Zum Inhalt der Seite

Four Soulmates in an Other World

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Mitbewohner

„Eines Tages wird man offiziell zugeben müssen, dass das, was wir Wirklichkeit getauft haben, eine noch größere Illusion ist als die Welt des Traumes.“
 

Salvador Dali
 


 


 

♥♦♣♠
 


 

Liebes Tagebuch,
 

vor einiger Zeit habe ich endlich einen Mitbewohner für das Studentenapartment gefunden. Sein Name ist Vanitas. Ungewöhnlich, nicht wahr? Ich frage mich wie seine Eltern darauf gekommen sind, aber er redet nicht gerne über seine Eltern.

Eigentlich redet er immer nur über das Online-Spiel, durch das wir uns kennengelernt haben. Es heißt „Vampires of Astermite“. Dabei muss man gefährliche Vampire töten, aber die Gewalt darin hat mir nicht besonders gefallen. Deswegen will ich mich in meinen Streams wieder mehr auf Städtetouren konzentrieren. So lerne ich Paris gleich viel besser kennen.

Vanitas streamt ebenfalls auf Y-tube und ist dabei sehr erfolgreich. Er verdient damit sogar etwas Geld. Die Leute scheinen es zu mögen, wenn er alle möglichen Online-Spiele spielt und sich dabei aufregt. Nur in Otome-Games ist er nicht besonders gut.

Vanitas ist 18, also ein Jahr jünger als ich, aber er studiert bereits im ersten Semester Medizin. Er muss sehr schlau sein und –
 


 

„NOÉ!“, keifte eine bekannte Stimme an der Wohnungstür, gefolgt von einem leisen Poltern. „Wie oft muss ich dir noch sagen, dass du deinen Rucksack nicht hinter der Tür liegen lassen sollst?!“
 

Der angesprochene klappte sein Tagebuch zu. „Entschuldige bitte, Vanitas.“ Das Tagebuch verschwand in einem Stapel anderer Bücher auf dem Schreibtisch, als Vanitas schließlich in der Tür zu Noés Zimmer stand und ihn leicht angesäuert ansah. „Du kommst aber spät heute.“, bemerkte Noé
 

Vanitas, der immer noch genervt drein blickte antwortete mit schnippischem Ton: „Manche müssen für ihr Geld arbeiten gehen, weißt du?“
 


 

Der junge Medizinstudent schien immer ein wenig beleidigt darüber zu sein, dass Noés Adoptivvater ihm das Studium und die Wohnung finanzierte. Warum genau das so war, konnte Noé nicht ganz einordnen. Immerhin musste Vanitas auf diese Art nur einen wesentlich geringeren Teil der Miete zahlen und hatte es eigentlich gar nicht nötig neben dem Streamen noch einen weiteren Job anzunehmen. Noé hatte nur nach einem Mitbewohner gesucht, um Gesellschaft zu haben. Das Geld war ihm egal.
 


 

Zugegebenermaßen war es schwierig gewesen, bei so einem guten Angebot einen Mitbewohner zu finden, der auch vertrauenswürdig war. Aber obwohl Vanitas auf den ersten Blick wie ein ungehobelter Kerl daher kam, der Menschen gerne manipulierte, hatte Noé bei ihm ein Gefühl der Vertrautheit gespürt. Etwas das ihm sagte, Vanitas würde seine Freundlichkeit nicht ausnutzen.
 

Der schwarzhaare junge Mann faszinierte Noé wahrlich. Er schien immer ein festes Ziel vor Augen zu haben, arbeitete hart für sein Studium, den Job und die Onlinekarriere und es war für Noé schleierhaft wann er eigentlich schlief. Meist war Vanitas schon vor ihm auf den Beinen und später im Bett und obwohl er sich ständig beschwerte, kochte er für Noé und half ihm sogar nach Hause zu finden, wenn er sich einmal wieder in Paris verirrt hatte.

Eine Sache, die für Noés Onlinezuschauer beinahe schon ein Running-Gag war.
 

Er konnte viel und verstand es gleichzeitig von seinen Schwächen abzulenken. Generell schien es als ob Vanitas viel verbarg. Dinge, die schmerzlich waren. Als sie sich zum ersten Mal im realen Leben trafen, kam es Noé vor als müsste er unbedingt auf ihn aufpassen. Ähnlich wie Domi immer auf Noé aufpasste.
 


 

„…é …oé.“
 


 

Plötzlich spürte er wie ein hartes Stück Papier seinen Kopf traf.
 

„Erde an Noé!“
 

Verdutzt sah Noé zu Vanitas auf, der nun direkt vor ihm stand und ihn mit einer Zeitschrift auf den Kopf geschlagen hatte.
 


 

„Du bist schon wieder mit dem Kopf in den Wolken.“, schnaufte Vanitas.
 

„Entschuldige, was hast du gesagt?“
 


 

Vanitas rollte mit den Augen. Irgendwie konnte er Noé nicht lange böse sein. Warum genau so war, wusste er nicht. Normalerweise konnte er die meisten Menschen nicht leiden. Vor allem nicht, wenn sie sorglos waren und die Augen vor der Realität verschlossen. Aber Noé war so treudoof, dass man wohl einfach nichts zu befürchten hatte, wenn man sich mit ihm einließ.
 

Als Vanitas sich auf dieses Wahnsinns Wohnungsangebot irgendeines Onlinespielers eingelassen hatte, hatte er mit allem gerechnet, sogar mit sexueller Belästigung, aber bestimmt nicht damit einen jungen Mann im gleichen Alter zu finden, der wirklich nur nicht alleine wohnen wollte und erst recht nicht, dass er als Mitbewohner angenommen werden würde. Dass er nicht der entspannteste Zeitgenosse war, wusste er immerhin selbst all zu gut.
 


 

„Ich habe uns Essen aus dem Bistro mitgebracht. Also komm in die Küche, ich muss heute noch streamen.“
 

Noé schüttelte leicht den Kopf, folgte Vanitas aber sofort in die Küche an den Esstisch. Wie konnte man nur so ein Workaholic sein? Aber vielleicht verschaffte das Spielen ihm ja einen Ausgleich. Viele Kontakte hatte Vanitas schließlich auch nicht. Da fiel ihm ein…
 


 

„Hast du auf Arbeit wieder mit dieser älteren Studentin geredet? Jeanne?“, fragte Noé, als er sich an den Tisch setzte.
 

Vanitas begann zu grinsen. „Ist da jemand neugierig?“
 

„Nein, absolut nicht.“, erwiderte Noé unverblümt. „Aber mir ist eingefallen, dass ich sie kenne. Sie passt manchmal auf Domis Cousin Luca auf.“
 

„Aha! Du willst uns also verkuppeln!“, platze Vanitas heraus, während er sich halb über den Tisch beugte und Noé schelmisch angrinste.
 

„Träum weiter.“, schnaufte Noé, während er sein Essen auspackte. „Nein, ich denke nur, dass es Domi gar nicht gefallen wird, dass du ihre Freundinnen anbaggerst. Was magst du überhaupt an Jeanne? Du kennst sie doch kaum. Ihr hattet erst zwei gemeinsame Schichten im Café.“
 


 

Vanitas lehnte sich auf dem Stuhl zurück und schien zu überlegen. „Ist das nicht klar? Sie hat ein hübsches Gesicht. Sie ist stark, fürsorglich und hat einen riesigen Vorbau… Außerdem ist es süß, dass sie sich so leicht ärgern lässt.“, fuhr Vanitas fort.
 

Noé errötete ein wenig bei Vanitas‘ Beschreibung, aber sah ihn eher irritiert an. „Aber sie wird sich doch nicht in dich verlieben, wenn du sie ständig nur aufziehst, oder?“
 

„Das muss sie auch nicht. Nur, weil ich sie mag, heißt das ja nicht, dass sie mich auch zurück mögen muss.“, Vanitas sah nachdenklich aus dem Fenster. „Ich habe nämlich keinerlei Interesse an einer Person, die sich in jemanden wie mich verlieben würde.“
 


 

Ein Klirren.
 


 

Starr sah Noé auf die Gabel am Boden, die ihm zu soeben aus der Hand gefallen war. Wieso hatten Vanitas‘ Worte ihn plötzlich so aus dem Konzept gebracht? Er hatte sie doch schon irgendwo einmal… War das ein Déjà-vu?
 

Vanitas wendete verwirrt den Kopf zu Noé, der seine Gabel noch immer nicht wieder aufgehoben hatte. „Alles in Ordnung?“
 

Noé konnte nur nicken, während er die Gabel wieder aufhob und sie säuberte, ehe er langsam zu essen begann.
 

Dieses Gefühl sich an irgendetwas Wichtiges erinnern zu müssen, hatte er immer wieder in Vanitas‘ Nähe gehabt. So als hätte er etwas Wichtiges vergessen. Aber was? Hat nicht jeder irgendwann mal das Gefühl, dass sich ein Ereignis wiederholt? Womöglich hatte schon einmal jemand diesen Satz in einem Film gesagt? Er konnte sich nicht erinnern und irgendwie bereitete das Grübeln ihm Kopfschmerzen. Also versuchte er sich abzulenken.
 


 

„Morgen mache ich wieder eine Stadttour.“, erzählte Noé zwischen zwei Bissen und konnte noch bevor er aufsah förmlich spüren, wie Vanitas mit den Augen rollte. Er stellte sich offensichtlich schon wieder darauf ein Noé suchen zu müssen.
 

Der Orientierungssinn des weißhaarigen Geschichtsstudenten war wirklich schlecht. So musste es irgendwie sein. Denn obwohl Noé viele Ecken und Gebäude in Paris seltsam vertraut vorkamen, verirrte er sich immer wieder auf’s Neue.
 

„Mach das bitte nach meiner Vorlesung.“, grummelte Vanitas in sich hinein.
 

Nun war Noé es, der breit grinsen musste. Vanitas war nicht verpflichtet Noé im Fall des Falles suchen zu gehen, aber er stellte sich trotzdem darauf ein. Er war ein Mensch dessen Taten lauter sprachen als Worte. Auf seine ganz eigene verschrobene Art war Vanitas ein guter Kerl und das mochte Noé an ihm.

Vielleicht konnte aus ihrer Wohngemeinschaft doch noch eine enge Freundschaft wachsen.
 

„Ich bin jetzt in meinem Zimmer für den Stream. Stör mich nicht“, sagte Vanitas während er aufstand und seine Teller zum Waschbecken trug. „Ach ja.“, fügte er mit einem gehässigen Grinsen an. „Du bist dran mit spülen.“
 

Mit einem schmollenden Gesichtsausdruck sah Noé Vanitas nach, der kichernd in seinem Zimmer verschwand, ehe er sich daran machte das Geschirr zu reinigen.
 

Bevor er das Wasser anmachte, strich er sich über beide Hände. Woher hatte er diese Angewohnheit nur? Er trug doch gar keine Handschuhe.

Wie ein zu Hause

„Der Traum ist der beste Beweis dafür, dass wir nicht so fest in unsere Haut eingeschlossen sind, als es scheint.“

Friedrich Hebbel

 

♥♦♣♠

 

 

 

Als Noé die Augen öffnete konnte er die hohe Decke eines Hotelzimmers sehen. Alles wirkte noch ein wenig trüb durch die Müdigkeit. Er blinzelte mehrmals und drehte langsam den Kopf zur Seite. Lag er auf dem Boden? Wo befand er sich überhaupt? Sein Blick schweifte durch das Zimmer und nahm eine altmodische Einrichtung war. Die Tür öffnete sich.

Im Türrahmen stand Vanitas, der ihn wie immer mit einem leicht genervten Blick bedachte. Doch irgendetwas war anders an ihm als sonst. Er trug seltsame Kleidung, wie aus dem 19. Jahrhundert entsprungen, dazu einen riesigen Ohrring und… Sein Pferdeschwanz war länger als normalerweise? War das der Vanitas, den er kannte?

 

„Noé, bist du schon wieder aus dem Bett gefallen?“, seufzte Vanitas. „Du bist doch kein Kind mehr.“

 

Die Stimme war wie sonst auch. Nur der Dialekt weichte leicht ab.

Noé setzt sich langsam auf und rieb sich die Augen. „Ich schlafe nun mal sehr tief. Ich kann nichts dafür.“, hörte er sich selbst sagen, als sei es das selbstverständlichste auf der Welt, in einem fremden Hotelzimmer aufzuwachen und von einem verkleideten Vanitas angemault zu werden.

Vanitas hockte sich vor ihn und sah ihn zweifelnd an. „Ihr Vampire habt es wohl nicht nötig nachts wachsam zu bleiben.“, murmelte er.

Vampire? Wovon sprach Vanitas da? Und wieso reagierte er selbst nicht darauf? War das hier ein Theaterstück?

Er hörte Vanitas erneut tief seufzen. „Ich muss nochmal in die Bibliothek für meine Vampirstudien. Ich hoffe du bist angezogen bis ich wieder da bin.“

 

 

 

 

Es klopfte.

 

Als Noé, von dem Geräusch geweckt, die Augen aufschlug konnte er die Decke seines Studentenzimmers sehen. Er blinzelte mehrmals verwirrt und setzte sich langsam auf.

Das war also ein Traum gewesen. Aber Vampire? Hatte er mal wieder zu viel Tarte Tatin gegessen, um so einen Schwachsinn zu träumen?

 

Da er nicht auf das Klopfen reagiert hatte, öffnete sich die Tür nun von selbst. Dahinter stand Vanitas, der ihn leicht genervt ansah.

 

„Bist du schon wieder aus dem Bett gefallen, Noé?“, seufzte der schwarzhaarige junge Mann. „Du bist doch kein Kind mehr.“

Noé starrte ihn stumm an. Hatte er schon wieder ein Déjà-vu?

„Ich…. Schlafe halt tief…“, stammelte Noé langsam. Er konnte absolut nicht reagieren, als Vanitas langsam auf ihn zu kam und sich zu ihm hockte.

 

„Ein sorgloser Kerl wie du, schläft wohl wie ein Stein.“, murmelte Vanitas, ehe er in normalem Tonfall fortfuhr: „Ich muss nochmal in die Bibliothek für meine Medizinstudien. Ich hoffe du bist angezogen bis ich wieder da bin. Vergiss nicht, dass Dominique noch vorbeikommen wollte.“

 

Noé nickte wie in Trance. Was ging hier vor? Wurde er langsam verrückt? Es konnte doch nicht sein, dass er jetzt schon von Sachen träumte bevor sie geschahen.

Er betrachtete Vanitas eingängig.

Statt der riesigen Sanduhr am Ohr trug er seine normalen Steckerohrringe, statt Weste und Krawatte einen gemütlichen Hoodie, fingerlose Baumwollhandschuhe, statt langen schwarzen aus Leder und sein Haar war etwas kürzer als in Noés Traum.

Ja, das war der Vanitas, den er kannte.

 

Ein plötzlicher Schmerz riss Noé aus seinen Gedanken. Vanitas hatte ihm gegen die Stirn geschnipst und sah ihn sauer an. „Hör auf ständig zu träumen!“, grummelte Vanitas genervt, ehe er sich wieder der Tür zu wandte. „Wir sehen uns später.“

Als Vanitas die Wohnung verlassen hatte, sah Noé ihm noch lange nach. In letzter Zeit war sein Mitbewohne ständig gereizt. Meistens verhielt Vanitas sich so, wenn er zu wenig Schlaf abbekam. Ob das Studium gerade besonders stressig war?

 

 

 

Es war bereits Mittag, als Noé endlich fertig geduscht und angezogen war. Glücklicherweise hatte er heute keine Vorlesungen. Er musste sich heute Abend ganz auf die Bearbeitung einiger Videos aus dem Stream konzentrieren.

Vor kurzem war er zu einem großen Event für bekannte und weniger bekannte französische Y-tuber eingeladen worden und sollte dafür einen Trailer zu seiner Arbeit einreichen. Den musste er unbedingt noch fertig bekommen, bevor die Klausurenphase begann. Er schmunzelte ein wenig bei dem Gedanken, wie sauer Vanitas darüber gewesen war, dass er trotz größerer Zuschauerzahlen noch keine Einladung bekommen hatte. Noé öffnete die Email, die alle wichtigen Informationen zur Veranstaltung enthielt. Der Veranstalter nannte sich Lehrmeister Germain.

 

 

Seltsam wie er dabei an seinen Adoptivvater denken musste.

 

Als Noé klein war, hatte sein Vater sich gerne als seinen Lehrmeister bezeichnet. Es kam ihm wohl seltsam vor sich Vater zu nennen, wo er doch gleichzeitig bereits Großvater leiblicher Kinder war. Andererseits musste er damals sehr früh Vater geworden sein und auch jetzt sah er immer noch ausgesprochen jung für sein Alter aus. Einige Falten zierten jetzt sein schlankes Gesicht und sein Haar war weiß geworden, aber dennoch… Seine Ausstrahlung war die eines jungen Mannes geblieben.

 

Vielleicht passierte das einfach, wenn man sich viel um Kinder kümmerte? Dominique, die Enkelin seines Vaters, war damals ständig zu Besuch, um mit Noé zu spielen. Eine tolle Zeit. Auch jetzt noch waren sie beste Freunde.

 

„Also in einem kann ich diesen Blödmann Vanitas echt verstehen. Du musst öfter aufräumen, Noé. Dein Zimmer sieht furchtbar aus.“, schimpfte Dominique hinter seinem Rücken während sie einige Kleidungsstücke zusammensammelte, die auf dem Boden verteilt lagen.

 

Noé errötete als er sah wie sie seine Schmutzwäsche aufsammelte. „Domi! Das kann ich selbst!“, erwiderte er als er ihr die Kleidung abnahm und sie schnell in einen Korb stopfte.

 

Die Angesprochene schüttelte verständnislos den Kopf. „Ich verstehe ja, dass du gerade viel zu tun hast, aber du musst wenigstens dein Zimmer in Ordnung halten. Schlimm genug, dass der Gnom den ganzen Rest an Hausarbeit für dich erledigt. Kein Wunder, dass auch dein Kopf so durcheinander ist.“

 

Noé sah Dominique zweifelnd an. Warum nur bezeichnete sie Vanitas immer wieder als Gnom? Zugegeben war er selbst mehr als einen halben Kopf größer als Vanitas, aber Vanitas und Domi waren beinahe gleich groß.

„Tut mir leid, Domi. Ich gebe mir mehr Mühe.“, lächelte Noé versöhnlich, ehe er den Computer herunterfuhr und einige Notizen aus der Schreibtischschublade herausnahm. „Danke, dass du mir in Englisch hilfst. Ohne dich würde ich das Semester nicht schaffen.“

 

Sie setzten sich und Dominique holte ein paar Hefter aus ihrer Tasche. „Schon gut. Englisch fällt mir leicht. Und ehrlich gesagt wollte ich mit dir noch über etwas anderes reden.“ Sie sah ihn ernst an. „Über Vanitas. Ich will, dass er Jeanne in Ruhe lässt.“

Noé seufzt und lies die Schultern hängen. Er hatte geahnt, dass dieses Gespräch kommen würde. Aber was sollte er denn dagegen machen? Er war doch nicht Vanitas‘ Erziehungsberechtigter und obendrein schien Jeanne das einzige zu sein, was den Medizinstudenten in seinem Alltagstrott ein wenig aufheiterte. Oder zumindest ihre Anfälligkeit für Neckereien. In jedem Fall schien diese Bekanntschaft Vanitas von irgendetwas negativem abzulenken.

 

„Was soll ich tun? Er hat sich nun einmal in sie verguckt. Wenn Jeanne kein Interesse an ihm hat, muss sie das sagen.“, merkte er beinahe gleichgültig an.

Dominiques Gesicht verzog sich zu einer zornigen Grimasse. „Er hat sich nicht ‚verguckt‘!“ maulte sie. „Er belästigt sie einfach nur! Neulich hat er ihr angeboten sich ihren Namen auf den Hals tätowieren zu lassen!“

Der Geschichtsstudent vor ihr lächelte schief. „Ja, er übertreibt manchmal ein bisschen, aber ich glaube nicht, dass er das ernst gemeint hat. Im Grunde seines Herzens ist er ein guter Kerl.“

 

Jetzt zog Dominique einen Schmollmund. „Ich glaube es nicht, dass du ihn auch noch verteidigst! Was wenn er Jeanne etwas antut?“ Noé sah sie ungläubig an. „Du sagtest Jeanne hat einen schwarzen Gürtel in zwei Kampfsportarten. Ich glaube nicht, dass so ein schmächtiger Mann wie Vanitas ihr gefährlich werden kann.“

 

Ergeben legte Dominique die Hände in ihr Gesicht. „Ich gebe es auf. Du willst mich einfach nicht verstehen.“

Er hob eine Augenbraue an und sah skeptisch zu ihr. Domi war manchmal wirklich dramatisch. Vanitas war tief in seinem Herzen ein guter Mensch und Noé konnte sich einfach nicht vorstellen, dass er Jeanne anfassen würde, selbst wenn er ein freches Mundwerk hatte.

 

Je mehr er über die beiden nachdachte, desto mehr spürte er dieses komische Gefühl in seiner Magengegend. Auch als Domi ihm Jeanne das erste Mal vorgestellt hatte, hatte er dieses gleiche seltsame Gefühl wie bei Vanitas. Als würde er sie bereits kennen. Das ließ ihn nicht los.

 

„Woher kennst du Jeanne eigentlich? Kannst du mir ein bisschen mehr über sie erzählen?“

 

Sein letzter Satz ließ Dominique erstarren. Sie sah ihn verwirrt an, und fast schon ein wenig… verletzt?

 

„Was… Was willst du denn über sie wissen?“

 

Noé schien zu überlegen.

„Naja… Zum Beispiel…“ Ihm fiel etwas ein. „Wie sie es geschafft hat, Vanitas für sich zu begeistern! Ich versuche schon seit einem halben Jahr mit diesem Blödmann ein vernünftiges Gespräch zu führen, um ihn besser kennenzulernen, aber er blockt immer nur ab und zeigt mir die kalte Schulter! Es ist so unfair, dass Jeanne ihm schon viel näher ist als ich!“

 

Domi musterte ihn mit einem fassungslosen Blick. „Noé, du bist wirklich… So ein Idiot!“

Noé quiekte auf. Domi hatte sich plötzlich auf ihn gestürzt, um ihn zu kitzeln. Lachend krümmte er sich auf seinem Stuhl.

 

„Domi, hör auf! Ich bin kitzlig!“

 

Er hielt inne als er plötzlich ihre Lippen auf seiner Wange spürte. Sie hatte aufgehört ihn zu kitzeln. Sein Gesicht nahm eine wärmere Farbe an. Irgendwie machte es ihn verlegen, wenn sie ihn plötzlich so küsste. Sie waren doch keine Kinder mehr…

 

Aber Domi schaffte es immer, dass er sich wohl und erleichtert fühlte. Also nahm er sie fest in den Arm, um ihren Geruch einzuatmen. Ihre Nähe war für ihn wie ein zu Hause. Denn immerhin kannte er sie wirklich schon sein Leben lang.

Als er sich von ihr löste sah er in Domis Gesicht, die plötzlich unerklärlich rot geworden war. „Lass uns mit den Englischhausaufgaben anfangen.“, grinste er.

Sein kleiner Bruder

„Man schließt die Augen der Toten behutsam; nicht minder behutsam muss man die Augen der Lebenden öffnen.“

-       Jean Cocteau

 

♥♦♣♠

 

 

Der feste Griff um das Papier in seiner Hand schwand, als Vanitas seinen Blick immer wieder über die gleichen Zeilen schweifen ließ. Das Zimmer in dem er sich befand, nahm er schon nicht mehr wahr. Eine kalte Glut sammelte sich in seine Brust, schnürte sie zusammen und breitete sich im Rest seine Körper aus. Er blinzelte als seine Sicht verschwamm... Er musste etwas überlesen haben.

 

 

„... müssen wir Ihnen mitteilen, dass wir Ihnen das Sorgerecht für Mikhail derzeit nicht übertragen können...“

 

 

Seine Finger umklammerten das Papier wieder fester, brachten es zum knistern. Sein Kiefer spannte sich an und presste seine Zähne schmerzhaft aufeinander.

Derzeit? Was bedeutete das denn? Doch nur, dass sie ihm absolut nicht zutrauten sich um seinen kleinen Bruder zu kümmern. Oder lag es daran, dass er und Misha nicht blutsverwandt waren? Durften sie deshalb nicht zusammen sein?

Er schob das Papier beiseite und stützte sich mit beiden Ellenbogen auf seinen Schreibtisch, das Gesicht tief in den Händen vergrabend. Seine Finger krallten sich schmerzhaft in seinen Haaransatz.

 

 

Wieso war er so fertig? Es war doch von Anfang an klar gewesen, dass er Misha nicht einfach mitnehmen konnte. Vanitas war gerade einmal achtzehn Jahre alt, sein Studium war noch lange nicht beendet und er besaß nicht einmal eine eigene Wohnung, geschweige denn ein Zimmer für Misha. Wie war er überhaupt auf die Idee gekommen ihn jetzt schon zu sich holen zu wollen? Es gab absolut keine Chance ihn zu adoptieren. Also wieso...?

 

 

Weil er den Gedanken nicht mehr ertragen konnte seinen kleinen Bruder weiter ständig wechselnden Fremden anzuvertrauen.

Zumindest nannte er ihn immer noch seinen kleinen Bruder. Aber im Grunde waren sie nicht verwandt.

 

Seine Mutter hatte Vanitas bereits bei seiner Geburt verloren und sein völlig überforderter Vater zeigte die Liebe, die er trotz dessen für seinen Sohn empfand erst dann, als er Vanitas vor einem rasenden Auto rettete und dabei ums Leben kam.

Das war das erste und einzige Mal, dass Vanitas das Gefühl hatte von seinem Vater geliebt zu werden.

Vanitas... Was für ein grässlicher Name. Dieser Mann hatte keinen Hehl daraus gemacht, dass er seinen Sohn für den Tod seiner Frau verantwortlich machte.

 

 

Nach diesem Ereignis lebte Vanitas ein paar Jahre unter der Obhut der Kirche, bis sich das erste Mal jemand dazu entschied ihn zu adoptieren. Ein gewisser Doktor Moreau.

 

 

Mikhail (der von Anfang an nur „Misha“ genannt werden wollte) und er wurden etwa zur gleichen Zeit von dem Doktor aufgenommen und während Vanitas selbst ein eher zurückhaltender Junge war, hatte Misha ihn sofort ins Herz geschlossen und wich nicht mehr von der Seite seines „großen Bruders“.

Ein Fakt, der ihm noch das Leben retten würde, wie sich später herausstellte. Denn Moreau war alles andere als ein kinderlieber selbstloser Adoptivvater.

 

Er war ein Psychopath, der das damals instabile und korrupte Pflegesystem ausnutze, um Kinder zu misshandeln.

Ursprünglich war er Wissenschaftler im Bereich der Humangenetik gewesen. Doch nachdem ihm aufgrund unethischen Handelns die Lizenz entzogen und der Doktortitel aberkannt wurde, suchte Moreau sich einfach seine eigenen Forschungsobjekte.

Da seine kinderlose Tante Moreau mit einer großzügigen Erbschaft bedacht hatte, hatte dieser Verrückte Geld und Zeit genug sich seinen „Forschungen“ hinzugeben.

 

 

Vanitas schauderte, als er an diese Zeit zurück dachte. Reiche konnten sich wirklich alles erlauben.

 

 

Mehr als einmal wäre er fast gestorben, als Moreau ihn ohne Betäubung aufschnitt oder ihm abgelaufene Medikamente verabreichte. Mehr als einmal wäre Misha, der damals noch viel jünger war, wirklich tot gewesen, hätte Vanitas sich nicht dazu bereit erklärt die für ihn vorgesehenen Experimente zu übernehmen.

 

 

Vanitas krallte sich fester in sein Haar. Tränen brannten heiß hinter seinen geschlossenen Lidern, als er Review passieren ließ, was sie alles gemeinsam durchgemacht hatten.

 

Nachdem endlich jemand den Missbrauch der Kinder bemerkte, wurden Misha und Vanitas von einer Pflegefamilie in die die andere geschoben. Wenigstens hatte man davon abgesehen sie wieder zu trennen, nachdem sie einander so lieb gewonnen hatten.

 

 

Als Vanitas fünfzehn und Misha neun Jahre alt war, dachten sie endlich einen Ort zum bleiben gefunden zu haben. Eine echte Familie. Doch die Person, die sie beide aufgenommen hatte, Luna, wurde nach zwei Jahren schwer krank und verstarb.

Das war der Moment gewesen in dem Vanitas es nicht mehr aushielt. Er setzte alles daran sich frühzeitig für volljährig erklären zu lassen und ein eigenes Leben zu beginnen. Fest entschlossen Misha irgendwann nachzuholen.

Als Arzt würde er genug Geld verdienen um ihnen beiden ein gutes Leben ermöglichen zu können. Dafür arbeitete er jeden Tag hart. Er wollte es unbedingt schaffen. Genug Geld anhäufen, um Misha schnell aus allem dort raus zu holen. Aber wie?

 

 

Der Chef im Café hatte gedroht ihn raus zu werfen, da er ständig übermüdet zur Arbeit erschien; in letzter Zeit andauernd gequält von seltsamen Träumen.

 

Durch die niedrige Miete, die Noé von ihm nahm und die Einnahmen aus den Livestreams konnte Vanitas sich selbst und sein Studium locker finanzieren. Aber er brauchte mehr. Viel mehr, um...

 

 

Es klopfte.

 

 

„Geh weg, Noé!“, fauchte er, die Stimme bei weitem nicht so verärgert wie er es gerne gehabt hätte. Er wusste genau was sein Mitbewohner von ihm wollte, aber er hatte keine Lust zu reden. Dieser verwöhnte Bengel würde ihn ohnehin nicht verstehen. Seine Adoption war wie im Märchen verlaufen.

 

 

Besorgt betrachtete Noé die geschlossene Tür vor seinen Augen. Auch wenn Vanitas schon immer launisch war, sah es ihm nicht ähnlich sich tagelang nicht blicken zu lassen und soweit Noé es mitbekam, hatte der ohnehin schlanke Medizinstudent auch kaum etwas gegessen.

 

 

„Ich komme jetzt rein, Vanitas.“, bestand Noé und öffnete die Tür. Er konnte gerade noch einem Buch ausweichen, welches in seine Richtung flog.

„Ich hab' gesagt verschwinde!“, brüllte Vanitas ihn an, der sich inzwischen von seinem Schreibtischstuhl erhoben hatte und schon das nächste Buch in der Hand hielt.

So langsam reichte es Noé mit seinen Wutausbrüchen.

 

„Sag mal, hast du sie noch alle?!“, motzte er zurück und ging unbeeindruckt auf Vanitas zu, um ihm das zweite Buch aus der Hand zu reißen.

„Ich mache mir nur Sorgen um dich! Was ist denn eigentlich los mir dir? Ist es weil du Ärger auf Arbeit hast? Ich habe dir doch gesagt, du kannst eine Miete aussetzen. Das ist wirklich nicht -

 

 

„Sei still!“, fuhr Vanitas ihm über den Mund. „Versuch nicht mich mit deinen Vermutungen zum reden zu bringen!“

Wie aus dem Konzept gebracht, hielt Noé einen Moment inne. Ihm war als hätten sie so einen Streit schon einmal gehabt.

Vanitas nutze sein Zögern, um ihn weiter anzufahren. „So ein verwöhnter, reicher Naivling wie du versteht niemals, wie ich mich fühle! Ich hasse solche Typen wie dich! Bald bin ich sowieso wieder hier weg! Es ist alles deine Schuld, dass...!“

Er holte aus, um nach ihm zu schlagen, aber Noé schaffte es sein Handgelenk festzuhalten. Durch seine große Statur und die Tatsache, dass Noé im Gegensatz zu Vanitas genug schlief und aß, war er deutlich stärker, als der jüngere Mann vor ihm.

 

 

„Jetzt reicht es mir aber! Du versuchst nur deine Wut an mir auszulassen, weil dich irgendwas anderes beschäftigt! Aber ich weigere mich dein Sündenbock zu sein! Ich weigere mich so zu sein, wie du mich haben willst!“

 

 

Wie erstarrt blicke Vanitas ihn an. Noé schnaufte erleichtert aus. Er hätte nicht gedacht, Vanitas tatsächlich so schnell zum Innehalten zu bewegen. Der schwarzhaarige Junge Mann sah Noé an, als hätte er einen Geist gesehen. Die Augen schock-geweitet und ein Schauer durchlief seinen Körper.

Erst jetzt fiel Noé auf wie blutunterlaufen Vanitas' Augen waren. Es ging ihm aus irgendeinem Grund sehr schlecht.

Noé seufzt tief und ließ langsam Vanitas' Hand los. „Hör zu, du musst mir nicht genau sagen was passiert ist, aber lass mich versuchen dir zu helfen.“

Verunsichert sah Vanitas ihn an, ehe sein Blick peinlich berührt zur Seite glitt. „Du kannst mir nicht helfen....“, murmelte er.

Da war er wieder. Dieser Gesichtsausdruck, als hätte Vanitas irgendetwas wertvolles aufgegeben. Kurz trat Schweigen ein.

 

 

Vanitas verstand einfach nicht wieso Noé sich unbedingt mit ihm anfreunden wollte und es war ihm regelrecht zuwider, dass er selbst sich in seiner Nähe so wohl fühlte. Alle zwischenmenschlichen Beziehungen hatten ihn bisher nur enttäuscht. Er würde nicht jetzt damit anfangen sich ernsthaft auf jemanden einzulassen und ihm seine Probleme anvertrauen. Es war ihm ohnehin schon unangenehm, dass Noé ihm so viel anbot, ohne eine Gegenleistung dafür zu verlangen. Irgendwann würde er dafür etwas zurückfordern. Dessen war Vanitas sich sicher.

Alles auf dieser Welt hatte seinen Preis...

 

 

Erschrocken zuckte Vanitas zusammen, als eine Hand sich sanft auf seine Schulter legte. Sein Blick suchte den von Noé. Dieser sah ihm direkt in die Augen, ein mildes Lächeln auf den Lippen.

„Komm, ich habe uns was zu essen gemacht. Wenn du erst einmal was im Magen hast, kannst du besser nachdenken und dann finden wir vielleicht eine Lösung. Was auch immer dich beschäftigt.“, sagte Noé ehe er seine Hand wieder sinken lies.

 

 

Das Bedürfnis sich zu streiten war in Vanitas' Innerem wie verpufft. Trotzdem verbot es ihm sein Stolz einfach so auf Noés Hilfe einzugehen. Schmollend blickte er zur Seite. „Ach? Seit wann kannst du denn kochen? Sicher, dass du mich nicht vergiften willst?“

 

Er machte sich auf eine weitere Auseinandersetzung gefasst, aber als er wieder aufsah, war Noé längst an die Tür zurück gegangen.

„Kommst du jetzt? Das Essen wird noch kalt.“, sagte er in scheinbar gleichgültigem Tonfall und verließ das Zimmer bevor Vanitas ihm verdutzt folgte.

 

 

Wie schaffte es dieser naive Idiot bloß immer Vanitas so schnell wieder herunterzuholen? Sie kannten sich doch eigentlich kaum. Es war nicht so, als ob sie Freunde wären oder so etwas. Diese Wohngemeinschaft war nur eine zweckmäßige Beziehung.

 

Noé stellte das Essen auf den Tisch. „Hier. Das Rezept habe ich von meiner Großmutter. Lasse es dir schmecken.“

Nachdenklich betrachtete Vanitas die Suppe vor ihm, während er sich hinsetzte.

Ach ja, Noé hatte erwähnt, dass er vor seiner Adoption bei seinen Großeltern gelebt hatte. Er nickte nur.

 

 

Schweigend begannen beide zu essen. Es trat eine Stille ein, die seltsam vertraut und angenehm war. So als würden sie sich wortlos verstehen. Vermutlich sollte er sich bei Noé wenigstens bedanken... Gerade als Vanitas etwas sagen wollte, klingelte Noés Handy.

 

 

„Hallo, Domi. Was gibt es? … Was? … Äh, ja er ist hier. Moment.“

 

Verwirrt sah Vanitas ihn an, als Noé ihm das Handy reichte mit den Worten. „Jeanne ist dran.“

 

Er legte das Gerät an sein Ohr. „Hallo?“

 

Gespannt sah Noé zu ihm herüber.

 

 

„Was? Ein Date?“

Ein Date

„Für sich selbst ist jeder unsterblich; er mag wissen, dass er sterben muss, aber er kann nie wissen, dass er tot ist.“

Samuel Butler

 

 

♥♦♣♠

 

 

Jeanne betrachtete sich im Spiegel und erkannte sich selbst kaum wieder. Ein blaues Kleid mit Reifrock, ein einschnürendes Korsett, rote Lederhandschuhe…

 

Sie konnte sich nicht daran erinnern ein Kostüm aus dem 19. Jahrhundert angezogen zu haben. Und irgendwie war es auch nicht ganz historisch korrekt.

Sie sah aus wie aus einem dieser romantisierten Filme entsprungen, in denen neben adeligen Herrschaften auch Vampire und andere magische Dinge vorkamen.

 

„Es fehlt nur noch der Hut.“, konnte sie die vertraute Stimme Dominiques hinter sich sagen hören. Wenigstens ein sicherer Anker in dieser absurden Situation. Jeanne drehte sich um. Sie musste ihre Freundin fragen was –

 

Doch Dominique hatte genauso seltsame Kleidung an, nur dass ihr Outfit mehr an eine alte feierliche Militäruniform erinnerte.

 

„Damit wirst du ihn bei eurem Rendezvous umhauen. Vanitas wird dir auf jedenfalls glauben, dass du ihn magst.“

 

Ach ja… Das Date. Aber wieso diese Kleidung? Wieso konnte sie sich nicht erinnern wie sie hier her gekommen war? Sie wollte Dominique fragen, aber…

 

Ein heftiges Zucken ging durch Jeannes Körper als sie in ihrem Bett erwachte. Ihre Augen öffneten sich und suchten prüfend die Umgebung ab. Sie hatte geträumt.

 

Etwas schwerfällig setzt sie sich auf und fuhr sich durch die Haare.

 

Offenbar war sie von der Situation, die vor ihr lag so gestresst, dass sie schon von dem Gespräch mit Dominique träumte und ihr verwirrtes Traum-Ich hatte alles in ein historisches Filmset verlegt.

Wieso hatte sie sich auch darauf eingelassen? Das Ganze war eine richtig, richtig dumme Idee.

Mit einem Seufzen erinnerte Jeanne sich an ihren Besuch vor zwei Tagen:

 

 

 

Während sie bei Macarons und Kaffee an Dominiques Wohnzimmertisch saßen schüttete Jeanne ihr Herz aus.

 

„…Und dann hat er so getan als würde er mir einen Heiratsantrag machen. Dieser Typ ist einfach unglaublich. Das Arroganteste was mir je untergekommen ist. Ich muss ihn unbedingt loswerden.“

Dominique sah sie mit einem mitleidigen Lächeln an. „Ich wünschte ich könnte dir helfen, Jeanne. Das ist ja schon Belästigung am Arbeitsplatz.“

 

Jeanne seufzte und schob sich einen weiteren Macaron in den Mund während sie aus dem Fenster sah. „Ich weiß auch gar nicht was er von mir will. Immerhin bin ich ganze fünf Jahre älter als er.“

 

Nachdenklich stützte Dominique sich mit dem Ellbogen am Tisch ab, ehe sie leicht zu grinsen begann.  „Naja, Noé hat mir erzählt, dass Vanitas keine Eltern mehr hat. Vielleicht hat er einen Mutterkomplex oder so.“

 

Erschrocken hielt sie inne, als Jeannes Blick den ihren wieder traf. Dominique wurde rot. „Entschuldige, Jeanne… Ich habe vergessen das…“

 

Ihre Freundin schüttelte den Kopf. „Schon gut, Domi.“

 

 

Irgendwie hatten alle in ihrem näheren Kreis entweder keine Eltern, oder wie Dominique selbst, Probleme mit ihnen. Ob sie sich deswegen so gut verstanden?

 

 

„Ich weiß aber langsam wirklich nicht mehr was ich machen soll. Je mehr ich ihn zurückweise, desto mehr scheint er an mir zu kleben.“

Frustriert aß Jeanne ein Macaron nach dem anderen.

 

„Da fällt mir was ein!“, platze es aus Dominique heraus. „Noé hat mir erzählt, dass Vanitas sich nie in eine Person verlieben könnte, die ihn liebt. Du musst ihn also nur glauben machen, dass du dich total in ihn verschossen hast!“

 

 

 

Jetzt zwei Tage später bereute Jeanne es überhaupt dieses Gespräch geführt zu haben. Da hatte sie sich doch tatsächlich dazu überreden lassen sich mit diesem Blödmann zu verabreden. Sie war nervös.

 

Nach dem Duschen stand Jeanne schließlich ratlos vor ihrem Kleiderschrank. Was zog man zu so einem Date überhaupt an? Neben Schule und später Studium, sowie dem Job hatte sie sich nie genug Zeit genommen um Jungs kennenzulernen. Ein Umstand, der ihren über fürsorglichen Ziehonkel sicher freute, aber…

 

Es musste irgendetwas sein, das Vanitas gefallen würde. Ihr Blick fiel auf ein blaues Sommerkleid und sie musste unwillkürlich an ihren Traum denken. Hatte sie etwa schon eine Vorahnung gehabt?

 

Das Kleid hatte einen sehr ähnlichen Farbton wie Vanitas‘ Augen. Ob ihm so etwas gefallen würde? Seine Augen…

Jeanne schüttelte energisch den Kopf. Dass sie sich überhaupt Gedanken machen musste, was er mochte lag nur an ihrem Plan. Sie würde dafür sorgen, dass er sie ein für alle Mal in Frieden lies.

 

 

Wenige Stunden später stand sie an einer Litfaßsäule in der Pariser Innenstadt und wartete auf Vanitas. Dass ihr Herz so schnell klopfte lag nur daran, dass sie sich extrem unwohl mit dieser Situation fühlte.

 

 

„Du wolltest mich treffen?“

 

Als sie aufsah, stand Vanitas grinsend vor ihr. In lockerer Kleidung sah er nicht aus als ob er auf ein Date wollte. Ob er ihr nicht glaubte, dass das hier eines war?

 

 

„Ja, lass uns auf ein Date gehen!“, sagte sie ein bisschen zu entschlossen.

Sein Grinsen wuchs, aber der Ausdruck in seinen Augen wurde immer misstrauischer. „Ach ja? Wieso denn auf einmal?“

Das war der entscheidende Moment. Sie musste jetzt gut schauspielern um ihn zu überzeugen.

 

„N…. naja… Ich glaube ich habe dir unrecht getan. Noé und Dominique haben mir erzählt, dass du mich wirklich magst also…“

Sie wurde rot im Gesicht. Was redete sie da nur für einen Unsinn?

 

„Ich habe beschlossen dir eine Chance zu geben! Eigentlich hast du mich auf Arbeit ja nur geneckt und ich war zu schüchtern es zuzugeben, aber ich fange wirklich an mich in dich zu verlieben! Ich möchte dich richtig kennenlernen und mich von diesen Gefühlen überzeugen!“, sagte sie indem sie in einer dramatischen Geste die Hand an die Stelle ihres Herzens legte.

‚Perfekt Jeanne! Das war eine filmreife Leistung!‘, dachte sie sich.

 

Für einen Moment konnte sie Vanitas‘ Blick nicht deuten. Er sah sie geschockt an. Fast schon erschüttert? Unglaube, Hoffnung, Entsetzen. Alle möglichen Gefühle schienen sich in seinen Augen zu mischen, ehe er wieder die ihr bekannte grinsende Maske aufsetzte.

 

Spielerisch nahm er ihre Hand und setzte einen zarten Kuss darauf. „Wenn das so ist, dann wird es mir ein Vergnügen sein mit dir den Tag zu verbringen.“

 

 

Er betrachtete sie von oben bis unten. „Das ist ein wirklich schönes Kleid, Jeanne.“

Jeannes Augen begannen zu strahlen. Bisher hatte ihr noch niemand ein Kompliment für ihre Kleidung gemacht. „Nicht wahr? Ich habe es letztes Jahr in dieser Boutique gefunden und…“

 

Vanitas, der ihre Hand noch immer in seiner hielt, zog Jeanne plötzlich zu sich heran, bevor er ihr sanft ins Ohr flüsterte: „Gut. Aber das habe ich nicht gemeint. Ich wollte damit sagen, dass du ganz bezaubernd bist.“

 

 

In Schauer durchzuckte Jeanne. Diese Worte kamen ihr so vertraut vor. Seine Stimme… Hatte er schon immer so mit ihr gesprochen?

Und irgendwie roch er so gut, jetzt da er ihr so nahe kam. Ihr Herz klopfte auf einmal bis zum Hals.

Als Vanitas sich von ihr löste, hörte sie kaum wie er sie zum losgehen aufforderte.

 

Wie benommen folgte sie ihm. ‚Habe ich es geschafft wie eine Verliebte rüber zu kommen?‘, fragte sie sich, wusste aber tief in ihrem Inneren, dass seine Worte tatsächlich etwas in ihr ausgelöst hatten.

 

Wie selbstverständlich folgte sie ihm, nahm sogar zögerlich seine Hand, während Vanitas sie verdutzt musterte.

Was war los? Wieso fühlte sie sich in seiner Gegenwart plötzlich so anders als auf Arbeit? Die Stimmung war auf einmal so vertraut. Als wäre es nicht ihr erstes Date.

 

 

Wegen des Studiums war Jeanne erst vor zwei Jahren nach Paris gezogen und hatte bisher nicht die Chance gehabt viel zu sehen, weswegen sie mit einer Stadttour begannen.

Als sie durch die Straßen streiften, sich einige Dinge ansahen und hier und da etwas aßen, lernte Jeanne eine Seite an Vanitas kennen, die ihr bisher nie aufgefallen war. Er konnte ein echter Gentleman sein und sie fragte sich so langsam was aus dem arroganten spitzbübischen Kerl geworden war, den sie von Arbeit kannte. War das alles nur eine Fassade? Hatte sie diese Seite an ihm immer ignoriert? Oder spielte er ihr jetzt etwas vor? Hatte er sie etwa durchschaut?

 

„Hey, Jeanne. Willst du noch einen Crêpe?“ Ohne, dass sie recht darüber nachdenken konnte, hörte sie sich selbst sagen: „Ja, gerne.“

 

Noch mit dem Crêpe in der Hand war Jeanne innerlich schon wieder am Verzweifeln.

‚Wieso habe ich nur solchen Spaß?! Ich darf mein Ziel nicht aus den Augen verlieren!‘

 

 

Nachdenklich betrachtete sie Vanitas, der sie zwar eingeladen, aber sich selbst nichts gekauft hatte. Hatte er immer so wenig Appetit? Ihr war klar, dass sie selbst häufig ungewöhnlich viel aß, aber sie hatte ihn tatsächlich den ganzen Tag über kaum etwas zu sich nehmen sehen. Wollte er Geld sparen? Und wenn ja, wieso lud er sie dann zum Essen ein? Irgendwie passte alles nicht so recht mit seinen sonstigen Unverschämtheiten zusammen.

 

Sollte sie ihm doch eine winzige Chance geben? Nein! Sie tat das hier nur, damit er aufhörte an ihr zu kleben.

Aber vielleicht… War dieser Tag eine Gelegenheit einmal von allem abzuschalten. Sonst befasste sie sich immer nur mit Pflichte und den Bedürfnissen anderer. Vielleicht sollte sie dieses gespielte Date einfach genießen.

 

 

Die Stadt war wirklich schön und so belebt am Nachmittag. Als sich die Sonne neigte stiegen Heißluftballons am Horizont auf. Jeanne war so abgelenkt von ihnen, dass sie nicht bemerkte wie sie langsam die Fußgängerzone verließen und sich ihr ein fahrendes Auto näherte. Ehe sie sich versah, spürte sie den Zug eines Armes um ihre Taille.

 

„Jeanne, pass auf!“

 

Vanitas konnte sie gerade noch von der Straße wegziehen, bevor Jeanne dem Auto zu nahe kommen konnte. Leider mit so viel Schwung, dass beide auf ihrem Hintern landendeten.

 

‚Aua.‘

 

Schnell sah sie sich nach Vanitas um.

„Ist alles in Ordnung, Jeanne?“, fragte er, allerdings ohne sie dabei anzusehen. „J… ja… es tut mir so leid!“

Vanitas stand auf, noch immer ohne sie anzusehen. „Schon gut. Du musst dich nicht entschuldigen. Hauptsache dir ist nichts passiert.“ Er half ihr nicht hoch.

 

Langsam stand Jeanne wieder auf und musterte ihn. Er sagte zwar so liebe Sachen, aber konnte ihr nicht einmal ins Gesicht sehen. War er doch sauer? Wieder einmal passten seine Handlungen und seine Worte nicht zusammen.

Jeanne bekam ein schlechtes Gewissen. Er war heute wirklich lieb zu ihr gewesen und hatte sie nicht ein einziges Mal geärgert, aber sie hatte ihn durch ihre Unachtsamkeit auch noch mit in Gefahr gebracht. Sie musste sich nochmal richtig bei ihm entschuldigen.

 

 

„Vanitas…“, begann sie zögerlich und wollte die Hand nach ihm ausstrecken.

Als ihre Fingerspitzen ihn jedoch berührten zuckte er plötzlich heftig zusammen und sah sie erschrocken an.

 

„Fass mich nicht an!“, platze es aus ihm heraus.

 

Entsetzt sah Jeanne ihn an. Was war mit ihm los?

 

Wenn sie genauer darüber nachdachte war das tatsächlich das erste Mal gewesen, dass Vanitas und sie so engen Körperkontakt gehabt hatten, der über Händchenhalten hinaus ging. Hatte er ein Problem damit? Oder stand er irgendwie unter Schock wegen dem Auto?

 

Sie ließ die Hand sinken.

„Entschuldige, ich…“

 

 

Vanitas‘ Gesichtsausdruck wurde wieder weicher. „Schon gut, ich… Mir tut es leid! Ich wollte dich nicht anschreien… Ich sollte jetzt gehen. Wir sehen uns auf Arbeit!“

 

Noch ehe Jeanne ihm antworten konnte, rannte Vanitas davon. Verwirrt sah sie ihm hinterher. Hatte sie irgendetwas falsch gemacht? Er hatte auf einmal so bedrückt gewirkt. So als hätte er sich an etwas Wichtiges erinnert.

Alpträume

„Alles was man vergessen hat, schreit im Traum um Hilfe.“
 

 

Elias Canetti
 


 

 

♥♦♣♠
 


 


 

Nur das leise Blättern von Papier war zu hören, als Vanitas vehement versuchte sich aufs Lernen zu konzentrieren. Es war spät, aber morgen stand ein Test an und bis dahin musste er wenigstens noch ein bisschen Lernstoff in seinen Kopf bekommen. Dafür hatte er auch den Stream heute eher abgebrochen. Nicht weil etwa er unkonzentriert war… Nicht weil die Zuschauer sich schon darüber beschwert hatten, dass er heute im Spiel nichts gebacken bekam…
 


 

Ein erneutes Blättern.
 


 

Er musste den Abschnitt noch einmal lesen. Wieso war er heute nur so durcheinander? Das sah ihm überhaupt nicht ähnlich. Normalerweise hatte er ein geradezu fotografisches Gedächtnis. Aber irgendwie wanderten seine Gedanken immer wieder zurück zum Vortag.
 

Wieso hatte dieses Ereignis mit Jeanne ihn so aus der Fassung gebracht? Er hatte sie nur ein Stück zurückgezogen. Vermutlich war sie nicht einmal in akuter Lebensgefahr gewesen. Warum also bekam er diese Szene nicht aus dem Kopf?
 


 

Vielleicht ein Trauma? War es, weil er seinen Vater bei einem Autounfall verloren hatte? Weil er damals derjenige war, der weggezogen werden musste? Ja, genau. Das musste es sein.
 

Aber irgendwie war da noch etwas anderes…
 

Das Gefühl seinen Arm um Jeannes Taille zu schlingen und sie an sich zu ziehen hatte irgendetwas in ihm ausgelöst. Und es war anders als das leichte Kribbeln im Bauch, was er empfand, wenn er sie beim Arbeiten beobachtete. Nein. Irgendetwas hatte ihn durchzuckt wie ein Blitzschlag. Wie eine Erinnerung, die eindeutig keine sein konnte.
 


 

Angestrengt fuhr er sich mit der Hand durchs Gesicht, kniff die Augen zu. Hatte er so ein Date schon einmal gehabt? Nein, daran würde er sich doch erinnern.
 


 

Irgendetwas stimmte mit ihm in letzter Zeit nicht. Er hatte Alpträume, seltsame Déjà-vus und regelrechte Halluzinationen.

Das musste der Stress sein. Die Sorge um Misha, ein Medizinstudium, der Job, die Streams, ein Date und dann auch noch ein irritierender Mitbewohner. Das war eindeutig zu viel für ihn. Er war müde.
 

Vielleicht würden ein paar Beruhigungsmittel helfen? Es war nicht schwer für ihn an so etwas heran zu kommen. Er kannte ein paar ältere Studenten, die bereits ihre Praxisausbildung im Krankenhaus begonnen hatten. Vielleicht sollte er Johann fragen.
 


 

Er rieb sich über die Augen. Genug gegrübelt. Es war Zeit zu lernen!
 


 


 


 

„VANITAS! LASS DAS BUCH LOS!“, hörte er jemanden brüllen.
 

Erst verschwommen und dann immer deutlicher konnte Vanitas Noé vor sich sehen. In zerrissener Kleidung, blutgetränkt und mit angstgeweiteten Augen. Dominique stand hinter Noé und hielt ihn fest, hielt ihn davon ab näher zu kommen. Beide trugen seltsame Kleidung im Stil des ausgehenden 19. Jahrhunderts.
 

Was war hier los?
 

Vanitas fühlte sich wie in Trance. Die Umgebung wie in Watte gepackt. Noés verzweifelte Schreie nahm er kaum wahr. Und warum hatte er solche Schmerzen im rechten Arm? Sein Blick streifte die Umgebung. Lag dort jemand auf dem Boden?
 

Jeanne. Sie sah blass und leblos aus. Ein kleiner Junge kniete weinend über ihr. Etwas weiter hinten lag eine weitere Gestalt. Klein und schmächtig mit weißblondem Haar. Misha?
 


 

Der Schmerz in seinem Arm wurde heftiger. Offenbar hielt er ein Buch vor sich, dessen pechschwarze Seiten sich von allein umblätterten, als wären sie vom Wind getrieben. Leuchtend blaue Schriftzüge lösten sich vom Papier, begannen zu schweben und fügten sich zu blendenden blauen Lichtstrahlen zusammen.
 

Er zitterte am ganzen Körper. Je stärker das Buch zu leuchten anfing, desto schwerer wurde es seine Hand davon zu lösen. Was meinte Noé? Warum war er hier? Warum tat es so weh?
 

Tränen bildeten sich in Vanitas Augen, als er schließlich zu schreien begann. Er wollte nur noch, dass es aufhörte. Dass es aufhörte weh zu tun. In seinem Körper und auch in seinem Herzen vom Anblick des Leides vor sich.
 


 

Der Boden unter seinen Füßen begann zu beben, das Licht des Buches inzwischen so hell, dass es seien Augen blendete; sein Brustkorb fühlte sich an, als würde er zerreißen.
 

Er erwartete eine Explosion, doch stattdessen, hörte Vanitas plötzlich die dunkle Stimme eines unbekannten Mannes.
 


 

‚Komm zurück!‘
 


 

In einem erstickten Schrei füllten Vanitas‘ Lungen sich wieder mit Luft. Seine Augen waren schockgeweitet, seine Stirn feucht von Schweiß. Ein Zucken ging durch seinen Körper, während er gerade noch verhindern konnte von seinem Stuhl zu fallen.
 

Erst nach einigen Sekunden wurde ihm klar wo er sich befand, als er seinen Schreibtisch mit den Lernutensilien erkannte.
 


 

Ein Alptraum.
 

Schon wieder. Offenbar war er so erschöpft gewesen, dass er über dem Lernen eingeschlafen war.

Sein schneller Herzschlag und das unruhige Atmen machten ihm klar wie viel realer und klarer sich der Traum angefühlt hatte als sonst.
 

Es war zum verrückt werden. So konnte es doch nicht weiter gehen. Ob er zum Arzt sollte?
 

Vanitas brauchte ein paar Minuten bis er sich vollkommen beruhigt hatte. Langsam stand er auf und schloss das Medizinbuch auf dem Tisch. Es brachte wohl nichts weiter zu büffeln. Er sollte duschen und ins Bett gehen.
 


 

Der Benachrichtigungston seines Handys machte Vanitas darauf aufmerksam, dass eine Email eingegangen war. Als er die Nachricht öffnete sprang ihm ein seltsam bekannt klingendes Pseudonym in der Absenderleiste entgegen. „Lehrmeister Germain“. Wer mochte das sein?
 


 

Müde überflogen Vanitas‘ Augen die Mail, ehe sie zu strahlen begannen. Man hatte ihn endlich auch zu dem großen Y-tuber-Event eingeladen.
 

‚Ja! Nimm das, Noé!‘, dachte er selbstzufrieden, während er weiter las. Es handelte sich um eine Art Preisverleihung, bei der erfolgreiche Streamer ihre Kanäle mit Trailern präsentierten. Den Gewinnern der jeweiligen Kategorien winkten ein Preisgeld und ein Treffen mit dem Veranstalter.
 

Auf letzteres hätte Vanitas gut verzichten können, aber es schadete nicht Kontakte zu knüpfen und Geld konnte er immer gebrauchen.
 

Die Teilnehmer wurden ermutigt in Begleitung zu kommen. Aber wen sollte er zu so etwas schon mitnehmen? Noé war ja selbst Teilnehmer und würde seinerseits sicher Dominique mitbringen. Vanitas hatte niemanden, mit dem er so einen Erfolg feiern könnte.
 


 

Dieser Gedanke drückte seine Stimmung wieder ein wenig. Es war wirklich Zeit Schlafen zu gehen. Er musste nach dem Test morgen noch arbeiten.
 


 


 


 

Am nächsten Tag verließ Vanitas den Prüfungssaal mit gemischten Gefühlen. Eigentlich war der Test ganz gut gelaufen, oder? Ein Blick auf die Armbanduhr verriet ihm, dass er sich beeilen musste auf Arbeit zu kommen. Wieso waren seine Schichten nur immer so knapp eingeteilt?
 


 

Im Café angekommen legte er sich schnell eine der braunen Schürzen um und verschwand hinter dem Tresen.

Der Laden war klein und die meisten Menschen kamen nur für einen Kaffee zum Mitnehmen vorbei oder holten sich den Kuchen direkt an der Theke ab, wodurch zwei bis drei Mitarbeiter pro Schicht ausreichten. Mit wem hatte er heute eigentlich…?
 


 

Vanitas stockte der Atem, als er Jeanne an der Kasse stehen sah. Auch das noch… Wie sollte er sich denn jetzt verhalten? Er musste sie mit seinem Benehmen bei ihrem gemeinsamen „Date“ mehr als nur vor den Kopf gestoßen haben.
 


 

Ihm war natürlich klar, dass Jeannes Gerede von wahren Gefühlen nur gespielt gewesen war und dass sie irgendetwas aushecken wollte, vielleicht sogar ihn loszuwerden. Er war gern auf das Spiel eingegangen, um ein bisschen mit ihr flirten zu können und sie dadurch noch mehr zu verwirren, aber…Sie so anzuschnauzen und sitzen zu lassen. Das hatte er nicht gewollt. Sie war mit Sicherheit sauer auf ihn. Das konnte ja ein heiterer Arbeitstag werden…
 


 

Jeanne blickte auf und man merkte ihr an, dass ihr die Situation sofort unangenehm war. Verlegen sah sie zur Seite und murmelte ein „Hallo“.
 

Nachdem sie den Kunden vor sich abkassiert hatte, ging sie auf Vanitas zu, um ihm kurz die Absprachen für den Tag zu erläutern, sah ihn jedoch dabei nicht an. Kurz darauf wendete sie ihm den Rücken zu, um weiter zu arbeiten.
 

War das ihre Art sauer zu sein? Seine Existenz zu ignorieren und weiter zu arbeiten, als ob nichts wäre? Irgendwie hatte Vanitas erwartet, dass sie ihn anfauchen und mit bösen Blicken strafen würde, so wie sie es sonst immer tat, wenn er sie mit seinen Flirtereien am Arbeitsplatz nervte.

Aber das…? Irgendwie störte ihn dieses zurückhaltende Verhalten viel mehr.
 


 

Als der erste Kundenansturm abebbte und es ruhiger im Café wurde, machte sich das Schweigen zwischen ihnen immer deutlicher bemerkbar. Nervös putzte Vanitas den Tresen mit einem Lappen.

Sollte er einfach so tun, als ob dieses „Date“ nie stattgefunden hatte? Sollte er einen provokanten Spruch bringen, um das Eis zwischen ihnen zu brechen? Selbst ein Streit wäre ihm im Moment lieber gewesen als diese Stille.
 

Er wollte gerade etwas sagen, als Jeanne zuerst die Stimme erhob.
 

„Tut mir leid, wegen vorgestern.“
 

Perplex sah er sie an.
 

Jeannes Wangen wurden leicht rot, als sie weitersprach. „Ich hätte vorsichtiger sein müssen. War es dir irgendwie unangenehm, dass ich dich angefasst habe? Bist du sauer auf mich?“
 

Vanitas Mund öffnete sich vor Überraschung, aber kein Wort kam aus ihm heraus. Was passierte hier gerade? Warum gab sie sich jetzt die Schuld? Träumte er schon wieder?
 


 

„Nein…“, brachte er irgendwie heraus. „Mir ging es nicht gut. Tut mir leid. Ich hätte dich nicht dort stehen lassen sollen.“
 

Puh. Wieso war es so schwer diese Worte herauszupressen? Er war es einfach nicht gewohnt sich entschuldigen zu müssen. Normalerweise sah er das auch überhaupt nicht ein. Zum Glück sah Noé immer über seine ruppige Art hinweg. Aber mit Frauen war das etwas anderes, oder?
 

Jeanne sah ihn einen Moment lang überrascht an, bevor sie glücklich zu lächeln begann.
 

„Ach so war das. Verstehe.“
 


 

Ehe sie weiter sprechen konnten kam der nächste Kunde in den Laden, um den Jeanne sich auch sogleich kümmerte.
 

Vanitas hingegen stand mit offenem Mund da und konnte nur durch die in ihm aufsteigende Hitze erahnen, wie rot seine Wangen gerade aussehen mussten.
 


 

Moment! Hatte er gerade Herzklopfen?
 

So ein Lächeln… So ein Lächeln hatte er noch nie zuvor bei ihr gesehen. Nicht einmal den Kunden gegenüber.
 

War er gerade dabei sich tatsächlich…
 

Wild schüttelte er den Kopf. Nein, völlig unmöglich. Das hier war nur ein angenehmer Arbeitsflirt um etwas Stress abzubauen. Nicht mehr und nicht weniger!
 


 

Eilig machte er sich daran neuen Kaffee aufzusetzen. Solche Gedanken hatten in seinem Kopf nichts verloren. Er war besser Menschen auf Abstand zu halten, wenn er irgendwie durch dieses Leben kommen wollte ohne noch weiter verletzt zu werden. Das war auch bei Jeanne oder Noé nicht anders.
 

Er versuchte sich schnell wieder auf die Arbeit zu konzentrieren und bemerkte fast nicht einmal die Worte, die plötzlich seinen Mund verließen.
 


 

„Hey, Jeanne. Hast du Lust mich zu einer Veranstaltung zu begleiten?“

Tagebucheinträge

„In Büchern liegt die Seele aller gewesenen Zeit.“

Thomas Carlyle

 

 

♥♦♣♠

 

 

Es war Noé als würde er aus einer Ohnmacht erwachen, als er die Augen öffnete. Der Geruch von Blut beißend deutlich. Doch ihm wurde nicht schlecht davon, wie man es vermuten könnte. Viel mehr empfand er den Geruch plötzlich als… angenehm? Und doch war da dieses flaue Gefühl im Magen, als würde dieser Duft nichts Gutes bedeuten.

Er blinzelte. Das Bild vor ihm schien einen Augenblick zu wackeln und zu verschwimmen, bevor sich seine Sicht klärte.

 

Er sah Vanitas.

 

Wieder in dieser altmodischen Kleidung, die diesmal jedoch zerrissen und mit Blut bedeckt war. Da war etwas an seinem Hals. Eine Art leuchtend blaue Tätowierung, die bis in die Kleidung hinein reicht. Was machte Vanitas da? Er war so weit weg. Wieso kniete er dort am Boden?

 

Erst jetzt erkannte Noé, dass Vanitas jemandem im Arm hielt.

 

Jeanne?!

 

Sie sah blass aus… Fast schon leblos? War sie tot?

 

Vanitas‘ Augen waren starr auf die junge Frau in seinen Armen fixiert. Spuren von Tränen umrahmten seine unteren Lider, verklebten seine Wimpern, aber… er weinte nicht. Nicht mehr… Viel mehr schien er unter Schock zu stehen.

Noés Sichtfeld erweiterte sich. Vanitas war nicht allein. Luca kniete neben ihm, die kleinen Finger fest in der Erde vergrabend. Auch sein Gesicht war mit Tränen überströmt. Ein Schluchzen entrann der Kehle des Jungen: „Jeanne… Wieso… Wieso, Onkel?“

 

Ein Stück weiter weg lag eine weitere Person. Ein Kind mit weißblondem Haar und…. Ebenfalls tot? Ein Junge im gleichen Alter wie Luca. Er kam Noé seltsam bekannt vor. Aber woher?

 

 

War das alles ein Traum? Es musste ein Traum sein, oder? Vanitas war sein Mitbewohner, sein Mitstudent. Luca war Domis Cousin und Jeanne ihre beste Freundin. Sie lebten ein friedliches Leben in der Pariser Altstadt. Nichts von dem was er gerade vor sich sah, passte in dieses Szenario.

 

Je mehr Noé darüber nachdachte zu träumen, desto mehr begann er seinen Körper zu spüren.

Aber das war falsch! Das hier durfte sich nicht immer realer anfühlen. Er musste aufwachen!

Stattdessen verblasste die Wirklichkeit immer mehr, lies den Traum zur Wirklichkeit werden.

Als er hinabsah, spürte er einen zweiten Körper, der sich warm an ihn schmiegte. Zarte behandschuhte Hände klammerten sich an seine Weste, erbebten bei jedem Schluchzer, den er von der jungen Frau vernahm, die sich an ihn klammerte.

 

Domi?

 

 

„Wir müssen hier weg…“, hörte er sich plötzlich selbst sagen.

 

Wie kam das? Wieso schien sein Körper ohne seinen Willen zu agieren? Wieso konnte er nicht ändern was er tat und sagte? So als sei es längst geschehen…

 

„Wir kommen nicht mehr gegen sie an. Wir müssen uns zurückziehen! Vanitas!“, sagte er wieder ohne es kontrollieren zu können.

 

 

„Nein.“

 

Auch wenn Vanitas‘ Stimme gebrochen klang, hörte sich seine Antwort so klar in Noés Ohren an, als ob er direkt neben ihm stehen würde. Seine Sinne waren so geschärft. Dann war das hier wirklich eine gefährliche Situation? Er konnte den Blick nicht von Vanitas abwenden, als dieser weiter sprach.

 

„Es ist Zeit das hier ein für alle Mal zu beenden. Du musst mich auch nicht mehr beschützen, Noé. Ich beende unsere Abmachung hiermit.“

 

Unheimlich ruhig sagte der Schwarzhaarige diese Worte, während er Jeanne nieder legte und aufstand.

Aus seiner Gürteltasche zog Vanitas ein Buch, dessen Seiten sich beim Öffnen von allein umzublättern schienen.

 

Noés Puls begann zu rasen. Aus irgendeinem Grund wollte er nicht, dass Vanitas dieses Buch öffnete. „Hör auf! Das ist zu gefährlich! Das Mal des blauen Mondes hat sich bereits auf deinen Hals ausgeweitet!“

 

Aber Vanitas hatte nur ein müdes Lächeln für ihn übrig.

 

„Sieh genau hin, Noé! Das hier sind vielleicht die letzten Fluchträger, die du jemals zu Gesicht bekommen wirst.“

 

 

Fluchträger? Was sollte das sein?

 

Erneut schien Noés Wahrnehmung sich zu erweitern. Da waren noch weitere Personen. Viele von ihnen, aber auf sicherem Abstand, als ob sie auf einen Befehl warteten.

 

„Seht alle genau hin.“ , setzte Vanitas wieder an. „Ich werde dieses Buch niemandem überlassen.“

 

Und besagtes Buch fing an zu leuchten.

 

‚Nein!‘, war das einzige was Noé noch denken konnte. Er musste Vanitas beschützen. Aber wieso? Und wovor eigentlich? Alles was er wusste war, dass wenn er es nicht täte… Wenn er tatenlos zusehen würde, hätte er das Gefühl seinen Freund eigenhändig umzubringen.

 

Waren sie das bereits? Freunde?

 

 

„Noé… Wenn ich nicht mehr ich selbst bin… Weißt du, was du zu tun hast.“

Was sagte Vanitas da? Er wollte das nicht.

 

 

Plötzlich lief alles so schnell ab. Irgendetwas kam aus dem Buch heraus, wollte sich den Körper des jungen Mannes einverleiben. Etwas, das so gefährlich war, dass Domi Noé festhielt, um ihn davon abzuhalten Vanitas näher zu kommen.

 

„VANITAS! LASS DAS BUCH LOS!“, hörte er sich aus vollem Halse brüllen und dann…

 

Wurde alles weiß.

 

 

„Komm zurück!“

 

Diese Stimme. Er kannte sie, aber wer…?

 

 

Lehrmeister…?

 

 

 

 

Ein Ruck ging durch Noés Körper, als er in seinem Bett erwachte, die Augen weit aufgerissen zur Decke starrend. Da war etwas Nasses auf seinen Wangen. Zögerlich glitten die Finger des Studenten an seine Wange. Tränen? Hatte er geweint?

Bröckchenweise kam ihm sein Traum wieder in den Sinn…

 

Ohne noch lange nachzudenken, sprang Noé aus dem Bett auf, eilte zu seinem Schreibtisch und kramte sein Tagebuch hervor.

Er musste den Traum festhalten. Um jeden Preis, bevor er ihn vergaß!

 

Fahrig glitt die Spitze des Kugelschreibers über die Seiten des Buches. Er hatte sich nicht einmal richtig hingesetzt und versuchte nur angestrengt sich an jedes Detail des Traumes zu erinnern und es zu Papier zu bringen.

Am Anfang schienen es nur Träume zu sein, doch je mehr sie sich wiederholten umso klarer wurden sie. Irgendetwas stimmte nicht mit ihm und er musste herausfinden was es war.

 

Seit er begonnen hatte, diese Träume zu haben, wurde auch Noés Alltag mehr und mehr von ihnen beeinflusst. Die Déjà-vus häuften sich und sicherlich hatte sich auch sein Verhalten geändert. Domi sah ihn manchmal ganz seltsam an und auch Vanitas schien immer gereizter in seiner Gegenwart. Konnte es sein, dass er verrückt wurde? War es eine psychische Erkrankung? Bildete er sich eine Fantasiewelt ein?

Als er den Stift absetzte lies er noch einmal den Blick über die Zeilen vor ihm schweifen. Vampire, ein Grimoire, magische Steine… Das alles war so fremd und doch irgendwie vertraut.

 

 

Nachdem Noé alles aufgeschrieben hatte schloss er das Buch, deutlich erleichtert.

Allmählig begannen seine Gedanken sich wieder zu ordnen.

Er musste sich heute nach der Uni an den Videoschnitt setzen. Es waren nur noch zwei Wochen bis zur Preisverleihung und er hatte noch nicht einmal alle Szenen ausgesucht. Außerdem würde Domi nachmittags vorbeikommen. Etwas zerstreut sah er auf die Uhr. Vanitas war sicher längst los gegangen, um vor den Vorlesungen in der Bibliothek vorbeizuschauen.

Die Disziplin seines Mitbewohners beeindruckte Noé nach wie vor. Er streckte sich noch einmal, bevor er ins Badezimmer ging um zu duschen.

 

 

 

Hektisch verließ Noé am Nachmittag den Vorlesungssaal. Er hatte sich schon wieder mit dem Professor verquatscht. Aber was sollte er machen? Geschichte war einfach so wahnsinnig faszinierend und so ein Gespräch war die ideale Vorbereitung auf den anstehenden Test, oder nicht?

 

Mit schnellen Schritten eilte er die Treppen herunter, lief entlang der Rue Saints-Perés und überquerte die Bd Saint Germains, um die Straßenbahnlinie zu erreichen. Völlig außer Atem kam er gerade noch rechtzeitig an, um in die Bahn einzusteigen. Domi würde sicher schon vor ihm da sein.

Seufzend holte er sein Handy hervor um ihr zu schreiben.

 

 

Dominique wollte gerade klingeln, als sie bereits den Ton ihres Mobiltelefons hörte. Verwundert holte sie es heraus, um die Nachricht zu lesen. Ein seufzen entglitt ihr. Er kam also schon wieder zu spät. Typisch.

 

Da sie sich sicher war, dass Noés Mitbewohner noch auf Arbeit sein würde, kramte Dominique den Ersatzschlüssel für Noés

Wohnung heraus. Er hatte ihn ihr in weiser Voraussicht schon beim Einzug gegeben. Dieser Mann schaffte es einfach alles zu verlegen und hatte sich auch schon das ein oder andere Mal ausgesperrt, weil er den Schlüssel zu Hause vergessen hatte.

Sie würde es sich einfach schon einmal gemütlich machen. Beim Öffnen der Tür kam ihr Murr entgegen und strich um ihre Beine. Mit einem lächeln begrüßte sie den Kater.

 

„Hallo Murr. Heute nicht auf Streifzug? Es wird wohl langsam kühler draußen.“, kicherte sie und kraulte ihn sanft hinter den Ohren.

 

Nachdem sie ihre Tasche im Eingangsbereich abgelegt hatte, steuerte Dominique gleich auf Noés Zimmer zu. Es war aufgeräumter als sonst und trotzdem lagen hier und da Dinge herum. Ein sanftes Lächeln umspielte ihre Lippen. „Er lernt es wohl nie.“

 

Vielleicht hatte ihr Großvater Noé einfach zu sehr verwöhnt. Immerhin fegte dort mindestens einmal die Woche ein Hausmädchen durch alle Zimmer, um aufzuräumen und zu putzen.

Um sich die restliche Wartezeit etwas zu vertreiben übernahm Dominique diese Aufgabe kurzerhand. Schließlich kannte sie sich bei Noé so gut aus, dass sie wusste wo alles seinen Platz hatte.

Liebevoll setzt sie den alten Teddy, den Noé noch aus Kindertagen hatte, zurück auf das Bett; sammelte die getragene Kleidung vom Stuhl ein, um sie in den Wäschekorb zu legen und warf die leere Verpackung eines Schokoriegels in den Müll.

 

Als sie Noés Schreibtisch sortieren wollte fiel Dominiques Blick auf ein Notizbuch, dass sie noch nie zuvor gesehen hatte.

Am Rand des Buchens befanden sich zwei Metallösen, jedoch kein dafür vorgesehenes Schloss. War das etwa ein Tagebuch? Neugierig nahm sie es in die Hand. Ob sie mal hineinschauen sollte?

 

 

Ihre Wangen wurden rot. Was dachte sie da nur? Sie sollte das nicht lesen. Auf gar keinen Fall! Das wäre ein Vertrauensbruch allererste Güte und…

 

 

Was wenn etwas über sie darinnen stand?

 

 

Dominiques Gefühle gegenüber Noé waren seit langem mehr als nur freundschaftlicher Natur, aber sie hatte sich nie getraut etwas dazu zu sagen. In erster Linie deswegen, weil Noé sich für niemanden oder viel mehr für alle Menschen gleichermaßen zu interessieren schien.

 

Vielleicht war das hier eine Möglichkeit wenigstens einen Hinweis darauf zu finden, ob sie ihre Gefühle gestehen sollte. Denn schließlich wollte sie ihre Freundschaft nicht kaputt machen.

Sie schluckte schwer. Mit einem flüchtigen Blick über die Schulter und zittrigen nervösen Fingern öffnete sie das Buch.

Mit Erstaunen stellte sie fest, dass es sich um ein neueres Buch mit noch wenigen Einträgen handelte. Bestenfalls ein paar Monate alt. Dann würde sie wohl kaum etwas über sich finden.

 

Suchend überflog sie die Texte. Ein schmollen machte sich in ihrem Gesicht breit. Wieso schrieb er so viel über seinen Mitbewohner? So faszinierend war Vanitas nun auch wieder nicht.

 

Zuerst waren die Einträge eher kurz und banal doch je mehr Dominique in dem Buch stöberte desto mehr Einträge über nächtliche Träume fand sie. Schlief Noé so schlecht? Hatte er Probleme in der Uni? Vielleicht sollte sie sich die Einträge doch genauer durchlesen…

 

 

Er träumte von Vampiren? Fast wäre Dominique amüsiert gewesen, wenn ihr die Dinge, die Noé schrieb nicht unheimlich bekannt vorgekommen wären…

Mit jeder Zeile, die sie in sich aufnahm wuchs ein beklemmendes Gefühl in Dominiques Magengegend und doch konnte sie das Buch nicht aus der Hand legen. Wieso kam es ihr vor, als würde sie den Ausgang dieser Einträge kennen, ohne sie zu Ende gelesen zu haben?

 

 

Erschrocken fuhr Dominique zusammen als sie das Klicken der Wohnungstür vernahm. Noé war zurück. Schnell legte sie das Buch wieder auf den Schreibtisch und wandte sich zur Tür.

 

„Noé! Da bist du… ja…“ Sie geriet ins Stocken, als Noé in die Tür trat und ihre Blicke sich trafen.

Noés Augen…

 

Waren sie nicht eigentlich violett? Nein…

 

Aufgrund dessen, dass sein helles Haar gar nicht zu seinem gebräunten Teint zu passen schien, hatte man bei Noé immer eine Art Teil-Albinismus vermutet. Seine grauen Augen wiesen auch immer einen gewissen violetten Schimmer auf, aber… Wieso kamen sie Dominique auf einmal so fremd vor? Wieso waren sie nicht komplett lila? Wieso…?

 

Ihr Kopf begann zu schmerzen.

 

„Domi?“, fragte Noé besorgt. „Ist alles in Ordnung mit dir?“

 

Als er ihr näher kommen wollte, wich sie zurück.

 

„Ich…“, begann sie leise zu stammeln. „Ich... ich glaube ich habe etwas… vergessen…“

 

„Was…?“

 

„Tut… tut mir leid… Noé. Ich muss nochmal nach Hause.“, kaum hatte sie die Worte ausgesprochen stürmte sie auch schon an ihm vorbei aus der Wohnung.

 

Was war mit ihr los?

Die Preisverleihung

„Die Sanduhren erinnern nicht bloß an die schnelle Flucht der Zeit, sondern auch zugleich an den Staub, in welchen wir einst verfallen werden.“

Georg Christoph Lichtenberg

 

 

♥♦♣♠

 

 

 

Das schlechte Gewissen lies Dominique nicht los. Sie hätte nicht in Noés Tagebuch blicken sollen. Das war falsch, ganz falsch.

Aber wie sie ihn jetzt so ansah, wie er auf dem Sitz im Zug lümmelnd, sorglos einen Chip nach dem anderen in seinen Mund schob; würde wohl nichts Gutes dabei herauskommen, wenn sie ihre Missetat gestand.

 

Und davon abgesehen wog schwerer als die Tatsache, dass sie in seinem Tagebuch gelesen hatte, der Inhalt den sie darin gefunden hatte.

 

Wann immer man einen Text las, so konnte man sich vor dem inneren Auge vorstellen was dieser bildlich beinhaltete.

Aber diesmal war das anders gewesen. Viel mehr hatte Dominique das Gefühl gehabt die Filmaufnahme einer verblassten Erinnerung gesehen zu haben. Alles hatte sich so real angefühlt, als hätte sie miterlebt, was Noé da aufgeschrieben hatte.

Als sie danach blindlings aus seinem Zimmer gestürmt und nach Hause geeilt war, ließen die Bilder in ihrem Kopf sie einfach nicht los. Nächtelang träumte sie davon, bis sich ihr Kopf schließlich eigene Szenarien ausdachte.

 

Bilder wie sie ihren Bruder Louis, den sie durch die Scheidung ihrer Eltern ohnehin immer selten gesehen hatte, noch ein zweites Mal verlor. Aber diesmal nicht durch eine Krankheit, sondern einen „Fluch“. Bilder wie sie auf einem Riesenrad stand, Noé beobachtend, wie er verzweifelt versuchte sie zu retten… und noch viele andere Situationen mehr, die ihr gleichzeitig vertraut und fremd vorkamen. Geschichten von Vampiren, magischen Gegenständen und seltsamen kleinen Robotern.

 

 

Aber das alles schien jetzt unwichtig, angesichts dieser friedlichen Situation. Hier gab es keine „Vampire“. Hier gab es nur sie und Noé und eine friedliche Fahrt im Zug…

 

Naja, nicht ganz…

 

Ihr Blick schwanke giftig zur anderen Sitzbank. Ihnen gegenüber saß immer noch dieser nervige Gnom. Wieso mussten sie denn unbedingt mit Vanitas zusammen zu dieser Preisverleihung fahren?

 

Ihr Blick wurde wieder weicher, als sie neben Vanitas schaute. Immerhin war ihre liebe Jeanne auch hier. Das machte das Ganze noch etwas erträglicher.

 

 

Aber, wieso eigentlich…?

 

 

Dominique selbst war als Noés Begleitung hier. Soweit so gut. Aber wieso war Jeanne mitgekommen? Dass Vanitas sie gefragt hatte, konnte Dominique sich noch vorstellen, aber wieso zum Teufel hatte Jeanne dazu ‚ja‘ gesagt? Wollte sie Vanitas nicht eigentlich loswerden?

 

Jetzt wo Dominique darüber nachdachte…

Nach ihrem falschen Date hatte Jeanne sich nicht ein einziges Mal über Vanitas beschwert. Erst dachte Dominique ihre Freundin hatte es endlich geschafft den nervigen Verehrer abzuwimmeln, aber wie es schien...

 

Hatte das Date etwa genau das Gegenteil bewirkt? Mochte Jeanne diesen Dreikäsehoch jetzt etwa doch?

Das konnte nicht wahr sein. Sie musste das unbedingt verhindern. Bevor Vanitas Jeanne verletzte.

 

 

„Hey, Jeanne.“, begann Dominique zögerlich. „Willst du nicht vielleicht mal mit Noé den Sitzplatz tauschen? Dir wird noch schlecht, wenn du die ganze Zeit rückwärts fährst. Vor allem beim Lesen und mit dem süßen Getränk...“, versuchte sie möglichst einleuchtend zu erklären.

 

Jeanne, die auf ihrem Strohhalm herumkauend auf ihr E-Book geschaut hatte, sah nun verwundert auf. Ihr war nicht schlecht.

 

„Keine Sorge. Mir geht es gut. Der Bubble Tea, den sie am Bahnhof hatten ist auch gar nicht mal so süß.“, sie reichte den Becher herüber zu Vanitas. „Der schmeckt vielleicht sogar dir. Probier‘ mal.“

 

Dominiques Augen wurden immer größer, als sie beobachtete, wie Vanitas ohne von seiner Minikonsole aufzublicken den Becher in die Hand nahm und nur mit einem „Hm?“ kommentierend den Strohhalm zu seinen Lippen führte.

 

 

Es dauerte eine Sekunde bis Vanitas scheinbar geschockt wieder vom Strohhalm zurückwich und knallrot anlief; als sei ihm gerade klar geworden, dass er einen indirekten Kuss bekommen hatte. Jeanne, die den Becher wieder zurücknahm kicherte nur vergnügt.

 

Was zum Teufel ging hier vor? Seit wann war Vanitas so verlegen in Jeannes Gegenwart? Was hatte Dominique verpasst? Es sah aus, als hätten sich die Rollen vertauscht und zu allem Überfluss schien Noé das ganze nicht mal zu bemerken oder es kümmerte ihn nicht, während er seine Chips essend in einem Reiseführer herumblätterte und ab und an die vorüberziehende Landschaft bewunderte.

 

Sie war eindeutig im falschen Film.

 

 

 

In Lille angekommen tummelten sich bereits Massen an Menschen um das ausgewiesene Veranstaltungsgebäude. Genug um einen ganzen Konzertsaal zu füllen. Staunend sah Dominique sich in der bunten Menschenmenge um und vergaß dabei fast auf Noé zu achten. Ohne sie und den Gnom hätte Noé sich sicher hier schon drei Mal verlaufen.

 

Etwa nach einer halben Stunde wurden sie unter Vorlage eines Onlinetickets hereingelassen. Der riesige Saal, in den man sie führte, füllte sich stetig. Gab es in Frankreich wirklich so viele halbwegs erfolgreiche Streamer? Offenbar hatte sie diesbezüglich völlig hinter dem Mond gelebt. Oder war auch normales Publikum eingeladen?

 

 

In der Mitte des Saals war neben einer Bühne eine riesige Leinwand aufgebaut. Vermutlich würde man dort die Trailer und den Gastgeber zu sehen bekommen.

 

Noé war total unruhig vor Begeisterung und wippte neben Dominique aufgeregt auf und ab.

„Alter, komm mal wieder runter.“, lies Vanitas neben ihm scheinbar genervt verlauten.  Jeanne, die von Noés Gezappel völlig unbeeindruckt war, sah nur staunend in die Saalmitte und knabberte dabei an einem Schokoriegel.

 

 

Mit einem Mal wurde es dunkel im Raum, Musik schallte aus den Lautsprechern an der Decke.

 

„Willkommen zu den diesjährigen Y-Tube-Awards…“, konnte man die Stimme des Gastgebers in der Menge widerhallen hören. „Es freut mich, dass sie so zahlreich erschienen sind. Wir von Germain Cooperation begrüßen Sie in aller Herzlichkeit…“

Je länger Dominique dem Sprecher zuhörte, desto mehr stutzte sie. Diese Stimme kam ihr so bekannt vor. Unmöglich…

 

 

Die Scheinwerfer erhellten die Bühne vor der Leinwand und gaben die Sicht auf einen Mann frei, dessen Anblick sowohl Dominique, als auch Noé aus der Fassung brachte.

 

War das… Dominiques Großvater dort unten auf der Bühne?

 

 

 

 

Nachdem der Gastgeber der Veranstaltung eine längere Rede gehalten hatte, mehrere Trailer der Teilnehmer gezeigt wurden (darunter auch die von Vanitas und Noé) und ein paar bekanntere Gesichter auf die Bühne gebeten wurden, gab es eine kurze Pause.

 

Der weiche Teppichboden der Lobby deutete schon dunkle Spuren an, so oft wie Dominique bereits im Kreis gelaufen war. Irgendwie war sie nervös.

 

 

„Was meinst du damit, der Veranstalter ist ‚euer Großvater‘?“, fragte Jeanne verwirrt, als sie es nicht mehr ertragen konnte, Dominique Löcher in die Luft starren zu sehen.

 

„Er ist Domis Großvater und mein Adoptivvater.“, korrigierte Noé sie sanft, ehe er die Erklärung anfügte, die er selbst nicht ganz zu verstehen schien: „Und ganz offenbar ist er der Veranstalter dieses ganzen Events.“

 

„Was soll das heißen ‚ganz offenbar‘? Wollt ihr zwei mir weismachen, dass ihr davon nichts wusstet?!“, meckerte Vanitas mit verschränkten Armen. Er schien sich auf einmal sehr unwohl an diesem Ort zu fühlen.

 

Seufzend ließ Dominique sich schließlich auf eine der Sitzbänke fallen. „Genau! Wir wussten es nicht. Aber um ehrlich zu sein, würde das zu ihm passen. Die Familie de Sade war schon immer sehr exzentrisch. Es würde mich nicht wundern, wenn er uns damit überraschen wollte. Es ist sicher auch kein Zufall, dass ich hier bin. Er hat sicher gewusst, dass Noé mich mitnehmen würde.“

 

 

„Aber sagt mal…“

 

Die Augen der kleinen Gruppe richteten sich plötzlich auf Jeanne, die das Wort ergriffen hatte und zweifelnd zu Boden sah.

„Habt ihr nicht auch so ein komisches beklemmendes Gefühl, seit wir hier sind…? So als ob…“

 

Es dauerte nicht lange, bis Vanitas ihren Satz beendete: „So als ob wir hergelockt wurden?“

 

Seine Stimme war leise.

 

Die Annahme schien geradezu absurd, aber irgendwie traute sich niemand zu widersprechen.

Es war nur ein Gefühl. Völlig irrational dazu, doch irgendwie schienen es alle vier stumm zu teilen.

Ihre Blicke trafen sich.

 

Keiner hatte mit dem anderen über die nächtlichen Träume gesprochen, oder über die Déjà-vus, nicht über die Tagebucheinträge und auch nicht über das Gefühl sich schon ewig zu kennen und doch schien es gerade jetzt in diesem Moment als würden alle das gleiche fühlen und denken.

 

 

‚Habt ihr etwa auch…?‘

 

Noé konnte den Satz nicht einmal beginnen, der ihm gerade ebenfalls durch den Kopf schoss, als über die Lautsprecher das Signal zum Pausenende läutete.

 

 

Als die vier sich setzten warfen sie einander erneut forschende Blicke zu, ehe Dominiques Großvater wieder auf der Bühne zu sprechen begann.

 

„Bevor ich die Gewinner des heutigen Abends aufrufe, möchten ihr Ihnen noch ein Filmprojekt vorstellen, welches mir besonders am Herzen liegt. Unser Werbefilm für den neuen Pariser Vergnügungspark ‚Bien Chatou‘ entführt Sie in Zusammenarbeit mit den Machern von „Vampires of Astermite“ in eine magische Welt aus Fantasy- und Steampunk-Elementen. Sie werden wie verzaubert sein…“

 

Noé überkam eine Gänsehaut, als der Saal erneut abgedunkelt wurde. Irgendwas stimmte hier nicht.

 

Der Film, der nun abgespielt wurde zeigte vier junge Menschen, die aus irgendeinem Grund ihm und seinen Freunden ähnlich sahen.

Es waren Schauspieler, ganz klar, aber… diese Kleidung… Es war die gleiche Kleidung die in seinen Träumen vorkam. Einer der beiden Männer im Film trug sogar diesen riesigen Ohrring mit der Sanduhr und… Was hatte sich sein einstiger ‚Lehrmeister‘ dabei gedacht? Nein, woher wusste er…?

 

Noés sah zum Bühnenrand, wo Dominiques Großvater immer noch stand und plötzlich trafen sich ihre Blicke. Das Grinsen im Gesicht seines Adoptivvaters sah so gespenstisch aus. Noés Herz begann zu rasen. Er hatte Angst. Woher…? Woher…?

 

 

Ein ersticktes Geräusch, lies Noé aufhorchen und zur Seite sehen. Vanitas war in seinem Stuhl zusammengesunken und hielt sich mit weit aufgerissenen Augen die Hand vor den Mund. War ihm schlecht?

 

Erst jetzt sah Noé, dass auch Jeanne wie vom Donner gerührt nach vorn starrte und auch Domi sah so geschockt und ängstlich aus. Was hatte das zu bedeuten? War er nicht der Einzige mit Alpträumen?

 

 

„Ich bitte nun die Gewinner der ersten Kategorie auf die Bühne.“

 

Ah, der Film war bereits zu Ende. Noé atmete durch, aber das beklemmende Gefühl wollte einfach nicht verschwinden.

Nach und nach wurden weitere Gewinner aufgerufen, aber es passierte nichts Schlimmes.

 

„Kommen wir zur letzten Kategorie.“ Die Spannung im Raum schien zu steigen. „In der Kategorie ‚Newcomer‘ haben gewonnen… ‚V‘ und ‚Noé‘!“

 

Ein neuer Applaus ging durch das Publikum. Wie? Damit waren doch Vanitas und er gemeint, oder nicht?

 

 

Dominique sah den beiden Jungs besorgt nach, als sie etwas unbeholfen zur Bühne wankten. Es war wohl besser nicht zu viel Aufsehen zu erregen. Ihr Großvater hatte sich sicher etwas bei all dem gedacht und dieser Film… Das war sicher alles nur Zufall.

 

Wie um sich selbst zu bestätigen warf sie Jeanne ein aufmunterndes Lächeln zu, die ebenfalls aus irgendeinem Grund besorgt zu sein schien.

 

 

Es war merkwürdig für Noé seinem Adoptivvater so wieder zu begegnen. Sie hatten sich durch das Studium seit Monaten nicht gesehen und nun trat er ihm gegenüber wie ein Fremder, mit einer riesigen Show im Nacken.

 

Nachdem Vanitas und Noé ihre Preise entgegengenommen hatten, schüttelte sein Vater Noé schließlich die Hand.

„Die Teilnehmer der verschiedenen Kategorien bekommen jeweils ein einzelnes Treffen. Ihr beide seid die letzten. Seid bitte pünktlich und bringt eure beiden reizenden Begleitungen mit.“

 

Noé konnte nur wie gebannt nicken. Hatte sein Vater bereits gesehen, dass Domi und Jeanne mit ihnen gekommen waren? Wie in Trance verließen er und Vanitas die Bühne wieder.

 

Was mochte sein Vater vorhaben? Sie kannten einander doch privat. Wozu ein offizielles Treffen? Hatte er tatsächlich vor Vanitas und ihn zu fördern?

 

 

So in Gedanken versunken fiel Noé kaum auf, wie Dominique ihm entgegen gelaufen kam. Erst als er ihre Arme um sich spürte, versuchte er sie sanft anzulächeln. Ein Lächeln, dass sofort erstarb als er ihren ängstlichen Gesichtsausdruck sah.

 

 

„Noé… Ich muss dir was sagen...“

Offenbarung

„Die Wahrheit ist eine unzerstörbare Pflanze. Man kann sie ruhig unter einem Felsen vergraben, sie stößt trotzdem durch, wenn es an der Zeit ist.“

 

Frank Thiess

 

♥♦♣♠

 

 

 

Das Gebäude leerte sich. Viele der Zuschauer machten sich bereits auf den Heimweg und es wurde stiller in der Lobby. Dominique und Noé hatten sich auf eine der Bänke gesetzt, während Jeanne und Vanitas sich in respektvollem Abstand ein Wasser vom Getränkeautomaten holten.

 

Mit glühenden Wangen sah Dominique auf ihre nervös ineinander gefalteten Hände in ihrem Schoß.

 

„Es tut mir so leid!“

 

Noé hatte die Arme verschränkt und betrachtete sie mit ernstem Blick.

 

„Domi, es ist nicht in Ordnung das Tagebuch anderer Menschen zu lesen.“

 

Hätte Dominique sich nicht so geschämt, sie hätte sich gleich ein weiteres Mal in ihn verliebt. Jeder andere wäre wohl wütend geworden und hätte über Tage nicht mit ihr gesprochen. Aber Noé tadelte sie nur sanft, als wäre sie ein Kind, das gerade jemandem die Schaufel weggenommen hatte.

Dieser Mann war einzigartig und er hatte nie ernsthaft etwas zu verbergen. Bisher hatte nur Vanitas es geschafft ihn richtig sauer zu machen, aber selbst das hielt nie lange an.

 

„Bitte verzeih mir, Noé. Ich werde es nicht wieder tun. Ich habe auch nur so lange darin gelesen, weil…“, sie schluckte schwer. „Die Dinge die du geschrieben hast… Sie verfolgen mich. Es ist als ob… ich das alles selbst erlebt habe. Ich träume seither jede Nacht davon. Und es kommen neue Dinge hinzu, die du nicht geschrieben hast. Wie ich auf einem Riesenrad stehe und…“

 

Sie verstummte, als ihr Blick nach oben schwang und den von Noé traf.

 

Er sah sie plötzlich entsetzt und mit weit aufgerissenen Augen an.

 

„Riesenrad…?“

 

 

Es stimmte. Noé hatte keine Szene mit einem Riesenrad aufgeschrieben, aber jetzt wo Domi davon sprach… Er konnte es ganz deutlich sehen, spürte plötzlich eine tiefe Angst um seine Freundin. Wie in Trance legte er seine Hände an Domis Oberarme und drückte sie leicht, um sich zu vergewissern, dass sie auch wirklich wohlauf war und vor ihm saß.

 

 

„Ist mit euch beiden alles in Ordnung?“, riss Vanitas‘ Stimme ihn aus seinen Gedanken. Jeanne und Vanitas waren mit den Wasserflaschen zurückgekommen und sahen Dominique und Noé besorgt an. Noés Blick schweifte zwischen allen dreien hin und her.

 

„Denkt ihr… Dass wir uns vor dem Studium schon mal irgendwo getroffen haben?“, entfuhr es ihm leise.

Angestrengt wühlte Noé in seinen Erinnerungen. So musste es doch sein, oder nicht? Sie mussten sich schon einmal während der Schulzeit begegnet sein. Anders war es nicht zu erklären, dass er Vanitas und Jeanne so gut zu kennen schien. Sie erschienen ihm ebenso vertraut wie Domi, mit der er aufgewachsen war.

 

Alle sahen sie ihn mit einem Ausdruck des Unwohlseins an, aber offenbar traute sich niemand etwas zu sagen. Niemand fand die Worte. Gerade als Noé sich erklären wollte, wurden sie von einer jungen Frau in einem blauen Business Kostüm angesprochen.

 

 

„Der Vorsitzende hat jetzt Zeit für Sie. Bitte folgen Sie mir.“

 

Nach einem kurzen Blickwechsel folgten die vier jungen Menschen der Dame, welche sie in ein Zimmer führte, das einem Salon ähnelte. Um einen kleinen Tisch stand ein riesiges Sofa und zwei Stühle. Die Wände waren gesäumt mit schlichten Bücherregalen, aber es befand sich kein Fenster im Raum. Eine zweite Tür lies vermuten, dass es sich um ein Durchgangszimmer handelte.

 

„Ich lasse Sie nun allein. Der Vorsitzende wird gleich bei Ihnen sein.“, sagte die Frau, als sie beim Verlassen des Zimmers, die Tür hinter sich schloss. Schweigend setzten sich Noé, Dominique und Jeanne auf das Sofa, während Vanitas den Stuhl bevorzugte. Misstrauisch verschränkte er die Arme. Ihm gefiel das alles hier nicht. Er konnte nicht festmachen woran es lag, aber irgendetwas war seltsam.

 

 

Mit einem leisen Klicken öffnete sich die Tür und der Mann auf den alle warteten betrat den Raum. Sein schwarzer Anzug war extravagant. Die Innenseite des Kragens mit Rot und Gold verziert, eine goldene Krawattennadel; sein Haar war zurückgegelt. Mit einem etwas unwohlen Gefühl sah Vanitas ihm in die Augen.

 

Heterochromie.

 

Er wusste nicht, ob er ihm zuerst in das blaue oder das braune Auge mit dem rötlichen Schimmer sehen sollte.

„Willkommen. Wie schön, dass ihr hier seid. Ich bin der Vorsitzende von Germain Cooperations. Ihr könnt mich einfach Monsieur Germain nennen.“, sagte der Mann mit einem sanften Lächeln, ehe er sich auf einen weiteren Stuhl setzte und die Beine übereinander schlug.

 

Noé war der erste, der die Sprache wieder fand.

„Lehrm… Ich meine Vater! Was hat das hier alles zu bedeuten? Haben wir wirklich gewonnen? Wieso hast du nicht gesagt, dass du der Gastgeber bist?“

 

Seine Stimme überschlug sich fast, als die Fragen aus ihm heraussprudelten, was Noés Gegenüber nur ein sanftes Lachen entlockte.

 

„Noé hat recht, Großvater. Wieso hast du uns nicht gesagt, dass du uns hierher eingeladen hast? Was hat das alles zu bedeuten?“

 

Der Angesprochene lächelte nur breit. „Naja, es sollte eben eine Überraschung werden. Vor allem für dich, Vanitas…“, sein Blick wanderte zu Vanitas herüber.

Dieser sank vor Unbehagen etwas weiter in den Stuhl. Wovon redete dieser Germain da? Er kannte Noés Vater nicht. Von welcher Überraschung sprach er da?

 

 

„Ich möchte euch tatsächlich als Streamer fördern, aber ich habe mit euch allen auch noch etwas anderes Wichtiges, abgesehen von der Preisverleihung, zu besprechen. Deswegen war es mir wichtig euch heute alle gemeinsam hier zu haben.“

Dominique knirschte mit den Zähnen. Er hatte das also wirklich alles von langer Hand geplant. Das sah ihrer Familie ähnlich. Absolut gruselig war das. Selbst Jeanne sah beunruhigt aus.

 

„Aber bevor wir zum ernsten Teil kommen, will ich euch zuerst den positiven Teil meiner Überraschung zeigen.“, Germains Blick wandte sich zu der Tür, aus der er gekommen war. „Ihr könnt reinkommen.“

 

 

Keiner der Anwesenden, mochte seinen Augen trauen, als plötzlich Mikhail und Luca den Raum betraten.

 

„Misha!“, rief Vanitas beinahe entsetzt und löste sich aus seiner Starre.

Der Angesprochene war den Tränen nahe. „Bruder!“, erwiderte er mit brüchiger Stimme, ehe er Vanitas in die Arme lief. Haltsuchend drückte er sich an die Brust des Älteren.

„Was hat das zu bedeuten? Was machst du hier?“, redete Vanitas besorgt auf seinen kleinen Bruder ein, während er ihn festhielt.

 

Auch Luca begrüßte indes Dominique und Jeanne, die ihn nur fragend ansahen.

 

 

„Ich habe ihn adoptiert.“, warf Germain in den Raum, als sei es das Selbstverständlichste auf der Welt. Alle Blicke richteten sich auf ihn, ehe er weitersprach: „Nachdem meine liebe Dominique und Noé aus dem Haus waren, brauchte ich eine neue Aufgabe. Es war wirklich einsam in der Villa und da habe ich Misha bei mir aufgenommen. Und wie es der Zufall will ist er der kleine Bruder von Noés Mitbewohner. Ist das nicht wundervoll?“

 

Vanitas sah ihn mit einem zerknirschten und leicht wütenden Gesichtsausdruck an. Er traute diesem Mann nicht. Egal ob er Noés Adoptivvater oder der Weihnachtsmann persönlich war.

 

„Das ist doch nie und nimmer Zufall! Was wollen Sie von Misha?!“, giftete er Germain an.

 

 

Der sanfte Zug von kleinen Fingern an seinen Ärmel, riss Vanitas‘ Aufmerksamkeit wieder zurück zu Mikhail. „Mach dir keine Sorgen, Bruder! Er behandelt mich gut! Er hat gesagt wir können wieder zusammen sein, wenn du mit dem Studium fertig bist.“

 

Unsicher sah Vanitas ihn an, ehe sein Blick zurück zu Germain wanderte. War das wirklich in Ordnung? Wie war das überhaupt zu Stande gekommen? Es musste Nachforschungen gegeben haben. Anders konnte er sich das Ganze nicht erklären.

 

 

Jeanne, die alles beobachtet hatte, fühlte sich währenddessen nur wie eine Zuschauerin. Als wäre sie in eine Familienfeier geraten zu der sie nicht gehörte. Natürlich war sie heute nur als Vanitas‘ Begleitung hier gewesen, aber irgendwie kam ihr die Situation doch merkwürdig vor. Immerhin stand sie ja zumindest Dominique und Luca sehr nahe. Ihr Blick fiel auf letzteren, der sich zwischen sie und Domi gesetzt hatte, ehe sie die Stimme erhob.

 

„Aber, wenn wir wegen der Preisverleihung und Mishas Adoption hier sind, warum haben Sie dann Luca mitgebracht?“, wollte sie wissen, ehe ihre Augen auch unsicher zu Dominique schwankten. Wahrscheinlich wäre es angebrachter gewesen, wenn Domi diese Frage gestellt hätte. Auch wenn Jeanne Luca unglaublich lieb hatte, gehörte sie nicht zur Familie.

 

 

„Ach, nun… Ihn nicht herzubringen wäre zu gefährlich gewesen.“, Germain schenkte Jeanne ein Lächeln, das sie erschaudern lies.

„Immerhin ist heute der Tag an dem alle Erinnerungen sich treffen werden.“

 

Die kleine Gruppe an Menschen sah ihn verwirrt an. Er sprach in Rätseln.

Germain blickte zu Luca. „Zugegebenermaßen waren Mishas und Lucas Seelen noch sehr jung an dem entscheidenden Tag. Es könnte also sein, dass sich die beiden nicht an alles aus ihrem früheren Leben erinnern können werden. Aber das Risiko einen von euch in diesem Moment allein zu lassen ist dennoch zu hoch. Deswegen habe ich euch heute alle hier versammelt.“

 

„L… Vater, ich verstehe das nicht. Wovon sprichst du da?“, machte Noé seiner Verwirrung schließlich Luft. Germain lächelte ihn sanft an.

 

„Du wirst es gleich erfahren.“, sagte Germain und sah hinaus zu einer großen Uhr an der Wand, deren Sekundenzeiger sich lautstark auf die Zwölf zubewegte. „Es sind ohnehin nur noch wenige Sekunden. Am besten bleibt ihr sitzen.“

 

 

Noé folgte seinem Blick zur Uhr. Als der Sekundenzeiger die oberste Zahl schließlich traf, ging ein Pulsieren durch seinen Körper. Seine Sicht schwankte für einen Moment in verschiedenen Farben, sein Herzschlag dröhnt in seinen Ohren und dann… Sah er alles vor sich.

 

Ein ganzes Leben zog vor seinem inneren Auge an ihm vorüber. Alles was er in seinen Träumen gesehen hatte, alle Sätze die ihm so bekannt vorkamen und noch so viele Dinge mehr und schließlich wusste er, dass das nicht nur Visionen waren. Schmerzhafte Erinnerungen an Louis und seine Großeltern, aber auch angenehme und aufregende. Das war sein Leben gewesen. Damals in der anderen Welt. Damals als er ein Archiviste war, ein Vampir.

 

Angespannt krallte er sich in das Sofa unter ihm, um Halt zu suchen. Sein ganzes Weltverständnis war gerade zusammengebrochen und doch war er immer noch er selbst. Der gleiche Noé wie zu vor, aber mit zwei Vergangenheiten.

Das war es also die ganze Zeit gewesen was sie verfolgt hatte. Es war alles Real und sie hatten sich alle wiedergefunden, aber wie?

 

 

Vanitas war kurz davor von seinem Stuhl zu fallen. Die Erinnerungen, die auf ihn einströmten waren zu viel für ihn. Alles was er in dieser Welt bereits erlebt hatte, schien sich zu wiederholen, nur in einer anderen Welt. Sein Vater nicht von einem Auto, sondern einem Vampir getötet. Die Zeit bei der Kirche, Moreau, Luna… Ihm war übel. Mit schockgeweiteten Augen hielt er sich beide Hände vor dem Mund und zitterte am ganzen Leib. Warum? Warum musste er das alles zweimal durchmachen? Wieso lies ihn das Leid nicht los? Er war so überfordert. Alles strömte auf einmal auf ihn ein. Seine Mission, die verzweifelte Suche, Noé, seine Gefühle für Jeanne, Misha… Ein Schluchzen entrann seiner Kehle und auf einmal sah er Misha in die Augen… Misha… Misha war in dem anderen Leben zu seinem Feind geworden, aber jetzt war er hier… ein unschuldiges Kind. Hatte er das auch alles gesehen? Würde er…?

 

Aber Mikhail sah Vanitas nur mit leeren Augen an, als würde er in seinem Inneren einen ganz eigenen Kampf führen, die rechte Hand in seinen linken Unterarm krallend. Ja… Misha hatte wieder zwei gesunde Hände.

 

 

Jeannes Augen füllten sich mit dicken Tränen. Sie sah ihre Eltern erneut sterben. Noch viel brutaler und grausamer als es ihr in diesem Leben widerfahren war. Sie sah Lord Ruthven für den sie gleichermaßen Liebe und Abscheu, ja Angst, empfand. Er war nicht mehr nur der strenge, aber nette Ziehonkel aus diesem Leben. Sie sah Chloé und Jean-Jaques, Luca… nein, Meister Luca… Dominique… Und dann das Ereignis von jenem Tag. Mit Schrecken erinnerte sie sich an ihren letzten Atemzug. Sie war in Vanitas‘ Armen gestorben.

Haltsuchend umfassten ihre Hände die des kleinen Luca, der sich ebenfalls an sie klammerte.

 

 

Dominique zitterte am ganzen Leib, kalter Schweiß stand ihr im Gesicht, die Erinnerungen an das Tagebuch, noch so frisch, übermannten sie wie eine hohe Welle aus Meerwasser und breiteten sich aus. Ein ganzes vergangenes Leben rauschte an ihr vorbei, mischte sich mit der Gegenwart. War die Vampirin ihr wahres Ich? Oder diejenige, die sie jetzt war? Aber sie fühlte sich nicht wie ein anderer Mensch als zuvor. Es war, als wären ihr nur ein paar vergessene Dinge wieder eingefallen. Schreckliche Dinge, schöne Dinge, wundersame Dinge…

Schwer atmend – sie hatte gar nicht gemerkt wie sich ihr Puls verschnellert hatte – blickte sie zu ihrem Großvater. Er war noch immer ihr Großvater, aber menschlicher und gealtert. Er wartete einfach ab, gab ihnen Zeit sich von dem Schock zu erholen.

 

 

„Das waren nicht nur Visionen, oder?“, brachte sie keuchend hervor. „Das waren unsere Erinnerungen.“

Germain lächelte nur wissend.

 

„Ich bin gestorben.“, brachte Jeanne schluchzend hervor. Diese Erkenntnis saß immer noch schmerzlich tief.

 

„Nein, wir sind alle gestorben.“, fügte Vanitas zitternd an. „Gestorben und wiedergeboren.“

 

„Das ist korrekt, Vanitas.“, erklärte Germain als wäre er in die Rolle eines Lehrers zurückgekehrt.

 

Auch Noé fand endlich seine Stimme wieder: „Dann war es Schicksal, dass wir uns alle wiederbegegnet sind? Wieso können wir uns erinnern?“ Er hatte so viele Fragen. So viele…

 

Germain begann zu grinsen.

 

 

„Oh, du irrst dich. ‚Mon Chaton‘.“

 

Der alte Kosename lies Noé frösteln.

 

„Es war kein Schicksal... Nicht das Schicksal hat euch hier her in diese Welt geführt, sondern ich. Euer Schicksal, nein eure Seelen gehören nicht in das Universum, in dem ihr seid. Deswegen war es unausweichlich, dass eure Erinnerungen zurückkehren würden und zwar genau jetzt… Weil heute der Tag ist an dem ihr exakt so alt seid wie bei eurem Tod. Mit Ausnahme der Hexe des Höllenfeuers… nein, Jeanne natürlich. Ihr Alter entspricht dem menschlichen Pendant zu ihrem vorherigen Leben.“

 

 

Er sah Noé forschend an. „Da du in deinem vorherigen Leben ein Archiviste warst, Noé, hätten deine Erinnerungen freilich eher zurückkehren können. Deswegen habe ich regelmäßig die Hypnose bei dir angewandt.“

Es war als ob ein Groschen fiel. Noé schluckte. Das waren also diese ‚Meditationen‘, die sein Vater… sein Lehrmeister mit ihm gemacht hatte. Kein Wunder, dass diese Träume erst begannen, als er nach Paris zog und Vanitas traf. Und seine Fähigkeit Erinnerungen abzurufen, musste auch die anderen beeinflusst haben. Deswegen die Träume, deswegen die Déjà-vus…

 

 

„Ich erinnere mich…“, presste Vanitas hervor. „Wir waren alle in diesen Kampf zwischen Ihnen und Ruthven verwickelt. Aber wieso hätten Sie uns alle retten sollen? Auch mich?“

 

 

Germains Grinsen wurde breiter. „Es war einfach zu interessant euch alle zu beobachtet. Auf die eine oder andere Art sind auch du und Misha meine Schützlinge. Ich wollte sehen was mit euch geschieht, aber… Etwas kam dazwischen. Der entscheidende Kampf zwischen Ruthven und mir begann zu früh und mein Plan für den Frieden der Welt konnte nicht beendet werden. ich musste also einen Weg finden meine Schachfiguren zu erhalten.“

 

 

„Den… Frieden?“, brachte Noé nur keuchend hervor.

 

Nun ergriff Dominique das Wort: „Eins verstehe ich nicht… Wieso ist mein… Sind unsere Leben fast genauso verlaufen wie vorher? Unsere familiäre Herkunft, dass wir uns wieder treffen… Sogar unsere Namen sind dieselben, obwohl wir keine Vampire mehr sind.“

 

Germains Grinsen nahm eine gespenstische Form an.

 

 

„Damit ihr diejenigen bleibt die ihr wart… Hätte euch ein anderer Lebensweg ereilt als zuvor, wärt ihr zu anderen Menschen geworden. Das hätte zu einem Ungleichgewicht der Weltordnung geführt, sobald ihr euch erinnert hättet. Also musste ich ein Universum auswählen in dem ihr nahezu die gleichen Bedingungen hattet wie bisher.“

 

 

Stille trat ein. Für einen kurzen Moment sagte niemand etwas. Die Flut der Informationen war zu groß, dass nicht einmal alle Fragen, die sich nun stellten formulieren ließen.

 

 

Mit einem lauten Knall wurde der Tisch zur Seite gestoßen.

 

Innerhalb einer Sekunde stand Vanitas plötzlich vor Germain und wollte ihn schlagen. Letzterer konnte seine Handgelenke gerade noch festhalten, das überlegene Grinsen nicht von seinem Gesicht weichend.

Vanitas‘ Augen schienen Funken zu sprühen, das Gesicht zu einer wütenden Grimasse verzerrt.

 

„DU HÄTTEST ES VERHINDERN KÖNNEN!“, schrie er den Mann vor sich an.

 

„Du hättest behindern können, dass Misha und ich…!“, seine Stimme wurde bei jedem Wort immer leiser, aber das Entsetzen wich nicht aus seiner Mimik.

 

Germain hatte die Macht gehabt die Welt zu wählen, in der sie wiedergeboren wurden. Er hätte ihnen all das Leid ersparen können.

 

 

Vanitas zuckte zusammen, als er den Schmerz spürte, den der Druck auf seinen Handgelenken auslöste. Germain war stärker als er aussah.

 

„Du willst hier doch keinen Aufstand anzetteln, oder Junge?“, flüsterte Germain in einem gefährlichen und doch irgendwie amüsierten Ton.

 

Ein Keuchen entfloh Vanitas, als Dominique ihn zurückzog, da Noé noch immer völlig neben sich stehend auf dem Sofa saß.

Es brauchte einen Moment bis Vanitas bewusst wurde, dass sie nicht mehr in ihrer alten Welt waren. Niemand von ihnen hatte besondere Kräfte. Die Polizei würde sie einfach hier herauszerren, wenn es nötig war.

 

Misha sah ihn ängstlich an. Er schien nicht alles zu begreifen. War nur ein Teil seiner Erinnerungen zurückgekehrt? Und auch Luca war einfach nur damit beschäftigt mit den Tränen zu kämpfen.

 

 

„Was passiert jetzt?“, erklang Jeannes weinerliche Stimme. „Werden… Werden wir unser jetziges Leben verlieren? Gehen wir

zurück nach…“

 

Germain erhob sich von seinem Stuhl und strich seinen Anzug glatt, ehe er sagte: „Zu eurem Übel oder zu eurem Wohl… Könnt ihr nicht in euer altes Leben zurückkehren. Und tatsächlich ist das leider auch ein Problem für mich… Ich musste mich beeilen und Abstriche machen. Zwar ist diese Welt beinahe ideal aber ich habe nicht einberechnet, dass sie so wenig Magie besitzt, dass ich sie selbst nicht mehr verlassen kann… Da auch meine Seele in einen Menschenkörper gezwängt wurde... Ich kann erst dann zurück, wenn ich sterbe.“

 

Er lächelte mild.

 

„Und das ist vielleicht auch eine sehr nette Abwechslung.“

 

Sein Blick wanderte über die erschütterten Gesichter.

 

 

„Ob ihr nach eurem Tod in die vorherige Welt zurückkehren werdet, vermag ich nicht zu sagen, aber ich lege euch ans Herz dieses Leben zu nutzen, in dem ihr nicht mehr um das Leben kämpfen müsst. Ich stehe nach wie vor dazu euch in eurer Karriere unterstützen zu wollen und ich werde mich um Misha kümmern, bis er alt genug ist es selbst zu tun.“

 

 

 

 

Etwa eine halbe Stunde später standen alle auf dem Parkplatz des Veranstaltungsgebäudes um sich von Luca und Misha zu verabschieden.

 

Die frische Luft half einen klareren Kopf zu bekommen, auch wenn es wohl noch eine Weile dauern würde alles zu verarbeiten.

Luca musste sich immer noch zurückhalten nicht zu schluchzen als er Jeanne umarmte. Mit glasigen Augen sah er zu ihr auf. „Ich bin so froh… so froh, dass du lebst, Jeanne.“

Liebevoll strich sie ihm übers Haar. „Ich bin auch froh, dass wir uns alle wieder haben, Meister… ich meine Luca. Ich werde bald wieder vorbeikommen und auf dich aufpassen. Komm gut heim.“

 

Auch Misha drückte Vanitas noch einmal fest. „Es wird alles gut, großer Bruder. Wir können jetzt ein normales Leben führen und uns immer sehen. Zusammen mit Bruder Noé und Domi.“

Vanitas nickte stumm, aber es fiel ihm noch schwer die neue Situation zu akzeptieren, auch wenn er froh war, dass es Misha gut ging.

 

Er blickte auf, als er Noés Hand auf seiner Schulter spürte.

 

„Lasst uns nach Hause fahren.“

Epilog: Über den Dächern von Paris

„Je schöner und voller die Erinnerung, desto schwerer ist die Trennung. Aber die Dankbarkeit verwandelt die Erinnerung in eine stille Freude.“

Dietrich Bonhoeffer

 

 

♥♦♣♠

 

 

Die letzten Sonnenstrahlen des Tages legten die Stadt in ein sanftes in Gold und Rosa, als Vanitas sie von oben herab betrachtete. Er hatte erst vor einigen Tagen entdeckt, dass man auch von Noés Wohnung aus das Dach betreten konnte. Der Blick war ein anderer, als damals vom Dach des Chou Chous aber er war nicht minder atemberaubend.

 

Ein Windzug strich Vanitas‘ Haare über seine Schulter nach vorn, kündigte die kühlen Temperaturen der Nacht an.

Bald würde es Herbst werden und er nahm sich vor die Zeit zu nutzen, solange es hier oben noch bequem und einigermaßen warm war. Immerhin war das hier der beste aller Orte um nachzudenken.

Und Zeit zum Nachdenken brauchte er wahrlich.

 

Denn er hatte versagt.

 

 

Dass er in der anderen Welt auf diese Art und Weise und zu diesem Zeitpunkt gestorben war bedeutete, dass er seine Mission nicht erfüllt hatte. Er war zu früh gegangen, hatte seine Aufgabe nicht beendet.

Was mochte danach aus der anderen Welt geworden sein?

 

Hatte Charlatan die Macht übernommen? War ein neuer Krieg zwischen Menschen und Vampiren ausgebrochen? Gab es jemand anderen, der seinen Kampf weitergeführt hätte? Oder hatte das Buch des Vanitas die Welt, wie er sie kannte, schlussendlich vollkommen zerstört?

 

Um das zu erfahren hätte er wissen müssen was nach seinem Tod… Was nach ihrer aller Tod geschehen war. Der Einzige, der es eventuell wissen könnte war der Gestaltlose, der nunmehr vielleicht zum ersten Mal in seinem Leben eine feste Gestalt angenommen hatte, aus der er nicht so einfach entfliehen konnte.

 

Aber wollte Vanitas diese Fragen tatsächlich stellen? Immerhin konnte er keinerlei Einfluss mehr darauf nehmen. Selbst das Grimoire existierte hier nicht mehr. Auch nicht die Male von Luna und Jeanne. Nur die Narben an seinem Körper erinnerten Vanitas daran, dass in dieser Welt nicht alles anders war.

 

 

Blass konnte er die Gestalt des Mondes am Horizont aufgehen sehen.

 

Luna…

 

Er hatte sie im Stich gelassen. Seine Rache… Sein Versprechen die Vampire zu retten… Das war jetzt alles Vergangenheit. Er konnte nichts mehr ausrichten.

 

 

War es wirklich in Ordnung hier ein friedliches Leben zu führen und so zu tun, als wäre das alles nicht mehr von Bedeutung?

Mit einem tiefen Atemzug fasste er sich an die Brust. Da war immer noch so viel Gefühlschaos in ihm.

 

Wieso nur war er so verdammt... Erleichtert?

 

Er würde nicht sterben müssen. Er war jetzt frei und dazu ein ganz normaler Mensch, so wie er es sich in seinem vorherigen Leben immer gewünscht hatte.

Seine Augen begannen zu brennen.

Wieso hatte er gleichzeitig solche Schuldgefühle? Es war schließlich nicht so, als hätte er hier ein unbeschwertes Leben oder auch nur eine Kindheit gehabt.

Seine Eltern waren trotzdem tot. Er hatte Luna trotzdem verloren. Moreau hatte ihn trotz allem fast zu Tode gefoltert. Er musste trotzdem jeden Tag um seinen Platz in der Welt kämpfen, auch wenn es langsam leichter wurde.

 

Hatte er nicht ein wenig Glück verdient? Hatte er es nicht verdient die Vampire endlich hinter sich zu lassen?

 

Alle, die er liebte waren immer noch da. Und auch, wenn er dafür vorerst sein Vertrauen in diesen fürchterlichen Mann setzen musste… Würde er endlich für Misha sorgen können.

 

Und doch… Die andere Welt würde er, jetzt wo er sich wieder erinnerte, wohl nie ganz loslassen können.

Vielleicht brauchte er einfach noch etwas Zeit sich wieder an sein normales Leben hier zu gewöhnen. Misha ging es gut und Noé würde Vanitas weiterhin unterstützen, ihn bei sich wohnen lassen. Die Arbeit und das Studium würden weiterhin viel von ihm abverlangen, aber vielleicht würde alles gut werden. Vielleicht konnten sie jetzt endlich alle glücklich sein?

 

 

 

Als er ein leises Knarren hörte, wusste Vanitas bereits, wer gerade zu ihm auf das Dach kletterte. Noé und er trafen sich seit ein paar Tagen öfter hier oben, um gemeinsam zu essen oder nach dem Lernen einfach etwas zu entspannen.

 

„Du bist ja immer noch hier oben.“, erklang die ruhige Stimme des Geschichtsstudenten, als er sich neben Vanitas setzte. „Denkst du wieder nach?“

 

Vanitas antwortete nur mit einem Nicken.

 

Einen Moment lang sah Noé ihn einfach nur an, ehe sein Blick über die Dächer schweifte, während der Wind auch sein Haar sanft umspielte.

 

„Das war wirklich ein ganz schöner Schock…“, bestätigte Noé. „Es fällt mir schwer ihn… nun noch als Vater zu betrachten. Es fühlt sich ganz ähnlich an wie damals nach der Sache im Vergnügungspark.“

 

 

Damals…

 

 

Die beiden Lebensspannen die sie geführt hatten schienen sich zu vermischen. Teilweise war es schwer Erinnerungen auseinander zu halten. Was war in welchem der beiden Leben passiert? Konnte ein menschliches Gehirn überhaupt die Leistung erbringen sich dauerhaft an zwei Leben gleichzeitig zu erinnern?

 

„Es scheint dich nicht sonderlich zu stören, dass deine Vampirkräfte fort sind.“

 

Noé zuckte mit den Schultern.

 

„Ich hatte ja auch ein ganzes Leben Zeit mich an diesen Körper zu gewöhnen. Und auch wenn es vielleicht praktisch wäre, habe ich nun wirklich nicht das Bedürfnis die Wände hochzulaufen.“

 

Vanitas sah ihn neugierig an. Sein Wissensdurst als Arzt hatte sich nicht verändert.

 

„Vermisst du es Blut zu trinken?“

 

Der Weißhaarige legte den Kopf in den Nacken und schien eine Weile zu überlegen.

 

„Eigentlich nicht. In meiner Erinnerung ist es etwas sehr Angenehmes gewesen, aber irgendwie fehlt mir auch dafür jetzt das Bedürfnis.“

 

Es trat eine kurze Pause ein.

 

„Und irgendwie… bin ich auch froh… Die Erinnerungen anderer sehen zu können war immer mehr eine Last für mich, als ein Segen.“

 

Vanitas sah ihn nachdenklich an. In der Vergangenheit hätte Noé sicher viel darum gegeben sein Blut trinken zu können und damit seine Erinnerungen zu sehen, aber er hätte es ihm ohnehin nie gestattet. Jetzt stand dieser Fakt nicht mehr zwischen ihnen, da es schlicht und ergreifend nicht mehr möglich war. Sie waren absolut gleich. Ebenbürtig, wenn man so wollte.

 

Als Noé seinen Blick bemerkte, lächelte er Vanitas leicht an. „Wirst du nach der Klausurenphase mit dem Streamen weiter machen?“

 

Sein Gegenüber zog eine Schnute. Die Ereignisse rund um die Preisverleihung und ihre zurückgekehrten Erinnerungen hatten Vanitas komplett aus der Bahn geworfen. An Lernen war nicht mehr zu denken gewesen und auch von der Arbeit musste er sich ein paar Tage krank melden.

 

„Mal sehen. Wenn ich nicht so viele der Klausuren wiederholen muss, mache ich bald damit weiter. Dein ‚Lehrmeister‘ hat ja gesagt, dass er uns unterstützen will. Das sollten wir auf jeden Fall nutzen, findest du nicht? Das ist immerhin das Mindeste, was er uns nach allem schuldet.“

 

 

„Ja, vielleicht hast du recht.“

 

Nachdenklich sah Noé nun wieder nach vorn, auf die Dächer von Paris, der Himmel sich langsam von rosa-violett zu blau färbend. Die Lichter der Stadt begannen die Straßen zu erhellen und tauchten alles in eine magische Atmosphäre.

 

 

Für ein paar Minuten saßen beide einfach nur schweigend nebeneinander, jeder seinen Gedanken nachhängend, ehe Noé sich schließlich herzhaft streckte und Vanitas fragend ansah.

 

„Sag mal… Musst du nicht langsam los? Heute ist doch dein zweites Date mit Jeanne, oder?“

 

Noé konnte beobachten, wie Vanitas‘ Gesichtsfarbe immer dunkler wurde, bis er schließlich knallrot anlief.

 

„Das geht dich überhaupt nichts an!“, fauchte der Medizinstudent, wie ein Kätzchen, dem man auf den Schwanz getreten war. „Das erste Treffen war nicht mal ein richtiges Date, klar?!“

 

Noé konnte sich ein leises Prusten nicht verkneifen, während Vanitas aufstand und ihn sauer ansah.

Obwohl sie sich an nichts erinnern hatten können, waren ihre Aufeinander treffen in dieser Welt ganz ähnlich verlaufen wie in ihrem vorherigen Leben. Der ehemalige Archiviste war sich also sicher, dass die Gefühle seines Gegenübers für Jeanne ganz ähnliche waren wie zuvor, auch wenn er hoffte, dass sein Freund diesmal glücklich werden würde.

 

 

Gemächlich stand Noé ebenfalls auf und sein überlegenes Grinsen brachte Vanitas fast zur Weißglut. Er konnte unmöglich zulassen, dass dieser großgewachsene naive Schnösel die Oberhand gewann, nur weil er wegen Jeanne gerade etwas aus dem Konzept gebracht war.

 

„Pass… Pass du besser auf, dass du…“, er biss die Zähne aufeinander. Nein, es war nicht fair diesem Trottel brühwarm zu erzählen, dass Dominique ganz offensichtlich in ihn verliebt war. Da musste er schon selbst drauf kommen.

 

Völlig perplex sah Noé ihn an. Es kam selten vor, dass der schwarzhaarige junge Mann um eine Beleidigung verlegen war.

 

„Pass besser auf, dass du in Dominiques Englischnachhilfe besser mitkommst, sonst lässt sie dich noch irgendwann fallen!“, schnaufte Vanitas also stattdessen genervt und trat den Weg zur Dachluke an.

 

Mit offenem Mund sah Noé seinem Mitbewohner hinterher. Hatte Domi sich über ihn beschwert?

 

„Hey, wie meinst du das denn?“, rief er Vanitas hinterher, während er sich beeilte ihm zu folgen, aber dieser kicherte nur in sich hinein.

 

Während Vanitas seine Schuhe anzog, um die Wohnung zu verlassen, baute Noé sich mit in die Hüfte gestemmten Armen vor ihm auf.

„Domi lässt mich nicht fallen, nur weil ich schlecht in Englisch bin. Sowas würde sie niemals tun!“

 

„Wenn du das sagst. Ich für meinen Teil hätte es schon längst aufgegeben dich zu unterrichten. Dabei wird man ja am Ende selbst noch dümmer.“, sagte Vanitas mit dem arrogantesten Ton, den er auf Lager hatte, während er die Tür zum Hausflur öffnete.

 

Noé wollte gerade etwas erwidern, als beide auch schon mit tellergroßen Augen auf die Person starrten, die bereits auf die Tür zugesteuert kam.

 

 

Mit einem verlegenen Lächeln blieb Jeanne kurz vor den Beiden zum Stehen. „Eine Nachbarin hat mich unten reingelassen.“, erklärte sie ihr plötzliches Auftauchen vor der Wohnungstür.

 

Noé sah erstaunt zu Vanitas hinab und konnte es sich nicht verkneifen ihn mit einem freundlichen Lächeln noch weiter aufzuziehen: „Sie holt dich ab? Dann hast du also endlich deinen Prinzen gefunden!“

 

Im völligen Gegensatz zu Noés unschuldiger Mimik verfinsterte Vanitas‘ Blick sich nur immer mehr.

 

„Ich bringe dich um… Diesmal wirklich…“, zischte er leise.

 

 

Ohne sich noch länger mit dieser peinlichen Situation zu befassen schritt Vanitas schnell aus der Tür heraus, um die verwirrt dreinblickende Jeanne an der Hand zu nehmen und weiter zu laufen.

 

„Lass uns gehen, Jeanne.“

 

 

„Viel Spaß!“, rief Noé ihnen noch hinterher, was Vanitas nur mit irgendeinem grummelnden Laut quittierte, den Noé nicht mehr verstehen konnte. Aber er hatte nur ein Lächeln dafür übrig.

 

 

Diesmal würde alles gut werden. Ganz bestimmt.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu dieser Fanfic (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück