Der Künstler im Moor von Lupus-in-Fabula (Halloweenevent) ================================================================================ Kapitel 5: Schwesternbanden brechen nicht ----------------------------------------- Das Moor war ruhig. Kein Zeichen von Leben. Als würde die Zeit still stehen. Die Schritte der Frau waren zögerlich. Als würde etwas in ihr gegen ihren Willen kämpfen. Das ärgerte sie mehr, als sie zugeben würde. Dennoch niemals würde sie Unanständiges sagen oder es zeigen, wie sehr sie sich echauffierte. Stolz erhob sie ihren Kopf. Sie atmete tief ein und aus. Das Armband an ihrem Arm entlockte ihr ein seliges Lächeln. Endlich würde das Porträt fertig werden. Sie würde mit Noé zusammen glücklich werden. Ihr Körper zitterte. „Nein. Halte mich nicht auf … Bitte. Ich möchte bloss glücklich werden …“, hauchte die Frau. Sie würde beenden, was sie nicht zu Enden bringen konnte. Sie sah ihn vor der Hütte warten. Seine Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden. Trug einen Hut, obwohl es tiefe Nacht war. Seine schwarzen Lederschuhe waren sauber, obwohl er in einem Moor lebte. Seine dunkelgrauen Hosen und sein schneeweisses Hemd waren, obwohl er ein Maler war, nicht mit Farben befleckt. Seine ikonische weinrote Weste und passende Blume erkannte sie sofort. Ihr Maler. Ihr Heilbringer. Als sie seine Stimme hörte, konnte sie vor Erleichterung nicht aufhören zu lachen. „Willkommen, Mademoiselle Rosalina Hénin.“ Sie sah sich nicht um. Ignorierte die moderneren Gegenstände, welche in der Hütte waren. Ein Radio spielte klassische Musik ab. Ein Fernseher stand in der Ecke. Ein Wasserkocher war ausgesteckt. Rosalina verachtete die Veränderungen. Wollte sie nicht sehen. Ihr Körper zitterte wieder. „Mademoiselle, dies ist nicht Euer Körper“, sprach der Künstler väterlich. Die Frau schwieg. Sie streichelte das Armband. „Malt es fertig“, hauchte sie. Bevor der Künstler antworten konnte, schrie jemand durch das Fenster. Die vulgären Worte liess Rosalina erschaudern. Sie blickte auf. Die Nacht verschluckte ein Teil des Gesichtes. Doch die zornigen Augen konnte die Dunkelheit nicht schlucken. „Wer ist diese Dame?“, fragte Rosalina angewidert. Der Künstler beantworte die Frage, was ihr nicht gefiel. „Sie darf mich nicht aufhalten!“, sprach sie hastig. Ihre Stimme wurde schrill. Die Augen waren rot. Ihr Körper zitterte unnatürlich. „Weshalb ist dieses WEIB hier? Sie soll gehen!“ „Mademoiselle, Ihr solltet den Körper verlassen.“ Wie eine Marionette bewegte sich der Körper der Frau auf das Fenster zu. Jeder Mensch hätte bei diesem Anblick Angst bekommen. Jedoch Linda war vorbereitet und fürchtete sich vor nichts. Der Künstler hatte schon vieles gesehen. Er selbst war ein Wesen, das weder an Zeit noch Raum gebunden war. Er selbst war Herr über das Leben und Gebieter über den Tod. Dennoch war er sehr über Linda überrascht. Sie zeigte keine Angst vor dem verfluchten Körper ihrer Schwester. Im Gegenteil. Menschen überraschten ihn immer wieder. Sie lachte über Rosalina Hénin. Lachte darüber, wie abhängig sie sich machte. Lachte über ihre charakterliche Schwäche, für einen Kerl sich selbst aufzugeben. Mademoiselle Hénin zitterte. Sie konnte es nicht ertragen, von so jemand auf diese Weise verspottet zu werden. „Wie kannst du mich verspotten? Wie kannst du wagen …“ „Bitch, halt dein Maul! Wenn du nicht freiwillig den Körper verlässt, werde ich dich for ever verfolgen. Und deinen Kerl werde ich dir ausspannen, ich schwör!“ Der Spuk und der wahrhaftige Tod sahen sich baff an. Linda hatte wahrlich keine Angst vor Gespenstern.                                                                          [***] Vorsichtig nährte sich der Künstler Rosalina. Diese schwebte einige Meter über dem Boden, ihre Augen waren weit geöffnet. „Seht ihr nicht, Mademoiselle? Dieser Körper gehört Euch nicht. Dieser Körper gehört jemanden, der sehr geliebt wird.“ Traurig schüttelte die Gestalt den Kopf. „Warum darf ich nicht glücklich werde?“, fragte sie. Bevor der Künstler antworten konnte, rannte Linda in die Hütte. Sie warf das Tagebuch knapp an der Gestalt vorbei. „Du dachtest die ganze Zeit an dich. Girl, hast du versucht, mit deiner Sis zureden?“ Langsam hob die Gestalt das Tagebuch hoch. „Sie wollte mir meinen Liebsten …“ „HAT SIE NICHT!“ Erschrocken zuckte Rosalina zusammen. Ihre Füsse berührten nun den Boden. Sie blätterte durch die alten Seiten. „Warum kann ich nicht glücklich werden?“ Bevor der Künstler antworten konnte, reagierte Linda. Sie war immer noch zornig. Trotzdem fühlte sie ein kleines bisschen Mitleid. „Deine Sis war mega sad über deinen Tod. Sie machte sich mega Vorwürfe. Girl, meine Sis hat mir die Ohren voll gelabbert über deine Geschichte. SIE verschwand und man fand sie nie wieder.“ Rosalina schrie. Sie wollte es nicht hören. Linda umarmte sie. Sie sprach weiter und weiter. Ignorierte, wie ihre die Hülle ihrer Schwester sie angriff. Biss. Kratzte. „Deine Sis tat alles für dich. Sei 'ne eifersüchtige Bitch, aber Rosalinde liebte dich.“ Rosalina schrie. Zum letzten Mal wollte sie ihren ganzen Hass zum Ausdruck bringen. Als sie in das Gesicht von Linda sah, konnte sie erkennen, wie sehr diese ihre Schwester liebte. „Es tut mir Leid…“, flüsterte die Gestalt. Aber sie wollte diesen Körper nicht aufgeben. Linda knurrte, als sie die eiskalten Hände um ihren Hals spürte. „Ich schwör dir, ich werde dich verfolgen. Dich und deinen Kerl. Dann verfolge ich dich eben als Ghost. „ Der Künstler war über den starken Willen der jüngeren Schwester nicht überrascht. Auch damals war Rosalinde energischer. Dennoch … So hätte er sich es nicht vorgestellt.                                                                [***] Die Morgensonne erhellte das Moor. Eine Krähe flog über eine kleine Hütte. Ein alter Mann sah zu den zwei schlafenden jungen Frauen. Beide waren verletzt, aber lebten. „Bitte begleite Mademoiselle Hénins Seele ins Jenseits.“ Joséphine flatterte zu dem unfertigen Bild. Als der Vogel es berührte, verschwand die Farbe. Sie lief zum Boden. Die Farbe nahm die Form von Rosalina Hénins an. Sie lächelte befreit. Das Armband zerschellte. Aus den Federn der treuen Krähe trat Rosalinde hervor. Sie streckte ihrer Schwester die Hand entgegen. „Du hattest recht, Linda. Dieser Schuft hat mich nicht verdient“, sprach Rosalina demütig. Ihre Schwester schüttelte den Kopf. „Ich habe deine Gefühle nicht verstanden. Lina, ich bereue es, dir nicht richtig zugehört zu haben“, antwortete sie. Der Künstler nahm seine wahre Form an. Er breitete seine knochigen Arme aus und lächelte väterlich den beiden Schwestern zu. „Mademoiselle Rosalina. Mademoiselle Rosalinde. Bitte folgt mir“, sprach er, während er eine leichte Verbeugung andeutete. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)