschwinden. Herr Mutou war schon Opa für ihn und der Junge wurde von ihm Yuki-chan genannt. Hier eröffneten sich glatt Möglichkeiten des kostenlosen Babysittens, überlegte die Lehrerin heimlich.

Inzwischen hatte sie auch erzählt, dass sie Duel Monsters spielte. Das war natürlich der Hit an Information gewesen. Schon hatte man ein allgemeines Gesprächsthema, zu dem sogar Thea etwas zu sagen hatte. Mit dem Mädchen traute sie sich auch zu spielen, oder mit Herrn Mutou und Tristan, während die anderen, von denen sie ja wusste, dass sie das professionell machten, ihr irgendwie zu unheimlich waren, als dass sie sich getraut hätte, sich mit ihnen zu messen. Sie unterhielten sich über Karten und Strategien, von denen Misaki noch nie etwas gehört hatte. Herr Mutou hingegen schien sich vor allem als Händler und Sammler mit den Karten zu beschäftigen, obwohl er auch ein Deck hatte. Er sagte, es sei noch in der Probephase, das galt ja für sie selbst auch noch. Sie stellte ihres immer wieder mal um, in der Hoffnung, die perfekte Kombination zu finden, die zu ihr passte.

Wenn ihr vor ein paar Tagen jemand gesagt hätte, dass sie sich bald mit ein paar Schülern regelmäßig zum Lernen und Spielen treffen würde... Ihre Kollegen würden sie sicher für verrückt halten, wenn das rauskäme.

Als die Schularbeiten fertig waren und Yugis Englischübungen zufriedenstellend abgeschlossen waren, setzte sich die Gruppe ins Wohnzimmer, wo sie mit Yuki-chan ein Kinderspiel spielten. Indessen kam auch Seto Kaiba dazu und packte sogleich sein Laptop aus, um mit der Arbeit noch etwas weiter zu machen, worüber die Gruppe kollektiv die Augen verdrehte.

„Wieso beendest du das nicht zu Hause, kannst du dich hier überhaupt konzentrieren?“ fragte Joey voller Sarkasmus. Er hatte gerade das Kind auf den Schultern und hopste mit ihm durchs Wohnzimmer.

„Im Gegensatz zu dir bin ich durch lange Übung daran gewöhnt, mehrere Dinge gleichzeitig zu tun, Wheeler. Bei dir kann man ja froh sein, wenn du eins zur gleichen Zeit schaffst.“

„Hä? Was soll denn das heißen? Klar kann ich mehrere Sachen gleichzeitig! Essen und Fernsehen zum Beispiel!“

Kaiba ersparte sich einen Kommentar und konzentrierte sich kopfschüttelnd wieder auf den Bildschirm. Dieses Verhalten von Kaiba war für Misaki ausgesprochen eigenartig, sie hatte noch immer nicht ganz herausgefunden, warum der Firmenboss mit der Gruppe um Yugi Mutou abhing. Früher war er ja sehr distanziert gewesen, aber die Lehrerin nahm an, dass es etwas mit der gemeinsamen Leidenschaft für Duel Monsters zu tun hatte. Soweit sie das mitbekommen hatte, respektierten Yugi und Kaiba einander sehr, weil sie harte Rivalen in dem Spiel waren. Joey dagegen wurde von Kaiba verachtet und alle anderen mehr oder weniger geduldet, abgesehen von Opa Mutou, zu dem er immer sehr höflich war.

Misaki blieb, bis Keisuke sie abholen kam, was gegen 18 Uhr geschah. Sie war auf dem besten Wege, eine sehr familiäre Bindung zu den Mutous und den Freunden von Yugi aufzubauen, denn auch ihr Mann wurde gleich locker begrüßt. Allerdings hatte er keine Lust mehr, auf einen Snack oder einen Tee zu bleiben. Nach einem langen Arbeitstag war das verständlich. Doch hatte er sich für eine Weile ganz interessiert im Laden umgesehen, und sie fragte sich schon, ob er vielleicht auch Interesse für das ein oder andere Spiel zeigen würde. Es waren nämlich nicht die Sachen für kleine Kinder, die er sich angesehen hatte, sondern die Sektion mit den Karten- und Rollenspielen.
 

Als die Lehrerin mit ihrer Familie fort war, fiel Seto regelrecht über Yami her. Viel zu lange schon hatte er sich jetzt zurückgehalten. Sie hatten ihr nämlich noch nicht erzählt, dass die beiden ein Verhältnis miteinander hatten, denn das war nicht nötig, um die Schattenreich-Krise zu verstehen.

„Ähm... könnt ihr bitte erstmal nach oben gehen?“ bat Tristan, der cool dabei gesessen hatte, während er ein Glas Cola austrank. Das Gehabe der beiden waren sie ja mittlerweile alle gewohnt, aber das hieß nicht, dass sie es sehen wollten.

„Jetzt gibt es gleich Essen,“ sagte Großvater in verbindlichem Tonfall, was bedeutete, dass zwei bis drei Leute sich freiwillig zur Küchenarbeit einfinden durften. Joey und Thea machten das, was aber noch Ryou und Tristan als Störfaktor übrig ließ. Man hatte aber auch keine Gnade mit den auf Entzug stehenden Turteltauben!
 

***
 

„Oh... du bist ja noch hier!“ Blacky war überrascht, Crimson auch zwei Tage später noch im Krankenflügel vorzufinden. Dann aber nicht bei den Behandlungszimmern, sondern in der Tränkeabteilung, wo der Weißhaarige den Feen-Alchemisten bei der Herstellung von Tränken half und sich dabei mit ihnen austauschte. Das erstaunlichste dabei war, dass es hier offenbar ein harmonisches Zusammenarbeiten und Ratschläge annehmen gab, was man von Crimson ja so auf den ersten Blick gar nicht dachte, aber anscheinend nahm er im Bezug auf Alchemie immer noch mal wieder neue Lehren an, auch wenn er immer so tat, als wisse er alles darüber. Jedenfalls gegenüber Leuten, die nachweislich nicht so viel darüber wussten wie er.

Crimson trug das, was Blacky allgemein als 'die Standardtunika der Feen' bezeichnete, wobei er selbst sich diesem Kleidungsstück weitestgehend verweigerte, weil es ihn zu sehr an brennende Abgründe erinnerte und er es generell nicht besonders kleidsam für sich fand. Heute trug er eine ältere Hose und ein noch älteres, ärmelloses Hemd und sah so ähnlich zerschrammt und angekolelt aus wie Appi in letzter Zeit immer, und er hatte es geschafft, seine rechte Hand übel zu verbrennen.

„Dark hat gesagt, ich soll hier bleiben,“ entgegnete Crimson und kam zu ihm. „Ui, das muss wehtun... hast du in das Schmiedefeuer gefasst? Riechst jedenfalls so.“ Er benahm sich fast wie ein Heiler – er besah sich den Schaden, ging zu einem Regal und fuhr mit dem Finger an den Etiketten entlang, dann wählte er ein Salbentöpfchen und stellte es auf seinen Arbeitstisch, wobei er Blacky heranwinkte. Nun ja... eine Brandwunde zu behandeln, erforderte wohl keinen Profiheiler, jedoch war ein Alchemist durchaus nützlich.

„Dark hat gesagt, du sollst bleiben, bis deine Wunden richtig geheilt sind.“ Und ja, es tat wirklich weh, aber Blacky zwang seine Gesichtsmuskeln, sich zu entspannen und eine normale Mine zu erzeugen. Er konnte auch seine Gedanken in so verquere Bahnen lenken, dass er die Hand gar nicht mehr als zu sich gehörig ansah, so dass der Schmerz nachließ, aber er hatte keine Lust, sich dermaßen zu konzentrieren. So schlimm war es dann auch wieder nicht, die Hand war nur stark gerötet und hatte vielleicht ein paar vereinzelte Brandblasen, weiter nichts.

„Die Heiler meinen, dass ich noch nicht als völlig geheilt angesehen werden kann, sie wollen lieber sichergehen. Vielleicht mögen sie es auch einfach, einen kompetenten Helfer wie mich hier zu haben,“ prahlte Crimson halb ernst. „Nun sag schon... was hast du Schusseliges gemacht?“ Er verteilte die Salbe auf der Hand des Chaosmagiers.

Blacky seufzte. „Naja du hast Recht, so ziemlich... eine Stichflamme kam aus dem Ofen, während ich eine magische Beschwörung aufsagte, die meinen Zauberstab stabilisieren sollte. Er ist jetzt wieder in Ordnung.“

Crimson schaute mit großen Augen zu ihm auf und hielt in der Behandlung der Verletzung inne. „Wirklich? Ich hab mal gelernt, dass man einen Zauberstab, der zerbrochen war, lieber ersetzen sollte.“

„Ja, er ist nie wieder so stabil wie zuvor und wird bei entsprechender Belastung wieder brechen, aber erstmal geht’s. Ich hab keine Zeit, einen neuen zu machen.“

Der Weißhaarige stimmte nickend zu und besorgte einen Verband. Blacky wollte eigentlich keinen, ließ ihn aber machen und stellte fest, dass Darks Cousin durchaus wusste, wie man das machte – vermutlich aus eigener Erfahrung, schließlich waren Alchemisten generell für eine gewisse Verletzungshäufigkeit bekannt, wenn sie gerne gefährliche Sachen brauten.

„Ich könnte ein paar Drachenschuppen gebrauchen, kannst du nicht mal Black Luster fragen, ob er welche übrig hat?“ bat Crimson nun, und Blacky legte beim bloßen Klang des Namens verärgert die Stirn in Falten.

„Wieso fragst du ihn nicht selbst?“

„Ich muss hier bleiben. Anweisung von Dark,“ erklärte Crimson feierlich.

„Das nimmst du ja wirklich sehr ernst.“ Was ihn immer noch überraschte. Er hatte eigentlich gedacht, dass Crimson sich nur ein paar Stunden daran hielt.

„Außerdem scheint Luster dich zu mögen!“ Der freche Kerl grinste neckisch.

„Ich ritz dir gleich was Neues in den Rücken: Lass mich in Ruhe mit Luster!“

„Warum so aufbrausend? Ich dachte ja nur... du hast sicherlich größere Chancen als ich! Mir gibt er ungern welche, weil er meint, ich würde damit fiese Tränke machen.“

„Was du vermutlich auch tust.“ Jeder wusste schließlich um Crimsons Hobby.

„Pass auf, Blacky...“ Er schien zu einem längeren Vortrag auszuholen. „Es gibt Tränke, in denen Drachenschuppen zu den Zutaten gehören, und solche, in denen sie einfach eine stärkere Wirkung verursachen, als der Trank normalerweise hat. Es wäre sehr hilfreich für all die Heiltränke, die wir brauchen werden. Natürlich wäre es auch eine Idee, Episches Todesfeuer auf die Feinde loszulassen, falls es sich um Zombies handelt. Die Nützlichkeit solcher Dinge wird leider oft verkannt, weil alle immer nur die Gefahr sehen, aber...“

„Jaaa, schon gut!“ Blacky hob die unverletzte Hand zu einer abbrechenden Geste. Zaubertränke waren so ziemlich das letzte, was er machen würde, denn die hatten mit geordnetem Vorgehen zu tun! Außerdem war Blacky gewiss nicht derjenige, der Crimson dazu einen moralischen Grundsatzvortrag zu halten gedachte, denn er selbst wandte ja auch viele Zauber an, die manch anderer zu gefährlich fand. „Ich suche mir jemanden, der dann Luster fragt... vielleicht Yugi. Dem gibt er sie bestimmt...“

„Es wäre nett, wenn du das so schnell wie möglich tun könntest, damit ich sie in die laufende Produktion einbauen kann.“

„Ich tu, was ich kann...“ Blacky verabschiedete sich und machte, dass er wegkam, ehe dem Weißhaarigen noch mehr solche Botengänge einfielen. Und er beschloss nebenbei, so schnell wie möglich Dark dazu zu bringen, dass er Crimson aus dem Krankenflügel entließ, damit er seine Sachen wieder selber erledigen konnte!
 

Dark erwies sich als wenig hilfreich. Als Blacky den Unterricht unterbrach, den sein Liebhaber gerade Yugi und Appi zuteil werden ließ, und ihm von den jüngsten Ereignissen berichtete, war er lediglich verärgert, dass Yugi jetzt losgehen und diese Drachenschuppen besorgen sollte, und machte auch keine Anstalten, sich mal zu Crimson zu begeben und seinen Rücken zu begutachten.

„Yugi ist offiziell nicht mein Schüler, aber dein Schützling, also wenn du ihn auf diese Mission schicken möchtest, kann er gehen, aber ich würde lieber erstmal die Lektion beenden.“ Dark hatte sich in den letzten zweit Tagen verstärkt um das Training der beiden Jungs gekümmert und sich bemüht, sie optimal auf den bevorstehenden Kampf vorzubereiten. „Kannst du denn nicht selber zu Luster gehen? Es ist lächerlich, dass du ihm aus dem Weg gehst!“

„Der bringt's fertig und verlangt eine Bezahlung für seine Hilfe!“ grummelte Blacky. Er hatte wirklich keine Lust, sich mit Luster abzugeben, schon gar nicht, ihn um einen Gefallen zu bitten, aber es widersprach auch seinem Stolz, ihm ewig aus dem Weg zu gehen. Der Schwarze Magier des Chaos scheute sich doch nicht davor, einem Krieger wie Luster gegenüber zu treten, auch wenn er eine Legende war! Das war er selbst ja schließlich auch.

„Nein, nein, es ist wichtiger, dass Yugi lernt, was er braucht, um gut zu kämpfen. Ich geh schon.“ Das tat er, und es war nicht besonders schwierig, den Kerl zu finden. Zugegeben, er befand sich im Speisesaal, deshalb musste Blacky ein wenig herumlaufen, aber letztendlich war der Krieger doch immer da, wo sich die Trauben von Mädchen und Frauen bildeten. Augenverdrehend ging Blacky auf die Gruppe zu.

Luster schien einen siebten Sinn für ihn zu haben, denn er drehte sich zu ihm um, ehe er ihn ansprechen konnte. „Kayos! Wie schön, willst du mir beim Essen Gesellschaft leisten?“

Blacky beschloss, mit seinen zur Verfügung stehenden Mitteln ans Ziel zu kommen, wie er es ja eigentlich immer tat. „Oh, Luster, ich wünschte ich könnte, aber ich bin auf einer Mission, bei der es um dich geht.“ Er beugte sich vor, legte eine Hand auf die muskulöse Schulter und streichelte sie scheinbar bewundernd. Er setzte einen verschwörerischen, geradezu verlockenden Blick auf. „Die Heiler machen gerade einen Haufen Tränke und ich wurde gebeten, einige Drachenschuppen zu besorgen, speziell deine sind von Interesse. Hast du nicht noch irgendwo welche an dir?“ Er suchte schonmal den Halsbereich ab.

Luster mochte es offenbar, von ihm berührt zu werden, denn er ließ es gerne zu. „Ja, such nur, und nimm soviel wie du--- Moment!“ Er erhob sich und packte Blackys Handgelenke. „Ich hab gehört, Crimson wäre da! Hilft er auch mit?“

„Ähm... ja, schon... er gilt schließlich als einer der besten Alchemisten...“ Blacky versuchte, sich dem stahlharten Griff zu entziehen, hatte aber freilich keine Chance. Neben ihm wurde Gekicher laut. Blöder Fanclub. Die beiden Männer waren gleich groß, aber Luster war doppelt so breit wie Blacky.

„Crimson, ja? Nun, er ist wahrscheinlich derjenige, der am ehesten Drachenschuppen für einen Heiltrank benutzen würde, andererseits ist ein Heiltrank auch fast das letzte, wo er welche reintun würde, weil es ja so viele andere Dinge gibt, für die man sie gebrauchen kann, während die meisten Heiltränke sie nur optional verwenden. Hör zu! Du passt ganz genau auf, was er damit macht. Wenn das Zeug sich rotorange verfärbt, nimm es ihm sofort weg und bring es mir. Nicht fallen lassen, hörst du? Bring's einfach her.“

Der Krieger drückte unangenehm zu. Blacky biss die Zähne zusammen. „Klar... kein Problem...“

„Oder nein, warte... das ist auch noch zu riskant. Meine Süßen, wo ist mein Reisegepäck?“ Luster ließ sich eine Tasche bringen, die andere als Rucksack bezeichnen würden. Gnädigerweise ließ er Blacky los und nahm das Gepäckstück an sich. Kurz wühlte er darin herum und warf Blacky dann ein kleines Beutelchen zu. „Hier, nimm. Damit kannst du Crimsons Trank ausschalten, wenn er rot wird. Es ist im Volksmund bekannt als 'Ätsch-Bätsch-Kraut', keine Ahnung wie es wirklich heißt. Lass Crimson nicht meine Schuppen für irgendwas Mieses benutzen. Wenn doch...“ Er deutete auf das Beutelchen.

Blacky zog die Bänder auf und nahm etwas von dem Inhalt heraus. Das Kraut war getrocknet und bildete harte, dunkelgrüne Blätter mit gelben Unterseiten. „Einfach reinwerfen, ja?“

Luster nickte eifrig. „Genau.“

„Gut... verstanden...“ Blacky gab das Blatt zurück in den Beutel und band diesen an seinem Gürtel fest.

„Fein...“ Luster löste die Kordel seines Gewandes ein bisschen, so dass er es von seinen Schultern ziehen konnte. Er trug keins von den Feenkleidchen, die waren ihm sicher alle zu klein, sondern eine Trainingskombination ohne Ärmel. „Schau auf dem Rücken, da bleiben oft welche zurück, weil ich sie da nicht sehe...“

Widerwillig machte sich Blacky daran, den Körper des Kriegers abzusuchen. Das gefiel ihm gar nicht, weil er sich angestarrt fühlte, andererseits verdeckte der Fanclub ihn teilweise vor anderen Blicken. Die meisten Schuppen waren leicht von der Haut abzuziehen, weil sie praktisch schon abgestorbenes Material waren, aber bei manchen merkte er, dass er Luster wohl ein wenig wehtat – was dem Krieger aber wohl kaum etwas ausmachte. Als er etwa acht Stück hatte, befand er, dass das erstmal reichte, denn er wollte nicht noch weiter an dem Mann herumfummeln.

Luster drehte sich zu ihm um. „Na? Hast du es genossen, meine Muskeln zu untersuchen?“ neckte er ihn.

Blacky hätte ihm gerne eine gescheuert, beherrschte sich aber. „Oh... vielen Dank... ich werde mal schauen, ob das den Heilern reicht, und... vielleicht... komme ich nochmal wieder.“ Er strich mit einem Finger über Lusters Kinn und eilte von dannen, ehe dieser sich von dem Sinneswandel erholt hatte – immerhin musste er sich über Blackys Verhalten doch sehr wundern.
 

***
 

Crimson war nicht überrascht, als Blacky ihm zwar die Schuppen brachte, aber dabei blieb und sie nur herausrückte, um sie ihm direkt vor dem Gebrauch zu überreichen und dann genau zu beobachten, was damit passierte. Luster war schließlich auch nicht blöd – er fragte immer ganz genau nach, wer seine Schuppen bekam, weil man sie allzu leicht missbrauchen konnte. Crimson musste sie erstmal in einem Mörser zerkleinern, was ziemlich anstrengend war, aber um sich die Arbeit zu erleichtern, benutzte er ja gerne welche von einem Drachen in Menschengestalt – oder umgekehrt, das wusste man bei Black Luster nicht genau. Er hatte mehrere Tränke bereitstehen, in die er eine im zerkleinerten Zustand untermischte. Die meisten rochen gut, doch zwei stanken ziemlich übel.

„Hier, schau... ich tu die Schuppe rein, und er riecht gleich viel besser. Medizin stinkt nunmal...“ Bei dem anderen gab er zusammen mit der Schuppe noch ein Kraut dazu, das blaugrüne Blätter hatte und weiß blühte. Dadurch wurde der Geruch nicht viel besser, nur etwas erträglicher und erinnerte dann eher an Bioabfall als an verbrannte Schuhe. Er rührte vorsichtig um und ließ Blacky beobachten, wie die Substand gelb wurde.

„Achtung, es sprudelt über!“ rief der Chaosmagier, doch Crimson hatte die Sache im Griff. Schnell nahm er die Kerze unter dem Kessel weg und rührte mit der anderen Hand gleichzeitig weiter. Es war knapp, doch nichts ging daneben. Puh.

Dann kamen vier weitere Tränke an die Reihe, von denen einer tatsächlich in einem riesigen Kessel in einem Kamin vor sich hin blubberte und daher drei Drachenschuppen bekam. „Standardheiltrank,“ erklärte Crimson. „Heilt die meisten leichteren Verletzungen und gibt etwas Kraft.“ Dieser Trank roch auch nicht übel, sondern sehr angenehm nach Kräutern. Die Schuppen bewirkten keine für den Laien merkliche Veränderung, doch die Farbe wurde intensiver, der Geruch schärfer und die Flüssigkeit ließ sich etwas zäher rühren. Auch der Geschmack, das wusste Crimson, war etwas unappetitlicher, dafür verstärkte die neue Zutat die Wirkung um das Zehnfache.

„Normalerweise schwächt es den Körper, wenn man Heitränke trinkt, weil die Energie für die Heilung, die durch ihn gefördert wird, ja irgendwo herkommen muss. Gestärkt fühlt man sich daher nur kurz, dann fällt man um und schläft. Doch jetzt kriegt man die Kraft durch Magie. Man wird nicht so sehr geschwächt. Ist weniger Logik dabei, man muss es einfach hinnehmen.“

„Oh, das ist mir nur recht,“ winkte Blacky ab. „Den Grund muss ich nicht verstehen, solange ich weiß, was ich tun muss, um ans Ziel zu kommen.“

Als Crimson die Schuppen verbraucht hatte, fing er an, alles sorgfältig in Portionsfläschchen oder Vorratsbehälter umzufüllen. Besonders mit dem gelben, der auch als Erster an die Reihe kam, ging er sorgsam um, denn davon hatte er wenig. Das zumindest war der Grund, den er Blacky dafür nannte. „Hat Luster dir aufgetragen, genau aufzupassen, was ich tue?“ erkundigte er sich der Konversation halber. Und natürlich aus Neugier, ließ sich das aber nicht anmerken.

„Das kann man so sagen,“ gab Blacky zu. „Er hat sich Sorgen gemacht, weil du dafür bekannt bist, mit Drachenschuppen Unsinn zu treiben.“

„Oh bitte...“ Crimson verdrehte theatralisch die Augen. „Nur weil im Erleuchtungstrank welche drin sind... Seit ich der Schule einen neuen Seitenflügel beschert habe, tun alle so, als wäre ich ein verrückter Wissenschaftler oder sowas.“ Verrückt würde er das nicht nennen.

„Mach mir nichts vor, Crimson,“ lächelte Blacky. „Ich weiß nicht, was du da zusammen gemischt hast, es war jedoch nicht alles zur Heilung gedacht, oder? Mir persönlich macht das nichts aus, aber sieh bloß zu, dass die Burg heile bleibt.“

Crimson verkorkte die kleine Glasphiole mit dem gelben Trank sorgfältig und stellte sie vorsichtig in ein Regal, dann ging er zu dem über, den er zuerst mit einer Schuppe versehen hatte. Dabei passte er auf, nichts zu verschütten, doch er behandelte die Flüssigkeit diesmal nicht wie gefährliche Säure. „Wie ich sehe, vermindert das Chaos hinter deiner Stirn nicht deine Auffassungsgabe,“ neckte er Blacky. „Tatsächlich habe ich mir erlaubt, mich nicht nur auf die Verteidigung zu konzentrieren. Wir werden viele Heiltränke sparen, wenn wir etwas aggressiver vorgehen, als der Feind erwartet. Ich für meinen Teil möchte Malice persönlich die Fresse polieren. Sorc überlasse ich dir.“

„Darum möchte ich auch gebeten haben!“ Der Chaosmagier beobachtete ihn weiterhin, dabei war er ja jetzt fertig mit seinen Tränken... zumindest waren alle Zutaten drin, ein oder zwei mussten noch etwas köcheln.

„Dieser hier wird den Benutzer unverwundbar machen, allerdings nur für zwei bis drei Minuten,“ erklärte Crimson und deutete auf den entsprechenden Trank, den er dann portionsweise abfüllte. „Er ist ohne Drachenschuppen unbrauchbar. Streng genommen kein Heiltrank, aber man wird mir verzeihen, dass ich etwas vom Plan abgewichen bin. Und dort – für Krieger, steigert die Kraft, so dass die Waffen leichter erscheinen und generell alle Bewegungen schneller gehen. Dachte mir, die Amazonen würden das mögen. Ist das verwerflich?“

„Ich denke, nein. Luster wird beruhigt sein.“

„Fein... sag ihm, dass er es nicht bereuen wird, dem verrückten Wissenschaftler geholfen zu haben.“ Der Weißhaarige ließ sich bei dem großen Kessel von den Feenheilern helfen, alles umzufüllen, denn sie brauchten den Kessel für die nächste Portion.

Blacky nickte, sah ihm noch kurz zu und hielt es dann wohl für unbedenklich, denn er verließ den Krankenflügel. Crimson konnte es nicht erwarten, mit dem Abfüllen fertig zu werden, denn er wollte seinen gelben Trank in Sicherheit wissen, bevor noch jemand ihn mit etwas anderem verwechselte – wenn es herunter fiel, konnte das Epische Todesfeuer ganz leicht einen Großbrand auslösen... ob Luster wohl schonmal davon gehört hatte, dass man es gelb färben konnte?
 

***

Fortsetzung folgt.

Nervenkitzel

Diese Folge ist im Vergleich zu den anderen ziemlich lang geworden... Übrigens gibt es jetzt Fremde Welten Extra, bisher hat das ein Kapitel.^^
 

Letzte Folge: Freitag, jetzt Samstag früh
 

Fremde Welten 58: Nervenkitzel
 

„Dein Rücken ist gut verheilt. Hast du die Salbe selber gemacht?“

„Nein. Ich hab mich ganz auf die Feen verlassen... man soll es ruhig etwas langsamer angehen lassen, wenn man nicht tödlich verletzt ist.“

„Recht so. Die starken Heilsalben sind was für schwere Verletzungen... nicht dass das da nicht schlimm war, aber du wirst Narben behalten, also sollte man den Verletzungen etwas Zeit lassen.“ Darks Hand ruhte auf Crimsons Rücken. Die Haut war glatt geworden, gut abgeheilt in der kurzen Zeit. Jedoch konnte man die Narben mit den Fingern spüren, wenn man darüber strich, und natürlich sah man die Farbe. „Du müsstest den Effekt jetzt ohne weiteres nutzen können... ich möchte dich um einen Gefallen bitten, Crimson.“

„Was immer du willst.“

„Bist du jetzt nicht etwas zu voreilig?“

Crimson drehte sich lachend um, machte dann jedoch ein geradezu feierlich ernstes Gesicht. „Dark. Du hast mir die Magie zurückgegeben. Außerdem spornst du mich zu Höchstleistungen an, seit wir Kinder waren. Ohne dich als meinem Rivalen wäre vielleicht ein verwöhnter, kleiner Stümper aus mir geworden, ist dir das eigentlich klar?“

„Crimson, red keinen Unsinn...! Du willst mich nur veräppeln.“

„Ich mein's ernst, Dark! Verlang von mir, was du willst. Ich stehe für immer in deiner Schuld!“

„Sicher, dass du nicht in der Heilerküche irgendwas abgekriegt hast, was deine Wahrnehmung verzerrt? Vielleicht hat die Salbe irgendwelche Nebenwirkungen, oder du hast versehentlich was verschluckt...“

„Hm... die Dämpfe können mich etwas wirr im Kopf gemacht haben, genau, das werde ich behaupten, wenn du jemals jemandem von dieser Unterhaltung erzählst. Dann werde ich alles abstreiten, kapiert?“

Jetzt war es an Dark zu lachen, so kannte er seinen Cousin schon eher. „Ja, ist klar. Ich denke jetzt schon, dass ich mir das alles einbilde.“

„Da wir das nun geklärt haben...“ Crimson zog sich sein rotes Oberteil wieder an. „Was möchtest du? Nur keine Scheu, was immer es ist.“

„Also... ich möchte, dass du mit zu meinem Vater kommst und nachsiehst, ob ein Effekt wirksam ist, den du aufheben kannst.“

Crimson hob eine Augenbraue. „Oh, wenn das alles ist...“ Er verneigte sich mit einer theatralischen Handbewegung. „Geh vor, ich folge.“

„Jetzt erinnerst du mich wirklich sehr an diesen Zirkustypen... Arcana oder wie er hieß...“

„Argh! Sag den Namen nicht! Ich habe mit ihm nicht die geringste Ähnlichkeit!“

Dark lachte. Vermutlich hatte er damit Crimson dieses Getue ausgetrieben. „Mein Vater ist in einem der Verließe... naja es ist nicht wirklich ein Verließ, eher ein... Raum zur Meditation...“ Er ging vor, wobei Crimson sich neben und einen halben Schritt hinter ihm hielt.

Es war noch ganz früh am Morgen, und er hatte den Weißhaarigen eigentlich von seinem Bett im Krankenflügel aufscheuchen wollen, doch Crimson war ein Frühaufsteher und hatte bereits wieder an einem dubiosen Trank gearbeitet.

„Was genau stimmt nicht mit deinem Vater?“ erkundigte er sich nun.

„Er wurde wie Blacky von unseren Feinden beeinflusst, hat man dir das nicht erzählt? Er war es doch, der dich...“

„Ach das... ja, richtig.“

Das Thema war Dark etwas unangenehm. Er empfand es so, dass es praktisch seine Pflicht gewesen war, Crimson von dem Siegel zu befreien, nachdem sein eigener Vater den anderen Magier in diese unangenehme Lage gebracht hatte, wenn auch unfreiwillig. Aber auch, wenn die Situation anders gewesen wäre – es hatte in seiner Macht gestanden zu helfen, also hatte er es getan. Crimsons Art der Dankbarkeit kam etwas überraschend. Sicherlich war das nur temporär.

Sie begaben sich zusammen zu den Zimmern im Keller, wo man meditieren konnte oder eben in Verwahrung genommen wurde, wenn es nötig war. Dark ging zielstrebig auf jene Tür zu, hinter der er Kuro wusste. Der wachhabende Feensoldat ließ ihn hinein.

„Vater? Ich habe jemanden mitgebracht...“ begann Dark. Crimson trat hinter ihm ein.

Kuro, der einen Dreitagebart im Gesicht hatte und ungekämmt aussah, saß hinter einem Stapel Bücher an einem Tisch. Er bekam ganz große Augen. „Oh... Crimson, mein lieber Junge... es ist mir ja so unangenehm, was ich... also...“

Doch der Weißhaarige lächelte nur. „Halt mal still, Onkel Kuro.“ Er machte eine ähnliche Bewegung wie bei Blacky, hob eine Hand vor Kuros Gesicht und runzelte in Konzentration die Stirn. Man konnte spüren, dass etwas passierte... es war wie das Echo einer Explosion in der Luft.

„Uh...“ Der ältere Magier hielt sich beide Hände an die Schläfen. Er musste sich setzen, doch dann... „Oh! Es... geht mir besser! Erstmals seit Tagen habe ich das Gefühl, dass ein großer Druck aus meinem Kopf verschwunden ist...“

Crimson lächelte überheblich. „Ich glaube, dann können sie dich wieder laufen lassen, Onkel Kuro. Freut mich, dass ich helfen konnte, wir sehen uns nachher...“ Er verschwand aus dem Raum, was Dark etwas verwunderlich fand.

Der Schwarze Magier folgte dem Kollegen nach draußen und fand ihn gegen die Wand gelehnt und tief atmend vor. „Ähm... alles in Ordnung? Der Effekt zehrt an deinen Kräften, nicht wahr?“

„Ach... ist gar nichts,“ behauptete Crimson. „Daran... gewöhne ich mich... Uh! Es zieht auf der Haut... auf dem Rücken...“

Vielleicht war es doch noch zu früh gewesen. „Lass mich mal sehen...“ Dark sah nach, ob das Oberteil wieder blutig war, doch nichts dergleichen war festzustellen. Er zog den Stoff etwas nach oben. Nein, keine frischen Verletzungen. „Wahrscheinlich nur noch eine Nachwirkung des Rituals... ich kann gar nicht verstehen, wie du mir für diese Folter dankbar sein kannst!“ Dark ließ schnell das Kleidungsstück wieder über das Siegel gleiten, ihm wurde ja selber schlecht bei der Erinnerung daran.

„Doch, bin ich,“ bekräftigte Crimson erneut. „Ich glaube, es gehört noch mehr Mut dazu, das zu tun, als sich dem zu stellen! Denn du hättest mein Leben ruinieren können, stell dir das vor! Doch du hast dich getraut und Erfolg gehabt. Hat mein Geschrei dich sehr verunsichert?“

„Lass das! Das ist nicht witzig!“ Dark fragte sich, ob das Crimsons Art war, mit einer unangenehmen Situation umzugehen, aber andererseits war es eher Crimsons Art, das Thema gar nicht anzuschneiden, wenn es ihm unangenehm war. „Vater, ich werde Lord Zerato bescheidgeben, dass du gehen kannst, oder er soll es nochmal nachprüfen,“ rief Dark hinter sich. Eigentlich wollte er noch einmal zurück gehen, doch Crimson zog ihn an der Hand mit sich. Der Typ hatte ziemlich viel Energie am frühen Morgen.

„Dark, sag mal... du kannst fliegen, oder?“ Sie erklommen die Stufen, durchquerten ein paar Gänge und traten auf den Hof, wo die Landeplattformen für die Drachen waren.

„Crimson, was... ehm...“ Dark sondierte die Lage. Der Weg zum Rand war frei von Hindernissen und eine Mauer in dem Sinne gab es nicht, damit Drachen und Feen ungestört landen konnten.

Auch Crimson blickte dorthin, und er hatte so ein berechnendes Lächeln auf dem Gesicht. „Ich möchte gerne mal deine Flügel sehen, Dark...“ Er hob die Hand und zeigte den Ring, den Appi ihm gegeben hatte. „Was wäre das Leben ohne etwas Nerfenkitzel?“ Er grinste schalkhaft – und rannte los.

„Nicht, du Idiot!“ Dark sah kaum eine andere Möglichkeit, als ihm zu folgen. Zugleich befiel ihn eine irrationale Aufregung – wie früher, in seinen Kindertagen, als er mit seinem Cousin alles mögliche um die Wette gemacht hatte, vom Kuchenessen bis zum Drachenzähmen. Eigentlich hatte er gedacht, er wäre aus dem Alter raus.

Crimson erreichte den Rand und sprang ohne zu zögern in die Tiefe. Dark hielt sich dicht hinter ihm und bekam am Rande mit, wie einige Zeugen dieses Manövers erschrocken aufschrien. Er fiel, sorgte dafür, dass er dem anderen nicht zu nahe kam, um den Flügelschlag nicht zu behindern. Die Höhe ließ ihnen einige Sekunden des Nervenkitzels. Beide Magier stürzten mit ausgebreiteten Armen hinab und schrien vergnügt auf. Dark war überrascht, als der Ton seine Kehle verließ. Ein wenig sorgte er sich... wusste Crimson, wie lange er brauchte, bis seine Schwingen einsatzbereit waren? Er selbst wusste das sehr gut, aber der Weißhaarige hatte den Ring erst seit wenigen Tagen...

Oh... Crimson vollzog die Verwandlung mit Hilfe des Ringes früher als erwartet, aber das war gut, denn es dauerte einige Sekunden, bevor er die Flügel ausgebreitet und unter Kontrolle hatte. Er wirbelte um die eigene Achse, fing sich aber. Dark fiel tiefer, so dass er ihn bald nicht mehr sehen konnte, und sah den Boden auf sich zukommen. Jetzt musste er sich aber beeilen... seine Feenschwingen brauchten nur Momente und er schraubte sich wieder hoch.

„Wow! Abgefahren!“ schrie Crimson, um den Flugwind zu übertönen. „Ich wollte dich so sehen, seit ich davon weiß!“ Er selbst flog noch etwas wackelig.

„Und dafür stürzt du dich in den Abgrund?“ Dark konnte es nicht fassen.

„Immerhin hatte ich einen Grund, im Prinzip brauch ich keinen!“ erwiderte Crimson.

Dark musste zugeben, dass ihm das Fliegen Spaß machte unter diesen Bedingungen. Sie schwirrten dicht über den Wald, wichen größeren Bäumen knapp aus. Crimson war noch nicht so schnell wie er, was ihm wohl auch klar war, aber er hielt sich gut.

Auf einmal fiel ein großer Schatten bedrohlich auf sie. [Hey, ihr zwei, habt ihr nichts Besseres zu tun als eure Freunde zu schocken?] Ein Riesenvieh von einem Drachen flog über ihnen.

[Luster?] Dark sendete seine Antwort telepathisch, weil er nicht sicher war, ob sie akustisch ankam. Er konnte dem Drachen nicht zu nahe kommen. [Wolltest du uns retten? Sorry...]

[Ach, kein Thema... ich werde dafür bezahlt.] Er drehte sich im Flug etwas auf die Seite, so dass die beiden Magier sahen, dass er einen Reiter hatte.

[Dark, du Idiot, ich dachte, du bist hinter einem suizidgefährdeten Crimson her!]

[Oh... Blacky! Was meint er damit, dass er bezahlt wird?]

[Das ist alles deine Schuld! Luster hat meine Gedanken aufgefangen... weil es zu lange gedauert hätte, das alles zu sagen, versprach ich ihm telepathisch, dafür dass er euch nachfliegt...] Blacky lief so rot an, dass man es auf die Entfernung noch gut sah.

[Ein Küsschen?] Dark lachte sich fast kaputt.

[Wartet auf mich!] Crimson, der von ihnen die wenigste Flugerfahrung hatte, war etwas zurückgefallen.

[Woah... was zum...!!!] Luster sah es als Erster, und gleich danach auch die anderen. Sie waren zu schnell, um zu bremsen, also blieb nur weiter fliegen... und das irgendwie viel zu niedrig.

Wären sie höher geflogen, hätten sie das Heerlager vielleicht eher gesehen. Alarm wurde ausgelöst, als sie es überflogen. Dark ging schnell höher, Crimson und Luster ebenfalls. Sie drehten eiligst ab. Aus den feindlichen Reihen erhob sich der Fünfgötterdrache und setzte ihnen nach!

[Ich bin für einen strategischen Rückzug!] teilte Luster ihnen sachlich mit.

[Das sagst ausgerechnet du?] Blacky war anscheinend überrascht, aber Einwände hatte er nicht. [Wo sollen wir hinfliegen, damit wir ihn nicht zur Burg locken? Mist! Kein Lichtelementar weit und breit!]

[Crimson, was tust du?!] Der weißhaarige Magier hatte sich dem Drachen gestellt und sprach ihn an. Wie dumm konnte man sein? [Komm da weg, Crimson!] Dark sah, wie Crimson etwas zu dem Drachen sagte, vielleicht auch telepathisch, doch der Feuerkopf und der Erdkopf schnappten nach ihm und verfehlten ihn um Haaresbreite, dafür erwischte der Wasserkopf einen Flügel. Crimson zappelte wie ein Vogel im Griff einer Raubkatze.

Der Drache, der Luster war, machte kehrt und stürzte sich auf das fünfköpfige Wesen. [Aus! Loslassen!]

Das zumindest erreichte er, da sich alle Köpfe ihm zuwandten und das Interesse an der vermeintlichen Fee sofort verging. Crimson wurde fallen gelassen. Dark konnte ihn abfangen, aber sie stürzten einige Meter zusammen und kamen unsanft auf. Schnell zerrte Dark den anderen aus der Reichweite der Drachenfüße weg.

„Bist du total bescheuert? Was denkst du dir? Mit dem Drachen Freundschaft schließen oder was?“ Das war vielleicht nicht unmöglich, aber es brauchte wohl einen passenderen Ansatz.

Crimson schien gar nicht zu merken, dass sein linker Flügel eine blutige Bisswunde erlitten hatte. Da konnte er noch von Glück reden, wenn man bedachte, dass ein Drachenmaul ihn gepackt hatte! „Ich... Runa... sie ist mit ihm fusioniert... wenn er sie nicht gefressen hat...“

„Selbst wenn es so wäre! Deswegen hört er dir auch nicht besser zu!“ Dark verpasste Crimson mehrere leichte Ohrfeigen, damit er wieder zur Besinnung kam.

„Aua! Auuu!“ Das hatte ihn zur Besinnung gebracht und ihn zugleich darauf aufmerksam gemacht, dass sein Flügel schmerzte. „Oh, mir wird schlecht... jetzt könnte ich einen dieser Heiltränke gebrauchen...“

„Kannst du dich in irgendwas anderes verwandeln?“ drängte Dark ihn.

„Mach mich zu einem Magier,“ sagte Crimson zu seinem Ring, doch diesmal klappte es nicht. „Äh... geht wohl nicht mit Verletzung... Naja hat ne Logik, sonst wäre ich vielleicht beim nächsten Mal noch in dem Zustand, wenn ich ne Fee sein will...“

„Vorsicht!“ Dark warf sich und Crimson zur Seite, denn fast wären sie von Luster begraben worden.

Der Fünfgötterdrache kam schon wieder auf den anderen Drachen zu. Blacky saß auf dem Erdenkopf und versuchte, irgendetwas zu erreichen. Während Dark sich noch Sorgen machte, ob da nicht ein anderer Kopf Ärger machen würde, verschwand der ganze riesige Drache auf einmal – und Blacky fiel mehrere Meter tief hinunter, federte sich bei der Landung aber gekonnt ab.

„Wo ist er hin?“ Crimson klang ganz entsetzt.

[Aus dem Spiel entfernt,] verkündete Luster stolz, doch dies würde sicherlich nicht lange anhalten. [Wir sollten zur Burg zurückfliegen, ehe noch jemand anderer auf uns losgeht.]

Diesmal musste Luster außer Blacky noch Crimson tragen, aber Dark flog selber. Als sie sich in die Luft erhoben, fragten sie sich, warum eigentlich keine weiteren Feinde hinter ihnen her kamen, doch von hoch oben konnten sie das Lager gar nicht mehr sehen.

[Sie müssen einen Zauber haben, der sie vor uns verbirgt, außer wenn wir dicht drüber fliegen,] vermutete Dark.

[Das würde erklären, warum wir nicht angegriffen werden, vielleicht hat uns niemand bemerkt oder sie wollen keine Aufmerksamkeit erregen... hoffen vielleicht, dass wir denken, wir hätten uns getäuscht,] überlegte Blacky.

Crimson hatte sich an dem anderen Magier festgeklammert und wirkte verstört, was man auch über die gedankliche Verbindung merkte. Es sah ihm gar nicht ähnlich, aber anscheinend dachte er an diese Frau Namens Runa. Ihr Verlust musste ihn schwer getroffen haben.

Luster flog schnell zur Burg zurück, gefolgt von Dark. Als sie eintrafen, wich eine kleinere Menge an Feen und Amazonen vor dem landenden Drachen zurück, dann waren sie auf einmal von lauter Personen umgeben, die schimpften, weil sie sich durch die Aktion der Magier sehr erschrocken hatten.

Paladia und Amazia zerrten Crimson praktisch von Lusters Rücken, und auch Shiro war da. „Junge, wir dachten schon, du wolltest eine Dummheit begehen!“ schimpfte die ältere Amazone.

Dark kam nicht dazu, sich den Rest anzuhören, denn Weaver überhäufte ihn mit ähnlichen Vorwürfen. Er ließ seine Flügel verschwinden und strich sich arrogant die Haare nach hinten. „Bist du nicht stolz auf meine Flugkünste, Mutter? Hab etwas mehr Vertrauen,“ entgegnete er. „Entschuldige mich, Crimson braucht ein Heilmittel.“

„Ich bring mich doch nicht um nach alledem!“ teilte der Weißhaarige gerade seinen Lieben mit, als Dark ihn am Arm schnappte und wiedermal zum Krankenflügel schleifte.

Hinter ihnen gab es Radau und Gekreische, denn erstens verwandelte sich Luster zurück und war dann nackt, bis ihm jemand freundlicherweise irgendetwas zur Verfügung stellte, womit er sich bedecken konnte, und zweitens musste Blacky sein Versprechen einlösen, das er ihm so voreilig mit einem zu schnellen Gedanken gegeben hatte. Dark vermutete, dass es ein paar Fälle von spontaner Ohnmacht gab. Er überließ es den beiden, von dem Lager zu berichten, das sie entdeckt hatten.
 

***
 

„Herr! Der Chaos Imperator Drache und zwei Feen wurden gesichtet! Sie flogen so tief über uns, dass sie uns wahrscheinlich entdeckt haben!“

Sorc und Malice blickten von ihrem Kartenspiel auf. Es war ein simpler Zeitvertreib. Das Zelt war komfortabel eingerichtet, aber das Warten war dennoch zermürbend. Dabei waren sie erst seit gestern Abend hier.

„Hat der Drache die Feen gejagt oder was? Vielleicht hatte er nur Hunger!“ erkundigte sich Malice grinsend.

Der Lakai, der ihnen gerade auf Knien Meldung machte, schüttelte den Kopf. „Nein, er flog mit ihnen. Sie drehten ab, wahrscheinlich, als sie uns bemerkten. Dann griff der Fünfgötterdrache den anderen Drachen an. Sollen wir die Verfolgung aufnehmen?“

„Ja, ihr müsst sie---“ begann Malice, doch Sorc winkte ab. „Ach was, sollen sie doch denken, sie hätten sich geirrt. Sie haben uns nur gesehen, wenn sie sehr tief geflogen sind. Beim nächsten Mal werden sie höher fliegen, uns nicht sehen und denken, sie hätten sich vertan. Vielleicht erledigt sie unser Drache auch. Dann wird es heißen, dass sie Pech hatten. Es ist besser, wenn wir uns bedeckt halten.“

„Jawohl.“

Malice wurde gar nicht weiter beachtet, nachdem Sorc seine Anweisungen gegeben hatte. Das ärgerte ihn sehr, aber letztendlich hatte der andere Magier vielleicht auch Recht... vielleicht. Malice dachte nicht weiter darüber nach, nur hätte er gerne Gefangene gemacht. Gefangene bedeuteten immer Spaß, und davon war ihm ja schon beim letzten Mal einiges entgangen.

„Gibt es eine Meldung von Ruins Gruppe?“ hakte Sorc nach, doch der Lakai verneinte das.

Sorcs Tochter hatte eine weitere Armee, mit der sie aus einer anderen Richtung angreifen sollte. Nicht von der gegenüberliegenden Seite, dafür war das Gelände zu ungünstig, aber es würde doch für einigen Tumult sorgen. Die Situation musste für die Gegner so ungünstig wie möglich gestaltet werden, damit klein Yugi in Bedrängnis geriet und das Tor sich öffnete, wenn der Pharao die Notlage bemerkte. Dass der Pharao das bemerkte, war freilich letztendlich nur eine Theorie, doch es sprach viel dafür. Immer, wenn Yugi verletzt wurde, konnte Malice spüren, dass die Sperre zwischen den Welten dünner wurde. Die beiden hatten eine Verbindung, die offensichtlich die Weltengrenzen überwand. Malice hatte da auch noch eine, wenn auch nur sehr schwach. Aber daher rührte vielleicht seine Fähigkeit, diese Dinge zu erspüren.

Diese Warterei im Zelt gefiel ihm gar nicht. Er hatte zwar Geduld, das hieß aber nicht, dass er es mochte. Am wenigsten gefiel ihm, dass nicht er, sondern Sorc alles im Griff hatte – naja, soweit man das von einem Chaosmagier sagen konnte. Eigentlich hatte Ruin alles im Griff, was noch ärgerlicher war. Er musste sich damit zufrieden geben, dass er hier als Nebenherrscher geduldet wurde. Aber ohne ihn war der Plan nicht ausführbar, also war er vor irgendwelchen Intrigen sicher... auch wenn Intrigen gegen ihn das Leben interessanter gestaltet hätten.

Sorc entließ seinen Untergebenen. „Wenn wir von Ruin hören, dass sie bereit ist, und der Fünfgötterdrache wieder zurück ist, sollten wir bald losschlagen. Es ist nicht gut, wenn die anderen zuviel Zeit zur Vorbereitung haben.“

„Ganz deiner Meinung!“ freute Malice sich. Wenn man bedachte, dass er sich eigentlich nur aus Eigennutz mit Sorc zusammengetan hatte, war seine Position fast schon unbefriedigend. Aber das würde sich schon wieder ändern. Bald war seine Stunde gekommen!
 

***
 

Yugi und Appi bekamen den Tumult nur am Rande mit. Sie beschäftigten sich gerade zusammen mit Eria in der Schneiderei, wo einige Feen sich freudig ihrer Wünsche annahmen. Vor allem die Jungs waren Teil der Kundschaft. Bei allem Ernst der Lage machten sie sich noch Sorgen, ob sie denn auch die passende Kleidung für einen Kampf hatten. Das war allerdings die Idee von Lord Genesis gewesen. Der Vampir war während der Nacht eingetroffen und hatte sich ihnen zum Frühstück gezeigt. Allerdings nicht, um nach seinem eigenen Frühstück zu suchen, sondern um generell die Lage zu besprechen. Er war sehr modebewusst.

„Ist wahrscheinlich nur wieder Luster, der mit irgendwas angibt,“ winkte Appi ab, als sie sich über den Lärm wunderten. „Findest du, dass ich mir einen roten Umhang zulegen sollte?“

Yugi war gleich wieder von dem Geschehen draußen abgelenkt. „Nein, also... wirklich nicht. Das überlass mal Crimson und du bleibst bei Lila. Wozu denn ein Umhang?“

„Ach komm schon! Wenn ich der Apokalyptische Magier sein will...“ Appi errötete leicht.

„Wer entscheidet denn, ob du diesen Namen annehmen kannst?“ Das ging doch sicher nicht einfach so, Appi war schließlich noch Schüler!

„Für gewöhnlich nimmt man einen anderen Namen an, wenn man es für nötig hält oder dazu bereit ist,“ erläuterte Eria sachlich. Sie selbst ließ nur ihre vorhandenen Sachen erneuern oder flicken.

Yugi bekam gerade eine neue schwarze Lederkluft angepasst. Die Sachen ähnelten denen von Blacky und sahen doch süß an ihm aus. Dabei war das nicht wirklich der Sinn der Sache. „Dann willst du jetzt also diesen neuen Namen annehmen,“ stellte er fest.

Appi nickte eifrig. „Ich hab in letzter Zeit Fortschritte gemacht... das weißt du selbst. Dark hat meine Ausbildung zwar noch nicht für beendet erklärt, aber bei uns kann man theoretisch ewig Schüler sein, wenn man meint, dass einem jemand noch was beibringen kann. Ebenso kann man für sich selbst entscheiden, dass man nicht mehr lernen will.“

„Ja, genau, das bringt dir aber nicht unbedingt Achtung ein,“ grinste Eria.

„Ich hab ja auch nicht gesagt, dass ich aufhören will!“ verteidigte Appi sich. „Bei jemandem wie Dark Schüler zu sein ist doch der Hit! Danach lecken sich alle die Finger, da wäre ich ja blöd, das wegzuwerfen!“

„Ich glaub, da hab ich den Einzigen, der dagegen noch ankommt,“ kicherte Eria. „Hab ich euch von dem Alchemieunterricht erzählt, den Crimson an der Akademie abgehalten hat? Die Rektorin wollte ihn testen, glaub ich...“

„Wirklich? Erzähl mal...“ bat Yugi eifrig. Oh, er liebte Geschichten dieser Art, schließlich war hier alles anders als bei ihm zu Hause.

Während Eria das in allen Einzelheiten schilderte, ließ Appi maßnehmen für einen Umhang und probierte verschiedene Größen aus, ehe einer für ihn zurechtgeschneidert werden konnte. Yugi machte wohl einen niedlichen Eindruck, denn die Schneiderfeen wuselten kichernd um ihn herum und überlegten, was man seinem Lederoutfit für Accessoires andichten konnte.

„Ich möchte das hier etwas enger machen lassen... ja, danke.“

Die neue Stimme kam Yugi bekannt vor. Er wandte sich aufgeregt um und behielt Recht. „Mava!“

„Was?“ Appi zog sich einige Beschwerden der Feen zu, als er den Umhang, der gerade mit Stecknadeln abgesteckt wurde, einfach den Händen der fleißigen Helfer entriss. „Mava! Bruder!“

Mava wurde von Appi angesprungen, noch bevor Yugi das gleiche tun konnte, doch das hinderte den kleineren nicht daran. Der Neuankömmling konnte sich kaum vor den beiden retten. Sie schnappten sich seine Hände und begutachteten sie. Es waren noch Narben erkennbar, aber dafür, dass mal gar nicht sicher gewesen war, ob er die Hände würde weiter gebrauchen können, war das ein zu vernachlässigender Makel. Artefakte trug er anscheinend keine.

„Hey, ich hab schon nach euch Ausschau gehalten,“ freute Mava sich. Er trug ein elfisches Standardgewand, aber anscheinend hatte er auch das von seiner Karte dabei, denn er hatte den Schneidern etwas Schwarzblaues übergeben.

„Bist du bei Lucranda fertig?“ fragte Appi.

„Zumindest kann ich euch im Kampf beistehen, sie meinte, es sei Zeit,“ antwortete Mava kryptisch. „Gerade traf ich draußen auf Black Luster und Blacky. Sie haben berichtet, dass nicht weit von hier ein verstecktes Heer lagert. Sie haben es zufällig entdeckt. Wir müssen also auf baldige Schwierigkeiten gefasst sein.“

„Oh... nun, das musste irgendwann so kommen,“ murmelte Appi. „Ich hoffe nur, wir sind rechtzeitig vorbereitet...“

„Meinst du das jetzt generell oder hast du Angst, dass du bis dahin deine neue Kleidung nicht fertig hast? Was hast du da überhaupt an?“ lenkte Mava nun völlig vom Thema ab. „Hm... etwas pompös, oder? Dieser transparente Schurz ist ja schnuffig...“

Der jüngere Bruder lief rötlich an. „Also... ich wollte mir ein neues Kampfoutfit anschaffen, für den Apokalyptischen Magier...“

„Eigentlich könnte auch Crimson seine Kleidung mal überdenken, schließlich hat er jetzt einen Effekt,“ dachte Eria laut nach.

Mava, der das ja nicht mitbekommen hatte, hob überrascht die Augenbrauen. „Was? Wie ist das denn passiert?“

Sie erzählten es ihm, wobei Appi sich wieder den Schneidern stellte, damit sie seine Sachen fertig abstecken konnten. Eria begann, sich rote Stoffe anzusehen. Zugleich fügte sie ab und zu einen kleinen Kommentar ein. Es wurde ein Gemisch aus ihrer Geschichte, wie es im Kerker gewesen war, und Appis und Yugis Erzählung von der Suche nach den Gefangenen. Appi hatte es eilig, seine Rolle bei Genesis' Bankett nur kurz zu erwähnen und dann schnell zum nächsten Punkt über zu gehen. Wieder errötete er.

„Genesis... der ist auch hier, wusstet ihr das? Muss wohl über Nacht oder so angekommen sein. Er befindet sich bei seinen Leuten, die unten am Hang lagern.“

„Ja, das hat Appi schon erfahren,“ grinste Yugi mit einem Blick zu seinem Kumpel. „Freust du dich nicht ganz besonders darüber?“

„Ich sollte ihn vielleicht mal näher mit *dir* bekannt machen,“ entgegnete Appi mit bedrohlich ernst wirkender Mine.

Yugi hatte gute Lust, das Thema noch weiter zu vertiefen, denn er wusste ja noch immer nicht genau, was mit Appi passiert war. Doch bevor er dazu kam, betraten Dark und Crimson die Näherei. Irgendwie war es seltsam, die beiden so einträchtig beisammen zu sehen.

Appi nutzte die Gunst des Augenblicks, um der Unterhaltung mit Yugi zu entkommen. „Meister! Stimmt es, dass uns ein Kampf bevorsteht?“

„Halt endlich still!“ schimpfte die Fee, die sich um Appis Umhang kümmerte, den er zum Abmessen noch immer trug.

Eria baute sich neben Appi auf und schaute Crimson mit einem ähnlichen Gesichtsausdruck an wie der Blonde Dark. Doch während Dark mal wieder ein bisschen verlegen wirkte, als er Meister genannt wurde, nahm sein Cousin den anschmachtenden Blick seiner Schülerin gelassen hin. „Wir haben bald Gelegenheit zu unserer Rache,“ sagte er ihr ruhig und legte fast feierlich eine Hand auf ihre Schulter. „Komm... ich werde dich noch etwas vorbereiten.“ Mit einem höflichen Nicken in die Runde führte er Eria mit sich aus den Räumlichkeiten.

Dark schaute den beiden nach, ehe er sich wieder Yugi und Appi zuwandte. „Crimson stand dem Fünfgötterdrachen gegenüber, es ist keine Stunde her. Er nimmt es ziemlich schwer, dass seine frühere Mitgefangene, Runa, dem Drachen geopfert wurde... sie soll angeblich mit ihm fusioniert sein. Weißt du etwas von dieser Möglichkeit, Yugi?“

Yugi war überrascht, in dieser Sache um Rat gefragt zu werden, schüttelte jedoch sofort den Kopf. „Nein. Es gibt keine mir bekannten Fusionen mit dem Fünfgötterdrachen. Aber das heißt ja nicht, dass es nicht geht.“

„Wahrscheinlicher ist, dass der Drache das Mädchen gefressen hat, aber Crimson will das nicht hören. Nun... ich denke, er weiß es. Kann es wirklich sein, dass der Drache dadurch auch gegen Lichtangriffe immun wird?“

„Kann ich mir nicht vorstellen. Davon steht nichts auf der Karte. Naja... wie gesagt, das muss nichts heißen...“

Dark nickte nachdenklich. Doch dann entdeckte er Mava, der sich etwas im Hintergrund gehalten hatte. „Hey! Wie schön, dass du wieder da bist, Mava! Hast du Neo schon getroffen? Er wird sicher böse, wenn du dich nicht bei ihm meldest.“

Mava lachte gutmütig. „Ich bin ihm vorhin über den Weg gelaufen. Er hängt sehr an mir, wie mir scheint... naja, wir haben uns ja auch den Mutterleib geteilt, nicht wahr? Unsere Eltern sind übrigens auch wieder beide hier, Appi.“

Der jüngere atmete sichtbar auf. „Dann geht es Vater also auch wieder gut. Blöd, dass er nur gesund geworden ist, um gleich wieder zu kämpfen.“

Das war es in der Tat. Yugi schaute besorgt auf seine Füße. Wenn nun wirklich mal jemand starb? Das konnte doch passieren, oder?

„Appi, wir sollten auch gehen. Crimson ist nicht der Einzige, der fiese Tricks auf Lager hat,“ deutete Dark an. „Yugi, melde dich bei Blacky. Er ist wahrscheinlich in unserem Zimmer.“

Yugi nickte und versuchte, sich darüber zu amüsieren, dass die beiden dunklen Magier nun schon darum wetteiferten, wer seinem Schützling den besten Zauber für den Kampfeinsatz beibrachte. Wenn die Situation nur nicht so ernst gewesen wäre! „Mach's gut, Mava!“ sagte er über seine Schulter und machte sich auf die Suche nach Blacky, während Appi seinen zukünftigen Umhang den Näherinnen überließ und seinem Meister folgte.
 

Yugi fand Blacky tatsächlich im gemeinsamen Schlafzimmer, wo der Mager die zum Waschtisch gehörige Kanne fast leer gemacht hatte, weil er sich eifrig den Mund ausspülte, als hätte er einen sehr ekligen Geschmack darin. Er war damit so beschäftigt, dass er Yugi erst nach einigen Minuten bemerkte, in denen der Junge ihn verwundert angestarrt hatte.

„Was ist denn mit dir los? Hast du was Schlechtes gegessen?“

Blacky schnaufte. „Ich wünschte, es wäre so!“ Er gurgelte noch eine weitere Runde. „Ich hab Luster geküsst! Argh! Dieser arrogante Schnösel! Er hat mir seine Zunge bis in den Rachen gesteckt!“ Er verbrachte nun die nächsten Minuten damit, Yugi von seinen morgendlichen Erlebnissen zu berichten: „Ich sah, wie Crimson sich von der Landeplattform stürzte und Dark ihm folgte, und konnte nur denken, was ich alles tun würde für jemanden, der mir hilft. Da war Luster zur Stelle und trug mich den beiden hinterher... und ich hatte ihm innerhalb eines Sekundenbruchteils einen Kuss als Dank versprochen. Dabei waren Crimson und Dark gar nicht in Gefahr – die haben sich einen Wettkampf geliefert! Mann, das gibt noch Strafe! Was denken die sich? Und dann werden wir fast vom Fünfgötterdrachen plattgemacht!“

Yugi wartete geduldig, bis Blacky sich fertig aufgeregt hatte. „Die sind beide dabei, ihren Schülern was beizubringen. Was soll ich denn solange machen?“ fragte er dann scheinheilig in der Hoffnung, dass Blacky ihn ebenfalls zu einer speziellen Trainingsstunde mitnahm. Zwar war es für ihn nicht so wichtig, in allem der Beste zu sein, aber hinter Appi hinterher hinken wollte er auch nicht. Oh... seit wann hatte er solchen Ehrgeiz als Zauberschüler?

Der Chaosmagier schaute ihn nachdenklich an. „Also, ich... ich bin kein guter Lehrer, Yugi. Ich weiß ja nichtmal, womit ich anfangen soll... schließlich habe ich selbst nie nach einem Lehrplan gelernt...“

„Aber Dark hat mich nicht mitgenommen, er muss also glauben, dass du mir was beibringen kannst, oder? Denkt er etwa, es würde sich bei mir nicht lohnen?“

„Vielleicht geht er davon aus, dass du eh als Slifer kämpfen wirst.“

„Ja... könnte sein...“ Yugi ließ den Kopf hängen.

„Komm, wir gehen einfach mal durch, was du schon gelernt hast. Uns fällt schon was ein,“ munterte Blacky ihn auf. „Ich glaube aber, dass du wirklich als Slifer im Einsatz sein wirst, zumindest, sobald es richtig gefährlich wird. Wir sollten vielleicht lieber Kampftaktiken von Drachen lernen... Uaaah, dann müsste ich ja womöglich mit Luster zusammen arbeiten, widerlich... na komm erstmal mit...“

Yugi nickte und folgte dem Blauhäutigen hinaus. „Ich hab noch nichtmal begriffen, wie ihr euch eigentlich an den Drachen festhaltet!“ klagte er. „Kannst du mir das nichtmal erklären?“

Blacky lachte. „Ich wüsste nicht, wie! Wir tun es einfach! Aber wir können das ja mal üben...“

„Vielleicht hab ich einfach zu kurze Beine, als dass ich mich an einem Drachen festklammern könnte...“ vermutete Yugi.

Sie begaben sich auf die Landeplattform, wo Blacky Schattensturm herbei rief. Yugi, der ja schonmal auf diesem Drachen geritten war, näherte sich ihm furchtlos und tätschelte den großen, bedrohlichen Kopf. Er musste dabei an Joey denken und erkannte mit Schrecken, dass er sich hier schon sehr zuhause fühlte... mehr, als vielleicht gut war. Nun ja... in vielen Geschichten blieb einer der Helden in der fremden Welt, in die er geraten war, oder? Aber das ging nicht für ihn... hielt ihn nicht die Liebe davon ab?

„Ich wünschte, Seto und Yami wären hier,“ murmelte er. „Das Reich der Schatten ist voll cool, ich würde es ihnen zu gerne zeigen. Und unseren anderen Freunden natürlich auch...“

„Was hält dich davon ab? Sobald wir mit Sorc fertig sind, meine ich.“ Blacky zuckte mit den Schultern. „Du bist ja auch hergekommen, also werden sie das genauso können.“

Das hatte eine Logik, wie Yugi zugeben musste. Allerdings war er nichtmal besonders überzeugt davon, dass er wieder nach Hause konnte – schließlich war er ja durch einen Unfall hier.

Blacky hob ihn auf Schattensturms Rücken.

„Uaaah!“

„So, nun mach mal!“

Er musste wohl dem Drachen irgendein Signal gegeben haben, denn dieser hob sogleich ab, ohne Yugi die Chance zum Absteigen zu geben. Der Junge bekam ein mehr als mulmiges Gefühl im Bauch, aber nur zu Anfang. Es war schließlich nicht sein erster Flug auf Schattensturm. Als er nach unten blickte, sah er Luster, der auf Blacky zu schlenderte. Der Magier hatte ihn noch nicht bemerkt, weil er dem Drachen mit den Augen folgte. Na, das konnte ja was werden. Yugi kicherte und wünschte sich, er wäre unten, um das Schauspiel aus der Nähe zu beobachten, aber andererseits gefiel es ihm jetzt auch gerade in der Luft viel zu gut... Er lehnte sich etwas nach rechts, und sofort folgte Schattensturm und schwenkte in diese Richtung. Vielleicht war Drachenreiten doch ganz einfach...
 

***

Fortsetzung folgt

Die Schlacht beginnt

Endlich hab ich mal wieder was zusammengestückelt... diesmal wirklich, denn ich hatte den letzten Absatz vor dem mittleren fertig, und auch ein Stück der nächsten Folge. Eigentlich könnte ich hieraus zwei Kapitel machen, aber warum sollte ich euch nichtmal ein längeres gönnen? Ich hoffe, es gibt keine logischen Fehler, wenn doch, sagt mir das bitte per ENS, damit ich es korrigieren kann.

Enjoy!
 

Welt des Blauen Lichts: Samstag Vormittag/Abend
 

Fremde Welten 59: Die Schlacht beginnt
 

Blacky sah Yugi nach, der auf Schattensturm gen Himmel aufstieg. Er wusste zwar, dass es ein gewisses Risiko barg, wenn er den Jungen so ganz alleine mit dem Drachen ließ, aber andererseits wurde es im Reich der Schatten üblicherweise so gemacht, dass man einen Schüler einfach machen ließ, damit er lernte. Vorsicht brachte in vielen Fällen nichts. Jedenfalls bei solchen Sachen wie Kämpfen und Drachenreiten. Bei Magie war es vielleicht etwas anderes – aber Blacky war kein guter Lehrer und wusste daher nicht recht, wie er es machen sollte – außer so, wie man ihn selbst gelehrt hatte.

Er war sehr auf Yugi und Schattensturm konzentriert und achtete daher nur bedingt auf seine nähere Umgebung. Daher bemerkte er Luster auch erst, als dieser hinter ihm auftauchte.

„Hey, bringst du Yugi das Fliegen bei? Hättest doch mich fragen können!“

Blacky fuhr reflexartig herum und zielte mit einer geballten Faust auf Lusters Kinn. „Hey, schleich dich nicht an mich ran!“

Luster fing die Faust ungerührt ab. „Aber, aber...“ Er grinste anzüglich und hielt Blackys Faust fest. „Welch heftige Reaktion, du hast doch nicht etwa Angst, hm?“

Blacky ärgerte sich, er hätte es besser wissen müssen. „Argh! Loslassen!“ Er zappelte wie ein Fisch an der Angel. Doch Lusters Griff war stahlhart und unnachgiebig.

„Möchtest du noch ein Küsschen?“ spöttelte der Krieger.

Blacky konnte sich nicht erklären, warum er eine solche Abneigung gegen den Kerl hatte, aber jedes Wort brachte ihn in Rage. „Lass mich verdammt nochmal los!!!“ Doch Luster hielt ihn so weit von sich, dass er ihn nichtmal treten oder schlagen konnte. Oder jedenfalls nicht mit besonders viel Erfolg. Und Magie einzusetzen war bei dem Kerl ja auch so eine Sache... was war der eigentlich, ein Halbdrache?! Jedenfalls wollte Blacky nicht soweit gehen, dass er die wirklich großen und gefährlichen Angriffe gegen ihn einsetzte. Doch er hasste es, sich in seiner Gewalt zu befinden!

Luster neckte ihn weiter... er zog ihn mit einem Ruck näher und schlang den freien Arm um ihn. „Jetzt zier dich doch nicht so...“ Er änderte seinen Griff an Blackys rechter Faust, so dass er das Handgelenk zu fassen bekam, und küsste galant den Handrücken.

Das war zuviel. „Lass mich in RUHE!“ Blacky sah keinen anderen Ausweg mehr und... verschwand einfach.
 

Yugi, der Blackys Gezappel in Lusters Armen von oben beobachtet hatte, sah etwas verwundert, wie Luster nun allein dastand. Er landete Schattensturm in der Nähe des Kriegers. „Wo ist Blacky denn hin?“

„Hat sich aus dem Spiel entfernt, wenn du es so ausdrücken möchtest.“ Luster lachte vergnügt. „Er kann das nämlich... sich selbst entfernen. Ich kann das nur mit anderen machen.“

Yugi nahm an, dass das nur unter gewissen Bedingungen klappte, vielleicht in Notfällen – er erinnerte sich an das letzte Mal, als sie alle fast in eine Säurefallgrube gefallen wären. Aber bei anderen Gelegenheiten, bei denen diese Fähigkeit sinnvoll gewesen wäre, hatte Blacky es nicht getan. Hmm, er musste unbedingt mal fragen, wenn Blacky wieder auftauchte. Appropos... „Wann und wo taucht er denn wieder auf?“ wollte er wissen, doch da zuckte Luster nur mit den Schultern

„Das weiß man nie so genau, es hängt von verschiedenen Faktoren ab, und keiner weiß wirklich, von welchen...“

Yugi sprang von Schattensturms Rücken. „Sag mal, Luster, du weißt aber schon, dass Blacky vergeben ist? Ich meine...“

Der Krieger sah ihn einen Moment verwundert an, dann lachte er laut auf. „Hahaha, aber Yugi! Denkst du, dass ich mit ihm was anfangen will? Ach was... ich find's nur lustig, wie er sich immer gleich aufregt...“ Er grinste, so dass seine Zähne blitzten.

„Ich war mal mit ihm und ein paar anderen zusammen an diesem Ort, wohin man kommt, wenn man aus dem Spiel entfernt wird...“ erinnerte Yugi sich. „War ziemlich seltsam, wie wenn man im Weltall schwebt...“

„Oh, war es ein leerer Raum, ja? Ich frage mich, ob es da auch Welten gibt. Manche Legenden besagen, dass es eine Dunkle Dimension gibt – und dass aus dem Spiel entfernt zu werden eigentlich heißt, dass man dorthin geschickt wird. Aber es kann nicht ganz dasselbe sein, denn sonst käme man nicht so einfach wieder zurück, oder?“

„Kommt denn jeder wieder zurück?“

„Wenn nicht, hätten wir jetzt kein Problem mehr mit dem Fünfgötterdrachen.“

„Auch wieder wahr...“ Yugi hatte das Gefühl, dass ihm an dieser Stelle irgendetwas einfallen müsste, aber natürlich geschah das nicht...
 

Blacky atmete auf, denn er war diesem blöden Mistkerl entkommen. Eigentlich wusste er selber nicht, warum er sich über den so aufregte. Es nervte ihn einfach, dass Luster ihn nicht zufrieden ließ, obwohl er wusste, dass Blacky mit Dark zusammen war.

Hier in der Dimension, wo man landete, wenn man aus dem Spiel entfernt war, sah es aus wie im Weltraum – Blacky kannte diesen Begriff von Bildern aus der Maschinenstadt – und man schwebte buchstäblich im Nichts, wobei rund herum manchmal Kleinteile vorbei drifteten, und man konnte überall kleine Lichtpunkte sehen. Aber ansonsten gab es eigentlich gar nichts, was--- Blacky stieß mit dem Rücken gegen etwas Großes und drehte sich missmutig um.

„Eieieieieiiii!!!“ Der Magier stieß sich schnell davon ab, doch es war schwer, sich kontrolliert zu bewegen. Wie dumm von ihm, daran hätte er denken müssen. Der Fünfgötterdrache war auch immer noch hier!

Aber ihm wandte sich nur etwas gelangweilt der Finsterniskopf zu. Er schnüffelte in seine Richtung und beschloss, ihn zu ignorieren. Hier in dieser Umgebung hatten sie ja auch keinen Grund zu kämpfen, wenn man es genau nahm – falls das überhaupt ginge. Dennoch verbrachte Blacky mehrere gespannte Minuten damit, schweigend zu schweben und den Drachen im Auge zu behalten. Dieser verschwand nach einer kurzen Zeit, die ihm viel länger vorkam, zurück ins Schattenreich, und Blacky seufzte erleichtert, lehnte sich zurück und schwebte noch kurz entspannt umher, jedoch blickte er sich immer mal wieder prüfend um. Nie wieder würde er hier so sorglos sein! Er verbuchte das als lehrreiche Erfahrung.

Selber wieder zurück zu kommen war nicht so einfach... meist ging es ja irgendwann von allein, doch Blacky bevorzugte es, etwas nachzuhelfen. Das hatte auch den Vorteil, dass er besser bestimmen konnte, wo er ankam. In diesem Fall erschien er im Garten der Burg der Feen... nicht ganz der geplante Ort, aber er beschwerte sich nicht. Am besten suchte er gleich Yugi und stellte sicher, dass alle bereit waren, denn der Angriff des Feindes ließ bestimmt nicht mehr lange auf sich warten...
 

Dieses Mal waren tatsächlich die Feen und ihre Verbündeten einsatzbereit, bevor man den Feind gesichtet hatte. Die Organisation war einfach besser. Ein wenig Sorgen machten sich alle wegen Mava, der sich bisher im Hintergrund hielt und keine Ausrüstung trug – jeder aus seiner Familie hatte sich bereits davon überzeugt.

Es gab Essen. Man musste sich stärken, solange man konnte, und das Küchenpersonal der Burg arbeiteten im Akkord. Crimson, der ja auch gerne kochte, hielt sich zurück – er hatte so viele Heiltränke gebraut und Eria Tricks beigebracht, dass er befand, das sei genug. Er trug eine Schultertasche mit Phiolen und Fäschchen bei sich.

Wiedermal war die Stimmung ziemlich geladen. Die meisten hatten ihre Gewänder von den Karten an, auch Yugi trug die Sachen, die die Schattenreichbewohner für ihn entworfen hatten: Schwarzes Lackleder mit vielen Schnallen, ähnlich wie Blacky, aber dazu einen spitzen Zaubererhut und einen Überwurf mit zwei Zacken hinten und knuffigen Bommelchen daran. Sie hatten überlegt, ihm Glöckchen zu verpassen, doch das war für diesen Anlass zu auffällig. Er benutzte Darks früheren Stab, um seine Magie zu fokussieren.

Tatsache war dann aber doch, dass sie eine ganze Weile warteten, ehe etwas passierte, etwa bis zum späten Nachmittag. Gerfried meinte, sowas sei ganz normal. Schließlich verabredete man sich nicht zu einer Schlacht. Sie waren im Vorteil, weil sie den Feind erwarten und von oben ihren Standpunkt verteidigen konnten.

Die Story von Blackys Begegnung mit dem Fünfgötterdrachen in der Dunklen Dimension hatte die Runde gemacht, und entgegen der anfänglichen Absicht fanden es jetzt alle äußerst spannend, statt das als Warnung zu betrachten. Aber vielleicht war es nur so eine Art, sich Luft zu machen, um nicht zu aufgeregt zu sein, wenn es losging.

„Ich glaube übrigens nicht, dass der Drache mit etwas fusioniert ist,“ hatte Blacky Crimson gegenüber betont, doch der Weißhaarige wollte das nicht hören.

„Wir können nicht sicher sein!“ betonte er immer wieder, und wurde dabei von seinen ehemaligen Zellengenossinnen bestärkt.

Black Luster hatte aufgehört, Black Chaos zu ärgern, statt dessen gab er sich jetzt ganz heldenhaft. Auch seine übliche Fangemeinde schien sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und himmelte ihn im Moment nicht an. Niemand konnte sich der gespannten Atmosphäre entziehen.

Im Laufe des Tages erschien sogar Lucranda auf der Bildfläche. Alle reagierten auf ihr Erscheinen sehr überrascht, bis auf Mava, den sie ermutigend tätschelte und generell behandelte, als wäre er ihr lang vermisster Sohn. Sie hatte einen Rucksack bei sich, in dem die Feen Heiltränke vermuteten.

Freed war als Feldherr ganz in seinem Element, doch er machte sich große Sorgen um seine Familie, denn die war vollständig hier versammelt und konnte theoretisch ganz ausgelöscht werden. Auch einem hartgesottenen Krieger gefiel diese Aussicht nicht.

Appi hatte sein Äußeres etwas geändert. Er trug jetzt einen schwarzen Umhang, einen Schurz aus durchsichtigem, violetten Stoff und einen Zauberstab mit einer roten Kugel an der Spitze, der zugleich eine Sense war. Appi war irgendwie in letzter Zeit zu Yugis Schatten geworden, als welcher er den Jungen beriet und unterstützte. Auch war er stets bei ihm, wenn sie kämpften und wenn Yugi zu Slifer wurde. Diese Tatsache beruhigte Freed ein bisschen, denn in Gegenwart eines Gottes, auch wenn es nur ein Junge in dieser Gestalt war, wähnte er seinen Sohn relativ sicher.

Neo hatte ein neues Schwert von Lord Genesis erhalten. Freed hoffte, dass es etwas nützte, um seinen Sohn vor Schaden zu bewahren. Neo hatte ansonsten keine besonderen Fähigkeiten, aber normalerweise hielt ihn das von allzu gefährlichen Aktionen ab. Er wusste gut, wo seine Grenzen waren, und dass ein Rückzug sinnvoller sein konnte als zu stures Ausharren.

Um Mava machte Freed sich die größten Sorgen. Seine Gabe, die wie ein Fluch war, konnte ihn leicht ins Verderben stürzen, und Mava war in letzter Zeit verdächtig ruhig und besonnen. Freed hatte so etwas schon bei vielen gesehen, die wussten, dass sie auf eine höchstwahrscheinlich tödliche Mission gingen. Außerdem machte sich Mava ja noch immer Vorwürfe nach der Sache mit Exodia...

Shadow kam zu ihm und umarmte ihn zärtlich. „Du machst dir Sorgen, Freed... grübel nicht so viel. Ich habe vollstes Vertrauen in unsere Söhne.“

„Nun, ich auch, aber... ich befürchte, dass Mava etwas Unvernünftiges tun wird...“

„Dann ist es seine Entscheidung und seine Verantwortung. Wenn er derjenige ist, der uns alle retten kann, dann muss und wird er es tun, auch wenn es sein Leben kostet. Wir sollten stolz auf ihn sein, anstatt ihn zu kritisieren.“

Freed nickte. Er wusste, dass es seiner Gefährtin nicht leicht fiel, so zu reden, doch sie hatte natürlich Recht... manchmal musste ein Opfer für das Allgemeinwohl gebracht werden, und es wäre nicht richtig gewesen, sich zu wünschen, dass es einen anderen als den eigenen Sohn traf. Davon abgesehen war es ja nicht so, dass Mava praktisch schon zum Tode verurteilt war. Es kämpften noch andere Helden diesen Kampf. Sie hatten doch eine Chance!
 

Als gegen Abend gemeldet wurde, dass eine feindliche Armee sich der Burg näherte, war es fast eine Erleichterung. Alle hatten darauf gewartet, seit sie wussten, dass sich ein verborgenes Lager in der Nähe befand. Die Spannung hatte auf die Stimmung gedrückt, doch nun wusste jeder, was zu tun war.

Paladia kam auf Crimson zu, als dieser mit seiner Umhängetasche voller Zaubertränke sein Zimmer verließ. Sie war für den Kampf gerüstet wie ihre Schwestern, doch sie lächelte. „Lucranda hat für mich geweissagt. Hast du gewusst, dass sie ein wenig seherisch begabt ist?“ fragte sie den Weißhaarigen. „Sie sagte, dass ich eine Tochter in mir trage, auf die ich ebenso stolz sein werde wie auf ihren Vater.“

Crimson hob überrascht die Augenbrauen. „Dann bist du also stolz auf mich?“

Sie verzog gespielt beleidigt das Gesicht. „Tu mal nicht so! Das weißt du doch!“

Er grinste. „Ich wollt's nur nochmal hören.“ Er zog Paladia an sich und küsste sie, wobei es ihn nicht interessierte, wer das alles sah.

„Na, na...“ Burstinatrix grinste ihn an. Wo kam die denn plötzlich her?

Aber auch Haryielle und Eria waren auf einmal neben ihm. Die Gruppe verstand sich wortlos und ging geschlossen an die Front.

Burstinatrix hatte Avian und die anderen Elementarhelden im Schlepptau. Als sie das Gebäude verließen, gab es noch eine Überraschung. Die Luft war voll vom Geräusch flatternder Flügel, die sie zunächst für Angreifer hielten, doch die bereits dort befindlichen Krieger und Feen unternahmen nichts, und nach kurzer Orientierung sahen sie Weaver, die mit einer anderen Frau sprach.

Haryielle fasste sich ergriffen an die Brust. „Die Königin!“

Sie meinte offensichtlich die Königin ihres Volkes. Die Person unterschied sich im Grunde nicht besonders von allen anderen Harpyien. Sie hatte grüne Haare, die sie zu einem hohen Zopf gebunden trug, und weiße Flügel. Vielleicht war sie etwas größer als andere, doch das konnte Crimson nicht beurteilen. Haryielle eilte zu ihr, und die Gruppe folgte.

„Ich dachte, die Harpyien interessieren sich nicht für Dinge, die sie nicht betreffen,“ flüsterte Burstinatrix den verbliebenen Mitgliedern zu.

„Ob sie auch Männer haben?“ überlegte Paladia.

„Meine Lady!“ Haryielle überkreuzte ihre Krallenhände auf Halshöhe und verneigte sich ansatzweise. Ihre Spezies war nicht gerade dafür bekannt, dass sie viel Aufsehen um Etikette machten.

Die Königin gab sich damit dann auch zufrieden. „Du bist diejenige, die in Gefangenschaft geraten ist und vom Schwarm des Nebelberges stammt,“ stellte sie fest. „Dieser Schwarm wurde vernichtet, aber einige Überlebende haben sich anderen Schwärmen angeschlossen. Das Erbe wurde somit bewahrt. Wem hast du dich angeschlossen, Kind?“

Harielle wandte sich um und ließ ihre Arme sinken, nahm eine normale Haltung ein. „Dies sind meine Freunde... sie waren mit mir zusammen gefangen. Burstinatrix von den Elementarhelden, Paladia von den Amazonen, Crimson von den Magiern und seine Schülerin Eria.“

„Also mit ihnen ziehst du jetzt,“ nickte die Königin, die Information zur Kenntnis nehmend. „Wie nennt sich dieser Schwarm?“

„Äh... der Kettenbund. Vorerst. Weil... wir uns kennen lernten, als wir alle angekettet waren.“

Die Königin legte nachdenklich den Kopf schief. „Ja... das wird für's Erste genügen... vielleicht verdient ihr euch noch heute einen stärkeren Namen.“

Haryielle verneigte sich erneut auf die typische Art und entfernte sich, wobei die Königin sich bereits wieder anderen Dingen zuwandte.

„Kettenbund?“ Crimson hob die Augenbrauen. Er hatte gar nicht gewusst, dass die Harpyie so kreativ war.

„Fiel mir so als Erstes ein,“ murmelte sie. „Bei meinem Volk muss man immer einer Gruppe angehören, sonst gilt man als schwach. Nur der Schwarm gibt Stärke.“

„Kettenbund ist nicht schlecht,“ meinte Paladia, „Aber vielleicht fällt uns noch etwas Krasseres ein.“

„Club des blutigen Siegels!“ schlug Eria vor. „Und wir führen die Tradition ein, jedem Neuzugang---“

Doch Crimson hielt ihr den Mund zu, bevor sie irgendetwas vorschlagen konnte, das mit Messern und Kerzen zu tun hatte. Das musste ja wohl auch ein Scherz gewesen sein!

„Allerdings kann man dein Siegel als Symbol für irgendeine Vereinigung nehmen,“ zog Burstinatrix ernsthaft in Erwägung. „Wenn man es auf Grundlinien vereinfacht, ist es ein Symbol, das man sich merken und leicht aufzeichnen kann.“

„Hmm...“ Crimson dachte darüber nach, doch er kam nicht weiter dazu, weil der Ernst des Lebens sie einholte.

Genesis und seine Vampire hatten sich vom Hang in die Burg begeben. Unten am Hang rückte Sorcs Armee an. Den militärischen Oberbefehl der Feen hatte Erzlord Zerato, der dafür zuständig war, alle Aktionen ein wenig zu koordinieren, so lange es möglich war.

„Crimson, mit deiner Erlaubnis schließe ich mich meinem Volk an,“ sagte Haryielle.

„Brauchst du dafür meine Erlaubnis?“ Crimson stellte fest, dass er wohl irgendwann zum Anführer dieses Kettenbundes geworden war, aber das war ihm auch ganz recht, denn er unterwarf sich ja so ungern. „Geh nur. Denn Burstinatrix wird ja auch mit den Elementarhelden kämpfen und Paladia mit den Amazonen. Eria, wolltest du dich nicht den Heilern anschließen?“

„Du wolltest, dass ich mich den Heilern anschließe!“ widersprach das Mädchen.

„Genau, und als dein Meister bin ich für dich das Gesetz!“ Er legte ihr väterlich eine Hand auf die Schulter. „Geh. Du weißt doch mit meinen Heiltränken Bescheid. Aber für den Kampf bist du noch nicht bereit. Die Akademie bringt einem schließlich nicht wirklich was Brauchbares bei.“

„Nun übertreibst du aber. Du hast mir doch gerade noch Unterricht in Kampftechniken gegeben.“

„Jaaa, aber nicht, damit du das gleich ausprobierst, sondern für den Notfall!“

„Menno, Appi darf auch! Der ist sogar immer mit Yugi an der vordersten Front.“

„Wenn wir uns etwas besser kennen und ich weiß, was ich dir zumuten kann, dann---“

„Ausreden!“ Eria verschränkte beleidigt die Arme.

Doch Crimson ging darauf nicht ein. „Nun geh schon.“

Das tat sie, und wahrscheinlich wusste sie auch, dass er es nur gut meinte. „Wenn die mich da nicht brauchen, komme ich wieder!“

„Untersteh dich!“ Doch er wusste es ja eh besser. Wenn sie etwas von ihm gelernt hatte, dann dass man sich gelegentlich über Anweisungen hinwegsetzen sollte. Genau das war ja der Grund, warum er sie so gut vorbereitet hatte, wie es in der kurzen Zeit ging.

„Wir sehen uns dann später,“ nickte Burstinatrix den anderen zu und ging mit den Elementarhelden, die von Avian geführt wurden.

Auch Paladia ging zu ihren Leuten, und ebenso Harielle. Crimson blieb also allein zurück, und er war an kein direktes Kommando gebunden, auch wenn er wie alle anderen zugestimmt hatte, auf Zerato zu hören. Er trat an den Rand der Drachenlandeplattform, welche den Abgrund unter der Burg ein gutes Stück überragte. Etwas schob sich durch die umgebenden Wälder.

„Es sind die Zombies!“ brüllte ein Späher. „Sie nähern sich durch die Bäume!“

„Das macht es natürlich schwierig, wir hätten den Wald roden sollen,“ murmelte jemand an Crimsons Seite. „Jedoch waren die Feen strickt dagegen.“

Der Magier schaute sich um und erkannte Lord Genesis. Der sah ihn von der Seite an, als wollte er ihm mit seinen Bemerkungen irgendetwas sagen. Zerato brüllte indessen Anweisungen über das Feld. Crimson wühlte in seiner Tasche. Er fand eine kleine Glasflasche und betrachtete sie nachdenklich, dann die heranwalzende Zombiearmee, die zwischen den Bäumen leider eher schwer auszumachen war. Er löste den Stöpsel und schwenkte die gelbe Flüssigkeit probeweise.

„Du hast Recht, man sollte für etwas mehr Überblick sorgen.“ Crimson überprüfte die Windrichtung. Der Wind wehte schräg von hinten, also sah er keine Gefahr für sich selbst und seine eigenen Leute. Er warf die Flasche mit der Öffnung nach vorne zu den Zombies hinunter, schleuderte sie, soweit er konnte. Die Flasche drehte sich im Fluge und verlor ihren Inhalt tröpfchenweise. Die Tröpfchen funkelten golden im erlöschenden Tageslicht.

„Was zum Henker ist das?“ hörte er eine Stimme, die ein Stück entfernt von ihm erklang. Dort stand Luster, ebenfalls an dem relativ niedrigen Rand der Plattform, und schaute dem Flug des Objekts nach. Entweder spürte er Crimsons Blick auf sich, oder es war nur Zufall, dass er dann den Kopf drehte und den Weißhaarigen entdeckte. „Du! Was hast du wieder ausgeheckt?“

Wie zur Antwort flammte unten an verschiedenen kleinen Stellen die Landschaft auf, als die Tröpfchen dort landeten. Dann schlug wohl der Rest in der Flasche irgendwo auf, und von dort brach ein wahres Inferno aus. In wenigen Sekunden war unten am Hang ein regelrechter Waldbrand im Gange. Die Flammen breiteten sich tobend aus, viel schneller, als ein gewöhnliches Feuer es je gekonnt hätte. Crimson zog es vor, sich zurückzuziehen, ehe man ihn als Urheber dieser Sache identifizieren konnte. Die Wirkung war wirklich noch grandioser als erwartet!

„Hey!“ Luster hatte sich zu ihm durchgeschlängelt. „Was hast du angestellt? Hast du etwa doch meine Schuppen dafür benutzt?“

„Äh... was denn, die Zombis sind wir doch los!“

Auch Weaver war darauf aufmerksam geworden, dass Luster sich Crimson vorgeknöpft hatte. „Bist du für diese Zerstörung verantwortlich? Was fällt dir ein, die armen Bäume!“

„Und wir kriegen jetzt den ganzen Rauch ab!“ beschwerte Luster sich.

„Ich hab extra auf die Windrichtung geachtet, das sollte also kein Problem sein,“ verteidigte Crimson sein Vorgehen. „Außerdem raucht Episches Todesfeuer nicht besonders stark. Es ist schließlich kein gewöhnliches Feuer!“

In dem Moment betrat Blacky die Szene. „Ich frage mich ohnehin, warum Sorc mit Zombies, die durch den Wald laufen, eine Burg angreift, die nur fliegend erreicht werden kann. Vielleicht wollte er unsere Streitkräfte den Abhang hinunter locken.“

„Wer weiß, was solche Leute sich dabei denken,“ winkte Weaver ab.

„Wer weiß eigentlich alles von Lucrandas Hütte da unten?“ fragte Blacky sie.

Weaver wurde bleich.

„Was ist denn?“ begehrte Crimson zu erfahren.

Doch die Fee fing sich wieder. „Das... kann nicht sein. Wie sollte dieser Mann es wissen? Und selbst wenn, wird er sich in den Gängen verlaufen. Außerdem hat Lucranda den Gang auf keinen Fall offen hinterlassen.“

„Falls er die Zombis durch einen Gang schicken wollte, müsst ihr euch jetzt jedenfalls keine Sorgen mehr deswegen machen,“ bemerkte Crimson.

„Ich schicke ein paar Soldaten, die das überprüfen,“ entschied Weaver und entschwand.

Luster blickte nach unten. „Die bewegen sich noch.“

„Wie bitte?“ Crimson wollte sich davon überzeugen, doch auf einmal kam ein Feuerball angeflogen – dachte er jedenfalls, doch es war ein brennender Zombie. Genau genommen eine tote Riesenmotte, wiedererweckt zu unheimlichem Leben.

„Das sind die Viecher, die wir letztens erledigt haben!“ ging es Blacky auf, gerade als ein Menschenfresserkäfer hinzu kam, dem die Hälfte seines Kopfes fehlte. Der vorhandene Rest stand in magischen Flammen.

Weitere brennende Insektenzombies folgten. Zwei landeten direkt in der Nähe, und Luster stellte sich ihnen als Erster. „Toll hingekriegt, Crimson! Sieht ganz so als, als hättest du ihnen noch einen Vorteil verschafft! Denen scheint es ganz egal zu sein, dass sie brennen!“

„Äh... das kann auf keinen Fall lange dauern!“

„Reicht aber, um unter uns Schaden anzurichten!“ Luster schwang sein Schwert und zerschlug einen wandelnden Heuschreckenleichnahm. Der brennende Körper zerplatzte, und heraus spritzte ein schleimiges, heißes Zeug. Einige Spritzer kamen zischend und ätzend auf Lusters Rüstung auf. „Igitt! Was soll das denn? Ganz toll, Crimson!“

„Daran bin ich nicht schuld! Das Epische Todesfeuer hat nicht die Macht, Zombies in Säurebomben zu verwandeln,“ betonte Crimson hastig.

„Eventuell ist Crimson nicht der einzige Alchemist im Schattenreich,“ bemerkte Blacky. „Jemand hat diese Viecher wahrscheinlich vorher bearbeitet, und dein Mittelchen macht das Ergebnis umso wirkungsvoller.“

Davon abgesehen erlosch das Feuer nicht, sondern breitete sich auch noch aus. Das zumindest konnte Crimson sich erklären. Das Epische Todesfeuer brannte mit magischer Kraft, sofern es nicht mit natürlich brennenden Substanzen wie Holz gefüttert wurde, und durch die Zugabe von Drachenschuppen war das Gebräu sehr viel potenter geworden. Es brannte eine Weile auf Lusters Schwert und Schild weiter, welche zum Glück eine Spezialanfertigung waren und deshalb nicht der Säure zum Opfer fielen. Allerdings beschwerte der Krieger sich, dass beides durch das Feuer recht warm wurde. Crimson dachte sich im Stillen, dass gerade Luster damit ja wohl kein Problem haben dürfte, er mit seiner Drachenidentität.

Eine Weile lang kamen immer mehr Feuerzombis angeflogen, doch dann tat das Epische Todesfeuer seine Wirkung und die restlichen zerfielen zu Asche. Bis dahin jedoch machten die Verteidiger eine harte Zeit durch, denn das Feuer ging auf Waffen über, die mit ihm in Berührung kamen, und die Säure aus dem Inneren der Zombies tat ihr übriges. Nicht selten bespritzte sie mehrere Personen im Umkreis, die dann einen Besuch bei den Heilern nötig hatten. Dies konnten auch die Magier, welche sich um passende Schutzschilde bemühten, nicht immer verhindern. Einige Schwerter und andere Waffen wurden beschädigt durch die Säure. Dennoch war der Schaden vielleicht geringer, als wenn alle geflügelten Zombies angegriffen und ihren Inhalt verspritzt hätten, insofern wurde Crimson zwar übelst beschimpft wegen seiner Aktion, doch letztendlich war die ganze Sache schnell vergessen – nur die Feen beschwerten sich weiterhin über die vernichteten Bäume. Von denen waren die meisten völlig zerstört, anderen nur noch Stümpfe und vermutlich nicht mehr zu retten. An dieser Seite des Hanges gab es nichts Grünes mehr.

Ansonsten gab es aber genug andere Probleme, denn noch während die letzten Flammen erloschen und Säurespritzer abgewischt und mit Heilsalben behandelt wurden, näherten sich Sorcs Drachenreiter aus der Luft. Da dies ein berechenbarer Kampf war, freuten sich die Krieger jedoch darüber wesentlich mehr als über die brennenden Zombies. Auch die Verteidiger bestiegen ihre Drachen, während alle, die selbst fliegen konnten, dies taten. Hier war Zerato mit seiner Truppe ganz in seinem Element. Doch am Boden warteten die Krieger wachsam auf den Fünfgötterdrachen.
 

Yugi war stolz auf sich, denn er konnte schon an einem solchen Kampf teilnehmen, als wäre das ganz normal. Allerdings hatte Dark ihn und Appi nicht an die brennenden Zombies herangelassen, denn Yugi sollte seine Kräfte für später sparen, wenn der Fünfgötterdrache kam. Nur Slifer konnte ihm Einhalt gebieten, und dann musste ihnen etwas einfallen, um ihn zu besiegen.

Als die Drachenflieger von Zorc eingriffen, überlegte Dark, ob er sich am Luftkampf beteiligen sollte, entschied sich dann aber dagegen. Er konnte zwar fliegen, war aber kein Luftkrieger, dafür gab es die Feen von Zerato und die Harpyien. Lieber blieb er noch bei seinem Schüler und Yugi.

Yugis eigener Meister – falls man Blacky so nennen konnte – hatte es sich auch erspart, noch in den Luftkampf einzugreifen, da es genug Krieger gab, die sich darum kümmerten. Er blieb am Boden und achtete auf die Reiter, die eventuell von ihren Drachen stürzten oder absichtlich sprangen, um dann am Boden anzugreifen.

Yugi hatte inzwischen bemerkt, dass an Appis Kleidung und Waffe insgesamt drei rote Steine waren, nämlich an seinem Hals, seinem Gürtel und an der Spitze seines Stabes, welcher Darks Stab ähnelte, nur mit einer Sensenklinge daran. Diese leuchteten eine nach der anderen auf, immer wenn jemand in seiner Nähe einen Zauber aussprach. Wenn alle drei leuchteten, setzte Appi stets einen besonders mächtigen Zauber ein, den jemand von seinem Level eigentlich noch gar nicht beherrschen dürfte.

Es war gut, dass einige Verteidiger am Boden geblieben waren, denn der Kampf gegen die Zombies war noch nicht völlig vorbei. Manche der Drachenreiter waren Zombies, samt ihren Reittieren. Sie ritten immer zu mehreren auf ihren Drachen, ließen diese landen und sprangen herunter, um ihrem Drang zu töten nachzugehen.

Schnell stellte sich heraus, dass wohl nur die Insekten Säure in sich gehabt hatten. Die wandelnden Skelette, die nun hier herumliefen, hatten ja auch gar keine Körper, in denen sie irgendetwas hätten verstecken können, geschweige denn eine Flüssigkeit.

„Seid vorsichtig,“ warnte Dark. „Um Zombies zu vernichten, reichen Waffen oft nicht aus, es sei denn, man schlägt sie wirklich kurz und klein. Benutzt Vernichtungszauber.“

Vermutlich wären Feuerzauber am nützlichsten gewesen, doch die beherrschte Yugi nicht. Er sah jedoch in seinem Umfeld mehrere Zombies in Flammen aufgehen, also gab es vermutlich Beherrscher von Feuermagie unter den Kämpfern, oder aber Krieger des Elements Feuer oder Träger besonderer Waffen, die solche Effekte bewirken konnten.

Yugi fand, dass die Verteidiger es relativ einfach hatten. Ob Sorc sie nur ermüden wollte? Und war er persönlich auch da? Vielleicht war er auf irgendeinem dieser Drachen gekommen! Doch selbst die Drachen waren kein Problem, denn auch auf Yugis Seite gab es viele davon. Da trugen Yugi und Appi eher einen bescheidenen Beitrag zur Verteidigung bei, doch beide wussten, dass ihr Beitrag noch kommen sollte.

Und dann... war es soweit. Yugi wandte sich um und konnte spätestens jetzt nachvollziehen, wie Yami sich immer fühlen musste, wenn er gegen einen scheinbar übermächtigen Gegner kämpfte. Man konnte die Präsenz schon spüren, bevor er ins Sichtfeld kam. Schon einmal zuvor hatte Yugi dem Fünfgötterdrachen leibhaftig gegenüber gestanden, um ihn dann auch noch persönlich und körperlich zu bekämpfen. Doch damals hatte er kaum darüber nachgedacht, während er dieses Mal schon wusste, was ihn erwartete... und das war keineswegs etwas Gutes. Es gab keine Karte, die er spielen konnte, sondern er musste darauf hoffen, dass jemand mit einer Lösung auftauchte oder er den Drachen irgendwie doch besiegen konnte, obwohl Slifer nicht vom Element Licht war. Aber half Göttlichkeit nicht vielleicht auch? Schließlich war er in diesem Fall nicht zwangsläufig den Regeln des Kartenspiels unterworfen.

„Steh da nicht rum, Yugi,“ unterbrach Appi seine Gedanken. „Das ist dein Auftritt. Werd' fertig, bevor der Drache dich in deiner jetzigen Gestalt erwischt!“

„Du bist ja richtig scharf darauf...“ grummelte Yugi. Er legte schnell seine Kleidung ab und drückte sie Dark in die Hand, damit sie nicht beschädigt wurde, wenn er sich verwandelte. Appi blieb freundlicherweise so stehen, dass sein Umhang die Blicke fern hielt.

Yugi zögerte, denn er befürchtete, dass er wieder zum gnadenlosen Kämpfer mutierte, wenn er sich verwandelte. Dass der Vorgang auch schmerzte, erschreckte ihn weniger – es war mit jedem Mal weniger schlimm gewesen. Als er das erste Brüllen des Fünfgötterdrachen hörte, riss er sich zusammen und tat seine Pflicht. Noch während der Verwandlung erhob er sich in die Luft, um niemanden zu gefährden.

„Na endlich.“ Appi sprang wie gewohnt auf Yugis Rücken und setzte sich in seinem Nacken zurecht. „Sei dieses Mal vorsichtiger. Nicht dass du wieder verletzt wirst.“

Ausschließen konnte man das nicht, das wusste Yugi, aber er wusste auch, dass ihm das Risiko in dieser Gestalt egal sein würde. Als er den Fünfgötterdrachen erblickte, überkam ihn sofort eine Kampflust, die er normalerweise gar nicht von sich kannte. [Pass vor allem auf, dass ich nicht den Verstand verliere,] bat er Appi, denn er hatte jedes Mal Angst, dass er sich irgendwann nicht mehr zurückverwandeln konnte. Schon übernahmen die Instinkte die Kontrolle, und er stürzte sich wild auf den Gegner. Appis Gegenwart war wie ein Anker, an dem er sich festhalten konnte.

Die anderen Kämpfenden machten eilig Platz in der Nähe der beiden Drachen, die nun in der Luft aufeinander trafen und dabei natürlich gelegentlich auf dem Boden aufkamen, auch wenn beide fliegen konnten. Yugi vergaß bald, sich darum Gedanken zu machen, statt dessen konzentrierte er sich voll auf den Kampf...
 

Crimson war sehr erfreut, inmitten des Kampfgetümmels tatsächlich auf Sorc und Malice zu treffen. Sorc war gekleidet wie auf seiner Karte, während Malice sich ganz in enges Schwarz hüllte, jedoch armfrei und mit einem wehenden Umhang. Sein helles Haar bildete einen krassen Gegensatz dazu, ebenso das golden leuchtende Ding auf seiner Stirn.

Crimson fing an, breit zu grinsen und packte seinen Zauberstab fester. „Welche Freude... ich war auf der Suche nach euch.“

Auch Malice grinste, auf seine irre Art, und Sorc schien auch ganz amüsiert zu sein. „Ich bin gespannt, was du gegen uns---“ begann Malice zu spotten, unterbrach sich dann aber.

Denn Crimson wartete nicht darauf, dass der Irre mit seinen Sprüchen fertig wurde. Faire Kämpfe brachten einen schließlich nicht weiter, wenn man es mit Gegnern zu tun hatte, für die das ein fremder Begriff war. Zum Glück hatte Crimson eine etwas andere Moral als gewisse andere Magier. Er stieß einen Schrei aus, der tief aus seinem Bauch heraus kam, und stürzte sich auf die beiden, wie es ihm die Amazonen beigebracht hatten, wobei er den Zauberstab wie eine Waffe benutzte.

Er hatte die beiden eindeutig überrascht und merkte auch, dass sie es wohl nicht gewohnt waren, mit Waffen zu kämpfen, schließlich ging es ja auch mit Magie. Er landete einen Treffer gegen Sorcs schützend angehobenen Arm, zog den Stab zurück und führte einen Stichangriff gegen Malice aus. Der Zauberstab lief oben durchaus spitz genug zu, um für ernsthafte Verletzungen zu sorgen.

Doch Malice fing den Stab reflexartig kurz vor seinem Brustkorb mit der rechten Hand ab. Nicht schlecht! Aber Crimson wurde dadurch nicht gestoppt. Er drehte sich mit wenigen Schritten an dem Stab entlang, und zwar an Malices rechter Seite, und nutzte schamlos aus, dass dieser mit der Hand des Armes, der ihm zugewandt war, gerade nichts machen konnte, wenn er nicht doch noch erstochen werden wollte. Crimson hatte jetzt den Stab im Rücken, hielt ihn beidseitig fest und trat mit dem rechten Bein zu.

Malice, an der Hüfte getroffen, schrie kurz auf und ließ überrascht den Stab los, den Crimson sofort herumwirbelte, um dieses Mal den Arm zu treffen. Er schlug mit aller Kraft zu, und Malice konnte in dem Moment froh sein, dass er es nicht mit einem richtigen Krieger zu tun hatte, denn so war der Arm wohl nur gebrochen, aber nicht dauerhaft geschädigt. Der Irre ging stöhnend zu Boden, sehr zur Befriedigung seines weißhaarigen Gegners.

Doch er nahm sich nicht die Zeit, sich an dem Anblick zu weiden, weil er nämlich genau wusste, dass es auch noch Sorc gab, der leider keinen gebrochenen Arm hatte. Und der Blauhäutige hatte den kleinen Moment der Unachtsamkeit genutzt, um einen Angriff vorzubereiten – doch nicht ein Angriff mit Magie, sondern mit seinem Effekt, jemanden aus dem Spiel entfernen zu können, griff er an.

Crimson erkannte den Unterschied instinktiv. „Ich hatte gehofft, dass du das tun würdest!“ rief er und lachte erfreut, die Hand gegen den anderen ausstreckend. Etwas wie ein elektrischer Schock ging schmerzhaft durch seinen Körper, als er den Effekt annullierte. Mit purer Willenskraft verbot er sich, auch nur im geringsten zu schwanken, statt dessen genoss er die unangenehmen Folgen seines eigenen Effekts geradezu. Triumphierend grinste er den Chaosmagier an. Dessen ungläubiges Gesicht war allein schon eine großzügige Entschädigung.

Crimson behielt aus dem Augenwinkel Malice im Blick, denn der kleine Kampf mit Sorc hatte ihn gezwungen, dem anderen Feind halb den Rücken zuzudrehen, doch dieser erhob sich gerade wieder, auch wenn er etwas mitgenommen aussah und sein rechter Arm schlaff und deformiert herabhing. Seine Aura veränderte sich spürbar – er schien unter solchen Umständen noch viel irrer und damit gefährlicher zu werden.

In diesem Moment tauchte Blacky neben Crimson auf. „Lass mich den da übernehmen.“ Er deutete mit dem Kinn in Sorcs Richtung.

Der Weißhaarige war damit einverstanden, zumal er sich denken konnte, dass es zwischen Blacky und dem anderen Chaosmagier auch noch eine offene Rechnung gab. Er wandte sich Malice zu. Was dieser für Kräfte hatte, wusste eigentlich noch niemand, daher war er sehr wachsam.

„Wie ich sehe, hast du eine Alternative zur Magie gefunden,“ stellte Malice fest. „Und sogar ein Artefakt, mit dem man Effekte neutralisieren kann... wirklich gut, aber ich an deiner Stelle würde keine Magierrobe mehr tragen. Und an diesem Zauberstab zu hängen ist ja wohl echt sentimental.“

Anscheinend dachte Malice, seine neue Fähigkeit käme von einem Artefakt. Nun, das konnte man ja auch annehmen, denn er trug noch den Typänderungsring.

Crimson seufzte theatralisch. „Zu dumm... ich dachte, du hättest irgendeine verborgene Fähigkeit, die dich zu einem passablen Kämpfer macht, aber anscheinend kannst du nur glänzen, wenn dein Gegner sich nicht wehrt, und ansonsten hast du nur eine große Klappe.“ Das wiederum war nichts, wobei Crimson nicht mithalten konnte. Aber er für seinen Teil versprach nie etwas, das er nicht halten konnte.

Und nun freute er sich auf ein weiteres dummes Gesicht von dem Kerl. Er sprach laut und deutlich eine Zauberformel, so dass sich über seiner freien Hand eine Energiekugel bildete, die schnell größer wurde und an Bedrohlichkeit zunahm. Natürlich konnte er das auch, ohne laut zu sprechen, aber so war es doch manchmal um einiges effektvoller .

Zu seiner Linken erhob sich Slifer in den Himmel, was nicht zu übersehen war, wenn man nicht gerade mit dem Rücken zu der Szene stand. Da ahnte Crimson, dass der Fünfgötterdrache nicht weit sein konnte, und beschloss, Malice etwas schneller zu erledigen als geplant, denn er musste unbedingt verhindern, dass der Drache verletzt wurde, bevor Runa gerettet war.

Doch er war wohl durch das Erscheinen Slifers etwas abgelenkt gewesen, denn er bemerkte den Angreifer, der sich jetzt in seinen Kampf einmischte (falls man das so nennen konnte), erst in buchstäblich letzter Sekunde. Somit wurde leider sein schöner Angriff verschwendet, als er ihn halbfertig hinter sich schleuderte, doch der feige Angreifer wich aus und erwischte Crimson mit einer niederschmetternden Attacke, die er zunächst nicht einordnen konnte.

„Na sowas... das hätte dich eigentlich komplett umhauen sollen, aber zumindest seh ich dich auf Knien vor mir, das ist doch was.“

Crimson blickte auf und musste die Augen zusammen kneifen, damit er etwas erkannte. Die bunten Punkte störten ein bisschen, gingen aber langsam wieder weg. „Kenn' ich dich? Ah, ja... du bist der Kerl, der mich an der Flucht gehindert hat!“

Der alte Magier strich sich über den nicht vorhandenen Bart. „Die Zeit hat wohl nicht zu mehr Wiedererkennung gereicht, was?“

„Hä? Wieso...“ Crimson konnte ihn langsam besser sehen und schaute ihn sich genauer an, und dann dämmerte es ihm. „Professor Vindictus.“

Der Alte, der normalerweise halb so groß war wie er, richtete sich kerzengerade auf, wodurch er zumindest etwas größer wirkte, und schaute voller Verachtung auf seinen ehemaligen Akademieschüler herab. „Wie ich sehe, ist dein Gedächtnis doch nicht so schlecht. Wie sagt man doch? Man trifft sich immer zweimal im Leben.“

„Ist das jetzt nicht schon das dritte Mal?“

„Schweig! Und mein Name ist nicht mehr Vindictus. Man kennt mich jetzt als Olvin. Du bist schuld daran, dass ich für einen Irren und einen unfähigen Chaoten arbeiten muss!“

Crimson entsann sich, dass der Typ einen vernichtenden Effekt hatte, wahrscheinlich hatte der ihn getroffen. Was anderes hatte er schließlich kaum drauf. „Lass die beiden das bloß nicht hören...“

„Die kennen meine Meinung, ist ihnen aber egal!“ Olvin holte mit seinem Stab aus und schlug zu, doch bevor der Funken sprühende Stab ihn treffen konnte, rollte sich Crimson zur Seite weg und kam im Laufe der Bewegung wieder auf die Füße. „Du glaubst doch nicht... oh.“ Ihm schwindelte etwas. Musste wohl doch ein sehr wirkungsvoller Effekt gewesen sein.

Olvin kicherte böse. „Selbstüberschätzung ist oft der größte Fehler, Junge.“

„Aber seinen Gegner zu unterschätzen noch viel mehr,“ erwiderte Crimson. Er griff in seine Gürteltasche und warf eine Phiole in Olvins Richtung.

„Ha, das hast du dir so gedacht!“ Der Alte war tatsächlich agil genug, das Ding aufzufangen. Naja, sein Weg zum Boden war aufgrund seiner mangelnden Größe ja nicht besonders weit. Doch schon segelte eine andere Phiole zu Boden, und an die kam er nicht mehr heran. Als sie zersprang, kam der lähmende Trank heraus und setzte den kleinen Giftzwerk außer Gefecht.

Crimson bückte sich und nahm die erste wieder an sich. „Solltest mich besser kennen, du Gnom.“ Er schaute sich um – Malice war im Laufe der letzten Minuten abgehauen, das feige Stück. Das war seltsam, er hatte erwartet, dass der Blonde ihn noch einmal angriff, wenn er dachte, er sei durch Olvin abgelenkt.

Als er sich nach Blacky und Sorc umsah, erblickte er den Fünfgötterdrachen, der über ihnen flog und nun mit allen fünf Mäulern auf Blacky zielte, so dass dieser von seinem Vater ablassen und sich zurückziehen musste. Und Sorc ergriff doch glatt die Flucht!

„Runa!“ Crimson ging auf den riesigen Drachen zu. Der Wasserkopf wandte sich ihm zu und spuckte Eis, ohne das geringste Anzeichen des Wiedererkennens zu zeigen. Der Weißhaarige sprang gerade noch rechtzeitig zur Seite.

„Idiot, lass das endlich! Wenn deine Freundin da drin ist, kann sie dich nicht hören!“ schrie Blacky ihn über das Getöse hinweg an. „Ich verfolge Sorc, kann ich dich hier allein... huh?“ doch der Drache interessierte sich wahrscheinlich gar nicht mehr für die beiden, denn er flog davon und legte sich hoch oben in der Luft erneut mit Slifer an. In dessen Nacken saß Appi.

Crimson hatte jedoch keine Zeit, sich weiter damit zu befassen, denn er wollte ebenfalls jemanden finden. „Ich komme mit, Blacky! Wo Sorc ist, finden wir gewiss auch Malice!“

Das war anzunehmen, und so machten sich die beiden daran, das Kampfgetümmel erneut zu durchqueren und dabei heile zu bleiben, wobei sie es einfach in der Richtung versuchten, in die Sorc gelaufen war.
 

***
 

Die ganze Zeit schon hatte irgendwie eine gewisse Spannung in der Luft gelegen. Yami war unruhig umher gelaufen, und so hatten auch die anderen sich rastlos und besorgt gefühlt. Insofern wunderte sich auch niemand mehr wirklich, als er gegen Abend in die Knie sackte, sich den Kopf hielt und wieder größere Krallen und mehr rote Schuppen bekam. Er schrie zumindest nicht mehr so schlimm wie sonst. Anscheinend gewöhnten Yugi und Yami sich an die Prozedur. Dennoch war der Pharao erst einmal nicht in der Lage, irgendetwas zu tun. Er keuchte angestrengt und musste sich erholen.

Sugoruku, bei dem die engsten Freundevon Yugi und Yami heute wiedermal residierten, seufzte nur noch und half Seto, Yami zum Sofa zu bringen. „Seh ich richtig? Hast du heute gar ein Gehörn gekriegt?“

Tatsächlich – zusätzlich zu den Zacken seiner Frisur hatte Yami nun beidseitig je ein kurzes, rotes Horn, welches am Kopf nach hinten zeigte. „Wenn das so weitergeht... jedes Mal wirst du mehr zu Slifer!“ meinte Thea besorgt. Sie gab Yami ein Glas Wasser.

Seto holte Yamis Morgenmantel und eine schlabberige Jogginghose, denn das enge Shirt, das der Pharao getragen hatte, war eingerissen, und die figurbetonte Lederhose passte ihm nicht mehr wirklich.

„Er bleibt zumindest normal groß,“ stellte Mokuba fest. „Sonst hätten wir echt ein Problem.“

„Ich muss... zu Yugi,“ presste Yami hervor, während er sich mühselig umzog. „Er... er muss in Gefahr sein...“

Das hatte Sogoroku die ganze Zeit befürchtet... dass Yami das irgendwann tun würde. So langsam wurde es ihm selbst aber auch zuviel, deshalb widersprach er nicht. Und auch keiner von den Freunden.

„Du kannst im Moment doch kaum stehen,“ geb Seto zu bedenken. „Ich gehe!“

Joey riss die Augen auf. „Ausgerechnet du, Kaiba? Ich komme auch mit, ist doch klar!“

„Wheeler, unsere Aktion soll ein Erfolg werden, also solltest du lieber ins Körbchen zurückgehen.“

„Waaaas?“

„Kommt schon, Leute...“ Tristan versuchte, die Streithähne auseinander zu bringen.

Yami erhob sich mit Mühe. Durch die langen Krallen konnte er kaum sein Puzzle anheben. „Yugi braucht uns jetzt, nicht später...“

Er musste es wohl am besten wissen. Doch der alte Mann hatte Zweifel. Waren sie denn nicht gewarnt worden? Herr Mutou konnte diese Entscheidung nicht treffen. Er war hin und her gerissen. War es gefährlich, mussten sie Yugi helfen? So war er fast froh, dass ihm die Verantwortung aus der Hand genommen wurde.

„Ich werde ins Reich der Schatten gehen!“ verkündete Yami. „Aber nur Duellanten sollten mitkommen, es ist schon gefährlich genug.“

„Fein, das sind wir ja,“ nickte Joey.

Yami hielt das Puzzle hoch, und es leuchtete golden auf. Zum Glück war Bakura nicht da, sonst hätte es vielleicht schon ein Unglück gegeben, denn zweifellos hätte er sich freiwillig als Helfer für diese Aktion gemeldet. Aber er unternahm irgendetwas mit Pegasus und Duke; genauere Angaben hatte er nicht hinterlassen. Das hätte ohnehin nicht viel an der Situation geändert.

Seto und Joey stellten sich neben Yami, der nun konzentriert die Augen geschlossen hatte. Auf seiner Stirn bildete sich ein golden leuchtendes Auge, wie sie es von Maliks bösem Ich kannten..

„Du solltest dich lieber erst erholen,“ versuchte es Seto noch einmal.

Aber dafür war es jetzt zu spät. Thea machte erschrocken einen Schritt zurück, und auch Sugoroku war nicht ganz wohl dabei, dass Yami sowas überhaupt konnte. Das war ja eigentlich etwas, das die Bösewichte immer machten. Doch nur, weil er es normalerweise nicht machte, bedeutete das ja nicht, dass der Pharao es nicht vermochte, nicht wahr?

Etwas Dunkles, Violettes und Schwarzes hatte sich im Raum gebildet. Yami stand auf und ging darauf zu. Seto und Joey rannten jedoch noch vor ihm in den seltsamen Wirbel. Yami brauchte länger, denn er kam nur langsam voran. Doch dann waren alle verschwunden...

„Es schließt sich nicht,“ murmelte Thea. Sie hatten mitten im Wohnzimmer einen Zugang zum Schattenreich und er schloss sich nicht. War das gut oder schlecht?

Doch dann bewegte sich der Wirbel. Es sah aus, als ob er instabil wurde. Es gab einen blendenden Lichteffekt, und eine Druckwelle riss alle von den Füßen.
 

***
 

Crimson war mühselig auf Blackys Fersen geblieben. Der Chaosmagier musste wohl Sorc noch im Blick haben, aber Crimson hatte Mühe, Blacky nicht aus den Augen zu verlieren. Dieser konnte sich viel besser durch das Gewusel des Kampfes winden als er selbst. Chaosmagier eben.

Sie näherten sich der Stelle, wo Slifer gegen den Fünfgötterdrachen kämpfte. Die Drachen befanden sich in der Luft. Es war etwas unheimlich, schließlich konnten sie jederzeit harabstürzen und alles unter sich begraben... Und da waren auch Sorc und Malice. Hinter ihnen bildete sich gerade ein dunkler Wirbel. Was hatten sie nur vor?

Der Irre grinste ihnen entgegen. Doch er hielt sich nicht mit Erklärungen auf, sondern durchquerte zusammen mit Sorc das Gebilde – offensichtlich ein Dimensionstor.

„Ihr entwischt mir nicht!“ Blacky spurtete hinterher, als sich das Ding bereits bewegte und instabil zu werden schien. Er sprang kopfüber hinein und verschwand darin. Crimson überlegte, ob er auch hinterher sollte, entschied sich aber dagegen... ihm war wichtiger, sich um Runa zu kümmern.

Während er noch darüber nachdachte, huschte Dark an ihm vorbei. Er rannte auf das instabile Tor zu, das wirklich nicht mehr besonders vertrauenerweckend aussah. „Blackyyy!“ Mit ausgestreckter Hand setzte der Magier zum Sprung an.

Crimson bekam den violetten Schurz seines Kollegen zu fassen und riss den Kerl zurück. „Nicht! Es ist zu gefährlich!“

Dark prallte zurückstolpernd mit ihm zusammen. „Nein, lass mich los, ich kann Blacky nicht... nein!“ Das seltsame Magiegebilde verging in einem Lichtblitz und war verschwunden. „Warum hast du mich aufgehalten?!“ fuhr Dark Crimson an. „Blacky ist ganz alleine mit diesen... hey, blutest du?“

Etwas Warmes war in Crimsons Gesicht geklatscht, während Dark wild gestikulierte. Er ergriff das Handgelenk des anderen Magiers. „Das kam von dir.“

Dark sah hin und wurde ganz bleich. Von seinem Mittel- und Ringfinger fehlte jeweils ein Stück der Kuppe. Es musste passiert sein, als er in den Wirbel gefasst hatte. „Oh... ist vielleicht doch gut, dass ich nicht näher dran war... danke Crimson...“

„Du blutest stark. Und du siehst aus, als wäre dir übel. Wir können uns nachher darum kümmern, deine Finger zu regenerieren, aber erstmal komm an die Seite...“ Sie gingen dem Kampfgetümmel aus dem Weg und suchten sich ein ruhigeres Fleckchen, wo Crimson eine Phiole aus seinem Beutel holen konnte. Er verteilte den Inhalt auf den blutenden Stellen, die daraufhin rasch einen Schorf bildeten und dann weiße Haut. Das reichte als provisorische Maßnahme.

Dark musste sich an Crimson abstützen. „Mir ist tatsächlich etwas schwindelig...“

„Klar, du musstest viel Energie aufwenden, damit das Mittel wirkt, und der Schock... Keine Sorge, ist gleich vorbei.“

„Es war doch nur so eine kleine Sache... aber was war das für ein Ding? Ein Tor?“

„Ich weiß es nicht...“

In diesem Moment ging Mava an den beiden vorbei. In seiner Kampfkleidung wirkte er echt bedrohlich... sein Gesichtsausdruck war entschlossen.

„Hey... was hast du vor?“ Crimson packte ihn an der Schulter und hielt ihn auf.

„Ich kann den Drachen besiegen. Lass mich los.“

„Aber Mava, das ist zu riskant!“ protestierte Dark.

„Und ich erlaube das nicht!“ fügte Crimson hinzu. „Runa ist doch noch mit ihm verschmolzen! Wir müssen ihr erst helfen!“

„Crimson, wenn das wahr ist, dürfte mein Angriff dem Drachen nichts ausmachen, nicht wahr? Und Dark... vertrau mir. Ich wurde auf diesen Augenblick vorbereitet.“

Sie waren unschlüssig, ob man ihm glauben konnte. Oder wollte er sich wieder opfern, weil er sich immer noch dafür grämte, Exodia befreit zu haben? Doch Mava ging bereits weiter, folgte den kämpfenden Drachen. Crimson und Dark konnten sich nicht weiter um ihn kümmern, denn sie mussten ihren Gefährten im Kampf beistehen...
 

***

Fortsetzung folgt

Weltenwechsel

Welt des Blauen Lichts: Samstag Abend
 

Fremde Welten 60: Weltenwechsel
 

Mava befand sich ganz nahe bei den kämpfenden Drachen. Er war logischerweise ein wenig nervös, aber mindestens genauso entschlossen. Suchend blickte er sich um. „Könnte mir jemand mal ein Artefakt ausleihen?“

„Genau das hab ich befürchtet!“ Neo hatte gerade einen Untoten erschlagen und kam nun auf seinen Bruder zu, als hätte er ihn als seinen nächsten Gegner auserkoren. „Hast du schon etwas an dir?“ Er packte Mavas Arm und schob den Ärmel hoch. „Ha, das dachte ich mir! Bist du irre? Wo hast du das überhaupt her? Vorhin hattest du nichts!“

Der andere Magier trug so etwas wie eine Armschiene, nur bestand sie aus hübschen, goldenen Schnörkeln mit ein paar verschiedenfarbigen, eingearbeiteten Edelsteinen. Eher ein Schmuckstück als ein Rüstungsteil.

Mava machte eine Faust und verpasste Neo dabei einen leichten Elektroschock. „Lucranda hat es mir zugesteckt. Halte mich jetzt nicht auf, Bruder.“

„Hey, ich weiß genau, was du vorhast!“ Neo blickte ihn bittend an. „Mava... tu das nicht, ich flehe dich an! Du bringst dich um!“

„Wenn ich uns damit alle rette, ist es in Ordnung. Aber warum siehst du so schwarz? Gib mir lieber etwas Deckung und ein paar Artefakte.“ Mava konnte nicht vorhersagen, ob er überleben würde, aber das Risiko ging er ein. Natürlich gab Neo ihm nichts, er schaute ihn nur mit einem leidenden Gesichtsausdruck an und widersprach nicht weiter. Statt dessen hielt er sich in Mavas Nähe und passte auf, dass niemand seinen Bruder angriff.

Mava streckte einen Arm nach oben und sprach eine kurze Formel. Lichtstrahlen schossen von überall auf ihn zu, und zu seinen Füßen sammelte sich ein ganzer Haufen von Schwertern, Gürteln, Rüstungen, Schmuck und allen anderen nur erdenklichen Dingen. Zur gleichen Zeit ging ein wütender Aufschrei durch die Kämpfenden, denn vielen ging etwas Wichtiges verloren. Freund und Feind gleichermaßen sah sich nach dem Übeltäter um, daher beeilte sich Mava, einige Stücke an sich zu nehmen. Zu seiner Überraschung stellte er fest, dass Neos Schwert Excalibur von der Aktion nicht betroffen gewesen war. Nun... er war eben der Auserwählte dieser Waffe. Sein Schwarzer Anhänger jedoch war ganz oben auf dem Stapel, und Mava hängte ihn sich um.

Mava suchte sich weitere Dinge heraus, die ihn zusätzlich stärker machten. Eine rustikale Axt, und eine weitere, die nicht ganz so schwer war. Ein violettes Schwert gefiel ihm auch, aber er hatte nur zwei Hände. Irgendwie gefielen ihm Äxte mehr! Also steckte er sich eine in den Gürtel, den er extra für diese Gelegenheit umgelegt hatte, und hielt die klobigere in der Hand.

Er fand so etwas wie eine schwirrende Lichtkugel, die er erstmal gar nicht als Ausrüstung deutete, doch als er danach griff, schwirrte sie hoch und blieb etwa auf Brusthöhe vor ihm, wie ein Anhänger. Es musste ein Feenartefakt sein, doch er konnte es auch benutzen. Das traf bei weitem nicht auf alle Dinge zu, die zu seinen Füßen lagen. Er spürte, wie die Kraft der Gegenstände ihn durchströmte und geradezu überflutete. Rasch trat er aus dem Haufen heraus, denn einige der Gegenstände waren nicht für einen Lichtmagier geeignet. Das, was er nun bei sich hatte, reichte auch aus. Er bewegte sich auf den Fünfgötterdrachen zu.

Inzwischen hatte auch Appi Mava antdeckt. Von Slifers Kopf aus starrte er entsetzt zu ihm herunter. [Mava! Was hast du vor? Bist du verrückt? Neo, tu doch was!] Die Botschaft kam telepathisch, man hätte sie bei dem herrschenden Lärm wohl auch sonst nicht verstanden.

Doch Appi konnte sich nicht weiter um seinen Bruder kümmern, denn der Drache attackierte ihn und Slifer wieder. Mava schenkte ihm deshalb keine weitere Beachtung. Er wollte seinen Angriff losschleudern, doch auf einmal hing Eria an seinem Arm, die junge Schülerin von Crimson.

„Nicht!“ jammerte sie. „Denk doch an Runa!“

Mava verdrehte innerlich die Augen. Ein Angriff des Fünfgötterdrachen erschütterte den Boden und warf ihn samt Eria von den Füßen. Neben ihm entstand ein bedrohlicher Riss, und ihm wurde bewusst, dass er sich auf einer der Landeplattformen befand, die sich frei über dem Berghang befanden. Das durfte einfach nicht wahr sein – da hatte er eine Angriffskraft von über 5000 und stürzte hilflos den Berg runter!

Eria kreischte, als der Boden sich gefährlich neigte. Sie klammerte sich an Mavas Handgelenk fest und er hielt zugleich ihres. „Steh auf!“ schrie er über das Getöse hinweg. Der Boden kippte und fiel. Beide stießen sich stolpernd von der Platte ab, und Mava schlug mit der Axt nach der Kante, von der sie abgebrochen war. Die Klinge drang tief in den Stein und... schnitt hindurch wie durch Pudding! „Das kann doch nicht---!“

„Mavaaaa!“ Neo wollte ihm helfen, wurde jedoch in einen Kampf verwickelt und hatte Mühe, sich selbst zu helfen.

Mava verlor den Boden unter den Füßen. „Uuaaaaah!“ Er wandte sich nach unten, um sich im Fallen irgendeine Lösung einfallen zu lassen, doch ein weißer Drache flog plötzlich unter ihnen heran. Mava und Eria landeten etwas ungeschickt auf ihm und mussten einander dabei helfen, sich richtig hinzusetzen. Mava ließ das Mädchen vorne sitzen, da sie kleiner war.

[Hey, passt bloß mit dieser Axt auf!]

„Crimson?“ Eria beugte sich an seinem Hals nach vorne.

Der Drache warf ihr einen bestätigenden Blick zu. [Ich hätte vorhin fast meinen Ring verloren, Mava, das war unhöflich! Sei froh, dass ich ihn behalten konnte!]

Mava dachte schon, damit wäre seine Mission zum Scheitern verurteilt. Doch entgegen seiner Erwartung flog Crimson nicht aus der Reichweite des Fünfgötterdrachen fort, sondern darauf zu.

[Eria. Setz dich hinter Mava. Er wird bewusstlos, wenn er...]

„Nein, nicht nötig.“

[Aber... Mava!]

„Nicht nötig.“ Mava riss beide Hände samt Axt über seinen Kopf, und sogleich bildete sich zwischen ihnen ein blitzendes Licht. Er konzentrierte sich einige Sekunden lang. Als Crimson dicht an dem Fünfgötterdrachen vorbei flog, der sich in einem heftigen Kampf mit Slifer befand, entließ er den Blitz, und für einen Moment war das Schattenreich an dieser Stelle in gleißendes Licht gehüllt... eigentlich viel zuviel für einen einzigen Mann.
 

Mava hatte für einige Sekunden die volle Aufmerksamkeit aller in der Nähe befindlichen Personen. Die Kämpfe kamen kurz zum Erliegen.

Appi ließ seine Hände entgeistert auf Yugis roten Drachenkopf sinken, und damit auch die Stange seiner neuen Sense. „Mava... er hat's wirklich getan...“

[Und Crimson hat ihm geholfen. Er hat wohl eingesehen, dass der Drache nicht von einem Lichtmagier verletzt werden kann, wenn er gegen Licht unempfindlich ist. Nichtmal ich konnte etwas ausrichten.]

„Du bist ja auch streng genommen nicht Slifer, sondern nur sein Avatar.“

[Ha-ha. Jedenfalls würde der Drache ja auch nicht sterben, sondern halt verschwinden, oder?]

„Naaa... nehme ich an. Aber verletzt könnte er werden.“

Der Fünfgötterdrache war gar nicht mehr da, als alle wieder richtig sehen konnten. Auch Yugi hatte reflexartig die Augen geschlossen, als Mava angegriffen hatte, obwohl er als Verkörperung eines Göttermonsters vielleicht gar nicht geblendet worden wäre. Wie auch immer... er war froh, dass sein Gegner fort war, denn der Kampf hatte ihn ziemlich mitgenommen – schließlich war diese Verwandlung nichts, was er mal eben so üben konnte oder wollte. Deshalb war ihm Appi eine große Hilfe, indem er ihn beriet und unterstützte.

„Da kommt Crimson ja angeflogen! Der hat aber gut fliegen gelernt.“

[Naja, er kommt noch ab und zu aus dem Takt. Sieh mal! Die feindlichen Krieger hauen ab! Ist ja auch immer so, wenn der Obermotz besiegt ist, was?“]

„Aber der Obermotz ist doch Sorc... oder Malice. Wo sind die überhaupt?“

[Sind die nicht vorhin durch dieses Dimensionstor geflohen?]

Crimson landete ganz dreist auf Yugis riesigem Hals, ließ seine Passagiere absteigen und verwandelte sich zurück. „Wirklich mal, Yugi... du denkst so laut, dass dich jeder, den es interessiert, einfach belauschen kann! Hat dir Blacky nichts beigebracht? Hahahaaa! Aber zu deiner Information, die beiden Idioten sind wirklich verschwunden. Blacky ist ihnen nach.“

[Was?!] Musste man sich jetzt Sorgen machen, und wenn ja, um Blacky oder die beiden Bösewichte? Etwas vibrierte förmlich auf seinen Schuppen. Es war nicht unangenehm, eher... aufputschend. [Mava, kommt das von dir?]

„Was denn?“

[So'n komisches Gefühl...]

Der Lichtmagier grinste. „Schon möglich, dass sich all die Angriffspunkte komisch anfühlen, hahahaha!“

„Aber sagt mal... dann war diese Runa jetzt doch nicht mit dem Drachen verschmolzen, oder? Zumindest hat es ihm nichts genützt,“ stellte Appi fest. „Die Frage ist nur... hat er sie dann---“

„Schweig!“ unterbrach Crimson, bevor Appi etwas sagen konnte, das er nicht hören wollte. „Im Nachhinein könnte ich mir vorstellen, dass Sorc uns das nur vorgegaukelt hat, damit wir den Fünfgötterdrachen nicht angreifen. Aber Runa hätte gewiss nicht gewollt, dass wir ihretwegen Opfer in Kauf nehmen...“

Er sprach, als hätte er bereits ihren Tod akzeptiert... dabei war das auch nicht einmal sicher. Yugi flog umher und jagte die fliehenden Krieger von Sorc davon, als würde er sich aus Langeweile irgendwie beschäftigen wollen. Er hatte wieder diese eher rücksichtslose Art angenommen, die auch bewirkte, dass er seine Verletzungen kaum bemerkte, doch so langsam ließ der Kampfrausch nach. [Mava, bist du in Ordnung?]

Der Blonde hielt die Axt fest, als hätte er sie liebgewonnen. „Aber ja, wieso?“ Er grinste frech, also wüsste er genau, was die Frage sollte.

Sonst war er immer ohnmächtig geworden, wenn er soviel Kraft einsetzte, aber das kam vielleicht noch. Allerdings konnte Yugi die Macht um Maha Vailo herum pulsieren spüren wie die Kraft eines Erdbebens. Und doch hatte der Magier alles unter Kontrolle. Faszinierend. Er schien auch nicht zu befürchten, demnächst umzukippen, tatsächlich sah er sehr zufrieden mit sich aus.

„Lucranda hat mich ein paar Dinge gelehrt. Sie konnte in den paar Tagen keine Wunder vollbringen, aber sie wird wohl zufrieden sein,“ erklärte Mava.

Yugi landete nun vorsichtig auf dem Platz vor der Burg, wobei er warten musste, dass man ihm Platz machte. [Geht mal alle von mir runter, damit ich mich zurückverwandeln kann.]

Das taten sie. Mava ging es offensichtlich gut. Appi landete auf dem Boden und wandte sich sogleich seinem Bruder zu, und auch Neo kam herangeeilt. Crimson blieb einfach mit Eria stehen, wo er war.

Yugi verwandelte sich zurück, auch wenn er irgendwie gar keine Lust dazu verspürte, doch sein Verstand sagte ihm, dass es Zeit wurde. Als er dann wankend auf seinen eigenen Beinen stand, schmerzte sein ganzer mit roten Schuppen übersäter Körper und ihm wurde schwindelig. Etwas hatte sich verändert, aber er konnte nicht bestimmen, was es war.

„Yugi... stütz dich an mir ab!“ Das war Eria. Während sie ihm unter die Arme griff, damit er nicht hinfiel, wühlte Crimson in seiner Tasche und holte ein kleines Fläschchen hervor. „Hier, trink. Das wird dich stärken und deine Wunden erstmal notdürftig heilen.“

„Wunden?“ Yugi schluckte, weil der Magier ihm den Trank regelrecht einflößte. Lecker war was anderes. Doch dann schaute er rasch an sich herunter. „Oh... oh!“ An seinem linken Arm lief Blut herunter, an seiner Hüfte brannte etwas und generell hatte er überall kleine Kratzer und Prellungen. Der untere Teil seines Rückens kribbelte, als Crimsons Medizin wirkte und dort eine Verletzung provisorisch heilte. Auf Höhe des Bauchnabels, wo die Schuppen statt rot schwarz waren, waren jetzt einige ebenfalls frisch verschlossene Bisswunden zu sehen. Yugi fühlte sich noch schwächer statt gestärkt, doch er wusste, dass auch Heiltränke Energie des Anwenders verbrauchten.

Eria legte ihm einen Umhang um. Yugi wunderte sich, erkannte dann aber, dass es Appis war. Der junge Magier hatte kurz seine Aufmerksamkeit von Mava abgewendet und bemerkt, dass sein Freund nackt war. Yugi wickelte sich bereitwillig in das Kleidungsstück ein.

Langsam beruhigte sich alles. Zahlreiche Feenkrieger und Harpyien landeten überall. Drachen in ihrer verkleinerten Gestalt saßen auf den Schultern von Kriegern, die gerade noch auf ihnen geritten waren.

„Lucranda hat mich gelehrt, die Energien meiner Umwelt anzuzapfen, statt meine eigenen zu verbrauchen,“ erklärte Mava. Die Stimme drang wie von weit her an Yugis Ohr. Er hatte das Gefühl, er müsse gleich ohnmächtig werden. Und dann wusste er, was hier nicht stimmte. „Yami! Ich habe die Verbindung zu Yami verloren!“

Die Gruppe um ihn herum verstummte, und alle sahen ihn entsetzt an. „Was bedeutet das?“ fragte Neo. „Ist ihm etwas passiert? Oder... irrst du dich vielleicht?“

„Ich... ich weiß nicht...“ Yugi fasste sich an die Stirn. Sein Zustand besserte sich langsam, als ob die Erkenntnis ihn heilte, doch insgesamt fühlte er sich noch immer ganz fertig. „Vielleicht trägt er das Puzzle nicht mehr... aber er legt es immer ab und zu ab, beim Duschen oder so... daran kann es also nicht liegen.“

Dark tauchte neben Yugi auf. „Yugi... es gab ein Tor, vielleicht zu deiner Welt. Blacky ist Sorc und Malice hindurch gefolgt.

Der Junge schaute ihn ganz verwirrt an. „Wirklich? Aber... das hab ich gar nicht gemerkt, ich meine... hätte ich das nicht merken müssen?“

„Nicht, wenn du Slifer warst. Das lässt dich anders denken. Kann also gut sein, dass du in diesen Momenten nichts von Yami spürst,“ mutmaßte Dark. „Ich habe leider keine vergleichbare Verbindung mit Blacky. Hoffentlich ist ihm nicht zu gestoßen...“

„Wenn jemand da drüben klarkommt, dann er,“ meinte Crimson. „Doch woher kam dieses Tor? Wurde es von drüben geöffnet?“

„Wäre wohl möglich, schließlich hat Bakura mich ja auch hergeschickt... dann kann Yami vielleicht... oh!“ Yugis Augen weiteten sich erschrocken. „Was wäre denn, wenn er es geöffnet hat? Muss Yami dann nicht hier sein?“

„Ich würde mir viel mehr Sorgen darum machen, dass die Verrückten jetzt wohl in deiner Welt sind,“ gab Crimson zu bedenken.

„Ach, ich hätte doch gehen sollen!“ ärgerte sich Dark.

Sein Cousin warf ihm einen finsteren Blick zu. „Du weißt, dass du das nicht geschafft hättest. Hier, Yugi, sag es ihm!“ Er schnappte sich Darks rechte Hand und zeigte Yugi die fehlenden Fingerkuppen. „Das hätte böse enden können.“

„Das ausgerechnet von dir?“ Dark versuchte halbherzig, sich zu befreien.

„Ja aber... Blacky ist doch nichts Schlimmes passiert, oder? Und... Yami?“ fragte Yugi zögernd. Um Sorc und Malice wäre es ja nicht schade gewesen.

„Das Tor war für kurze Zeit offen und brach dann zusammen,“ erklärte Crimson. „Als du es versucht hast, Dark, war es schon zu spät, aber es kam auch keiner von der anderen Seite durch... jedenfalls nicht, solange ich das beobachten konnte.“

Yugi merkte, dass er zu zittern anfing. „Oh nein... wenn nun Yami etwas zugestoßen ist?“

In dem Moment kam Zeratos Sendbote Merkur zu ihnen. „Yugi, Dark, ihr alle... kommt schnell, unsere Soldaten haben zwei fremde Individuen aufgegriffen. Gerfried meint, das wären deine Freunde, Yugi.“

Sie warfen einander verwunderte Blicke zu und folgten dem Feenmann dann eilig.
 

Das Tor hatte sie direkt in eine Schlacht ausgespuckt. Aber hatten sie etwas anderes erwartet? Joey sah zu, dass er aus dem Weg kam, wobei Kaiba dicht an seinen Fersen blieb. Yami war nirgends zu sehen, doch sie konnten nicht nach ihm suchen, sondern mussten sich darauf verlassen, dass er schon zurechtkommen würde.

„Da drüben!“ Seto deutete zu einer Stelle, wo Slifer der Himmelsdrache in einem Kampf mit dem Fünfgötterdrachen zu sehen war. Auf ihm ritt jemand! Dann wurde die ganze Szenerie auf einmal grell erleuchtet, und sie mussten sich beide abwenden.

„Kaiba, komm hier rüber, oder wir werden versehentlich gemeuchelt!“ rief Joey. Sie konnten nicht einmal sicher sein, welche Krieger hier auf Yugis Seite waren und wer der Feind. Obwohl... der Zombie, der jetzt gerade zu ihnen schlurfte, sah nicht sehr vertrauenerweckend aus!

Seto hielt eine Karte hoch. „Weißer Drache!“

Es funktionierte nicht, schließlich waren sie hier nicht in einem Computerspiel. Leider hatte keiner von ihnen eine Dueldisk mitgenommen, aber das hätte wohl eh nichts gebracht. Doch Joey fühlte sich mit dem Ding immer irgendwie besser.

Joey verlegte sich auf rohe Gewalt, als der Untote sich näherte. Er ballte die Fäuste und trat nach dem wandelnden Skelett. Zu seinem Entsetzen durchbrach sein Fuß den gammeligen Brustkorb und blieb stecken. Er fiel hin und das Ding griff nach seinem Hals. „Kaiba, tu doch was!“

„Ich hab hier selber ein Problem, Wheeler!“ kam die Antwort.

Endlich erbarmte sich jemand und schlug den Zombie beiseite. Joey sah, dass das Gerippe in Flammen aufging und zu Asche zerfiel, als jemand aus dem Hintergrund einen Feuerball darauf abschoss, dann wurde auch Seto von seinem Angreifer befreit.

Vor ihnen stand eine geflügelte Kriegerin, nein, eine Harpyie. Sie runzelte die Stirn. „Euch kenne ich irgendwo her... aber wenn ihr keine Waffen habt, solltet ihr reingehen und den Heilern helfen! Oh...“

Gerade als sie das sagte, wurden auf dem Schlachtfeld triumphierende Rufe laut. Eine Anzahl an Drachen mit Reitern verzog sich eilig, und feindliche Krieger, die nicht fliegen konnten und keinen Drachen fanden, ergaben sich lieber.

Seto trat vor. „Wir suchen Yugi. Weißt du, wen ich meine?“

Sie widmete ihm wieder ihre volle Aufmerksamkeit. „Was wollt ihr von ihm? Ich habe euch hier noch nie gesehen...“

„Haryielle, gibt es ein Problem?“ Eine Frau, die Joey als Amazone einordnen konnte, hatte die Frage gestellt.

„Ich habe zwei Fremde entdeckt... sie sehen harmlos aus, aber ich kenne sie nicht... oder nicht besonders gut,“ sagte Haryielle.

Rasch sahen sich die beiden von einer ganzen Gruppe von imposanten Kriegern umringt, und Joey dämmerte, dass man sie vielleicht für Feinde hielt.

„Holt Yugi her, diese Leute sind Freunde von ihm,“ ordnete jemand im Hintergrund an, und dann drängelte sich derjenige zu ihnen durch. Vor Joey tauchte ein Muskelberg mit langen, schwarzen Haaren auf, der ihn um fast einen Kopf überragte und so breit war wie die beiden Neuankömmlinge zusammen. Der Krieger legte ihm feierlich eine Hand auf die Schulter und warf ihn dabei beinahe um. „Willkommen, Joey Wheeler.“

„Öhm... Gerfried!“

Ein schwarzer Mini-Drache landete auf Gerfrieds Schulter und zischte Joey freundlich an. Der Krieger selbst schien sich sehr zu freuen, weil man ihn erkannte. „Dann muss dein Begleiter wohl Seto Kaiba sein. Yugi hat oft von euch erzählt. Kommt, er muss dort hinten irgendwo sein.“

Slifer war jetzt nicht mehr zu sehen, und auch der Fünfgötterdrache nicht. Seto und Joey folgten Gerfried, der sie quer über ein Schlachtfeld führte. Sehr zu seiner Befriedigung bemerkte Joey, dass selbst Seto Kaiba hier ziemlich ins Staunen geriet. Beide erkannten sie mehrere Kämpfer wieder, aber auch Harpyien, Feen und Magier waren überall zu sehen. Sie beseitigten die Reste von Zombies oder führten Gefangene ab.

Auf halbem Wege sprang ihnen plötzlich Yugi entgegen. „Seto! Joey! Mann, wie cool, dass ihr hier seid!“ Er trug schwarzes Lackleder mit vielen Schnallen, die teilweise nicht richtig geschlossen waren, so als hätte er sich eilig angezogen. „Ist Yami auch mitgekommen? Und wie seid ihr überhaupt hierher gelangt?“

Seto nahm sich die Zeit, Yugi fest in die Arme zu schließen, während Joey sich damit begnügte, ihm kumpelhaft die Schulter zu tätscheln. Mann, der Junge hatte ja Schuppen wie Yami!

„Ihr habt euch sicherlich viel zu erzählen,“ meinte ein Mann, den sie als den Schwarzen Magier erkannten. Neben ihm stand ein anderer Schwarzer Magier, nur in Rot, und ein paar andere, die offenbar mit Yugi befreundet waren.

„Warum geht ihr nicht in den Speisesaal oder so, da habt ihr Ruhe,“ schlug ein Blondschopf vor, der so ein ähnliches Outfit trug wie der Schwarze Magier.

„Wartet,“ hielt Seto die anderen auf. „Wir dachten, Yami wäre direkt hinter uns. Habt ihr ihn hier nicht gesehen?“

„Vielleicht hat er es nicht geschafft,“ meinte Joey. „Er war doch ziemlich angeschlagen.“

Seto ging nachdenklich auf und ab. „Denk doch mal nach, Wheeler. Hast du unterwegs durch dieses... Ding... irgendwas gesehen? Mir war, als wäre uns etwas oder jemand entgegen gekommen...“

„Sorc und Malice sind von hier aus durch, und dann Blacky,“ warf der weißhaarige Magier sofort ein. „Vielleicht ist Yami nicht mit euch gekommen, weil vorher diese Typen auf seiner Seite raus kamen.“

„Ich hab auch was bemerkt, konnte aber kaum was erkennen,“ musste Joey zugeben. Er war mehr damit beschäftigt gewesen, seinen Weg in diesem Strudel zu finden. Nicht dass er groß eine Wahl gehabt hätte, wohin er flog...

Yugi zeigte ihnen den Weg nach drinnen, doch kurz bevor sie das Gebäude erreichten, kam auf einmal wieder Bewegung in die versammelten Krieger draußen auf dem Platz. Kurz darauf bebte der Boden unter einem neuen Ansturm von der anderen Seite.

„Verdammt, es ist noch nicht vorbei!“ Yugi nahm einen grünen, kleineren Zauberstab von dem Blonden entgegen, und Joey bemerkte fasziniert, dass sein Freund sich unter all den Duel Monstern bewegte, als wäre er einer von ihnen.

Am Himmel verdunkelte ein gewaltiger Schatten bedrohlich die Szenerie, und weiter hinten wurde wieder Kampflärm laut. Es sah ganz so aus, als müsste das klärende Gespräch noch etwas warten...
 

***
 

Malice hatte die ganze Zeit auf diesen Moment gewartet. Natürlich störte es ihn einigermaßen, dass sein Arm gebrochen war, aber das war ein geringfügiges Problem, um das sie sich später kümmern konnten.

Sein letzter Versuch war gescheitert – neulich, als die Magier aus Darks Burg Kontakt mit dem Pharao aufgenommen hatten. Mit all den Ausrüstungsgegenständen, die sie später für Mava benutzt hatten, hatten er und Sorc die Gruppe auf der Astralebene angetroffen und angegriffen, um sie bei der Gelegenheit zu erledigen. Doch sie waren vor allem an Blacky gescheitert, und an Madoor mit seinem Schutzfeld. Sorc hatte dann allerdings seine Chance genutzt und sich in den Geist seines geschwächten Sohnes eingeschlichen. Das war für ihn eine leichte Aufgabe – er hatte derartige Zauber schon oft verwendet, und bei jemandem wie seinem eigenen Kind war es leicht... wenn auch nicht ganz so leicht wie anfangs vermutet, wie sich ja dann herausstellte.

Aber auch Malice hatte so etwas drauf – er hatte Black Skill beeinflusst, als er ihm auf seinen Wanderungen begegnet war, noch vor seiner Allianz mit Sorc. Damals hatte er natürlich noch nicht gewusst, wer der Penner war, auf jeden Fall erwies er sich als leichtes Opfer und Malice hatte festgestellt, dass er wohl von seinen zahlreichen Benutzungen des Millenniumsstabes diese Gabe behalten haben musste. Doch es klappte wirklich nur bei arglosen, unachtsamen Personen, die in ihm keine Gefahr sahen. Und damals... nun, da war er neu hier gewesen und hatte wohl hilfsbedürftig gewirkt, etwas, das er schnell geändert hatte.

Doch noch eine Fähigkeit hatte Malice hier im Schattenreich, und die machte ihn zu einem wertvollen Verbündeten für Sorc – dachte der Magier jedenfalls, jedoch war es Malice, der ihm eingeredet hatte, dass die Eroberung der anderen Welt eine tolle Idee wäre. Er brauchte Sorc nämlich auch. Denn Malice hatte keine eigenen magischen Kräfte oder besonderen Kampfkünste auf Lager, jedoch die Gabe, dass er ein Weltentor, dass sich öffnete, zu seinen Zwecken manipulieren konnte. Deshalb hatte er Situationen provoziert, die klein Yugi in Gefahr brachten, damit der Pharao ihm zu Hilfe eilte! Er wollte, dass sich ein Tor auftat, und dann in der Nähe sein und es nutzen. Beim ersten Versuch, als er es aus der Entfernung versucht hatte, war er ja gescheitert. Doch jetzt...!

Sorc und er rechneten damit, dass von der anderen Seite jemand das Tor durchqueren wollte, aber das störte sie nicht, im Gegenteil, sie rechneten fest damit! Zwei Gestalten huschten an ihnen vorbei, als sie durch die kosmischen Wirbel zwischen den Welten reisten, den Sog durchquerten, der zur Welt des Blauen Lichts führte. Uninteressant. Doch der dritte hatte einen Millenniumsgegenstand. „Da! Schlapp ihn dir, Sorc!“

Der Chaosmagier hatte nur eine Hand frei, da er sich mit der anderen an Malice festhielt. Doch sein Griff erwischte den Träger des Millenniumspuzzles zielsicher, es war schon fast zu schön, um wahr zu sein!

Der Pharao sah seltsam aus, mit roten Schuppen und alledem... aber das war wohl auch kein Wunder, wenn Yugi noch eine gewisse Verbindung zu ihm hatte. Sehr interessant, daher also war die ganze Zeit ein leicht geöffnetes Tor zu spüren gewesen.

„Lass ihn los!“

„Was...?!“

Jemand hatte Sorc am Bein gepackt. Oha, dieser Sohn von ihm war ihnen gefolgt. Beide traten sie nach ihm und wurden ihn auch los, aber er reiste noch immer mit ihnen und startete einen neuen Vorstoß. Malice brachte das Tor in Bewegung, so dass Blacky abgetrieben wurde, und hielt mit seiner gesunden Hand Sorcs noch fester. Das Tor spuckte sie aus und kollabierte. Malice landete ungeschickt auf seinem gebrochenen Arm und stöhnte auf, doch der Schmerz war für einen Irren wie ihn nur ein Ansporn.

„Hiergeblieben!“ Sorc hechtete hinter dem Pharao her und überwältigte ihn mühsam. Der Kerl war stark in dieser halben Slifer-Gestalt, das musste man ihm lassen! Er fluchte und schimpfte, während Malice sich fragte, ob er wohl unter dem violetten Morgenmantel noch anderweitig bekleidet war...

Es gelang Sorc schließlich, den Gefangenen zu betäuben und ihm das Millenniumspuzzle abzunehmen. Er gab es Malice, da er gar nicht wusste, was er damit anfangen sollte. Die beiden Männer standen auf und sahen sich um. Es war dunkel und sie schienen sich am Hafen von Domino-City zu befinden. Malice grinste. Perfekt!
 

***
 

Blacky wurde mit dem Wirbel weggeschleudert, nachdem er den Halt an Sorcs Bein verloren hatte. Er vermutete, dass Malice das Weltentor irgendwie manipulierte, doch er konnte nichts dagegen tun, sondern nur versuchen, es heile zu überstehen.

Das Tor entließ ihn auf eine Wiese. Er stolperte hinaus und fiel lang hin. Es war dunkel in der Gegend, aber in regelmäßigen Abständen brannten Lichter auf hohen Stangen. Aus der Entfernung waren laute Geräusche zu hören und viele Stimmen. Blacky brauchte eine Weile, um sich zu orientieren und wieder klar im Kopf zu werden.

Über ihm leuchtete ein halber Mond. Faszinierend. Er hatte davon gehört, aber noch nie so etwas im Original gesehen. Die Städte der Welt des Blauen Lichts kannte er hauptsächlich aus Berichten von Leuten, die von hier gekommen und im Reich der Schatten geblieben waren. Er selbst hatte weit weniger Gelegenheit gehabt, so etwas zu sehen. Aber das war jetzt nicht die Zeit, um die Schönheiten der Landschaft zu bewundern.

Blacky fühlte sich angestarrt und drehte sich um. Zwei Jugendliche standen da, Jungen etwa in Yugis Alter. Angst schienen sie ja nicht vor ihm zu haben, aber ihre Münder standen vor Staunen offen. Nun, vermutlich sahen sie jemanden wie ihn nicht jeden Tag. Hatten sie gesehen, dass er durch ein Weltentor gekommen war?

„Voll krasses Kostüm!“ sagte der etwas dickere von den beiden schließlich.

„Oh, äh... danke,“ entgegnete Blacky. Anscheinend dachten sie sich gar nichts weiter dabei.

„Kommst du von der Spieleconvention?“ wollte der andere wissen. Er war auch kleiner und hatte hellere Haare.

Da Blacky nicht sofort antwortete, ergriff der dickere Junge wieder das Wort. „Glaub ich nicht, er ist doch ein Duel Monster. Aber die Con ist doch nur für Rollenspieler!“

„Das hält doch die Cosplayer nicht ab! Außerdem sind auch immer Duellanten da!“

Blacky reagierte instinktiv. „Hehe, jaaa, du hast ganz Recht... äh... ich wollte dorthin, aber ich stamme nicht von hier, daher hab ich mich verlaufen. Wisst ihr, wo... Yugi Mutou wohnt?“ Seine Stimme bekam etwas Verschwörerisches. „Ihr wisst doch, ich bin in seinem Deck, deshalb wollte ich ihn mal besuchen.“ Yugi kannte doch bestimmt jeder, schließlich war er der amtierende Champion.

Die Jungen sahen sich ratlos an.

„Oder vielleicht Seto Kaiba? Pegasus?“ versuchte Blacky es.

„Pegasus ist auf der Spieleconvention als Ehrengast,“ sagte schließlich der größere Junge. „Wusstest du das etwa nicht? Komm mit, wir zeigen dir den Weg!“

Blacky folgte den Jugendlichen. Er war anscheinend in einem Park gelandet, den sie nun verließen. Leider zeigten sie ihm den Weg insofern, als dass sie ihm beschrieben, wohin er gehen musste. Mitkommen wollten sie nicht. So blieb Blacky allein zwischen Lichtreklamen und stark befahrenen Straßen, denn all die vielen Menschen waren ihm fremd.

Doch ein Chaosmagier ließ sich von solchen Kleinigkeiten nicht abhalten. Er ging den beschriebenen Weg, fand sich jedoch bald immer wieder von Leuten aufgehalten, die darum baten, ihn fotografieren zu dürfen, und sein 'Kostüm' bewunderten. Als er dem Ziel näher kam, begegneten ihm echte Cosplayer. Erst dachte er, jemand anderes aus dem Reich der Schatten wäre auch hier, doch nur auf den ersten Blick, zumal sich die Mädchen, die er für Feen gehalten hatte, auf ihn stürzten, um ihn zu fotografieren. Das war ihm gänzlich neu, doch er begriff schnell, dass die Welt des Blauen Lichts andere Methoden hatte, um Bilder zu konservieren, als seine Heimat. Irgendwann bemerkte er, dass er einfach den kostümierten Menschen und solchen mit den knallgrünen T-Shirts folgen musste, auf denen das Logo der Spieleconvention prangte. Es war ein Abenteuer für sich. Und dabei war es nicht einmal sicher, dass es ihm half, dorthin zu gehen.

Schließlich gelangte er zu einem Gebäude, das offenbar der Austragungsort der Veranstaltung war, ein großes Tagungshotel. Er marschierte einfach hinein, wurde aber von der Frau an der Rezeption aufgehalten: „Verzeihung, um diese Zeit ist der Eintritt zwar frei, aber trotzdem musst du deine Waffe hier abgeben.“

„Äh, was?“

„Bist du zum ersten Mal hier?“

„Ja, ähm... gerade erst aus dem Reich der Schatten gekommen.“

Die Dame lächelte verständnisvoll. Sie trug ein gelbes Shirt, das sie als Mitarbeiterin der Veranstaltung auswies. „Aus Sicherheitsgründen müssen alle sperrigen Waffen am Eingang abgegeben werden. Das soll auch vermeiden, dass deine Sachen beschädigt werden.“

„Ah... ach so, verstehe...“ Blacky gab ihr seinen Stab und wollte sich schon abwenden, doch sie hielt ihn noch zurück und gab ihm ein Stück Papier, das dazu dienen sollte, seinen Stab wieder abholen zu können. Mann war das kompliziert. Er sah zu, wie sie sein Eigentum zu vielen verschiedenen anderen stellte, die auf die Entfernung fast echt wirkten. Auch Schwerter, Schilde und weitere Gegenstände lagerten hier.

„Willst du deinen Hut auch hier lassen?“ erkundigte sich die Frau. „Drinnen ist es ziemlich voll. Du behinderst vielleicht andere.“

Blacky beschloss, dass er vielleicht weniger auffiel, wenn er der indirekten Aufforderung nachkam. Er bekam einen weiteren Abholzettel und konnte dann endlich ins Innere, wo er sich auf die Suche nach Pegasus machte. Zwischenzeitlich fragte er sich, ob es nicht besser gewesen wäre, nach Yugis Haus zu suchen, aber andererseits war er einfach dem Wink des Schicksals hierher gefolgt, und auf diese Weise war er eigentlich immer ans Ziel gekommen. Dafür, dass er gar keinen Plan von dieser Welt hatte, fand er, dass er sich ganz gut durchschlug. Davon abgesehen war das alles wahnsinnig interessant. Überall spielten Gruppen von jungen Leuten Spiele auf großen, liebevoll gestalteten Spiellandschaften. Andere saßen an Tischen und spielten mit Hilfe von Notizen, die sie sich machten. „Ich greife mit einem Feuerzauber an, um den Schattenelf von meinen Freunden abzulenken,“ hörte er jemanden sagen. Wirklich schade, dass er keine Zeit hatte, sich alles in Ruhe anzusehen.

Er wand sich durch die Massen der Gäste und fragte immer wieder nach Pegasus. Dieser Teil seines Plans erwies sich als der schwierigste, denn die meisten wussten nicht, wo sich Pegasus aufhielt, und jene, die es wussten, erklärten ihm, dass er da nicht einfach hingehen konnte. Auch wurde er immer wieder dazu genötigt, eine coole Pose für ein Foto einzunehmen. Und so langsam bekam er Hunger, von Durst ganz zu schweigen.

Schließlich wurde es Blacky zu dumm, immer Leute zu fragen, die ihm eh nicht helfen konnten. Der Mann, den er suchte, war ein Duellant, und er hatte mit dem Reich der Schatten Kontakt gehabt, indem er einen Millenniumsgegenstand benutzt hatte. Das musste doch irgendwie ausfindig zu machen sein. Er suchte sich eine ruhige Ecke, schloss die Augen und konzentrierte sich. Es wäre zuviel gesagt gewesen, dass er gut darin war, sich auf etwas zu konzentrieren, aber wenn es sein musste...

Die vielen Besucher hier machten es ihm nicht einfach. Manche von ihnen waren auch Duellanten, ob nun in Duel Monsters oder einem anderen Spiel, und hatten daher eine starke Aura. Doch letztendlich fand er eine brauchbare Spur, der er folgen konnte. Mit Sinnen, die ganz auf sein Ziel konzentriert waren, schlängelte er sich durch die Menge, blind und taub für alles andere. Ein paar Leute, die ihn ansprachen, wurden ignoriert. Er passte nur einigermaßen auf, dass er niemanden anrempelte.

Doch es war nicht Pegasus, den er fand. Der weißhaarige Junge blickte von seinem Tabletop-Rollenspiel auf, als Blacky neben ihm stehen blieb. Die Figur, die er gerade hatte setzen wollen, verharrte in der Luft. Auf seinem pinkfarbenen Shirt stand 'Orga-Team' über dem Logo der Convention. Das Bild wurde durch ein Amulett in Form eines großen, goldenen Ringes mit einem Dreieck in der Mitte und herunter hängenden Spitzen teilweise verdeckt.

Nun ja... er hätte es schlechter treffen können.
 

***

Fortsetzung folgt
 

Mavas ATK:

Maha Vailo bekommt für jede Ausrüstungszauberkarte, mit der er ausgerüstet ist, 500ATK extra. Also wäre es sinnvoll, das Spielfeld voll auszunutzen – in einem tatsächlichen Kartenspiel könnte er 5 Stück benutzen. Das macht +2500ATK, er selbst hat 1550, also dann 4050.

Mava trägt 'Kraft der Magie', das er von Lucranda bekommen hat. Wie das Artefakt aussieht, weiß man nicht, auf der Zauberkarte sieht man eine Szene mit Magiern, die Beschwörungen aufsagen, also hab ich mir was ausgedacht. Kraft der Magie gibt dem ausgerüsteten Monster 500ATK (und DEF) für jede Zauber- oder Fallenkarte auf der Spielfeldseite des Spielers. Theoretisch könnte man eine Spielfeldzauberkarte dazuzählen, was aber in der Story unrealistisch wäre, also bleiben wir mal bei der Ausrüstung. Angenommen, Mava trägt insgesamt 5 Stück (einschl. Kraft der Magie), so macht das wieder +2500 = 6550.

Mava trägt folgende Ausrüstung außer Kraft der Magie: Elfenlicht, (+400ATK, -200 DEF), Schwarzer Anhänger (+500ATK), Glückseisenaxt (+500ATK) Axt der Verzweiflung (+1000ATK), macht +2400ATK, insgesamt dann also 8950ATK.
 

In einem Kartenspiel könnte man ihm statt Elfenlicht 'Gemeinsam sind wir stark' geben, was die ATK für jedes offene Monster, das man kontrolliert, um 800 erhöht, das ergäbe aber in dieser Geschichte keinen Sinn, oder welche Monster zählen dann? Dann eine Spielfeldzauberkarte, wie oben erwähnt, die dann Kraft der Magie noch unterstützt und vielleicht bewirkt, dass Lichtmonster oder Magier mehr ATK kriegen, und es gibt Effektmonster, die eine Erhöhung der ATK bewirken...

Naja, ich will damit nur sagen... es geht NOCH SCHLIMMER! XD

Sonnenschein

Etwas kürzer als die letzten beiden, aber dafür kann ich an einer Stelle (werdet ihr merken, haha!) mehr Spannung erhalten.

Es spielt ein Rare Hunter mit, weil ich nicht mehr weiß, wie die auf Deutsch heißen. Öhm... Raritätenjäger? Na diese Kuttenträger, die Malik benutzt hat.

Enjoy!
 


 

Welt des Blauen Lichts: Samstag Abend / Sonntag früh
 

Fremde Welten 61: Sonnenschein
 

Etwas ragte über der Feenburg auf. Alle spürten, dass es sich um etwas geradezu Monströses handelte. Sie liefen zum Rand der Landeplattform, um es sehen zu können. Ein schlangenförmiger, geflügelter Drache wickelte sich um den höchsten Turm. Er war riesig, fast so groß wie Slifer.

„Jemand greift uns von hinten an... sie müssen darauf gewartet haben, dass wir uns sicher fühlen!“ Dark griff nach Appis Schulter. „Bring Yugi und seine Freunde von hier weg!“

„Aber Dark, ich kann doch nicht einfach weglaufen! Ich werde mich gleich wieder verwandeln und dann---“

„Nein, Yugi.“ Der Magier sah ihn beschwörend an. „Du bist geschwächt. Die Verwandlung ist immer sehr anstrengend für dich.“

Mava hatte konzentriert nach oben geblickt. „Lasst mich das machen, ich dürfte das gleich erledigt haben!“

„Es ist der Regenbogenfinsternisdrache,“ bemerkte Seto. „Er hat 4000Atk.“

„Kein Problem, ich bin gerade mit dem Fünfgötterdrachen fertig geworden,“ versicherte Mava.

Aus der Burg kamen Feen heraus, offenbar auf der Flucht. „Wir brauchen da drin Soldaten! Sie kommen über die Balkone und Aussichtsfenster!“

Crimson fasste sich an den Kopf. „Hat die etwa keiner gesichert?“

„Ich gehe! Joey, tu nichts Dummes!“ rief Gerfried über die Schulter, während er schon in die Richtung rannte, aus der die Feen gekommen waren.

„Mava, warte!“ rief Yugi, als er sah, dass sein Freund die Axt hob und sich an deren Klinge ein Angriffszauber bildete. „Nicht! Er hat den Effekt, dass---“

Doch Mava schleuderte seinen Blitz bereits. Die Gruppe musste sich geblendet abwenden. Aber auch so konnte Yugi sich den Ausgang des Kampfes denken. Gleich darauf hörte er den Regenbogenfinsternisdrachen wütend brüllen, offenbar relativ unbeschadet von Mavas Angriff.

„Seine Angriffskraft steigert sich um 500 für jedes Finsternismonster, das der Spieler von seiner Seite oder aus seinem Friedhof aus dem Spiel entfernt,“ beendete Yugi seine Ausführungen.

Joey biss sich auf die Fingernägel. „Waaas? Aber... der greift uns jetzt an!“

„Er hat null Verteidigungspunkte,“ bemerkte Seto. „Lässt sich damit nicht was machen?“

„Ich würde jetzt erstmal in Deckung gehen!“ drängte Neo. „Kommt schon! Wir bieten hier ein zu gutes Ziel! Lauft auf die Burg zu!“

„Aber... von da kommen doch auch irgendwelche Angreifer...“ gab Eria zu bedenken.

„Lauf, oder du wirst gegrillt!“ ordnete Crimson an. Es war keinen Moment zu früh, denn als nächstes ging die finstere Attacke des Drachen dort nieder, wo sie eben noch gestanden hatten. Das Monster hatte wohl nicht genau gesehen, wer es angegriffen hatte, daher wurde einfach generell in der betreffenden Richtung alles nieder gemacht.

„Crimson, kannst du diesen Effekt von ihm ausschalten?“ rief Dark im Rennen seinem Kollegen zu.

„Sicher, aber ich müsste näher ran,“ schrie der Weißhaarige über das Getöse des Einschlags hinweg. Die Gruppe wurde von der Schockwelle von den Beinen gerissen und gegen die Burgwand geschleudert, wo sie sich erstmal benommen in eine sitzende Position brachten.

„Willkommen im Reich der Schatten, Seto und Joey,“ begrüßte Dark die Neuankömmlinge etwas verspätet und mit einem ironischen Unterton. „Ich bin Dark, und hier haben wir meinen Cousin Crimson, seine Schülerin Eria sowie die Brüder Mava, Neo und Appi.“ Alle nickten den beiden jungen Männern kurz zu und kommentierten es mit einem „hallo“, „freut mich“ oder ähnlichen Floskeln. Alle waren für die Duellanten aus der Welt des Blauen Lichts leicht an ihrer Kleidung zu erkennen, insofern konnte sich Dark die Erwähnung ihrer Kartennamen sparen.

„Ich fliege hoch,“ verkündete Crimson. „Dark, gib mir Deckung. Mava, wenn ich mit dem Effekt fertig bin, kannst du es nochmal versuchen.“ Er rappelte sich auf und verwandelte sich mit Hilfe seines Ringes in eine geflügelte Fee. Die Tasche mit den Tränken ließ er allerdings bei Eria.

Auch Dark ließ seine Flügel erscheinen. Niemand stellte Fragen, obwohl man Seto und Joey ansah, dass sie zu gerne wissen wollten, was die beiden Magier da machten – schließlich kannte man diese Fähigkeiten von ihnen in der Welt von Duel Monsters nicht.

Yugi hatte große Angst um die beiden. „Kann nicht Luster den Drachen einfach aus dem Spiel entfernen?“

„Könnte er wohl, wenn wir hier in einem holographischen Duell wären,“ nickte Dark. „Aber das ist nicht ganz so einfach, wie es klingt, und er würde irgendwann wieder erscheinen. Wir müssen ihn also besiegen.“

Beide Magier stießen sich ab und flogen dem Gegner entgegen. Die zurückbleibenden Freunde hatten Gelegenheit, sich etwas umzusehen. Inzwischen war wieder eine Schlacht im Gange: Der Feind hatte die Schicksalshelden geschickt! Die Kämpfe fanden außer auf dem jetzt ziemlich ramponierten Vorplatz auch in der Burg statt, wo Freed und seine Krieger sich ihnen stellten. Auch die Amazonen mischten mit. Zerato ließ seine Truppe bei der Evakuierung des Heilertraktes helfen. Sie stellten die Heiltränke sicher und brachten die Feen weg, die sich nicht aufs Kämpfen verstanden. In einiger Entfernung konnte Yugi die fliegende Festung der Feen entdecken, die Zuflucht im Himmel.

Mava konzentrierte sich mit geschlossenen Augen, und kurz darauf landete Silberschwinge in seiner Nähe. Er tätschelte den Hals des Drachen und wandte sich den Freunden zu. „Yugi, du solltest Seto und Joey am besten zur Zuflucht bringen.“

Yugi wollte protestieren, aber er wurde abgelenkt, weil Seto begeistert aufsprang und auf den weißen Drachen zu lief. „Der weiße Drache! Ha! Endlich mal einer, den ich kenne!“

Doch Silberschwinge zischte ihn böse an, als er versuchte, sie zu berühren. Seto blieb stehen.

Mava lächelte hintergründig. „Seto... sie nimmt es dir übel, dass du ihre Karte zerrissen hast!“

Seto war wie vom Donner gerührt. „Ja, aber... ich habe doch noch drei! Ist es denn nicht egal, welche man nimmt...?“

„Das mag sein, doch dieser Drache hier ist nicht dir gegenüber loyal, Seto. Es sind ihre Töchter und ihr Sohn, die erscheinen, wenn du dich duellierst!“

Joey fing an zu lachen und zeigte mit einem Finger spottend auf den Firmeninhaber. „Hahaha, das hast du nun davon! Geschieht dir sowas von recht!“

Mava gab keinen weiteren Kommentar ab, sondern stieg auf Silberschwinges Rücken, um einsatzbereit zu sein, wenn Crimson und Dark den Effekt des Regenbogenfinsternisdrachen für ihn beseitigt hatten.

„Ich rufe Diamantkralle, damit er euch zur Zuflucht bringt,“ kündigte Neo an. „Yugi kann einen Drachen fliegen, das sollte also kein Problem sein.“

„Wir lassen Yugi doch nicht im Stich! Gebt mir ein Schwert!“ Joey ballte entschlossen eine Hand zur Faust.

In dem Moment flog ein bewaffneter Krieger aus der ihnen am nächsten befindlichen Fensteröffnung, wobei er ein Stück der Wand mitnahm. Er blieb bewusstlos liegen.

„Ha, na bitte!“ Doch als Joey versuchte, das Schwert des Mannes an sich zu nehmen, erwies es sich als viel zu schwer für ihn.

„Ich meinte eigentlich, dass Yugi mit euch fliegen soll,“ stellte Neo klar. Inzwischen war auch Diamantkralle erschienen. Er war an der rechten Schulter verletzt, doch Neo äußerte sich dazu nicht. Schließlich hatten sie heute alle schon die ein oder andere Schramme abbekommen.

Seto zögerte nicht lange, sondern ging zu dem Drachen, der ihn nach kurzem Beschnuppern aufsteigen ließ. „Ich bin ein Duellant. Das wirst du gleich sehen,“ sagte er zu Neo und ließ Diamantkralle aufsteigen, ohne auf seine beiden Freunde zu warten. Doch er flog ihn in einen Angriff gegen die feindlichen Bodentruppen statt zur fliegenden Festung.

Yugi staunte. „Wow, ich hab bis heute nicht begriffen, wie genau man einen Drachen lenkt, sich überhaupt darauf hält...“

„Naja, Mister Arrogant hat es halt mit Drachen,“ murmelte Joey, ließ gefrustet das Schwert fallen und sah sich nach etwas Passenderem um. Letztendlich verlegte er sich darauf, die Feinde mit Steinen zu bewerfen, von denen ja genug herumlagen.

„Ihr seid alle bekloppft,“ murmelte Neo, doch ihm blieb keine Zeit mehr, sich um die Duellanten zu kümmern, denn das Kampfgeschehen holte die verbliebene Gruppe ein.

Yugi, Neo, Eria und Appi blieben in Joeys Nähe und kämpften sich durch, so gut sie es vermochten. Bald konnten sie weitere Gegner neben den Schicksalshelden identifizieren. Die Kämpfer der Finsteren Welt waren erschienen, und die Drachen, auf denen sie hergekommen sein mussten, verstrickten sich in wilde Schlägereien mit denen, die auf Yugis Seite waren. Lord Genesis, Black Luster und die beiden Gilfords hatten sich den besonders starken Feinden gestellt. Doch die Verteidiger waren bereits aufgerieben von der vorherigen Schlacht. Ihre Zahl sank zusehends, und viele waren damit beschäftigt, verletzte Verbündete in die Sicherheit der fliegenden Festung zu bringen. Diese wurde seltsamerweise nicht angegriffen.

Und dann waren da noch die Riesenmonster, die der Feind inpetto hatte... Yugi fragte sich, ob der Regenbogenfinsternisdrache wohl der Letzte seiner Größe war...
 

Mava kam Dark und Crimson auf Silberschwinge zu Hilfe, indem er dazu beitrug, die Aufmerksamkeit des gegnerischen Drachen von Crimson abzulenken. Zugleich war er in einer guten Position für seinen späteren Einsatz.

Crimson und Dark näherten sich dem Turm, den der Drache besetzt hielt. Crimson landete auf dem Dach, sobald er glaubte, für seinen Effekt nahe genug zu sein. Er konnte sehen, dass der Effekt dieses geflügelten Schlangendrachens wirksam war, und zwar ziemlich intensiv. Die Gegenseite hatte sich anscheinend ganz schön angestrengt, um die Angriffspunkte zu erhöhen.

Dark hielt sich in seiner Nähe und passte auf, dass ihn keine Querschläger trafen und dass der Drache abgelenkt war. So konnte Crimson sich in relativer Ruhe auf seinen Einsatz vorbereiten. Er hielt die Hand mit der Innenfläche voran vor sich und konzentrierte sich auf das Glitzern, als das sich der Effekt seinen Augen zeigte. Wie genau er es machte, war ihm nicht klar, spielte aber auch keine Rolle. Jedoch vergaß er, dass er ja immer einen Preis zahlen musste.

Der Schmerz ging diesmal heftiger als je zuvor durch seinen Körper. Crimson taumelte und fiel fast vom Dach. Er ging in die Hocke und hielt sich mit der freien Hand fest. Offensichtlich war es schwieriger, den Effekt eines so starken Monsters zu annullieren als den eines einfachen Magiers.

Der Regenbogenfinsternisdrache bemerkte ihn durch seine Tat. Jetzt ließ er sich durch nichts mehr von ihm ablenken. Er schlängelte sich vom Turm herab und kam auf ihn zu. Crimson ließ die Hand sinken und keuchte gepeinigt. Es fühlte sich an, als würde sein Körper von innen brennen.

Doch da flog Silberschwinge in sein Blickfeld. Es gab einen blendenden Blitz, als Mava seinen Angriff losließ. Crimson schloss die Augen und spürte, dass ihn zwei schlanke Arme packten.

„Hey... bleib bei uns, ja? Komm schon...“ Darks Stimme. Der Magier tätschelte seine Wange.

Crimson stöhnte auf. „Dark... was hast du mir... für einen... beschissenen Effekt gegeben!“

„Jetzt tu mal nicht so, als ob er dir nicht gefällt.“

„Die Schmerzen... stören ein bisschen.“

„Tut mir wirklich Leid, aber nur die wenigsten kriegen übermächtige Effekte ohne Kosten.“

Crimson sah wieder hin. Der Drache sank nach hinten und segelte von der Burg den Hang hinunter. Den waren sie dann wohl los. Mava flog mit Silberschwinge in Kreisen über ihm und überwachte den Vorgang. „Wir sollten wieder nach unten fliegen.“ Er testete seine Flügel und befand, dass er sich etwas wackelig fühlte, aber es musste reichen. Das Problem war nur, dass sie nicht einfach nach unten segeln konnten, sondern darauf achten mussten, nicht versehentlich von einem Krieger aufgespießt zu werden.

„Guck mal, wer ist denn das da?“ Dark deutete nach unten, wo eine hochgewachsene, schlanke Gestalt auf das Gebäude zu taumelte. Sie war ganz mit einem schäbigen, braunen Kapuzenumhang verhüllt, so dass man das Gesicht nicht sehen konnte.

„Vielleicht ein Verletzter? Oder ein Angreifer. Lass uns nachsehen.“

Die beiden segelten hinunter und fanden Platz zum Landen in der Nähe der geheimnisvollen vermummten Gestalt. Crimson verwandelte sich mit Hilfe seines Ringes wieder zurück, und beide gingen auf die Person zu. „Hallo? Alles in Ordnung?“

Die vermummte Person blieb stehen. „Crimson...?“ Die Stimme war die einer Frau. Sie griff an ihre Kapuze und schob sie nach hinten. Weißes Haar kam zum Vorschein. Das meiste davon verschwand unter dem Rest des Umhangs.

Crimson blieb wie angewurzelt stehen. „Runa!“
 

***
 

Yami kam wieder zu sich, schaffte es jedoch, sich dabei nicht zu rühren, denn er erinnerte sich rasch daran, dass er angegriffen worden war. Somit lag er still, während er langsam seine Umgebung wieder wahrnahm und sich orientieren konnte... naja, mehr oder weniger.

Es war ruhig in seiner direkten Umgebung. Und dunkel, denn es drang nicht viel Helligkeit durch seine geschlossenen Augenlider. Er wagte es, sie zu öffnen, und erblickte eine Wand. An seinem linken Knöchel war ein Gewicht. Er richtete sich auf und stellte fest, dass er dort angekettet war... die Kette führte zu einem schweren, noch verhältnismäßig handlichen Anker, der jedoch ausreichte, um ihn an der Flucht zu hindern. Er konnte ihn hinter sich her schleifen, aber so kam er nicht besonders schnell voran. Das Ding erinnerte ihn stark an jenen Fall, bei dem er Yugi fast verloren hätte.

Der Raum, in dem er sich befand, war eher klein... vielleicht ein ehemaliges Büro, denn es standen noch einige Möbel darin, die diesen Schluss zuließen, und ein paar Decken lagen auf dem Tisch. Sowas wie ein Bett gab es dagegen nicht. Wer auch immer ihn hier festhielt, gönnte ihm nicht besonders viel Komfort. Doch ihm war kalt, also wickelte er sich in eine Decke und breitete eine weitere auf dem Boden aus, um sich darauf zu setzen.

Unter dem besagten Tisch standen eine Packung mit sechs Zweiliterflaschen Mineralwasser sowie ein Karton mit Keksen und anderen haltbaren Lebensmitteln, die man so aus der Packung essen konnte. Es gab sogar einen Eimer, der vielleicht für seine Notdurft gedacht war. Na holla, wollte ihn da jemand am Leben halten? Vielleicht war er eine wertvolle Geisel!

Ein kleines Fenster befand sich oberhalb seiner Augenhöhe. Es war vergittert und ließ Licht herein, das wohl von irgendwelchen Beleuchtungsanlagen draußen kam. Manchmal war ein Schiffshorn zu hören, oder Rufe von Arbeitern und das Geräusch eines Krans oder ähnliches, insofern erkannte Yami schnell, dass er am Hafen sein musste, wahrscheinlich in einem Teil einer Lagerhalle.

Yami stellte fest, dass sein Aussehen sich seit vorhin nicht geändert hatte. Das beruhigte ihn doch, denn so konnte er sich bis zu einem gewissen Grad seinen Entführern widersetzen. Sein Morgenmantel war geöffnet worden, aber das Band war noch da. Vielleicht hatte es sich auch zufällig gelöst und er interpretierte einfach zuviel da hinein. Jedenfalls war er froh, dass er noch eine Schlabberhose darunter trug.

Das monotone Geräusch der nächtlichen Hafenarbeiten wirkte einschläfernd, zumal Yami durch die Verwandlungserscheinungen auch ziemlich erschöpft war. Er nickte in seiner Ecke an der Wand ein und erwachte erst wieder am Morgen, als jemand ziemlich rücksichtslos die Tür aufstieß.

Erschrocken wie er war, konnte er nicht vortäuschen, noch zu schlafen, und das war wohl auch gar nicht nötig. Die Person kam offenbar nur, um zu kontrollieren, dass bei ihm noch alles in Ordnung war. Der Mann vergewisserte sich, dass die Kette noch an Yamis Fuß war und auch sonst nichts darauf hindeutete, dass er demnächst abhauen könnte. Der Gefangene wartete mit klopfendem Herzen darauf, dass der Fremde wieder ging. Dieser erledigte mit ausdruckslosem Gesicht seine Aufgabe, verließ den Raum und schloss die Tür hinter sich.

Yami war nicht sicher, ob die Tür nun abgeschlossen war, aber mit dem Anker kam er eh nicht weit, und bevor er noch ins Hafenbecken fiel, blieb er lieber hier. Doch der Besuch des Mannes eben ließ ihn schaudern. Nicht etwa, weil er diesen Mann selbst fürchtete, sondern weil er jetzt wusste, wer hinter diesen Dingen stecken musste, auch wenn es unfassbar war. Denn der Mann in der schwarzen Kutte, der ihn eben kurz besucht hatte... der war eindeutig ein Rare Hunter.
 

***
 

Blacky schlug von einer Sekunde auf die andere einfach die Augen auf. Im ersten Moment war er orientierungslos, doch dann erinnerte er sich. Er hatte nicht Pegasus gefunden, sondern Ryou Bakura, den Jungen mit dem Millenniumsring. In der Welt des Blauen Lichts, wohlgemerkt.

Ein Geräusch im Haus musste ihn geweckt haben. Es klang nach fließendem Wasser, so als laufe ein kleiner Bach an dem Raum entlang, in dem er sich befand. Seltsam.

Blacky blinzelte und kniff die Augen zusammen. Das Dachfenster von Yugis Zimmer hatte ein Rollo, doch es konnte nicht verhindern, dass der Raum hell war, wenn es draußen ebenso war. Neugierig stand er auf und versuchte, das Fenster zu öffnen oder das Rollo zu lösen. Die Stoffbahn ließ sich unten aushaken, und sobald er das tat, schnellte sie federnd nach oben und ließ das Licht des frühen Tages herein.

„Argh!“ Blacky hob fluchend eine Hand vor die Augen und wich zurück, dabei stolperte er über den Schreibtischstuhl und warf ihn polternd um, wobei er sich selbst gerade noch fing. Diese Helligkeit blendete ihn, er war fast blind!

In der Nacht hatte er diese Probleme freilich nicht gehabt. Ryou, der Besitzer des Ringes, hatte Blacky rasch als das erkannt, was er war – möglicherweise auch durch den Geist, der sich meistens neben ihm aufhielt. Blacky konnte ihn sehen, hatte sich das aber nicht anmerken lassen. Ryou hatte sein Spiel an einen Helfer im gelben Shirt übergeben und seinen Gast zu Pegasus gebracht, der sich zu diesem Zeitpunkt schon in sein Hotelzimmer zurückgezogen hatte, um seine Lieblingscomics zu lesen. Das Gesicht des Mannes war einfach herrlich gewesen! Nach einer kurzen Phase des verlegenen Kennenlernens hatten sie sich aber gut verstanden, Pegasus war sogar äußerst fasziniert gewesen, ein echtes Duel Monster in seiner Welt zu treffen. Auch wenn Blacky ihm schonmal eins übergebraten hatte.

Rasch war auch Duke herbeizitiert worden – er hatte bei den Dungeon Dice Monsters Anlagen den interessierten Neulingen das Spiel erklärt, war dann jedoch dazu verdonnert worden, Blacky zu Yugis Haus zu fahren. Der Magier fand Autos, besonders solche ohne Dach, wie Duke eins hatte, ziemlich klasse.

Sugoroku Mutou hatte zwar bei seinem Anblick erst einmal große Augen bekommen, genau wie Thea, Tristan und Mokuba, aber letztendlich wunderte den alten Mann inzwischen wohl nichts mehr, zumal ja auch alle das Weltentor im Wohnzimmer gesehen hatten, das Yami geöffnet hatte. Jedoch waren Sorc und Malice aus irgendeinem Grund nicht an dieser Stelle angekommen – und Blacky selbst ja auch nicht.

Sugoroku klopfte an die Tür. „Kayos? Alles in Ordnung?“

Er benutzte den Namen, der sonst nur von Blackys engsten Familienmitgliedern einschließlich Dark verwendet wurde. Aber das machte ihm nichts aus. Wahrscheinlich fühlte der Alte sich für alle hier als Großvater.

„Ja, aber... es ist so hell! Ist das normal?“

Sugoroku schob den Kopf durch einen Türspalt. „Klar doch, es ist Tag! Kommst du nach unten? Ich habe das Frühstück fertig. Die anderen werden gleich hier sein. Sie bringen dir was Frisches zum Anziehen mit.“

Blacky nickte. Er hatte in seiner Kleidung geschlafen, weil schlicht und einfach nichts anderes da gewesen war, was ihm passte. Yugis Sachen waren ihm alle zu klein, zu kurz oder zu eng. Und Blacky hatte festgestellt, dass er hier nicht zaubern konnte, sonst hätte er die Sachen einfach etwas angepasst. Doch er machte sich deswegen keine Sorgen. Wahrscheinlich musste er sich einfach erst an diese Welt gewöhnen. Ihre magischen Strömungen waren ganz anders als die des Schattenreiches, doch das war nichts, was er nicht in den Griff bekam.

Jedoch war sein Unvermögen dann auch einer der Gründe, warum sie nicht sofort nach Sorc und Malice gesucht hatten. Blacky wusste, dass die beiden den Pharao in ihrer Gewalt haben mussten, denn er hatte gesehen, dass sie sich ihn geschnappt hatten, es aber nicht geschafft, etwas dagegen zu unternehmen. Wenn Yami entkommen wäre, hätte er sich wohl schon gemeldet. Blacky ging davon aus, dass er wieder in dieser Welt gelandet war, auch wenn er ursprünglich in die andere Richtung unterwegs gewesen war. Falls er sich in Gefangenschaft befand, war er jedoch lebend nützlicher als tot, denn er war eine wertvolle Geisel. Offenbar hatte er die Verwandlung von Yugi immer teilweise mitgemacht, was ihm wohl in dieser Situation nützlich war. Außerdem war er der Pharao. Also niemand, den man so leicht fertig machte. Blacky sorgte sich im Moment mehr um die Freunde, die er mitten in einer Schlacht verlassen hatte.

Ein weiterer Grund war, dass man sich nicht einfach unvorbereitet einem Feind wie Sorc und Malice stellen durfte, deshalb galt es erst einmal auszuschlafen und sich zu stärken, mögliche Strategien auszuarbeiten und alle Verbündeten zu informieren. Letzteres hatten sie am Abend noch getan, während Blacky seine erste Bekanntschaft mit den hiesigen Speisen gemacht hatte.

Sugoroku hatte in der Küche wieder allerhand lecker aussehendes Essen fertig, als Blacky dort auftauchte. Das ganze Haus war allein durch das Licht, das durch die Fenster herein kam, insgesamt sehr hell. Blackys Neugier war stärker als sein Hunger und trieb ihn vor die Tür. Dort konnte er kaum die Augen offen halten, geschweige denn die Quelle der Helligkeit ausmachen. Mit diesem Problem hatte er nicht gerechnet.

„Hey, du darfst nicht in die Sonne gucken!“ schimpfte der alte Mann. „Das schadet den Augen!“

„Wie könnt ihr hier so leben?“ beschwerte Blacky sich. „Das ist ja... die reinste Folter!“

„Habt ihr keine Sonne?“

„Schon... denke ich. Aber sie befindet sich über der Schattensphäre. Sowas scheint es hier nicht zu geben. Wie kommt ihr damit zurecht?“

Sugoroku lachte amüsiert. „Weißt du, wir blicken einfach nie direkt in die Sonne, und wenn es im Sommer sehr gutes Wetter ohne Wolken gibt, so dass man ihr sehr stark ausgesetzt ist, dann schützen wir unsere Augen mit einer Sonnenbrille. Warte, ich hole dir mal eine.“

Blacky wartete im Schatten der Eingangstür, bis der Alte zurück war. Er zeigte ihm, wie man die Sonnenbrille benutzte, und gab sie ihm dann. Blacky setzte sie auf. Viel besser! Zwar hatte die Landschaft jetzt nicht mehr ihre originale Farbe, aber wenigstens konnte er sie sehen!

„Schau trotzdem nicht direkt in die Sonne, dafür ist die Brille nicht stark genug,“ warnte Sugoroku ihn, und Blacky nahm die Warnung sehr ernst.

„Die Schatten haben viel klarere Konturen...“ stellte er fest. Er hielt eine Hand ins Licht und war überrascht von der Wärme. „Und der Temperaturunterschied von Licht und Schatten ist deutlicher. Während eines Duells am Tag im Freien fällt einem das gar nicht so auf... Aber es ist ja auch nicht das Übliche, dass wir eure Duelle wirklich mitkriegen. Und wenn, dann ist das Feld mit irgendeiner Magie überzogen.“

Während Blacky noch die Auswirkungen der Sonnenstrahlung untersuchte, hielt Dukes Wagen vor dem Laden. Ryou stieg aus, gefolgt von Pegasus und zuletzt Duke, nachdem der Motor ausgeschaltet worden war. Das Auftauchen des Millionärs war eine Überraschung.

„Hi!“ Duke winkte grüßend. „Wir müssen wieder zur Con, die endet heute Nachmittag, aber noch haben wir etwas Zeit.“

Blacky beobachtete, dass diese Leute ohne Schwierigkeiten im Sonnenlicht zurechtkamen.

„Wir wollten gerade frühstücken, ich fürchte, es reicht nur für zwei,“ sagte Sugoroku.

Pegasus winkte ab. „No Problem, Mr. Mutou! Wir haben schon gefrühstückt, und ich bin auch nur aus reiner Neugier hier... schließlich treffe ich nicht alle Tage einen echten Magier-Boy aus meinem eigenen Game!“

Die Gruppe ging ins Haus. Sie setzten sich in die Küche, wobei die Besucher zumindest einen Tee und Gebäck bekamen, wenn auch kein richtiges Frühstück. Das setzte Sugoroku nur Blacky vor und wartete gespannt, ob es ihm schmeckte. Er gab ihm allerdings eine Gabel, keine Stäbchen, um ihn nicht abzuschrecken. Erst, als der Magier Nachschub verlangt hatte, aß er selbst.

„Du fragst gar nicht, was das ist,“ stellte der alte Mann fest.

„Ist mir egal,“ sagte Blacky kauend. „Schmeckt jedenfalls. Aber gut... was ist es?“

„Tamagoyaki – das ist ein Eierpfannkuchen. Außerdem Toast mit Marmelade, das isst Yugi so gerne zum Frühstück. Manchmal rennt er zum Bus und hat dabei noch das Toast im Mund, wenn er spät dran ist. Oh, du weißt nicht, was ein Bus ist, was? Na egal... Das weiße Zeug da ist Reis, ein Getreide. Das essen wir fast zu jeder Mahlzeit. Ich kombiniere immer traditionelle Gerichte mit Europäischen, vor allem mit denen, die Yugi mag. Oder Yami, aber er hat einen sehr ähnlichen Geschmack. Hier, probier einen Schokodonut.“

„Die mit dem rosa Zuckerguss sind auch sehr gut,“ bemerkte Pegasus, der den Bestand auf dem Servierteller kurz überprüft hatte.

Blacky nickte und probierte alles, bis er fast platzte.

Indessen kamen auch die restlichen Freunde nach und nach am Spieleladen an. Mokuba und Marik kamen auf Mariks Motorrad statt im Rolls Royce. Auch Tristan kam mit seiner Maschine, Thea jedoch zu Fuß von der Bushaltestelle.

„Und ich dachte, ich hätte gestern geträumt,“ murmelte Thea, als sie Blacky gegenüber stand.

Mokuba hatte einen prall gefüllten Rucksack dabei, Tristan sogar eine kleine Reisetasche, die er auf seinem Gepäckträger transportiert hatte. „Hier, ein paar Klamotten, hoffentlich passt dir was,“ sagte der jüngere Kaibabruder und übergab sein Gepäck an Blacky.

Tristan tat es ihm gleich. „Hier ist noch mehr. Ich hab einen Gürtel eingepackt, du siehst ziemlich schlank aus...“

Blacky breitete neugierig alle Kleidungsstücke auf dem Sofa und den Sesseln im Wohnzimmer aus. Er legte sein Oberteil ab und probierte einige Shirts und Hemden an, was ihm ziemlichen Spaß machte. Allemal besser als Feengewänder!
 

***

Fortsetzung folgt

Das versunkene Puzzle

Soooo, endlich... diese Episode lag schon eine Weile in den Dateien herum, aber etwas hat mich daran gestört... habe einige Kleinigkeiten geändert und glaube jetzt, dass ich sie euch zumuten kann. Hoffentlich hat alles ne Logik...

Blacky wird in der Welt des Blauen Lichts meistens von allen Kayos oder Kay genannt, weil ich das irgendwie passender finde... Es ist irgendwie typischer für die heutige Jugend, einen Namen abzukürzen, als einen Spitznamen zu verwenden, der schon, naja... etwas abgedroschen ist.
 

Welt des Blauen Lichts: Sonntag früh

Fremde Welten 62: Das versunkene Puzzle
 

„Ähm, ja...“ Ryu hielt den Millenniumsring vor sich. Die Zacken zeigten die Richtung eindeutig an.

„Sicher, dass du das richtig gemacht hast?“ Bakura musste ihn natürlich necken, weil er ihn das nicht hatte übernehmen lassen. Seiner Meinung nach war er eh der beste für diesen Job.

„Ich bin durchaus in der Lage, solche Suchtätigkeiten auszuführen!“ blaffte der angeblich harmlosere von beiden den anderen an. „Es geht da runter!“

„Blödsinn, haben die eine Unterwasserstation oder was?“

„Könnte doch sein,“ meinte Blacky. „Oder jedenfalls hast du ja das Puzzle gesucht, nicht wahr?“ Er trat an den Rand des Stegs und schaute ins Wasser.

Sie Truppe stand am Hafen, genau genommen an jenem Ort, wo Joey und Yugi gezwungen worden waren, gegeneinander zu kämpfen. Marik fühlte sich sichtlich unbehaglich.

Sugoroku war richtig panisch. „Ja aber... ist mein Neffe auch... ich meine... ist er...“

„Wünschen würde ich es mir ja,“ grinste Bakura.

Blacky schlug ihm mit der flachen Hand tadelnd gegen den Hinterkopf – und traf. Ryou guckte ganz verdutzt, aber noch verdutzter war der Ringgeist, während sich der Magier anscheinend gar nichts dabei dachte. Letzterer trug anlässlich ihres Ausflugs eine Baseballkappe und die Sonnenbrille, damit er in der Helligkeit klarkam, und außerdem ein langärmliges, schwarzes Shirt, so dass seine blaue Haut nicht gleich so auffiel. Dazu gab es eine Jeans und Turnschuhe. Und natürlich den Gürtel. Er hatte seine Schminke aus dem Gesicht gewischt, zumal Duke ihm versprochen hatte, ihm welche zu leihen, wenn er neue wollte. Etwas seltsam anmutend war, dass er immer seinen Stab mit sich herumschleppte.

„Sag mal, Kay. Mit wem redest du eigentlich?“ erkundigte Tristan sich. „Doch nicht etwa... mit diesem, äh... Geist?“

Blacky zuckte mit den Schultern. „Und? Warum sollte ich nicht?“

Das interessierte Ryou aber schon, er hatte es noch nie erlebt, dass jemand anderes Bakura sehen konnte. Allerdings hatte er auch noch nie mit einem Duel Monster geredet. Er verfolgte interessiert die jetzt entstehende Debatte.

„Kannst du ihn hören? Oder etwa sogar sehen?“ staunte nun auch Duke.

Der Magier guckte in die Runde, als glaubte er, lauter Ungläubige vor sich zu haben. „Ah... verstehe, bei euch ist es nicht üblich, Geister zu sehen?“

„Bei euch etwa?“ Das wollte jetzt Thea wissen.

Blacky rieb sich nachdenklich das Kinn. „Nun ja, ich glaube, jeder kann es nicht, aber doch so einige... eigentlich hab ich nie gefragt.“ Er zuckte mit den Schultern.

„Für den ist das ganz normal,“ murmelte Bakura Ryou zu.

Der Weißhaarige lächelte verlegen. „Also... sollten wir nicht im Hafenbecken nachsehen?“

Alle wandten sich nun wieder dem eigentlichen Thema zu, von dem sie irgendwie abgekommen waren.

„Wir müssen uns vergewissern, dass da, najaaa... keine Leiche unten ist, nicht wahr?“ fuhr Ryou fort. „Und wenn nicht, müssen wir das Puzzle bergen. Du kannst doch sicherlich nachsehen, oder?“

Bakura verschränkte die Arme und setzte einen hochmütigen Blick auf, was den anderen nicht verwunderte. Das machte er oft, wenn er merkte, dass man ihn brauchte. Dann wollte er immer irgendwas dabei herausschlagen.

Aber Ryou war nicht gewillt, ihm immer seinen Willen zu lassen. „Ich seh schon, du hast keinen Bock. Naja, sicherlich kann Kay irgendeinen Zauber machen, oder Mokuba ruft eine Firma an, die Taucher schickt. Ist eh besser, du kannst es ja eh nicht heben... Hm, wir könnten auch tauschen und ich tauche nach unten...“

Bakura verdrehte die Augen. „Ich geh ja schon, aber nur mal nachsehen...“

Ryou beobachtete, wie Bakura ein Stück aufs Wasser hinaus schwebte und dann versank. Er fragte sich, wie weit der Geist wohl von ihm entfernt sein konnte, aber vielleicht konnte er weiter gehen als Yami von Yugi... nun ja, normalerweise. Die Entfernung zwischen den beiden war ja zur Zeit ein ganz anderes Thema.

„Sag mal, ist das richtig: Du kannst... Bakura sehen?“ hakte Thea bei dem Magier nach und bekam ein ganz unbedarftes Nicken zur Antwort.

Pegasus räusperte sich. „Nun, das konnte ich auch... früher mal.“ Er strich sich über die Haare, die seine linke Gesichtshälfte bedeckten.

„Sind wir alle zu logisch denkend, dass wir das nicht können?“ grummelte Tristan. Er sah aber so aus, als wäre es ihm so doch lieber.

„Wer sagt dir, dass wir das nicht können? Hohohohooo!“ Doch Sugoroku meinte es wohl kaum ernst, sonst hätte man ihm das vorher schon angemerkt.

Nach einer Weile kehrte Bakura zurück. Er hatte sich Zeit gelassen, fand Ryou. Aber vielleicht, das wollte er ihm zugestehen, hatte es auch einfach so lange gedauert, ein goldenes Artefakt auf dem Grund des Hafenbeckens zu finden... im Schlamm versunken oder so. Aber... hatte das Hafenbecken Schlamm? Während sich Ryou Gedanken machte, ob es nicht doch eher zementiert war – dann konnte immer noch Schlamm darüber sein – kam Bakura zu ihm und übernahm den Körper.

„Hey, du---“ wollte Ryou protestieren, doch er fing einen Gedanken von Bakuras Gründen auf und gab sich damit zufrieden. Schließlich stimmte es, dass man ja nicht alles doppelt sagen musste, wenn es auch so ging.

„Ich habe das Puzzle gefunden. Es ist mit mehreren Schlössern an einen kleinen Schiffsanker gekettet und da drüben versenkt worden.“ Bakura deutete in die entsprechende Richtung. „Da ist es ungefähr zwanzig Meter tief...“

„So tief?“ staunte Thea. „Wir sind doch hier nicht im offenen Meer...“

„Aber hier legen riesige Frachter und all sowas an,“ erklärte Tristan. „Die haben schon ziemlich viel Tiefgang...“

„Zumindest bin ich erleichtert, dass es nur das Puzzle ist,“ seufzte Herr Mutou. „Da war doch keine Leiche, oder?“

Bakura grinste breit. „Jedenfalls nicht die vom Pharao.“

Alle guckten ihn sekundenlang sprachlos an, bis Ryou ihn in die Seite knuffte.

„Hey! War nur Spaß!“

„Sei doch mal etwas ernster!“ beschwerte Duke sich. „Wir haben nicht ewig Zeit!“

„Ich werde ein paar Taucher herbeordern,“ beschloss Mokuba und zog bereits sein Handy.

„Warum hat eine Spielefirma Taucher an der Hand?“ wollte Marik wissen.

Mokuba schielte ihn von unten an. „Wie konntest du damals dieses Spektakel hier am Hafen veranstalten, ohne dass jemand die Polizei gerufen hat?“

„Das ist gemein.“ Marik gab sich beleidigt. „Damals war Sonntag, und äh...“

„Jedenfalls pflegt Seto noch Kontakte zu einigen Organisationen, die früher für Gozaburo Kaiba, unseren Adoptivvater, gearbeitet haben. Oder wo kriegt er deiner Meinung nach diese stylischen Jets in Drachenoptik her?“

„Wie lange brauchen die Taucher?“ mischte Blacky sich ein, die anderen unterbrechend.

„Augenblickchen.“ Mokuba telefonierte. Die anderen warteten. Augenscheinlich musste er sich einige Male verbinden lassen, denn auch heute war Sonntag, da war es fraglich, ob er überhaupt jemanden bekam.

Bakura dachte nicht daran, den Körper seines Wirts wieder herzugeben, jetzt wo er ihn hatte. Ryou ließ es ihm für den Moment noch durchgehen und fragte sich, ob den Geist das pinkfarbene Con-Helfershirt gar nicht störte.

„Ein Taucher kann in etwa zwei Stunden hier sein,“ verkündete Mokuba schließlich. „Was machen wir bis dahin?“

„Oh... also ich muss als Ehrengast auf der Spieleconvention sein...“ Pegasus unterlegte seine Überlegungen mit übertriebenen nachdenklichen Gesten. „Ryou-Boy und Devlin-Boy müssen auch mit, aber wir stehen heute Nachmittag wieder zur Verfügung... uns braucht ihr doch sicher erstmal nicht, oder?“

„Wir haben ja eure Handynummern,“ nickte Herr Mutou.

„Ich werde mit Mokuba auf die Taucher warten,“ beschloss Marik. „Aber wir sollten zwischenzeitlich was essen gehen...“

„Dann lass uns mit den Motorrädern zu einem Imbiss fahren und für alle was holen, Marik,“ schlug Tristan vor. „Ich habe auf unserem Weg hierher mehrere gesehen. Wie wär's mit 'Happy Burger'? Oder lieber 'Sushi-King'?“

„Gab's nicht auch ne Pizzabude? Ich hätte gerne ne Hawaii,“ antwortete Mokuba.

„Ich nehm ein Menü vom King,“ beschloss Thea, die von Burgershops für immer geheilt war, seit sie mal in einem gearbeitet hatte. „Sagt mal... wo steckt denn Kayos?“

„War er nicht eben noch da?“ Bakura folgte dem Fingerzeig Ryous, den natürlich außer ihm keiner sah oder hörte, und drehte sich in die Richtung, in die der momentan geisterhafte Junge zeigte. Doch da, wo der Magier gestanden hatte, war er definitiv nicht mehr. „Na dann such mal,“ neckte Ryou sein Alter Ego. „Schließlich kannst du das doch so gut...“
 

Blacky war noch gar nicht so lange von den anderen weg. Er folge einer inneren Ahnung, und was das bedeutete, wollte er lieber gar nicht wissen, aber dennoch musste er es sich eingestehen... Er spürte wahrscheinlich die Anwesenheit seines Vaters. Magier spürten sich fast immer gegenseitig, und zwar erst recht, wenn sie so eng verwandt waren. In einer Welt wie dieser, wo die Magie kaum genutzt wurde, war es noch leichter, einen Magiebenutzer aufzuspüren. Zweifellos wusste Sorc das inzwischen auch. Konnte er also irgendwo ahnungslos herumsitzen? Eher unwahrscheinlich. Aber Blacky musste das zumindest ausprobieren.

Der Hafen war für ihn eine völlig fremdartige Umgebung. Er trieb sich für gewöhnlich in freier Natur oder in Schlössern herum. Hier jedoch gab es nur Beton und große Maschinen, die etwas auf Schiffe oder davon herunter luden. Auch Menschen arbeiteten, obwohl heute offenbar ein Tag war, an dem die meisten von ihnen frei hatten. Gewisse Geschäftsbereiche machten eben niemals Pause. Und Magier auch nicht.

„So sehen wir uns also wieder... ich bin enttäuscht, du hast zugelassen, dass ich mich von hinten anschleiche.“

Blacky drehte sich langsam um. „Nicht doch... ich habe deine Anwesenheit bemerkt, nur noch nicht genau gewusst, wo du steckst. Außerdem kannst du das kaum anschleichen nennen, dazu bist du zu weit weg.“

Sork lehnte an der Mauer eines Lagerhauses im Schatten, mehrere Meter entfernt. Entweder störte er sich nicht an der Sonne, oder er vermied sie absichtlich, jedenfalls trug er keine Sonnenbrille, sondern nur einen Umhang mit Kapuze, den er momentan aber nicht benutzte, um sich zu verbergen: Die Kapuze war zurückgeschlagen und der vordere Teil lässig offen, so dass man seine Schattenreich-Kleidung darunter sehen konnte.

„Du kannst nicht zaubern in dieser Welt, nicht wahr?“ Sorc lächelte triumphierend, was Blacky überraschte.

„Du dürftest es auch nicht können.“

„Wer weiß? Hast du dich gefragt, warum das so ist?“ Während Sorc redete, kamen überall zwischen den Gebäuden Männer in schwarzen Kutten hervor, die zum Teil aussahen, als wüssten sie nicht, was sie taten. Das traf nicht auf alle zu, daher vermutete Blacky, dass Sorc und Malice auch freiwillige Anhänger hatten.

Blacky erwartete, dass diese Männer ihn angreifen würden, doch sie bildeten nur einen engen Kreis um ihn, der in Sorcs Richtung offen blieb. Er hielt seinen Zauberstab fest, um ihn zur Not als Waffe zu nutzen. „Hast du schon so viele Fans zusammengesucht, seit du hier bist?“

„Es sind alte Bekannte von Malice,“ grinste Sorc. „Ach übrigens...“ Er hob eine Hand und ballte in der Luft über seinem Kopf eine Faust.

Blacky fühlte sich wie vom Blitz getroffen. Der Zauber schleuderte seine Kappe und seine Sonnenbrille weg und zerfetzte seine Kleidung. Sein Shirt und die eher stabile Hose blieben in Fetzen an ihm hängen. Er wollte sich taumelnd aus der Sonne retten, doch Sorcs Lakaien ließen ihn nicht gehen. Geblendet hielt er einen Arm über seine Augen und versuchte, darunter hervor zu blinzeln, doch er sah in der Helligkeit kaum etwas.

Sorc allerdings hielt sich im Schatten, auch er konnte wohl nicht gut in der Sonne auskommen. „Du bist schwach in dieser Welt, Junge. Und die Menschen sind so leicht zu beeinflussen... schwacher Wille der anderen war schon immer die beste Voraussetzung für den Sieg. Und wer einen starken Willen hat, lässt sich normalerweise leicht kaufen.“

Blacky wusste nicht so recht, wie das gemeint war, es spielte aber momentan auch keine Rolle mehr. Einige der Kuttenträger kamen in den Kreis und auf ihn zu. Sie sahen besonders kräftig aus, soweit er das in dem Licht erkennen konnte. Er hob den Zauberstab verteidigungsbereit vor sich, hatte aber insgesamt nicht viel Spielraum, es sei denn, er kümmerte sich nicht darum, ob er die übrigen traf, die sich nicht rührten. Während er noch überlegte, ob er das mit seinem moralischen Grundsätzen vereinbaren konnte, hörte er Sorc höhnisch lachen.

„Zögerst du, mein Junge? Das ist immer der Fehler jener auf deiner Seite. Ich muss dir doch wohl nicht sagen, dass man Ziele nicht durch Zögern erreicht, oder?“ Er wandte erneut den Schockzauber an, doch dieses Mal dachte Blacky, er würde davon ohnmächtig werden.Er hielt sich gerade noch aufrecht. „Das ist jetzt deine Chance, Kayos... schließ dich mir an, und ich höre auf, dich zu quälen. Widersetze dich weiterhin, und die Rare Hunter werden sich deiner annehmen.“

Blacky hatte jedoch zum Antworten keine Zeit. Kaum hörte der Zauber auf, wurde er gepackt und in den Magen geschlagen, dann von hinten gegen die Rippen und so weiter... er war ziemlich groß, daher war er nicht einfach im Gesicht zu treffen, doch die Männer wussten ganz genau, wie sie ihn dazu bringen konnten, sich vor Schmerzen zu krümmen. Ein Treffer gegen den Kopf schickte ihn zu Boden. Na fein, Schluss mit der Rücksichtnahme.

Die Rare Hunter hatten kurz von ihm abgelassen und warteten anscheinend darauf, dass er wieder aufstand. Er tat es und schlug sofort im wahrsten Sinne des Wortes blind um sich. Er hatte die Augen geschlossen und handelte rein instinktiv. Das war kein Thema für ihn, oft genug hatte er es geübt. Jedoch, zugegeben, nicht gegen solch eine Überzahl. Andererseits erhöhte ihre Anzahl die Trefferquote, das musste man positiv sehen.

Doch Sorc kämpfte natürlich nicht fair. Sobald sein Sohn die Schlägerei unter Kontrolle bekam, griff er wieder mit Zaubern ein. Das war wahre Vaterliebe! Wie gerne hätte Blacky einfach alle mit einer guten alten alles vernichtenden Zauberattacke weggefegt!

„Hey, ihr Schwarzkutten! Was fällt euch ein, einfach meinen Freund zu verprügeln?“ Diese Stimme gehörte Tristan, der sich auch schon in die Schlacht warf. Blacky bemerkte es anhand der Geräuschkulisse.

„Lass welche für mich übrig!“ rief Duke.

„Vorsicht, Sorc versteckt sich da bei dem Gebäude!“ warnte Blacky seine Freunde. Er hatte unbewusst die Augen geöffnet und bereute es sogleich, denn die Sonne blendete nach wie vor.

„Ich seh niemanden...“ sagte Marik, der sich ebenfalls um ein paar Rare Hunter kümmerte. Nun, da die Freunde eingetroffen waren, dauerte die Sache nicht mehr lange. Die Männer flohen oder blieben einfach bewusstlos liegen.

Bakura erwischte einen, der noch sprechen konnte. „Hey, du, wer hat euch geschickt? Sprich oder ich blase dir das Hirn weg!“

Leider war das wohl nicht mehr nötig, denn der Kerl blubberte sinnloses Zeug vor sich hin. Dann sprang er plötzlich auf, wobei er Bakura kraftvoll von sich stieß. Die Stimme klang auf einmal anders: „So, ihr habt also den Weg hierher gefunden. Aber passt auf, ich habe den Pharao in meiner Gewalt. Wenn ihr ihn heile zurück haben wollt, dann kommt um Mitternacht auf den Sportplatz von Domino, wo letztes Mal der Zeppelin von Kaiba gestartet ist! Dort können wir unsere kleine Auseinandersetzung auf die altbewährte Art zu Ende bringen!“

Nach diesen Worten fiel der Rare Hunter regelrecht in sich zusammen und blieb reglos liegen.

„Scheiße!“ Marik zitterte trotz der Wärme. „Das war... aber... kann das sein?“

„Ich hab die Stimme auch erkannt,“ kommentierte Bakura. „Ich dachte, der Typ wäre nur eine Projektion deiner bösen Gedanken!“

„Dafür war er aber ziemlich real,“ warf Tristan ein.

Blacky wollte Marik gerne beruhigen, aber es war schließlich Malice gewesen, der Crimsons Zauberkraft gebannt hatte, und er hatte zusammen mit Sorc mehrere gigantische Monster losgelassen... also konnte man ihn wohl nicht so einfach abhaken.

„Was war das jetzt eigentlich, eine Herausforderung zu einem Duel-Monsters Spiel?“ hakte Tristan nach. „Warum fordert er uns zu einem Kartenspiel heraus?“

„Du meinst, weil er das doch nicht nötig hätte, um seine Pläne zu verfolgen?“ Blacky lächelte schief. „Da hast du wohl Recht, aber das ist anscheinend seine Art der Rache. Er will uns aus dem Weg haben, weil wir ihn schon einmal aufgehalten haben, und da er in einem Duell ins Reich der Schatten verbannt wurde, wählt er diesen Weg. Außerdem... ist es das, was er kann. Wir sollten aber damit rechnen, dass er noch irgendwas anderes plant für den Fall, dass es schiefgeht.“

Thea meldete sich mal wieder zu Wort: „Wissen wir denn, was genau seine Pläne sind?“

Das taten sie eigentlich nicht, jedenfalls hatte niemand eine konkrete Antwort auf Lager.

„Ist ja auch unwichtig. Wir werden Marik aufhalten. Äh ich meine, den bösen Marik.“ Sugoroku räusperte sich verlegen nach diesem Schnitzer.

„Er nennt sich jetzt Malice,“ half Blacky ihm aus.

„Ja, gut... wir werden Malice aufhalten. Ich werde gegen ihn antreten.“

„Was? Aber Großvater, du musstest doch damals schon ins Krankenhaus, als du gegen Seto gespielt hast!“ rief Mokuba entsetzt.

„Richtig, das ist zu gefährlich!“ stimmten Thea und Tristan zu.

„Aber Yugi, Seto und Joey sind im Reich der Schatten und Yami ist in der Gewalt unserer Feinde! Wer also sollte es machen?“ widersprach der alte Mann.

„Ich kann auch Duel Monsters spielen,“ überlegte Duke. „Aber um die Welt zu retten... nun, das ist mir etwas zu hoch.“

„Lasst uns erstmal in den Schatten gehen, ja?“ bat Blacky, der von der Sonne langsam Kopfschmerzen bekam und nach wie vor die Augen zusammen kneifen und mit der Hand abschirmen musste, um etwas zu sehen. Außerdem fühlte sich das Licht heiß auf seiner Haut an. In seiner Heimat hatte er es nie so intensiv empfunden. Die Folgen der Prügelei hingegen hatte er schon wieder abgehakt, und auch die anderen verloren kein Wort mehr darüber.

Die Gruppe begab sich in den Schatten einer Lagerhalle. Pegasus, Duke und Bakura mussten sich nun wirklich verabschieden, weil sie zu der Spieleconvention mussten, aber sie versprachen, sogleich zurück zu kommen, wenn ihre Arbeit dort erledigt war.

Blacky berichtete den Verbliebenen von Sorcs magischen Angriff auf ihn, zumal er den Zustand seiner Kleidung ja irgendwie erklären musste. Es war ihm etwas unangenehm, dass die geliehenen Sachen kaputt waren – sein Schamgefühl war hingegen wenig betroffen von der Tatsache, dass er beinahe entblößt worden war. „Aus irgendeinem Grund kann Sorc seine Magie benutzen,“ endete er schließlich. „Ich hingegen habe noch nicht herausgefunden, wie es in dieser Welt funktioniert.“

„Verdammt!“ Tristan schlug sich mit der Faust in die Hand. „Immer finden die Bösen sowas zuerst raus!“

„Wo wir gerade beim Thema sind...“ warf Marik ein. „Wie konnte, ähm, Malice diesen Rare Hunter beeinflussen? Er hat weder den Millenniumsstab noch das Puzzle.“

Mokuba fuhr zu ihm herum. „Sag mal, wo ist eigentlich der Stab jetzt?“

„Hat Seto ihn nicht mitgenommen?“

„Uhm... er hat ihn immer in seinem Koffer gehabt!“

Tristan packte Marik am Handgelenk. „Komm, wir fahren zum Spieleladen und sehen nach. Ihr wartet hier auf die Taucher! Wir bringen auf dem Rückweg Essen und neue Klamotten für Kay mit!“

Die Jungs ließen sich von Großvater den Schlüssel geben und rannten zu den Motorrädern, während der Rest der Gruppe nichts anderes zu tun hatte, als zu der Stelle zurück zu kehren, wo das Puzzle geborgen werden sollte.

Blacky musste zugeben, dass er mit dieser Wendung der Ereignisse nicht gerechnet hatte, und auch überraschte es ihn, dass er sich so viele Sorgen darum machte, dass er nicht zaubern konnte, sein Vater aber schon.
 

Tristan und Marik stellten ihre Motorräder direkt vor dem Laden ab. Der Blonde steckte den Schlüssel ins Schloss, stellte aber fest, dass er ihn nicht drehen musste – entweder hatte der alte Herr Mutou vergessen abzuschließen, oder jemand hatte sich Zutritt verschafft. Die Jungs wechselten einen Blick und traten leise ein. Schnell sahen sie sich um und durchsuchten das Haus, doch es war niemand darin, der dort nichts zu suchen hatte, und im Laden schien auch nichts zu fehlen. Vielleicht doch nur eine Vergesslichkeit des Eigentümers?

„Denk scharf nach, hat Seto seinen Koffer mitgenommen?“ drängte Marik, als sie im Obergeschoss Sugorokus Schlafzimmer überprüft hatten.

Doch Tristan konnte sich wirklich nicht erinnern. Tatsache war, dass sie den Koffer nicht fanden. „Hältst du es für möglich, dass sie unsere Abwesenheit ausgenutzt haben?“

„Das würde jedenfalls erklären, warum sie das Puzzle nicht behalten haben. Es war ein Lockmittel. Los, pack etwas Kleidung zusammen und dann schließen wir hier ab und fahren... warte mal.“ Marik hatte auf einmal das Gefühl, als hätte ihn etwas gerufen, oder... ihm etwas zugerufen traf es eher. Er ging in Yugis Zimmer hinüber. Das Bett war nicht gemacht und die Jacke der Schuluniform lag über der Lehne des Schreibtischstuhls, die Hose auf der Sitzfläche. Einige Schulsachen waren auf dem Schreibtisch verteilt.

Marik griff in die Seitentasche der Schuluniformjacke. „Ah, da ist sie.“ Er holte die Millenniumskette hervor. Alle wussten, dass Yami sie hatte, und Marik hatte manchmal gesehen, dass er sie hervorholte und dann wieder einsteckte, wenn er sie nicht trug. Dennoch hatte er das gute Stück fast vergessen. „Wir nehmen die Kette lieber mit, ehe sie noch verschwindet...“

Tristan nickte und ging nach unten, um einige der Sachen in seinen Rucksack zu stecken, die Kayos am Morgen auf dem Sofa hatte liegen lassen. Leider fand er auf die Schnelle keine andere Sonnenbrille. Dafür gab es im Laden eine blaue Schirmmütze mit der Aufschrift 'Duel Monsters', was Tristan unglaublich passend fand.

Sie achteten darauf, die Tür gut zu verschließen, ehe sie das Haus verließen. Unterwegs klapperten sie verschiedene Imbisse ab. Als sie beim Hafen ankamen, waren die beiden Jungs mit Fast-Food beladen, das sie unter den Freunden verteilten, während sie von ihren Entdeckungen beim Spieleladen berichteten.

Der Magier ließ sich etwas Beliebiges geben, da er eh alles nicht kannte. Tristan reichte ihm auch seinen Rucksack, und beinahe brachte er alle in Verlegenheit, als er anfing, sich einfach an Ort und Stelle umzuziehen. Die Männer bildeten eine Wand mit dem Rücken zu ihm und Thea musste sich wegdrehen.

„Ihr habt echt ein Problem mit solchen Sachen, was?“ lachte Blacky. Die neuen Sachen waren ein weißes T-Shirt von Tristan und eine schwarze Hose von Seto. Seine Schuhe von vorhin waren noch zu gebrauchen, ebenso der Gürtel. Er freute sich tatsächlich über die Schirmmütze und fand es noch schade, dass nicht Dark darauf abgebildet war. Leider hatte Tristan vergessen, etwas mit langen Ärmeln einzupacken, daher lieh er ihm seine eigene Jacke. In der fand Blacky es recht warm, doch er zog sie an.

„Geht es deinen Augen besser, Kay?“ erkundigte Thea sich besorgt.

Der Magier nickte. „Im Schatten lässt es sich aushalten, ich darf einfach nicht auf diese hell erleuchteten Gegenstände schauen.“

„Hat bei euch eigentlich alles die gleichen Farben wie hier? Schließlich ist der Himmel da doch ganz anders.“

„Doch, es ist farblich alles ziemlich gleich... aber die Welt insgesamt ist natürlich ganz anders als eure, soweit ich das beurteilen kann...“ Blacky plauderte ein bisschen über seine Welt und beantwortete allgemeine Fragen. Hauptsächlich ging es um das Essen, die Landschaft, die Art, wie die Leute wohnten und die Berufe, die sie hatten.

So verging die Zeit, bis die Taucher kamen und anfingen, das Puzzle zu suchen, recht schnell. Die beiden Männer konzentrierten sich auf die Stelle, die Bakura vorhin gezeigt hatte. Sie waren mit einem Privatauto vorgefahren, offenbar Bekannte von Mokuba. Sie fragten nicht groß, sondern zogen einfach ihre Ausrüstung an und stiegen ins Wasser. Zweifellos war das nicht die angenehmste Aufgabe, schließlich war das Wasser hier dreckig und alles, aber sie beschwerten sich nicht. Die Freunde schauten ihnen zu und warteten auf dem Steg auf die Rückkehr.

Auch Blacky war mit den anderen auf den Steg gegangen, um neugierig die wandernden Luftblasen zu verfolgen, die aus dem Wasser aufstiegen. Marik gesellte sich zu ihm.

„Ich hab ihn gesehen – den Kerl, der dich angegriffen hat. War das... dieser Sorc, mit dem der, den ihr Malice nennt, nun verbündet ist?“

Blacky nickte. „Wenn er blaue Haut hatte, ja. Fürchtest du dich vor Malice?“

„Nun, ich... ein wenig.“ Das war eine starke Untertreibung. Marik war heilfroh gewesen, den Kerl los zu sein, und hatte sich der Illusion hingegeben, dass das auch für immer war. Doch nun sah er sich schon erneut unter der Fuchtel dieses... Dings. „Ich habe ihn erschaffen... er entstand aus meinen bösen Gedanken... meiner Unzufriedenheit und meinen egoistischen Wünschen...“

Blacky zuckte mit den Schultern. „Sorc hat die Gestalt von Talimecros angenommen und meine Mutter getäuscht... sie dachte, er wäre ihr Mann...“

„Oh... verstehe.“ Marik musterte den Mann aus dem Schattenreich zum ersten Mal aus der Nähe. „Also... fürchtest du dich... vor Sorc?“

Die Antwort kam ohne Zögern. „Nicht mehr als vor einem anderen Feind. Aber es kostete mich etwas Überwindung, die Tatsachen zu akzeptieren. Aber gut... ist er eben mein Vater. Ein Vollidiot, aber dafür ist meine Mutter eine wundervolle Frau.“

Marik lächelte amüsiert. „Wenigstens kannst du deine Eltern kennen lernen. Ich habe meine Eltern selbst getötet... meine Mutter, als ich geboren wurde, und meinen Vater, als...“

„Mach dir das nicht zum Vorwurf. Nichts davon lag in deiner Absicht, oder?“ Blacky hielt ihn davon ab, sich in Selbstvorwürfen zu ergehen. „Du solltest es tun. Für uns kämpfen, meine ich.“

„Was?“ Marik erschrak, meinte Blacky etwa, was er dachte?

„Der Pharao steht nicht zur Verfügung. Deshalb wähle ich dich. Führe das Deck, in dem meine Karte ist.“ Blacky sagte das mit dem Ernst, den Ishizu auch immer an den Tag legte.

Der Blonde schüttelte entgeistert den Kopf. „Nein, das geht nicht, ich... wäre bestimmt total gehemmt! Pegasus könnte es tun, oder Bakura... Selbst Sugoroku ist besser geeignet...“

„Sugoroku ist ein großartiger Duellant, aber ich möchte ihm die Strapazen eines Duells wie dem, das auf uns zukommt, nicht zumuten. Bakura ist aus verschiedenen Gründen ungeeignet – er hasst den Pharao, um nur einen zu nennen. Pegasus ist zwar auch ein sehr guter Duellant, jedoch mag ich nicht mit ihm zusammen kämpfen. Er wird von mir und Yugis Karten nicht als Meister akzeptiert werden.“

Marik hatte das Gefühl, dass er rot anlief. „Als... Meister akzeptiert?“

Blacky legte feierlich die rechte Hand auf sein Herz und neigte den Kopf. „Dir, Marik, werde ich folgen, wenn du Willens bist, diese Karten zu führen. Und die anderen Duel Monsters werden meine Entscheidung respektieren. Wir beide kämpfen einen ähnlichen Kampf... ich gegen meinen Vater, du gegen deine dunkle Seite. Wir sind beide Diener des Pharaos.“

Marik schluckte, nicht sicher, ob er dieser Aufgabe gewachsen war.

Plötzlich legte sich ihm eine Hand väterlich auf den Rücken. „So, Marik... es scheint, die Karten haben gewählt...“

„Uhm... Herr Mutou...“ Er hatte gar nicht bemerkt, dass die anderen sich zu ihnen umgedreht und anscheinend das Gespräch teilweise mitgehört hatten. Falls der Magier überrascht war, ließ er es sich nicht anmerken.

„Wenn wir zu Hause sind, gebe ich dir Yugis Karten,“ beschloss der alte Mann. „Im Nachhinein ist es ein Glück, dass ich sie hatte! Aber Kayos, ich muss schon sagen... du traust mir wohl gar nichts zu, was?“ Er lächelte jedoch dabei, als sei er erleichtert, sich nicht mit dem Verrückten abgeben zu müssen..

„Yugi wäre dagegen, dass du es machst,“ sagte Blacky ihm. „Das ist alles.“

Tristan klopfte kumpelhaft Maliks Schulter. „Mach dir keine Sorgen... das Schicksal der Welt liegt in deinen Händen, das ist schon alles.“

„Ooooh... danke. Ich nehme an, das soll mich aufmuntern,“ schaffte Marik zu erwidern. Er wusste, dass sie es alle gut meinten, aber ihm rutschte gerade das Herz in die Hose. Dabei hätte er sich jedem Gegner selbstbewusst gestellt, nur nicht diesem. Es war, als müsse er gegen seine eigene Angst antreten. Und vielleicht... vielleicht war es auch so.
 

Blacky hatte inzwischen gemerkt, dass sie ihn hier alle Kay oder Kayos nannten. Warum, hatte er nicht gefragt. Vielleicht wirkte 'Blacky' auf Menschen einfach zu seltsam... oder sie fanden Kay cooler. Im Prinzip war es ihm egal.

Er stand still daneben, als die Freunde Marik mehr oder weniger zu seiner Erwählung als Hauptfigur des kommenden Duells beglückwünschten. Gegen Marik hatte er in Battle City nicht gekämpft, weder gegen ihn selbst noch gegen einen seiner Lakaien, aber Dark war oft zum Einsatz gekommen. Natürlich war nur eins dieser Duelle wirklich ein Schattenduell gewesen, aber man wusste es irgendwie, auch wenn es keines war. Es war wie ein Tagtraum. Erfahrene Duel Monster konnten diese Tagträume haben, ohne dass man ihnen etwas anmerkte.

„Ach ja, ich habe das in Yugis Zimmer gefunden...“ Marik holte eine goldene Kette hervor. „Habt ihr was dagegen, wenn ich sie benutze?“

Die Millenniumskette! Im Schattenreich waren die sieben Millenniumsgegenstände bekannt, selbst wenn man sie nie gesehen hatte. Blacky empfand ihren Anblick als geradezu blendend, aber nicht so, dass er die Augen schließen musste. Vielmehr konnte er ihre Magie sehen, und sie war nicht von guter Natur, aber gebändigt. Ganz egal, wie etwas entstanden war, es kam auch immer darauf an, wie es benutzt wurde.

„Kannst du damit denn umgehen?“ hakte Thea nach. „Diese Gegenstände haben doch schon so viel Unheil gebracht...“

„Keine Sorge, die Kette hat meiner Schwester gehört,“ meinte Marik. „Ob ich sie so nutzen kann wie Ishizu, weiß ich nicht, aber zumindest kann ich mich dann ein wenig gegen Malice wehren. Wir müssen immerhin befürchten, dass er den Millenniumsstab hat, auch wenn es sein kann, dass Seto ihn mitgenommen hat. Aber es würde erklären, warum er das Puzzle aufgegeben hat, nämlich um uns wegzulocken, während er den Stab stielt.“

„Vielleicht wollte er auch nicht, dass Bakura das Puzzle bei ihm findet,“ überlegte Sugoroku, der sich nachdenklich den Bart rieb. „Aber nun wurden wir ja offiziell herausgefordert... wahrscheinlich mussten unsere Gegner erst noch ein paar Vorbereitungen treffen, und wir sollten uns lieber auch überlegen, was wir bis zu dem Zeitpunkt tun...“

Am Steg tat sich etwas. Die Taucher kamen aus dem Wasser. Blacky sah zu, wie Mokuba hinging und mit ihnen redete, dann gab er ihnen eine Tasche mit Werkzeug, die sie zuvor auf dem Steg gelassen hatten. Die Männer nahmen sie an sich und tauchten wieder unter.

„Sie haben das Puzzle gefunden,“ verkündete Mokuba. „Aber sie müssen es von dem Anker losmachen, ehe sie es bergen können. Wahrscheinlich wird dabei die Kette zerstört.“

„Naja... irgendwie hat das Ding auch eher Pech gebracht!“ kommentierte Thea. „Kaum dass Yugi die Kette an das Puzzle gemacht hatte, wurde es ihm gestohlen und an eine Wand genagelt, wo er es kaum wegbekommen hat!“

„Ja, das hat ihn fast das Leben gekostet,“ stimmte Tristan zu.

„Yugi meinte aber auch, die Kette sei ein Symbol für seine starke Verbundenheit mit dem Pharao,“ bemerkte Thea.

„Eine starke Bindung ist gut, aber sie darf nicht zu einer Fessel werden,“ warf Blacky ein. „Yugi kam im Reich der Schatten ganz gut ohne den Pharao klar... vielleicht hat es auch eine Symbolbedeutung, wenn die Kette jetzt zerstört wird.“

Thea und Sugoroku sahen gleichermaßen entsetzt aus, aber Tristan war es, der schließlich sprach: „Du meinst doch damit nicht, dass wir Yugi nie wiederkriegen, oder?“

„Als Chaosmagier betrachte ich nichts als unmöglich, also geht davon aus, dass wir schon einen Weg finden werden, um Yugi zurück zu schicken. Außerdem sind ja auch noch die beiden anderen drüben... Joey und Seto, nicht wahr? Macht ihr euch um die denn gar keine Sorgen?“ Blacky grinste, es schien ganz so, als hätte sich die Truppe noch nicht daran gewöhnt, dass noch weitere Personen fehlten.

Als Antwort sahen sich alle untereinander etwas betreten an. Die waren wohl so daran gewöhnt, dass Yugi fehlte, dass sie noch nicht mit den neueren Verlusten klarkamen.

„Mein Bruder wird schon wieder kommen.“ Mokuba versuchte, zuversichtlich zu klingen.

„Und Joey wird man ja erfahrungsgemäß auch nie los, nicht wahr?“ fügte Marik hinzu. „Also lasst uns einfach... unseren Teil der Geschichte erledigen.“

Kollektives Nicken. Blacky versuchte heimlich einen kleinen Zauber, doch was immer es war, das Sorc zu solchen Dingen befähigte, ihm entging es bisher noch. Allerdings hatte er das Gefühl, dass er ganz nah dran war, hinter das Geheimnis zu kommen.

Nach einigen Minuten schließlich kamen die Taucher mit dem Millenniumspuzzle zurück. Die Kette fehlte, denn die Taucher hatten sie einfach mit einer Zange zerteilt und mit den Schlössern am Anker gelassen. Sugoroku nahm das Puzzle entgegen. Aus dem Inneren tropfte schmutziges Wasser heraus. Das Ding brauchte eine gründliche Reinigung.

Mokuba dankte den Tauchern und gab ihnen etwas Trinkgeld, obwohl die Männer ihre Arbeit wohl eher als Freundschaftsdienst ansahen – aber auf Trinkgeld von einem Kaiba verzichtete nur ein Vollidiot. Es war genug, dass sie versprachen, wieder zur Verfügung zu stehen, wann immer es nötig sein sollte.

„Lasst uns gehen,“ meinte Yugis Großvater schließlich. „Wir sind hier fertig...“

„Ähm... wir haben Dukes Auto nicht mehr,“ fiel es in dem Moment Marik auf.

Das war ein kleineres Problem, denn Tristan und er konnten je eine Person auf dem Motorrad mitnehmen, aber dann blieben immer noch zwei übrig.

„Hey, Moment!“ Mokuba rannte den Tauchern nach, die gerade noch ihre Ausrüstung in ihrem Auto verstauten.

„Ich werde mit Mokuba mitgehen, denn auf den Maschinen wird mir der Rock hochgeweht,“ lachte Thea und eilte dem Jungen nach.

„Na, dann dürfen wir also mit den heißen Öfen mit!“ freute sich Sugoroku.

„Heiße Öfen?“ Das konnte nicht so gemeint sein, wie es klang. Blacky vermutete, dass er noch viel über diese Welt lernen musste...
 

***

Fortsetzung folgt

Pause

Welt des Blauen Lichts: Sonntag früh/Mittag

Fremde Welten 63: Pause
 

Runa machte einige taumelnde Schritte in Crimsons Richtung und fiel ihm praktisch in die Arme. Sie roch intensiv nach frischen Früchten und Blumen. „Oh Crimson! Ich weiß gar nicht, wie ich hierher komme... Was...was hast du denn da oben gemacht? Du... du kannst doch gar nicht zaubern, wie konntest du...“

Er lächelte. „Doch, denn Malice ist nicht der Einzige hier, der diese Hyroglyphen kennt.“

„Oh, das... ist wundervoll!“ brachte sie leise hervor. Sie wirkte sehr schwach. „Wer... ist denn derjenige, der dir geholfen hat?“

„Och... ist jetzt nicht so wichtig. Runa, wir haben uns solche Sorgen gemacht...“

Dark hielt sich im Hintergrund und gab ihnen Deckung, aber im Moment schien sich kein Feind für die Dreiergruppe zu interessieren.

Sie schmiegte sich an ihn. „Ich kann mich an nichts erinnern, nachdem Sorc mit dem Ritual begonnen hat... war ich... fort?“

Crimson streichelte über ihren Rücken. „Wir dachten, du wärst mit dem Drachen fusioniert. Fast hätte es gewirkt und uns getäuscht... ich ging sogar so weit, dass ich andere davon abhalten wollte, gegen den Drachen zu kämpfen.“

„Fast? Dann denkst du das jetzt nicht mehr?“

„Nein.“ Seine Hand fand den Weg unter ihren Umhang und erbeutete zwei Wurfdolche. Er sprang mit einem Satz aus ihrer Reichweite. „Wer bist du wirklich?“

Sie sah ihn mit einem verletzten Gesichtsausdruck an. „Aber Crimson... Ich bin's doch, Runa! Erinnere dich an all die Stunden, zusammen, im Kerker...“

Dark hatte sich neben ihm aufgebaut, bereit zum Kampf, auch wenn er wohl keine Ahnung hatte, warum Crimson sich so verhielt.

„Dir ist ein Fehler unterlaufen,“ erläuterte der Weißhaarige. „Du wolltest uns vorgaukeln, dass du irgendwie auf dem Schlachtfeld zu dir gekommen bist, möglicherweise nach der Defusionierung vom Drachen. Doch jemand, der solch ein Schicksal hinter sich hat, benutzt gewiss kein Parfüm von den Duellinseln!“

Sie starrte ihn ungläubig an, dann verhärtete sich ihr Gesicht zu einem fiesen Grinsen. „Verdammt! Ich hätte es wissen müssen. Alchemisten haben feine Nasen, doch ich habe nicht daran gedacht und das Parfüm aus Gewohnheit benutzt...“ Ihr Umhang fiel. Darunter trug sie ein sehr wenig bedeckendes Kleid. Ein Krieger in einer grauen Rüstung trat plötzlich von hinten an sie heran und überreichte ihr einen Stab sowie eine Art Krone, um ihren Aufzug perfekt zu machen.

„Hast du uns von Anfang an getäuscht?“ erkundigte Crimson sich.

Sie lächelte. „Wer weiß? Dies ist Demise, mein Bruder im Geiste. Ich bin Ruin, Tochter von Sorc. Naja, nicht biologisch, aber irgendwie mehr als dieser Trottel von einem Chaosmagier.“

„Dieser 'Trottel' wird Sorc wahrscheinlich in nächster Zukunft ordentlich einheizen,“ warf Dark ein.

Ruin und Demise nahmen kampfbereite Posen ein. Die beiden Magier ließen Vorsicht walten – Ruin mochte in ihrem Kleid etwas fehl am Platze zu wirken, aber das konnte täuschen.

Demise murmelte unter seinem Helm – Crimson sah, dass seine Gestalt von Glitzerpunkten eingehüllt wurde, er also einen Effekt zum Einsatz brachte. Er hielt die Hand vor sich, um den Effekt zu stoppen, spürte jedoch, dass ihm die Kraft fehlte. Anscheinend konnte er seinen eigenen Effekt nicht unbegrenzt einsetzen. Wäre ja auch zu schön gewesen.

Ob Demise etwas für die Ausführung des seinen zahlen musste, bekam er nicht mit, denn von dem Unterweltler ging eine Schockwelle aus, die ihn und Dark zu Boden schleuderte und mit schmerzenden Gliedern zurückließ. Doch als Crimson wieder hinsah und sich dem Angreifer stellen wollte, stellte er erstens fest, dass er kaum auf die Beine kommen konnte, und zweitens hatte sich die Lücke zwischen ihnen und den Geschwistern geschlossen: Weaver und Amazia stellten sich den Gegnern.

Neben Crimson tauchte Eria auf. „Hier, deine Tasche!“

Ach ja, richtig! Er holte einen Stärkungstrank aus der Tasche hervor und nahm einen Schluck davon, den Rest gab er Dark. Das tat gut! Jedoch würde ihn die Wirkung später erst recht erschöpft zurücklassen, wenn sie aufhörte, aber für den Moment war das egal. Crimson machte sich Sorgen um seine Mutter, doch ihm fiel auf, dass sie die Axt benutzte, die vorhin Mava in der Hand gehabt hatte, und das beruhigte ihn dann doch.

„Hat Mava sich von seiner Ausrüstung getrennt?“ fragte er seine Schülerin.

„Lucranda hat ihn zur Festung im Himmel geschickt, weil sie meint, er müsste sich ausruhen, damit er nicht irgendwann zusammenbricht. Er hat seinen Effekt stark beansprucht. Auch wenn sie ihm beigebracht hat, wie er dadurch keinen so großen Schaden nimmt, darf er es nicht übertreiben, er hat damit noch keine Erfahrung.“

„So...“ Crimson ließ sich von Eria hochhelfen und reichte dann Dark die Hand. Er brauchte bald eine Pause, denn die häufigere Nutzung seines neuen Effekts schwächte ihn auch. Vielleicht wurde er ausdauernder, wenn er mehr Übung damit hatte.

„Wir können kurz etwas ausruhen,“ sagte Dark, als hätte er seine Gedanken gelesen. „Hier sind genug Krieger und Feen, die noch kämpfen können, und vergiss nicht die Armee von Lord Genesis... Ich muss nur Yugi und Appi suchen...“

„Und ich werde Eria nicht hier lassen. Verstanden, Schülerin?“ Der weißhaarige Magier hakte sich bei ihr ein.

Sie machte einen Schmollmund. „Jaaa... ich werde den Vogel benutzen, den man mir ausgeliehen hat.“ versprach sie. Sie konnte die beiden Magier auch in die ungefähre Richtung führen, wo Yugi und Appi sich befanden.
 

Yugi und Appi waren zusammen mit Neo und Joey unterwegs und kämpften gegen alles, was sich ihnen in den Weg stellte – schlicht und einfach, weil sie es sich dann ja auch kaum mehr aussuchen konnten.

Joey hatte eine Waffe gefunden, einen Degen, der im Vergleich zu einem Schwert eher leicht war. Doch er hatte den Verdacht, dass er davor einer Frau gehört hatte, und kam sich irgendwie blöd vor bei dem Gedanken. Aus praktischer Sicht wollte er sich aber nicht beklagen. Schließlich hatte er mit dieser Waffe nun schon einige Gegner erledigt, wenn auch, zugegeben, keine sehr starken. Das Problem war, dass er mit seinen Fäusten, die seine eigentliche Waffe waren, gegen die gepanzerten Gegner schlecht ankam, und mit einem Schwert hatte er nicht viel Erfahrung.

Dafür erkannte er Yugi kaum wieder! Der kleine Yugi... er war geradezu Furcht erregend! Alle paar Minuten ließ er einen Zauber los, der die Feinde in seiner Nähe übel zurichtete. Mit seinem Zauberstab ging er um wie mit einer Waffe. Und der blonde Fatzke an seiner Seite tat dasselbe, als wäre das ein Wettkampf zwischen ihnen. Nur dass jener eine gruselige Sense benutzte, wenn er nicht zauberte. Die Sense schien noch etwas gewöhnungsbedürftig zu sein.

„Übertreib es nicht, Yugi!“ sprach Neo praktisch Joeys Gedanken aus. „Der Kampf in Drachengestalt hat dich sicher schon arg mitgenommen, schleuder nicht so viele Zauber um dich!“

„Ach was, ich kann noch lange weitermachen!“ keuchte der Junge.

Joey wusste, dass Yugi erschöpft war, aber er war halt ein kleiner Narr... er gab erst auf, wenn er umfiel.

Appi hob eine Hand in die Höhe und entließ eine Schockwelle, die in seiner Nähe alles umnietete. Er sah dabei sehr zufrieden aus. Durch diese Attacke hatte die Gruppe für einen Moment etwas Luft. Joey konnte sich umblicken und sah, dass es eigentlich ganz gut für seine Seite lief, denn zur Zeit griff kein Supermonster an, sondern nur normale Truppen. Vielleicht hatte die Gegenseite auch zuviel geopfert, um den Regenbogenfinsternisdrachen zu stärken.

Während er noch darüber grübelte, wie lange der Kampf jetzt wohl noch ging und ob er das von der Kondition her aushalten würde, tauchten die beiden Dunklen Magier wieder auf. Sie sahen so geschafft aus, wie Joey sich fühlte. Mann, er war diese Schlägereien einfach nicht mehr gewohnt!

„Jungs, wir fliegen zur Festung und gönnen uns eine Pause. Ihr werdet uns begleiten,“ setzte Dark fest.

Appi ließ von der Verfolgung der Gegner ab. „Ok, Meister...“ Er konnte die Pause auch gebrauchen, das merkte man ihm deutlich an.

„Yugi, können wir auf dem Schwarzen Rotaugendrachen fliegen?“ fragte Joey eifrig. Das wäre doch der Hit!

Yugis Antwort überraschte ihn dann aber doch. „Klar...“ Er schloss in Konzentration die Augen, und schon nach wenigen Sekunden war ein Brüllen zu hören, dem gleich darauf das Erscheinen eines großen Schattens am Himmel folgte. Der Drache musste gut aufpassen, dass er in den Trümmern und dem Kampfgewusel Platz fand, da war es gut, dass Appi mit seinem Zauber welchen geschaffen hatte.

Joey musste schlucken, so beeindruckt war er. Vor allem, als dann noch seine Hand tatsächlich den Schuppenkörper berühren konnte! Appi war als Erster auf dem Rücken des Wesens und streckte die Hand nach unten, um Joey zu helfen, was dieser sich gerne gefallen ließ. Anschließend war Yugi dran.

„Neo, du auch,“ ordnete Dark mit einer Kopfbewegung in Richtung des Drachen an. „Crimson und ich folgen euch.“

Also stieg auch Neo auf, und Joey fragte sich kurzzeitig, wie viele Leute so ein Drache wohl maximal tragen konnte. Doch dann lenkte ihn etwas ab. Er empfing... etwas. In seinem Kopf. Und es war ihm, als könne er den Herzschlag 'seines' Drachen spüren. „Ähm... Leute... ist es normal, dass man irgendwelche, äh... Schwingungen spürt oder so?“

Yugi lachte. „Logo, ich rede die ganze Zeit schon telepathisch mit Dark und Blacky! Na und rate mal, wie ich Schattensturm gerufen habe!“

„Schattensturm... geil! Woaaaaah!“ Besagter Drache stieß sich gerade von der Plattform ab, und Joey musste sich irgendwo festhalten, um nicht zu fallen. Appis Brustkorb bot sich an – er klammerte sich daran fest. Zugleich merkte er, dass Yugi sich dafür wiederum an ihm festhielt.

Die Magier folgten ihnen auf eigenen Flügeln. Joey konnte sie zunächst ab und zu sehen, doch sie waren langsamer als der Drache und fielen bald zurück. Also konzentrierte er sich lieber darauf, nicht zu fallen. Es war ihm ein Rätsel, wie Appi noch seine Sense halten konnte, während er durch die Luft ritt. Er selbst jedenfalls hatte sein Schwert zurückgelassen, weil er nicht wusste, wie er es transportieren sollte. War eh ein Weiberteil gewesen.
 

Crimson stellte sicher, dass Eria auf ihrem Vogel hinter Schattensturm her flog. Er musste sich wirklich anstrengen, als er sich wieder in die Feengestalt brachte und vom Boden abstieß. Er warf einen letzten Blick zurück. Amazia und Weaver hatten alles im Griff, da musste er sich also keine Sorgen machen. Er musste seiner Mutter vertrauen, wie er von ihr ja auch erwartete, dass sie ihm etwas zutraute – was sie ja auch tat. Als Amazone setzte sie sogar besonders hohe Erwartungen in ihn.

Doch auch er hatte seine Grenzen, und mit seinem neuen Effekt wusste er sie nicht mehr so genau einzuschätzen. Es war gut, dass Dark vor ihm flog, so konnte er ihm einfach auf den Fersen bleiben. Naja... einfach war vielleicht nicht das richtige Wort, denn oft mussten sie irgendwelchen fliegenden Kreaturen ausweichen. Die meisten davon waren die Krieger von Erzlord Zerato oder Amazonen auf ihren Vögeln, während der Feind überraschend wenig zu bieten übrig hatte. Entweder hatten sie viele Krieger für den letzten Riesendrachen verpulvert oder sie waren von Anfang an nicht gekommen, um zu siegen. Das ergab auch einen Sinn: Vielleicht war es einfach nur das Ziel gewesen, dass sich ein Tor für Malice und Sorc öffnete, wenn der Angriff stattfand.

Crimson hatte den Eindruck, dass er nur Dank seines Stärkungstrankes noch voran kam, und sehnte die Ankunft herbei. Er merkte, dass das Mittel seine letzten Reserven aufbrauchte. Mit Entschlossenheit konzentrierte er sich auf den violetten Fleck, der Dark war, und folgte ihm dichtauf.

Als er schließlich die Zuflucht im Himmel erreichte und auf einem Hof landete, der sehr viel kleiner war als bei der Feenburg, hatte er leider gar nicht mehr so viel für die Schönheit des beeindruckenden Gebäudes übrig, sondern sehnte sich vielmehr nach einem der schützenden Räume und einem Bett.

Während die Zuflucht über der Burg schwebte, hatten alle Feen einen magischen Bonus im Kampf, doch dafür hatte er von Genesis' Leuten kaum jemanden gesehen. Vielleicht zogen sie Kämpfe am Hang vor, oder eben außerhalb des Einflussbereiches der Festung.

Dark war schon vor ihm gelandet und half Schattensturm, seine Last loszuwerden. Und da war auch Eria mit ihrem Vogel. Sehr gut. Gerade trat Neo an den Rand und winkte jemandem. Der Schatten von Diamantkralle glitt über den Boden, mit undeutlichen Umrissen unter der Schattensphäre. Kurz darauf kam der Drache hart in der Nähe auf, und damit war die Landeplattform schon ziemlich voll.

Crimson fühlte sich gemüßigt, seine Hilfe anzubieten, denn er hatte seine Alchemistentasche noch bei sich. Diamantkralle war verwundet. Hatte er vorhin nur einen Kratzer gehabt, so sah das jetzt schon anders aus.

„Seto! Ist alles in Ordnung?“ rief Yugi und war noch vor ihm dort.

„Ich glaube, wir haben gut gekämpft,“ nickte der Braunhaarige und rutschte vom Rücken des Drachen. „Wir hätten es auch noch weiter durchgehalten, wenn sich nicht gerade eben jemand eingemischt hätte...“

„Ich hab Diamantkralle hergerufen, damit ihr euch beide ausruht!“ stellte Neo klar. „Beschwer dich nicht! So kannst du doch bei Yugi sein!“

„Das ist allerdings ein vernünftiger Grund,“ gab Seto zu.

„Leute, gehen wir nach drinnen,“ drängte Appi. „Ich hab nen Mordshunger!“

Eine Hand legte sich auf Crimsons Schulter, als er gerade nach einem Mittelchen suchte, das Wunden bei Drachen heilen konnte. Darks. „Komm, lass das die Feen machen. Du siehst müde aus.“

In der Tat, das war er. Vielleicht war es ein Fehler gewesen, den Stärkungstrank zu benutzen. Sein Körper arbeitete noch, aber es fühlte sich an, als stünde er neben sich, und er bekam die Flügel nicht weg. Gaaaaanz toll...
 

***
 

Yugi ging mit seinen Freunden in das Gebäude. Er war noch nie hier gewesen, doch er wunderte sich längst nicht mehr über alles, was er sah, auch wenn seine Bewunderung für diese Welt anhielt. Aber heute freute er sich vor allem, dass er die beiden wieder sehen konnte.

„Du hast es also wirklich geschafft, hier so eine Art Magier zu werden,“ stellte Joey wieder mal fest. „Und du verwandelst dich in Slifer! Das erklärt, was mit Yami passiert ist.“

„Mit Yami? Was denn?“ Zu Yugis Freude hatten sie jetzt endlich Zeit, ihm alles zu erzählen.

„Lass es mich erklären, sonst bringst du noch alles durcheinander und wirst gar nicht fertig,“ sagte Seto zu dem Blonden. „Also, zunächst mal fiel uns schnell auf, dass Yami anscheinend mitbekam, was du hier erlebst, und...“

Es wurde ein längerer Bericht, obwohl Seto alles kurz zusammenfasste. Yugi unterbrach manchmal für kurze Kommentare. „Der Englischtest? Ach je, hab ich ganz verdrängt... oha, Yami ist wirklich in der Schule gewesen? Das ist aber tapfer von ihm! Oh, bei der Motorradralley wäre ich gerne dabei gewesen. Vielleicht treffen wir diese Amerikaner ja irgendwann wieder...“

„Yugi, ich glaube, du brauchst mich gerade nicht. Oder?“ stellte Appi fest. Er wirkte etwas grummelig.

Yugi blieb stehen und berührte ihn freundschaftlich am Arm. „Ich habe nunmal meine Freunde lange nicht gesehen... das ist nichts gegen dich.“

Appi zog einen Schmollmund. „Aber... all die Nächte, die wir zusammen verbracht haben... Yugi, wie kannst du das so einfach vergessen? Zählt das gar nichts?“

„Äh...“

„Hahaha, nur ein Scherz!“ Gut, dass Appi das sagte, denn Seto waren gerade alle Gesichtszüge entglitten und Joey machte Augen wie ein Auto.

„Wir haben manchmal zusammen im selben Zimmer oder Bett geschlafen, weil kein Platz war und die Betten hier meistens groß sind,“ erklärte Yugi den beiden verlegen.

„Ich geh mir schonmal ein Bett suchen,“ verabschiedete Crimson sich. „Bis dann...“ Er warf Eria einen Blick zu, und sie nickte einfach.

„Ich komme mit,“ kicherte Appi. „Wir könnten uns über Lord Genesis unterhalten...“

„Ich such mir nen Heiler und lasse meine Finger untersuchen,“ verkündete Dark. „Auch wenn mir ein gewisser Heilzauber lieber wäre! Kommst du klar, Yugi?“

„Sicher... wir gehen auch ne Runde schlafen, aber ich bin im Moment noch viel zu aufgeregt.“ Neo und Eria waren somit die letzten, die noch bei den Jungen standen. Daran störte sich Yugi aber nicht. Im Gegenteil. „Kennt ihr euch hier aus? Wo kriegt man denn hier was zu essen?“ fragte er sie.

„Ach, das kann nicht so schwer sein. Komm Eria, wir gehen was holen und lassen Yugi mal kurz mit seinen Freunden alleine,“ grinste Neo und zog das Mädchen an der Hand mit sich. „Geht nicht zu weit weg, ihr drei, damit wir euch dann auch finden!“

Yugi atmete einmal tief durch, als er mit den beiden alleine war. „Puh... endlich können wir in Ruhe reden! Seto, sag mal... ausgerechnet du reitest auf einem Drachen?!“

Seto zuckte mit den Schultern. „In letzter Zeit überrascht mich gar nichts mehr. Nachdem Yami zu einem Halbdrachen mutiert ist und ich wusste, dass ich ins Reich der Schatten gehe, ist das Reiten eines Drachens ja wohl das Mindeste, was ich hier gemacht haben muss, bevor ich wieder gehe.“ Er strich arrogant durch seinen Haarschopf. „Aber dass diese Silberschwinge mich nicht lässt... Naja vielleicht ihre Kinder.“

Joey schaute ganz perplex. „Wow, Kaiba, du hast dir den Namen gemerkt!“

„Kann ja nicht jeder so ein Siebhirn haben wie du, Wheeler.“

„Ach, Klappe! Mach dir lieber mal Gedanken, warum Yami nicht mitgekommen ist, der wollte doch! Er war direkt hinter uns!“

Vor lauter Kämpfen hatte keiner von ihnen großartig darüber nachdenken können.

„Also... er hat das Tor geöffnet und ihr seid durch?“ hakte Yugi nach. „Aber er kam nicht mit? Na... vielleicht haben wir ihn einfach noch nicht gefunden.“ Oder er hatte irgendein anderes Problem, das sich Yugi jetzt aber nicht eingestehen wollte... er war glücklich, Seto und Joey zu sehen, da wollte er nicht, dass Yami etwas zugestoßen war! Aber man konnte es ja nicht ausschließen.

„Wir können jetzt nichts für ihn tun, egal ob er hier ist oder drüben,“ meinte Seto sachlich. „Doch er wird damit klarkommen.“

Joey nickte etwas zu eifrig. „Klar. Wenn nicht er, wer dann? Immerhin ist er mit dem Englischunterricht klargekommen! Den haut nichts mehr um. Sag mal... ist hier der Himmel eigentlich immer lila, und gibt es keine Sonne?“

Yugi war irgendwie dankbar, dass das Thema auf Banalitäten abdriftete. „Das ist die Schattensphäre, Joey. Niemand weiß genau, was sie ist, es gibt verschiedene Gerüchte...“ Yugi bekam Gelegenheit, sein eher geringes Wissen über das Schattenreich an den Mann zu bringen und dabei klug zu wirken.

Vom dem Tumult draußen war in der Zuflucht nichts zu bemerken. Es war ein Ort des Friedens, selbst inmitten einer Schlacht. Ruhig schritten Feen in den typischen Gewändern umher und kümmerten sich um alle, die aussahen, als bräuchten sie jemanden. Auch zu der Gruppe gesellten sich nun zwei Frauen. „Edle Krieger, lasst uns eure Wunden versorgen. Hier entlang...“

Sie wurden in ein nahe gelegenes Zimmer komplimentiert, in dem es vier Betten gab! Yugi musste sich beherrschen, nicht gleich in eins zu fallen und einzuschlafen. Einerseits sehnte er sich danach, andererseits glaubte er, vor Aufregung gar nicht schlafen zu können. Daher blieb er erstmal stehen. Es gab unter dem Fenster eine Kommode, in der möglicherweise Bettwäsche oder etwas anderes Praktisches war, aber ansonsten nur noch eine Kleidertruhe und einen Nachttisch neben jedem Bett, das war es. Hier war ja auch keine Wohnstatt, sondern man sollte sich einfach ausruhen können.

Die Feen untersuchten die Jungs und verbanden Kratzer und Schrammen. Joey und Seto waren schnell fertig, bei Yugi dauerte es länger. Er bekam auch neue Kleidung, die er gewohnheitsmäßig anzog.

„Was? Nein, das akzeptiere ich nicht!“ protestierte Seto hingegen. „Das ist doch...“ Er sah aus, als verkniff er sich gerade irgendein abwertendes Wort, sowas wie Luschenkram oder Weiberzeugs. „... völlig nicht mein Stil,“ sagte er statt dessen.

„Ich verstehe...“ Eine der beiden musterte ihn sekundenlang, nahm seinen ausgefallenen Mantel und die enge Hose zur Kenntnis. „Ich werde es anpassen lassen.“

„Da bin ich ja mal gespannt,“ meinte Joey und blickte der Fee nach, als sie mit Setos Gewand den Raum verließ. Er selbst hatte seins schon an. Vermutlich blieb ihm ein dummer Kommentar von Seto nur erspart, weil auch Yugi sich den herrschenden Kleidergepflogenheiten unterwarf.

Die andere Fee wurde mit Yugis Behandlung fertig und folgte der Kollegin. Sie gab Neo und Eria praktisch die Klinke in die Hand.

Neo war mit einem Tablett beladen, auf dem sich Essen türmte, und Eria trug eine Karaffe mit einem noch unbekannten Getränk. Beides wurde auf der Kommode abgeladen. Becher hatten sie keine, aber das machte ja nichts. In Anbetracht der Umstände war es allen viel wichtiger, überhaupt etwas in den Magen zu bekommen.

Seto und Joey nahmen das Essen erst unter die Lupe, bevor sie es probierten, so wie Yugi das zu Anfang auch gemacht hatte. Inzwischen kannte er die meisten Sachen, die sie bei den Feen bekamen, und scheute sich auch nicht vor Neuem. Joey aß betont vorsichtig und runzelte skeptisch die Stirn, ehe er zu schlingen anfing, wie man es von ihm kannte. Seto hingegen verzehrte sein Essen sehr methodisch, weil man nun einmal essen musste. Keiner von ihnen fragte, von was für Tieren das Fleisch war, das hatte ja auch Yugi lieber nie so genau wissen wollen.

„Zwei von hier sind in unsere Welt gelangt,“ erzählte Yugi seinen Freunden. „Vielleicht ist Yami ja auch zurück geblieben, weil er das gemerkt hat! Jemand muss da drüben etwas gegen sie unternehmen, sonst...“ Ja, was sonst eigentlich? Keiner wusste, wozu das alles eigentlich gut war. „Naja, sonst kann wer weiß was passieren,“ rettete Yugi seine Ausführungen. „Einer ist nämlich diese böse Seite von Marik. Er hat sich mit einem hiesigen Magier verbündet, der der Vater von Blacky ist... äh, vom Magier des Schwarzen Chaos. Der ist den beiden übrigens gefolgt.“

So gesehen konnte man sich einreden, dass Blacky Yami vielleicht mit zurück genommen hatte, um mit ihm gegen die Eindringlinge zu kämpfen. Alle Alternativen wollte sich Yugi jedenfalls nicht ausmalen.

„Lasst uns einfach daran glauben, dass die auf der anderen Seite alles im Griff haben!“ schloss Yugi. „Mehr können wir leider eh nicht machen...“

„Und wenn die nochmal ein Tor aufmachen?“ mischte sich Neo in das Gespräch ein. „Warum habt ihr das denn nicht schon viel früher gemacht?“

„Oh... das glaubt ihr mir nie.“ Seto verdrehte die Augen. „Es war dieser Shadee... er erschien bei Yami und warnte ihn davor.“

„So wie es aussieht, hat Malice auch nur darauf gewartet. Das ist Mariks böses ich.“ Yugi nahm einen Schluck direkt aus der Karaffe. Danach hatte er die ganze Oberlippe voll Saft. Seto beugte sich zu ihm herunter, um die Flüssigkeit abzulecken. Yugi merkte, dass er knallrot anlief, wenn das heiße Gefühl in seinem Kopf ihn nicht trog.

Joey tat so, als müsste er sich übergeben, während Neo und Eria sich taktvoll auf das Essen konzentrierten.

Sie verbrachten ungefähr eine halbe Stunde damit, das Essen zu verzehren und über relativ belanglose Dinge zu reden, ehe Dark wieder dazu kam. Er sah etwas blass aus und trug auch ein Feenkleidchen.

Yugi sprang von seinem Platz auf dem Bett auf. „Dark! Wie geht es deinen Fingern? Was war eigentlich damit?“

„Ach richtig, du weißt das gar nicht...“ Dark schenkte ihm ein schmales Lächeln. „Ich hab mich an diesem Dimensionstor verletzt, als ich versuchte, Blacky zu folgen. Es kollabierte, kurz bevor ich es erreichen konnte. Crimson zog mich gerade noch weg. Aber meine Fingerspitzen hat es noch gefressen... Crimson konnte die Wunden schnell mit einem Trank verschließen, aber die Feen hier konnten auch dafür sorgen, dass die verlorenen Zentimeter nachwachsen. Allerdings ist mir jetzt ziemlich schlecht. Wollte euch nur Bescheid geben, dass ich mir ein Bett suche. Eria, wie wär's, wenn du mich begleitest? Hier sind eh nur vier Betten.“

Sie zögerte, denn das Gespräch über die Welt des blauen Lichts hatte sie sehr interessiert, doch nach kurzer Überlegung nickte sie. „Ist gut... lass uns nachsehen, wohin Crimson und Appi gegangen sind.“

„Gute Idee. Ihr anderen solltet dann versuchen zu schlafen.“ Dark verließ mit der jungen Magierschülerin das Zimmer.

Joey streckte sich und ging zu dem Bett ganz am anderen Ende. „Komm, Neo, lassen wir die zwei Täubchen nebeneinander schlafen.“

Yugi blieb einfach auf dem ersten Bett sitzen, während Seto, ganz ohne etwas auf Joey zu erwidern, das nächste für sich beanspruchte und Neo das neben ihm. Auf einmal gähnten alle, da die Erschöpfung einen halt doch irgendwann einholte, und als einer damit anfing, steckte es alle an. Yugi dachte zuerst, er könne dennoch nicht einschlafen, doch das stellte sich schon bald als Irrtum heraus.
 

Appi hatte sich an Crimsons Fersen geheftet, was nicht schwierig war, denn der Weißhaarige ließ seine Feenflügel nicht verschwinden... oder konnte es nicht, weil er zu müde war. Allerdings waren die Gänge auch nicht besonders voll, insofern kam es darauf nicht an.

„Jetzt warte doch mal!“ beschwerte er sich. „Geh ich dir auf die Nerven oder was?“

Crimson blieb auf dem Gang stehen und ließ den Schüler seines Rivalen zu ihm aufschließen. „Mir ist nicht nach Reden zumute, ich will meine Ruhe haben.“

„Oh... na schön, gehen wir was essen und dann irgendwo pennen...“ Appi ging schweigend neben ihm her.

Sie gelangten in eine Art Halle, wo zahlreiche Esstische aufgebaut waren, die aber viel einfacher gehalten waren als bei der Feenburg oder der ehemaligen Festung von Dark. Ausreichend eben. Dafür standen möglichst viele dicht beisammen, und die meisten waren besetzt mit Kriegern, die eine kleine Pause einlegten.

Appi und Crimson setzten sich an einem halb freien Tisch einander gegenüber hin, und eine ältere Fee brachte ihnen unaufgefordert eine Schale mit einem warmen Eintopf, zu dem es einen Fetzen Fleisch und ein Stück Brot gab. Früchte waren zur Selbstbedienung überall in Körben auf den Tischen verteilt. Die meisten Besucher aßen im Eiltempo, aber vielen sah man auch die Erschöpfung an. So war es auch bei Crimson: Appi hatte das Gefühl, der Magier würde gleich im Sitzen einschlafen und das Essen nur mit Mühe in sich hinein stopfen.

„Man muss mit Aufputschmitteln sparsam und vorsichtig umgehen,“ murmelte der Weißhaarige, als er Appis prüfende Blicke bemerkte. Seine Stimme hatte etwas Belehrendes, und Appi war so höflich, dass er einfach zur Kenntnis nehmend nickte, schließlich war er ja auch noch ein Schüler.

Nach dem Essen gingen sie dorthin zurück, wo sie sich von den anderen getrennt hatten. Sie hörten Yugi und die anderen in einem Zimmer reden, doch Crimson steuerte den nächsten freien Raum zwei Türen weiter an. In diesem standen vier Betten und eine Grundausstattung an Einrichtung. Appi folgte, sah aber seine Chancen auf ein Gespräch rapide schwinden. Tatsächlich suchte sich sein Begleiter das Bett aus, das am weitesten von der Tür entfernt war, so dass niemand an ihm vorbei gehen musste, und ließ sich bäuchlings darauf fallen. Die gefiederten Flügel fielen seitlich von ihm teils aufs Bett, teils daneben.

Appi seufzte und packte sich auf die nächste Schlafstatt. Allerdings legte er vorher seine Kleidung ab und ersetzte sie durch ein Feengewand, das er vorfand. Es war ihm zu groß, daher hing es seltsam an seinem Körper, aber zum Schlafen wollte er keine Kordel benutzen. Er kroch unter die Decke und schloss die Augen.

Appi musste über einiges grübeln, daher fand er nicht wirklich Ruhe. Außerdem beschäftigten ihn einige Fragen, und dass der Einzige, der ihm seines Wissens darauf antworten konnte, das nicht tat, machte ihn ganz hibbelig. Unbewusst wälzte er sich hin und her.

„Lieg doch mal still,“ grummelte Crimson.

Appi erschrak fast, er hatte gedacht, dass der andere fest schlief.

Crimson drehte sich auf die Seite, wuchtete umständlich den oberen Flügel hinter sich und sah Appi an. „Ich kann nicht einschlafen, wenn du so unruhig bist. Mein Schlaf ist anscheinend... nun, nicht mehr so tief und kommt nicht mehr so leicht, seit... na, seit... meinem kleinen Kerkeraufenthalt. Jedenfalls, wenn ich in einer unvertrauten Umgebung bin.“

Appi legte sich auch seitlich hin, so dass er den Weißhaarigen ansehen konnte. „Oh. Ich dachte, du wärst völlig fertig.“

„Bin ich auch. Aber ich kann förmlich spüren, wie deine Gedanken nach mir rufen und mich wach halten. Also, was willst du von mir?“

So direkt gefragt fehlten Appi doch irgendwie die Worte. „Uhm... Lord Genesis,“ warf er schließlich ein Stichwort in den Raum.

Crimson seufzte, doch ein Lächeln war in seinem Gesicht zu erahnen. „Jaja... du suchst jemanden, mit dem du Erfahrungen austauschen kannst. Ein Männergespräch unter Leuten, denen das gleiche passiert ist, hm?“

Als Antwort beschränkte Appi sich darauf, rot anzulaufen. Woher wollte Crimson denn wissen, was genau ihm passiert war? Hatte er etwa mit dem Vampir darüber gesprochen?

„Ich kenne deine Gedanken,“ grinste der andere Magier. „Man ist jung und hat vielleicht noch nicht viel Erfahrung, und so möchte man es einerseits als Geheimnis behalten, doch zugleich sollen alle es wissen, weil es einfach zu ungewöhnlich ist. Du hast jetzt die Wahl... du kannst überall mit deinen Erfahrungen angeben, bis man dich für einen Aufschneider hält, oder das Erlebnis zu einem Teil von dir machen und es einfach auf dich wirken lassen. Bisher scheinst du dich ganz gut geschlagen zu haben, warum also willst du es jetzt mir erzählen? Denkst du, ich bin geeignet als ein Vertrauter in dieser Sache?“

Appi räusperte sich. „Naja, also... so in der Art. Du hast doch auch, ähm...“

Crimson ersparte ihm freundlicherweise die Verlegenheit, indem er einfach Auskunft gab. „Öfters. Ich besuche ihn, wenn ich das Gefühl habe, dass ich jemanden brauche, der mich auf den Boden zurückbringt. Wenn er mein Blut trinkt, erfährt er Dinge über mich, die ich selbst nicht weiß. Und... er ist für mich sowas wie ein Mentor. Es gibt Dinge, die ich selbst mit meinem Vater nicht besprechen kann. Damit gehe ich zu Genesis. Er stellt keine Fragen, sondern lässt mich vergessen, dass ich ein Problem habe. Danach weiß ich besser, wie es weitergehen soll. Wie er es macht, weiß ich nicht, aber sein Biss wirkt wie eine Droge bei mir. Vielleicht ist es auch was anderes, vielleicht einfach seine charismatische Ausstrahlung, aber spielt ja auch keine Rolle, wenn das Ergebnis stimmt. Nachdem ich bei ihm war, kann ich wieder für alle den harten Kerl spielen.“

Über die letzte Bemerkung war Appi überrascht. „Den harten Kerl spielen? Aber...“

„Mal im Ernst. Würdest du es einfach so wegstecken, wenn man dir zweimal bei vollem Bewusstsein den Rücken aufschneidet?“

„Vermutlich nicht. Ich würde... ich würde aber keine Schwäche zeigen wollen, vor allem nicht vor Yugi. Der Typ kommt aus der Welt des Blauen Lichts und macht hier voll Karriere... Wenn jemals jemand meine Karte spielen soll, kann ich doch nicht zu einem Jammerlappen werden. Und meine Familie... Meine Eltern sind Krieger, ich darf sie nicht beschämen. Na und Mava und Neo... weiß nicht...“ Appi merkte, dass er vom Thema abzukommen drohte, und konzentrierte sich schnell wieder auf den älteren Magier. „Seit ich bei Genesis war, traue ich mich mehr. Ich hab irgendwie weniger Hemmungen, meine Meinung zu sagen, und mehr Vertrauen in mein Können. Aber jetzt kommen mir Zweifel, ob ich auf Dauer alle Erwartungen erfüllen kann...“

„Du musst gar keine Erwartungen erfüllen,“ widersprach Crimson sofort. „Nur deine eigenen. Bist du mit dir zufrieden? Dann hat niemand das Recht, etwas anderes von dir zu verlangen.“

Appi fand, dass das nicht zu dem passte, was Crimson vorher gesagt hatte. „Aber wenn du keine Erwartungen erfüllen musst, warum spielst du dann den harten Kerl?“

„Weil ich mich besser dabei fühle, wenn ich meine Emotionen nicht für jeden sichtbar auf dem Gesicht trage. Als Meistermagier habe ich außerdem eine Vorbildfunktion. Wenn ich nach außen hin stark wirke, fassen andere Mut und kämpfen entschlossener. Es wurden schon Schlachten gewonnen, nur weil der Anführer in einer ausweglos erscheinenden Situation bei seiner Truppe Zuversicht geweckt hat. Frag mal deine Eltern. Oder frag Yugi, wie viele Duelle er nur durch einen geschickten Bluff gewonnen hat.“

Appi nickte nachdenklich. Dass ausgerechnet Crimson sich seiner Verantwortung als Vorbild für andere bewusst war, erstaunte ihn. Aber Crimson hatte wohl nur einen schlechten Ruf und tat auch nichts, um das zu ändern. Nun ja... seine Lehrmethoden, die mit einbezogen, dass Schüler nicht von Gefahren ferngehalten wurden, sondern sie hautnah kennen lernten, waren wohl auch etwas fragwürdig, hoffentlich nahm er auf Eria etwas mehr Rücksicht. Andererseits... wollte man ein wildes Tier zähmen, musste man Bisse und Kratzer riskieren, so war das auch mit der Magie. Je mehr Appi darüber nachdachte, umso mehr leuchtete ihm das ein. Es war fast schade, dass man Crimson so leicht für verantwortungslos hielt, bloß weil er etwas... direktere Methoden hatte. Dabei war er eigentlich ganz in Ordnung, wenn man etwas länger mit ihm zu tun hatte.

„Worauf wolltest du jetzt eigentlich hinaus?“ fragte Crimson überraschend. „Bist du... in den Lord verknallt?“

Appi lief leuchtend rot an. „Ich... nein! Es ist nur... ich denke immerzu darüber nach, was ich mit ihm erlebt habe...“

„Wenn du meinen Rat hören willst... geh nicht gleich wieder zu ihm. Lass dich auf ein paar Romanzen ein, und wenn du dann immer noch an ihn denkst, bring ihm... das Essen.“

„Das Essen... das machst du immer, nicht wahr? Warum warst du überhaupt bei ihm? Man geht doch nicht einfach so zu einem gefürchteten Vampir, und das auch noch immer wieder...“

„Der Wald ist eine Fundgrube für Alchemisten. Aber nur, wenn man ihn sehen kann. Du weißt, wie ich das meine.“

„Ja... die vielen Pflanzen sind wunderschön...“

„Für mich sind sie eine Kräuterkammer.“ Crimson zog seine Decke zurecht, offensichtlich darum bemüht, endlich Schlaf zu finden. „Doch du stammst von Kriegern ab. Mir scheint, das wirkt sich auf deine Art der Magie aus. Du bist ein Kampfmagier, kein Alchemist. Du kannst es weit bringen... aber das wird Dark dir noch sagen...“ Crimsons Stimme wurde leiser, als der Weißhaarige die Augen schloss. „Wir können... später weiter reden...“

Appi schwieg und ließ den anderen einschlafen. Er selbst jedoch war sehr nachdenklich. Crimson hatte ihm einen kleinen Blick hinter seine Fassade gegönnt, und nun fragte er sich, wieviel Fassade jeder hatte, den er kannte. Und wieviel Fassade sollte er sich zulegen?

Er war dennoch ein wenig eingedöst, als die Tür sich öffnete und noch jemand das Zimmer betrat. Appi tat so, als würde er schon schlafen.

„Nimm das Bett neben Appi, dann kann ich in der Nähe der Tür bleiben,“ hörte er leise Darks Stimme.

Die andere Person antwortete nicht, vermutlich bestand die Antwort nur aus einem Nicken, aber das Bettzeug raschelte. Wen auch immer Dark mitgebracht hatte, es war gewiss niemand Gefährliches, also ließ er seine Aufmerksamkeit schwinden und schlummerte ein.
 

***

Fortsetzung folgt

Der Ruf der Karten

Hallo! Ich bin sehr froh, noch zu Weihnachten (auch wenn's der 26. ist) eine Folge präsentieren zu können! Dieses Mal sind ziemlich viele Schauplatzwechsel und POV-Wechsel drin, das erschien mir aber sinvoll, damit es unterhaltsam wird... naja das seht ihr dann schon. Für mich wird es jetzt kompliziert, weil ich mir als nächstes einige grundlegende Dinge ausdenken muss und dann... das Duell! Ich bemühe mich, nicht zu lange zu brauchen. :) Enjoy!
 

Welt des Blauen Lichts: Sonntag Mittag/Abend

Fremde Welten 64: Der Ruf der Karten
 

Die drei anderen schliefen. Wenn Dark Crimsons Vortrag über Verantwortung gehört hätte, hätte er ihm zugestimmt, denn er selbst wusste, wie sich das anfühlte. Er war recht bekannt im Schattenreich, wenn auch nicht allen persönlich. Als es Burg Drachenfels noch gegeben hatte, war er für alle Bewohner des Gemäuers verantwortlich gewesen und fühlte sich noch immer dafür zuständig, ihnen eine neue Bleibe zu beschaffen. Außerdem hatte er jetzt einen Schüler, und ihn zu beschützen war seine vorrangige Pflicht.

Doch Dark war auch nur ein Mann, und der vermisste seinen Partner. Jetzt konnte er sehr gut nachvollziehen, wie Yugi sich gefühlt haben musste, als er ganz allein hier angekommen war. Keiner von ihnen wusste, ob Blacky heile durch das Tor gekommen war, davon konnte Dark nur ausgehen, weil es eben Backys Art war, alles irgendwie zu überstehen. Doch der Magier ließ sich nichts von seinen Sorgen anmerken. Andere sahen zu ihm auf, also musste er die Situation unter Kontrolle behalten und durfte nicht den Mut verlieren. Zusammen mit Blacky war das für ihn nie ein Problem gewesen, aber jetzt... er hatte sich nie klar gemacht, wie sehr er den Rückhalt seines Partners brauchte. Konnte er auch ohne ihn klarkommen? Es war ja sicher nur vorübergehend...

Dark wälzte sich unruhig herum, bis er befand, dass er seine Zimmergenossen nicht damit stören wollte, und daher lieber nach draußen gehen sollte. Vielleicht konnten die Feen ihm ein Schlafmittel geben. Er warf einen Blick über die Schulter, bevor er ging: Crimson schlief auf der Seite und wirkte dabei ganz ruhig. Appi zeigte bereits Ansätze seiner Gewohnheit, sich schlafend im Bett sehr breit zu machen. Eria hatte sich eingerollt und wirkte etwas besorgt, aber relativ ruhig. Gut.

Dark stahl sich aus dem Zimmer, ohne genau zu wissen, wohin er wollte, denn er kannte sich hier ja auch nicht gerade aus. Zum Glück fiel er nicht weiter auf, weil der Gang gut besucht war und die Tageszeit hier nicht wirklich eine Rolle spielte. Man ruhte halt, wenn man müde war. Aber die Zuflucht im Himmel war eben nur eine Zuflucht und eigentlich kein Wohnort, daher war sie ganz und gar nach praktischen Gesichtspunkten eingerichtet und es gab keine riesige Bibliothek und auch keinen nennenswerten Garten. Insofern kam Dark zu seiner Idee zurück, sich ein Schlafmittel zu besorgen. Er musste schließlich fit sein, wenn er und seine Gruppe wieder gebraucht wurden.

Als er einen Gang entlang kam, der etliche Bogenfenster mit Blick auf einen beschaulichen Innenhof hatte, sah er dort draußen eine Anzahl Drachen im Kleinformat, die sich zusammengekuschelt hatten und schliefen. Diamantkralle war nicht dabei, aber vielleicht hatte der verletzte Drache sich woanders hin zurückgezogen. Dafür hob Schattensturm kurz den Kopf und quiekte leise.

„Du vermisst ihn wohl auch,“ murmelte Dark.

Schattensturm stieß die Luft durch die Nasenlöcher aus und ließ seinen Kopf dabei wieder fallen, um weiter zu schlafen. Dark ließ ihn in Ruhe.

Eine Person an einem der anderen Fensterbögen sprach ihn plötzlich an. „Hast du Eria in letzter Zeit gesehen, Dark? Du warst doch bestimmt mit Crimson unterwegs...“

Dark trat einen Schritt zurück in den Gang und wandte sich der Stimme zu. „Mad! Wir haben uns ja eine Weile nicht mehr unterhalten... geht es dir gut?“

Der Blauhaarige seufzte. „Hach ja... ich konnte den Amazonen für eine Weile entgehen. Rohka lässt mich normalerweise dauernd beobachten, als würde ich weglaufen wollen. Naja... zeitweise habe ich mit dem Gedanken gespielt. Was werden die mit mir machen?“

„Tja also... wenn ich das richtig verstanden habe, weiß das niemand, weil es so einen Fall wie deinen noch nie gab. Ich erwarte, dass du dich deiner Verantwortung stellst, aber ich werde für dich da sein und dafür sorgen, dass sie dich nicht zu hart bestrafen.“ Die Worte kamen automatisch von Darks Lippen, so als wäre er noch der Burgherr von Drachenfels. Aber er wusste, dass 'seine' Magier ihn auch noch so sahen.

„Weiß ich doch,“ sagte Mad mit einem dankbaren Blick.

Dark musterte ihn und bemerkte, dass sein Freund zahlreiche kleine Blessuren, Kratzer und Schrammen hatte, so als hätte er besonders ehrgeizig gekämpft. Doch es gab wohl keine ernsteren Wunden, wahrscheinlich hatte er hauptsächlich aus der Ferne Verteidigungszauber gewirkt. Eine Antwort war er ihm noch schuldig: „Eria schläft, Crimson und Appi sind in demselben Zimmer. Ich komme gerade von da, kann nicht schlafen.“

„Ach so, sie schläft...“ Das schien Mad etwas zu enttäuschen, aber er fing sich gleich wieder. „Es ist gut, dass Crimson sich um sie kümmert. Zwar hat er nicht den besten Ruf, aber wegen seiner Abstammung akzeptiert Rohka ihn, und ich brauche keine Angst zu haben, dass meine Tochter zu den Amazonen verschleppt wird.“

Dark nickte. „Ja, sie bleibt sozusagen in Reichweite. Aber mach dir keine Sorgen wegen Crimson. Er mag es, einen schlechten Ruf zu haben, das ist sowas wie eine Tarnung für ihn. Auf diese Art machen die Leute einen Bogen um ihn und er hat mehr Ruhe für seine waghalsigen Versuchsreihen. Er weiß jedoch immer genau, was er tut, kennt das Risiko und hat stets ein Mittel für den Notfall auf Lager, und er wird dafür sorgen, dass Eria nicht verweichlicht.“

Mad musste lächeln. „Wow, du hältst ja richtig große Stücke auf ihn.“

„Verrat ihm das bloß nicht. Wir sind seit unserer Kindheit Rivalen, das wird sich wohl auch nie ändern. Allerdings sind wir inzwischen... vernünftiger.“ Was sie beide nicht von gelegentlichen Dummheiten abhielt, wie man ja erst kürzlich wieder gesehen hatte. Er legte Mad eine Hand auf die Schulter. „Eria wird eine große Magierin, keine Sorge, und vielleicht rivalisiert sie dann mit Appi.“

Die beiden Männer lachten darüber, und das tat wirklich gut.

„Hast du Neuigkeiten von der Front?“ erkundigte sich Dark. Dabei war er ja noch gar nicht lange hier, es konnte eigentlich nicht viel Neues geben. Es war eher ein Versuch, die Unterhaltung aufrecht zu erhalten.

„Das Letzte, was ich sehen konnte, war, dass es ganz gut für uns läuft,“ gab Mad Auskunft. „Die müssen ihre gefährlichen Biester inzwischen alle verballert haben, und ich persönlich hatte den Eindruck, dass sie sich keine Mühe mehr gaben, nachdem Sorc und Malice weg waren.“

„Dann geht der Kampf jetzt in der Welt des Blauen Lichts weiter. Aber... was wollen die beiden da? Sie können eine Welt wie jene doch nicht einfach so erobern...“ Dark war nicht gerade beruhigt bei der Vorstellung, was die beiden Verrückten da drüben wohl planen mochten. Entweder hatten sie sich gründlich verschätzt und kamen gar nicht klar, oder sie hatten größere Pläne, von denen man hier noch nichts ahnte.

Mad zuckte die Achseln. „Vielleicht hatten sie einfach keinen Bock mehr auf das Schattenreich – Malice kam doch von da und hat es vielleicht Sorc in den Kopf gesetzt, dass es dort viel schöner ist als hier.“

„Vielleicht Rache,“ überlegte Dark. „Ich glaube nicht, dass er einfach der Schönheit wegen wieder dorthin will. Dafür ist er irgendwie nicht der Typ.“

„Nun... drüben wird alles mit einem Kartenspiel entschieden,“ gab Mad zu bedenken. „Du solltest dich also doch lieber ausruhen.“

Kartenspiel? Aber Yugi war doch hier! Und soweit er es mitbekommen hatte, wusste man nicht, wo sich der Pharao aufhielt oder wie es ihm ging. Andererseits, solange sie nichts anderes wussten, musste man davon ausgehen, dass er sich diesem Gegner stellen würde, wenn er Gelegenheit dazu bekam.

„Wenn es wirklich Rache ist, wird er den Pharao herausfordern. Stimmt.“ Dark rieb sich ahnungsvoll das Kinn. „In einem Spiel der Schatten, das an Grausamkeit alles übertrifft, was wir bisher erlebt haben.“

Denn möglicherweise wollte Malice sich nicht nur am Pharao rächen, sondern an allen, die an seiner letzten Niederlage beteiligt gewesen waren. Sowohl Menschen als auch Duel Monstern.
 

***
 

Sugoroku händigte Marik feierlich die Dueldisk von Yugi aus, dann den Gürtel mit der Tasche, in dem sich das Deck des amtierenden Königs der Spiele befand. Marik nahm beides geradezu ehrfürchtig entgegen.

Blacky hingegen war ganz aufgeregt. Er hatte noch nie eine solche Spielkarte in der Hand gehabt und wartete gespannt darauf, dass Marik das Deck auspackte.

Der Blonde legte die Duel Disk auf den Wohnzimmertisch und nahm das Deck dann auch wirklich heraus. Er sah es kurz durch und zeigte Blacky dann die Ritualmonsterkarte, die Yugi für gewöhnlich benutzte, um den Magier des Schwarzen Chaos zu spielen. „Hier – du siehst aus, als ob du die gerne sehen wolltest.“

Blacky starrte die Karte fasziniert an, berührte sie aber nur zögernd. „Wow... ich bin ganz gut getroffen, wie mir scheint. Der finstere Blick gefällt mir.“ Er drehte die Karte in der Hand und betrachtete sie von allen Seiten wie ein kostbares Artefakt aus der Antike.

Marik lächelte belustigt, legte die restlichen Karten auf dem Tisch aus und betrachtete das Deck. Sugoroku brachte ihm weitere Karten aus Yugis Bestand, falls er etwas daran ändern wollte. Es waren mehrere schöne Aufbewahrungsboxen voll. Klar, der König der Spiele verwahrte seine Karten nicht in Schuhkartons.

Blacky setzte sich neben den Ägypter und begutachtete die Auswahl. Das war eine spannende Sache für ihn. Er fand es besonders interessant, wie die Zauberkarten aussahen. Zwar kannte man im Reich der Schatten von den Monstern Bilder, aber von den Fallen und Zaubern nicht unbedingt, oder nur in irgendeinem Archiv.

Sugoroku strahlte, als er sah, mit welcher Begeisterung sein Gast die Karten studierte. Er suchte eine bestimmte Schachtel aus und gab Blacky eine Handvoll Karten daraus. „Hier, sieh sie dir nur an! Vielleicht hast du ja Ideen, die Marik umsetzen könnte.“ Dafür, dass es bald sehr ernst wurde und eigentlich schon war, hielt sich der alte Mann wacker.

Blacky bezweifelte, dass er bei der Zusammenstellung eines Decks helfen konnte, dafür dachte er viel zu verquer. Aber es begeisterte ihn, sich die Karten ansehen zu können. Wie viele seiner Kollegen konnten das schon von sich behaupten? „Hey, da bin ich drauf! Eine Zauberkarte!“ Wie spannend – nichtmal auf seiner Ritualkarte sah man ihn, aber auf dieser anderen Karte. Die Ritualkarte lag inzwischen ebenfalls auf dem Tisch und zeigte eine Anordnung von Kultgegenständen für ein dunkles Ritual.

„Die Karte da kann ich leicht einbauen,“ nickte Marik. „Aber ich bin mir nicht sicher, was ich sonst noch ändern soll... Vielleicht sollte ich Yugis Deck einfach weitestgehend so lassen, er hat es doch eigentlich immer in einem guten Zustand. Soll ich die Götterkarten reintun? Vielleicht... gehorchen sie mir nicht!“ Die drei Karten lagen mit auf dem Tisch, denn Sugoroku hatte sie aus der Vitrine geholt. „Malice wird sicher lauter fiese Karten aussuchen... was, wenn ich nichtmal angreifen kann?“ Der Blonde raufte sich gefrustet die Haare. „Ich schaff das nicht! Wie soll ich auch wissen, was Malice tun wird? Oh Maaaann! Ich kann das nicht! Woher soll ich wissen...?“

Doch Blacky legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Du musst nicht wissen. Doch Vertrauen ist wie Magie. Es wirkt Wunder.“

Marik schien zu zweifeln, ob Blacky jetzt nicht sein Vertrauen in den Falschen setzte. Er stützte seine Stirn auf die Ellenbogen und presste schwer atmend die Augen zu.

„Marik, mach doch kurz eine Pause,“ schlug Sugoroku vor. „Vielleicht kannst du das Puzzle ein bisschen sauber machen. Wenn Yugi zurück ist, kann er es auseinander bauen und den Dreck aus den Ritzen holen, aber ich traue mich das nicht. Es liegt in der Küche. Bin ja nicht sicher, ob es spülmaschinenfest ist.“

„Wahrscheinlich nicht! Obwohl... ist Gold.“ Der Ägypter lachte etwas aufgesetzt und ging in die Küche.
 

Marik war froh, mal kurz alleine zu sein. Er hatte aber das Gefühl, dass der alte Mann das mit Absicht gemacht hatte. Mit zittrigen Fingern nahm er das Puzzle und legte es ins Spülbecken, in das er klares Wasser laufen ließ, dann wischte er die Arbeitsplatte trocken, denn aus dem Puzzle war noch mehr von der Hafenbrühe getropft. Ihm wurde erst jetzt so langsam klar, was auf ihn zu kam. Zu dumm, dass Ishizu nicht hier war, sie hätte vielleicht... Nein, auch sie war nicht geeignet für dieses Duell. Da hätte er zu viel Angst um sie gehabt.

Marik hatte kein eigenes Deck, oder jedenfalls keins, das es mit Malice aufnehmen konnte. Sein letztes trug noch die Handschrift seines bösen Ichs. Er hatte es abgeändert, aber dadurch war es geradezu harmlos geworden. Yugis dagegen war immer einsatzbereit... aber konnte er es nutzen? Das Deck eines anderen? Nun... wenn die Karten ihn unterstützten, wie Kayos ihm versichert hatte... was sprach dann dagegen?

Ganz einfach. „Ich hab voll Schiss...“ Das hörte niemand, so leise sprach er. Aber... wussten es nicht schon alle? Einschließlich Malice?
 

„Du bist dir deiner Sache sicher, hm?“ Sugoroku nutzte die Abwesenheit Mariks, um den Magier anzusprechen.

Blacky zuckte gleichmütig mit den Schultern. „Malice hat uns im Reich der Schatten nicht geschlagen, also wird er es hier nicht schaffen. Ich mache mir mehr Sorgen darum, was er tut, wenn er das begreift. Dann wird er vermutlich irgendetwas tun, um doch noch ans Ziel zu gelangen.“

Der Alte Mann nickte. Damit waren sie ja wieder beim Thema. „Aber was ist sein Ziel?“

„Ich dachte erst, er will die Welt erobern, aber das glaube ich eigentlich nicht mehr,“ gab Blacky zu. „Genau genommen habe ich keine Ahnung, warum er das alles macht!“ Er lächelte breit, als wäre das kein Grund zur Besorgnis. „Er kann ja offenbar den Stab benutzen, um diese Rare Hunter zu steuern, aber wir aus dem Schattenreich können die Gegenstände eigentlich gar nicht benutzen. Malice allerdings stammt von hier. Damit bildet er eine Ausnahme.“

„Ja, er ist eigentlich auch gar kein Mensch im herkömmlichen Sinne...“ Sugoroku zupfte sich den Bart. „Er entstand aus den negativen Emotionen des jungen Marik. Ob durch die Macht des Stabes oder anders... das weiß keiner.“

„Malice hat gewartet, bis von eurer Seite ein Tor ins Schattenreich geöffnet wurde, und das dann verwendet. Ich vermute, dass er es auch von hier nicht auf kriegt, trotz Stab. Vielleicht hofft er, dass er durch ein Duell ein Tor öffnen kann.“

„Und zu welchem Zweck?“

Blacky machte eine unwissende Handbewegung. „Was weiß ich? Wie dem auch sei... wir bereiten uns einfach gut vor und fertig. Diese Spekulationen bringen uns nicht weiter. Manchmal findet man einfach keine Antwort, aber es ist ja auch nur wichtig, wie wir das Problem lösen.“

Sugoroku legte den Kopf schräg, was ihn Blacky aus einem anderen Gesichtswinkel sehen ließ. Der Blauhäutige war ab und zu etwas sprunghaft: Eben noch dachte er über eine Frage nach, doch wenn er keine Antwort fand, hakte er sie einfach ab und befasste sich mit wichtigeren Dingen. Man mochte das oberflächlich finden, allerdings musste er auf diese Weise seine Zeit nicht mit unnützen Grübeleien vergeuden.

„Kann ich vorher noch ein Vollkorntoast mit Himbeerkonfitüre haben?“

Sprunghaft, ja. Sugoroku lachte. Er hatte das Gefühl, dass Blacky sich tatsächlich überhaupt keine Sorgen machte. Er versuchte, sich diese Eigenschaft ebenfalls anzueignen, und wandte sich zum Gehen. „In Ordnung, ich mach dir gleich ein Toast. Vielleicht sollten wir mit dem Deck noch warten, bis Pegasus zurück ist... ich könnte mir vorstellen, dass er noch eine Überraschung für uns hat. Eine, die diesem Deck die richtige Würze gibt...“ Er betrachtete die ausgebreiteten Karten von Yugis Deck und fühlte, wie ihn die Aufregung packte. Aber es war eine positive, wie sie nur ein echter Spieler haben konnte. Zu schade, dass er wirklich schon etwas alt für diese übernatürlichen Sachen war.
 

Herr Mutou behielt Recht. Pegasus kam zusammen mit Duke und Ryou direkt von der Convention zum Spieleladen. Er hatte eine Deckbox dabei, in der sich aber nur wenige Karten befanden, die er Marik gab. Sugoroku drängte sich aufgeregt neben den Blonden und wollte unbedingt einen Blick erhaschen.

Der Millionär beugte sich zu Mokuba hinunter und gab ihm einen Zettel, den er fein säuberlich mit seiner schwungvollen Handschrift beschrieben hatte. „Mokuba-Boy, dies ist die Beschreibung der neuen Karten, deren Prototypen ich gerade Marik-Boy gegeben habe. Bitte veranlasse, dass sie in das System der Kaiba-Corporation aufgenommen werden, damit sie auf der Dueldisk dann auch funktionieren.“

„Kein Problem,“ nickte Mokuba mit seinem üblichen, tatkräftigen Gesichtsausdruck, klappte sein Laptop auf und fing an, die Tasten zu bearbeiten.

„Ich hatte in letzter Zeit den extremen Drang, Bilder zu malen und Karten zu erstellen,“ erklärte Pegasus. „Ich habe mich bemüht, alles richtig zu machen, was meine Intuition mir sagen wollte. Zweifellos hat es irgendeinen Sinn.“

Marik bekam bei jeder Karte, die er betrachtete, größere Augen. Er spürte, wie seine Besorgnis einer gewissen Aufregung wich. Mit diesen Karten konnte er es schaffen! Sie mussten ihm extra zu diesem Zweck in die Hände gefallen sein, wenn es so etwas wie das Schicksal gab. Er hielt sie so, dass auch Sugoroku gucken konnte, zumal dieser sich sowieso nicht abwimmeln ließ.

Dann aber hielt er sie Blacky hin. „Schau mal. Passen die nicht zu dem, was du uns von den Ereignissen im Schattenreich erzählt hast?“

„Unglaublich!“ Blacky sah die Karten durch und staunte. „Ui, da wird er sich aber freuen... hey und sogar... wow!“

Sugoroku rieb sich begeistert die Hände. „Ich kann mich kaum beherrschen! Na dann macht euch doch mal an die Arbeit!“ Er drängte Marik auf den Platz neben Blacky, damit er anfing, das Deck um die neuen Karten herum aufzubauen. Dann zog er sich aufgeregt einen Sessel näher zum Tisch.

Marik setzte sich nervös. Mit Magierkarten kannte er sich nicht so gut aus. Das war eigentlich Yugis Sache. Doch wenn er das Deck benutzen wollte, war es besser, wenn er es auch selber zusammenstellte, daran glaubte jeder echte Spieler. Man baute auf diese Art sowas wie eine Bindung zu seinen Karten auf – falls man denn daran glaubte.

Blacky half direkt mit. Er schlug Duelmonster vor, die hilfreich sein könnten, und Herr Mutou sagte ihm, wo er ihre Karten wahrscheinlich fand. So entstand auf wundersame Weise ein sehr brauchbar erscheinendes Deck.

Doch einen Zwischenfall gab es, als der alte Mann eine bestimmte Karte auf Blackys Wunsch hin heraussuchte. Sie war bei den Karten, die Yugi normalerweise aus irgendwelchen Gründen nicht benutzte, aber behielt. Etwa solche, die er von wichtigen Leuten geschenkt bekommen hatte, oder solche, die er gewonnen hatte, die aber nur Sammlerwert hatten. Bei dieser gab es aber einen anderen Grund, wie es schien. Als alter Hase im Bezug auf Sammelkarten sah Sugoroku es sofort.

„Die ist beschädigt,“ stellte er fest. „Jemand hat den Rand beschnitten. Das ist Schummelei!“

Blacky war offensichtlich bestürzt. „Dann können wir sie nicht benutzen?“

„Moment.“ Sugoroku stand auf und sah sich um. „Herr Pegasus?“

Yugis Freunde und Pegasus hatten sich nicht weiter eingemischt, sondern den Kühlschrank geplündert. Ryou versorgte alle Hungrigen mit Omelett.

Auf den Ruf hin kam der Erfinder des Kartenspiels mit einem fast leergegessenen Teller in der Hand ins Wohnzimmer. „Was gibt es denn, Mr. Mutou? Oh...“ Er hatte die Karte gesehen, die Yugis Großvater ihm hinhielt. Sofort stellte er den Teller auf das nächstbeste Möbelstück, stellte sicher, dass er keine fettigen Finger hatte und nahm die Karte an sich. „Oh my goodness! Terrible! Wer hat das getan?“

Marik räusperte sich. „Ähm... jemand von meinen ehemaligen Mitarbeitern, der gegen Yugi gespielt hat...“ Mann, war das peinlich! „Aber ich würde diese Karte gerne benutzen. Haben Sie noch eine?“

„Just a moment, please...“ Pegasus verließ das Haus und ging nach draußen, wo Dukes Auto parkte. Sie konnten aus dem Fenster sehen, dass er im Kofferraum kramte.

„Er ist fast komplett in seine Muttersprache zurückgefallen,“ murmelte Ryou, der den Austausch mitbekommen hatte und nun den Teller von einer Kommode nahm. „Das passiert nur, wenn er sich sehr aufregt...“

Pegasus kam mit einem Koffer zurück, der dem ähnelte, den Seto Kaiba stets mit sich herumschleppte, aber er war kleiner und flacher. Darin befanden sich sechs Deckboxen. Er nahm eine davon heraus. „Hier, Marik-Boy... aus meinem persönlichen Bestand. Da hast du wirklich Glück gehabt, die Produktion war eigentlich ein Versehen...“

Blacky hielt sich eine Hand vor den Mund und verkniff sich das Lachen.

Marik nahm die Karte an sich und integrierte sie in das Deck. So konnten sie weiter daran arbeiten, und es gab keine anderen Probleme mehr.

Zu diesem Zeitpunkt hatte Thea bei Frau Morikawa angerufen und ihr gesagt, dass sie heute Nacht die Welt retten mussten und deswegen wahrscheinlich am nächsten Morgen zu müde für die Schule sein würden. Vielleicht hätte sie das besser lassen sollen, denn die Frau wurde ganz aufgeregt und kam persönlich vorbei, um dabei zu sein. Sie traf gegen halb fünf am Nachmittag ein. Sie hatte sich extra eine dickere Jacke mitgebracht, da Thea ihr gesagt hatte, dass sie sich eine Weile im Freien aufhalten würden, und das mitten in der Nacht.

Gegen sechs Uhr abends lag das Deck fertig vor Marik, und Blacky und Sugoroku sahen ihn stolz an. Marik steckte es in die Deckbox an Yugis Gürtel, schnallte ihn jedoch nicht um. Dafür war es schließlich noch reichlich früh. „Leute... was machen wir denn jetzt? Ich würde mich ja noch etwas hinlegen, schließlich sind wir heute Nacht wach, aber ich würde bestimmt kein Auge zutun...“

Mokuba war noch an seinem Laptop beschäftigt. „Wie wär's denn, wenn wir einen Film gucken... ich habe Mai und Serenity über MSN benachrichtigt, sie kommen auch gleich vorbei.“

„Wäre es nicht besser gewesen, Serenity nicht zu sagen, dass ihr Bruder verschwunden ist?“ gab Tristan zu bedenken.

„Ach, ich hab ihr gesagt, dass das alles Absicht war und er halt ins Reich der Schatten gegangen ist. Wie lange sollten wir das denn auch geheim halten? Wenn Joey nicht bald wieder auftaucht, wird sie sich eh fragen, was das zu bedeuten hat,“ winkte Mokuba ab.

In Ermangelung besserer Vorschläge wurde also eine DVD eingelegt, sobald Mai und Serenity da waren. Marik und Blacky mussten dichter zusammenrücken, als sich noch Tristan und Pegasus (der es sich nicht nehmen ließ, mal neben einem leibhaftigen Duelmonster zu sitzen) auf das Sofa quetschten. Alle anderen holten sich Stühle oder Kissen, Frau Morikawa bekam den zweiten Sessel. Tristan und Mokuba machten Chips auf, und Ryou holte Getränke aus der Küche.

Der Film war eine Liebesschnulze: Titanic. Die Mädchen und Frau Morikawa seufzten hingebungsvoll, als sie das mitbekamen, und Marik verdrehte innerlich die Augen. Er kannte den Film, der war nicht so sehr sein Geschmack. Er war nicht sicher, ob es besser gewesen wäre, einen unbekannten Actionfilm zu sehen. Der hätte ihn vielleicht abgelenkt, aber vielleicht konnte ihm momentan auch rein gar nichts helfen und er musste sich einfach damit abfinden, dass er die ganze Zeit an später denken musste...
 

***
 

Dark hatte es sich anders überlegt... statt zu den Feen zu gehen, legte er einen Stillezauber auf sich und schlich in das Zimmer, wo sein Bett stand. Dort fand er Crimsons Tasche.

Sein Kollege hatte grundsätzlich immer alle möglichen Sachen dabei, auch wenn es unwahrscheinlich war, dass er sie brauchen würde. Aber manche Schlaftränke konnte man auch anders einsetzen und als Waffe benutzen, daher waren sie in einer Schlacht durchaus brauchbar.

Die Tasche war sehr einfach gehalten und aus braunem Leder. Sie war in ihrem Inneren, das aus mehreren Fächern bestand, sehr aufgeräumt, doch Dark wusste nicht, nach welchem System. Er kramte ein wenig und las Etiketten nach dem Zufallsprinzip, bis er etwas Brauchbares fand. „Totenruhe – 2 Stunden,“ las er. Dieses Mittel ließ den Trinker für zwei Stunden wie einen Stein schlafen, was sehr erholsam wirkte. Dark wunderte sich nur über die Farbe. Er hatte immer gedacht, das Zeug müsse lila sein, doch es war gelb. Der Geruch hingegen kam hin, und letztendlich beschloss er schulterzuckend, dass er sich wohl nicht so gut damit auskannte, wie er dachte, oder dass Crimson irgendeine Variation hergestellt hatte. Auf jeden Fall würde der Weißhaarige nie etwas falsch etikettieren.

Dark legte sich ins Bett, trank das Zeug und stellte die leere Phiole neben sein Kopfkissen, damit sich niemand über seinen tiefen Schlaf wunderte. Die Wirkung trat schon nach einer knappen Minute ein.
 

Dark schlief länger als zwei Stunden, denn als die Wirkung aufhörte, ging der trankinduzierte Schlaf in normalen Schlaf über, weil er einfach noch sehr erschöpft war. Das kam oft vor und war ganz normal. Als er aufwachte, war es, weil jemand immer „Pft, pft!“ machte.

Crimson hatte sich im Schlaf gedreht und einer seiner Flügel war nun über Appis Bett ausgestreckt. Die Betten standen ja relativ dicht beieinander und der Blonde schlief diagonal darin mit dem Gesicht an der äußersten Kante in Crimsons Richtung, so dass er die Federn im Mund hatte und unbewusst versuchte, sich davon zu befreien.

Doch auf einmal verschwand der Flügel; Crimson musste wohl erwacht sein und sich wieder in einem Magier verwandelt haben. In dem Moment, als der Weißhaarige sich aufsetzte, spürte Dark es... er hatte das noch nie besonders gut beschreiben können. Es war so, als ob man plötzlich etwas ganz sicher weiß. Er setzte sich ebenfalls hin, begegnete Crimsons Blick und wusste... auch er spürte es.

„Das... kam das letzte Mal vor, als ich... als wir...“ Crimson starrte seine Hand an, als ob er erwartete, dort eine Fessel zu sehen. Manche empfanden es so. Er schüttelte wild den Kopf, voller Ablehnung. „Wenn dieser Typ es wagt...“

„Beruhige dich. Ich glaube, es ist jemand anderes.“

„Ich mach da nicht mit!“

Eria zog sich die Bettdecke über den Kopf. Man hörte sie undeutlich murmeln.

Appi wachte ebenfalls durch das Gespräch auf. Er schien sich erst einfach noch einmal umdrehen zu wollen, blieb dann aber auf dem Rücken liegen, fuhr sich durch die Haare und tastete seinen Körper ab. „Was ist los? Ich habe das Gefühl, als ob... keine Ahnung, ich kann's schlecht mit Worten beschreiben...“

Darks Blick fiel auf das Fenster. „Du meine Güte, ist es schon dunkel? Wie steht die Schlacht?“ Er sprang auf, um auf dem Flur jemanden zu finden, der ihn informieren konnte.

Hinter ihm jammerte Appi. „Dark! Warte, ich... hab hier ein Problem! Meister!“

„Menno!“ maulte Eria und gab es auf, weiter schlafen zu wollen.

Vor der Tür rannte Dark fast mit Mava zusammen, der gerade die Hand nach der Klinke ausgestreckt hatte. „Hallo,“ grinste der Blonde. „Ich wollte gerade mal nach euch sehen. Der Kampf ist zu Ende. Sorcs Truppen haben sich vor etwa einer Stunde zurückgezogen. Der Rest von ihnen wurde eh vernichtend geschlagen. Hat wohl nur so lange gedauert, weil sie nicht schneller konnten. Anscheinend geht es aber jetzt anderswo zur Sache...“

Dark nickte. „Ja, ich merk's auch.“

„Was merkt ihr? Würde mich hier mal einer aufklären? Warum fühle ich mich so komisch und warum interessiert das keinen? Was ist überhaupt los?“ regte Appi sich auf. Er klang inzwischen fast panisch, hielt sich aber ganz gut unter Kontrolle im Vergleich zu früher. Er trat ebenfalls auf den Flur und blickte um sich, als erwartete er, jemanden zu erwischen, der ihm einen Streich spielte.

Dark erlebte diese Reaktion auch nicht zum ersten Mal von jemandem. Er legte Appi eine Hand auf die Schulter. „Keine Sorge, Appi. Es ist nichts Schlimmes. So fühlt es sich an, wenn jemand dich in seinem Deck hat. Jemand mit einem Millenniumsgegenstand oder ganz einfach ein wahrer Duellant. Nur sie können uns auf diese Art erreichen.“

„Jemand... spielt meine Karte?“ Appis Gesicht hellte sich auf.

„Na, so weit sind wir noch nicht,“ mischte sich Crimson ein, der nun auch zu der Gruppe stieß. „Eins sag ich euch, wenn ich Arcana je wiedersehe, brech ich ihm die Nase, gleich nachdem ich ihm die Eier abgerissen habe, und dann wisch ich mit ihm den Boden auf!“

„Ich wusste gar nicht, dass du ihn so sehr hasst,“ bemerkte Dark.

Crimson ballte eine Hand zur Faust. „Er hat Glück – mein Hass auf Malice ist noch viel größer!“ Er bebte am ganzen Leib, und es war schwer zu sagen, ob es vor Wut oder vor Angst war. Vielleicht ein bisschen von beidem. Erst als Eria aus dem Bett gekrochen kam, brachte er sich unter Kontrolle.

Dark war wieder einmal fasziniert, wie leicht ihm das zu fallen schien, fand es aber etwas seltsam, dass er Appi seinen Gefühlsausbruch hatte sehen lassen. Darüber zerbrach er sich dann jedoch nicht weiter den Kopf. Statt dessen nahm er wieder seine Rolle als Burgherr ein, ohne darüber nachzudenken, und alle Magier in seiner Nähe, die von Burg Drachenfels stammten, ordneten sich ihm automatisch unter. Es kam zu einer Blockade des Ganges, aber niemand klagte. „Wir haben wahrscheinlich ein Spiel der Schatten zu erwarten. Darauf können wir uns besser vorbereiten, wenn sich alle Betroffenen an einem Ort versammeln. Und je mehr wir sind, umso besser... denn ich kann nicht voraussagen, was dabei alles passiert.“

„Wir könnten uns da versammeln, wo Sorc sein Lager hatte,“ schlug Crimson vor. „Das ist sicherlich verlassen und die Stelle in weitem Umkreis gerodet und die ganze Flora plattgetrampelt.“

„Gute Idee, es ist auch groß genug. Sagt allen Bescheid.“

Ein mehrsstimmiges „Ja!“ antwortete ihm, dann strömten alle aus, um die Neuigkeit zu verbreiten und die Vorbereitungen einzuleiten. Als der Gang wieder frei wurde, waren nur noch Appi, Yugi, Joey und Seto da.

Yugi trat vor Dark hin und sah ihn mit großen Augen an. „Es gibt ein... Schattenduell?“

Dark nickte. „Wahrscheinlich... wenn Malice kann, wird er das machen, oder nicht?“

„Ja, sicher,“ bestätigte Yugi.

„Jetzt sehen wir das mal von der anderen Seite aus, ist ja heftig,“ meinte Joey und grinste, doch es wirkte unsicher.

„Dann geht es Yami gut,“ nickte Seto und schlug triumphierend mit der rechten Faust in die linke Hand. „Wir haben uns ganz umsonst gesorgt!“

Dark überlegte kurz, ob er lieber schweigen sollte, doch dann gelang es ihm doch nicht. Schließlich waren das alles keine Kinder mehr. „Ich möchte euch nicht beunruhigen, meine Freunde. Doch es ist nicht der Pharao.“

„Was?“ Yugi wurde ganz bleich, bekam noch größere Augen und trat ganz dicht an ihn heran. „Was soll das heißen?“

„Unsere Karten befinden sich nicht in den Händen des Pharaos,“ sagte Dark. „Meine ist die meist gespielte Karte in diesem Deck. Ich kenne seine Berührung ganz genau, das Gefühl seiner Aura, seine Seele im Einklang mit meiner... und mit der zweiten, die ich in mir trage. All das ist nicht da.“

„Drück dich deutlicher aus!“ verlangte Seto. „Wer außer ihm sollte das denn machen? Yami würde sich doch nie von seinem Schwarzen Magier trennen!“

„Ein anderer ist im Besitz des Decks,“ beharrte Dark. „Vielleicht bin ich der Einzige, der es merkt, weil ich so eng an den Pharao gebunden bin, aber ich bin mir sicher. Allerdings... müssen wir uns wohl nicht sorgen. Ich spüre Loyalität... und Liebe...“ Darks Wangen verfärbten sich rosa.
 

***
 

In der Welt des Blauen Lichts war der Film zu Ende. Opa Mutou und Ryou legten eine Decke um Blacky und Marik, die, aneinander gelehnt, auf dem Sofa sitzend eingeschlafen waren.

„Lassen wir sie noch ein, zwei Stunden schlafen,“ flüsterte Sugoroku und winkte alle anderen aus dem Raum.

Marik hatte den Gürtel mit dem Deck auf dem Schoß, da er sich die Karten im Laufe des Films noch einmal durchgesehen hatte, doch eine Karte hielt Blacky in der Hand, geradezu zärtlich, ohne Gefahr, sie zu zerknicken. Es war natürlich der Schwarze Magier.
 

***

Fortsetzung folgt.

Mitternacht

In diesem Jahr noch eine... ich hoffe wenigstens, dass sie noch online kommt. :) Enjoy!
 

Welt des Blauen Lichts: Sonntag Nacht

Fremde Welten 65: Mitternacht
 

Yugi gehörte mit seinen Freunden zu den Ersten, die den Schauplatz des zu erwartenden Schattenduells erreichten. Er war diesmal mit Seto und Joey auf Schattensturm geflogen, Neo, Mava und Appi auf Silberschwinge und einige weitere Magier auf Diamantkralle, Eria hingegen auf einem Amazonenvogel und die beiden Schwarzen Magier wieder mit eigenen Flügeln. Das schienen sie in letzter Zeit richtig zu genießen.

Auch einige der Krieger folgten, vornehmlich die, welche sich Joey verpflichtet fühlten, beispielsweise Gerfried und die Gilford-Brüder. Und wo Gerfried war, wurde man Chani nicht los. Auch danach noch flogen die Drachen immer wieder fort, um weitere Mitspieler und Zuschauer abzuholen, wie zum Beispiel Magi, Mad, Luster, Rohka, Amazia, die Skill-Brüder, Paladia und viele mehr. Yugi achtete bald nicht mehr im Einzelnen darauf.

Es war dunkel im Schattenreich, aber etwas über der Schattensphäre verlieh dieser einen gespenstischen Schimmer, wie Wolken unter einem Vollmond. Die Temperatur war angenehm, aber auf die Dauer mochte es etwas kühl werden. Die Lichtmagier erschufen ein paar Leuchtkugeln, welche den Schauplatz ausreichend erhellten.

Dark warf einen Blick über das ehemalige Lager der Feinde. Die Zelte waren teilweise abgebaut worden, aber viele waren noch da und diese größtenteils kaputt. Der Magier machte eine Handbewegung, und eine Energiewelle breitete sich über der Fläche aus, wobei alles, was nicht festgewachsen war, davongeschleudert wurde und nur eine relativ ebene Landschaft übrig blieb.

„Hätte ich nicht besser machen können,“ kommentierte Crimson sachlich.

„Und was genau soll jetzt hier geschehen?“ begehrte Seto zu erfahren, wobei er seinen Tonfall neutral hielt wie jemand, der ein Event plant.

Yugi war da schon etwas aufgeregter. „Ja, genau... wie funktioniert das jetzt hier? Wie ist es denn überhaupt, wenn ihr in einem Schattenspiel seid?“

Dark holte für seine Erklärung etwas weiter aus. „Was wir hier tun, ist eigentlich nicht unbedingt erforderlich, aber besser. Seht ihr... wenn einer von uns in einem normalen Kartenduell vorkommt, weiß der- oder diejenige das vielleicht, aber nur, wenn der Spieler auch mit Herz bei der Sache ist. Wer das nur als simples Spiel ansieht, wird von uns kaum zur Kenntnis genommen.

Wenn ein begeisterter Spieler unsere Karten benutzt, spüren wir das schon deutlicher; aber nur bei jemandem, der ein Duellant mit Leib und Seele ist, sind wir richtig dabei. Wie in einem Tagtraum, dem man sich mehr oder weniger hingeben kann. Wenn jemand eine Bindung zu einem bestimmten Menschen hat, kann er diesen aktiv unterstützen. So wie ich es bei dir und dem Pharao mache, Yugi. Da ziehe ich mich meistens irgendwo hin zurück und bin dann in dieser Welt gar nicht mehr ansprechbar.“

Yugi nickte und schwieg, um Dark nicht zu unterbrechen.

„Und dann gibt es die Schattenspiele,“ fuhr der Magier fort. „Die, wo in eurer Welt das ganze Spielfeld mit einer dunklen Wolke umhüllt wird. Dabei werden wir vollständig in eine Zwischendimension gezogen und sind wirklich auf eurem Feld.“

„Moment mal,“ mischte Seto sich ein. Bei Wheelers Duell gegen den falschen Marik...“

„Odion,“ half Joey aus.“

„Klappe! Da fiel Wheeler um und durch sein Monster hindurch. Das war nur ein Hologramm!“

„Der Lavagolem fühlte sich seeehr echt an!“ bemerkte Joey.

„Wie sehr wir uns manifestieren können, hängt von euch ab, aber eigentlich kann jeder, der in den Finalrunden eines Kartenduells ankommt, in einem Schattenspiel erreichen, dass wir körperlich da sind,“ sagte Dark.

„Ja, genau, Mai kann es auch,“ warf Paladia ein, die sich neben Crimson hielt.

„Und Ryou Bakura.“ Diese Anmerkung kam vom Vampirlord, der vor kurzem lautlos gelandet war.

„Eh... hat er Euch mal gespielt, Lord Genesis?“ wollte Crimson von ihm wissen.

Der Vampir strich sich arrogant durchs Haar. „Nein... aber meine kopflosen Ritter verschwinden manchmal für kurze Zeit.“

„Wheelers Monster war nur ein Hologramm!“ beharrte Seto und grinste dabei schadenfroh.

„Mitnichten,“ entgegnete Gerfried. „Aber Joey wurde bewusstlos und verlor seine Kontrolle, daher wurde meine Gestalt instabil und kehrte ins Schattenreich zurück.“ Er stand hinter dem Blonden und hatte diesem brüderlich eine Hand auf die Schulter gelegt. Joey stand kerzengerade und reckte das Kinn vor.

Seto schwieg, gab jedoch noch einen abwertenden Laut von sich und sah woanders hin.

„Ist doch nicht so wichtig... ich will lieber wissen, wie es jetzt weitergeht!“ drängte Yugi. Er hatte es keinem gesagt, aber auch er hatte so ein komisches Gefühl... Ob das wohl das gleiche war, über das Appi geklagt hatte? Es machte ihn unruhig und nervös.

Dark machte mit seinen Ausführungen weiter: „Wir können von hier aus eine Sphäre schaffen, die es uns erlaubt, das Duell mitzuverfolgen. Doch wir müssen warten, bis es anfängt und der Erste von uns gerufen wurde.“

„Ist das nicht so ähnlich wie das, was Malice gemacht hat?“ Das konnte sich Yugi nicht vorstellen, es wäre ja sonst nichts Besonderes. „Er hat doch auch das Tor, das Yami geschaffen hat, für sich benutzt...“

„Wir können durch diese Sphäre nicht die Welt wechseln,“ erklärte Dark. „Nur für eine Weile auf der Zwischenebene sein, wo die Schattenspiele stattfinden, gemeinsam mit den Personen aus eurer Welt, die sich im Einflussbereich des Spiels befinden. Stell dir ein Haus vor, das du mit anderen bewohnst: Du kannst die Leute nicht in ihrem Zimmer besuchen, aber dich auf dem Flur mit ihnen treffen. Jedoch nur, wenn sie vom Flur aus die Tür zu deinem Zimmer aufschließen.“

Yugi fand das Beispiel einleuchtend. „Und... das geht mit einem Millenniumsgegenstand?“

„Ja, zum Beispiel mit einem Millenniumsgegenstand.“

„Äh... du sagtest zum Beispiel. Womit denn noch?“

„Das ginge jetzt zu weit, Yugi.“

„Uhm... okay.“ Schade, das hätte Yugi brennend interessiert, aber vielleicht war es besser so... schließlich hatte er mit den sieben Gegenständen schon genug Ärger, da brauchte er nicht noch mehr Schlüssel ins Schattenreich, wenn er die unbekannten Dinge mal so nennen wollte.

Leider wussten sie nicht, wann das Duell beginnen sollte, daher mussten sie warten. Jedoch die Tatsache, dass jemand ein Deck mit den Karten mit sich trug, war schon ein Warnzeichen. Um die Zeit zu überbrücken, entfachten die Krieger Lagerfeuer, um die man sich scharen konnte. Die Fläche, die in etwa für ein Duell benötigt wurde, blieb aber frei.

Yugi bemerkte, dass sich in Darks Nähe eine Gruppe von Magiern versammelte, aber auch ein paar Wesen anderen Typs, die er aus seinem eigenen Deck kannte – zum Beispiel Kuriboh. Dieser löste sich von der Gruppe und kam angeflogen, um mit Yugi zu kuscheln. Der Junge ließ es gern zu, machte sich jedoch weiterhin Sorgen. Wer, wenn nicht Yami, mochte sein Deck spielen? Und wenn nicht Yami... warum dann nicht?
 

***
 

Yami hatte keine Ahnung, was eigentlich hier passieren sollte. Man hatte ihm schließlich nichts gesagt. Die Rare Hunter, die ihm Essen und Trinken brachten und seinen Kloeimer ausleerten, schwiegen die ganze Zeit, und er wollte eigentlich auch gar nicht unnötig Aufmerksamkeit auf sich lenken. Er fing fast schon an zu glauben, dass er sich den bösen Marik nur eingebildet hatte, zumal er in Begleitung eines Typen gewesen war, der einem Duelmonster sehr ähnlich sah.

Doch es kam der Moment, als die beiden Typen wieder auftauchten. Kein Zweifel – er hatte sich nicht getäuscht. Das eine war der Chaos Sorcerer und der andere Mariks böse Seite. Darauf konnte sich Yami keinen Reim machen, schließlich hatte Marik keine Anzeichen gezeigt, dass---

„Ich weiß, was du denkst, Pharao,“ schnarrte der Blonde, während er einen Rare Hunter heranwinkte, der Yamis Kette aufschloss. „Du fragst dich, ob ich Marik bin. Aber auf den bin ich nicht mehr angewiesen. Nenn mich Malice.“ Er grinste breit auf seine altbekannte, irre Art. „So, mitkommen!“

Yami stand auf, zog den Morgenmantel fest um sich und ging auf die Tür zu. Er dachte über einen Fluchtversuch nach, aber draußen standen zahlreiche Rare Hunter und versperrten ihm den Weg. Sie mussten wohl ihre Befehle haben, denn als er heraus kam, griffen sie ihn und fesselten seine Hände auf den Rücken.

„Wie fühlt man sich in der Rolle des Opfers?“ lachte Malice. „Wir werden heute noch viel Spaß haben, das garantiere ich dir!“ Er zückte den Millenniumsstab und fuhr mit den seitlichen Teilen an Yamis Kinn entlang.

„Du hast es schon letztes Mal nicht gebracht,“ erwiderte Yami und bemühte sich, seinen üblichen überlegenen Tonfall anzuschlagen.

„Mag sein, dass du letztes Mal Glück hattest, weil Odion aufgetaucht ist. Aber erstens ist der jetzt nicht hier und zweitens... bist du nicht am Start! Hahahaaa! Wer soll mich denn besiegen? Etwa Kaiba? Oder Wheeler? Nein wirklich... das kannst du dir abschminken.“

Yami hob eine Augenbraue und machte ein schicksalsergebenes Gesicht, als hätte er es mit einem Trottel zu tun, dem man eh nichts beibringen kann, doch er versuchte es trotzdem. „Malice. Du hast letztes Mal gegen Joey nur gewonnen, weil er das Bewusstsein verloren hat. Hätte er seinen Zug spielen können, wäre es mit dir aus gewesen!“

Er sah das zornige Aufblitzen in den violetten Augen, doch natürlich gab sich der Kerl vor seinen Leuten keine Blöße. „Rede keinen Unsinn! Er hatte von Anfang an in den Finalrunden nichts zu suchen! Und jetzt halt die Klappe. Ich werde dir noch Grund genug geben, sie aufzureißen – wenn ich dich vor Schmerzen schreien lasse!“ Malice lachte höhnisch und wandte sich zum Gehen. Der Magier und die Rare Hunter folgten ihm und nahmen Yami mit.

Er wurde in einen Kleinbus verfrachtet, den einer der Männer fuhr. Irgendwie war das seltsam... passte nicht so wirklich. Wenn man die Rare Hunter so sah, stellte man sie sich immer nur zu Fuß vor, mit wehenden Mänteln, oder bestenfalls noch auf einem Motorrad... aber nicht in sowas einfachem wie einem Fahrzeug zur Gruppenbeförderung! Naja, vielleicht, überlegte Yami, hatte er auch einfach nicht genug Wissen über diese Welt.

Malice und Sorc stiegen nicht ein. Eine schwarze Limousine fuhr an ihnen vorbei, vermutlich saßen sie darin, aber Yami verlor das Fahrzeug aus den Augen, denn er konnte nicht gut genug aus den Fenstern sehen, weil er von Rare Huntern eingekesselt war. Viel wichtiger war ihm aber auch, wohin eigentlich die Reise ging.

Es dauerte vielleicht eine halbe Stunde, dann wurde er wieder nach draußen bugsiert. Die Gegend kannte er... das Stadion. Malice und Sorc standen mit zwei der Männer schon da und wandten sich dem Bauwerk zu, als Yami eintraf. Er wurde hinter ihnen her geführt und wehrte sich nicht dagegen. Schließlich war er ja gespannt, was jetzt passieren würde. Aus irgendeinem Grund war er nicht einmal sonderlich beunruhigt. Vielleicht kam das noch. Auf alle Fälle war es besser, als die ganze Zeit unwissend zu warten.
 

Marik, Blacky und ihre Begleiter waren als Erste da. Vorsichtshalber hatte Mokuba bei der Stadtverwaltung von Domino City angerufen und den Leuten dort erzählt, dass er im Auftrag der Kaiba Corporation ein neuartiges System der Dueldisk testen würde, so dass sich niemand wunderte. Natürlich schlug man ihm das nicht ab, schon gar nicht, nachdem auch Pegasus seine Teilnehme angekündigt hatte.

Marik hatte nun Yugis Gürtel umgeschnallt und das Deck in der Dueldisk, die auch Yugi gehörte. Nur für heute war das alles seines. Ebenso wie die Rolle, die er hier spielte, ja sonst Yugi zukam. Fast kam es ihm so vor, als erwartete er ihn hier zu einem Finalduell eines Wettbewerbes. Er stand zusammen mit Blacky, der sich seine volle Montur angezogen hatte, an der Kopfseite des imaginären Duellfeldes auf dem Sportplatz, und an dessen Rand hatten sich die Zuschauer aufgebaut: Opa Mutou, Mokuba, Serenity, Thea, Tristan, Duke, Pegasus, Mai, die Lehrerin Frau Morikawa und nicht zuletzt Bakura... ihn kannte Marik von allen schon am längsten. Der Geist hatte es sich daher auch nicht nehmen lassen, zu diesem Anlass den Wirtskörper an sich zu reißen. Das lag vielleicht aber auch daran, dass Pegasus da war.

Der Magier des Schwarzen Chaos strahlte eine geradezu unheimliche Ruhe aus. Für einen Chaosmagier war das unerwartet, fand zumindest Marik. Dieser Mann zweifelte nicht im Geringsten an Mariks Sieg... und daran, dass das Deck ihn dorthin führen würde. Da Blacky selbst in diesem Deck vorkam, hatte Marik auch keinen Grund, an dieser Einschätzung zu zweifeln, und ging gewiss nicht dagegen an, als die Ruhe auf ihn abfärbte. In Panik geraten konnte er später noch. Wenn sein böses Ich erschien, wollte er ihm jedenfalls würdevoll begegnen und ihm keine Blöße zeigen. Ähnlich ging es wohl Blacky mit seinem Vater.

Malice und Sorc ließen sich Zeit. Sie kamen erst Punkt Mitternacht in das Stadion geschritten, als wäre der Grund und Boden ihr Eigentum. Und natürlich umgaben sie sich mit einer Schar Rare Hunter. Marik hatte die Männer nach den Ereignissen von Battle City erstmal wieder zurück zu ihren normalen Leben geschickt, sie quasi in einen Schläferzustand zurückversetzt, doch das hatte Malice nun widerrufen.

Er sah etwas anders aus. Seine Kleidung war nun ganz schwarz, eng anliegend und ergänzt durch einen schwarzen Umhang mit ausgefransten Säumen. Die Haare waren etwas kürzer als früher, standen aber noch immer steil ab. Er hatte nun, da er erneut im Besitz des Millenniumsstabes war, wieder das leuchtende Auge auf der Stirn – obgleich Marik nicht sicher war, dass er es zwischenzeitlich nicht gehabt hatte. Er trug bereits eine Dueldisk mit einem Deck darin am Arm.

Malice und Sorc blieben in ausreichendem Duellierabstand stehen. Die Rare Hunter verteilten sich auf der Seite gegenüber von Yugis Freunden. Dabei wurde sichtbar, wen sie in ihrer Mitte hatten, nämlich Yami, der offensichtlich gefesselt war und von mehreren Händen festgehalten wurde. Thea atmete hörbar scharf ein, Tristan hob eine geballte Faust in Brusthöhe vor sich, doch ansonsten beschränkten sich die Reaktionen auf Stirnrunzeln und erschrockene Blicke. Sogar Herr Mutou blieb ganz ruhig, lediglich seine angespannte Kinnpartie sagte etwas darüber aus, was er fühlte.

Niemand sprach, bis Malice das Gespräch eröffnete: „Na sieh an... haben sie es also dir überlassen, Marik. Nun, das passt mir gut. Sorc, sieh doch nur, wer bei ihm ist!“

Sorc, in seinem Spielkartenoutfit, trat neben seinen Komplizen. „Kayos. So sehen wir uns wieder...“

Blacky nickte ihm zu, wie man einen Kollegen höflich begrüßte. „Sorc.“

Man sah ihm nicht an, ob er in dem gegnerischen Magier seinen Vater sah oder nur einen Feind. Und man sah nicht, was Sorc darüber dachte... ob er sich vielleicht mehr erhofft hatte als diese neutrale Begrüßung.

Malice ergriff wieder das Wort. „Wie ich sehe, trägst du die Millenniumskette, Marik. Lass dir aber nicht einfallen, mir zuvorkommen zu wollen – die Regeln dieses Spiels bestimme ich, oder euer geschätzter Pharao wird es büßen, verstanden?“

Marik sah aus den Augenwinkeln ein breites Grinsen auf Bakuras Gesicht erscheinen und befürchtete schon, dass der Weißhaarige sich einmischen wollte, doch dies ging ihn nichts an. Außerdem hinderte ihn sicherlich Ryou daran, jedenfalls geschah von dieser Seite nichts.

Schade, Marik hatte tatsächlich die Idee gehabt, selbst die Regeln zu bestimmen... aber eigentlich hatte er das noch nie gemacht und es wäre wohl zu gefähr--- Was dachte er da denn nur? Es war auf jeden Fall noch gefährlicher, wenn Malice die Regeln machte!

Beide traten vor, während ihre Begleitmagier an ihrem Platz blieben, und trafen sich in der Mitte, um jeweils das Deck des anderen zu mischen. Als Marik sich anschließend umdrehte und zurück ging, war er froh, dass Blacky ihn im Auge behielt, denn er drehte seinem bösen Ich nur ungern den Rücken zu.

„Na dann kommen wir mal zur Sache!“ Malice hob den aufleuchtenden Stab über seinen Kopf. Das gesamte Spielfeld mitsamt den Zuschauern wurde in eine finstere Blase eingehüllt, um die außen herum Blitze zuckten. Drinnen wurde es kälter, aber weniger physikalisch als vielmehr durch den Gruselfaktor.

Serenity und Thea rückten eng zusammen. „Oh nein, jetzt ist es soweit!“ murmelte Joeys Schwester.

„Ihr wolltet ja unbedingt mitkommen!“ kommentierte Mai schnippisch. Aber auch sie schien sich nicht wohl zu fühlen.

Mal abgesehen von Bakura war es hier wohl allen etwas unheimlich geworden. Und alle wussten, dass jetzt Malice's schreckliche Fantasie zum Einsatz kommen würde, mit der er sich immer so grausame Nebeneffekte für das Spiel ausdachte.

Der Verrückte legte nachdenklich die Finger der freien Hand an sein Kinn. „Ich finde, dieses Mal sollten wir uns ganz besonders viele schöne Dinge einfallen lassen, was meinst du? Schließlich ist es ein ganz besonderes Spiel. Die erste Regel ist einfach!“

Scheinbar ohne sein Zutun schwebte Yami in die Höhe. Seine Fesseln lösten sich, aber dafür wurden seine Hände über seinem Kopf und seine Beine leicht gespreizt unter ihm von der dunklen Masse gehalten. Er wehrte sich vergeblich und gab es bald auf. Er landete links von Malice am äußersten Rand von dessen Helferschar.

„Wir haben ja hohen Besuch,“ spöttelte Malice mit einem bösen Lächeln. „Unser Pharao! Darüber freue ich mich ganz besonders, denn dass er mein Gast ist und nicht mein Gegenspieler, gibt mir ganz neue Möglichkeiten in die Hand...“ Er schaute berechnend zu Yami hoch. „Du wirst für mich leiden, Pharao! Immer, wenn ich Lebenspunkte einbüße, wirst du die Schmerzen fühlen!“

„Nein! Lass ihn...“ Marik ärgerte sich über seine Reaktion, aber seine Loyalität hatte ihn so impulsiv handeln lassen. Er bereute das sogleich.

„Hahaha! Was denn, Marik! Du musst doch nur verlieren, wenn du ihn schonen willst!“ spottete sein Gegner. „Aber damit es fair bleibt, kriegst du einen von meinen Leuten, der für dich leidet, wenn du Punkte verlierst. Lass sehen...“ Malice schien zu überlegen, welchen der Kapuzenträger er nehmen sollte, und pickte dann scheinbar willkürlich einen heraus.

Der Rare Hunter schrie entsetzt auf, als er hochschwebte und in die gleiche Position gebracht wurde wie Yami, nur links von Marik, seitlich von Sugoroku und den anderen. „Aber Meister Marik... ich war doch immer ein treuer Diener...“

Malice kratzte sich gelangweilt im Ohr. „Merkst du was? Er hat noch nicht begriffen, dass er jetzt mir dient, Malice, und nicht mehr dir, Marik. Dann passt es ja. Ich glaube nur nicht, dass er viel taugt, wahrscheinlich kratzt er schon ab, wenn du die Hälfte deiner Lebenspunkte eingebüßt hast.“

„Wie bitte?“ Marik sah kurz zu dem Rare Hunter, doch er konnte das Gesicht nicht sehen, weil er die Kapuze im Gesicht hatte. „Soll das heißen, dass er sterben kann?“

Malice freute sich ungemein. „Natürlich! Wo wäre denn sonst der Spaß? Das gleiche gilt logischerweise auch für unseren lieben Pharao! Freust du dich nicht? Du wolltest ihn doch immer töten... jetzt hast du die Gelegenheit! Vielleicht schaffe ich es, all meine Lebenspunkte (bis auf einen) für einen mächtigen Effekt zu opfern, mit dem ich dann dich auslösche! Hahahaaaah!“

Marik fühlte langsam die befürchtete Panik in sich aufsteigen. Wie sollte er denn unter diesen Bedingungen das Duell bestreiten, geschweige denn gewinnen?

„Krieg dich ein, Marik.“ Überraschend kam die Stimme Bakuras vom Spielfeldrand. „Ich sag's ungern, aber vermutlich ist der mächtige Pharao in der Lage, die Strapazen dieser Spielevariante zu überstehen.“

Marik fragte sich, ob Bakura log, aber das war nicht seine Art... er war hinterhältig, aber nicht unehrlich.

„Wie meinst du das... ist Yami stark genug dafür, dass ihm nichts passiert?“ fragte Sugoroku den Ringträger hoffnungsvoll.

Dieser zuckte nur mit den Schultern. „Leider ja... ich jedenfalls würde es schaffen. Im Spiel der Schatten kommt es auf den Willen an, er kann sogar körperliche Mängel überwinden. Allerdings... dass ihm nichts passiert, würde ich nicht sagen, aber er wird’s wahrscheinlich überleben. Zu ärgerlich aber auch.“

Bakuras Wunsch, Yami tot zu sehen, wurde wie immer ignoriert, denn sie waren das von ihm schon gewohnt. Die Freunde sahen einigermaßen beruhigt aus, auch wenn Yami keineswegs außer Gefahr war.

„Davon abgesehen, Malice...“ fuhr Bakura jetzt wieder lauter fort „tu mal nicht so, als wärst du so gnädig, fair zu spielen! Wenn man in einem Schattenspiel unfair sein dürfte, hättet ihr gegen mich noch nie eine Chance gehabt!“

„Geist des Ringes,“ murmelte der Blonde mit einer Unheil verkündenden Stimmlage. „Auch mit dir habe ich noch eine Rechnung offen...“

„Zu dumm, dass das Spiel schon angefangen hat. Du kannst keine Unbeteiligten mit hineinziehen!“ erwiderte Bakura.

„Er konnte doch auch Yami mit reinziehen und diesen Mann, sind die nicht unbeteiligt?“ hakte Tristan nach.

Der Geist des Ringes war für eine kurze Zeit um eine Antwort verlegen. „Ähm... den hat er schon als Geisel mitgebracht, deshalb...!“

„Mit anderen Worten, du weißt es nicht,“ warf Duke ein.

Doch Bakura fing sich wieder. „Ich hab mich undeutlich ausgedrückt... Malice muss die Regeln in dem Moment festgelegt haben, wenn er das Spiel startet. Er kann es so machen, dass wir erst nach und nach merken, was los ist, aber er kann nicht hinterher noch mehr Leute einbinden oder die Regeln irgendwie ändern.“

„Woher willst du wissen, dass wir nicht schon mitten drin sind?“ gab Mokuba zu bedenken.

„Kluger Junge,“ antwortete Malice an Bakuras Stelle, sagte jedoch nichts Genaueres dazu.

„Einige Dinge waren meine Idee,“ fügte Sorc hinzu. „Freut euch auf chaotische Zustände...“

„Nichts, was wir nicht meistern werden,“ versicherte Blacky im Gegenzug.

Marik hatte den Eindruck, dass der Magier noch mehr sagen wollte, doch er verschwieg den Gegnern, dass Mariks Deck einige Überraschungen bereit hielt, mit denen Malice wohl kaum rechnen konnte. Oha... wann hatte er angefangen, es als *sein* Deck zu bezeichnen? Aber er musste zugeben, dass Blacky ihm inzwischen auch sehr vertraut vorkam, wie ein langjähriger Freund, und fast konnte er erraten, was er dachte.

Ihre Blicke trafen sich, als Marik sich dem Duelmonster zuwandte. Etwas ging zwischen ihnen vor, eine Art von Verständnis, die er nie für möglich gehalten hatte. Bisher... bevor er gegen Yugi verloren hatte... waren Spielkarten auch nur ein Mittel zum Zweck für Marik gewesen, quasi das Schwert, mit dem er kämpfte. Doch jetzt wurde es viel mehr.

Blacky lächelte ihn an. Synchron schauten sie dann zu Yami, der ihnen ermutigend zunickte. Bakura hatte Recht – um den Pharao brauchte man sich keine Sorgen zu machen. Vielleicht konnten sie dieses Duell einfach schnell zu einem guten Ende bringen.

Marik schwieg nun und zog fünf Karten. Die Anzeige auf den Dueldisks sprang auf 8000.

„Ich beginne... denn ich habe euch herausgefordert,“ verkündete Malice. Er hatte sechs statt fünf Karten gezogen und schickte sich an, die erste abzulegen.

„Duell!“
 

***
 

Die Monster hatten sich um das Duellfeld herum aufgebaut, auch wenn es im Moment noch nicht viel mehr war als eine rechteckige, kahle Fläche. Yugi, Joey und Seto konnten ihnen ganz genau sagen, wie groß der Platz ungefähr war, den zwei Duellanten mit Dueldisks brauchten.

Es waren noch viele der Feen dazugekommen, etliche Amazonen und zahlreiche Krieger und Untote, letztere aus den Reihen von Genesis. Natürlich waren nicht alle in einem der Decks eingebunden. Ohnehin waren die aus Malices Deck vermutlich nicht anwesend. Black Luster klagte lauthals, dass man ihn nicht zu würdigen wusste, was seine Kollegen mit übertriebenem Mitleid kommentierten. Er meinte es natürlich nicht so, schließlich wusste jeder, dass Yugis Deck aus Magiern bestand, von ein paar Ausnahmen mal abgesehen.

Dark, Crimson, die Skill-Brüder und Mava waren damit beschäftigt, um das Feld herum Runensymbole in den Boden zu ritzen. Alle anderen nutzten die Zeit, um sich noch etwas zurecht zu machen, andere Klamotten anzuziehen und sich noch etwas zu stärken.

Yugi hatte festgestellt, dass sich zu so einer Gelegenheit alle in die Kleidung warfen, die sie auf ihrer Karte trugen. Dieses Spiel würde noch realer werden als jedes bisherige Schattenspiel, und vielleicht würde das sogar Malice überraschen. Aber vielleicht rechnete er auch damit. Sorc war schließlich auch ein Duelmonster. Er konnte ihm davon erzählt haben, dass man es so machen konnte... falls er das wusste.

Yugi und seine Freunde jedenfalls waren schon ganz aufgeregt. Sie konnten vielleicht die Leute aus ihrer Welt wiedersehen! Seto tat zwar so, als ließe ihn das alles eher kalt, aber er sah sich doch interessiert um und stellte sogar hin und wieder eine Frage. Joey machte das schon offensichtlicher. Er rannte umher und begeisterte sich für alles und jeden.

Da auch Yugi sich schon zu den Duelmonstern gehörig fühlte, hatte er sich die Sachen angezogen, die man für ihn entworfen hatte. Das Outfit war aus weichem, schwarzem Leder und ließ die Arme und den Rücken frei, ähnlich im Schnitt wie das Oberteil von Appi. Dazu gab es einen Überwurf, der wie eine in zwei Zacken endende Fahne aussah, durch die er den Kopf gesteckt hatte, und an jeder Ecke hingen kleine Zierkügelchen, die auch verhinderten, dass der Stoff zu sehr flog. Vorne war er natürlich kürzer als hinten und insgesamt in dunklem Lila gehalten mit pink abgesetzten Rändern, passend zu den Gurten, die zur Zierde um seine Beine und Hüfte geschnallt waren – dies war von Blacky abgekupfert. Auch sein Hut hatte einen Gurt, ansonsten war er ein normaler spitzer Zaubererhut, der farblich zum Überwurf passte. Das ganze war noch nicht so entgültig... er hatte ja auch noch keinen eigenen Zauberstab, sondern benutzte den früheren von Dark, der ein Standardmodell zu sein schien. Auch fanden alle ihn in den Sachen süß – Yugi war nicht sicher, ob ihm das gefiel.

Das seltsame Gefühl im Bauch machte ihn ganz verrückt! Auch Appi lief herum wie Falschgeld, versuchte zwar, sich nützlich zu machen, wusste aber nicht, wo er anfangen sollte. Schließlich landete er bei Yugi. „Oh Mann oh Mann oh Maaaann! Ich hab vielleicht heute meinen ersten Einsatz... meinen ersten richtigen Einsatz, meine ich. Noch nie war ich in einem großen Duell! Und dann auch noch ein Schattenduell...“

„Ist ganz simpel, der Irre Gegner quält generell alle Beteiligten, verspottet den Helden und tut generell alles, um dem Rest der Welt das Leben zu erschweren,“ sagte Yugi.

Appi starrte ihn an. „Danke! Das erleichtert mich ungemein!“

„Sag mal, Appi... ich wollte dich schon die ganze Zeit was fragen.“

„Ja?“

„Bevor du beschlossen hast, dass du der Apokalyptische Magier sein willst, wie hast du da geheißen? Ich meine... wie haben deine Eltern dich genannt?“

Der Blonde starrte Yugi überrascht an. Er musste sich wohl erstmal eine Reaktion darauf überlegen, dann beugte er sich etwas hinunter und flüsterte ihm die Antwort ins Ohr. Als er sich wieder aufrichtet, tauschten die beiden noch einen langen, wortlosen Blick aus. Yugi hatte nicht den Eindruck, dass Appi sein Geburtsname peinlich war, er machte nur gerne ein Geheimnis daraus. Und in diesem Moment sah er sehr würdevoll aus, so als hätte er all die Jahre auf diesen Moment hingearbeitet, um sich seinen Namen auch zu verdienen.

Der Augenblick verging, und Yugi wurde sich wieder der Geräuschkulisse bewusst. Allmählich kam Ordnung in die Zuschauer und Teilnehmer. Die Gruppe derer, die spürten, dass sie in einem der Decks waren, hatte sich in der Nähe gesammelt.

Dark kam zu ihnen und gab ihnen Anweisungen. „Der Erste, der gerufen wird, muss einen Spruch rezitieren, um uns von drüben aus den Zugang zu ermöglichen. Traust du dir das zu, Appi?“

Der Angesprochene richtete sich noch gerader auf. „Ja, Meister.“

Dark nickte und gab ihm ein Notizkärtchen. „Lern das möglichst auswendig. Ich glaube allerdings nicht, dass es mit dir losgeht.“ Er warf einen Blick auf Yugi. „Oder mit dir...“

Yugi errötete, als hätte man ihn bei etwas Verbotenem erwischt. Er hatte niemandem erzählt, dass er wohl auch dazu gehörte, aber niemand schien sich zu wundern.

„Wenn es soweit ist,“ fuhr Dark fort, „wird sich hier die gleiche Szenerie bilden, die die Duellanten sehen; es wird so sein, als wären wir bei ihnen – was wir ja spätestens dann auch sind. Aber gebt acht... wir wissen nicht, welche Regelungen das Schattenspiel hat. Unsere Einmischung könnte unvorhergesehene Folgen haben. Aber eigentlich bin ich ganz zuversichtlich... wird bestimmt spaßig.“

Yugi hob eine Augenbraue. Spaßig? Doch dann erkannte er auf Darks Gesicht einen Ausdruck, wie er ihn oft bei Seto, Joey und vielen anderen sah: Die Freude auf den Wettbewerb, die Bereitschaft, sein Bestes zu geben und sich ganz dem Zweck hinzugeben. Auch Duelmonster waren mitunter Duellanten mit Leib und Seele. So hatte er es noch nie gesehen.

Crimson stand etwas abseits. Er wirkte nachdenklich und hatte Eria zu ihrer Mutter geschickt, da sie nicht mit von der Partie war. Aber anscheinend befürchtete er, dass er für die Gegner kämpfen musste. Doch das glaubte Yugi nicht, denn er selbst war im Besitz der Karte... die allerdings zu Schummelzwecken beschädigt worden war, deshalb hatte er sie zu denen gesteckt, die er nicht benutzen wollte. Es konnte also auch sein, dass noch jemand eine besaß... Malice hatte bestimmt Zugriff auf die Bestände der Rare Hunter.

„Es hat begonnen,“ meinte schließlich Dark, und einige andere nickten.

Yugi fiel nichts auf, bis auf die Tatsache, dass es kälter zu werden schien. Da fehlte ihm wohl einfach die Erfahrung.

Es wurde still. Alle waren gespannt. Wer von ihnen war wohl als Erster an der Reihe?
 

***
 

Fortsetzung folgt.
 

Note: Das Duell beginnt mit 8000 LP, weil das in der Realität so gemacht wird. Die Werte einiger Effekte sind auch höher als im TV, so dass sich das wieder ausgleicht.

Alles hat seinen Preis

Endlich fertig!

Mein Mann hat freundlicherweise Mariks Deck gespielt, oder besser, die Karten ausgesucht, die gerade passten. Da ich einige Sachen unbedingt machen wollte, mussten wir manchmal unsere Möglichkeiten begrenzen, sonst wäre das Duell viel kürzer gewesen. Dennoch musste ich auf ungefähr die Hälfte meiner Ideen verzichten.

Auch geht das alles in echt nicht so einfach wie im Fernsehen, weil wir uns an die tatsächlichen Kartentexte gehalten haben – im TV wurden manchmal einfachere benutzt, die zum Beispiel keine Lebenspunkte kosten oder mal schnell die Hand mit Karten füllen. Wir dagegen mussten feststellen, dass man ganz schnell keine Handkarten mehr hat und dann ziemlich am Ar*** ist. Auch war ich enttäuscht, dass ich beispielsweise Ectoplasmer nicht nehmen konnte, denn es ist eine permanente Zauberkarte, die in jeder Runde ein Opfer fordert. Das wäre ja dann nicht in meinem Sinne gewesen.

Dark heißt ja auf Deutsch eigentlich Dunkler Magier und Blacky Dunkler Magier des Chaos, aber ich habe bisher die Namen aus der Serie verwendet – Schwarzer Magier und Magier des Schwarzen Chaos – und das werde ich auch beibehalten, ist einfach cooler. Auch kann man Dark auf diese Weise besser von Kuro unterscheiden, dem Erfahrenen Dunklen Magier. Ansonsten habe ich die korrekten deutschen Kartennamen benutzt.

Ob das Duell letztendlich qualitativ hochwertig war, möchte ich auch bezweifeln, haha! Aber seht halt selbst... Ich bin jedenfalls fix und fertig, aber endlich ist es geschafft. Enjoy!
 


 

Welt des Blauen Lichts: Sonntag Nacht

Fremde Welten 66: Alles hat seinen Preis
 

Yami kam sich hilflos vor. Kein Wunder... er hing an der Seite in der Luft, konnte sich nicht groß rühren und musste sich darauf verlassen, dass er gerettet wurde, und das ärgerte ihn ganz gewaltig. Natürlich war man auch immer sehr unter Druck, wenn man derjenige war, der den Kampf ausfocht, aber das gefiel ihm generell besser.

Etwas erschwerend kam noch hinzu, dass er hier leiden sollte, wenn Malice Punkte verlor. Das war neu – normalerweise benutzte man doch eine Geisel für sich selbst, zu der man selber ein enges Verhältnis hatte. Aber nun ja... das sollte wohl dazu dienen, Marik davon abzuhalten, Malice zu schaden. Auch ne Strategie. Yami war direkt froh, dass Bakura sich eingeschaltet hatte. So würde Marik sich nicht zurückhalten.

Faszinierend fand er auch, dass er den Magier des Schwarzen Chaos und den Chaos Sorcerer dort unten auf dem Feld sah... Sorc hatte er ja schon getroffen, aber jetzt konnte er sich die Duelmonster genau ansehen. Was die beiden genau dort taten, wusste Yami nicht – vermutlich moralische Unterstützung bieten. Vielleicht war auch ihre jeweilige Karte im Deck ihres Partners – Yami dachte ganz als Duellant und freute sich schon darauf zu sehen, welche Karten Marik spielen würde. Möglicherweise welche aus Yugis Bestand, denn Marik hatte kein brauchbares eigenes Deck besessen, das wusste Yami. Er war mehr gespannt als ängstlich. Und dann ging es endlich los.

Malice legte zur Eröffnung zwei verdeckte Karten hin und sagte das entsprechend an. Sie erschienen wie gewohnt auf dem Feld, mit der braunen Seite nach oben. Dann kam eine Monsterkarte: „Ich spiele Wiederbelebungsschleim im Angriffsmodus (1500/500),“ verkündete er und lächelte süffisant. „Den kennst du ja, Marik... Und ich beende meinen Zug, indem ich eine Zauberkarte spiele... Oookazi, das große Feuer.“ Sein Blick wanderte langsam zu dem Rare Hunter, der neben Marik schwebte. „Aber dich trifft es ja nicht...“

Auch Marik drehte sich deutlich erschrocken zu dem Mann um. „Aber... es wird ihn nicht wirklich verbrennen?!“

Der Rare Hunter realisierte wohl auch langsam, was ihm blühte, und fing an zu zappeln. „Neeeeeiiin! Meister Marik, habt doch Erbarmen...!“

Yami meinte, die Stimme zu kennen, aber er konnte sie momentan nicht mit einem Gesicht verbinden... vielleicht war er dem Mann während des Battle City Turniers begegnet.

Malice legte die Zauberkarte auf die Dueldisk. Sofort wurde Mariks Seite in Flammen gehüllt und der Grabwächter schrie gequält auf. Aber auch der Rare Hunter schrie: sein Körper wurde von schwarzen Blitzen umzuckt, während Marik 800 Lebenspunkte verlor.

Yami beobachtete beides schockiert. Er wusste, dass sich Feuer in einem Schattenspiel sehr echt anfühlen konnte, sehr viel echter als durch die Technik von Setos Dueldisks. Jedoch hatte Marik keine sichtbaren Verbrennungen erlitten. Das, was dem Rare Hunter dann widerfuhr, ließ ihn so langsam begreifen, in was für einer ungünstigen Lage er selbst sich gerade befand. Doch wenn Yugi die Qualen eines Schattenspiels aushalten konnte, würde er das auch schaffen!

„Ups... da hab ich mich wohl vertan. Natürlich kriegt der Spieler die Wirkung der Karte ab, aber dein Opfer merkt den Verlust an Lebenspunkten.“ Das fiese Grinsen auf dem Gesicht des Irren zeigte deutlich, dass Malice das von Anfang an gewusst hatte, doch es gefiel ihm eben, anderen Angst zu machen.
 

Marik war in die Knie gegangen. Das fing ja gut an! Und es war erst der Anfang.

Blacky half ihm hoch. „Lass dich nicht verunsichern!“

Der Blonde zog eine Karte und nickte dabei. „Ich spiele Neo, Magischer Schwertkämpfer (1700/1000), im Angriffsmodus!“ Neo materialisierte sich auf dem Feld. „Und ich spiele eine Zauber---“

Doch Marik wurde unterbrochen, denn Neo streckte die Hände über seinem Kopf aus und rief eine Formel.

„Was? Was soll das?“ schrie Malice.

„Was denn, wirst du ängstlich, wenn du die Lage nicht im Griff hast?“ spöttelte Blacky.

Die Schwärze des Schattenspiels waberte und flackerte. Es gab schrille Töne, die beinahe in den Ohren schmerzten. Die ganze Blase schien sich zu vergrößern, Blitze leuchtete in ihr auf.

„Was passiert hier? Ist das auch einer seiner Schattenspieltricks?“ rief Duke entsetzt.

„Aber Malice ist doch offensichtlich selber ganz geschockt, seht doch!“ Thea zeigte auf den Irren, der sich furchtsam umsah, bis Sorc ihm etwas sagte, was ihn anscheinend beruhigte. Allerdings sah er dann sehr beleidigt aus.

Ein scharfer Wind pustete über das Feld, und die meisten Anwesenden zogen es vor, sich zu ducken. Für einen Moment blieb allen der Atem weg. Man hörte die Rare Hunter angstvoll durcheinander sprechen und das Gejammer dessen, der als Opfer auserkoren worden war.

Mit einem Schlag hörte es auf und alles war still. Gerade so, als wäre man plötzlich taub geworden.

„Hallo, Blacky,“ sagte Neo in die Stille hinein. „Wir haben uns schon gefragt, wo du steckst!“ Er deutete mit dem Daumen über seine Schulter zu Yugis Freunden, deren Anzahl sich dramatisch vergrößert hatte: Zahlreiche Vertreter aus dem Schattenreich waren erschienen, darunter Dark und Crimson und die anderen Magier aus Mariks Deck. Doch nicht nur dort. Duelmonster standen rund um das Feld, hinter den Rare Huntern und hinter den Spielern in mehreren Reihen.

„Seto, du bist wieder da!“ jubelte Mokuba, doch als die beiden einander in die Arme schließen wollten, bekamen sie einen elektrischen Schlag. Daraufhin fiel die Begrüßung von Serenity und Joey vorsichtiger aus.

„Nicht so stürmisch...“ grinste Appi, der mit seiner Sense in der Nähe stand. Neben ihm befand sich...

„Yugi!“ kam es von Yami, der ihn als Erster erkannt hatte, denn Yugi trug komische Sachen... schwarzes Leder und einen Überwurf mit kleinen Kügelchen daran, dazu einen spitzen Magierhut, und er hielt einen kurzen Schülerzauberstab in den Händen.

Sofort waren die Freunde um ihn versammelt. Auch sie konnten ihn nicht einfach berühren. Sein Großvater drängte sich mit Tränen in den Augen vor.

„Es geht mir gut, Leute... Was ist denn mit Yami?“ Yugi hatte offenbar nur Augen für seinen vermissten Partner.

„Du musst weiterspielen,“ erinnerte Blacky Marik.

Dieser riss sich von dem Anblick der Neuankömmlinge los und setzte seinen Zug fort. „Ich aktiviere meine Zauberkarte, Excalibur! Sie gibt Neo 800 Angriffspunkte extra! Neo, greif Wiederbelebungsschleim an!“

Sorc musste Malice anstoßen, damit er reagierte. „Ich aktiviere meine verdeckte Karte! Entkräftungsschild!“

Marik seufzte – wäre ja zu schön gewesen. Doch in dem Moment zerrte etwas an seinem Inneren, ein wilder Schmerz, von dem er nicht wusste, wie er entstanden sein konnte. Er keuchte und krümmte sich vornüber. Neos Angriff prallte indessen gegen einen Lichtschild vor dem Ziel. Und außerdem wurden auch noch die Lebenspunkte von Malice um die Anzahl der Angriffspunkte erhöht, mit denen Neo angegriffen hatte, nämlich 2500. Damit hatte er 10500, Marik dagegen noch 7200.

„Uahahahahaaaah!“ lachte Malice. „Sieh her, Pharao, ich sorge dafür, dass du nicht zu Schaden kommst! Aber hey... es ist ja nicht so, als würde es dir etwas nützen! Im Gegenteil... umso mehr Punkte kann ich verlieren, um dich leiden zu lassen! Mach nur weiter, Marik, du wirst scheitern! Hahahahaaaar!“

„Das passiert dir einmal in der ersten Runde, und du feierst gleich dermaßen ab? Also wirklich...“ schüttelte Bakura verächtlich den Kopf. „Ich an deiner Stelle hätte mir das für später aufgehoben und ihn erstmal schreien lassen...“

„Klappe! Der schreit schon noch!“

„Ja, bitte, tu's für mich!“

„Wenn du nicht gleich das Maul hältst...!“

Marik legte zwei Karten verdeckt ab und beendete seinen Zug. Die Ablenkung durch Bakura kam ihm gerade recht. Wahrscheinlich machte der Weißhaarige das mit Absicht, um Malice zu verunsichern. Hoffte er wenigstens. „Du bist wieder dran...“ Er stand mit Mühe aufrecht.

„Wie ich sehe, hast du einen weiteren Aspekt unseres Duells herausgefunden...“ freute Malice sich, nun wieder auf das Duell konzentriert. „Einen Angriff zu deklarieren kostet dich deine eigene Lebenskraft. Umso mehr, je stärker dein Monster ist.“
 

An der Seite war die Begrüßung der Neuankömmlinge sehr kurz ausgefallen, denn es gab ein Duell zu verfolgen, auch wenn alle gerne Fragen stellen und Berichte hören wollten. Yugi fragte sich zum Beispiel, warum Frau Morikawa da war. Er kam aber nicht dazu, das zu klären.

„Bakura, sagtest du nicht, dass es hier fair zugehen muss?“ stellte die Lehrerin zum ersten Mal eine Frage.

„Ja, sagte ich, aber deswegen kann er sich trotzdem lauter fiese Regeln ausdenken!“ teilte der Weißhaarige ihr mit. „Das dürfte aber heißen, dass er den gleichen Preis zahlen muss.“

„Meine Güte! Als ihr mir erklärt habt, wie das hier ablaufen wird, dachte ich, ihr übertreibt!“

„Ich setze eine Karte verdeckt,“ sagte Malice an. „Und ich spiele Drillago (1600/1100) im Angriffsmodus. Angriff, Drillago!“

„Wieso greift er an? Sein Monster ist viel schwächer als Neo!“ wunderte Serenity sich.

„Drillago kann den Spieler direkt angreifen, wenn alle Monster auf dessen Seite über 1600 Atk haben,“ erklärte Pegasus. „Doch jetzt muss er für den Angriff bezahlen...“

Das geschah allerdings eher nicht. Statt dessen brach einer der Rare Hunter jammernd zusammen.

„Ooooch... ich hab wohl wieder was vergessen, aber ich dachte, es ist eh nichts für dich... du kannst den Preis von jedem beliebigen deiner Freunde zahlen lassen!“ amüsierte Malice sich.

„Von einem beliebigen Freund?“ Yugis Augen wurden ganz groß. „Oh... er meint wohl, dass er den Effekt, der ausgelöst wird, wenn er angreift, von einem von uns tragen lassen kann... so wie er das eben mit einem seiner Männer gemacht hat!“

„Wahrscheinlich meint er mit beliebigen Freunden aber nicht uns, Yugi,“ überlegte Dark. „Wir waren bis eben noch gar nicht da. Es gilt wahrscheinlich nur für alle, die nicht aus dem Schattenreich gekommen sind, denn mit uns hat ja keiner gerechnet.“

Yugi biss sich auf die Lippe und ließ seine Augen über seine Freunde schweifen, die momentan aus der Welt des Blauen Lichts stammten, wobei er sich selbst, Seto und Joey ausklammerte. Er machte sich Sorgen, besonders um seinen Großvater. Hoffentlich konnten sie ihn da raushalten.

Marik schaffte es gerade noch rechtzeitig, seine Fallenkarte zu aktivieren. „Sakuretsu-Rüstung!“ Dadurch wurde das angreifende Monster zerstört.

„Schade, das hätte er sich für was Größeres aufheben sollen,“ murmelte Seto. „Aber er darf logischerweise auch nicht zulassen, dass Drillago noch öfter angreift, und warten lohnt sich nicht. Ob Neo etwas ausrichten könnte, weiß man nicht.“

Plötzlich schrie Mai schrill auf. „Seht doch nur!“

Alle folgten ihrem Fingerzeig. Drillago war zerstört, aber noch da – er schwebte in einem Stundenglas aus zwei übereinander stehenden Pyramiden, wobei aus der oberen langsam Wasser in die untere tropfte, aus der das Maschinenmonster mit seinen Bohrern verzweifelt zu entkommen versuchte.

Mai starrte die Konstruktion furchtsam an, und Yugi konnte sich denken, woran sie dachte, schließlich war sie auch einmal in so etwas gefangen gewesen.

„Wie viele gruselige Regelungen kann so ein Duell denn noch haben?“ murmelte Thea furchtsam.

„Dafür gibt’s keine Grenze... außer deine eigene Fantasie,“ grinste Bakura. „Aber es ist auch sehr anstrengend und erfordert viel Konzentration und Willenskraft, solche Sachen zu konstruieren, daher beschränkt man sich besser auf wenige.“

„Der scheint aber dieses Mal alle Register zu ziehen,“ stellte Duke fest. „Ob das jetzt alles war? Opfer, die für jeden Lebenspunkteverlust gequält werden; der Spieler erleidet Schmerzen, wenn er angreift, kann das aber auf andere abschieben; und wenn ein Monster vernichtet wird, landet es in so einem... Ding...?“

„Wir haben noch nicht erfahren, was den Verlierer erwartet,“ gab Yugi zu bedenken. Um Yami machte er sich erstaunlicherweise weniger Sorgen. Er fragte sich nur, ob Marik durchhalten würde, und ob seine Freunde es ertragen konnten, wenn Marik die Folgen seiner Angriffe auf sie abschob... und das musste er, denn er konnte nicht alles selber tragen....
 

Malice lächelte. „Ich beende meinen Zug. Willst du nicht lieber gleich aufgeben, Marik? Denn sonst treffen deine Monster hier auf ihre schlimmsten Alpträume...“

Marik antwortete nicht. Er konnte diese Entscheidung nicht einfach so treffen... sollte es jetzt etwa so sein, dass jedes zerstörte Monster in so ein Ding kam und dort psychologisch gequält wurde? Konnte er von ihnen verlangen, sich diesem Risiko auszusetzen? Seine Hand griff nach dem Deck, doch er zögerte... aufgeben? Nein, das ging nicht... er durfte Yugi und die anderen nicht enttäuschen! Er war doch der, den sie damit betraut hatten... Mit zitternden Fingern zog er eine Karte. Blacky tätschelte ihm zustimmend und ermutigend den Rücken, und so spielte er weiter. „Erfahrener Dunkler Magier (1900/1700) im Angriffsmodus!“

Kuro trat aus den Reihen zu Mariks Linker hervor. „Lasst mich mal durch... danke...“ Er baute sich auf dem Feld auf.

Malice tat nichts – das verwunderte Marik, er hatte irgendeine Falle oder so erwartet. Sein Dunkles Ich grinste nur die ganze Zeit. Vermutlich rechnete er nicht damit, dass er angegriffen wurde, weil der Preis zu hoch war.

Marik griff zuerst mit dem schwächeren Monster an. „Erfahrener Dunkler Magier, attackiere Wiederbelebungsschleim!“

Kuro schoss einen Magiestrahl auf Wiederbelebungsschleim ab. Die Attacke kam durch und zerstörte das Monster, was Malice 400 LP kostete. Doch abgezogen wurden ihm 1400... der Effekt von Wiederbelebungsschleim verlangte eine Zahlung von 1000 LP, damit er sich in der nächsten Runde regenerierte, somit hatte Malice dann noch 9100.

Marik wurde von einer Art Krampf durchgeschüttelt, nachdem sein Monster angegriffen hatte. Er hatte das Gefühl, dass ihm die Lunge herausgerissen wurde. Zugleich hörte er Yami unterdrückt schreien, als dieser von Blitzen malträtiert wurde, um für die verlorenen 1400 Punkte zu zahlen. Marik hatte nicht gewusst, dass man in einem einzigen Schattenspiel so viele schmerzhafte Regeln aufstellen konnte. Hätte Blacky ihn nicht gehalten, wäre er auf allen vieren gelandet. Jetzt war der ideale Zeitpunkt, um noch Neo angreifen zu lassen, aber er glaubte nicht, dass er das überstand.

Das sahen aber auch seine Freunde.

„Marik! Greif an und schieb es auf mich ab!“ rief Tristan ihm zu.

„Ich bin auch noch da!“ bot sich auch Duke an. „Los doch, er ist ungeschützt!“

„Wir sind alle für dich da, Marik!“ bekräftigte Thea.

„Sprich nur für dich,“ zischte Bakura.

„Ok, Tristan...“ Marik traf die Entscheidung schweren Herzens, aber er merkte, dass er nicht lange durchhalten würde, wenn er alles alleine machen wollte. „Neo... direkter Angriff!“

Neo holte mit dem Schwert aus und stürzte sich auf Malice... wo er nie ankam.

Denn das Alptraumrad wurde aktiviert... das kannten sie ja leider auch schon von früher. Neo landete auf einem gruseligen, stachligen Folterrad, so dass er nicht mehr ins Kampfgeschehen eingreifen konnte. Indessen hielt sich Tristan stöhnend den Magen, denn der Preis für den Angriff musste dennoch bezahlt werden.

„Ich hab mir doch gleich gedacht, dass wir schon im Schlamassel drinstecken...“ murmelte Mokuba.

„Tut mir Leid, Neo...“ Marik legte eine Karte ab und beendete seinen Zug.

Malice zog eine Karte, und Wiederbelebungsschleim erschien in offener Verteidigungsposition auf dem Feld. Dann trat der Effekt des Alptraumrades in Kraft und raubte Marik 500 LP, was ihn auf 6700 LP fallen ließ, quittiert vom Gejammer des Opfer-Rare Hunters. „Ich lege eine Karte verdeckt ab, dann beschwöre ich Bowganian (1300/1000) in Angriffsposition und beende meinen Zug.“ Er grinste. „Damit verlierst du noch 600 Lebenspunkte mehr, wenn ich das nächste Mal dran bin. Also versuch mal schön, mein Monster bis dahin loszuwerden. Und Neo... ich hoffe, du hängst bequem, ich hätte diese Karte gerne für Crimson aufgehoben... aber man kann nicht alles haben...“ Malice leckte sich lasziv die Lippen.
 

„Mit mir kriegst du's schon noch früh genug zu tun!“ zischte Crimson von der Seite. Er freute sich schon auf seinen Einsatz, um dem Kerl ordentlich eins überbraten zu können.

„Bleib ruhig,“ ermahnte Dark ihn. „Er will dich nur provozieren.“

„Ahahahaaah!“ Der blonde Irre freute sich ungemein. „Ich habe mir solche Mühe gegeben, Crimson... extra für dich, weil ich mich so an deinen Schreien erfreut habe, neulich... leider jammert niemand hier so schön wie du. Schau, was ich dir mitgebracht habe...“

Sorc übernahm es, durch eine kleine Handbewegung die Kapuze des Opfers von dessen Gesicht zu wehen – es war um die Augen herum und an der Stirn völlig von Brandnarben entstellt.

„Niiicht!“ jammerte der Rare Hunter. Er drehte und wendete sich, um hinter sich blicken zu können. „Schwarzer Magier! M-Meister Marik hat mir versprochen, dass ich dich zurück bekomme!“

Crimsons Augenbrauen zuckten. Das durfte jetzt nicht wahr sein, nicht der! Den hatte er eigentlich für immer abgeschrieben und nie mehr wiedersehen wollen. „Du meinst sicherlich Malice, Arcana. Bilde dir nichts ein, er ist nicht dafür bekannt, dass er sein Wort hält. Wie sollte er auch... schließlich hab ich da auch noch ein Wörtchen mitzureden!“

„Ich bin dein Meister, Schwarzer Magier! Der Einzige, der dich verdient hat!“

„VERDIENT?“ Das war doch die Höhe! Indem er ihm sagte, dass er nur ein Diener war, der seine Seele zum Wohle seines Meisters zu opfern hatte, verdiente er sich bestenfalls eine Tracht Prügel! Crimson stand ganz und gar nicht darauf, abwertend behandelt zu werden. Schon gar nicht, wenn er die Hauptkarte in einem Deck war, dessen Besitzer mit ihm angab. Natürlich konnte er nur die Hauptkarte in deinem Deck sein, völlig logisch... keine andere Rolle passte zu ihm.

„Ach komm, Crimson... du hattest kein Problem damit, was er tut, obwohl er deine Karte beschädigt hat,“ stichelte Malice weiter. „Hattest du nicht Spaß, als er dich gegen Dark geschickt hat? Behaupte nicht, das hätte dir nicht gefallen.“

Der Weißhaarige ballte die Hände zu Fäusten, konnte dagegen aber nichts sagen. Natürlich war es super, wenn man in einem Duell mit einem talentierten Duellanten gegen den eigenen Rivalen antreten konnte. Aber erst in dem besagten Duell hatte er erkannt, dass Arcana der Respekt fehlte, den man sich als Duelmonster von seinem Beherrscher wünschte. Insofern war die Niederlage dann auch Schicksal gewesen. Crimson war nicht bereit, diesem Mann noch irgendetwas von sich zu geben. Nicht seine Loyalität, nicht sein Vertrauen, gar nichts. Ach doch... Verachtung.
 

Marik nutzte die Pause, um eine neue Karte zu ziehen. Offenbar wollte Malice ihn nicht angreifen, sondern nur durch Effekte besiegen. Also musste er schnell dafür sorgen, dass die Effekte verschwanden. „Ich spiele Tributpuppe! Diese Zauberkarte erlaubt es mir, mit nur einem Opfer ein Monster mit sieben Sternen zu beschwören. Schwarzer Magier! Und ich opfere Neo – damit wird auch das Alptraumrad zerstört.“

Dark ging an Crimson vorbei, was dieser mit einem missbilligenden Blick quittierte. Irgendwie mussten die Monster es wohl wissen, wer von ihnen gemeint war, denn Marik hatte tatsächlich Yugis Magier mit der violetten Kleidung benutzt. Ganz nebenbei und unauffällig leuchtete an Kuros Kleidung ein Zierstein auf.

„Du magst ja das Alptraumrad losgeworden sein, aber sieh, was passiert!“ Malice deutete nach oben. Dort schwebte nun Neo in einem Stundenglas, und von oben fielen Bruchstücke von Schwertern auf ihn herab. Er presste sich mit einem gequälten Gesichtsausdruck gegen das Glas, und die Zuschauer konnten nur vermuten, dass er mehr sah als sie, irgendeine Form von Alptraum... aber dagegen konnten sie nichts tun.

„Ähm... Kuro war der Name, nicht wahr? Greif...“ Marik unterbrach sich und warf einen Blick auf seine Freunde, die ihn alle entschlossen ansahen. Ein Gedanke reichte für die Auswahl. „Greif Bowganian an!“

Duke bekam dieses Mal die Folgen dieser Aktion ab. Kuro richtete seine Handfläche gegen das gegnerische Monster und griff mit seiner Magie an.

„Ich decke eine Fallenkarte auf... Schleimverteidiger!“

Der Angriff wurde abgelenkt und traf Wiederbelebungsschleim. Der war leider im Verteidigungsmodus, so dass Malice keinen Schaden einsteckte. Jedoch zahlte er 1000 LP, damit sich der Schleim nächste Runde regenerieren konnte. Alle bemühten sich, Yamis Schmerzenslaute zu ignorieren, als die Blitze ihn dafür zahlen ließen. Malice blieben noch 8100 LP.

Leider konnte Dark diese Runde nicht angreifen, weil Marik ihn mit der Tributpuppe beschworen hatte. Der Blonde fuhr sich mit einer Hand durchs Gesicht. Die Strategie seines Feindes ging voll auf... sein Psychoterror machte ihn fertig! Er konnte nichts weiter tun, als seinen Zug zu beenden, denn er hatte nicht einmal mehr Karten in der Hand.

Malice zog. Wiederbelebungsschleim kehrte zurück und Bowganian schoss einen Pfeil auf Marik ab, der 600 LP abzog – es blieben 6100. Als Marik den Treffer kassierte, war der Schmerz so real, dass er glaubte, er müsse tatsächlich sterben, doch letztendlich war es nur eine Illusion, um den Effekt des Monsters zu verdeutlichen. Arcana litt auch unter dem Punkteverlust und jammerte kläglich.

Dann wurde es still bis auf das Geräusch von Drillagos Bohrern am Glas und das Rieseln der Schwertscherben in Neos Gefängnis.

„Ich spiele das Unglückliche Mädchen (400/300),“ sagte Malice und legte die Karte ab.

Das Mädchen wurde wie durch ein Dimensionstor herbeigeholt, denn sie war nicht bei denen gewesen, die aus dem Schattenreich hergekommen waren, genau wie bisher alle Monster von Malice. „Hallo! Meister, ich hoffe sehr, dass es hierfür einen Bonus gibt!“

„Das ist jetzt nicht der Zeitpunkt!“ Malice beendete seinen Zug.

„Er hat sie im Angriffsmosus gespielt,“ stellte Frau Morikawa überrascht fest.

„Klar, hätte ich auch gemacht,“ winkte Bakura ab.

„Naja, er hat ja noch den Schleimverteidiger,“ meinte Tristan.“

Kaiba ließ ein Lachen hören. „Ich glaube, das meinte Bakura nicht!“

Marik zog erstmal eine Karte. „Dark, greif das Mädchen an.“

Der Magier zögerte nicht. Marik hatte jedoch vergessen, jemanden von seinen Freunden auszusuchen, daher bekam er selber die Kosten des Angriffs ab. Blacky hielt ihn wieder einmal aufrecht. Verdammt, man konnte fast nichts tun, ohne dass jemand darunter litt!

Der Angriff kam durch, denn ob der Schleimverteidiger zum Einsatz kam oder nicht, konnte der Spieler wählen. Das war nicht überraschend – wer das Mädel so spielte, wollte, dass es angegriffen wurde. Sie fiel kurz auf den Hintern durch Darks Magieattacke, rappelte sich jedoch wieder hoch, unbeschadet. Dafür wurde Dark von einem matten Schimmern eingehüllt und konnte sich offensichtlich kaum noch bewegen.

„Ach so... sie hat einen Effekt, der ein angreifendes Monster trifft,“ ging es der Lehrerin auf. „Aber warum hat Marik dafür nicht das schwächere Monster genommen?“

„Der Angriff des Schwarzen Magiers verursacht mehr Schaden als der des Erfahrenen Dunklen Magiers,“ erläuterte Bakura. „Marik muss versucht haben, die Gelegenheit so gut wie möglich zu nutzen, und wird mit dem anderen Monster wahrscheinlich Bowganian angreifen. Selbst wenn Schleimverteidiger dabei aktiv wird, muss Malice immerhin erneut 1000 Punkte zahlen. Allerdings hat Marik sich ablenken lassen... er hätte lieber zweimal auf Bowganian zielen sollen, um ihn loszuwerden...“

Malice kreischte vor Lachen, während Yamis unterdrückte Laute zu hören waren und er durch Darks Angriff 2100 LP verlor – sie fielen auf 6000, 100 weniger als der Gegner hatte. „Du magst ja meine Lebenspunkte reduziert haben, Marik, aber dafür kann dein Magier nicht mehr angreifen! War es dir denn so wichtig, mich zu treffen? Jetzt kannst du Bowganian nicht mehr vernichten, denn Schleimverteidiger wird dich aufhalten!“

„Weiß ich doch,“ erwiderte Marik. „Kuro... greif das Mädchen an.“ Dieses Mal hatte er Thea ausgesucht, und sie konnte sich einen mitleiderregenden Schrei nicht ganz verkneifen. Marik versuchte, sich dagegen abzuhärten, sonst schaffte er es nie bis zum Ende des Duells. Er beendete seinen Zug.

Jetzt war Malice ein wenig verunsichert. Doch er ließ zu, dass auch dieser Angriff das Mädchen traf – er kassierte dafür 1500 LP statt 1000, die er für Wiederbelebungsschleim hätte zahlen müssen, und hatte dann noch 4500 LP.

„Ist's jetzt mal gut?“ beklagte sie sich. „Aber ihr seht ja, was ihr davon habt...“

„Du musst wirklich verzweifelt sein... machst deine beiden Monster kampfunfähig...“ Malice zog eine Karte. „Topf der Gier! Ich ziehe zwei Karten...“ Das waren nun auch die einzigen, die er hatte. „Sehr schön... Jetzt wird erstmal wieder Bowganians Effekt ausgelöst und du erhältst 600 Punkte Schaden... Hach, das geht mir zu langsam...“

Marik hatte Probleme, ihn zu verstehen, er erholte sich gerade von dem Effekt. Er hatte jetzt 5500 LP übrig.

„Ich beschwöre den Sonneneruptionsdrachen! Damit verlierst du nochmal 500 Lebenspunkte, wenn ich fertig bin. Des weiteren spiele ich Wiedergeburt und hole Drillago zurück, der dich angreift! Den Schaden meines Angriffs hat natürlich einer von meinen Männern...“

Drillago musste sehr froh sein, den Wassertropfen entkommen zu sein, denn er stürzte sich sofort auf Marik, der erschrocken die Arme vor sein Gesicht hob. Zum Glück schubste er ihn nur, ohne dass die Bohrer wirklich etwas anrichteten.

Malice hatte keine Karten mehr und beendete schadenfroh, denn damit traf Marik der Effekt des Sonneneruptionsdrachen – dergestalt, dass eine kleine Explosion um Marik herum stattfand, die sogar kurz sein Gesicht schwärzte, doch auch die Schwärze war nur Illusion. Er verlor also insgesamt 2100 LP in dieser Runde, entsprechend hörten sie Arcana schluchzen und schreien.

„Das lässt ihn anscheinend doch nicht kalt,“ bemerkte Sorc. Zunächst wunderten sich alle, wen er meinte, doch dann fielen die Blicke auf Crimson, der angespannt dastand und mit verkrampftem Gesichtsausdruck zur Seite schaute.

„Sieh mal an,“ murmelte Malice.

„Warum zum Henker hat Marik seine beiden Monster ausgeschaltet?“ zischte Tristan Bakura zu, doch dieser zuckte nur die Achseln.

„Ich bin sicher, er hat einen Grund, das zu riskieren,“ meine Pegasus zuversichtlich. Aber er sagte jetzt nichts weiter dazu, so dass Malice nicht gewarnt wurde.

Marik – 3400 LP – war dran und zog eine Karte. Zur allgemeinen Überraschung blickte er lächelnd zur anderen Seite des Feldes hinüber. „Vielen Dank – durch deine Zauberkarten warst du mir sehr hilfreich. Kuro hat drei Zauberzähler zusammen bekommen, somit kann ich jetzt seinen Effekt nutzen.“

Es stimmte, am Mantel des Magiers leuchteten drei Steine auf.

„Ich opfere den Erfahrenen Dunklen Magier und beschwöre einen weiteren Schwarzen Magier aus meinem Deck als Spezialbeschwörung!“

„Aber du wirst deinen Freund in ein Stundenglas verbannen, wenn du das machst!“ erinnerte Malice ihn.

„Das muss ich ihm zumuten.“ Marik glaubte, Unsicherheit bei seinem Gegner zu sehen – das gefiel ihm. Es tat ihm nur um Kuro Leid, doch dieses Opfer musste gebracht werden. Der Magier beschwerte sich nicht.

Malice verschränkte die Arme und grinste. „Na dann...“

Kuro löste seinen Effekt aus, indem er die Energie der Zauberzähler freisetzte, und damit schwebte er leider nach oben und wurde in eines der Stundengläser aus Pyramiden gehüllt. Federn rieselten von oben auf ihn herunter, helle und dunkle. Dark biss sich auf die Lippe, als er das sah.

Nun war Crimson an der Reihe. „Ich hab schon befürchtet, ich wäre in seinem Deck...“ Er deutete mit dem Daumen auf Malice, während er auf das Feld schritt.

„Du wirst dir noch wünschen, es wäre so, denn dann wäre es angenehmer für dich,“ drohte Malice ihm an. „Im Moment kannst du nichtmal effektiv angreifen!“

Marik fuhr mit seinem Zug fort: „Jetzt aktiviere ich Engagement durch Licht und Finsternis!“ Das war die Karte, auf der Blacky abgebildet war. Sie hatte schon die ganze Zeit auf Mariks Feld gelegen. „Diese Zauberkarte erlaubt es mir, einen Schwarzen Magier zu opfern und dafür den Magier des Schwarzen Chaos aus meinem Deck zu beschwören!“

Blacky betrat das Feld. An seinen Füßen knisterte es kurz. Das lag wohl daran, dass er nicht aus der Welt der Duelmonster kam... jedenfalls im Moment nicht so direkt. Er ging zu Dark und berührte seine Hand... beide ignorierten die elektrischen Entladungen, die sich zwischen ihnen bildeten. Wie auch Seto und Mokuba schon bemerkt hatten, konnten Wesen aus der Welt des Blauen Lichts und aus dem Schattenreich zwar hier zusammen existieren, sich aber nicht so einfach berühren. Dabei war entscheidend, woher sie gerade gekommen waren, nicht, woher sie stammten.

„Wenn der Magier des Schwarzen Chaos beschworen wird, darf ich eine Zauberkarte aus dem Friedhof zurückhaben.“ Marik nahm sich Excalibur. „Und ich spiele Wiedergeburt von meiner Hand, um meinen Schwarzen Magier wiederzubeleben.“ Oder in dem Fall gleich zu behalten.

Damit waren beide sichtlich zufrieden.

„Dark ist nun nicht mehr vom Effekt des Mädchens betroffen!“ stellte Marik klar. „Und ich habe noch etwas... eine Überraschung für dich, Crimson.“

Der weißhaarige Magier hob die Augenbrauen in seine Richtung.

„Ich spiele von meiner Hand 'Siegel des Blutes'.“ Auf der Zauberkarte war ein Siegel zu sehen, das wohl ungefähr so aussah, wie Blacky ihm das Siegel auf Crimsons Rücken beschrieben hatte. Faszinierend, dass Pegasus das so hinbekommen hatte. „Dadurch wird der Schwarze Magier zum Blutroten Magier.“ Marik tauschte Crimsons normale Karte gegen eine neue aus dem Deck aus, die durch ihre dunklere Farbe als Effektkarte zu erkennen war. Die Kleidung des Magiers änderte sich ein wenig: Sein Oberteil verlor seine Ärmel, aber er trug noch rote Armschienen, dafür entstand an seinem Rücken ein imposanter roter Umhang, der unter seinen Schulterpolstern hervor kam. Dieser wehte kurz nach oben, während die Zauberkarte ihre Wirkung entfaltete, und ließ Marik einen Blick auf den nun freien Rücken und das dort befindliche eingeritzte Siegel erhaschen.

„Was? Ich hab... meine eigene Karte?“ Der Blutrote Magier grinste breit. „Danke schön!“ Das sagte er in Pegasus' Richtung, und dieser zwinkerte ihm zu.

„Geht's hier bald mal weiter?“ nörgelte Malice und bohrte sich gelangweilt mit dem kleinen Finger im linken Ohr.

„Aber klar doch,“ nickte Marik. „Kayos, greif Drillago an!“

„Glaub ich nicht,“ meinte sein Gegenspieler und aktivierte eine Falle. „Schwerkraftbindung!“

„Fallenfalle!“ Marik hatte die zweite Karte aktiviert, die er ganz zu Anfang gesetzt hatte. Es war eine Conterfalle, die eine Falle neutralisieren und zerstören konnte, die während der Battle Phase aktiviert wurde. „Das hast du dir so geda--- aaaargh!“ Marik ging in die Knie, denn er bekam die Rechnung für den Angriff ab. Das hatte er mal wieder nicht bedacht.

„Marik! Denk daran, dass du uns dafür benutzen kannst!“ rief Thea.

Der Blonde stöhnte und musste sich mit den Händen am Boden abstützen, während Blacky seinen Angriff fortsetzte. „Glaubt mir... das wolltet ihr nicht spüren...“

Blacky hatte seinen Zauberstab herumgewirbelt und einen Strahl abgeschossen, jedoch... es gab ein platschendes Geräusch, und er traf den Schleim.

„Wie unachtsam von dir,“ meinte Malice. Er wirkte jedoch nicht mehr so selbstsicher wie sonst, nachdem seine Fallenkarte ihm nicht mehr helfen konnte. „Du solltest die Hilfe deiner Freunde ruhig annehmen, wenn sie sich schon aufdrängen. Außerdem hast du deinen stärksten Angriff vergeudet.“ Er zahlte 1000 LP für den Schleim. Yamis Wimmern kam nicht mehr so laut wie sonst... offenbar war die Geisel langsam etwas erschöpft. Doch das hatte einen einfachen Grund... die Punkte wurden Malice nämlich gar nicht abgezogen.

„Wiederbelebungsschleim wurde durch meinen Angriff aus dem Spiel entfernt,“ sagte Blacky. „Insofern verlierst du auch keine Lebenspunkte für den Effekt.“

Malice schwieg, doch sein Gesicht sprach Bände. Damit hatte er anscheinend nicht gerechnet.

„Dark... vernichte Drillago!“ versuchte Marik es noch einmal, dachte dieses Mal auch daran, die unangenehmen Folgen Tristan aufzubürden.

„Oh Mann, das ist wirklich viel...“ keuchte dieser, sich an Duke abstützend.

Darks Angriff kam zu Drillago durch. Das Monster, das ihnen am meisten Ärger machen konnte, war somit erledigt. Malice verlor 900 LP, weil das Monster in Angriffsposition gewesen war, und hatte dann noch 3600.

Als nächstes entschied sich Marik für Bowganian, weil er mehr Schaden anrichten konnte als der Sonneneruptionsdrache. Zwar konnte er Malice mehr schaden, wenn er den Drachen wählte, weil der sich im Angriffsmodus befand, aber auf lange Sicht war es ihm lieber, sein eigenes Risiko zu begrenzen. Nebenbei bemerkt hielt er es im Moment auch für besser, Yami etwas zu schonen. Er sah kurz zur Seite und entschied, das Duke wohl am widerstandsfähigsten war, daher suchte er sich noch einmal ihn aus. Doch das sollte jetzt das letzte Mal sein. Duke hatte schon mehrere schmerzhafte Schatteneffekte eingesteckt, genau wie Tristan.

Crimson schleuderte seine Magie mit offensichtlichem Genuss auf das Ziel und traf. Damit waren sie auch Bowganian los, der dann neben Drillago in einem Stundenglas über der Szene schwebte. Bei ihm fielen Eiskristalle herunter, die am Boden schmolzen. Wasser war wohl generell ein Alptraum von Maschinen.

Marik beendete seinen Zug und war sichtlich erleichtert, es geschafft zu haben, auch wenn er noch lange nicht außer Gefahr war...
 

***

Fortsetzung folgt

Jemand von der Akademie

Ich hab's wahrscheinlich schonmal erwähnt... wir haben hier Blacky als Effektmonster, nicht als Ritualmonster. Daher auch... ach, das seht ihr ja dann.

Ich hoffe, alle LP sind richtig so. Wer nachrechnen möchte, darf das gerne tun, denn ich musste ab und zu was verbessern und hoffe, dass alles gut gelaufen ist.

Enjoy!
 

Welt des Blauen Lichts: Sonntag Nacht

Marik: 3400LP; Malice: 3600 LP
 

Fremde Welten 67: Jemand von der Akademie
 

Yami musste inzwischen zugeben, dass dieses Duell wirklich unangenehm für ihn war. Vor allem, weil Malice noch zusätzliche LP bekommen hatte und daher umso mehr verlieren konnte. Ihn ließ der Eindruck nicht los, dass Malice das absichtlich machte – erst LP bekommen und dann munter abgeben, nur um ihn, seinen Feind, zu quälen. Zum Glück war Wiederbelebungsschleim weg, die Tributzahlungen hatte er als ziemlich störend empfunden.

Aber er, der Pharao, war doch wesentlich robuster als der Rare Hunter – welcher sich inzwischen als Arcana entpuppt hatte. Soso... der Kerl mit dem anderen Schwarzen Magier. Dessen Magier war erstaunlicherweise auch da, Marik hatte ihn offenbar in seinem Deck, das Yami ansonsten ziemlich bekannt vorkam.

Aus Duellantensicht hatte er großen Spaß bei der ganzen Sache. Er sah sich immer gerne ein Duell an, das von hochklassigen Spielern bestritten wurde. Nur stand er dann normalerweise an einem bequemen Zuschauerplatz.

Wenn nur nicht all die schmerzhaften Bedingungen des Schattenspiels gewesen wären... nicht nur er und Arcana, sondern auch Marik war betroffen. Malice dachte stets daran, seinen Preis einen anderen zahlen zu lassen – wenn er denn mal angriff. Marik dagegen vergaß das manchmal... und dann machte Yami sich große Sorgen, wie viel der Grabwächter wohl wegstecken konnte. Wenn er sich erinnerte und einen der Freunde für sich leiden ließ, sah man ihm an, dass er es ungern tat. Und Yami fluchte innerlich, weil auf diese Weise auch seine anderen Freunde in Mitleidenschaft gezogen wurden.

Naja, und dann noch die Monster... sie schienen in den Stundengläsern Alpträume zu durchleiden, auch wenn die Zuschauer nur etwas herunterfallen sahen. Die Monster auf Mariks Seite hatten alle eine abwesenden Gesichtsausdruck, so als sähen sie gerade einen Tagtraum.

Die Monster von Malice hatten dagegen wohl konkretere Gefahren in den Stundengläsern... wie das Wasser, das auf Drillago tropfte und drohte, ihn zum Rosten zu bringen. Das Monster versuchte immer noch, sich freizubohren, was vielleicht ein gutes Zeichen war, denn es war noch nicht wirklich verrostet, obwohl man jetzt eine Schicht Wasser am Boden erkennen konnte.

Yami wandte seine Aufmerkamkeit lieber wieder dem Duell zu. Wenn Marik in der nächsten Runde angreifen konnte, war die Sache gelaufen, doch Malice, der keine Karte in der Hand gehabt hatte, zog und spielte eine Zauberkarte: Stahlkäfig des Alptraums. Er bemühte sich zwar um ein neutrales Gesicht, aber dabei sah er doch einigermaßen erleichtert aus.

Yami biss sich auf die Unterlippe. Diese Karte kannte er ja auch aus eigener Erfahrung...

Das Ding materialisierte sich über Marik und seinen Monstern, ein kuppelförmiger Käfig aus Stahl, mit lauter Stacheln an der Außenseite.

Crimson verschränkte seufzend die Arme, gab sich dabei aber locker. Die anderen ließen den Vorgang ebenfalls unkommentiert, aber allen musste klar sein, dass sie vorerst keine Möglichkeit mehr hatten, den Sonneneruptionsdrachen anzugreifen. Marik musste sich schnell etwas einfallen lassen, um das Vieh irgendwie loszuwerden, sonst zog ihm der Effekt weiter Lebenspunkte ab.
 

Es wäre vielleicht doch besser gewesen, das Duell anders durchzuziehen... Marik schüttelte energisch den Kopf, es hatte jetzt keinen Sinn, darüber nachzudenken. Er hatte sich bemüht, vorrangig die gegnerischen Punkte auszulöschen, und dabei vielleicht etwas vorschnell gehandelt, jetzt musste er damit leben.

Malice beendete seinen Zug, wobei der Sonneneruptionsdrache Mariks Lebenspunkte um 500 verminderte. Crimson schloss mit gerunzelter Stirn die Augen, als Arcana nicht nur vor Schmerzen jammerte, sondern anfing, um Glade zu winseln. Ob er Mitleid hatte oder das Verhalten seines früheren Meisters missbilligte, war nicht klar zu erkennen.

Marik zog, leider war es keine Karte, die gegen den Stahlkäfig etwas ausrichten konnte. Er setzte ein Monster verdeckt und musste dann auch seinen Zug beenden. Er musste ja nur zwei Züge durchhalten, das müsste zu schaffen sein...

Malice tat das gleiche, auch er setzte ein Monster, und am Ende seines Zuges verlor Marik wieder 500 Punkte. Ihm blieben 2400.

Marik zog eine Karte, doch er konnte nichts Sinnvolles damit unternehmen. Dafür aber konnte er das Monster aufdecken und den Flippeffekt aktivieren. „Durch den Effekt von Alter Rachsüchtiger Magier (450/600)...“

Crimson fuhr herum. „Was?“

„... kann ich ein Monster auf dem Feld vernichten! Ich wähle den Sonneneruptionsdrachen!“

Puh, den Lebenspunktefresser waren sie los. Marik bedauerte die Kreatur jedoch, da das Monster in einem Stundenglas landete, in das von oben Kieselsteine runterfielen und ihn nach und nach zu begraben drohten.

Olvin drehte sich zu Marik um. „Wie kannst du es wagen, mich mit *ihm* ins selbe Deck zu stecken!“

Marik schaute ihn verdutzt an, noch nie hatte sich ein Duelmonster bei ihm beschwert. „Wegen des Effekts...“ antwortete er lahm.

„War ja klar! Alle reduzieren mich nur auf meinen Effekt!“ regte der Alte sich auf. „Wisst ihr eigentlich, wie oft meine Karte benutzt wird, nur weil sie einen Vernichtungseffekt hat? Meistens wird er aktiviert, wenn mich einer angreift, so dass meine Zeit auf dem Spielfeld nie besonders lang ist. Naja höchstens, während die Karte verdeckt herumliegt. Wenn ich aufgedeckt werde, dann ja logischerweise auch für den Effekt, und dann werd' ich geopfert, oder man verwendet mich als Kanonenfutter, oder...“

Crimson schlug sich theatralisch vor die Stirn. „Erst Arcana, jetzt der... mir bleibt auch nichts erspart. Kannst du vielleicht wenigstens still sein?“

„Ich hoffe sehr, dass du bis zum Ende deines Einsatzes noch zahlreiche Qualen erleiden musst, Crimson,“ zeterte Olvin, und wenn er nicht auf derselben Seite gestanden hätte, wäre er anscheinend auf Crimson losgegangen. Bedrohlich fuchtelte er mit seinem Zauberstab, nahm dann aber mürrisch Agriffsposition ein. „Was denkt ihr euch dabei? Wenn er mich nun angreift, seid ihr... Ach, was kümmert es mich eigentlich! Hoffentlich greift er mich mit etwas richtig Fiesem an! Aber erst, wenn ich deinen Untergang gesehen habe, du verlogener Wichtigtuer!“

„Hey, pass auf, was du mir unterstellst!“

„Das sagt der Richtige!“

Crimson und Olvin blitzten einander feindselig an.

Malice hatte die Arme verschränkt und beobachtete den Austausch interessiert.

„Leute, könnt ihr das eventuell auf später verschieben?“ versuchte Marik die Debatte zu beenden, damit es wenigstens weitergehen konnte.

Olvin drehte sich zu ihm um. „Aber nein, ich finde, das hier ist genau der richtige Moment und ein passender Ort. Schließlich mag es unser großer Alchemist doch, wenn er im Rampenlicht steht. Zu seiner Schulzeit kam er sich immer ganz groß vor, wenn er seine Streiche möglichst spektakulär hingekriegt hat!“

„Ich beende meinen Zug,“ seufzte Marik. Das war doch wohl nicht wahr, oder? Sein Monster war in eine moralische Grundsatzdiskussion mit einem anderen Monster verstrickt!

Wenigstens löste sich am Ende dieser Runde der Alptraumkäfig wieder auf, und Malice aktivierte noch rasch seine Fallenkarte: Feierliche Wünsche. Marik verdrehte seufzend die Augen. Diese Karte gab ihrem Beherrscher immer beim Karten ziehen 500 LP.

Crimson grinste schief, offenbar froh, sich auf etwas anderes als Olvin konzentrieren zu können. „Sieh an. Kriegst du es mit der Angst?“

„Ganz sicher nicht,“ erwiderte Malice betont lässig und zog die nächste Karte, wofür er dann auch gleich 500 LP einstrich und dann 4100 hatte. Er schien etwas gezogen zu haben, das ihm gefiel, denn er grinste breit. „Ich hoffe doch sehr, dass ihr mir noch viel Schaden zufügt...“ meinte er mit einem Blick auf Yami, der sich wacker hielt, aber dennoch reichlich mitgenommen aussah.

„Wenn wir jetzt alle das Mädel angreifen, bist du Geschichte!“ beharrte der Weißhaarige. „Dann ist es auch egal, dass wir danach nicht mehr kämpfen können! Aber sag mal, Malice, was ist eigentlich mit deinem Arm geschehen? Hatte ich ihn dir nicht gebrochen?“

„Stufenbeschränkung Gebiet B!“ Malice legte die Karte ab, ohne sich um Crimsons Frage zu kümmern. Alle Monster seines Gegners mit 4 oder mehr Sternen wurden in die Verteidigung gezwungen... also alle außer Olvin.

Letzterer trat dicht an Crimson heran. „Heheheee... so wollte ich dich schon immer vor mir sehen... auf den Knien!“

„Klappe, ich bin immer noch größer als du und außerdem ist es nur ein Knie!“

Der untersetzte Magier hob drohend seinen Zauberstab.

„Ich warne dich! Meiner ist länger!“ zischte Crimson. Er setzte sich auf den Fuß des Beines, das er kniend angewinkelt hatte, und hielt den eigenen Stab schlagbereit.

Blacky und Dark ersparten sich einen Kommentar.

Malice beendete seinen Zug. „Ich genieße diesen Anblick allerdings auch,“ stimmte er Olvin zu.

Daraufhin warf der Alte auch ihm einen zornigen Blick zu. „Hast du für den Arm deinen eigenen Heiltrank benutzt, Malice? Ach warte... die haben ja immer so unschöne Nebenwirkungen gehabt. Dann war's einer von meinen? Oder etwa... ah, ja, das ist am Wahrscheinlichsten, schließlich hattest du kein Gepäck dabei...“

„Was willst du mir da andichten?“ Malice begriff nicht so ganz.

Dark und Blacky indessen konnten vor Lachen kaum mehr an sich halten und spekulierten, ob Malice nicht doch eine kleine Phiole in einer Hosentasche gehabt haben konnte. Crimson indessen schaute den alten Magier an, als bezweifle er ernsthaft dessen alchemistische Eignung.

Marik zog eine Karte. „Tut mir ja furchtbar Leid, dass ihr euch nicht vertragt, aber, ähm, würdest du bitte auch in die Verteidigung gehen?“

Olvin fuhr zu ihm herum. „Warum das denn? Der Kerl greift doch eh nicht an, sein Magiermädel hat noch weniger Atk als ich! Und Monster ab vier Sternen können auch von seiner Seite aus nicht angreifen.“

„Vielleicht spielt er nächste Runde was Größeres. Viel braucht es ja nicht,“ neckte Crimson ihn. „Jetzt mach schon, oder soll ich nachhelfen? Außerdem hast du dich eben noch darüber beschwert, in Angriffsposition zu sein!“

„Halt ja die Klappe, Bürschchen! Wir sprechen uns noch...“ Olvin wechselte die Position, aber sehr grimmig guckend. Mit verschränkten Armen setzte er sich in den Schneidersitz.

Marik spielte eine verdeckte Karte und musste dann seinen Zug beenden. Er konnte im Moment nichts an seiner Lage ändern.

Ironischerweise machte Malice dasselbe. Er erhielt 500 LP, als er seine Karte zog, und setzte sie dann verdeckt, das war alles. „Pharao, jubiliere! Wieder habe ich 4600 Lebenspunkte, die ich einbüßen kann, ist das nicht herzallerliebst? Nun, Bakura, denkst du immer noch, dass er das überlebt?“

„Mir scheint, dass du deine Wunden leckst und versuchst, ein paar Karten auf die Hand zu kriegen,“ entgegnete der Träger des Ringes. „Mach nur weiter, ich genieße es, den Pharao leiden zu sehen.“

Marik war wieder an der Reihe. Er warf einen skeptischen Blick auf die Karte, die er zog. Anders als Malice hatte er jetzt drei auf der Hand. Er ließ Malice noch eine Weile gewähren, denn er hatte eh nichts gezogen, um die Zauberkarte zu zerstören. Aber er dachte schon darüber nach, was er mit den Karten machen konnte, die er hatte. Ein Monster war dabei, und er überlegte, es zu spielen, doch dann entschied er, dass er schon genug Monster auf dem Feld hatte und lieber erstmal abwartete, also beendete er den Zug.
 

Die Freunde standen leicht ratlos daneben, als die beiden Spieler immer wieder nur zogen und beendeten, ohne etwas Besonderes zu tun.

Sugoroku fühlte sich fehl am Platze, weil er auch nicht dazu taugte, diesen Schattenspieleffekt auf sich zu nehmen... zumindest nahm er an, dass Marik ihn damit verschonen würde. Dabei war er doch noch gar nicht so alt...

Seine jüngeren Kollegen indessen hatten mit großem Interesse den Wortwechsel zwischen Crimson und Olvin verfolgt. Ihre Neugier war natürlich geweckt... und seine eigentlich auch, aber in seinem Alter fragte man nicht mehr so sensationslüstern nach, aber das taten ja die jungen Leute für ihn. Er hörte heimlich sehr genau zu.

„Was hat der Alte für ein Problem mit, äh, wie heißt er noch? Crimson...“ sprach Duke niemand bestimmtes an.

„Das war einer seiner Lehrer, aber er hatte damals noch einen anderen Namen,“ wusste Eria zu berichten. „Crimson war in seiner Schulzeit ein ziemlicher Lausbub... und Olvin war wohl einer von denen, die immer seine Streiche abbekommen haben. Er war allerdings nicht mehr da, als ich zur Akademie ging... ich glaube, Crimson hat irgendwas gemacht, um ihn loszuwerden...“ Sie blickte mit gerunzelter Stirn nach unten, als müsse sie scharf nachdenken, oder vielleicht wollte sie nur nicht weiter sprechen.

„Dieser alte Magier scheint einen Groll gegen deinen Meister zu hegen,“ stellte Appi fest. „Er muss ihn geradezu hassen...“

Eria verschränke die Arme. „Aber zuletzt hat er für Malice gearbeitet. Er hat uns an der Flucht aus dem Kerker gehindert.“

Appi rieb sich das Kinn. „Und jetzt zetert er ja auch, dass man gut merkt, was er denkt...“

„Ich hab allerdings den Eindruck, dass Crimson diese Sache nicht jetzt und hier ausdiskutieren möchte,“ bemerkte Duke.

Wieder zog Malice und beendete gleich darauf seinen Zug, wobei seine Falle ihm 500 LP gutschrieb. Die Freunde konzentrierten sich wieder auf das Duell.

Auch Marik zog nur eine Karte, das war es.

Malice war wieder dran, strich erneut 500 LP ein und seine Gesamtlebenspunkte stiegen auf 5600.

„Wie lange wollen die das denn noch weitermachen?“ klagte Serenity. „So kriegt Malice doch immer mehr Lebenspunkte und ist immer schwerer zu besiegen!“

„Naja, das muss Marik ja auch wissen,“ vermutete Sugoroku. „Vielleicht sucht er auch nach den passenden Karten, bevor er wieder handelt.“ Aber natürlich war es eher unpraktisch, den Gegner zusätzliche LP anhäufen zu lassen... zumal die alle ihm wieder abgenommen werden mussten. Sugoroku warf einen Blick auf Yami, der das ja alles ausbaden musste. Und der hatte den Körper von Yugi... Seltsam war nur, dass gleichzeitig Yugi hier bei ihm stand, gekleidet wie ein Duelmonster. Der kleine Mann wunderte sich manchmal, was er auf seine alten Tage noch alles erlebte.

Die Magier auf dem Feld nahmen es so zur Kenntnis, wie es war, ohne zu klagen, nur Olvin beschwerte sich: „Passiert hier auch nochmal was? Naja, mir kann es ja egal sein. Aber es wird euch nicht zum Vorteil gereichen, wenn ihr den Gegner mehr und mehr Karten ziehen lasst.“

Marik war wieder am Zug. Er sah sich die neu gezogene Karte an, dann den Rest seines Blattes und runzelte die Stirn. Er setzte eine verdeckte Karte und beendete.

„Er muss die Zauberkarte loswerden,“ sagte Pegasus in die neu entstandene Stille hinein. „Malice spielt offensichtlich ein Burn-Deck, er greift also nicht an, sondern hat nur Karten im Deck, die den Gegner am Angriff hindern und ihm Lebenspunkte durch Effekte abziehen. Jedoch hat diese Art von Deck meistens den Nachteil, dass sie schnell versagt, wenn der Gegner doch noch angreifen kann, denn die Monster sind meistens eher schwach.“

„Das ist eine miese Strategie, aber meiner Meinung nach was für Feiglinge,“ bemängelte Bakura. „Passt zu Malice.“

„So feige ist das nicht; wenn man es richtig macht, ist diese Methode sehr wirkungsvoll,“ wagte Yugi ihm zu widersprechen. „Es erfordert schon Geschick, immer neue Möglichkeiten zu finden, damit man nicht angegriffen werden kann.“

„Im Moment kann Malice aber selber nicht angreifen, das ist doch idiotisch,“ grummelte Seto, der diese Strategie anscheinend auch missbilligte. „Ich hoffe, sie sind bald fertig. Dafür, dass er Yami so quält, werde ich ihm den Hals umdrehen. Ganz zu schweigen davon, dass er meinen Millenniumsstab hat...“

„Äh... wir nehmen an, dass er deinen ganzen Koffer geklaut hat, Kaiba,“ bemerkte Tristan. „Das würde erklären, woher er die Karten hat.“

„Aber solches Zeug hatte ich da nicht drin!“

„Nun... dann vielleicht ein übrig gebliebenes Kartenlager der Rare Hunter?“

Das war wohl am wahrscheinlichsten.

„Seid ihr denn eigentlich alle in Ordnung?“ Sugoroku sprach vor allem Tristan und Duke an, die schon mehrmals den schmerzvollen Effekt übernommen hatten, aber auch Thea. Sie ließen sich nichts anmerken, aber man konnte nie wissen.

„Ach, es geht,“ winkte Duke ab.

„Viel öfter solltet ihr das nicht machen,“ murmelte der Großvater. Es gab ja auch noch genug andere Kandidaten, nur würde Marik bei den meisten von ihnen zögern aus Furcht, sie zu überfordern.

Malice zog eine Karte und hatte nach einer erneuten Gutschrift von 500 LP insgesamt 6100. Grinsend sah er seinen Gegner an, der ahnungsvoll abwartete. „Lavagolem! (3000/2500)“ verkündete er. Ich beschwöre dieses Monster auf deiner Seite und opfere dafür den Magier des Schwarzen Chaos und den Schwarzen Magier...“

„Och nöööö...“ Joey, der den Golem ja schon kannte, stöhnte. „Ich beneide Marik jetzt gerade echt nicht...“

„Bruder, ist das nicht dieses Ding, das einem in jeder Runde 1000 Lebenspunkte entzieht? Aber Marik hat doch nur noch 2400!“ fragte Serenity.

„Genau, das macht es nicht besser,“ nickte Joey.

„Hoffentlich findet er gleich eine Lösung!“ sagte Sugoroku angespannt.
 

Dark wurde in ein Stundenglas verbannt. Blacky jedoch flog vom Spielfeld, als hätte ihn jemand getreten, und landete neben Mariks Füßen. Daran schuld war sein eigener Effekt – wenn seine Karte vom Spielfeld genommen wurde, egal aus welchem Grund, kam er nicht auf den Friedhof, sondern wurde aus dem Spiel entfernt. In diesem speziellen Fall bedeutete das, dass er wieder seinen alten Platz als Unterstützer des Spielers einnehmen konnte.

Besorgt schaute er nach oben, wo jetzt Dark schwebte.

„Schnell weg, Kay... der Lavagolem wird---“ Doch es war bereits soweit. Das Monster bildete sich um Marik und Blacky herum, und diese fanden sich in einem schmelzenden Käfig aus Lava wieder. Der Golem ging wegen Stufenbeschränkung Gebiet B in den Verteidigungsmodus. Dies würde aber seinen zerstörerischen Effekt nicht verhindern.

„Keine Sorge... ich lasse dich nicht alleine,“ versicherte der Magier seinem jungen Freund.

„Ich beende meinen Zug,“ verkündete Malice mit einem selbstgefälligen Lächeln.

Marik hatte Schweiß auf seiner Stirn – und das nicht nur, weil es in seiner Lage jetzt verdammt heiß war.

Blacky stellte sich dicht hinter ihn, denn sehr viel Platz hatten sie nicht. Er konnte die Bilder auf den Karten von seiner Position aus sehen. „Bleib ruhig. Konzentriere dich. Die Lösung ist schon in deiner Hand.“

Die Zeit des Wartens war jedenfalls vorbei. Marik nickte und zog eine Karte. Dass er 1000 LP verlor, war nicht zu ändern. Der Käfig schrumpfte und kleckerte Lava auf seine Insassen. Blacky machte sich deswegen allerdings keine großen Sorgen. Er spürte zwar die Hitze und bildete sich ein, dass seine Haut davon schon brannte, doch er wusste, dass ihm auch in einem Schattenspiel nichts Dauerhaftes geschehen würde. Marik hatte nur noch 1400 LP, doch das kannte Blacky seit langem aus dramatischen Duellen.

Arcana jammerte, da er für den Punkteverlust bestraft wurde. Seine Stimme war seit Beginn wesentlich leiser geworden, doch es schien ihm noch ganz gut zu gehen. Es wurde Zeit für einen geschickten Schachzug, sonst war das Spiel für Marik bald vorbei.

Der Grabwächter musterte seine Handkarten, und man konnte ihm quasi ansehen, wie es hinter seiner Stirn arbeitete. Blacky verriet ihm nichts... er verspürte irgendwie eine Abneigung dagegen, selber ins Geschehen einzugreifen, wenn es nicht als Duelmonster war. Vielleicht lag es auch daran, dass er sich schlicht und einfach nicht einbildete, selber ein Duell führen zu können. Er war nur eine Spielfigur, die ihrem Meister gehorchte.

Marik spielte Angriff mit Dunkler Magie von seiner Hand. Diese Zauberkarte ließ sich nur verwenden, wenn ein Schwarzer Magier auf dem Feld war. Crimson galt immer noch als solcher, auch wenn er jetzt offiziell Blutroter Magier hieß. Er schwang seinen Zauberstab in einer eleganten Bewegung, und alle Zauber- und Fallenkarten auf der Gegenseite wurden vernichtet.

Der Magier und der Golem durften nun wieder in Angriffsposition gehen, endlich befreit von Stufenbeschränkung Gebiet B – nur Olvin musste vorsichtshalber in Verteidigung bleiben. Marik wollte den Golem das Mädchen angreifen lassen, doch er sah unschlüssig in die Reihen der Zuschauer.

„Du musst jemanden wählen,“ bekräftigte Blacky ihn, während er versuchte, einem Lavatropfen auszuweichen. Der fühlte sich ziemlich echt an. Wo lagen denn eigentlich die Grenzen zwischen Realität und Illusion, wenn die Monster echt waren?

„Es sind 3000 Angriffspunkte!“ protestierte Marik. „Wie könnte ich das jemandem...“

„Du kannst es nicht selber aushalten.“ Blacky ließ seinen Blick über die Freunde gleiten, blickte jedem fragend in die Augen. „Nimm sie! Sie will auch helfen.“

„Die... Lehrerin?“

Sie merkte, dass von ihr gesprochen wurde, trat einen Schritt vor und schaute entschlossen zu ihnen herüber.

Marik nickte zögernd und befahl den Angriff. Endlich landete er einen großen Treffer – Malice verlor 2600 LP und fiel von 6100 auf 3500, als der Lavagolem mit seiner großen, brennenden Faust zuschlug und das Mädchen knapp verfehlte, was aber reichte, um den Treffer zu symbolisieren.

Frau Morikawa stieß einen gequälten Laut aus und stützte sich auf Pegasus, der ihr galant half. Sie erholte sich nur allmählich wieder. Aber wollte man es ihr verdenken? Yami stöhnte, als er für den Treffer gequält wurde, und es klang ein wenig schwach.

„Hey, musste das sein? Das tat weeeeh!“ klagte das Mädchen, wobei sie eher verärgert als leidend klang. „Dafür verdiene ich definitiv eine Prämie, Meister Malice!“

„Und wenn nicht?“ höhnte Malice, dem scheinbar die Geduld mit ihr ausging. „Du bist in einem Schattenduell. Was bitte willst du dagegen machen, hm?“

Sie sah ihn entgeistert an und verschränkte beleidigt schmollend die Arme.

Marik war noch gar nicht fertig. Er setzte dazu an, Crimson das verdeckte Monster angreifen zu lassen – nicht das Mädchen, denn das hätte ihn kampfunfähig gemacht. Doch er musste erst wieder jemanden bestimmen, der den Preis zahlte.

„Mach dir nicht zu viele Gedanken,“ riet Blacky ihm. „Schau, sie wollen doch alle helfen...“

Marik wählte schweren Herzens Serenity aus, die noch gar nicht an der Reihe gewesen war, dann gab er Crimson den Befehl. Der Weißhaarige fackelte nicht lange.

Joey rief erschrocken den Namen seiner Schwester, als diese sich zusammenkauerte und versuchte, nicht laut zu schreien. Leider konnte er sie nur vorsichtig berühren. Aber vielleicht wurde es nach einer Weile besser? Blacky hatte Dark berühren können, aber die ganze Zeit hatte es an seiner Handfläche gekribbelt.

Verdeckte Monster bargen immer ein Risiko. Blacky wusste (er konnte nicht genau sagen, warum, aber danach fragte er auch nicht), dass Marik die ganze Zeit auf Wellenbewegungsdiffusion wartete, damit konnte er alle Gegnermonster auf einmal angreifen, ohne auf die Effekte zu achten, daher wäre er damit auch das Mädchen losgeworden. Leider kostete die Aktivierung dieser Karte 1000 LP – also war es vielleicht gut, wenn er die Karte nicht zog, denn er konnte sich die Kosten gar nicht wirklich leisten.

„Oh nein!“ Marik hatte Glück, dass er nicht zu viele Karten auf der Hand behalten hatte.

Das verdeckte Monster war Des Koala (1100/1800). Dieses Flippmonster verursachte beim Aufdecken 400 LP Schaden pro Handkarte – Marik verlor also 1200 LP, weil er drei Karten auf der Hand hatte! Gut, in dem Fall wäre die Zauberkarte doch günstiger gewesen. Marik blieben noch 200 LP! Es gab Unruhe bei den Zuschauern, die sich berechtigte Sorgen machten.

Malice dagegen fing natürlich an zu lachen. „Jaaa, nächste Runde bringt der Golem dich um!“

„Werden wir sehen.“ Marik behielt die Nerven, obwohl er heftig schwitzte im Käfig des Golems. „Ich opfere den Golem und beschwöre Apokalyptischer Magier (2400/1500)! Er kann nicht mehr angreifen, weil ich die Battle Phase beende, wenn ich ein weiteres Monster beschwöre, aber ich bin den Golem los!“

Das empfand auch Blacky durchaus als Befreiung. Die Nachtluft war nach der Grillkammer direkt eisig, aber auf positive, erfrischende Art.

Appi sprang mit einem Jubelruf auf das Feld und schwang theatralisch seine Sense. „Jipiieeeeh! Ich bin der Apokalyptische Magier!“

In den Zuschauerreihen fasste sich Yugi verpeinlicht an die Stirn.

„Ich setze noch eine Karte verdeckt und beende meinen Zug.“ Marik wirkte zufrieden mit sich, dafür dass er nur noch wenige LP hatte...

Malice hatte einen undefinierbaren Gesichtsausdruck. Zweifellos ärgerte es ihn, dass der Lavagolem verloren war, doch für ihn war es auch besser, denn im Moment konnte er Mariks Monster nicht am Angreifen hindern. Er zog eine Karte und sein Gesicht hellte sich auf. „Ihr mögt ja vor dem Effekt des Golems sicher sein, aber ich denke, ich greife jetzt am Ende noch mal auf klassische Methoden zurück, um euch zu bezwingen... Ich opfere das Unglückliche Mädchen und beschwöre Vampirlord (2000/1500)!“

„Was? Meister!“

„Hättest halt nicht so nörgeln sollen!“

Über Malice war der Des Koala in einem Stundenglas erschienen, in dem er mit vertrockneten Eukalyptusblättern berieselt wurde, und schon tauchte dort auch das Unglückliche Mädchen auf, nun wirklich unglücklich. Auf sie rieselte Kleingeld herab, aber in ihren Händen wurde es zu Sand.
 

Zu Crimsons Bestürzung kam von der Seite der Rare Hunter Lord Genesis auf das Feld und baute sich vor Malice auf. Er schaute zur Seite und fand auch auf Appis Gesicht das blanke Entsetzen. Nicht weil sie vor dem Gegner Angst hatten. Aber sie wollten das nicht... Genesis war nicht ihr Feind, und vermutlich war dieser Kampf ausgerechnet gegen sie beide das letzte, was der Untote wollte.

„Tut mir Leid, Crimson... Appi... Ich hab's mir schon die ganze Zeit gedacht,“ sagte Genesis bedauernd. Er strich sich mit aristokratischer Gebärde eine türkisblaue Haarsträhne hinter ein Ohr und trug eine Mine deutlicher Missbilligung zur Schau.

„Huuuh... ihr seid Freunde?“ höhnte Malice. „Das freut mich für dich, Crimson. Denn du sollst durch ihn sterben!“ Er lachte. „Naja... zumindest für dieses Spiel, nicht wahr? Ist es nicht eine Gnade, durch die Hand eines Freundes zu fallen?“

Lord Genesis hatte für keinen von ihnen genug Angriffspunkte, aber sie höhnten beide nicht darüber, denn das wäre ein Fehler gewesen. Selbiges wurde auch gleich bewiesen... Malice opferte ihn nämlich sogleich bzw. entfernte ihn aus dem Spiel, um als Spezialbeschwörung Vampir-Genesis (3000/2100) zu beschwören. Der sah gleich viel bedrohlicher aus als der optisch sehr junge Vampirlord, und vor allem hatte er mehr Angriffspunkte.

„Greif Crimson an!“ befahl Malice.

Crimson nahm automatisch eine abwehrende Haltung an, doch Genesis zögerte. Der Magier spürte sein Herz heftig gegen seine Rippen klopfen. Wenn dieser Angriff durchkam, verlor Marik 500 LP, und das waren 300 zuviel!

„Du tust mir nicht im geringsten Leid,“ teilte Olvin ihm mit.

„Verweigerst du den Gehorsam?“ fragte Malice drohend. „Los doch, greif an! Was bist du denn für ein Duelmonster? Wenn Marik verliert, ist es seine Schuld als Duellant!“

Unsinnigerweise flog Crimsons Blick in diesen kritischen Momenten zu Arcana, als ob dieser ihm helfen würde, selbst wenn er gekonnt hätte. Der Mann war bewusstlos oder hing zumindest schlaff in seinen Fesseln. Er schien am Ende seiner Kräfte zu sein.

Von der Seite kamen ängstliche Rufe. Den Freunden war auch klar, dass Marik verloren hatte, wenn er nichts unternehmen konnte...

Vampir-Genesis ließ sehr zögerlich eine blitzende Energiekugel in seiner Hand entstehen. In einem Schattenduell konnte er sich nicht wirklich weigern anzugreifen... es war nett, dass er es versuchte. Crimson riss sich zusammen, stand aufrecht und erwartete den Angriff trotzig erhobenen Hauptes. Er begegnete dem Blick des Vampirs, und es bedurfte keiner weiteren Worte.

Dann kam der Angriff auf ihn zu. Es war niemals leicht, auf der anderen Seite von so etwas zu sein, doch von Genesis... das war wirklich fies von Malice. Crimson hoffte, dass wundersamerweise irgendeine Falle aktiv wurde und ihn rettete, jedoch wurde er von der Energieentladung von den Füßen gerissen und kam sich vor, als würde er in Zeitlupe nach hinten geschleudert. Es war manchmal faszinierend, was man alles in einer Millisekunde denken konnte...
 


 

***

Fortsetzung folgt

Ein kleines Flauschtier

Welt des Blauen Lichts: Sonntag Nacht

Malice: 3500

Marik: 200
 

Fremde Welten 68: Ein kleines Flauschtier
 

„Nein...! Marik!“ rief Yami, nachdem man lange nichts mehr von ihm gehört hatte.

Auch die Freunde an der Seite schrien entsetzt auf.

„Verdammt, das darf nicht wahr sein!“ presste Joey hervor, der den Grabwächter zuletzt doch ganz sympatisch gefunden hatte.

„Das hat er sich ganz allein zuzuschreiben,“ kommentierte Seto sachlich.

„Rede nicht immer so,“ beschwerte Mokuba sich bei ihm.

„Ich kann gar nicht hinsehen!“ schluchzte Thea auf und hielt sich die Hände vor's Gesicht. Sie war allerdings nicht die Einzige... die ganze Gruppe stand mehr oder weniger wie versteinert da. Sollte jetzt alles umsonst gewesen sein? Alles was sie ertragen hatten?

„Mann, Marik, das kann nicht dein Ernst sein,“ grummelte Bakura zähneknirschend.

Alle warteten auf irgendetwas, das jetzt geschehen musste, und hörten das Geräusch, das die Dueldisk machte, als die Lebenspunkte neu berechnet wurden... was mochte jetzt mit Marik geschehen? Langsam legte sich der Staub um ihn herum...
 

Marik stand aufrecht da, mit Blacky hinter sich. Besiegt war er keineswegs. Seine Hand war an einem Knopf an der Dueldisk. „Ich habe eine Schnellzauberkarte aufgedeckt! Notvorräte! Damit kann ich Fallen- und Zauberkarten von meiner eigenen Spielfeldseite zerstören und erhalte für jede 1000 Lebenspunkte! Ich hatte zwei weitere wohlweislich in den letzten Runden abgelegt und erhalte dafür 2000 Lebenspunkte! Damit bleiben mir jetzt noch 1700, nachdem du meinen Magier angegriffen hast.“

Leider hatte das Crimson nicht gerettet. In seinem Stundenglas fielen grüne, trockene Krümel auf ihn herab, die langsam den Boden bedeckten, aber von den Zuschauern konnte sich darauf niemand einen Reim machen.

Appi bekam einen Zauberzähler: Einer der Steine an seiner Sense leuchtete auf. Er gehörte jetzt also auch zu denen, die sie sammeln konnten, so wie Kuro zum Beispiel.

Malice grummelte enttäuscht, setzte eine Karte und beendete seine Runde. „Hahaha... ich denke, ich vernichte dich dann eben nächste Runde... dein Magier hat schließlich nur 2400 Angriffspunkte. Auch er wird meinem Vampir zum Opfer fallen.“

Ja, das war wohl leider so. Besagter Vampir wirkte nicht sehr angetan von dieser Aussicht. Alles hing nun davon ab, was Marik zog. Er nahm eine Karte vom Deck, warf einen Blick darauf... und war erleichtert. „Ich spiele Horn des Einhorns! Damit bekommt mein Magier 700 zusätzliche Angriffs- und Verteidigungspunkte. Das sollte genügen, Malice...“

Eria und Yugi lachten laut los, denn Appi bekam ein kunstvolles, goldenes Horn auf die Stirn... und einen Zauberzähler, aber das beachtete angesichts des Horns kaum jemand. Auch Joey grinste breit und Seto lächelte zumindest. Pegasus strich sich amüsiert über eine Wange und Sugoroku schaute ganz vergnügt drein.

„WAS!“ zischte Appi laut. „Hat jemand von euch ein Problem mit 700 Punkten extra?!“

„Also ich find's nett,“ meinte Olvin, der offenbar gleich bessere Laune hatte, nachdem Crimson nicht mehr da war.

„Apokalyptischer Magier, greif Vampir-Genesis an!“ befahl Marik.

Das tat auch Appi nicht unbedingt gerne, doch Genesis hatte wohl Verständnis dafür. Der Blonde schlug symbolisch mit der Sense nach ihm. Er hatte 100 Angriffspunkte mehr und somit fielen Malices LP auf 3400.

„Uuh...“ Marik ging in die Knie, denn er hatte vor lauter Aufregung vergessen, dass er für den Angriff zahlen musste. Sein ohnehin arg mitgenommener Körper versagte ihm fast den Dienst. „Nein... ich darf jetzt nicht... versagen...“ Deswegen zu verlieren, wäre wirklich eine Schande gewesen. Blacky kniete sich neben ihn, konnte aber kaum etwas tun.

Genesis landete in seiner aktuellen Form im Stundenglas, und von oben schien die Sonne auf ihn herab, so dass er die Flügel schützend um sich faltete.

Das erschien allen ganz normal, weil niemand darauf achtete, nur Blacky runzelte die Stirn. „Die Sonne? Aber... im Reich der Schatten gibt es keine, die man sieht... warum also sollte sich der Vampir davor fürchten?“

Nun ja, es war eben ein Schattenspiel, das in der Welt des Blauen Lichts seinen Anfang genommen hatte. Niemand dachte weiter darüber nach, denn es gab wichtigere Dinge.
 

„Marik, du darfst jetzt nicht schlapp machen!“ rief Tristan.

„Genau, hast es doch fast geschafft...“ bekräftigte Mokuba ihn.

„Mal nicht zu früh jubilieren,“ nahm Pegasus dem Jungen ein bisschen den Wind aus den Segeln. „Wie schnell ein Spiel herumgerissen werden kann, wissen wir doch alle.“

Sie sahen, wie Malice schweigend und mit neutralem Gesichtsausdruck eine Karte zog und ein verdecktes Monster spielte. Nur ein ganz klein wenig zuckten seine Mundwinkel nach oben. Damit beendete er seinen Zug auch schon.

„Marik muss sich gut überlegen, ob er das wieder angreift... es könnte wieder sowas wie Des Koala sein,“ murmelte Mai, die beim Anblick der vielen Stundengläser bisher ganz still geblieben war. Sie wirkte nicht sehr glücklich.

„Aber wenn er nicht angreift, kommt er nicht weiter,“ widersprach Joey. „Das weißt du doch.“

„Sicher, aber...“ Mai riss sich zusammen. „Marik, wenn du angreifen willst, dann... nimm mich als Opfer!“ rief sie. „Ich war noch gar nicht dran...!“

Marik wandte sich ihr zu und nickte ansatzweise, während er mit Blackys Hilfe umständlich auf die Füße kam. Er hatte in der Tat nicht viel Auswahl, also ließ er Appi das verdeckte Monster angreifen, nachdem er eine Karte gezogen hatte.

Man konnte Mai nur an ihrer angespannten Körperhaltung ansehen, dass sie Schmerzen hatte, und sie zitterte ein wenig, aber kein Laut kam über ihre Lippen.

Alle beobachteten gespannt, was nun geschehen würde...

„Oh nein!“ hörten sie Olvin ausrufen. „Cyberdose!“

Das Maschinenmonster war kurz zu sehen und explodierte dann, und mit ihr wurden Appi und Olvin vernichtet. Cyberdose (900/900) hatte einen Flippeffekt, der das ganze Spiel verändern konnte.

„Was passiert jetzt?“ begehrte Serenity zu erfahren, denn die Duellanten zogen je fünf Karten.

„Alle Monster werden zerstört, dann ziehen beide Spieler fünf Karten und zeigen sie einander,“ erläuterte Sugoroku. „Dabei werden alle Monster der Stufe vier oder niedriger sofort als Spezialbeschwörung auf das Spielfeld beschworen oder gesetzt. Die anderen Karten werden auf die Hand genommen.“

„Aber... das ist vielleicht auch für Marik gut, oder?“ vergewisserte Thea sich.

Der alte Mann nickte. „Hoffen wir, dass es nicht wieder ein Sonneneruptionsdrache oder etwas dergleichen auf der Gegnerseite ist...“

Olvin und Appi erschienen über Marik in Stundengläsern, Cyberdose auf der anderen Spielfeldseite. Olvin wurde nach und nach von dunkler Erde begraben, und Appi von beschrifteten Papieren.... Cyberdose wurde wie die meisten Maschinen von Wasser betropft.

„Armer Appi... hat sich so gefreut, und nun konnte er gar nicht seinen Effekt nutzen,“ murmelte Yugi. „Was hat das wohl zu bedeuten, was da mit ihm passiert? Vielleicht... Zeugnisse?“

Malice lachte und fing an, seine fünf neuen Karten zu zeigen. Er hatte Nächtlicher Angreifer (200/500), der auch einen vernichtenden Flippeffekt hatte, genau wie Olvin. Malice legte ihn verdeckt aufs Feld. Die nächste Karte war Chaos Hexer, den Malice auf die Hand nehmen musste, denn er hatte erstens zu viele Sterne und konnte außerdem eh nicht anders als auf der Karte beschrieben beschworen werden. Als nächstes eine Falle: Waboku, eine Zauberkarte: Schwarzer Anhänger, und noch ein Monster: Edelmetalldrache (2400/1200). Letzterer wurde im Angriffsmodus beschworen.

„Das Monster hat 2400 Angriffspunkte, aber nur vier Sterne?“ empörte Joey sich.

„Du hast keine Ahnung, Wheeler,“ entgegnete Seto mit verschränkten Armen schadenfroh. „Es ist eine Sonderkarte. Man kann diesen Drachen nur als Spezialbeschwörung beschwören, zum Beispiel durch den Effekt von Cyberdose. Da hat Malice richtig Glück gehabt.“

„Verdammt... Marik muss was Gutes dagegen halten,“ grummelte Joey.

Marik hatte eine Falle gezogen, Ruf der Gejagten. Außerdem die Falle Magischer Zylinder. Er konnte Maha Vailo (1550/1400) im Angriffsmodus beschwören und setzte Magier des Glaubens (300/400) verdeckt. Dann gab es eine Überraschung für alle... außer Pegasus vielleicht.

„Zuletzt setze ich Avatar des Gottes (700/2000) verdeckt in Verteidigung...“

„Avater des Gottes?“ Bakura wiederholte den Namen verwundert. „Nie gehört...“

Auch die anderen Duellanten tauschten ratlose Blicke aus, nur Pegasus nickte wissend. Er sah Yugi an, der einen etwas zweifelnden Gesichtsausdruck aufgesetzt hatte und schwieg.

„Yugi-Boy... ich glaube, das bist du... die Kleidung und der Stab passen...“

„Waaaah... was?“ Yugi schaute verstört zu ihm auf.

„Vier Sterne und einen schönen Effekt!“ freute Pegasus sich. „Warte nur!“

„Wie geht es jetzt weiter?“ erkundigte sich Frau Morikawa schließlich, nachdem einige Sekunden keiner etwas gesagt hatte.

„Nun... Marik ist noch dran,“ sagte Seto.
 

Marik musste eine Weile überlegen. Er wusste, dass Nächtlicher Angreifer eines seiner Monster zerstören würde, wenn er ihn angriff und damit aufdeckte, oder aber, wenn Malice ihn aufdeckte. Ihm fiel nichts ein, um das zu verhindern.

Er konnte vielleicht Mava mit etwas ausrüsten, um den Edelmetalldrachen besiegen zu können, aber wenn er eine Zauberkarte spielte, beendete das seine Battle Phase und er konnte nicht mehr angreifen.

Es gab eigentlich nur diese Alternative... „Maha Vailo. Greif das verdeckte Monster an.“ Er wählte diesmal Sugoroku, um den Angriff auszubaden, denn der war noch nie dran gewesen und hatte eigentlich auch nicht drankommen sollen, aber 1550 war noch relativ harmlos...

Mava gehorchte widerspruchslos. Es tat Marik Leid, dass er es so machen musste, denn er rechnete damit, dass Malice den Effekt des Nächtlichen Angreifers auf Mava anwenden würde, weil dieser mit seinem Effekt am gefährlichsten werden konnte. Marik hoffte eigentlich sogar, dass es so kam. Denn dann wurden seine anderen Monster verschont. Und das war wichtig.

Und wirklich... „Du hast den Effekt meines Monsters aktiviert...“ Malice grinste. „Ich vernichte damit Mava! Pech für dich, Marik. Hast wohl gedacht, ich würde eins der Verdeckten nehmen, aber ich gönne sie dir doch... ein Verteidigungsmonster und Magier des Glaubens...naja.“

Marik erlaubte sich ein Lächeln. „Mir scheint eher, dass du Angst vor ihm hattest.“ Er setzte eine Fallenkarte, überlegte kurz und setzte noch eine. Ja, das müsste gehen... damit beendete er seinen Zug. Ein prüfender Blick zeigte ihm, dass Yugis Großvater den Effekt des Schattenspiels gut überstanden hatte. Thea redete mit ihm, und er nickte immer wieder.

Auch der Nächtliche Angreifer war nun in einem Stundenglas, aber was auf ihn fiel, war sehr klein und deshalb kaum zu erkennen. Vielleicht kleine Insekten oder so etwas.

Malice zog eine Karte. Sobald seine Runde begonnen hatte, aktivierte Marik seine Falle Ruf der Gejagten – damit konnte er Crimson in seiner Form als Blutroter Magier zurück holen. Der staubte seine Kleidung ab und schimpfte: „Getrocknetes Ätsch-Bätsch-Kraut... Mann!“

Malice freute sich offenkundig über die Rückkehr seines Lieblingsopfers, denn er grinste irre. Er beschwor Sorc, den Chaos Hexer (2300/2000), indem er ein Licht- und ein Finsternismonster von seinem Friedhof aus dem Spiel entfernte: Bowganian und das Mädchen. Die beiden fielen aus den Stundengläsern und wurden nach außerhalb des Spielfeldes geschleudert.

„Aua! Menno! Na wenigstens raus,“ murmelte das Mädchen.

Sorc schritt auf das Feld. Wie vorhin bei Blacky waren leichte elektrische Entladungen an seinen Füßen sehen. Da er jedoch weniger Angriffspunkte hatte als Crimson, rüstete Malice in mit der Ausrüstungszauberkarte Schwarzer Anhänger aus, so dass er 500 Punkte mehr bekam. Dieser Gegenstand hatte außerdem noch die Eigenschaft, dass er dem Gegner 500 Lebenspunkte raubte, wenn er zerstört wurde.

Doch Malice griff nicht an, denn alle konnten sich denken, dass Marik Magischer Zylinder auf dem Feld liegen hatte, um ihn abzuwehren. Doch es gab noch Sorcs Effekt. „Entferne Crimson aus dem Spiel... dann sind wir ihn endgültig los und er kann unseren Drachen nicht angreifen. Hach, Schade, so kann ich ihn auch nicht mehr quälen...“ Sein Gesichtsausdruck wurde noch irrer, als Sorc seinen Effekt vorbereitete. „Crimson... ich freu mich schon darauf, deine Karte an mich zu nehmen... wir werden viel Spaß haben.“ Er leckte sich über die Lippen, und es sah nicht besonders verlockend aus.

Crimson hatte inzwischen wieder Haltung angenommen. „Bäääh, Malice... du willst dir Mariks Karten unter den Nagel reißen? Wie denn, wenn du gleich verlierst?“ Er streckte eine Hand vor, und es gab so etwas wie eine Schockwelle, als Sorcs Effekt daran abprallte.

Marik lächelte, als er sah, mit welchem Genuss sein Magier den Effekt nutzte, den Pegasus auf die Karte gedruckt hatte. Er musste dafür entweder 500 LP zahlen oder eine Karte abwerfen, doch seine Karten brauchte er alle, also musste er leider die Punkte opfern. Blieben noch 1200.

„Was war das denn?“ rief Sorc. „Du hast keinen Effekt!“

„Falsch... der Schwarze Magier hat keinen Effekt. Ich aber bin der Blutrote Magier! Man sieht ganz deutlich, dass die Karte ne andere Farbe hat, tja, nicht aufgepasst! Vielen Dank übrigens... ohne deine Hilfe hätte ich das nicht geschafft...“ Er zog seinen Umhang über die Schulter und drehte Malice seinen freien Rücken zu, so dass der Schurke das veränderte Siegel sehen konnte.

„Waaaas?“ Malice ärgerte sich ganz offensichtlich. „Wer hat das getan! Niemand kennt diese Runen, jedenfalls niemand, der damit so umgehen kann... Na warte! Edelmetalldrache! Greif das verdeckte Monster an!“ Er zeigte auf Avatar des Gottes.

„Schon vergessen?“ Marik aktivierte Magische Zylinder.

„Ach, damit hab ich gerechnet!“ erwiderte Malice wütend. „Nächste Runde komme ich mit meinem Angriff durch! Ring der Verteidigung!“

Die Karte, die Malice aktivierte, reduzierte den Schaden, den er durch Magische Zylinder erhalten hätte, auf null.

„Hey, das ist meine!“ regte sich Seto im Publikum auf.

„Jetzt nicht mehr,“ entgegnete Malice trocken.

Tja, nun war diese Runde leider ohne Verluste für den Gegner beendet worden. Marik hatte natürlich gehofft, ihn mit der Falle zu erwischen.

Malice setzte eine Karte, ehe er seinen Zug beendete. Ob das Waboku war? Diese Karte hatte er ja durch Cyberdose gezogen.

Marik zog und benutzte Topf der Gier, um zwei Karten zu ziehen, und deckte dann Magier des Glaubens auf. Durch den Effekt konnte er eine Zauberkarte vom Friedhof zurück holen. Er nahm aber nicht Topf der Gier, sondern Wiedergeburt... nur für den Fall.

Crimson war nun, da Sorc mit Schwarzer Anhänger ausgerüstet war und damit 2800 ATK hatte, zu schwach, um ihn zu besiegen. Deshalb fuhr Marik ein weiteres Geschütz auf. Er flippte das andere verdeckte Monster: Avatar des Gottes (700/2000). „Ich nutze den Effekt von Avatar des Gottes, um Slifer, den Himmelsdrachen, aus meinem Deck zu beschwören. Dafür muss ich den Avatar und ein weiteres Monster von meiner Seite opfern; Slifer kann außerdem nur 3 meiner Runden bleiben, dann wird er wieder zum Avatar.“

Marik opferte Yugi und Faith, wobei Yugi allerdings nicht in einem Stundenglas landete... er verwandelte sich in Slifer, und da sahen auch alle, was passiert war, immer wenn Yami rote Schuppen bekommen hatte. Die arme Faith jedoch teilte das Schicksal der anderen, und auf sie fielen kleine Krabbeltiere herab, so dass sie ihr Gesicht mit den Armen zu schützen versuchte. Neben ihr schwebte Mava – er war bereits von zahlreichen kleinen Ausrüstungegegenständen umgeben, und weitere Ringe, Broschen, Ohrringe und dergleichen kamen beständig hinzu.

Als Malice merkte, dass Slifer gerufen wurde, aktivierte er hektisch die Falle Metallisch reflektierender Schleim (0/3000) zur Verteidigung, ein so genanntes Fallenmonster, denn Slifers zweites Maul hätte ihn angegriffen, wenn er es später gemacht hätte. So erschien das Schleimwesen gerade noch vorher und diente als zusätzliche Verteidigung.

Slifer hatte nun 5000 Angriffspunkte, denn Marik hatte fünf Handkarten. Das reichte massig, um Sorc anzugreifen, aber er traute sich nicht recht... Malice hatte noch die Falle auf dem Feld, eventuell Waboku, damit wäre ein Angriff sinnlos. Andererseits musste er angreifen, damit die Karte benutzt wurde, denn sonst erreichte er nichts. Doch für Sorc genügten auch 4000ATK. Marik setzte eine Falle und musste dann wieder eine Entscheidung treffen, denn er konnte Slifer nicht angreifen lassen und den Preis selber zahlen. Aber wen sollte er wählen? Wem konnte er das zumuten?

Er war sich vage bewusst, dass Malice ihn von der anderen Seite aus angrinste. „Armer Marik... jetzt hast du solche Möglichkeiten, aber kannst nichts tun. Wer weiß, vielleicht bringt es deine Freunde um? Wo ist die Grenze an Angriffspunkten, die du gefahrlos benutzen kannst? Finde es doch heraus! Aber... beschwer dich dann nicht.“

Marik vermutete, dass der Irre ihn nur verunsichern wollte. Ein bisschen kannte er ihn schließlich auch. Das zu wissen, erleichterte ihm die Entscheidung aber auch nicht gerade.

„Malice, du willst doch nur verhindern, dass du verlierst.“ Bakura spottete zu ihnen hinüber. Sein Gesicht bekam einen sehr berechnenden Ausdruck. Sein Blick wanderte zu Marik...

„Slifer!“ Marik zeigte dramaturgisch in die Richtung des Chaoshexers. „Greif Sorc an!“

„WAS? Wen hast du...“

Slifer ging in Position und entließ einen Strahl aus seinem Hauptmaul.

„Ich aktiviere meine Falle! Waboku!“ Malice hatte tatsächlich Waboku auf dem Feld gehabt. Damit konnte Marik sich jeden weiteren Angriff sparen, er konnte keinen Schaden anrichten.

Besorgt sah er nach links. Bakura war nicht mehr zu sehen, und die anderen standen in einer Reihe da, als wäre der Weißhaarige nie dort gewesen. Marik zog es vor, so zu tun, als wunderte ihn das nicht.
 

Yami konnte von seiner Position aus das Geschehen verfolgen, denn er sah hinter Sorc vorbei zu seinen Freunden, als Slifer angriff. Und deshalb bemerkte er, wie Bakura den anderen etwas zuflüsterte – speziell Duke. Dieser nickte ansatzweise, ohne sich etwas anmerken zu lassen.

Als Malice dann durch den Angriff geblendet war, musste Duke Bakura nach hinten wegführen, außer Sichtweite. Der Weißhaarige sah ziemlich leidend aus, und er wollte so sicherlich nicht gesehen werden. Jedenfalls nicht von Malice, da hatte er dann auch seinen Stolz. Duke nahm seinen Platz bei den anderen wieder ein, und die Reihen schlossen sich vor Bakura.

Yami war sich darüber im Klaren, dass er noch nicht ganz durch war – Malice musste noch seine restlichen Punkte verlieren, was weitere Schmerzen für ihn bedeutete. Er sah ja ein, dass Malice sich an ihm rächen wollte, aber das mit seinen Freunden war unfair. Sogar die Monster! Die konnten ja nun echt nichts dafür, dass sie in den Decks waren.

Aber Moment... Yami fiel auf, dass sein Schwarzer Magier zu meditieren schien... er saß im Schneidersitz, hatte die Hände im Schoß auf typische Meditationsart gefaltet und die Augen halb geschlossen. Aus dem oberen Teil des Stundenglases fiel nichts herunter. Während Yami ihn erstaunt anstarrte, blickte Dark auf und begegnete seinem Blick, worauf sich seine Mundwinkel leicht hoben. Faszinierend... er schien von diesem Effekt nicht betroffen zu sein oder über genug geistige Kraft zu verfügen, um sich dagegen zu wehren. Oder wusste Dark mehr über die Schattenspiele als Malice? Yami hätte liebend gerne eine Runde mit ihm darüber diskutiert, aber im Moment war es etwas ungünstig.

Malice war wieder dran und zog eine Karte. „Sorc, mach Crimson auf die Altmodische platt. Ich könnte ja wieder provozieren, dass du den Effekt benutzt und in Lebenspukten zahlst, das bringt dich irgendwann auch um, aber dadurch werde ich ihn ja letztendlich nicht los...“

„Ist das noch wichtig, wenn du gewonnen hast?“ stichelte Seto quasi an Bakuras Stelle.

„Ich glaube, er hat eher Schiss, dass er nichts mehr erreicht, bevor Slifer seinen Magier erledigt hat!“ schlug Joey in die gleiche Kerbe. „Schade, dass Monstereffekte bei Göttern nichts nützen, was?“

„Hört auf zu sülzen!“ zischte Malice. „Los, Sorc!“

Sorc ging in Verteidigung.

„Hey, was soll das? Angriff hab ich gesagt!“

Der Hexer drehte sich um. „Klappe, das war doch keine Absicht! Guck mal da rüber!“

Marik hatte eine Falle aktiviert: Windsturm von Etaqua. Sie zwang alle offenen Monster auf der Gegenseite, ihre Kampfpositionen zu ändern.

„Was? Jetzt ist mein Metallisch Reflektierender Schleim im Angriffsmodus mit 0 Angriffspunkten!“

Malice sah deutlich geschockt aus, während Crimson erfreut die Arme verschränkte, denn unter diesen Vorraussetzungen konnte er Sorc schlagen. Und wenn Yugi bzw. Slifer dann das Schleim-Fallenmonster angriff...

„Ich opfere Metallisch Reflektierendeer Schleim und setze ein Monster verdeckt in Verteidigung...“

Von seiner Warte aus konnte Yami sehen, dass es Millenniumsschild (0/3000) war, denn er konnte Malice generell in die Karten gucken. Mit drei Verteidigungsmonstern auf dem Feld, nämlich Sorc, dem Edelmatalldrachen und dem Millenniumsschild, musste dieser jetzt mindestens viermal angegriffen werden, ehe seine Monster vernichtet und seine LP alle waren. Pech für Marik, aber hätte er die Falle nicht benutzt, hätte er Crimson wieder verloren.

„Außerdem spiele ich noch eine Zauberkarte: Tribut! Immer, wenn ein Spieler angreifen will, muss er dafür 500 Lebenspunkte zahlen!“ Malice legte erfreut die Karte auf die Dueldisk und beendete den Zug.

Dies bedurfte eigentlich keines Kommentars. Marik hatte nur noch 1200 LP und damit gar nicht die Möglichkeit, öfter als zweimal anzugreifen. Insofern standen die Freunde auch ziemlich wortlos daneben.

„Die Karten werden eine Lösung bieten,“ nickte Großvater zuversichtlich.

Yami wurde ganz warm ums Herz, wenigstens einer, der noch auf das Deck vertraute. Außer ihm selbst natürlich. Und dem Magier des Schwarzen Chaos. Selbiger hatte nämlich eine Hand auf Mariks Schulter gelegt und sah siegessicher zur Gegenseite hinüber. Marik zog eine Karte und starrte nachdenklich auf sein Blatt, aber das kannte Yami von sich selbst. Er überlegte nicht, OB er noch etwas tun konnte, sondern was und in welcher Reihenfolge.

„Selbst wenn du oft genug angreifen könntest, solltest du dir das gut überlegen, denn wen von deinen Freunden willst du noch leiden lassen? Vielleicht den Alten? Sie sind alle schon geschafft...“ versuchte es Malice mit Psychologie.

„Ich bin noch ganz frisch,“ bemerkte Pegasus und strich sich galant auf der Seite mit seinem verbliebenen Auge durchs Haar.

„Nein... ich... kann auch noch...“ war Bakura aus dem Hintergrund zu hören. Doch irgendwie klang er nicht ganz glaubwürdig.

„Niemand von meinem Freunden wird mehr leiden müssen... außer dir vielleicht, Pharao...“

Marik blickte zu ihm herauf, und Yami gab ihm mit einem Nicken zu verstehen, dass er sich dessen bewusst war. Schließlich musste ja Malice alle LP verlieren, und das lief immer aufs gleiche hinaus.

Der junge Grabwächter wählte eine Karte von seiner Hand. „Ich weiß, dass dieses Monster schon oft das Spiel herumgerissen hat und in ausweglosen Situationen der Retter war... fast so regelmäßig wie der Schwarze Magier. Ich spiele...“ Er hielt die Karte mit einer theatralischen Geste hoch, zeigte sie und warf sie dann dramatisch im Angriffsmodus auf die Dueldisk. „Kuriboh (300/200)!“

Für einen Moment waren alle still vor Erstaunen. Selbst Yami hatte damit jetzt nicht gerechnet. Doch Marik musste schon wissen, was er tat. Kuriboh materialisierte sich und plusterte sich aggressiv auf.

„Willst du mich verarschen?“ Malice fing an zu lachen. „Du musst ja wirklich verzweifelt sein, Marik! Eine ordentlichen Zauberkarte hätte dir mehr geholfen, ehrlich! Hahahahaaa! Aber dieses... Popelmonster! Hast du das nötig mit einem Gott auf dem Feld?“

„Huuuuuuuuh!“ beschwerte das Fellknäuel sich und plusterte sich noch mehr auf.

„Interessant, dass du so denkst, Malice. Wir sprechen uns am Ende meines Zuges wieder, denn du wirst keinen mehr haben. Als erstes gebe ich dir das Monster, das du so verachtest. Ich habe es extra für dich beschworen.“

„Was...?!“

„Mystische Box! Dadurch kann ich ein Monster von dir zerstören, und ich wähle das verdeckte Monster! Dafür muss ich dir aber die Kontrolle über eines von meinen geben...“ Marik spielte die Karte, und Malices Millenniumsschild wurde zerstört, ehe es richtig beschworen worden war. Daher erschien es auch nicht in einem Stundenglas. „Kuriboh. Geh zu Malice rüber. Braver Junge.“

Kuriboh gehorchte und sah wieder ganz freundlich aus, als er drüben in Position gegangen war. „Huuuuh, huuuuh!“

„Du... du kannst trotzdem nicht genug Schaden anrichten, denn dein Slifer hat jetzt nur noch 3000 Angriffspunkte!“ rief Malice.

„Sind wir etwa in Panik?“ Bakura war zurück, wenn auch etwas wackelig auf den Beinen. Er konnte jedenfalls noch hämisch grinsen.

„Riryoku!“ fuhr Marik fort. „Ich halbiere die Angriffspunkte eines Monsters – Edelmetalldrache – und gebe sie einem anderen – Blutroter Magier. Damit bekommt Crimson 1200 zusätzliche Angriffspunkte und hat dann 3700! Genug, um dich zu schaffen! Ich zahle 500 Lebenspunkte Tribut für deine Zauberkarte. Crimson, greif Kuriboh an!“

Malice bekam ganz große Augen. „Wie bitte? Das kann nicht... Ich kann doch nicht wegen Kuriboh...!“

Bakura war wieder ganz in seinem Element. „Finde dich damit ab, Malice! Ein kleines Flauschtier kostet dich den Sieg!“

„Und dafür werde ich ihn nachher ordentlich knuddeln!“ schrie Crimson kriegerisch. „Tut mir Leid, Kleiner... Schwarze Magie Attacke!“ Seine geballte Faust schoss vor und öffnete sich, um einen mächtigen Strahl zu entlassen, den Kuriboh mit geradezu erfreutem Gesicht entgegen nahm, obwohl er ihn vernichtete. Doch anschließend bließ er noch Malice um, der völlig entsetzt nach hinten stürzte, während seine Lebenspunkte auf 0 fielen. Es passte ganz genau.

Yami wusste, dass Marik niemanden ausgewählt hatte, sondern den Preis des Angriffs selber trug, da es nun nicht mehr erforderlich war, sich zu schonen. Doch er bekam nicht mehr mit, wie es ihm erging, denn er hatte selber mit dem Schattenspiel zu kämpfen. Die dunklen Blitze traktierten ihn für den Verlust von 3400 Punkten, und er spürte, wie ihn die Dunkelheit umfing...
 

***

Fortsetzung folgt.
 

Karten von Pegasus:
 

Excalibur – Ausrüstungszauber

Nur Monster mit einer Grund-ATK unter 1800 können mit dieser Karte ausgerüstet werden. Das ausgerüstete Monster kann keine weiteren Ausrüstungsgegenstände tragen. Es erhält 800 zusätzliche Punkte auf den Modus, in dem es sich gerade befindet. Wenn das ausgerüstete Monster im Kampf zerstört werden würde, zerstöre statt dessen diese Karte. Eine Schadensberechnung findet nicht statt.
 

Siegel des Blutes

Blutroter Magier

Apokalyptischer Magier

Avatar des Gottes

(Texte muss ich mir noch ausdenken)

Erholungsphase

Ich komme zur Zeit schnell voran - enjoy!
 


 

Welt des Blauen Lichts. Sonntag Nacht/Dienstag
 

Fremde Welten 69: Erholungsphase
 

Marik taumelte und schlang die Arme um sich. Der Schmerz war furchtbar, und es war nicht der erste, den er ertragen musste. Mit bloßer Willenskraft hielt er sich auf den Beinen, bis Malices LP auf null waren und er selbst als Sieger feststand. Danach versagte sein Körper ihm den Dienst, aber er hielt mühsam die Augen offen. Denn wie er seine dunklere Seite kannte, war das jetzt noch nicht das Ende... ganz davon abgesehen, dass er sich nicht völlig blamieren wollte.

Blacky fing Marik auf. „Gute Arbeit,“ sagte er zu ihm.

„Weißt du, dass es komisch ist... in den Armen eines Duelmonsters zu liegen?“ Marik schaffte ein breites Lächeln, auch wenn er viel Arbeit damit hatte, nicht einfach einzuschlafen. „Pass auf... wegen Malice... er wird bestimmt---“

„Das... lasse ich nicht auf mir sitzen!“ Malice kam wieder auf die Füße. „Besiegt wegen eines Kuribohs! Das wirst du büßen!“ Er hatte den Stab in der Hand, der nun hell aufleuchtete.

„Aber, aber, wer wird denn gleich...“ Es war Pegasus, der sich ihm in den Weg stellte. Er zog die Haare von seiner linken Gesichtshälfte – und entblößte das Millenniumsauge. „Ich bin völlig ausgeruht, Malice-Boy. Ob Marik-Boy geahnt hat, dass sich das als wichtig erweisen würde, weiß ich nicht, aber that's how it is. Du bist durch das Schattenspiel ermüdet!“ Und Pegasus konnte mit seinem Gegenstand umgehen. Das Auge strahlte hell und ließ die Haare seines Trägers imposant hochwirbeln. Erneut wurde Malice zu Boden geschleudert, und Pegasus überwand mit Eleganz die Entfernung zwischen ihnen, um nachzusetzen, doch da stellte sich Bakura zwischen sie. „Warte, ich habe mit dem da auch noch was zu klären!“

„Fein, fein, Bakura, das ist okay für mich, denn ich möchte nicht meinen Anzug ruinieren.“ Er band die Schleife an seinem Kragen neu und zog sein Jackett glatt.

Bakura knackte mit den Fingerknöcheln. Niemand ging dazwischen, als er und Malice eine handfeste Schlägerei anfingen, die dezent im Hintergrund ablief.

„Hab ich mich getäuscht, oder... hat er Bakura nur Bakura genannt, und... und nicht Bakura-Boy?“ erkundigte Marik sich. Vielleicht schwand ja auch sein Hörvermögen.

„Ich glaube das war so. Da kommen Tristan und Duke. Ich lass dich mal in ihrer Obhut, ja?“

Marik nickte, und Blacky zog sich vorsichtig von ihm zurück. Tristan zog seine Jacke aus und faltete sie zusammen, um sie unter Mariks Kopf zu legen. „Ruh dich ruhig aus, Kumpel, wir machen den Rest. Du hast ihn fertig gemacht, superklasse!“

„Hmmm...“ Marik hob die Dueldisk und sah, dass er noch 700 Lebenspunkte übrig hatte, somit standen die Chancen gut, dass Arcana wieder in Ordnung kommen würde. Er ließ den Arm sinken, und auch seine Augenlieder senkten sich. Er wollte sie nur kurz schließen, aber für die nächsten paar Stunden blieb es dabei.
 

Blacky erhob sich und sah sich Sorc gegenüber. Doch dieser stand ganz entspannt da, keineswegs angriffsbereit. Der Chaoshexer deutete mit dem Kopf in Malices Richtung. „Er... ist ein schlechter Verlierer. Naja.“

Bakura und Malice waren zu roher Gewalt übergegangen und hatten ihren Millenniumsgegenstände vergessen. Sie beharkten einander mit Fäusten, Fingernägeln, Zähnen und zogen sich gegenseitig an den Haaren.

„Wie Mädchen,“ kommentierte Blacky.

„Nun ja, wenn's hilft,“ meinte Sorc.

Beide wandten ihren Blick von der Szene ab und wieder einander zu. Es war ein merkwürdiger Moment, denn sie wussten nicht recht etwas zu sagen.

„Ich bin überrascht, dass du nicht auch noch... stänkerst,“ meinte Blacky schließlich.

Der andere zuckte mit einer Schulter. „Hatte ich mir überlegt, aber es ist so würdelos, nach der Niederlage noch verzweifelte, hinterhältige Angriffe zu veranstalten, damit macht man sich nur lächerlich.“

„Sag... Vater...“ Blacky probierte das Wort auf der Zunge.

Sorc hob bei der zögerlichen Anrede erstaunt eine Augenbraue.

„Was habt ihr euch eigentlich dabei gedacht? Wir haben uns die ganze Zeit gefragt, wozu ihr das alles gemacht habt... Ihr habt nicht wirklich gedacht, ihr könntet diese Welt erobern, oder?“

„Hahaha... nein, Junge. Ich jedenfalls nicht. Malice kam auf mich zu und schlug vor, in die Welt des Blauen Lichts zu gehen und dort die Karriere zu machen, die ich im Schattenreich nicht hatte. Er versicherte, dass er eine Organisation hatte, die dabei helfen würde. Es war sehr verlockend für mich. Weißt du, ich wurde nicht in den Zirkel des Bösen aufgenommen, also wollte ich denen zeigen, was ich drauf hab. Jedoch wurde mir hier dann klar, dass Malice wohl hauptsächlich Rache als Motiv hatte. Er wollte den Pharao leiden lassen und dann töten. Ich weiß nichts über diese Welt, also bin ich bei ihm geblieben und habe ihm weiter geholfen.“

„Moooment... du hast das alles gemacht, um dem Zirkel des Bösen beitreten zu können?“

„Tja, so war's. Ich hatte mich beworben, wurde aber abgelehnt. Dreimal.“

„Oh Mann... Und wie soll es jetzt weitergehen?“

„Nun... der Sieger kann bestimmen, was mit dem Verlierer geschehen soll. Malice hatte vor, sich je nach Ergebnis eine Schicksalsstrafe auszudenken, wenn das Duell vorbei ist. Also...?“

„Hm? Oh, ich soll...“ Offensichtlich, denn Marik war ja eingeschlafen. Doch Blacky war gewissermaßen sein Partner im Kampf. „Ähm... ich hab vorher noch was zu erledigen, ja?“ Blacky schritt davon und suchte nach Dark.
 

Über dem Duellfeld lösten sich lautlos die Stundengläser auf und gaben ihre Insassen frei. Auch die Geiseln wurden erlöst. Yugi, in seiner Gestalt als Himmelsdrache Slifer, fing Yami mit seinem Schwanz auf und umwickelte ihn, so dass er ihn vorsichtig auf dem Boden ablegen konnte. Schützend wand er seinen Körper um den Bewusstlosen, denn... es waren noch immer Feinde da.

Die Rare Hunter versuchten zu fliehen, doch sie konnten den Spielbereich nicht verlassen. Das hielt sie nicht davon ab, es zu versuchen. Da Malice nicht oft angegriffen hatte, ging es den meisten gut, und auch jene, die für die Angriffe des Vampirlords bzw. Vampir-Genesis und Sorcs gelitten hatten, hielten sich noch auf den Beinen. Das beruhigte Yugi, obwohl er als Slifer immer eher skrupellos war und fand, dass sie es eigentlich nicht verdient hatten, dass er sie bemitleidete.

Dark kam zu ihm herüber. „Alles klar bei dir, Yugi? Versuch, dich zurück zu verwandeln. Das Duell ist zu Ende.“

Yugi fiel es gar nicht schwer dieses Mal. „Oh... das war einfach...“ Auch seine Kleidung war noch heil, obwohl sie im Reich der Schatten immer kaputt ging, wenn er sich verwandelte. „Dark, bist du in Ordnung?“

„Ja doch.“ Dark machte sich mehr Sorgen um Yami als um sich selbst. Er kniete nieder und prüfte die Lebenszeichen des Jungen. Dabei blitzten leichte elektrische Entladungen an seinen Fingern auf. „Er ist sehr geschwächt... aber er wird’s überstehen.“

Yugis Großvater und Thea erschienen bei ihnen. „Wir kümmern uns um Yami,“ versprach Thea. „Uhm... was passiert jetzt? Musst du wieder ins Schattenreich, Yugi?“

Yugi sah fragend zu Dark auf, denn er selbst wusste keine Antwort.

„Das Duell ist vorbei, und jeden Moment werden sich die beiden Welten wieder voneinander lösen und alle dorthin mitnehmen, woher sie kamen,“ erklärte Dark. „Wir müssen einen anderen Weg finden, um dich und deine Freunde zurück zu schicken, Yugi.“

„Es geht mir dort gut,“ versicherte Yugi seinen Freunden rasch, solange er es noch konnte. „Macht euch keine Sorgen um mich.“

Nun kam auch Blacky zu ihnen. „Dark...“ Die beiden fielen sich in die Arme und umschlangen einander mit solcher Gewalt, als wäre es das letzte Mal, dass sie dazu Gelegenheit haben sollten. Dass dabei zwischen ihnen Funken sprühten, wurde dezent ignoriert.

Yugi wusste genau, wie es ihnen ging... und wünschte sich, Yami wäre bei Bewusstsein. Es war eine einmalige Gelegenheit, noch nie hatten beide einen Körper gehabt. Nur in diesem Schattenspiel war es möglich, doch leider hatte es seinem Partner zuviel abverlangt.

Genesis mutierte in seine Normalgestalt zurück. „Appi, was für eine Augenweide!“ Er musterte den jungen Magier viel sagend von oben bis unten. „Freut mich, dass du die Sense benutzt.“

„Ja, vielen Dank nochmal! Boah, ich hab geträumt, dass all meine bisherigen Meister und die Akademie mir schlechte Bewertungen schicken und sogar die Produktion meiner Karte eingestellt wird! Dann hat man mir gesagt, ich müsse ein Krieger werden, weil ich als Magier nichts tauge...“ Appi sah sich um. „Yugi! Mann, war das ein Spaß! Hast du mich gesehen? Woahahahaaa!“

„Ja, Appi, das war cool! War es nicht das, was du wolltest?“ Yugi gönnte es ihm.

„Aber du hast jetzt auch eine Spielkarte, ist das nicht super?“ begeisterte Appi sich weiter.

„Oh... ähm...“ Schon, aber genau genommen wusste Yugi nicht recht, was er davon halten sollte. Es war ein seltsames Gefühl.

Indessen hatten sich Blacky und Dark wieder voneinander trennen können, zumindest teilweise. Sie standen noch dicht beieinander. Blacky hatte seine Stirn gegen Darks gelegt, und seine Hände strichen immer wieder durch sein Haar. Dark ließ es sich einfach gefallen und hatte die Hände um Blackys Hüften gelegt. Doch nach wenigen Minuten mussten sie ganz voneinander ablassen. Yugi spürte, dass zwischen ihnen noch immer gedankliche Kommunikation ausgetauscht wurde, denn das ging viel schneller, als Worte zu formulieren.

Blacky wandte sich nun seinem kleinen Schützling zu. „Yugi... vergib mir, dass ich dich verlassen habe, ich hätte eigentlich hauptsächlich für dich da sein müssen und---“

„Nein, nein, schon gut,“ unterbrach Yugi ihn. „Du konntest kaum darüber nachdenken, als du vor der Entscheidung gestanden hast, ob du Sorc und Malice folgen sollst oder nicht. Ich glaube, dass deine Entscheidung gut war.“

Der Magier nickte unsicher. „Ich muss dieses Schattenspiel jetzt beenden... als Sieger steht das Marik zu, oder eben mir als seinem Vertreter...“ Er schaute sich um, ob denn alle bereit waren. „Ich warte nur noch kurz auf Crimson...“
 

Crimsons Kleidung hatte wieder ihre normale Form angenommen. Er stand unter Arcana, als dieser von seinen Schattenspiel-Fesseln loskam und etwa zwei Meter weit auf den Boden fiel. Crimson fing ihn auf. Warum, war ihm nicht ganz klar. Der Mann war ja sowas von peinlich! Er hatte kein Rückgrat, jammerte immer gleich und schummelte, wo er konnte. Aber was wollte man erwarten... er war kein echter Magier, sondern ein Trickzauberer.

An sich machte das Crimson nichts aus, er hatte es sich auch gerne gefallen lassen, von Arcana gespielt zu werden, denn dieser konnte gut mit den Karten umgehen, die Crimson im Duell unterstützten und eigentlich mochte er seine hinterhältige Art. Naja, das hatte er getan, bis zu jener Sache mit Ectoplasmer, als er hatte erkennen müssen, dass er nicht mehr als ein Diener für Arcana war. Genau diese Einstellung störte ihn. Mehr noch, als dass sein Spieler ihn für Ectoplasmer geopfert hatte – das an sich war etwas, was ein treues Duelmonster bereitwillig mit sich machen ließ, wenn es zum Sieg führte, aber dann wollte man dafür auch eine gewisse Dankbarkeit und Respekt. Crimson spürte zu seinem Verdruss, dass er noch eine gewisse Bindung mit dem Kerl hatte, aber sie war nicht zu vergleichen mit der zwischen Dark und dem Pharao. Ganz und gar nicht. Dark hatte in jenem Duell seine eigene Seele benutzt, um Ectoplasmer abzuwehren und seinen Herrn zu schützen. Das hätte Crimson nicht getan.

Er legte Arcana auf den Boden und betrachtete ihn. Vielleicht, überlegte er, will uns das Schicksal ja auch etwas über uns selbst sagen, wenn es denjenigen wählt, mit dem wir auf diese Art verbunden sind... vielleicht war Arcana so etwas wie ein vorgehaltener Spiegel für ihn. Ohne seine übliche Maske sah man deutlich sein entstelltes Gesicht. Dabei hatte er noch Glück gehabt, dass es nur der Bereich um die Augen war, und die Augen selbst hatten nichts abbekommen. Hatte er nicht gerade neulich noch Appi etwas darüber erzählt, dass man eine Maske tragen muss, um nicht schwach zu wirken?

Er wollte einfach weggehen und Arcana den Freunden von Yugi überlassen. Aber er brachte es irgendwie nicht fertig und erwischte sich schließlich dabei, wie er ihm das Gesicht tätschelte, um ihn aufzuwecken. Es funkte bei jeder Berührung.

Der Mann atmete noch und kam schließlich mit einem leisen Stöhnen zu sich. „Schwarzer Magier!“ Der Gesichtsausdruck hellte sich auf.

„Ich heiße Crimson,“ informierte der Weißhaarige ihn. „Aber hat es dich jemals interessiert, wie dein *Diener* heißt?“

„Aber... du bist eine Spielkarte... Du...“ Arcana schien darüber nachzudenken, ob er träumte.

Crimson wollte ihn eigentlich mit Vorwürfen überhäufen. Aber letztendlich konnte man von einem Menschen aus der Welt des Blauen Lichts nicht erwarten, dass er an eine Seele in den Karten glaubte. Jedenfalls in dieser Zeitepoche nicht mehr. Davon abgesehen war er selbst auch kein Heiliger.

„Wenn du jemals wieder meine Karte spielen willst, solltest du aufhören, dich selbst zu bemitleiden, und wieder etwas aus dir machen,“ forderte er. „Erst, wenn du dich selbst wieder respektieren kannst, werde ich das auch wieder tun. Ach ja, und vergiss diese Kathrine, oder wie sie hieß... hilft doch nichts.“

Damit ließ er den Rare Hunter dort liegen, stand auf und sah sich nach den anderen um. Doch er kam nicht weit.

„Du!“

Och nööö... Olvin.

„Ich werde dich zur Rechenschaft ziehen, Bürschchen!“ drohte der alte Magier. „Ich werde da sein, wenn du gerade nicht damit rechnest! Warts nur ab!“

„Wo ist eigentlich dein Problem?“ Wollte Crimson genervt wissen. „Du hast dich doch anscheinend ganz gut gemausert...“

„Ich hab für einen Irren gearbeitet, weil mich sonst niemand mehr eingestellt hat! Das ist alles deine Schuld, du mit deinen Lügen!“

„Etwas muss ja dran gewesen sein, wenn du tatsächlich von der Akademie verwiesen wurdest. Ich hab jetzt keine Zeit dafür.“ Er drehte sich einfach weg und ließ Olvin hinter sich. Damit, dass manche Leute ihn hassten, musste er wohl leben.

Die Gruppe um Yugi und dem bewusstlosen Yami war inzwischen angewachsen, denn auch Joey, Seto, Mava, Neo, Faith, Serenity und Mokuba hatten sich dort versammelt. Er gesellte sich dazu und fragte sich, ob nicht bald wieder die Welten sich trennen würden. Das geschah normalerweise nach einem Schattenduell.
 

„Bakura, würdest du vielleicht mal aufhören, MEINEN Körper zu ramponieren?“ beschwerte sich Ryou, der in Geistergestalt neben der Szene gestanden hatte. Eben hatte Malice Bakura am Auge getroffen, das gab bestimmt ein Veilchen. Leider wurde Ryou weitestgehend ignoriert, da Bakura keine Zeit hatte, auf ihn zu reagieren.

Überall liefen Duelmonster umher oder standen herum. Die Rare Hunter waren völlig orientierungslos. Frau Morikawa und Mai waren als Einzige an ihren Plätzen geblieben, weil sie nicht wussten, was sie sonst tun sollten.

Ryou konnte sich als Geist umschauen, ohne bemerkt zu werden... oder fast. Er erinnerte sich, dass Blacky Geister sehen konnte, also vermochten es vielleicht noch mehr Wesen. Als er gerade wieder verlangen wollte, dass Bakura mit Malice fertig wurde, kam Bewegung in die Sache. Die Schatten lösten sich einfach auf und nahmen alle Duelmonster mit sich, sofern sie nicht vorher schon in dieser Welt gewesen waren. Aber auch Seto, Joey und Yugi verschwanden wieder, und außerdem Sorc und Malice.

Auf einmal war wieder viel mehr Platz, und sie befanden sich völlig unspektakulär wieder auf dem Sportplatz. Die Rare Hunter nahmen die Beine in die Hand und machten sich davon. Lediglich Arcana konnte das nicht.

„Hey, was soll das?“ beschwerte sich Bakura, als sein Gegner auf einmal weg war.

„Reicht es nicht, dass er dich ramponiert hat? Oder mich, besser gesagt. Na dann hab ich gute Nachrichten: Du darfst meinen Körper gerne noch behalten!“ regte Ryou sich auf. Er hatte ja verstanden, das Bakura sich während des Duells als 'Opfer' des Preises für Mariks Angriffe zur Verfügung gestellt hatte. Ryou hatte das sogar befürwortet. Aber wäre nicht auch Pegasus mit Malice fertig geworden? Oder der Millenniumsring? Hatte es ein Faustkampf sein müssen?

„Ich weise darauf hin, dass ein Kampf mit Millenniumsgegenständen während eines laufenden Schattenspiels ungeahnte Folgen haben kann!“ zickte Bakura. „Ich erinnere mich da an einen Fall im Europa des sechzehnten Jahrhunderts...“

„Ja, ja! Klemm dir das.“ Ryou war jetzt nicht danach, sich solche Geschichten anzuhören. „Wir sollten vielleicht... einen Krankenwagen rufen oder so...“

„Wieso? Ist doch nur der Pharao... naja vielleicht für Marik...“

„Bakura!!!“
 

***
 

Yugi schloss kurz die Augen, als er die Veränderung bemerkte. Als er wieder hinsah, befand er sich wieder im Reich der Schatten, dort, wo Sorc früher sein Lager gehabt hatte und wo er und die Magier sich versammelt hatten, um dem Duell beizuwohnen. Er kniete am Boden, doch Yami lag nicht mehr vor ihm.

Es war nicht wie sonst, wenn er ein Duell gewann, das gegen einen mächtigen Gegner ging. Dieses Mal fühlte er sich nicht wie der strahlende Sieger, denn noch immer waren er und Yami voneinander getrennt... und auch Blacky und Dark, und...

„Hey Leute, der junge Marik hat uns zum Sieg geführt!“ rief Appi triumphierend, und alle um Yugi herum brachen in Jubelgeschrei aus.

Auch Joey hüpfte herum und umarmte einige der Magier, als wäre das hier der Nachhall eines Fußballspiels oder etwas in der Art. Seto stand mit neutralem Gesichtsausdruck und verschränkten Armen in Yugis Nähe und zeigte mal wieder nicht, was er dachte.

Dark streckte die Hand nach Yugi aus. Er wirkte traurig, lächelte aber. Yugi ließ sich von ihm aufhelfen und verdrängte die Sehnsucht nach Yami erstmal. Hier hatte er auch Freunde... und abgesehen davon gab es noch eine Sache zu klären. Irgendwo mussten schließlich auch Malice und Sorc sein... falls Blacky nicht veranlasst hatte, dass sie irgendwo anders gelandet waren, aber das konnte er sich nicht vorstellen.

Dark hatte seine Gedanken wohl aufgefangen, denn er deutete mit dem Finger hinter sich. „Ich glaube, das Problem klärt sich gerade.“

Yugi folgte dem Fingerzeig und sah etwas Rotes durch die Menge huschen. Neugierig ging er nachsehen, mit Dark auf seinen Fersen.

Crimson stürzte sich gerade auf den flüchtigen Malice, als Yugi dazu kam. „Hiergeblieben, ich schlitz dir die Kehle auf, duuu...!“ Er zückte ein Messer mit rötlicher Klinge, das auf Amazonenart an seinem Oberschenkel befestigt war, und hielt es Malice an den Hals. Dieser lag auf dem Rücken unter ihm und sah ziemlich panisch aus. „Ja, jetzt hast du Schiss, was?“ schrie Crimson ihn an. „Das ist bei jedem Möchtegern Bösewicht so – sie sind ganz cool... solange sie die Oberhand haben! Aber was jetzt, he? Was jetzt?“

Yugi blieb neben der Szene stehen. „Crimson, du wirst nicht wirklich dein Messer an ihm beschmutzen, oder?“

Der Magier schaute nicht zu ihm hoch, sondern behielt den Feind im Auge. „Versuch nicht, mich davon abzuhalten, Yugi! Ich weiß, wie das abläuft... deine Seite gewährt ihren Feinden immer Gnade, und was ist der Dank? Nächstes Mal versuchen sie wieder, dich umzubringen!“

„Naja... wo er Recht hat...“ meinte Dark. „Aber wir bringen leider wirklich keine Leute um, Crimson.“

„Du tust das nicht, Dark, aber ich bin keiner von euch!“

„Ach nein, he? Ich dachte, wir hätten auf derselben Seite gestanden.“

Darauf antwortete Crimson nicht. Dafür fing Malice an zu lachen. „Wir hätten dich wirklich bei uns anwerben sollen, Crimson... Sorc hatte Recht, aber ich hatte so viel Spaß dabei, deinen Rücken aufzuschlitzen! Wusstest du, dass das in Mariks Familie seit Generationen üblich war? Ich fand das sehr inspirierend! Na was ist, willst du dich rächen? Du kannt es nicht, das weiß ich, weil du--- Aaargh!“

Doch, Crimson konnte. Zwar schlitzte er Malice nicht die Kehle durch, aber schneller, als irgendjemand eingreifen konnte, hatte er das Messer zielgenau über die Brust des Blonden gezogen, so dass die Schnitte das Wort „Depp“ ergaben. Dabei wurde natürlich das Hemd zerfetzt.

Der Magier stand auf. „Glück für dich, dass ich keine Tattoofarbe bei mir habe, vielleicht verheilt es ja. Aber wahrscheinlich kann man für immer Narben erkennen.“ Er lächelte gehässig auf Malice herab und drehte sich dann mit wehenden Haaren um – schließlich hatte er keinen Umhang mehr, der den Effekt verstärkt hätte, und sein Schurz war leider nicht so wirkungsvoll. „Komm, Eria, ich hab was zu erledigen... beeil dich!“

Yugi blickte ihm erstaunt nach, während er davon schritt. Er sah noch, wie Crimson sich mit Hilfe seines Ringes in einen Drachen verwandelte, Eria aufsteigen ließ und rasch davon flog.

Als er sich wieder Malice zuwandte, stand Olvin da. Er trat nach seinem ehemaligen Boss. „Geschieht dir ganz recht!“ Dann stapfte auch er davon.

Dark winkte die Gilfordbrüder heran und ließ sie Malice festnehmen. Von sich aus hatte dieser keine gefährliche Magie, insofern mussten sie sich wohl keine Sorgen mehr seinetwegen machen.

„Dark, wir haben auch Sorc festgenommen,“ meldete Neo. „Genesis und Appi haben ihn unter Bewachung.“

„Gut, gehen wir nachsehen,“ entschied Dark und winkte Yugi, ihm zu folgen.

Sorc verhielt sich friedlich. Als Yugi und Dark eintrafen, standen Lord Genesis und Appi bei ihm und hatten ein Auge darauf, dass er nicht zu fliehen versuchte. Doch das war kaum nötig, er war ein vorbildlicher Gefangener. Sie hatten seine Hände gefesselt, aber nichts unternommen, um ihn an der Benutzung seiner Magie zu hindern. Er war in eine Unterhaltung mit den beiden vertieft. Anscheinend befragte Genesis ihn bereits.

„... rechneten aber nicht mit so vielen Wachen,“ berichtete Sorc gerade.

„Yugi!“ Genesis kam auf den Jungen zu, das Verhör unterbrechend. „Ich möchte mich auch bei dir entschuldigen, dass ich gegen deinen Freund Marik kämpfen musste...“

„Aber Lord Genesis, dafür könnt Ihr nichts,“ winkte Yugi ab. „Wir alle wissen, dass es nicht Eure Absicht war. Was werdet Ihr mit Sorc machen?“

„Nun, ich hatte vor, ihn der Obhut von euch Magiern zu überlassen, sobald ich mit ihm fertig bin. Ich wollte gerne wissen, wieso er meine Villa angegriffen hat, aber das habe ich jetzt erfahren, also könnt ihr ihn haben. Oder, Dark, möchtest du, dass ich ihn in Gewahrsam nehme?“

Dark zögerte einen Moment. „Also, wenn es keine Umstände macht... Wir haben im Moment alle Hände voll mit dem Wiederaufbau zu tun. Um Malice kümmern sich die Krieger.“

Der Vampir nickte sachlich. „Kein Problem, wir haben noch einige... Gästezimmer frei.“

Yugi hatte Gelegenheit, Sorc aus der Nähe zu betrachten. Er fand, dass der Hexer nicht so böse aussah, wie man es von einem finsteren Bösewicht erwarten mochte. Auch hatte er weder um Vergebung gebeten noch versucht, sich zu rechtfertigen, dafür aber nahm er seine Niederlage mit der gebührenden Würde hin. Insofern konnte Yugi ihn nicht richtig hassen. Yugi hasste sowieso kaum jemanden – es gab lediglich Leute, die in seiner Favoritenliste ganz unten standen.

Genesis pfiff nun einige seiner Leute heran und befahl ihnen, Sorc wegzubringen, und das war das letzte, was Yugi vorerst von ihm sah.

Dark legte Appi eine Hand auf die Schulter. „Ich bin wirklich stolz auf dich, mein Schüler. Aber ich rate dir, deshalb nicht gleich deine Lehre aufzugeben, sondern noch ein Weilchen bei mir zu bleiben.“

Appi strahlte. „Aber gerne, Meister. Danke!“

Inzwischen war Joey fertig mit seiner Herumhüpferei und tauchte wieder bei Yugi auf, und auch Seto gesellte sich zu ihnen. Der Braunhaarige hatte einen leicht grummeligen Gesichtsausdruck.

„Seto, was ist denn los?“ fragte Yugi besorgt.

Der Firmenboss schnaubte. „Ich kam mir völlig nutzlos vor bei diesem Duell, Yugi!“

„Na dann ist ja alles wie immer!“ witzelte Joey. „Oder hast du schon jemals was zu einem wichtigen Duell beigetragen, wenn es um das Schicksal der Welt ging?“

„Übertreibst du jetzt nicht etwas, Wheeler?“

„Seto hat uns letztens diese wichtige Karte geschenkt...“ erinnerte Yugi sich.

„Ausgeliehen,“ korrigierte Seto. Jedoch hatte er sie nie zurückgefordert, und es machte ja auch keinen Unterschied, da er jetzt mit Yami und Yugi zusammen war.

„Ist ja auch egal,“ meinte Joey. „Was machen wir denn jetzt, wo wir den Feind besiegt haben? Wir können uns doch noch ein Weilchen das Schattenreich ansehen!“

„Dass Yugi in der Schule fehlt, fällt nicht auf, aber du...“ Seto zögerte. „Ach nein... fällt auch nicht auf.“

„Eh? Moment mal, was soll das denn heißen, Kaiba?“ zischte Joey aufgebracht.

Yugi hielt sich wie immer aus den Wortgefechten der beiden heraus und amüsierte sich lediglich im Stillen. Er wurde nachdenklich. Im Prinzip wollte er zurück zu Yami, Großvater und den anderen, sprich: in seine Welt. Aber das Schattenreich gefiel ihm auch. Er fühlte sich hier geborgen, hatte Freunde, und die Landschaft war klasse. Das alles würde er schmerzlich vermissen. Er seufzte. „Wenn ich doch nur beide Welten haben könnte...“

Appi, der sich noch immer in der Nähe aufhielt, hatte ihn vernommen. „Beide Welten? Heißt das, du willst zwar nach Hause, aber auch gerne hier bleiben?“

„Ja, genau. Ich mag euch doch auch alle.“ Yugi war gerührt angesichts der Freude, die seine Worte bei dem jungen Magier auslösten. Umso mehr überraschte ihn Appis Antwort.

„Aber das kannst du, Yugi!“
 

***
 

Yami fragte sich, ob er vielleicht nur geträumt hatte, dass er an Yugis Stelle in die Schule musste, von Rare Huntern gefangen gehalten worden war und als Opfer in einem Schattenduell gedient hatte. Es war wie vor ein paar Wochen... er erwachte in einem Krankenhauszimmer, das Millenniumspuzzle lag auf dem Nachttisch und sein Körper schmerzte. Außerdem gab es auch jetzt keine Spur von Yugi, allerdings war ihm nicht so übel wie damals und er war auch nicht an irgendwelche Schläuche angeschlossen.

Yami setzte sich auf und stellte fest, dass noch ein Bett in seinem Zimmer war. Darin saß Marik und ließ gerade ein Buch sinken, als er sah, dass der andere aufgewacht war. Er nahm die Ohrstöpsel eines MP3-Players aus den Ohren und sagte: „Pharao. Schön, dass Ihr aufgewacht seid.“

„Wann fängst du an, mich Yami zu nennen, wie alle anderen auch?“ erkundigte Yami sich. „Welcher Tag ist heute?“

„Dienstag.“

„Oh.“ Das hatte er schon befürchtet. Nach den Lichtverhältnissen draußen war es ungefähr Mittag. „Gibt es was Neues?“

Marik überlegte. „Also... Frau Morikawa hat dich, Seto und Joey in der Schule entschuldigt... aber mit welcher Begründung, das solltest du lieber Thea fragen; sie, Ryou und Tristan sind heute wieder hingegangen. Alle anderen haben auch einen Tag bei der Arbeit oder in ihrer jeweiligen Schule gefehlt, aber da fiel es nicht so auf. Kay ist bei Großvater und versucht sich im Kochen, ich habe gehört, er hat die Mikrowelle mit Magie überladen. An irgendeiner Stelle muss er entdeckt haben, wie er sie in dieser Welt nutzen kann, dass konnte er Anfangs nicht. Also, die Magie, meine ich. Sorc und Malice sind mit ins Schattenreich verschwunden. Der Millenniumsstab wurde sichergestellt und Mokuba hat der Stadtverwaltung irgendein Märchen aufgetischt, um die nächtlichen Phänomene zu erklären.“

Yami merkte, dass sein Kopf Probleme hatte, die Informationsflut zu verarbeiten.

„Dein Großvater bekam heute früh einen Anruf, ich glaube aus England, aber mehr sagte er nicht. Er tat ziemlich geheimnisvoll und deutete an, dass er lieber nichts verraten will, so lange nichts feststeht,“ fuhr Marik fort. „Allerdings war er bester Laune, als er mir das vorhin erzählt hat.“

„Ich wüsste gar nicht, dass er jemanden in England kennt,“ überlegte Yami. „Sein Freund Arthur ist doch Amerikaner...“

Dieses Rätsel blieb fürs Erste ungelöst. Yami und Marik fingen daher ein Gespräch über das Duell an, diskutierten, was man hätte anders machen können und was besonders gut gelaufen war. Marik schilderte, wie er überhaupt als Duellant ausgewählt worden war, und wie er die Karten zusammengestellt hatte. Yami interessierte sich sehr für die neuen Karten, aber das Deck war nicht vor Ort, also musste er sich in Geduld üben.

Bald gab es Mittagessen. Das Krankenhausessen war nicht überwältigend, aber es stillte den Hunger. Die Ärzte behielten Marik und Yami noch für ein paar Untersuchungen und ließen sie am Nachmittag gehen, als beide darauf bestanden, dass sie zu Hause besser aufgehoben waren, schließlich hatten sie nichts als starke Erschöpfung auszukurieren. Sie konnten quasi gleich mit ihren Freunden mitgehen, als diese zu Besuch kamen.

Daheim saßen sie dann alle etwas bedrückt herum, denn nun fehlte nicht nur Yugi, sondern auch Seto und Joey. Yami sagte sich, dass er noch seine restlichen Freunde hatte, aber er musste nun auf seine beiden Geliebten und seinen besten Freund verzichten. Allerdings gab es dafür...

„Au! Verdammt!“ Ein Teller fiel scheppernd auf den Boden und war dem Klang nach zu urteilen nicht mehr zu gebrauchen. Das nächste schien eine Bratpfanne zu sein.

Yami lächelte. Das Chaos. Es versuchte, den Herd und den Toaster und die Frittuese in Betrieb zu nehmen. Damit war der Magier mutiger als sein Duellant, denn Yami hatte es nach Möglichkeit vermieden, sich in der Küche allzu nützlich zu machen. Und was Kayos betraf... der hatte die Mikrowelle ja schon geschafft.

Niemand ging nachsehen, auch wenn Großvater immer wieder besorgte Blicke zur Wohnzimmertür warf. Aber der gestrige Tag, den Yami ja leider verschlafen hatte, war wohl ausreichend gewesen, damit alle sich lieber von der Küche fern hielten, wenn der Magier des Schwarzen Chaos sich dort versuchte.

Letzterer tauchte nach einer Weile, in der sie ihn weiter scheppern und fluchen gehört hatten, stolz im Wohnzimmer auf und stellte einen dampfenden Topf ,den er mit Topflappen getragen hatte, auf den Esstisch.

„Untersetzer!“ schrie Großvater entsetzt, doch es war zu spät.

Blacky hob den Topf wieder hoch, aber auf dem dunklen Holz war ein noch dunklerer Brandfleck zu sehen. „Ups, T'schuldigung, ich bring's wieder in Ordnung...“ Er selbst hatte sein Haar streng zurückgebunden, geflochten und trug sogar ein Kopftuch, so dass keine Haare ins Essen fielen. Die Schürze war ihm etwas zu klein und bunt besprenkelt. Brandflecken waren auch dabei.

„Herr Mutou, warum lassen Sie ihn kochen, wenn Sie sich danach neu einrichten müssen?“ lachte Tristan halb ernst. „Ich hole einen Untersetzer.“

„Weil ich nicht wollte, dass er mir hilft, dass Lager aufzuräumen!“ rief Sugoroku ihm nach. „Kay, wie viele Teller haben wir noch?“

„Uhm... vier oder fünf, und mehrere Suppenschalen...“

Tristan kam mit einem Untersetzer zurück. „Der Zustand der Küche geht ja noch... ich habe das brennende Geschirrtuch vom Herd genommen und die Platte ausgeschaltet.“

Nun wurde der Inhalt des Topfes unter die Lupe genommen. „Ich habe leider nie viel mehr gemacht als Eintopf, wenn ich irgendwo unterwegs war,“ entschuldigte Blacky sich. „Und hier gibt es kein Gemüse, dass ich kenne... Crimson hätte es vermutlich trotzdem hingekriegt.“

„Ich hab ihm zumindest erklärt, dass man Kartoffeln schälen sollte und bei Erbsen die Hülse nicht mit isst,“ erklärte Sugoroku den anderen etwas verlegen. „Was ist das? Gemüsesuppe?“

„Ja, denke schon... ich habe auch versucht, die Fische in dem Ding mit dem Öl zu... äh... wie nennt man es? Fri... Zuzubereiten. Ja, also... Fische gibt es auch. Ich weiß, wie man die Innereien rausmacht und alle anderen Sachen, die man nicht so gerne isst... habt ihr Verwendung für die Köpfe?“

„Nein, wir haben keinen Hausdrachen,“ erklärte Großvater in vollem Ernst und Yami lachte sich im Stillen fast kaputt.

Da Blacky nun die Küche verlassen hatte, trauten die Freunde sich, nach Geschirr zu suchen, damit sie essen konnten. Thea nahm die Fische mit, die der Magier auf einem Teller gestapelt hatte. Aus irgendeinem Grund war die Fritteuse heiß, obwohl der Stecker noch mit sauber aufgerolltem Kabel dahinter lag.

Es stellte sich heraus, dass Blackys Kochkünste ganz in Ordnung waren, nachdem einige Gewürze herangeschafft worden waren, an denen sich alle nach Belieben bedienten. Auch arbeitete er generell sehr sauber... nur die Umgebung war dann eben ein Schlachtfeld und die elektrischen Geräte vertrugen anscheinend nicht zuviel Magie.

„Marik, du bist ja jetzt wieder hier, wie wär's, wenn du dich jetzt vormittags immer mit Kay beschäftigst, wenn die anderen in der Schule sind?“ regte Sugoroku an. „Schattenreichmagier sind anscheinend viel zu neugierig, um mal ein paar Stunden in einer fremden Welt still zu sitzen.“

Blacky zog eine Schnute. „Hey, was soll ich machen? Ich würde mich ja alleine in der Stadt umsehen, aber das haltet ihr ja auch für keine gute Idee.“

„Wir können morgen mit dem Motorrad irgendwo hinfahren,“ schlug Marik vor.

Diese Aussicht heiterte den Magier deutlich auf.
 

Und so verlief die Woche ganz normal... soweit das möglich war. Frau Morikawa schonte die Freunde in der Schule. Sie fragte nicht vor der Klasse nach Joey und Seto. Yugi und die anderen waren sonst auch immer unter sich, so dass auch ihre Mitschüler eher wenig danach fragten, wo die zwei geblieben waren. Es gab Gerüchte, sie hätten jetzt das, was Yugi vorher gehabt hatte, oder sie hätten sich miteinander geprügelt, aber das ließ wieder nach. Die Truppe ging jedenfalls nicht darauf ein. Sie sagten immer nur, Seto und Joey seien krank.

Yami gab sich wieder alle Mühe mit der Schule, aber ewig wollte er diesen Zustand nicht beibehalten. Großvater hatte ihm jetzt seine Karten und die Dueldisk zurück gegeben, und so verbrachte er Nachmittags oft Zeit damit, Blacky das Spiel beizubringen, was dieser absolut faszinierend fand.

An den Vormittagen zeigte Marik dem Magier Domino City. Zwar war der Ägypter nicht gebürtig von hier, doch er kannte sich gut aus, hatte schließlich eine Weile hier gewohnt. Am Donnerstag kamen sie erst nachmittags vom Strand. Dieser Ausflug bestätigte endgültig, was sie schon alle vermutet hatten, nämlich dass Blackys blaue Haut nicht für ein Land mit Sonne geschaffen war. Er hatte einen Sonnenbrand, der schlimmer war als jeder, den er je im Reich der Schatten gehabt hatte, und konnte in der folgenden Nacht nicht schlafen, weil er nicht wusste, in welcher Lage er das tun sollte. Doch irgendwann fiel er in einen tiefen Schlaf, von dem er im Nachhinein annahm, dass es eine Art heilender Schlaf gewesen war, den seine Magie verursacht hatte. Er dachte sich nichts weiter dabei.

Am Freitag jedoch geriet Blacky fast in Panik, weil seine Haut sich in großen Fetzen abpellte. Sugoroku war nahe dran, einen Arzt zu rufen, denn seiner Meinung nach ging das viel zu schnell. Jedoch stellte sich heraus, dass darunter gesunde Haut zum Vorschein kam... sie war jedoch viel heller, oder besser gesagt, weniger blau.

Nun stellten die Freunde wilde Theorien auf, ob ein blauhäutiges Duelmonster eine 'normale' Hautfarbe annahm, wenn es längere Zeit der Sonne ausgesetzt wurde, wobei Blacky nachdrücklich betonte, dass 'normal' für ihn blau war. Er benutzte von jetzt an Unmengen an Sonnencreme.

Sugoroku telefonierte des Öfteren, aber er sagte den jungen Leuten noch nichts darüber. Erst am Samstag rückte er mit der Sprache heraus. Zumindest teilweise.

„Kinder! Wir fahren zum Flughafen!“ verkündete er mit strahlendem Gesicht. „Ich habe schon Mokuba angerufen, er kommt mit einer Limousine...“

Yami, Tristan, Thea, Marik und Blacky sahen einander verwundert an.

„Ähm... verreisen wir, Großvater?“ fragte Yami etwas verunsichert.

Doch darauf gab ihnen Sugoroku keine klare Antwort. Er lächelte nur geheimnisvoll.
 


 

***

Fortsetzung folgt... einmal noch.

Besuch aus England

So... es ist passiert. Dies ist das letzte Kapitel von Fremde Welten. Wer hätte gedacht, dass das auf einmal so schnell geht? Aber ich bin jetzt total stolz, dass ich das Ende erreicht habe, nachdem ich gut sieben Jahre dafür gebraucht habe.

Danke!

An Alex, die mich damals ermutigt hat, meine seltsamen Ideen wirklich aufzuschreiben.

An alle Kommischreiber, die mich angetrieben haben, weiter zu schreiben, besonders SoraNoRyu und Hikari-Yumi.

An alle, die mit mir über Fremde Welten gelabert und mich dadurch weiter inspiriert haben.

An alle, die jemals mit mir Duelmonsters gespielt haben.

An die Freischalter von Animexx, die manchmal wirklich schnell waren, aber nie zu langsam.

An meinen Mann, Sargeras, den ich am Anfang dieser Fanfiction noch gar nicht kannte und der sich zuletzt immer vorlesen lassen musste, was ich verzapft habe, um mir zu sagen, ob der Inhalt OK ist und der viele Ideen hatte, was man noch alles machen könnte.
 

Wenn am Ende noch irgendwelche Fragen offen bleiben, die euch sehr beschäftigen, fragt einfach... denn es gibt ja noch Fremde Welten Extra, und wer weiß...

Enjoy!
 


 

Welt des Blauen Lichts: folgender Samstag
 

Fremde Welten 70: Besuch aus England
 

Der Flug aus England erreichte Japan gegen Mittag. Der Flieger war etwas verspätet, und die Gruppe hatte in der Zwischenzeit im Flughafenrestaurant gegessen. Mokuba hatte Serenity mitgebracht, aber Sugoroku ließ sich noch immer zu keiner Erklärung herab. Die Jugendlichen hatten den Verdacht, dass der alte Mann befürchtete, etwas könnte schief gehen und die Überraschung verderben, so dass er lieber nichts sagte, bevor er Gewissheit hatte.

Blacky war derjenige, dem dabei am allerwenigsten langweilig wurde. Es war den anderen fast peinlich, wie er sich alles aufgeregt ansehen wollte. Sie mussten ihn ab und zu ermahnen, sich ruhig zu verhalten, damit die Leute nicht noch auf seine blaue Haut aufmerksam wurden, die er unter langärmliger Kleidung und einer Schirmmütze verbarg.

Yami hingegen musste nichts mehr verbergen – seine roten Schuppen waren längst alle verschwunden. Sogar das Branding auf seinem Rücken, das Slifer darstellte, war im Laufe der Woche verblasst. Letzteres fand er eher schade, war es doch etwas, das er mit Yugi teilte.

Sugoroku ließ die Gruppe kurz alleine, um sich noch ein Stück Kuchen zum Nachtisch zu holen. Sie nutzten seine Abwesenheit für wilde Spekulationen.

„Vielleicht kommt Arthur überraschend zu Besuch,“ meinte Tristan, „Dann bringt er bestimmt Rebecka mit!

„Ach, sie wird enttäuscht sein, schließlich mag sie Yugi und nicht Yami,“ vermutete Thea.

„Fragt sich, ob sie den Unterschied bemerkt. Selbst wir haben es nicht gleich mitbekommen, obwohl wir Yugis beste Freunde sind,“ überlegte Tristan weiter. „Aber vielleicht ist es auch Marco!“

„Ach was, der ist doch erst abgereist,“ winkte Thea ab und lief ein wenig rot an. „Und warum sollte er aus England kommen?“

„Warum sollte überhaupt irgendjemand aus England kommen?“ warf Mokuba ein.

Marik hatte noch gar nichts gesagt und schien sich generell etwas fehl am Platze zu fühlen.

Blacky war nervös, aus Gründen, die er nicht ausloten konnte. Er war nie sehr vorausschauend gewesen, dafür aber hatte er ein Talent dafür, sich bedingungslos der Situation anzupassen. Daher war es für ihn seltsam, so etwas wie eine Vorahnung zu haben, von der er nicht einmal wusste, ob sie Gutes oder Schlechtes prophezeite.

Sugoroku kam zurück und verputzte seinen Nachtisch. Die anderen hatten alle schon genug gehabt, aber er gönnte sich heute etwas mehr. Die Spekulationen verstummten.

„Wir können hier warten,“ sagte Yugis Großvater. „Ich habe am Telefon vereinbart, dass wir uns hier aufhalten, falls das Flugzeug zu spät ist oder sonst etwas dazwischen kommt. Ist besser – unser Besuch muss ja noch zur Gepäckausgabe, das dauert...“

„Willst du uns nicht endlich sagen, wer es ist?“ drängte Yami.

Doch der alte Kauz ließ sich nicht erweichen. Ein Nachteil der Jugend ist zweifellos ihre Ungeduld. Sugoroku hatte großen Spaß dabei, sie alle hinzuhalten.

Letztendlich dauerte es lange genug, dass Mokuba losging und für alle noch eine Runde Cola und belegte Brote holte. Er beschwerte sich nicht weiter, da er in Setos Abwesenheit die Aufgabe übernommen hatte, dauernd am Laptop zu hängen.

Blacky fand Cola sehr interessant. Besonders die Kohlensäure. Sowas kannte man im Schattenreich nicht.

Nach einer Weile gesellte sich ein vornehmer junger Mann an ihren Tisch. „Verzeihung... Sugoroku Mutou, nehme ich an? Wir haben telefoniert...“

„Ah ja... sehr erfreut...“ Sugoroku ergriff eine behandschuhte Hand.

Blacky sah zu dem Mann auf, der direkt neben ihm stand. Er trug einen breitkrempigen Hut zu seinem ausgefallenen, violetten Anzug, aus dem vorne helle, bläuliche Rüschen herausquollen, ebenso wie an den Händen. Das Gesicht war im Schatten des Hutes ein wenig verborgen, doch von seiner Position aus konnte Blacky es recht gut erkennen. Und diese Stimme...

Der Magier sprang von seinem Stuhl auf. „Lord... Lord Genesis?!“

Jetzt hielt es keinen mehr auf den Stühlen. Alle kannten den Vampirlord aus Blackys Erzählungen.

„Sagtest du, Lord Genesis?“ vergewisserte Yami sich.

Der vornehme Herr gab auch ihm die Hand. „Freut mich außerordentlich, Yami. Yugi lässt dir schöne Grüße bestellen. Er und die anderen warten beim Ausgang.“

Die Freunde starrten ihn kurz an, dann rasten sie aus dem Restaurant, wobei nur Blacky und Sugoroku zurückblieben.

„Wie... wie kann das...“ stammelte Blacky.

Genesis lachte. „Gerade du, Kayos? Wo du doch immer an eine Lösung glaubst und dich mit Dingen abfindest, die sonst jeder in Frage stellt?“

„Das ist keine richtige Antwort, Angelus!“ Er hatte ja mit vielem gerechnet, aber damit, dass ein Bewohner des Schattenreiches hier auftauchte, sicher nicht.

Die Nennung seines Vornamens ließ den Vampir drohend den Zeigefinger heben. Blacky wusste, dass er nicht gerne so genannt wurde, außer von ein paar wenigen Auserwählten, und gewiss nicht vor Zeugen. Doch hier nahm niemand besondere Notiz davon, und er war auch nicht wütend deswegen. „Kay, Kay, Kay... wolltest du nicht schon immer wissen, was in dem verbotenen Raum im Keller ist?“
 

***
 

Ein Stargate.

Das war zumindest Yugis erster Gedanke gewesen, als sie den Keller betreten hatten – jenen Raum, auf dessen Untersuchung Amazia verzichtet hatte, als sie nach Crimson gesucht hatten.

Dort gab es ein rundes, aufrecht stehendes Portal mit antiken Symbolen am Rand. Bewacht wurde es vom Berserkerdrachen. Und es war der Grund, warum Sorc und Malice versucht hatten, in das Gebäude einzudringen. Denn das Portal führte in die Welt des Blauen Lichts – genau genommen nach England. Dort hatten Yugi und seine Begleiter die letzten drei Tage auf Genesis' Ländereien verbracht, nachdem sie sich unter vielen Tränen und aufwändigen Abschiedsworten von den anderen verabschiedet hatten. Naja, er selbst hatte jedenfalls geheult, während er Mava, Neo, Mad, Magi und vielen anderen in den Armen lag. Seto natürlich nicht, und Joey ein bisschen. Aber es war ja kein Abschied für immer.

Yugi hätte sich selbst ohrfeigen können. Damals in der Villa war er in dem Zimmer gewesen... Genesis' privates Spielzimmer mit Playstation und DVD Player. Er hatte sich das keineswegs eingebildet. Und Excalibur war auch nicht ganz so zufällig in jenem Lagerraum gefunden worden, genauso wenig wie die anderen Sachen. Auf den Kartons stand nicht zufällig UPS drauf und überhaupt... Kartons! Aus Pappe!

Aber das Allerschlimmste war, dass er es nie seltsam gefunden hatte, dass Appis Mitbringsel von Genesis, die Sense, in Zeitungspapier eingewickelt gewesen war, und zwar die ganze Zeit, während Appi noch regelmäßig daran gearbeitet hatte! Der Anblick von etwas, das in Zeitungspapier verpackt war, war für Yugi so normal, dass er sich nichts dabei gedacht hatte. Inzwischen wusste er: Es waren Ausgaben der *Times* von vor zwei Monaten.

Spätestens beim Duell, als Genesis in dem Stundenglas von der Sonne bedroht worden war, obwohl es im Schattenreich keine zu sehen gab, hätte er stutzig werden müssen.

Wie auch immer... warum sollte er sich beschweren, wenn sich ein Wunder vor ihm ausbreitete? Der Weg nach Hause, und ein Weg zurück, wenn er wollte. Aber das größte Wunder von allen war er selbst.

„Yugi!!!“

Er fuhr herum und rannte Yami entgegen, rief seinen Namen und fiel ihm stürmisch in die Arme. Ja... genau das.

Yami drückte und küsste ihn, ehe er ihn fassungslos von sich weg hielt und betrachtete. „Ich dachte erst, ich könnte... also ich... weil, wegen dem Puzzle... aber dein Körper ist viel zu real!“

Yugi grinste breit und nickte. „Nicht wahr?“

Sein Partner musterte ihn ungläubig, begriff dann langsam, und schloss ihn erneut in die Arme, um ihn johlend und vor Entzücken jauchzend herumzuschleudern.

Indessen waren auch Tristan, Thea, Mokuba, Marik und Serenity zu ihnen aufgeschlossen, und von Yugis Seite aus gesellten sich ebenfalls noch einige Personen dazu, darunter Joey und Seto.

„Bruder!“ riefen Serenity und Mokuba zugleich und stürzten ihnen entgegen. Es war ein Heidenspektakel, mit dem sie vielen Leuten im Weg standen, aber die meisten hatten Verständnis und lächelten milde.

Zwei weitere Männer waren mit Yugi gekommen, und zunächst beachtete sie keiner. Doch nach wenigen Minuten betraten auch Sugoroku, Genesis und Blacky den Schauplatz, und letzterer hatte nur noch Augen für denn Mann in dem hellen Jackett, der sein violettes Haar lässig offen trug und jetzt gerade seine Reisetasche abstellte, um seinen Geliebten in die Arme zu schließen. Die beiden taten gerade so, als hätten sie sich seit Jahrhunderten nicht gesehen.

„Hi... sehen wir uns also wieder,“ sagte Marik zu dem Verbliebenen, einem Blondschopf, der vergeblich versucht hatte, seine Mähne zu einem vornehmen Zopf zusammen zu binden. „Appi, nicht wahr?“

Der junge Magier nickte. „Freut mich, Marik! Das konnte ich mir doch nicht entgehen lassen, wenn Yugi nach Hause geht und mein Meister ihn begleitet, um Blacky abzuholen...“

Appi war noch der Unauffälligste aller anwesenden Duelmonster. Er sah aus wie ein ganz normaler Jugendlicher, der sich zur Abwechslung ordentlich angezogen hatte, aber sonst immer Jeans und Schlabbershirt anhatte. Yugi und er trugen beide beigefarbene Hosen und ein passendes Jacket über einem teuren, fliederfarbenen Oberhemd, so wie Dark auch. Ungewohnt.

„Wie kommen Sie mit dieser Hautfarbe hier zurecht?“ erkundigte sich Sugoroku bei Lord Genesis. Die beiden standen ruhig neben dem Begrüßungsspektakel und unterhielten sich wie alte Geschäftspartner.

Der Vampir setzte eine getönte Brille auf, da sie sich jetzt im helleren Eingangsbereich des Flughafens befanden. „Nun, ich bin ja eher blass, und ich habe außerdem das Gerücht durchsickern lassen, ich hätte eine Hautkrankheit, die sich unter anderem in einer Überempfindlichkeit gegen Sonne und einer seltsamen Farbe zeigt. Ich trete nie öffentlich vor der Presse auf, zeige mich für gewöhnlich mit einem großen Hut und dunkler Brille und habe immer vornehme Handschuhe an. Die Leute halten mich für exzentrisch.“

Sugoroku lachte amüsiert. „Und Sie sind öfters in dieser Welt, wenn ich das richtig verstanden habe?“

„Ja... ich hole mir immer die neuesten Computerspiele. Mr. Mutou, Sie handeln doch mit Spielen, könnten Sie mir da nicht etwas behilflich sein? Dann müsste ich nicht immer warten, bis gute Titel in Europa erscheinen. Ich verstehe Japanisch ohne Probleme...“

„Offensichtlich. Wie ist das überhaupt im Schattenreich, wo doch Ihre Karten auch in Amerika und Europa verkauft werden, zum Beispiel Deutschland? Keine Sprachprobleme?“

Der Lord zuckte mit den Schultern. „In dem Fall halte ich es wie Kayos... so lange es funktioniert, hinterfrage ich es nicht.“

Es war ein ziemlicher Akt, alle Anwesenden samt Gepäck auf die Limousine und zwei Taxis aufzuteilen. Yugi und seine Freunde wollten am liebsten sofort alles erzählen, was sie in der Zwischenzeit erlebt hatten. Sie diskutierten, ob sie zum Spieleladen oder zu Kaibas Villa fahren sollten, und wen sie alles anrufen mussten, um die frohe Botschaft der Rückkehr aus dem Schattenreich zu verkünden.

Doch Yugi wollte seinen Freunden von „drüben“ unbedingt sein Haus zeigen, also ging es erst dorthin. Selbstredend wurden Lord Genesis und seine Begleiter nicht mit einem Taxi abgespeist, sondern wie Würdenträger in die Limousine gebeten. Das umfangreiche Gepäck wurde auf die drei Autos verteilt, die restlichen Mitreisenden auch, und dann ging es erstmal zum Spieleladen.
 

***
 

Das Haus war eigentlich nicht für so viel Besuch ausgerichtet, aber in letzter Zeit war es dort immer sehr voll gewesen, insofern war man es gewohnt, sich schmal zu machen und den vorhandenen Platz mit anderen zu teilen. Teilen war ein gutes Stichwort.

„Yugi... was machen wir denn jetzt? Schaffen wir uns ein größeres Bett an?“ fragte Yami, dem gerade einfiel, dass er ja bisher immer mit Yugis kleinem Dachzimmer ausgekommen war, während er noch ein Geist gewesen war. Er fand es ziemlich gewöhnungsbedürftig, dass er jetzt praktisch ihren gemeinsamen Körper behalten sollte und Yugi einen neuen bekommen hatte. Aber es war auch wundervoll. Einfach nur wundervoll.

„Wieso wohnt ihr nicht beide bei mir?“ beschwerte Seto sich, doch sie wussten eigentlich alle die Antwort, nämlich dass Großvater dann ja ganz alleine wäre. Der Braunhaarige war ausnahmsweise nicht vorrangig damit beschäftigt, die Leitung seiner Firma wieder an sich zu reißen, sondern zu verdauen, dass seine Geliebten jetzt wirklich zwei waren.

Mokuba hatte ein bisschen telefoniert, so dass nach kurzer Zeit auch Ryou eintraf. Duke und Pegasus waren noch in Japan geblieben, hatten ihren Besuch jedoch auf später angesetzt. Ryou dagegen hatte keine Wahl. Bakura bestand darauf, und sobald er Yami und Yugi sah, riss er die Herrschaft über den Wirtskörper an sich uns stürzte sich auf die beiden.

„WAS?! Yugi hat nen EIGENEN KÖRPER? Das ist inakzeptabel! Sogar dieser Malice hat einen, und was ist mit mir?“ Man sah, dass er einen der beiden am Kragen packen und schütteln wollte, doch er konnte sich wohl nicht entscheiden, welchen.

„Ganz ruhig,“ versuchte Yami ihn zu beschwichtigen. „Wir wissen schließlich, wie das passiert ist. Also vielleicht geht es mit euch beiden auch...“

„Fein, gute Idee!“ fauchte Bakura. „Mach schon, verbanne mich ins Reich der Schatten!“

„Äh... ganz so einfach ist es dann wohl wieder nicht.“

„Feigling, du verdammter FEIGLING!“ Bakura drehte sich abrupt um und stürmte zur Toilette.

„Hatte er Tränen in den Augen?“ fragte Yugi.

„Das kam dir nur so vor,“ versicherte Yami.

Sie schlängelten sich durch die lautstark miteinander quatschenden Freunde und erreichten schließlich Dark und Blacky, die gemeinsam am Fenster standen. Sie wirkten völlig mit sich zufrieden, seit sie wieder zusammen waren. Etwas hatte Yami ja seit dem Duell interessiert, und er war froh, dass er die Frage stellen konnte: „Hey, Dark! Sag mal, warum konntest du diesen Stundengläsern widerstehen?“

Der Magier lächelte auf eine Art, wie es alte, weise Wesen manchmal tun. „Ich nehme an, das hat viele Gründe, Yami. Vielleicht bin ich einfach gut genug in solchen Sachen, um zu widerstehen. Doch offensichtlich haben uns diese Gefängnisse mit unserer Angst konfrontiert, und meine größte Angst in diesem Moment galt dir... Euch, mein Pharao.“ Er verneigte sich feierlich, eine Hand auf sein Herz legend.

Yami bemerkte eine Veränderung an ihm, die er nicht recht einordnen konnte, aber es war so ähnlich wie das, was er fühlte, wenn Ryou zu Bakura mutierte oder umgekehrt. Yami wollte nachfragen, doch schon legte sich ein Finger auf seine Lippen.

„Dazu seid Ihr jetzt noch nicht bereit, mein Pharao.“ Dark schloss kurz die Augen, und dieses Mal war Yami ganz sicher, dass etwas mit ihm vorging. Als er ihn wieder ansah, waren seine Augen... anders. Dabei hatten sie noch dieselbe Farbe, und generell hatte sich der Magier äußerlich nicht verändert.

„Nenn mich ruhig wieder Yami, ich erinnere mich nicht daran, Pharao gewesen zu sein,“ bat Yami.

„Das hab ich ihm eigentlich schon gesagt,“ grinste Yugi. „Deshalb hat er's ja anfangs so gemacht!“

„Seht doch mal!“ Blacky deutete auf Genesis und Sogoroku, die gerade ein Brettspiel auf dem Tisch aufbauten. Der alte Mann redete und zeigte auf die Spielfiguren, während der Vampir immer wieder wissend nickte. Anscheinend kannte er das Spiel schon. Er hatte seinen Hut und die Brille abgelegt und hängte jetzt sogar sein Jacket über den Stuhl, auf den er sich setzte, und legte die Handschuhe neben sich ab.

„Das ist Schach,“ stellte Yugi fest. „Die beiden scheinen sich ja super zu verstehen! Vorhin habe ich beobachtet, wie Opa dem Lord seinen Laden gezeigt hat, und beide haben sich benommen wie alte Freunde. Wahrscheinlich fangen sie demnächst eine Brieffreundschaft an!“

Dark runzelte die Stirn. „Das bedeutet, dass sie sich ab und zu Briefe schicken... nicht wahr? Sowas wie die Post gibt es bei uns nicht... man schickt einfach einen Boten.“

„Naja das ist doch fast das gleiche, obwohl es bei euch halt nicht so organisiert ist,“ überlegte Yugi. „Weißt du, Yami, Dark und Appi waren völlig begeistert davon, dass jeden Tag jemand vorbei kommt, der es als Beruf hat, die Post abzuliefern.“

Yami lachte, er konnte gut nachvollziehen, wie das für die Duelmonster war. Diese Welt war für sie genauso fremd und interessant wie für Yugi das Schattenreich.

„Ich habe fast damit gerechnet, dass auch Crimson mitkommt, wo er doch mit Genesis... naja... befreundet ist, kann man sagen, oder?“ fiel es Blacky ein. „Wollte er nicht? Oder konntet ihr nur eine bestimmte Personenzahl mitbringen?“

„Er hat sich nur noch blicken lassen, um sich von Yugi zu verabschieden,“ sagte Dark. „Als wir ihm sagten, wohin wir gehen, schien er in Versuchung, aber er hatte Arbeit, behauptete er. Was genau, hat er nicht verraten. Aber ich habe ihn gebeten, Mad mitzunehmen. Ich habe Mad versprochen, dass ich ihn vor den Amazonen beschütze, und wenn ich weg bin, ist Crimson der beste Mann dafür. Mad wird sich dafür verantworten müssen, dass er damals Eria ihrer Mutter vorenthalten hat, aber die Amazonen könnten etwas voreilig handeln...“

„Naja... das wird vielleicht noch nicht entschieden sein, wenn du zurückkehrst,“ vermutete Blacky. „Obwohl Amazonen ja nicht dafür bekannt sind, solche Sachen lange aufzuschieben...“

„Eben, aber sie respektieren Crimson, und er ist Erias Lehrmeister. Vielleicht kriegt er das besser hin, als ich es würde. Er meint, er würde ewig in meiner Schuld stehen, weil ich ihn von dem Siegel befreit habe. Also wird er sein Bestes geben.“

Joey kam zu ihnen. „Yugi! Wir wollen zu Kaibas Villa fahren und da so richtig abfeiern! Mokuba ruft sogar gerade Frau Morikawa und Mai an! Kommst du?“

Yugi sah an sich herab. „Oh... ich ziehe mich lieber erstmal um... aber was hat unsere Lehrerin damit zu tun?“

Joey verdrehte genervt die Augen. „Na wir haben dir doch erzählt, dass sie Yami geholfen hat, als er nicht zur Schule konnte. Komm schon, du siehst cool genug aus, Yugi.“

„Du musst gerade reden, schließlich tragen wir alle die gleichen Sachen, nur Seto musste mal wieder ne Extrawurst haben und sich nen wehenden Mantel besorgen...“

Yami betrachtete Yugi nachdenklich. „Mir ist, als wärst du etwas gewachsen, Yugi. Vielleicht sind alle deine Sachen dir zu klein geworden, oder sie haben sich an mich angepasst und sind dir zu groß...“

„Ich mach sie passend,“ schlug Dark mit einem Grinsen vor.

Yami hob eine Augenbraue in seine Richtung. „Kannst du auch in dieser Welt zaubern? Ich habe gehört, dass Kayos damit zu Anfang Probleme hatte.“

„Kleinkram,“ winkte der Chaosmagier ab. „Irgendwann ging es einfach...“

„Naja, für wissenschaftliche Erklärungen hast du dich ja noch nie interessiert, mein Lieber,“ lachte Dark. „Vermutlich hast du viel Magie verbraucht, als du durch das Weltentor gereist bist. Es war durch einen Effekt und das Millenniumspuzzle aufgebaut worden und nur von kurzer Dauer, wir aber kamen durch ein existierendes, stabiles Tor. Daher hatten wir kein Problem dieser Art.“

Blacky nahm das einfach zur Kenntnis, doch Yami staunte. „Heißt das, dass auch Yugi...?“

Sein kleiner Partner lächelte geheimnisvoll. „Ich glaube, Avatar des Gottes ist ein Magier des Elements Licht, nicht?“

„Öhm... ja, Marik hat mir die Karte gegeben... du kannst sie dir ja später mal ansehen.“

Sie wandten sich dem Ausgang zu, da nun allgemeine Aufbruchstimmung herrschte. Nur Genesis und Sugoroku wollten später folgen, sie waren noch in ihr Spiel vertieft.

„Er kann fliegen,“ deutete Yugi seinem Großvater an. „Bis dann!“

„Nicht am Tag,“ zischte Genesis und spielte den eingeschnappten Vampir.

Seto kam nun auch zu den Nachzüglern und drängte sich zwischen Yami und Yugi, um beiden einen Arm um die Schultern zu legen. „Sagt mal... wer von euch beiden spielt denn jetzt in unseren Theaterstück mit?“

Yugi war ganz verwirrt. „Hä? Ich weiß nicht, was du meinst...“

„Hat er dir das nicht erzählt?“ empörte Yami sich. „Du kannst meine Rollen gerne übernehmen!“

„Wozu? Vielleicht krieg ich ne eigene!“

„Ach ja... geht ja jetzt!“

Sie lachten ausgelassen, und die ganze Bande drängelte sich auf die Straße – einschließlich Ryou, dem Bakura zumindest für den Moment wieder den Körper überlassen hatte.
 

„Hoffentlich passen alle in die Linousine,“ meinte Sugoroku.

„Ach, kein Problem. Dark und Kay können sich in Katzen verwandeln,“ meinte Lord Genesis.

„Trinken Sie Wein?“ erkundigte Sugoroku sich.

„Nein, aber Fruchtsaft wäre gut.“

Sugoroku machte seinen Schachzug und ging danach etwas zu trinken holen. Er füllte den Guavesaft in edle Kristallkelche, die er nur selten benutzte, und stieß mit dem Gast an. „Auf weltenübergreifende Zusammenarbeit! Sagen Sie... wieso haben Sie noch nicht eher offenbart, dass Sie ein Weltentor haben?“

„Man hat mich nicht gefragt.“ Der Vampir lächelte hinterhältig. „Man soll nicht immer alles aufdecken, was man anzubieten hat, wenn man es vermeiden kann. Das solltest du als Spieler doch wissen, Sugoroku. Ich darf doch du sagen?“

„Gern...“

„Angelus. Ich heiße Angelus.“

Die Männer prosteten einander noch einmal zu und setzten dann ihr Spiel fort. Eins, das – höchstwahrscheinlich – keinen Einfluss auf das Schicksal der Welt haben würde.
 

***

Ende
 

... aber beachtet Fremde Welten Extra, und vielleicht gibt es mal Teil 2. :)

Danke fürs Lesen. Denn was wäre ein Autor ohne Leser?
 

Edit: Inzwischen gibt es Teil 2: "Fremde Welten: Das Schloss am Meer". Teil 3 ist auch schon in Arbeit.



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Von:  Hikari-Yumi
2020-08-27T22:53:08+00:00 28.08.2020 00:53

Hallo, lang lang ist’s her. Bin mir nicht sicher, ob du dich noch an mich erinnerst. Würde es dir nicht nachtragen, falls nicht. Kaum zu glauben, dass sich 2020 bereits dem Ende zuneigt.
Nun, es ist sehr sehr lange her, dass ich im yugioh fandom aktiv war, dass ich generell im deutschen fandom aktiv war. Nach einigen Erlebnissen nahm ich erst Abstand von fandom und anderen online Tätigkeiten und wanderte dann mehr oder weniger ins englische fandom über.

Das ist aber alles nicht von Belang, offensichtlich.
Vor mittlerweile über einer Woche entschied ich mich der Nostalgie zu frönen und kehrte zurück in alte fandoms und sah mir Animes an die ich vor gut zehn Jahren gesehen habe. Und so landete ich hier.
Yugioh abridged weckte den Wunsch yugioh fanfiktions zu lesen... und wenn ich an yugioh denke ist mein erster Impuls stets Fremde Welten. Es ist untrennbar miteinander verbunden und die Serie gehört zu den wenigen die sich in mein Gedächtnis gebrannt haben.

Ursprünglich wollte ich nur ein wenig durch #1 Blättern, meine Lieblingskapitel besuchen und dann wieder verschwinden. Aber ich konnte nicht. Stattdessen fing ich an die ganze Reihe zu lesen (soweit wie sie veröffentlicht wurde, was zu meiner Begeisterung eine hand voll Kapitel waren, die ich noch nicht kannte). Das dauerte seine Zeit und naja, ich bereue nichts.
Es war als würde ich nach Hause zurückkehren. Ich erinnere mich noch genau wo ich welches Kapitel zum ersten Mal gelesen habe, meine Gedanken und Empfindungen. Die Tatsache, dass ich damals wie heute nicht jedes duelmonster in der kartengestallt kenne, aber ich trotzdem alle vor meinem geistigen Auge sehen kann... sie alle sind plastisch und lebendig... genug das-

Ich erinnere mich, dass du die Kapitel stets Folgen nanntest und das fand ich schon immer witzig. Aber besonders in #1 ist es wirklich sehr passend. Der Aufbau des Spannungsbogens, die handlungsstränge... ganz wie in einer Serie die man im Fernsehen verfolgen würde. Gelegentlich lässt es mich vergessen, dass Fremde Welten nicht canon ist und „nur“ eine Fanfiktion ist.
Man merkt wie du dich immer wohler in diesem Universum fühltest und jedes Kapitel zeigt das deutlich. Es steckt so viel Liebe in jedem character und jedem plotpunkt... ich kann nicht anders als hingerissen zu sein.
Ich habe letzte Nacht sogar davon geträumt.
Als kleine Anmerkung: meine Mutter ist nicht erfreut mich andauernd lesend anzufinden... doch damals wie heute, kann ich diese fanfiktion einfach nciht weglegen.

Im folgenden werde ich für die fanfiktions Kommentare schreiben... denn obwohl ich mich unwohl fühle mich nach all der Zeit auf diese Weise zu melden... ich konnte nicht eine so fantastische Zeit haben und wortlos verschwinden.
Ich bitte um Verzeihung für Tippfehler oder sinnlose Sätze durch handy Autokorrektur, mein Computer hat vor einigen Jahren den Geist aufgegeben und seitdem agiere ich nur noch vom Handy aus.

Fremde Welten #1 hat einen interessanten Flair. Mir fällt auf wie sehr sich die drei Hauptteile dabei unterscheiden und es trotzdem schaffen als Einheit zu wirken.
#1 ist ein Abenteuer, etwas das eine echte yugioh Staffel sein könnte. (Ich muss zugeben dass ich vergessen habe wie viele sexuelle Handlungen es gab.. huh, Teenager me war sehr abgehärtet) Du hast ein Schattenreich erschaffen mitbringen viel worldbuilding und lore.. die keine plotholes oder Ähnliches aufweist... und davor habe ich den größten Respekt denn mit fällt das unglaublich schwer.
Hier aber habe ich das Gefühl die Vorgänge gut genug zu verstehen um selber eine FW fanfiktion zu schreiben. Es ist erstaunlich.
Es sind so viele Charaktere und ich neige dazu schnell den Überblick zu verlieren besonders wenn es für mich mehr oder weniger OCs sind. Aber nicht bei FW. Du schaffst es die Balance zwischen neuen und alten Charas zu halten und Neuankömmlinge so vorzustellen, dass man sich schnell ein Bild von ihnen machen kann.

Yugi profitiert so sehr von seiner Heldenrolle und man sieht wie sehr er über die Kapitel hindurch wächst. Von der anfänglichen Ungewissheit zu einem Magier der noch viel zu lernen hat aber sich sicher bewegen kann.
Auch Yami macht eine charakterentwicklung durch und es hat mich so gefreut zu sehen wie alle zusammen arbeiten. Wie auch schon beim ersten lesen ist mir die liebe Lehrerin sehr ans Herz gewachsen und ich frage mich, was aus ihr (und dem Theaterstück) geworden ist. Und natürlich wie genau sie erklärt haben dass es am Ende zwei Yugis gab.
Aber wie auch immer, worauf ich hinauswollte ist deine fähigkeit jeden character irgendwie schmackhaft zu machen, obwohl man ihn am Anfang nicht mochte. Mal von Frau Lehrerin abgesehen... Black Luster und Appi,
Sowie natürlich Crimson und olvin (sogar Sorc und Malice!). Es sollte eigentlich gar nicht möglich sein.
Ich habe selten eine fanfiktion gelesen, die es versteht die Charaktere reifen zu lassen und die Beziehungen zwischen ihnen aufzuzeigen.
(Und Lord Genesis ist fantastisch. Er und Großvaters Freundschaft ist eines meiner highlights)

Das Kapitel Der Blutsbrüder war eines meiner Lieblinge. Ich habe mal darüber nachgedacht warum eigentlich... ich denke es liegt daran dass es zeigt wie schnell und fest Yugi eine Familie gefunden hat die zu ihm steht. Als jemand mit trust issues war es so beströfigend, dass sie den „Beweis“ durch ihren Blutsbund hatten.
Die Beziehung zwischen den dreien ist etwas besonderes und etwas das mich heute noch berührt. Ich erinnere mich noch wie ungeduldig ich beim ersten Mal lesen war, dass blacky und dark aus tropfstein und katzenform zurück kehren...
Sie waren das Herz dieser fanfiktion und ein so tolles Team. Ihre romantische Beziehung ist nebenbei ein wahrloches Vorbild.

Blackys und Appis Entwicklung war etwas was mich damals besorgt hat. Ich liebte Blacky und ich wollte nicht, dass appi Yugi übertrumpft und deinen Platz bei blacky und dark streitig macht. Irgendwie witzig, schließlich war ich damals beinahe in ihrem Alter.
Nun kann ich erst appis Werdegang genießen, ebenso wie die eher subtile Veränderung in Blacky.

Oh und natürlich das Kapitel als seto und Joey ins Schattenreich kommen. Ohne zu übertrieben, ich habe gequietscht vor Freude - selbst wenn ich schon wusste was passierte.
An dieser Stelle merke ich an, dass ich keine Ahnung habe ob du seto Kaiba magst oder nicht.
Wie auch immer, mit den beiden als Kontrast glänzte Yugi noch mehr in seiner neuen Rolle, gekrönt durch die Tatsache, dass er eine eigene Karte bekommen hat.

Ersteinmal, das Duell war fantastisch... besonders die Spiegelung von Malice & Sorc vs Marik und blacky. Die anonymen rare hunter vs die Freunde und Unterstützung. (Wird jemals aufgelöst, warum Dark nicht von den stundengläsern betroffen war?)
Generell sind die neuen Karten fantastisch, bin mir nciht sicher welche mich mehr freut, die für Yugi oder die für Crimson. Beide sind so.... on point.

Lord genesis und sein stargate sind übrigens der beste plottwist. Vllt steh ich auch einfach auf Charaktere die hätten helfen können aber sich stattdessen amüsiert haben, da „sie ja nicht gefragt wurden“.
Einfach göttlich.

Zusammengefasst eine fantastische und epische Serie mit Beziehungen und Welt die ich selten so plastisch und real gesehen habe...
es macht mich nostalgisch und ich würde alles geben um diese Story noch einmal zum ersten Mal lesen zu können.

Ich gehe nun weiter zum nächsten Eintrag.
Vielen Dank für Fremde Welten.
~Hikari
Antwort von:  Purple_Moon
19.10.2020 12:09
OMG es gibt dich noch! Ich freu mich total, mal wieder was von dir zu hören, ich hatte schon Angst, ich hätte dich mit irgendwas verschreckt! Hast du das Fan-Shirt noch? XD

Deine Kommentare zu den einzelnen Kapiteln / Folgen / Episoden whatever (sowie die damit verbundene Steigerung meines Selbstbewusstseins) hab ich immer sehr genossen und die haben mir in letzter Zeit richtig gefehlt. Naja in letzter Zeit sag ich... ist ja schon lange her, dass es von mir was Neues gab, mein Passwort hier war bereits ungültig, so lange war ich nicht on. Ich komm derzeit echt schwer voran mit den beiden kleinen Kindern. Leander ist "ein bisschen" autistisch und daher spricht er mit fast 6 noch nicht mehr als Lydia mit 2 1/2. Die beiden riechen, wenn ich am PC was machen will, und kommen immer rechtzeitig stören. Gerade jetzt hört man auch wieder "Mama, Mama!" von Lydia. Leander ist gerade im Kindergarten.

In meinem Kopf existieren schon diverse Fortsetzungen und Nebenstories für FW, da überlege ich echt, ob man davon nicht eine Original Story machen sollte, weil das irgendwann mit YGO nur noch durch die Monsterkarten was zu tun hat. Oder hätte, wenn ich es alles schreiben würde. ^^° Zu meinem Leidwesen müsste ich dann aber entweder Teil 1 weglassen, oder mir einen komplett anderen Aufhänger ausdenken, warum der Hauptcharakter in eine andere Welt kommt - gerade weil ich es absichtlich so geschrieben habe, dass es wie eine neue Staffel aufgebaut ist. Doch das ist ja auch gerade der Reiz daran, und wenn man es dann ganz anders aufzieht, ist der Wiedererkennungswert nicht gegeben, was schade wäre. Dann müsste das neue schon so iconisch werden, dass es den Verlust ausgleicht. Und weglassen? Dann muss ich anders begründen, warum Sorc Dreck am Stecken hat. Naja - vielleicht wird es halt doch als eine Fanfiction im Soap Opera Format weitergehen. Wobei ich jetzt mal hoffe, dass es überhaupt weitergeht! Also tut mir Leid, aber das Familienleben ist echt anstrengend. ^^

Das sieht man ja schon daran, dass diese Antwort jetzt schon mindestens 45 Minuten in Anspruch genommen hat. Das soll dann erstmal an dieser Stelle reichen. <3

Viele liebe Grüße
Purple_Moon
Von:  Seiren1991
2014-03-20T15:23:31+00:00 20.03.2014 16:23
So, ich habe die FF zwar schon einmal vor ein paar Monaten durchgelesen(hatte damals noch keinen Account), und habe sie so genial in Erinnerung, das ich sie mir nochmal durchlese. Ready? GO
Antwort von:  Purple_Moon
20.03.2014 22:48
Yay! Es freut mich zu hören, dass meine Geschichte für dich einen Wiederlesewert hat! :D Na dann viel Spaß!
Von:  Orion-Pax
2014-01-24T13:08:24+00:00 24.01.2014 14:08
Ich mag das Pairing Dark x Blacky! Du stellst sie echt gut dar und die Neckereien zwischen ihnen, ist super! xDD
Von:  Orion-Pax
2014-01-24T12:38:21+00:00 24.01.2014 13:38
Ich stell mir das so vor, dass Black(y) der totale mächtige Chaot ist (und vielleicht auch noch etwas wahnsinnig und durchgeknallt) und Dark, derjenige ist, der ihn im Zaum halt kann. Mich würde es interessieren, wie es beim schwarzen Paladin wäre? xD
Von:  Orion-Pax
2014-01-24T11:28:57+00:00 24.01.2014 12:28
Ich sitze gerade hier mit Lachtränen in den Augen und muss mich vor Lachen schon am Stuhl festhalten! x'DDD
Du solltest die FF unter eine Komödie laufen lassen, dass passt nämlich gut rein. ^^
Antwort von:  Purple_Moon
28.01.2014 22:55
Hahaha danke schön, dann wünsche ich mal noch viel Spaß!
Von:  jyorie
2013-06-20T15:24:47+00:00 20.06.2013 17:24
Hallo ^^

oh man, ich habe es ja die ganze Zeit gefürchtet, das letzte Kapitel, aber irgendwann ist es halt mal dran. Und je länger und schöner und spannender die FF ist um so schwerer fällt es, wenn der Autor diese böse Wort in die Tasten tippt (Ende) ... Wäre schön wenn es noch einen Teil 2 geben würde, ich würde auf jeden fall mit lesen :D

Das ende hast du wirklich sehr schön gestaltet und die Idee mit dem Stargate ist auch klasse gewesen, so können sie ganz problemlos (sofern sie mal nach England kommen) zwischen den Welten wechseln (vielleicht entdecken sie ja noch die andere Möglichkeit). Ich hab mich sehr für Yugi gefreut ... wäre auch mal spannend den jetzt 3 durchs Schlüsselloch zu gucken, und vielleicht gibt’s ja noch ein „Extra“ wie sie die Woche im Schattenreich überstanden haben. Und ob Bakura seinen Körper bekommt, scheinbar steht Ryou ja nicht auf duke oder ist es doch Pegasus?

Das letzte kapitel war schön, das man die FF mit einem Lächeln schließen kann. Danke das du die on gestellt hast :D

CuCu Jyorie

Antwort von:  Purple_Moon
29.07.2013 22:33
Danke fürs Lesen. :) Und für das treue Kommentieren.
Ich habe hier noch Ideen für die nächsten paar Jahre, keine Sorge. Aber vielleicht mache ich irgendwann eine eigene Geschichte daraus. Ab Teil 3 (Wink!) hat es nämlich schon nicht mehr ganz so viel mit YGO zu tun, außer dass die Monster drin vorkommen... ^.^v
Danke nochmal!
LG
Purple_Moon
Von:  jyorie
2013-06-20T15:24:36+00:00 20.06.2013 17:24
Hallo ^^

das war ein schöner ausgang Das duel list gewonnen und Marik ist tatsächlich erst umgekippt, als man ihn nicht mehr brauchte. LOL Bakura und sein Faustkampf waren auch nicht schlecht, aber weshalb sind Marilice und Sorce ins SR gekommen und Blacky nicht (oh, achso ... die hatten verloren...) Kann Yugi auf diesem Weg den nicht zurück ... vielleicht kann man im Schattenreich ja ein „blaues Licht-Duell“ machen und so immer hin und her reisen? Wäre eine Möglichkeit... Dark hat ja etwas erwähnt, das nicht nur die Milleniumsgegenstände dazu dienen...

Bei Blacky in der Küch habe ich mich köstlich amüsiert, das war soooo witzig, ich hätte mich auf dem Boden kullern können. Hat mir gut gefallen das Kapitel :D

CuCu Jyorie

Antwort von:  Purple_Moon
29.07.2013 22:23
Danke fürs Lob.^^
Am Ende des Duells gehen alle wieder dahin, wo sie zu Beginn herkamen - egal, ob das da ist, wo sie wohnen. Nur die Verlierer werden ins RdS gesaugt, das ist ja Tradition.
Von:  jyorie
2013-06-20T15:24:20+00:00 20.06.2013 17:24
Hallo ^^

das ist echt schwer, das Malik da für die anderen eintreten muss und er immer einen der Freunde für den Angriff leiden lassen muß. Ich fand es süß, von Bakura, wie er sich verdeckt dafür gemeldet hat den Angriff von Sliffer auszubaden und das er danach seine große Klappe so schnell wieder gefunden hat. Ich mag die Dieb am liebsten so, das er immer den bösen Kerl raushängen läßt, aber wenn es drauf ankomm auch anders sein kann, dies aber nie in Worten zum Ausdruck bringt, sondern immer nur im heimlichen :D

Ich mag Kuribo irgendwie ^^

Und wieder ein Cliffi ... hoffentlich ich Marik nicht zu früh ohnmächtig geworden, wenn er den Hoffentlich finalen Schlag von Chrimson auf sich selbst nimmt. Wäre blöd wenn Marlice jetzt noch ein Ass aus dem Ärmel schüttelt. ... Da das ja ein Spiel der Schatten ist ... verschwindet er dann wieder ins Schattenreich?

CuCu Jyorie

Von:  jyorie
2013-06-20T15:24:11+00:00 20.06.2013 17:24
Hallo ^^

ein bisschen traurig und wehmütig bin ich ja schon, wenn ich sehe, das es jetzt nur noch 3 Kapitel sind, die Übrig geblieben sind. Ich mag diese FF sehr gerne und könnte daran wohl noch lange weiter lesen. ... >,<

Dein Duell bleibt weiter spannend. Am süßesten fand ich die Stelle, als Appi aufs Feld gerufen wurde und sich freut und Yugi sich an die Stirn klatscht, wie peinlich sein Freund sich verhalten hat LOL

Ich finde es auch schade, das Marlice Genesis im Deck hat und er jetzt gegen seine „Liebhaber“ kämpfen muss. Aber da du hier ein Chliffi eingefügt hast, ist ja noch hoffnung – Yugi ist ja auch eines der Monster geworden – ich bin auf seinen Auftritt gespannt^^

CuCu Jyorie

Antwort von:  Purple_Moon
29.07.2013 22:03
Ich wollt eeigentlich noch mehr machen mit Appi und seinem Effekt und so, aber das passte alles nicht mehr rein.
So einen Cliffhanger wollte ich schon immer mal machen!^^ Der Freund auf der Gegnerseite verhilft ja auch zu mehr Dramatik!
Von:  jyorie
2013-06-19T15:06:00+00:00 19.06.2013 17:06
Hallo ^^

wenn ich das jetzt schreibe, ist es nicht böse gemeint, aber das Kapitel war irgendwie etwas anstrengend. – Also nicht das es nicht schön war, oder nicht spannend ... ich meine das anstrengend halt wegen den ganzen Punkten und Angriffen ... man musste sich ganzschön konzentrieren um da den Faden nicht zu verlieren mit den ganzen Zahlen.

Dennoch hat es mir auch gefallen, wie die Duellanten und die Monster agiert haben und das sich alle wiedertreffen konnten. Außerdem ist es krass, was du dir alles für neben Regeln ausgedacht hast :D

CuCu Jyorie

Antwort von:  Purple_Moon
29.07.2013 21:59
Das war nicht nur für dich anstrengend, glaub mir. Ernsthaft, ich glaube dir aufs Wort, dass das anstrengend ist. Wie oben schon beschrieben wurde dieses Duell wirklich gespielt, also mit Karten auf dem Tisch und so. Nur dass wir natürlich immer die passenden Karten rausgesucht haben. Irgendwann hatte ich mich mal verrechnet und musste nochmal von vorne alles prüfen...
Was die Regeln angeht... Muahahahaha ich konnte meine sadistische Ader voll ausleben! Teilweise bin ich selber schockiert. *breitgrins*


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