Reise ins Unbekannte von Ixana (Ein Breath of the Wild-MSP) ================================================================================ Kapitel 1: Eine außergewöhnliche Begegnung ------------------------------------------ Mein Weg führt mich weiter in Richtung Osten – jedoch hüte ich mich davor, von den deutlich sichtbaren Reisepfaden abzukommen. Zumindest fürs Erste. Die Karte an – vielmehr in – meinem Lederarmband ist schließlich nicht wirklich hilfreich, dazu müsste man sie zuerst einmal lesen können. Egal, wie oft ich versuche, mir einen Reim darauf zu machen, und das Ding anstarre, die Zeichen wollen immer noch keinen wirklichen Sinn ergeben. Das einzig Nützliche ist die Tatsache, dass es mir ‚befestigte‘ Wege anzeigt, wo sich diese gabeln, und so weiter. Ich weiß zudem ehrlich gesagt noch immer nicht, was ich von dieser ganzen Situation überhaupt halten soll. Leise Zweifel kommen auf, ob ich überhaupt gut daran getan habe, einfach loszulaufen. Hätte ich vielleicht einfach genau da sitzenbleiben sollen? Wohl weniger. Statt mich wieder über mich selbst und die bisherigen Entscheidungen zu ärgern, folge ich einfach weiter dem Weg gen Osten und schaue mir die friedvoll-idyllische Landschaft an. Hier und da stehen Bäume auf den satten, grünen Wiesen, zuweilen dringt auch Vogelgezwitscher an meine Ohren.   Wäre ich nicht in dieser überaus bescheidenen Situation, hätte das eine ganz normale Wanderung an einem ganz normalen Tag sein können – aber dem ist leider nicht so. Die ganzen offenen Fragen schlagen doch ziemlich aufs Gemüt, um es freundlich auszudrücken und sehr zu meinem Leidwesen begegne ich niemandem, dem man vielleicht Fragen stellen oder um Hilfe bitten könnte. Weit und breit nur diese idyllische Kulisse; wäre Schloss Hyrule nicht von finsterem...was auch immer umwabert, würde das diese Idylle perfekt machen. So aber bleibt es einige Zeit beim status quo, und bei keiner Seele weit und breit außer ein paar Vögeln am Himmel – bis plötzlich etwas am Wegesrand meine Aufmerksamkeit auf sich zieht. Ich kann es nicht genau einschätzen, wie weit ich gelaufen bin, aber das sich bewegende Rascheln im Gras lässt mich verwundert innehalten und ich bleibe tatsächlich stehen. Wie gebannt folgen meine Augen dem sich bewegenden Gras, das sich definitiv nicht im Wind wiegt, sondern von etwas oder jemandem dazu gebracht wird. Was zur Heuschrecke ist das denn jetzt? Doch hoffentlich nicht... Ich schlucke leicht und mein Mund wird unangenehm trocken. Hier gibt es nicht nur harmlose Tiere, sondern auch nicht so harmlose Kaliber. Gefährliche Kreaturen wie Bokblin oder Oktorok kommen mir da als Erstes in den Sinn und ich schlucke erneut. Mir wird schmerzlich bewusst, dass ich potenziell einem von beiden hier jederzeit über den Weg laufen könnte. Was dann? Kämpfen? Weglaufen? Irgendwas dazwischen?   Die Gedanken finden vorerst ein jähes Ende, als sich aus dem Grad einige Meter entfernt etwas anderes herauslöst. Ein Steppenfuchs. Steppenfüchse gibt es ja auch noch...stimmt... Erleichtert atme ich aus und beobachte das Tier. Es läuft zur Mitte des Weges und so, wie es sich umschaut...sucht es vielleicht nach etwas? Ist das normal? Sicher bin ich mir nicht ganz, aber mein Bauchgefühl sagt mir dass nein. Müsste das Tier nicht eigentlich weglaufen? Eigentlich schon, oder? Sicher bin ich mir beim besten Willen nicht, aber spätestens, als der Fuchs direkt in meine Richtung sieht und die Ohren aufstellt, bin ich einen Moment versucht zu glauben, dass das Tier sicher gleich die Flucht ergreifen wird. Stattdessen passiert etwas Verwunderliches, denn es kommt direkt auf mich zugelaufen. Ich kann nicht anders, als das Ganze mit verwundert gehobenen Augenbrauen zu beobachten, und will dem Tier eigentlich eher aus dem Weg gehen. Nicht weglaufen oder so, einfach nur aus dem Weg, aber es rührt sich rein gar nichts; meine Füße gehorchen mir nicht – egal, was ich versuche. Wie angewurzelt stehe ich also gezwungenermaßen einfach nur da, als der Fuchs vielleicht maximal ein paar Schritte, schätzungsweise einen Meter von mir entfernt stehen bleibt. Was bei allen Grashalmen wird hier gespielt? Das ist doch kein normaler Fuchs...und wieso kann ich mich nicht bewegen? Hallo? Noch mehr Fragen, deren Antworten ich vermutlich erstmal hinten anstellen muss, doch was der Fuchs weiter tut, schlägt zumindest meinerseits dem sprichwörtlichen Fass den Boden aus. Er scheint mich zu betrachten, regelrecht zu mustern und ich meine, dass er seine gelblichen Augen auf eine Art zusammenkneift, die definitiv nichts mehr mit tierischem Verhalten zu tun hat. Dass er sich nun noch hinsetzt und den Kopf leicht neigt, macht das Ganze nicht besser.   „Du bist es, oder?“ Habe ich das gerade richtig gehört? Hat dieser Fuchs soeben...gesprochen? Das...das geht doch gar nicht. Füchse können nicht sprechen, definitiv nicht. Halluziniere ich gerade, habe ich mir vielleicht irgendwo den Kopf gestoßen? Ist das einfach nur ein Traum? Die Realität? Was zum Henker passiert hier gerade?   Wortlos und ungläubig starre ich das hübsche Tier einfach nur an – nicht in der Lage, das gerade irgendwie zu verarbeiten. Sprechende Tiere gibt es nicht – normalerweise. Oder ist das auch meinem lückenhaften Gedächtnis geschuldet? Unwahrscheinlich. Ich atme tief durch und versuche, wieder klar im Kopf zu werden. Nicht, dass das grundsätzlich einfach wäre, die allgemeine Situation macht zudem gefühlt fast alles irgendwie schwerer, als es sein sollte.   Etwas, das sich wie das Schnalzen einer Zunge anhört, sowie ein kurz darauf folgendes Seufzen lässt meine Aufmerksamkeit weiter auf den Fuchs vor mir gerichtet. Noch mehr Dinge, die das Tier eigentlich nicht können dürfen sollte, denn ich selbst habe definitiv nichts gesagt oder getan und hier ist sonst keine Menschenseele. Das Einzige, was hin und wieder aufkommt, ist ein laues Lüftchen, aber sonst...nicht viel. „Da scheint irgendwas schiefgelaufen zu sein“, murmelt der Fuchs und ich meine, es klingt eine Mischung aus Frust und Genervtheit durch. „Du bist nicht ganz bei dir, oder?“, fährt er fort. Nein, bin ich definitiv nicht! Ich weiß gar nichts. Weder wer ich bin, noch wie ich hierher komme oder was ich hier überhaupt soll. Ich rolle mit den Augen und versuche, die Absurdität des Ganzen für den Moment außen vor zu lassen. Mit einem Fuchs zu sprechen wie mit einem menschlichen Wesen... Mein Mund öffnet sich wenig später und eigentlich will ich ihm antworten. Ich merke, dass sich meine Lippen bewegen – oder glaube, dass sie es tun, ihm mitteilen wollen, dass ich gar nichts mehr verstehe und nichtmal mehr weiß, wer ich überhaupt sein soll, aber...es passiert nichts. „...“ Kein Laut verlässt meinen Mund. Weder Worte noch sonst etwas. Nicht einmal irgendeine Art von Geräusch kann ich erzeugen. Kein muh, kein mäh, nicht einmal ein Grunzen oder dergleichen. Was soll das denn jetzt wieder?! Das ist doch vollkommen bescheuert! Meine Hände ballen sich zu Fäusten und ich presse meine Lippen frustriert zusammen, während...ja, der Fuchs noch mehr ungewöhnliche Dinge tut, die überhaupt nicht fuchstypisch sind. Ihm steht das Maul offen und...wirken seine Augen größer? Ich kann es nicht sagen, auch weil ich gerade verdammt nochmal andere Probleme habe.   „Das darf nicht wahr sein …“, murrt er frustriert und faucht gen Himmel. Das Tier verzieht im Anschluss das Gesicht und scheint angestrengt nachzudenken, denn es wird abgesehen von eventuellen Umgebungsgeräuschen still und das gibt meinem Kopf wieder Raum, alles in Grund und Boden zu zerdenken. Will ich mir wirklich über noch mehr Dinge den Kopf zerbrechen, während wir hier herumstehen?   Nicht dass es schon kurios genug ist, einem sprechenden Fuchs zu begegnen oder so, nein...überhaupt nicht. Gaaanz alltäglich, mit Sicherheit. Mal davon abgesehen, dass ich verflucht nochmal keinen Ton rausbringe, kann ich vielleicht anders mit dem ungewöhnlichen Fuchs in Kontakt treten? Spontan fällt mir ein, dass ich ihm eine Nachricht in den Weg kritzeln könnte, und bewege mich unsicher auf ihn zu, bevor ich mich auf den Boden knie und etwas in den erdigen Untergrund schreibe...das gilt doch noch als schreiben, oder?   ‚Weißt du wie ich heiße?‘   Ich wage es nicht, das Tier anzusehen, denn es ist mir unendlich unangenehm, eine solch selten dämliche Frage zu stellen – auch wenn es mir wirklich auf der Seele brennt, zumindest mal einen Namen zu haben. Was mir der jedoch bringen soll, wenn ich noch nichtmal ein Geräusch herausbringe, ist wieder eine andere Frage, über die ich im Moment lieber nicht nachdenken will. Prioritäten funktionieren – glaube ich jedenfalls – nicht so, aber das ist mir in der aktuellen Situation herzlich egal. Meine ungewöhnliche Bekanntschaft scheint immer noch da zu sein und als ich vorsichtig in seine Richtung blicke, muss ich feststellen, dass er seine Ohren hängen lässt. Der Blick, den er mir zuwirft, kann ich nicht eindeutig einordnen, er wirkt etwas zwischen ungläubig und desillusioniert.   „Dein Ernst? Du weißt nicht wie du heißt?“ Ich nicke leicht zur Bestätigung. Selbst wenn ich versuche, mich an etwas in der Richtung zu erinnern, herrscht da einfach nur gähnende Leere, um es freundlich auszudrücken. „Tja, tut mir Leid, ich kann dir da auch nicht helfen“, gibt der Fuchs zur Antwort – und es klingt jetzt nicht so, als würde es ihn irgendwie kümmern. Hätte ja sein können...   ‚Danke trotzdem.‘, kritzele ich darunter und stehe wieder auf, klopfe mich sauber und greife kurz nach dem Ring an der Kette, als könnte der mir irgendwie weiterhelfen – was aber selbstverständlich nicht funktioniert. Aber es beruhigt mich auf eine gewisse Art und Weise, den Ring festzuhalten, wenn mir schon die Erinnerungen großteils entglitten sind wie Sand zwischen den Fingern. Der Fuchs unterdessen stellt sich wieder auf seine vier Pfoten und ich kann ihn durchschnaufen hören, bevor er erneut in meine Richtung sieht. Wie von selbst heben sich meine Augenbrauen fragend. „Ich weiß nicht, was passiert ist, aber es ändert erstmal nichts an meiner Aufgabe. Hör zu, ich bin Charly, ich wurde geschickt um dich hier abzuholen. Ich soll dich zu jemandem bringen, der dringend mit dir sprechen muss.“ Der Ton, den das Tier anschlägt, ist nun ein ganz anderer. Es klingt fast schon...ja, förmlich, wie eine Art einstudierte Rede oder so, dann wendet der Fuchs sich ab und trippelt los. Mich trifft der Blitz der Erkenntnis in dem Moment, da ich feststelle, dass Charly in die gleiche Richtung geht, die ich ohnehin schon eingeschlagen habe.   Ist das nur ein Zufall? Irgendwie will ich nicht so recht daran glauben. Soll ich wirklich weitergehen und meiner ungewöhnlichen neuen Bekanntschaft folgen? Ich bin mir ehrlicherweise nicht sicher, ob das wirklich so eine gute Idee ist, andererseits sind wir sowieso in die gleiche Richtung unterwegs. So recht traue ich dem Braten jedoch nicht – ich kann nicht einmal genau sagen, warum. Es ist mehr so ein ungutes Bauchgefühl, das mich davon abhält, zu viel Vertrauen in Charly zu setzen, als wäre ich zuvor schon einmal zu oft damit auf die Schnauze gefallen. Ob dem jedoch wirklich so ist, weiß ich natürlich nicht. Das ist in etwa so nebulös wie die dunklen Wolken um Schloss Hyrule herum – auch wenn ich insgeheim hoffe, das zeitnah ändern zu können. Und überhaupt, wer hat den Fuchs geschickt und warum? Wer könnte ausgerechnet etwas von mir wollen? Noch mehr Fragen für den Denkapparat auf meinen Schultern, die ich gern verbalisieren würde, damit die Neugierde wenigstens halbwegs befriedigt wird. Aber nunja...das mit dem Sprechen kann ich wahrscheinlich erst einmal gepflegt knicken.   Davon abgesehen werde ich dieses eigentümliche Gefühl nicht mehr los, dass ich Charly doch folgen sollte. Es ist nichts, was ich konkret greifen kann – nicht, dass das mit Gedanken oder Gefühlen in diesem Sinn überhaupt funktionieren würde. Beschreiben lässt es sich nicht, doch die sanfte Frauenstimme, deren Flüstern kurz darauf ertönt, scheint das Ganze nur noch zu bestärken. Es sei wichtig, dass ich Charly folge, lässt sie mich wissen, doch es ist sonst niemand hier, der etwas gesagt haben könnte... Davon abgesehen klingt die Stimme des Fuchses ganz anders.   Warum ist das so wichtig? Wer hat das gesagt? Halluziniere ich schon wieder? Vielleicht ist es auch...nope, meine eigene Stimme ist nach wie vor nicht vorhanden. Kein Ton zu hören, als ich etwas sagen will. Zeit, darüber nachzudenken, habe ich jedoch nicht wirklich – außer dass ich nach wie vor ein wenig damit hadere, wirklich weiterzugehen. Als würde mich eine unsichtbare Hand anschieben, setze ich mich jedoch wie auf Kommando in Bewegung – und lasse das vollkommen überrumpelt einfach geschehen. Mit den Augen rollend ziehe ich das Tempo ein wenig an und folge dem Fuchs schließlich in kurzem Abstand. Wir bleiben dabei kaum stehen, sodass mir keine wirkliche Zeit bleibt, die Landschaft in Augenschein zu nehmen. Auf der anderen Seite gibt es nicht wirklich etwas Neues zu sehen. Da Gespräche meinerseits auch nicht möglich sind, bleibt es eine sehr stille Wanderung, bei der ich einfach nur über meine Situation nachgrüble – und darüber, was Charly mit alldem zu tun haben könnte, oder die geheimnisvolle Frauenstimme von vorhin. Auf einen grünen Zweig komme ich jedoch so überhaupt gar nicht, und dann sind hier auch noch potenziell Monster unterwegs.   „Ich habe das Gefühl, dass nicht nur deine Stimme kaputt ist. Du wirkst generell irgendwie…verwirrt?“, höre ich Charly plötzlich fragen und blicke den Fuchs unschlüssig an. Er hat den Kopf leicht in meine Richtung gedreht. Hier ist mehr kaputt als nur meine Stimme, gefühlt ist gar nichts ganz...von in Ordnung ganz zu schweigen. Ich presse die Lippen zu einem dünnen Strich zusammen und nicke beklommen. Verwirrt trifft es eigentlich ganz gut, auch wenn das noch zu freundlich ausgedrückt ist für meinen Geschmack. Wenn denn zumindest mehr als drei Gedanken oder Erinnerungsfetzen zusammenhängen würden, wäre das wenigstens schonmal ein Anfang.   „Dachte ich mir“, spricht Charly wenig später und wieder scheint sich für einen Moment etwas im Gesicht des Tiers widerzuspiegeln, das eher an einen Menschen erinnert – ein Anflug von Anteilnahme, wenn ich es richtig deute. „Vielleicht kann die Person, zu der ich dich bringe, dir irgendwie helfen“, fügt der Fuchs an und wendet sich wieder nach vorn. Das hoffe ich auch, Charly. Ich hebe nur leicht die Schultern und folge meinem ungewöhnlichen Bekannten weiter den Weg in Richtung Osten entlang – vorbei an vereinzelten Bäumen und Wiesen, sowie hier und da zerfallenen Gebilden, die vielleicht einmal Karren waren. Selbst wenn die Person nicht helfen kann, was will ich groß daran ändern? Mich mit einer nicht vorhandenen Stimme darüber aufregen? Dann musste eben ein anderer Weg der Kommunikation her und wenn es mit Händen und Füßen sein würde. Aber gut, es bringt beim grünen Gras der Hyrule-Ebene absolut nichts, jetzt schon schwarz zu sehen. Stattdessen muss ich das Beste aus dem machen, was mir momentan möglich ist – auch wenn die Zahl besagter Möglichkeiten sehr, sehr eingeschränkt ist.   Während Charly und ich unterwegs sind, wandert die Sonne weiter über den Horizont. Hin und wieder sehe ich vereinzelte Wölkchen. Die Gedanken an potenzielle Gefahren in Form von Monstern bleibt zwar durchaus präsent, rücken aber ein wenig in den Hintergrund, da uns schlicht nichts Gefährliches begegnet. Zumindest ist das der Fall, bis wir schließlich an einer hölzernen Brücke ankommen. Ein bewaffneter roter Bokblin. Auch wenn bewaffnet eher zu viel ausgedrückt ist, den Stock in seiner Hand kann man wohl kaum als Waffe bezeichnen.   Zu unserer Linken erheben sich zudem auf einer Anhöhe die halb verfallenen Ruinen von etwas – vermutlich war es früher mal eine Hütte, in der wir erst einmal Deckung suchen. Na ganz toll...und jetzt? An dem Bokblin kommen wir nicht vorbei, sollen wir hier etwa übernachten? „Na toll“, murrt Charly, den Bokblin beobachtend. „Die nächste Brücke ist zu weit entfernt“, erklärt der Fuchs weiter mit Blick zur Sonne, die bereits sehr tief steht und lange Schatten wirft. Die gelben Augen blicken mich direkt an. „Und nun?“, fragt mein Begleiter weiter und ich blinzele erstaunt. Was fragst du ausgerechnet mich das?! Gna... Ob seine Aussage bezüglich der nächsten Brücke stimmt, kann ich gerade nicht bestätigen, da meine Augen in Richtung des Bokblin wandern, der die hölzerne Brücke auf- und abläuft. Theoretisch gibt es – meiner bescheidenen Meinung nach – zwei Möglichkeiten. Eigentlich drei, wenn man ‚die nächste Brücke finden‘ ebenfalls berücksichtigt. Kämpfen traue ich mir gerade absolut nicht zu. Ich hab keine Lust, als Prügelknabe für dieses Monster herzuhalten... Es muss doch eine Möglichkeit geben, ihn lang genug abzulenken, damit wir beide über die Brücke rennen können. Unterwegs habe ich immer wieder mal Steine aus dem Weg gekickt, vielleicht liegen unten am Wegesrand welche. Langsam und vorsichtig verlasse ich die Deckung, während mir das Herz gefühlt bis zum Hals schlägt. Für einen Moment scheint die offene Konfrontation eine willkommene Alternative zu dem Ablenkungsversuch, aber ich kann hier jetzt schlecht kneifen. Stattdessen suche ich nach einer Handvoll Steine, die groß genug sind, um sie tragen und gut werfen zu können, und kehre schließlich zu Charly zurück, um dem Fuchs die Steine zu zeigen. Mit umständlichen Handgesten versuche ich, meinem tierischen Begleiter den Plan zu ‚erklären‘ und deute dabei auch immer wieder einen Steinwurf an. Anders geht es, mangels passendem Untergrund, gerade nicht – und einfach loszulegen, ohne ihn einzuweihen, erscheint mir nicht richtig. Bleibt nur zu hoffen, dass er auch verstanden hat, was ich vorhabe.   Mit den Steinen in den Händen beobachte ich den Bokblin aus unserer Deckung heraus, um abzuschätzen, wie lange er für einen Weg über die Brücke benötigt und versuche, mir das einzuprägen. Den lästigen Gedanken nach dem Sinn dieser Bokblin-Patrouille wegschiebend, schlucke ich schwer und schleiche mit den Steinen in den Händen aus der Deckung in gebückter Haltung zu einem Baum unweit der Brücke, wo ich erst einmal warte und mich möglichst nicht bewege. Je länger das ganze Vorhaben ‚Brücke überqueren‘ dauert, desto mehr beschleicht mich das ungute Gefühl, dass das sowieso nichts werden wird und...nein, Schluss aus. Es gibt sehr wohl eine andere Möglichkeit als kämpfen, um diese Kreatur von der Brücke zu bekommen.   Vorsichtig lege ich die Steine am Baumstamm ab – bis auf einen, den ich gleich brauchen werde. Mein Wurfziel liegt bei einer Baumgruppe gegenüber der Anhöhe und ich zähle die Zeit herunter, was mit einem gehörigen Anflug von Nervenflattern in Kombination mit negativen Gedanken über mögliche Ausgänge dieses Vorhabens gar nicht so einfach ist. Der erste Stein fliegt deswegen auch etwas zu spät auf die gegenüberliegende Seite, ebenso wie der zweite. Immerhin scheint es den Bokblin aber kurz zum Innehalten gebracht zu haben. Also gut, der nächste muss sitzen, ich hab nur noch drei Versuche. Und wenn die aufgebraucht sind, so mein weiterer Gedanke, würde ich das Monster einfach versuchen von der Brücke zu schubsen – oder eben doch kämpfen. Das hängt jetzt alles davon ab, ob meine Zielsicherheit aufgrund der allgemeinen Nervosität nicht versagt. Der nächste Stein wird vorsichtig aufgehoben und ich packe ihn etwas fester, bevor ich ihn mit Schwung in Richtung der Bäume werfe. Der Bokblin hat sich gerade wieder einmal für eine neue Runde über die Brücke umgedreht, hält jedoch grunzend inne und wendet sich dem Geräusch zu. Komm schon...bitte...geh einfach hin...sei brav. Angespannt presse ich meine Lippen zusammen und beobachte die Kreatur, die langsam in Richtung der Baumgruppe watschelt, um dem Geräusch nachzugehen. Das ist die Chance! In der Hoffnung, dass Charly das Ganze mitverfolgt hat, stolpere ich hinter dem Baum hervor den kurzen Rest des Abhangs hinunter und fange an zu rennen. Dass mein rechtes Handgelenk anfängt zu leuchten, ist mir gerade egal; ich habe momentan verdammt nochmal keine Zeit dafür. Ich – wir – müssen über diese verdammte Brücke. Schnell. Sehr, sehr schnell.   Als wäre der Bokblin persönlich hinter mir her, gebe ich Fersengeld und sprinte über die Holzplanken – und sicherheitshalber noch ein ganzes Stück weiter, dem Weg rechtsherum folgend. Das Herz schlägt mir unterdessen weiter bis zum Hals – als rechnete ich jeden Moment damit, dass das Monster doch die Verfolgung aufnimmt. Jetzt habe ich nach der Rennerei auch endlich Zeit, während der Verschnaufpause mein wundersames Armband genauer anzusehen, das eben noch geleuchtet hat. Der seltsame grüne Kreis ist gar kein Kreis mehr, sondern hat abgenommen. Was hat das denn zu bedeuten? Macht es wirklich Sinn, ausgerechnet darüber nachzudenken, statt froh zu sein, die Brücke überquert zu haben? Nicht wirklich, aber im Auge behalten werde ich das Armband trotzdem. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)