Juliane und die Liebe von Erzsebet ================================================================================ Kapitel 1: Was Juliane fehlt ---------------------------- Juliane war nicht glücklich, aber eigentlich war sie auch nicht unglücklich - sie war unzufrieden. Ihr ging das Kribbeln im Bauch oder in den Gliedern ab - das war ihr Problem. Aber das stimmte seit Anfang der Woche eigentlich nicht mehr, denn die Erwartung der neuen mail von Christian ließ ihr Herz schon wieder heftiger klopfen - aber was sollte daraus wohl werden? Spätestens wenn er von ihrem Lotterleben erfuhr, würde es aus sein. Das immerhin hatte sie Viktor zu danken - sein Entschluß, sich von ihr zu trennen, hatte ihr endlich Anlaß gegeben, sich Gedanken darüber zu machen, was sie eigentlich wollte. Sie wollte Liebe - oder wenigstens regelmäßig Sex. Viktor war für sie offenbar wirklich nicht der Richtige gewesen. Nach zuletzt recht frustrierenden dreieinhalb Monaten, die sie mehr oder weniger zusammen waren - fast alle ihrer Freunde hatten es jedoch für nötig befunden zu fragen, was das denn sei zwischen ihr und Viktor - hatte er ihr am 18.3. den Laufpaß gegeben. Ja, sie hatte Freunde. Mit dem Rollenspiel war Juliane erst in schon recht reifen Jahren in Berührung gekommen - in Form des nichtkommerziellen Systems Demiurgon. Die Erfinder hatte sie im Laufe der Zeit über ihre beste Freundin kennen- und schätzen gelernt und gehörte so plötzlich zum inneren Kreis einer Clique, von denen fast alle zumindest sechs Jahre jünger als sie waren. Sie beteiligte sich an der regelmäßigen Publikation - dem Projektbrief - mit eigenen Beiträgen und hatte sogar ein Abenteuer entwickelt. Natürlich traf sie sich mit den Demiurgen nicht nur zum Rollenspiel, sondern auch zu sonstigen geselligen Anlässen, wie Ausflügen, Geburtstagsfeiern und Treffen im Metro oder zu happenings (wie den Brückenparties an den jetzt gerade noch in der Zukunft liegenden  Mittwoch-Abenden auf der Cäcilienbrücke, die die Renovierungsarbeiten an der historischen Hubbrücke im August begleiteten). Viele von ihren Rollenspiel-Freunden traf sie Mittwochs im Metro bei Die Andere Seite. Die Grufti-Musik sagte Juliane zwar wenig zu - sie fand es sehr schwierig, dazu zu tanzen -, aber sie schätzte die Unterhaltung mit ihren Freunden und insbesondere die Möglichkeit, die Leute hier sicher anzutreffen, wenn irgendwelche Absprachen für die nächste Rollenspielrunde anstanden. Meist unterwarf Juliane sich sogar der Kleiderordnung und war ganz in Schwarz, aber es konnte auch vorkommen, daß sie eine blutrote, figurbetonende Weste dazu trug, oder einen langen, hellgrauen Schal. Julianes farbenfroheren Freunde waren regelmäßig im Amadeus anzutreffen - dem Ama - wie das Metro in der Oldenburger Innenstadt. Juliane selbst bevorzugte die Mittwochs- und Freitags- Rocknächte zum Tanzen, aber gelegentlich besuchte sie auch das monatliche Out of the Dark, das Dienstags stattfand. Das Publikum an den Dienstagen wies selbstverständlich Überschneidungen mit dem des Metro an Mittwochen auf. Sie fand bemerkenswert, wie viele Leute - ebenso wie sie - Mittwochs bis in die frühen Morgenstunden zwischen den beiden Discos pendelten. Sie war in der Regel bereits gegen elf Uhr in der Stadt, um den kostenlosen Eintritt mit der nite-card des Ama zu nutzen. Damit fielen auch die Getränkemarken weg, so daß Juliane an Mittwochen regelmäßig in Metro etwas trank. Außerdem gab es im Ama kein Jever. Ihre heimliche Affäre hatte Juliane ihrem ersten, aus Frust geborenen und für sie höchst überraschend erfolgreichen Versuch, einen Mann anzumachen zu verdanken. Der Aprilabend hatte zu ihrem ersten echten Beischlaf geführt, aber noch in der Nacht hatte ihr heimlicher Geliebter ihre 'Affäre' klar geregelt: sie hatten keine Beziehung miteinander, würden also nach außen hin nicht als Paar in Erscheinung treten; in dem Moment, wo er wieder eine Beziehung habe, sei ihrer Affäre zuende und schließlich gäbe es nur gelegentliche tête-à-têtes. Als sie ihn nach ihrer Toskanafahrt - zwei Wochen nach ihrer einzigen gemeinsam verbrachten Nacht - anrief, da war es schon zuende, denn er hatte eine alte Freundin wiedergetroffen. Nun war ihre heimliche Affäre keineswegs ihr Traummann gewesen - tatsächlich fand sie ihn sogar ziemlich unattraktiv, insbesondere im Vergleich zu Viktor, dem sie immer noch mal ab und zu eine Träne nachweinte - und so tat ihr die Trennung nur in sofern weh, als sie nicht wußte, wann sie denn wieder einmal Erfolg bei einem Mann haben würde. Also hatte sich Juliane auf eine Odyssee durch die Oldenburger Männerwelt gemacht und so zwar nicht ihr Glück gefunden, aber an Selbstvertrauen gewonnen, als sie feststellte, daß sie nicht nur bei entfernten Bekannten auf Geburtstagen gemeinsamer Freunde Erfolg haben konnte. Eine kleine Affäre, etwas mehr als nur eine einmalige Geschichte, das wäre vielleicht die Lösung, also las und antwortete sie auf Kontaktanzeigen im Mox, und dann traf sie Nick wieder. Das waren zwei wirklich verrückte Tage gewesen, die sie fast glücklich gemacht hatten - endlich hatte sie eine in den Jahrzehnten zuvor nie feststellbare Wirkung auf Männer gehabt. Mit Nick hatte sich allerdings auch keine dauerhafte Liebschaft entwickelt, nur eine zweimalige Intimität, aber immerhin hatten sie noch gelegentlich freundschaftlichen Kontakt. * * * Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)