Schwester, Freundin, Verräterin von Kerstin-san ================================================================================ Kapitel 1: Schwester, Freundin, Verräterin ------------------------------------------ Die letzten Rauchfahnen stiegen in den Mittagshimmel auf und nach und nach wandten sich die Camper ab, um wieder ihren Alltagsbeschäftigungen nach zu gehen. Nur Drew Tanaka blieb an dem mittlerweile nur noch glimmenden Lagerfeuer zurück, dessen Flammen kurz zuvor die sterblichen Überreste von Silena Beauregard verzehrt hatten. Mochten die anderen auch glauben, dass Drew ihrer verstorbenen Schwester den letzten Respekt erweisen wollte, so wusste die neue Hüttenälteste von Hütte 10, dass das ein Irrtum war. Nichts lag ihr ferner. Mit zusammengebissenen Zähnen blickte sie auf die Stelle, wo bis vor kurzem Silenas Körper aufgebahrt gewesen war, damit alle Campbewohner Abschied hatten nehmen können. Von dem knallig pinken Leichenhemd, das sie eingehüllt hatte, war kein einziger Fetzen übrig geblieben. Es war, als hätte es niemals existiert. „Ich werde dir das nie verzeihen, Silena“, presste Drew hervor. „Ich werde dir niemals verzeihen, was du uns angetan hast. Deinen eigenen Geschwistern. Vanessa ist tot und Ben... Wir wissen nicht, ob er es schafft. Er ist zäh und die Apollo-Leute tun ihr bestes, aber die Schwertwunde ist wirklich übel. Die beiden haben dir vertraut, haben zu dir aufgesehen. Ich habe zu dir aufgesehen. Bei den Göttern, hast du jemals auch nur einen Gedanken an uns verschwendet, während du Informationen weitergegeben und uns alle verraten hast?“ Aufgewühlt wischte Drew sich über die Augen, ehe sie mit zitternder Stimme fortfuhr. „Ich verstehe es einfach nicht. Warum ausgerechnet du? Warum? Und warum hat dich nicht mal Beckendorfs Tod dazu gebracht, aufzuhören? Spätestens da wusstest du doch, dass man Luke nicht trauen kann und trotzdem...“ Wütend ballte Drew ihre Fäuste und ignorierte den Schmerz, den ihre sorgfältig gefeilten Nägel verursachten, als sie sich in ihre eigenen Handinnenflächen bohrten. „Und was haben wir gemacht?“, fragte sie bitter. „Wir haben dich getröstet, haben versucht, dich abzulenken. Dabei warst du diejenige, die an allem Schuld war. Du bist Schuld, dass Beckendorf gestorben ist. Er und die anderen. Unsere Schwester, unsere Freunde. Mir egal, was Clarisse allen erzählt. Dass du eine Heldin wärst und dass das keiner anzweifeln soll. Glaub mir, Schätzchen, ich bin nicht so dumm, mich offen mit ihr anzulegen, aber lass mich eins klarstellen: Du bist vieles gewesen, aber sicherlich keine Heldin. Als würde deine letzte Tat irgendetwas von dem ungeschehen machen, was du vorher angerichtet hast. Als würde es irgendjemanden zurückbringen, den wir wegen dir verloren haben.“ Drew warf einen verächtlichen Blick auf die verkohlten Holzreste vor ihr. „Du bist der Aphrodite-Hütte unwürdig, Silena. Du, die sich dafür eingesetzt hat, dass wir unseren bewährten Übergangsritus begraben haben. Du und dein verdammtes weiches Herz. Wir hätten niemals auf dich hören sollen, Schwester.“ Das letzte Wort spuckte die dunkelhaarige Halbgöttin förmlich aus. „Eins kann ich dir sagen“, fuhr sie fort, „dass wird das Erste sein, was ich ändern werde. Wir hätten nicht von unseren alten Traditionen abweichen dürfen. Jetzt haben wir ja gesehen, wohin so etwas führt.“ Entschieden wandte Drew sich von dem Lagerfeuer ab und blickte in den Himmel, der in einem wolkenlosen Blau erstrahlte und damit frappierend Silenas Augen ähnelte. Energisch wischte sie diesen unliebsamen Gedankengang bei Seite und straffte stattdessen ihre ganze Haltung. „Mom“, sagte Drew entschlossen. „Ich werde dich stolz machen. Ich werde dafür sorgen, dass die Aphrodite-Hütte wieder respektiert werden wird. Keines deiner Kinder wird noch einmal aus der Reihe tanzen. Darauf kannst du dich verlassen.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)