Geheimnisse von abgemeldet (Aramis/Athos) ================================================================================ Kapitel 10: Die Gefängnisinsel Teil 2 ------------------------------------- Der Raum lag in einem schummerigen Halbdunkel und noch immer stieg Aramis der aufdringliche Geruch von abgestandener, ungesunder Luft, gemischt mit anderen Ausdünstungen, über die sie gar nicht erst nachdenken wollte. ,Ob der König weiß, wie man Gefangene hier behandelt?', sinnierte sie kurz und verneinte gedanklich, beinahe bevor sie den Gedanken zu Ende führen konnte. Der König interessierte sich nicht für Gefangene oder Verurteilte. Diese Menschen bedeuteten ihm nichts, er war niemals mit ihnen in Berührung gekommen, fernab von dem Leiden des Volkes... Innerlich sträubte sie sich dagegen, diesen Raum auch nur mit der Fußspitze zu betreten, atmete tief durch und erinnerte sich selbst daran, dass die anderen die Wachen wohl kaum für immer aufhalten konnten und so trat sie in die Dunkelheit hinein, nur um Sekunden später von einer fremden Stimme, die seltsam gedämpft klang, angesprochen wurde. "Wer seid Ihr?" Es war für ihren Geschmack zu dunkel in diesem Raum; obwohl sie die Augen zu schmalen Schlitzen verengt hatte, konnte sie kaum mehr als schemenhafte Umrisse erkennen. Quer über den Boden verstreut lagen allerhand Dinge und beinahe wäre sie über den Saum ihres Kleides gestolpert, während sich die Spitze ihres Stiefels in einer Unebenheit des Bodens verfing. "Wer seid Ihr?", wiederholte sich die Frage und Aramis sah sich hastig in dem Raum um. Es gefiel ihr nicht - sie hatte diese Situation unter diesen Umständen nicht unter Kontrolle. Sie war es nicht gewohnt, ihren Gesprächspartnern während einer Unterhaltung nicht in die Augen sehen zu können. "Es spielt keine Rolle, wer ich bin.", wisperte sie und lauschte angespannt auf mögliche Geräusche außerhalb der Zelle. "Ich glaube, es spielt sehr wohl eine Rolle. Schicken die Wachen mir jetzt eine Frau, um mich zu quälen?", fragte die Stimme und diesmal hatte er lange genug gesprochen, um Aramis zu verraten in welche Richtung sie sich wenden musste. "Ich versichere Euch, es spielt keine Rolle wer ich bin.", raunte sie und schnaubte. Dieser Mann war anscheinend schwer von Begriff oder aber er hatte sich dieses rüde Gebaren in seiner Zeit der Gefangenschaft antrainiert. "Seid ihr hier, um mich zu töten? Reicht es den Wachen nicht mehr, mich hier unten einzukerkern und sie schicken eine Frau, damit sie sich nicht selbst die Finger schmutzig machen müssen?!", stieß er hervor und Aramis zuckte unter diesem für ihr Vorhaben zu lautem Ausruf zusammen. "Ihr verdammter Narr! Seid leise oder wir werden beide noch am Galgen hängen oder man wird uns hier unten verhungern lassen, wenn Sie nicht endlich ein wenig leiser sprechen!", raunzte sie und spürte, wie ihr das Blut rasend schnell durch die Adern pulsierte. Sie zwang sich zu ein paar tiefen Atemzügen, bevor sie erneut zu sprechen ansetzte. "Und da wir das nun geklärt haben, hättet Ihr wohl die Freundlichkeit mir zu verraten in welcher Ecke dieses verdammten Dreckloches man euch angebunden hat?" Ein heiseres Lachen ertönte und sie zuckte zusammen, als sie begriff, dass sie quasi direkt vor ihm stand. Der Stoff ihrer Röcke raschelte, als sie sich in die Hocke sinke ließ, um die schweren Eisenketten an den Handgelenken des Mannes zu inspizieren und fluchte fürchterlich. "Was denken sich diese Idioten da oben eigentlich! Ich habe ihnen gesagt, dass ich weder zum Einbrecher noch zum perfekten Umgang mit einem Dietrich geboren wurde!" Der Gefangene sog hörbar die Luft ein. "Was ist denn jetzt schon wieder?!", fauchte Aramis und starrte noch immer auf die schweren Eisenschlösser. "Ich habe noch nie eine Frau so fluchen hören.", antwortet er und erhielt eine bissige Antwort. "Ich glaube kaum, dass Sie hier überhaupt viele Frauen gehört oder gesehen haben, Monsieur." Ein amüsiertes Lachen erklang und Aramis runzelte die Stirn. "Euer Vater mag Schwierigkeiten haben, Euch unter die Haube zu bringen.", meinte er leichthin und Aramis konnte nicht anders als den Kopf zu schütteln. "Männer...", grummelte sie und fragte sich, wieso Männer immer annahmen, dass sie sich die Frauen aussuchten? Ihre Hand stieß versehentlich gegen seinen Kopf und sie zuckte zurück. "Eisen...", murmelte sie ungläubig und betastete das schwere Metall, das den Kopf des Mannes fast vollständig umschloss. "Geschockt?" Er klang beinahe amüsiert, so als wäre das alles nur ein Scherz für ihn und Aramis erinnerte sich daran, dass ihr einmal jemand erzählt hatte, die Gefangenschaft könne Menschen in den Wahnsinn treiben. "Jetzt verstehe ich...", sagte sie, griff beherzt nach dem Schloss und stieß einen noch schmaleren Dietrich in das Schloss. Nervös stocherte sie darin herum, hin und wieder vor sich hin fluchend. "Ha, es ist doch ganz einfach, hat er gesagt. Man muss nur den richtigen Winkel treffen und dann eine kleine Bewegung aus dem Handgelenk. Ich werde ihn in seinem Zimmer einsperren und den Dietrich unter der Tür durchschieben - mal sehen, ob er damit umgehen kann.", schimpfte sie vor sich hin und dachte noch immer erzürnt an Athos, der sich wohl einen üblen Scherz mit ihr erlaubt hatte. "Ich bin ein Musketier, verdammt, und kein umher streunender Ganove!" Ein leises Klicken ließ sie in ihrem Redeschwall innehalten und erleichtert aufatmen. "Na bitte!" Der Mann rieb sich schwach die Handgelenke und obwohl Aramis in der Dunkelheit kaum etwas erkennen konnte, ahnte sie, dass die Haut dort, wo die Ketten so lange gelegen hatten, rot, gereizt oder gar entzündet war. "Kommt, wir müssen von hier verschwinden.", sagte sie nur und eilte schon auf die Tür zu, bevor sie ein unterdrückter Schmerzensschrei zurückrief. "Was ist denn?!" Sie wandte sich um und starrte den Mann an, der auf die Knie gesunken war und keinerlei Anstalten machte, sich wieder zu erheben. "Könnt Ihr nicht laufen?" Zu ihrer Überraschung kam ein durch zusammengebissene Zähne hervorgepresstes "Oui.". Mit wenigen ausgreifenden Schritten war sie neben ihm, sank auf die Knie, legte einen Arm um die Taille des Mannes und zog ihn auf die Beine. Er stützte sich schwer auf sie und sie konnte nur ahnen, dass er sich wirklich kaum auf den Beinen halten konnte. Er hatte seine Beine wohl kaum benutzt und mögliche "Bestrafungen" der beiden zwielichtigen Typen oben im Gefängnis hatten wohl ihr übriges getan. Es schien ihn zu überraschen wie relativ mühelos sie ihn auf die Beine zog und es sogar bis zum obersten Treppenabsatz schaffte, bevor sich Kampflärm und jähes Gezeter bemerkbar machte. "Man könnte meinen sie wären auf Ärger ausgewesen.", schimpfte sie und starrte düster vor sich hin, bevor sie den Gefangenen gegen die Wand lehnte und nun das Schwere Portal der Festung aufstemmte, bevor sie ihn wieder stützte und zum Boot manövrierte. "Sind das Eure Freunde, die da drinnen Radau schlagen?", fragte er und sie starrte wartend auf das Portal, erleichtert, als zuerst Athos und dann die anderen beiden herausstürmten und das Boot zurück ins Wasser schoben. "Ah, Aramis. Wir dachten schon, du hättest es nicht geschafft.", witzelte Porthos, der sich nun darum bemühte, so schnell wie möglich von diesem verfluchten Inselgefängnis fort zu kommen. Aber wie immer konnte er einfach nicht widerstehen. Aramis ließ sich zu leicht reizen. "Sehr witzig, Porthos.", gab sie zurück, die Finger wieder um die Innenverkleidung des Bootes gekrampft. Erst jetzt schienen die anderen die eiserne Maske zu erblicken, die das Gesicht des Gefangenen verbarg. "Was zum-", begann Athos, aber Aramis schnitt ihm das Wort ab. "Wir werden einen Schmied brauchen oder aber einen richtigen Verbrecher, der besser mit so etwas fertig wird als ich! So schnell werdet ihr mich nicht mehr dazu bringen auch nur irgendein Schloss zu knacken." "Ist unser kleiner Freund jetzt beleidigt?", stichelte Porthos und erntete einen düsteren Blick von Aramis. "Sieh dich um, mon ami. Möchtest du gerne den Rest des Weges schwimmen?" Jede Feindseligkeit war aus ihren Zügen gewichen und ein zuckersüßes Lächeln war an die stelle des verkniffenen Mundes getreten. Es war beinahe schon unheimlich. In solchen Momenten konnte sich D'Artagnan nur darüber wundern, wie spielend leicht es der jungen Frau in gewissen Momenten gelang, ihre wahren Gefühle aus ihrem Gesicht und ihrer Stimme, aus jeder ihrer Gesten zu verbannen. Es war, als würden ihre Emotionen für kurze Zeit verschwinden und durch ein aufgesetztes Lächeln oder aber eine scharfe Bemerkung ersetzt werden. Ein gedämpftes Kichern entwich dem Mann mit der eisernen Maske. (Kurzer Kommentar: Ich konnte net anders, als das jetzt hier einzubringen... ^-^) "Ist Eure Freundin immer so komisch, Monsieur?" Statt Athos zu Wort kommen zu lassen, sah D'Artagnan den Mann an und erwiderte gefasst: "Ich würde nicht davon ausgehen, dass Aramis scherzt." "Aramis... ein seltsamer Name für eine Frau...", sinnierte er und Aramis kicherte. 'Nicht für einen Musketier der Krone.', fügte sie in Gedanken hinzu, konnte sich jedoch nicht länger zu einem Lächeln bringen. Das kleine Boot schwankte gefährlich und der Wind peitschte ihr das blonde Haar in die Augen. Wenn es nach ihr ginge, würde sie so schnell kein Schiff mehr betreten und das salzige Nass nur aus sicherer Entfernung betrachten. "Das Ufer ist in Sichtweite.", stieß sie gepresst hervor. "Ich nehme an, die Wachen werden bald wieder zu sich kommen. Bis dahin sollten wir uns etwas überlegt haben." "Meinst du nicht, wir wären auf dem Festland sicher?", fragte D'Artagnan und warf einen besorgten Blick über die Schulter auf die Insel hinter ihnen. "Ich glaube kaum, dass man nicht in Küstennähe nach uns suchen wird. Es ist nicht so, als wäre unser Freund Porthos ein unauffälliger Zeitgenosse, oder? Wir müssen diese scheußliche Maske loswerden und dann nichts wie weg hier." "Und wohin sollten wir uns dann wenden?" Es war eine ruhige Frage, die Athos stellte, ohne wirklich eine Antwort zu erwarten. "Marseille wäre nicht schlecht, was sagt ihr?" "Für diese Strecke werden wir mehrerer Tage brauchen... aber wir haben keine andere Wahl. Wenn wir uns quer durchs Gelände bis nach Paris durchschlagen wollen, brauchen wir Monate." "Wer sagt, dass wir nach Paris zurückkehren sollen?", warf Athos vorsichtig ein und erhielt prompt die Reaktion, die er erwartete hatte. "Willst du mir damit sagen, dass man uns hierher geschickt, Kopf und Kragen riskieren lassen und einen Gefangenen entführen lassen hat, um uns dann in irgendeinem Loch zu verkriechen?! Und wohin sollen wir bitte gehen?!" Hätte das kleine Boot etwas mehr Angriffsfläche geboten, hätte sie ihre Faust auf ein Stück Holz prallen lassen. "Wir sollen uns nach Le Mans begeben und dort weitere Vorkehrungen treffen.", gab er gleichmütig zurück. "Es reicht! Mir reicht es endgültig.", schimpfte sie, raffte ihre Röcke und sprang aus dem Boot in das flache Wasser des Ufers, stapfte durch das Nass und warf nicht einen kurzen Blick zurück. "Aramis!" Sie reagierte nicht auf Athos Ruf, der sie zweifelsohne zur Vernunft und Ruhe gemahnen sollte. "Renée!" Diesmal wandte sie sich um, warf in einer wütenden Bewegung die Haare über die Schultern zurück und starrte den älteren Mann an. "Nimm - diesen - Namen - nie - wieder - in - den -Mund. Ich dachte, ich hätte deutlich gemacht, dass die Renée nicht mehr existiert." Ihre Stimme war kalt wie geschliffener Stahl; sie wählte absichtlich diesen Tonfall, sie wollte ihn verletzen. "Was ist denn nur in dich gefahren?!", schrie Athos, der ihr jetzt folgte, während D'Artagnan und Porthos den Gefangenen stützen und auch ihn aufs Ufer zuführten. "Was in mich gefahren ist?! Das alles hat sich Treville fein ausgedacht, nicht wahr! Aber was auch immer er vorhatte, MIR hat man nicht die Wahrheit über diese ach so geheime Mission gesagt und ich denke nicht im Traum daran, einfach blind drauflos zu marschieren. Lieber schlage ich mich wirklich quer durchs Gelände nach Paris durch, aber ich werde nicht einen Tag länger die junge Adelige vom Land spielen!" "Du sagst, du wirst diese Aufgabe nicht beenden?! Hast du vergessen, dass du ein Musketier bist, noch immer! Wo ist dein Ehrgefühl?!" Diese Worte trafen sie hart. Inzwischen rang sie rasselnd nach Luft, fühlte sich wie eine Gefangene. Hatte sie nicht selbst gesagt, dass es keinen Weg zurück gab? Aber Athos verstand nicht... er verstand sie einfach nicht. Der innere Kampf tobte nur kurz, bevor sich die Vernunft Gehör verschaffte und Aramis nickte. "Verzeih, ich weiß nicht, was über mich gekommen ist." Ohne ein weiteres Wort wandte sie sich um und marschierte auf das Landhaus zu. "Claude! Ruft mir jemanden, der ein massives Schloss aufbrechen kann und der keine Fragen stellen wird!", schrie sie quer über den Hof, nicht eine Sekunde innehaltend. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)