Geheimnisse von abgemeldet (Aramis/Athos) ================================================================================ Kapitel 7: Geheimnisse und Antworten ------------------------------------ Aramis zog den schweren Mantel enger um sich. Einen derartigen Wetterumschwung hatte man bei ihrer Abreise nicht vorhergesehen und dachte grimmig an die Wärme, die ihre Uniform ihr bieten würde. Sie erinnerte sich langsam wieder daran, warum sie Kleider für unpraktisch hielt und war mindestens genauso erleichtert wie der völlig durchnässte Athos, als die Kutsche endlich anhielt und das "kleine" Landhaus an der Küste entpuppte sich, als sie ausstieg, als relativ groß. Es entsprach ungefähr dem Anwesen einer gut gestellten Familie im Stand des Landadels. "Willkommen!", rief ein rotblonder Mann, der aus dem Hauseingang auf sie zulief, blieb zuerst vor Aramis stehen, grüßte die junge Dame und wandte sich erst dann an die anderen. Zurück blieb bei Aramis die Frage, wie weit Treville diese Männer in ihr persönliches Geheimnis eingeweiht hatte... *** Der schwere Regen fiel noch immer vom Himmel und in welche Richtung man auch schaute, es hatte sich eine dunkelgraue Decke über das Blau des Himmels geschoben, die allem Anschein nach noch lange nicht zu weichen gedachte. Der rotblonde Mann hatte sich inzwischen als Claude vorgestellt und wirkte wie ein Schuljunge, auch wenn die Falten um Augen und Mund deutlich von seinem wahren Alter sprachen. Ein im Herzen junggebliebener Mann, der sich einer guten Sache verschrieben hatte. War es da verwunderlich, dass er sich an so einem Ort, fernab von jeglicher Politik und wichtigen Entscheidungen niedergelassen hatte? Erneut musterte Aramis das Landhaus: zwei Stockwerke, weiß verputzt und sogar eine Veranda an der dem Wind abgewandten Seite. Auch wenn es jetzt von einer traurigen Atmosphäre umgeben war, so glaubte sie, dass es bei klarem Himmel und strahlendem Sonnenschein ein durchaus angenehmer Ort sein konnte. Es hatte nichts gemein mit den zum Teil dicht aneinander gereihten Häusern in den Straßen von Paris. Schließlich wandte sie sich der Küste zu und sah eine kleine Insel. Sie war durch aufsteigenden Nebel und den starken Regen zwar nur verschwommen zu erkennen, aber dennoch wirkte sie dunkel, schwarz und wie ein Ort der Traurigkeit. Wie kam man nur auf die Idee ein Gefängnis auf einer Insel zu errichten? Und wieder fragte sie sich, was der Mann, den sie befreien sollten, eigentlich verbrochen hatte... "Aramis?" Sie schrak beinahe zusammen als sie D'Artagnons Hand auf ihrer Schulter spürte. "Wir sollten uns nicht zu lange hier im Regen aufhalten." Er hatte Recht, aber dennoch konnte sie den Blick nicht von der kleinen Insel abwenden. Vielleicht war dieser Ort ein Gefängnis für all jene, die den zweifelhaften Zielen des Kardinals im Wege standen und man brachte sie dorthin, damit niemand in der Nähe war, der Fragen stellen konnte. Erst als er sie erneut ansprach, wandte sie sich ab und schritt mit schnellen Schritten auf das Gasthaus zu. Sie mochte es nicht zugeben, aber ihr war kalt, der Wind war durch Mantel und Kleid gedrungen und sie zitterte. Im Inneren des Hauses sollten sie noch mehr Überraschungen vorfinden. Hatte das Landhaus schon von Außen prächtig gewirkt, so wurde dies durch eine wundervolle, liebevolle Inneneinrichtung übertroffen. Weiche Sessel standen in einem Halbkreis um den offenen Kamin verteilt, mehr als ein Dutzend Kerzenhalter tauchten den Raum in ein angenehmes, sanftes Licht und die Wärme des prasselnden Feuers gab dem ganzen die Note eines gemütlichen Heimes. "Nicht schlecht.", staunte sogar Portos und musterte den Raum ebenfalls staunend. "Kommt nur, setzt euch schon an den Kamin, Sandrine wird uns gleich etwas zu essen und Rotwein bringen.", sagte Claude und nahm selbst schon in einem der Sessel vor dem Feuer platz. Er wartete, bis es sich jeder bequem gemacht hatte, bevor er zu sprechen ansetzte. "Ihr wisst, was ihr zu tun habt?" Als ihm Athos mit einem Nicken antwortete, fuhr er fort. "Nicht weniger habe ich von den besten Männern unter den Musketieren erwartet. Wenn ihr den Gefangenen befreit habt, werdet ihr ihn hierher bringen, man wird hier nicht nach ihm suchen und wenn doch, so wird man in diesem Haus nie jemanden finden, der nicht gefunden werden soll." Fragende Blick wurden ihm zugeworfen, doch noch bevor er antworten konnte, war Aramis aufgestanden und auf eine der Wände zugegangen. Mit einem sanften Klopfen ging sie an ihr entlang, bis sie einen Punkt erreichte, an der ihr ein hohl klingendes Geräusch antwortet. "Hohle Wände, Gänge und Kammern hinter der Wand...", murmelte sie und lächelte unwillkürlich. "Ganz recht.", bestätigte Claude und sah die anderen drei an. "Eure Freundin hat ganz recht." Schallendes Gelächter von Portos ließ ihn zusammenzucken und der Mann prustete. "Dass sogar Ihr darauf hereingefallen seid, Claude! Unserer kleine Freundin ist nämlich auch ein Musketier, Aramis, um genau zu sein. D'Artagnon warf ihr einen raschen Blick zu. Ihm entging nicht die Sorgenfalte, die sich auf ihrer Stirn gebildet hatte, noch die schmale Linie, zu der ihre Lippen geworden waren. Auch Claude sah die junge Frau einen Moment lang an, bevor er mit den Schultern zuckte und ein undeutliches "Wenn Ihr meint." vor sich hinmurmelte. Sollten diese Männer noch eine Weile ihrem Irrglauben erliegen, aber er musste mit der jungen Frau sprechen. Darum hatte ihn sein Freund Treville gebeten. Treville machte sich seid einiger Zeit Sorgen um einen seiner besten Musketiere. Aramis lebte schon zu lange hinter einer Fassade, die sie aufgebaut hatte und sie wusste, dass sie sich nicht ewig als Mann ausgeben konnte. Sie spielte mit dem Feuer und der Blick, den sie D'Artagnon zugeworfen hatte, sprach Bände darüber, dass sie auch dies ziemlich genau wusste. Mit ein paar weiten Schritten kehrte sie zu ihrem Sessel zurück, ließ sich auf das weiche Polster fallen und starrte missmutig in die knisternden Flammen, während ihre Hand sich um ein kunstvolles Weinglas legte. Einen Augenblick lang schwenkte sie das Glas, die rote Flüssigkeit schwappte darin herum, berührte den oberen Rand, verließ das Gefäß jedoch nicht. Nachdem sie einen Schluck des starken Weins getrunken hatte, sah sie Portos nachdenklich an und wandte sich dann an Claude. "Sagt mir, würde es jemandem auffallen, wenn ich unseren Freund heute nacht über die höchste Klippe an dieser Küste stoße?" Ihr Gesicht blieb dabei völlig regungslos, selbst in ihren Augen zeigte sich nicht die geringste Regung von Gefühlen. Es war wie die bekannte Ruhe vor dem Sturm. Die Farbe wich aus Portos Gesicht, als sie gesprochen hatte und wieder versonnen in die Flammen starrte, gerade so, als würde sie das Geschehen um sie herum nicht mehr berühren. "Guter Witz...", stammelte Portos nur noch, bevor er sich beeilte sein Gesicht hinter seinem eigenen Weinglas zu verbergen. Vielleicht hatte er seine kleinen Neckereien in der letzten Zeit ein kleines bisschen übertrieben... "Ihr werdet in ein paar Stunden aufbrechen müssen.", informierte sie Claude und ein Lächeln trat auf seine Gesicht. Diese Frau war wirklich etwas besonderes, Treville hatte nicht übertrieben. In einer Minute konnte sie so gleichmütig wie das Meer an einem sonnigen, windstillen Tag sein und doch konnte man sich nur Sekunden später die Finger an ihrem Temperament verbrennen. "Wir werden bereit sein.", versicherte ihm Athos und die junge Frau erhob sich in einer fließenden Bewegung, ohne auch nur ein Wort zu verlieren. "Setzt Euch, Renée.", sagte er und beinahe bereute er seine Worte, als er den schmerzverzerrten Ausdruck auf ihrem Gesicht sah. Athos und Portos starrten Claude verständnislos an D'Artagnon wandte den Blick ab. Was hatte sich Treville nur dabei gedacht, ihr auch das noch anzutun. "Ich kenne niemanden mit diesem Namen.", sagte sie kalt, nahm jedoch wieder Platz. Verständnis lag in den Augen des Mannes, der sich in eine Angelegenheit einmischte, die ihn eigentlich nichts anging, aber es war besser, die Fronten zu klären, während sie alle hier versammelt waren. Vielleicht würden sich bis zu ihrer Rückreise nach Paris alle Wogen geglättet haben... und sie würde sich entscheiden müssen - für die eine oder die andere Möglichkeit. "Oh, Ihr kennt eine sehr lange und sehr schmerzvolle Geschichte, Renée. Wollt Ihr sie erzählen oder soll ich das für Euch tun? Treville bat mich darum, Euch ins Gewissen zu reden und auch Eure Freunde nicht länger im Dunkeln tappen zu lassen." "Was...", begann Athos, doch Claude brachte ihn mit einer ärgerlichen Handbewegung zum Schweigen, bevor er sich wieder an Aramis wandte. "Nun?" Gedanken schwirrten wirr und ungeordnet durch ihren Kopf, schienen sich zu jagen und schließlich sie selbst, das kleine Mädchen vom Landadel, in die Enge zu treiben. Was hatte sich Treville nur dabei gedacht, sie so in die Enge zu treiben, mit dem Rücken zu Wand, ohne einen Ausweg oder eine Fluchtmöglichkeit. Und zugleich wisperte eine Stimme, die sie schon eine halbe Ewigkeit nicht mehr gehört hatte, in einem weit entfernten Winkel ihres Geistes, dass sie von Anfang an gewusst hatte, dass die Maskerade eines Tages würde enden müssen. Dass sie sich eines Tages zumindest ihren Freunden würde anvertrauen müssen, oder ihre Geheimnisse würden sie langsam und stetig in den Wahnsinn treiben. Sie spürte die Blicke von Portos und Athos auf sich ruhen, brennende, fragende Blick... die Augen ihrer Freunde, die auf eine Erwiderung warteten. Sie verdienten die Wahrheit. Seufzend lehnte sie sich zurück, hatte nicht mehr die Kraft, sich gegen das Unvermeidliche aufzulehnen. Krack! ... und die Fassade begann zu bröckeln... "Mein Name ist Rene d'Herblay.", begann sie zögernd und ein Teil ihrer Persönlichkeit schrie auf, als sie ihren wahren Namen aussprach. Es war, als würde sie das jetzige Ich und alles, was sie sich hart verdient hatte, Stück für Stück niederreißen. Als würde die Welt, die sie erobert hatte, um sie herum zusammenfallen... Sie blickte ihre Freunde der Reihe nach an, nahm Bestand von den ersten Reaktionen auf. Athos Augen hatten sich in einer für sie unvorstellbaren Art geweitet, er starrte sie an und sie konnte nur ahnen, dass der Zorn noch unterschwellig brodelte... nur darauf wartete, an die Oberfläche zu gelangen. Portos schien das Ganzen wohl noch immer für einen Witz oder den kläglichen Versuch halten, ihn aus der Fassung zu bringen und D'Artagnon machte sich darauf gefasst, eine Geschichte zu hören, die er bereits kannte. Ihr Blick blieb wieder an den Flammen im Kamin hängen, eine Wärmequelle, die Trost zu spenden schien. Sie schloss die Augen, seufzte und brach schließlich etwas über die Lippen, dass ihr einen beträchtlichen Teil ihrer Selbstsicherheit, die sie sonst besaß, nahm. "Es steht euch zu, jederzeit zu gehen. Während ihr diese Geschichte hört, noch bevor ihr sie hört oder nachdem ihr sie gehört habt. Ich erwarte danach nichts von euch, keine Vergebung, kein Verständnis, keine Freundschaft... noch nicht einmal Gleichgültigkeit." Sie stockte für wenige Sekunden und D'Artagnon warf Claude einen wütenden Blick zu. So weit hatte er die junge Frau schon gebracht. Er sah, dass sich die schlanken Finger der jungen Frau verkrampft um die Armlehnen ihres Sessels gelegt hatten, sodass die Knöchel weiß hervortraten. Er wagte nicht, Portos oder gar Athos anzusehen und auch die Tatsache, dass Aramis die Augen geschlossen hatte, verriet ihm, wie angespannt sie war. Sie wollte sich das Urteil der beiden erst dann ansehen, wenn sie alles gesagt hatte, dass sie für den Moment zu sagen hatte. Vielleicht würden an diesem verregneten Nachmittag eine Wendung in ihrem Schicksal stattfinden. Krack! ... ein weiterer Stein rutschte aus der Mauer, die sie zu ihrem Schutz errichtet hatte... "Es gab Zeiten, da war ich ein gewöhnliches Mädchen, eine junge Frau vom Landadel, die bei ihrem Onkel aufwuchs..." Krack! ...Schmerz, Erinnerungen an etwas, dass sie hatte vergessen wollen und auch jetzt war sie nicht bereit darüber zu sprechen... Sie hörte, wie jemand scharf die Luft durch zusammengebissene Zähen einsog und wusste, ohne die Augen öffnen zu müssen, dass es Athos war. Ein weiteres ihrer zahlreichen Geheimnisse und eines, dass sie gewiss am heutigen Nachmittag mit niemandem teilen würde. Ihr war nicht bewusst gewesen, wie lange sie geschwiegen hatte, bis sie zu ihrer Überraschung Portos sanft dazu aufforderte, fortzufahren. Ein wenig Erleichterung machte sich in ihr breit; mochte Portos auch sonst ein wenig überdreht sein, er hatte ein großes Herz... obwohl sie sich keine Illusionen machen wollte. Sie hatte ihren Freunden zu lange Zeit etwas vorgespielt, um davon ausgehen zu können, dass sie einfach darüber hinwegsehen würden... "Was ist dann geschehen?", fragte er nochmals und sie riss sich zusammen. Sie hatte soviel hinter sich gebracht, da konnte es ihr doch nicht so unsagbar schwer fallen... aber es fiel ihr noch viel schwerer... "Was geschieht mit einer jungen Frau, die langsam heranwächst? Man wird in die Gesellschaft eingeführt, lernt Freundinnen und junge Männer kennen... und einer dieser Männer war in der Lage, mein Herz für sich zu gewinnen." Ein schmerzlicher Ausdruck flog über ihr Gesicht, als sie an all das dachte. "Dabei war es beinahe schon unwirklich. Ich war gerade erst 16 und er hieß Francois, war 32 Jahre alt... es war die berühmte Liebe auf den ersten Blick und nicht lange nachdem wir uns kennen gelernt hatten, bat er mich, seine Frau zu werden. Ich war so glücklich damals, aber nur ein paar Wochen später wurde er ermordet..." Tränen brannten hinter ihren geschlossenen Lidern, als sie sich an jene schreckliche Nacht erinnerte, in der sie ihm gefolgt war und nur noch die flüchtenden Männer und ihren Verlobten am Boden hatte sehen können. "Ich schwor blutige Rache und nichts zählte für mich mehr, als Rache für das zu üben, was sie Francois angetan hatten - was sie mir angetan hatten. Ich wollte sie für die Lücke bezahlen lassen, die sie in meinem Leben hinterlassen hatten. Und so entschied ich in jener Nacht, in der ich meinen Verlobten verlor, dass es für mich nur einen einzigen Weg gab, mein Ziel zu erreichen." Sie erinnerte sich noch an die Geräusche in der Dunkelheit, als sie neben Francois zu Boden gesunken war und wohl für Stunden geweint hatte, bis sich ein Teil ihres Verstandes zu Wort meldete, ein Teil den man ihr Onkel oft Widerborstigkeit und Starrsinn nannte. Sie war nie gewillt gewesen, dass Los einer Frau zu akzeptieren und weinen würde ihr in dieser Situation nicht helfen. "Ich glaubte, dass Renée zusammen mit Francois in jener Nacht gestorben war - sie war verschwunden, versteht ihr? Man hätte mich besessen nennen können, alles, woran ich denken konnte war der Schmerz und der brennende Wunsch nach Rache. Und so beschloss ich, die Frau hinter mir zu lassen und aus meinem Wesen, aus meiner Persönlichkeit das zu machen, was ich hätte sein können, wäre ich ein Mann gewesen. Ich beschloss, nach Paris zu gehen und den Musketieren beizutreten." Ihre ersten Tage in Paris, Treville, der das Geheimnis des blassen "Jungen" durchschaut und sie trotzdem aufgenommen hatte. "Ich glaube, ihr erinnert euch noch an meine ersten Tage auf dem Übungsplatz, an den Tag, an dem mich Treville zu dir brachte, Athos, um mich auszubilden und ich war ein strebsamer Schüler, nicht wahr? Zuerst war es nur die Rache, die mich antrieb, doch nach und nach begann ich auch zu begreifen, dass ich nicht mehr so begrenzt war durch die Regeln, die die Etikette den Frauen auferlegt. Ich wollte zu Beginn nicht mehr, als so lange bei den Musketieren zu bleiben, bis ich den Mörder meines Verlobten gefunden und zur Strecke gebracht hatte." Krack! ... ein von Rache beherrschtes Wesen, angetrieben von Schmerz und Trauer, dessen Wunden langsam heilten, als sie Freundschaft mit den beiden Musketieren Athos und Portos schloss... "Ich hatte nie vorgehabt, Freunde zu finden." Sie lachte hohl und traurig. "Aber ihr habt es mir einfach unmöglich gemacht, euch nicht zu mögen oder zu vertrauen. So erschien Aramis auf der Bildfläche, der Musketier Aramis, mutig, stolz, manchmal unnahbar, halsstarrig... ein junger Mann, der sich ständig behaupten musste und so gar kein Interesse in den Frauen zeigte, die wir in den Gasthäusern gesehen haben." Wieder verfiel sie in Schweigen, verloren in Erinnerungen. Diesmal forderte sie Claude auf, weiter zu sprechen. Athos schwieg noch immer beharrlich - kein gutes Zeichen. Und D'Artagnon wusste es besser, als sich einzumischen. Sie würde den Teil, in dem er herausfand, dass sie eine Frau war, großzügig umgehen, um ihn nicht auch noch in die verzwickte Situation hineinzuziehen. "Schließlich fand ich den Mörder und übte Rache... aber ich konnte nicht mehr zurück. Ich konnte nicht mehr Renée sein, weil Renée in diesem Sinne nicht mehr zu existieren schien. Und ich konnte mich auch nicht von all den Menschen losreißen, die ich kennen und lieben gelernt hatte. Ich wollte es einfach nicht und wie hätte ich es euch auch erklären können? Und so blieb ich und beschloss die Lüge, die für mich zur Realität zu jedem meiner Tage zu jedem Atemzug geworden war, aufrecht zu erhalten." Den Rest der Geschichte kannten sie und was sie ausgelassen hatte, waren persönliche Dinge, Gefühle, Eindrücke... ihre Gefühle für Athos... hätte sie auch noch das ausgesprochen, wäre die angespannte Stimmung wohl explodiert. "Haltet mich nicht für eine Närrin... ich wusste genau, was mir bei Entdeckung drohte. Inquisition, vielleicht sogar Hochverrat... Täuschung... es gibt so vieles, was man mir vorwerfen könnte. Wäre es nach mir gegangen, hätte ich auch all das nicht so bald aufgegeben, aber anscheinend hatte Treville andere Pläne..." "Was sollen wir deiner Meinung nach jetzt tun?", fragte Athos und seine Stimme klang wütend und gepresst. "Warum fragst du mich danach? Ich habe euch gesagt, ich erwarte nichts von euch." Die Tonlosigkeit ihrer Stimme ließ sogar Athos für einen Moment seinen Zorn vergessen. Ihre geschlossenen Lider hielten die Tränen der Erinnerung noch zurück, aber ein Zittern hatte von ihrem Körper Besitz ergriffen. Athos biss die Zähne zusammen und erst, als sich Portos leise zu Wort meldete, blickte er auf. "Ich glaube, Aramis, Renée oder wie auch immer sie heißen mag, hat uns mehr als einmal bewiesen, dass sie uns ebenwürdig ist und dass sie ebenso gut kämpfen kann wie ein Mann. Sie hat uns zwar getäuscht, aber sie hatte keine bösen Absichten. Ich denke," er gluckste ein wenig, "ich kann darüber hinwegsehen, aber irgendwie... werden mir die Gelegenheiten fehlen, bei denen ich dich mit deinem mangelnden Interesse an Frauen aufziehen kann." "Sie hat uns die ganze Zeit belogen, Portos!", schrie Athos, obwohl er selbst nicht genau wusste, wieso die Wut so heftig aus ihm heraus platzte. Und ohne ein weiteres Wort stürmte er aus dem Raum. "Das lief ja besser als ich erwartet habe.", seufzte sie und rieb sich die Schläfen. Es pochte unter ihrer Schädeldecke und sie fühlte sich unwahrscheinlich müde. "Und was sagst du dazu. D'Artagnon?", fragte Portos schließlich und musterte den jungen Mann. "Mich stört es nicht. Es ist gleichgültig, ob Aramis ein Mann oder eine Frau ist. Im Herzen ist sie ein Musketier." "Du sprichst mir aus der Seele, Kleiner." *** Aramis saß noch immer vor dem Kamin, als sie Portos und D'Artagnon zusammen mit Claude in die Küche begeben hatten, um etwas zu essen, als Athos zurückkehrte. Sie hatte nicht damit gerechnet, ihn nie wieder zu sehen, aber innerlich glaubte sie nicht, schon jetzt bereit für einen weiteren seiner Wutausbrüche zu sein. "Es tut mir leid, dass ich vorhin so wütend geworden bin.", gab er zerknirscht zu und ließ sich in dem Sessel ihr gegenüber nieder. "Ich weiß einfach nicht, wie ich mit dieser Situation umgehen soll." Es war die Wahrheit. Er hatte nicht schreien wollen, insgeheim hatte es ihn beruhigt, dass er, welcher Natur diese Gefühle auch sein mochten, sie für eine Frau entwickelt hatte. Athos schätze, dass man dies Verliebtheit nannte, hatte sich jedoch mit jedem Gedanken dagegen gewährt, sich in einen Mann zu verlieben. Dieses Problem gab es nun nicht mehr. Auch wenn er noch nicht bereit war, ihr das zu gestehen. Es gab einfach zu vieles, dass ihn aufwühlte. Sie hatten so freizügig über alles geredet und sie hatte ihnen ihr Geheimnis nicht früher offenbart. "Ich nehme es dir nicht übel." Sich kicherte sogar ein wenig. "Mich hätte es nicht gewundert, wenn du die Einrichtung kurz und klein geschlagen hättest." Einen Moment lang schwieg sie unsicher. "Einer für alle und alle für einen?", fragte sie unsicher. "Einer für alle und alle für einen.", gab er zurück und brachte sogar ein schwaches Lächeln zu Stande. Es war wenigstens ein Anfang... *** ^-^ Lasst mich wissen, wie ihr es findet! *smile* Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)