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Little Red Riding Hood

von

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What a big heart I have

Peter Hale hatte schon eine Unzahl wichtiger Politiker raus gehauen, ebenso wie Hollywood-Schauspieler, Geschäftsleute und andere gesellschaftliche Größen. Er war richtig gut in seinem Job. Er war der Anwalt für die Reichen und die Schönen, für die wichtigen Leute dieser Welt. Doch er verteidigte keine Niemande und Habenichtse.
 

Doch neulich kam sein Neffe mit der Bitte an, einen Kommilitonen seines jungen Lovers zu vertreten, der angeblich seinen Vater ermordet haben sollte. Und das Ganze sollte auch noch pro bono geschehen?

Natürlich hatte Peter dies, ohne groß darüber nachdenken zu müssen, sogleich abgelehnt. Wenn man erst einmal mit solchen Gutmensch-Aktionen anfing, dann sprach sich das herum und die Leute fingen an, einem die Türen einzurennen.
 

Derek hatte das zähneknirschend akzeptiert, natürlich nicht ohne ihn im gleichen Atemzug ein egozentrisches Arschloch zu nennen und ihm zu sagen, dass er menschlich tief enttäuscht von ihm sei. Doch so etwas kümmerte Peter Hale wenig. Derartige Kommentare perlten von ihm ab, wie Regen von einer Fensterscheibe. Sollte Derek ruhig enttäuscht sein, das kostete ihn weder Geld, noch Zeit und es raubte ihm auch nicht seinen Schlaf. Hauptsache er hielt sich lästige Unannehmlichkeiten wie solch einen Fall vom Leib und hatte seine Ruhe.
 

Doch leider hatte der Staranwalt die Rechnung ohne Dereks Geliebten Stiles gemacht, denn nun hatte Peter IHN am Hals und diese Bursche agierte auf einem völlig anderen Level der Hartnäckigkeit als Derek. Bereits seit Tagen ließ Stiles einfach nicht locker. Er bombardierte Peter mit Anrufen, schrieb ihm Mails und Kurznachrichten und heute lauerte er ihm sogar vor seiner Wohnung auf:
 

"Sag´ mal, stalkst du mich etwa, du kleine Nervensäge?" pöbelte Peter, als der Jüngere an diesem Abend bei seiner Heimkehr aus dem Schatten eines Busches vor dem Haus auf ihn zutrat und ihm dadurch den Zugang zu seinem Zuhause verstellte:
 

"Na klar doch, Peter, du gehst mir ein einfach nicht aus dem Kopf. Ich habe nämlich einen heimlichen Crush auf dich, weil ich mich instinktiv zu toxischen, selbstbezogenen Arschgeigen hingezogen fühle. Aber sag´ bitte Derek nichts davon, das bleibt unser kleines Geheimnis, okay Babe?" ätzte Stiles sarkastisch:
 

"Na großartig, du eröffnest unsere Verhandlungen also mit Beleidigungen? Strategisch eine wirklich interessante Wahl. Aber es bleibt dabei, meine Antwort lautet NEIN! Und nun fahr´ wieder nachhause zu meinem Neffen und geh´ mir nicht auf die Eier, Stiles! Ich hatte einen langen Tag im Gericht und freue mich nun einfach nur noch auf mein Feierabendbier und mein Bett, also lass´ mich in Ruhe!" konterte Peter und versuchte Stiles beiseite zu schieben. Leider war das ganz und gar nicht so leicht, wie es auf den ersten Blick aussah. Trotz seiner schlanken Statur verfügte dieser Junge über eine erstaunliche Standhaftigkeit und wich keinen Millimeter:
 

"Komm´ schon Peter! Du musst Isaac einfach helfen! Er ist unschuldig."
 

Mit einem milden Lächeln gab der Ältere zurück:

"Denkst du das interessiert mich? Ich verteidige doch nicht nur die Unschuldigen, sondern alle meine Mandanten. Doch die bezahlen mich dafür für gewöhnlich auch fürstlich. Es ist ein Business, dass ich da betreibe und keine Wohltätigkeit, ist das denn so schwer zu verstehen?"
 

"Peter, bitte, bitte, hilf´ meinem Freund! Er ist ein echt guter Kerl, der ein beschissenes Leben hinter sich hat. Sorg´ einfach dafür, dass er wenigstens eine Zukunft haben wird. Für dich ist das doch ein Leichtes. Im Knast unter lauter Mördern, Vergewaltigern und Schwerverbrechern geht Isaac in kürzester Zeit kaputt. Das hat er wirklich nicht verdient. Er hat seinen Vater nicht umgebracht. Er ist ein guter Mensch und wäre zu so etwas einfach nicht fähig."
 

Dieser penetrante, kleine Mistkerl ließ einfach nicht locker und Peter mochte ihn dafür sogar irgendwie, nur hätte er das selbstverständlich niemals laut gesagt. Stattdessen fragte er:

"Sag´ mal läuft da etwa etwas zwischen dir und diesem Jungen, oder warum hängst du dich so rein?"
 

"Ach Blödsinn, Peter! Isaac ist zwar süß, aber er ist echt nicht mein Typ. Er ist einfach nur ein guter Freund der Hilfe braucht und das ist doch Grund genug, mich für ihn einzusetzen. Nicht für jeden ist Sex so eine starke Triebfeder, wie für dich, Mann." gab Stiles zurück.
 

„Hey, lass´ meine Triebfeder da raus.“ erwiderte Peter neckend, mit Blick in Richtung seiner Genitalien:
 

„Interessant wie du es, unabhängig vom Gesprächsthema, immer wieder schaffst, einen Hinweis zu deinem Penis zu geben. Das ist so etwas wie eine Gabe, richtig?“ tat Stiles erstaunt: „Aber was ist nun, machst du es? Wirst du Isaac helfen?“
 

„Dieser Knabe ist süß, sagst du? Wie süß ist er denn? So süß wie du, Prinzessin?“ wollte Peter wissen:
 

„Niemand ist so süß wie ich, aber das ist auch völlig uninteressant, denn hier geht es nicht darum, ein neues Boy-Toy für dich zu finden, sondern um Isaacs Leben. Die Sache ist ernst! Und außerdem weißt du genau, dass ich es hasse, wenn du mich Prinzessin nennst!“ brummte Stiles: „Und nun gib´ mir endlich eine Antwort auf meine Frage!“
 

„Also gut, Kleiner, du hast mich neugierig gemacht. Ich höre mir die Geschichte an, doch dafür werden wir jetzt reingehen, wo ich die Füße hochlegen und mir endlich mein wohlverdientes Bier aufmachen kann.“

Sie traten ein und nahmen den Aufzug, hinauf zum großzügigen, luxuriösen Penthouse des Rechtsanwalts.
 

Stiles hatte zu dem angebotenen Bier nein gesagt und stattdessen eine Limo erhalten. Nun hatten sie es sich beide auf dem großzügigen, samtbezogenen Übereck-Sofa in Peters Salon bequem gemacht:

„Also falls du meine Konzentration steigern willst, hätte ich nichts gegen eine kleine Fußmassage einzuwenden.“ ließ Peter Stiles wissen und wackelte auffordernd mit den Zehen:
 

„Träum´ weiter!“ brummte Stiles und nahm einen Schluck aus seiner Flasche: „Ich erzähle dir jetzt lieber alles, was ich über die Situation weiß, also spitz´einfach die Ohren! Also, wie soll ich anfangen? Isaac war das nicht! Er hat seinen Dad nicht umgebracht, auch wenn er gute Gründe dafür gehabt hätte. Er sitzt momentan in Untersuchungshaft und er hat Angst. Es geht ihm richtig mies.“
 

Peter horchte auf:

„Was meinst du damit, dass dieser Isaac gute Gründe gehabt hätte? Was hat sein Vater ihm denn angetan?“
 

Stiles seufzte schwer:

„So ziemlich jede Form von Kindesmisshandlung, die du dir nur vorstellen kannst. Isaacs Mutter ist gestorben, als dieser noch ganz klein war und schon damals war Mr. Lahey kein guter Vater. Doch die wirklich üblen Misshandlungen begannen in dem Moment, als auch noch der, vom Vater bevorzugte ältere Bruder Camden gestorben ist. Da war Isaac zehn Jahre alt. Der Vater hat Isaac mehr als deutlich gemacht, dass er fand, der falsche Sohn habe überlebt. Es gab Drohungen, Einschüchterungen, Beschimpfungen, Erniedrigungen, Prügel... der Kerl hat seinen Sohn oft sogar über Stunden in einer großen Kühltruhe eingesperrt, um ihn zu bestrafen. Als Isaac mir vor einiger Zeit davon erzählt hat, konnte ich es erst gar nicht glauben, doch es ist alles vom Jugendamt belegt und dokumentiert worden. Als Isaac nämlich 17 Jahre alt war, hat endlich eine Lehrerin begriffen, was bei ihm zuhause los war. Sie hat dafür gesorgt dass Isaac aus diesem Umfeld herauskam und seitdem lebt er allein und hat seinen Vater niemals wieder gesehen.“
 

„Und nun hat jemand diesen Scheißer umgelegt. Klingt nicht nach einem allzu großen Verlust für die Welt? Aber was ist da genau passiert?“ wollte Peter wissen:
 

„Mr. Lahey, Isaacs Vater war der Schwimmtrainer einer Highschool in seinem Wohnort. Eines Abends, als er nach dem Training auf dem dunklen Parkplatz in sein Auto steigen wollte, hat ihn jemand abgeknallt. Es gibt keine Zeugen, keine Spuren am Tatort, keine anderen Anhaltspunkte, nichts womit die Polizei etwas anfangen könnte. Und Isaac wurde auch nur festgenommen, weil er in den Augen der Cops ein starkes Motiv hat.“ führte Stiles aus.
 

Peter nickte bedächtig:

„Also gut Prinzessin. Du hast mich überzeugt. Morgen Vormittag hole ich deinen Kumpel aus der Untersuchungshaft und ich werde ihn auch vor Gericht vertreten.“
 

„Nenn´ mich nicht Prin...!“ setzte Stiles an, doch dann stockte er, seine Augen wurden groß vor Überraschung, er sprang auf und rief: „Du machst es? Du hilfst Isaac? Scheiße Mann, ich glaub´s ja nicht! Danke, danke, danke!“
 

„Nun komm´ mal wieder runter, Stiles. Noch haben wir keinen Freispruch, aber ich schätze, wir kriegen das hin. Und nun hau ab, damit ich schlafen kann!“ brummte der Ältere.
 

„Du hast also doch ein gutes Herz, oder böser Wolf? Derek hat gesagt, ich kann mir meine Bemühungen sparen, aber ich wusste, ich kann dich überzeugen. Das ist so cool!“ jubelte Stiles:
 

„Verschwinde jetzt, ehe ich es mir anders überlege!“ knurrte Peter und deutete in Richtung Tür.
 

Stiles machte bereits Anstalten zu gehen, dann lief er noch einmal zurück zu Peter und fiel diesem um den Hals, ehe er endlich endgültig verschwand.
 

„Gutes Herz? Pah!“ murmelte Peter verächtlich vor sich hin, als er wieder allein war. In Wirklichkeit hatte etwas anderes in davon überzeugt, den Fall zu übernehmen, aber davon brauchte Stiles nichts zu wissen.

Und sein Neffe ebenso wenig.

The kind of eyes that drive wolves mad

Peter erwachte an diesem Morgen mit mieser Laune und rasenden Kopfschmerzen. Der Grund dafür war, dass er sich im Schlaf offensichtlich sehr verspannt haben musste. Außerdem hatte er übel geträumt und er wusste, dass es im Grunde weniger ein Traum, als vielmehr Erinnerungen waren, die ihn da heimgesucht hatten.
 

Und natürlich war dem Anwalt vollkommen klar, was diese Erinnerungen aufgewühlt hatte. Er hätte den Fall dieses Jungen nicht annehmen dürfen. Er verfluchte sich selbst für den schwachen Moment, in welchem Stiles in gestern erwischt hatte.

Doch es half alles nichts, denn er hatte es versprochen. Und Peter mochte zwar zu Recht der Ruf vorauseilen, ein misanthropischer, zynischer, egozentrischer Mistkerl zu sein, doch er war immerhin ein Mann, der zu seinem Wort stand.
 

Es bedurfte einer Dreiviertelstunde Trainings auf seinem Laufband, einer ausgedehnten Dusche hinterher, zweier Aspirin, eines eiweißreiche Frühstücks bestehend aus Eiern und Bacon und mehrerer Tassen schwarzen Kaffees, ehe Peter sich für die Aufgaben des heutigen Tages ausreichend gewappnet fühlte.
 

Als allererstes musste er mit diesem Isaac sprechen, also fuhr er rüber ins Untersuchungsgefängnis. Peter hasste diesen Ort. Die Gerüche dort waren eine Zumutung. Menschliche Ausdünstungen, der Mief nach schlechtem, billigen Essen, dazu noch Reinigungsmittelschwaden, all dies wieder und wieder in einem ewigen Kreislauf umgewälzt, von der Klimaanlage des Gebäudes und niemals kam hier auch nur ein winziger Hauch Frischluft herein. Es war einfach nur widerlich!
 

Nun saß der Anwalt in einem panzerverglasten Besprechungsraum auf einem unbequemen, am Boden verschraubten Metallstuhl, an einem ebensolchen Tisch und wartete auf den Gefangenen. Das erste was Peter auffiel als dieser eintrat war, dass der Bursche wirklich groß war, beinahe einen Meter neunzig und damit fast zehn Zentimeter größer, als der Anwalt selbst. Damit hatte Peter nicht gerechnet. Nach Stiles Erzählungen war das Bild eines schmächtigen, dürren, kleinen Jungen in seinem Kopf entstanden, doch Isaac war zwar schlank und eher durchschnittlich athletisch, doch in irgendeiner Weise zierlich war ermit Sicherheit nicht.

Der Gefangene hatte einen dunkelblonden Schopf gelockten Haares, welches offensichtlich wieder einmal eines neuen Schnittes bedurfte und das grelle Orange der Gefängniskluft, sowie das allgegenwärtige, kalte Neonlicht in diesem Laden ließen den Burschen noch blasser wirken, als er es ohnehin bereits war.
 

Das Gesicht seines zukünftigen Mandanten konnte Peter erst genauer inspizieren, als dieser vom Wärter, welcher ihn hereingeführt hatte auf den gegenüberliegenden Stuhl gesetzt und von seinen Handschellen befreit wurde, denn bis zu diesem Zeitpunkt hatte der Gefangene missmutig den Kopf tief hängen lassen.

Es war ein hübsches, angenehmes Gesicht, in welches man gern schaute. Stiles hatte nicht gelogen, dieser Bursche war ziemlich süß. Die markante Kieferlinie und die ausgeprägten Wangenknochen bildeten einen reizvollen Gegensatz zu den weichen, rosigen, geschwungenen Lippen, welche dem Antlitz etwas sehr Junges und Unschuldiges verliehen.

Das war ausgezeichnet, denn solch ein Äußeres machte auf Geschworene häufig einen positiven Eindruck und verführte den einen oder anderen womöglich sogar dazu, im Urteil milder zu sein, als bei Jemandem mit einem unangenehmen, unsympathischen Erscheinungsbild.
 

Doch das wirklich hervorstechende in diesem Gesicht waren wohl die Augen. Sie waren groß, von blau-grauer Farbe, ihr Ausdruck eine Mischung aus Ängstlichkeit, Misstrauen, Sorge, aber auch eine beinahe kindlich anmutende Unschuld. Als sei darin der kleine Mensch über die Grenzen der Zeit konserviert, welcher damals die, von Stiles beschriebenen Misshandlungen und Ungerechtigkeiten über sich hatte erdulden müssen.

Etwas regte sich in Peter Hales Brust, ein unwillkommenes, kleines Gefühl, welches der Anwalt jedoch sogleich professionell abschüttelte, noch ehe sein Bewusstsein überhaupt vollkommen registriert hatte, worum es sich überhaupt handelte:
 

„Sie sind nicht mein Anwalt?“ stellte der Junge überrascht fest:
 

„Ich bin es NOCH nicht.“ berichtigte Peter ihn: „Wenn du dieses Schriftstück unterschreibst, wirst du den stümperhaften Rechtsverdreher los, welchen dir das Gericht gestellt und erhältst stattdessen meine exzellente Vertretung.“

Er reichte dem jungen Mann einen Kugelschreiber aus Sterlingsilber.
 

Dieser blickte erst auf das wertvolle Schreibgerät an und dann in das attraktive, markante Gesicht seines Gegenübers, ehe er klarstellte:

„Ich habe aber kein Geld. Ich kann sie nicht bezahlen. Und außerdem... wer sind sie denn überhaupt und warum wollen sie mir helfen?“
 

„Ja, das haben mein Neffe Derek und dein Kumpel Stiles bereits deutlich gemacht, dass du eine arme Kirchenmaus bist. Und Stiles muss wirklich etwas an dir liegen, denn er ist mir unglaublich damit auf den Wecker gegangen, dass ich dir aus deiner misslichen Lage heraus helfe. Ich bin Peter Hale.“

Der Anwalt schob dem Gefangenen eine seiner Visitenkarte über den Tisch: `Peter Hale und Deucalion Barnes – Attorneys at Law´ stand dort in geprägten goldenen Lettern zu lesen.
 

Einen Moment lang schien der Jüngere sprachlos zu sein, dann sagte er:

„Stiles hat zwar gesagt, er würde sich etwas einfallen lassen, doch... wow... damit habe ich echt nicht gerechnet.“
 

In den Augen des jungen Mannes erkannte Peter ein verdächtiges Glitzern. Er konnte mit Tränen jedoch schlecht umgehen. Sofern sie nicht im Zeugenstand vergossen wurden und seinem jeweils aktuellen Fall dienlich waren, empfand er sie als ausgesprochen unbehaglich, weshalb er rasch weitersprach, um den Jungen abzulenken:

„Das kriegen wir schon hin. Mach´ dir nicht allzu große Sorgen. Wie geht’s dir denn hier drinnen? Wie ist das Essen? Deine Zelle? Behandelt man dich gut? Bist du schon lange hier?“
 

„Ich bin seit eineinhalb Wochen hier. Essen tue nicht viel, denn ich bekomme einfach nichts runter. Die Behandlung ist... okay, denke ich. Aber... ich schlafe kaum. Die Zelle ist... klein, kein Fenster... ich...“

Der schöne Mund des jungen Mannes verengte sich zu einem weißen Strich und die Augen wurden starr, ihr Blick ungerichtet.

Er atmete tief durch, richtete sich gerade auf in seinem Stuhl und bemühte sich, ins Hier und Jetzt zurückzukehren:

„Tut mir leid, Sir. Nicht ihr Problem. Ich halte das schon aus.“
 

„Ist in Ordnung. Stiles hat mir ein bisschen von dir erzählt, ich verstehe. Aber nenn´ mich bitte nicht „Sir“, dann fühle ich mich alt! Sag einfach Peter zu mir, das reicht vollkommen.“ forderte der Rechtsanwalt: „Wenn du mir das Mandat überträgst, kümmere ich mich um alles weitere. Ich werde gleich Akteneinsicht und eine Freilassung auf Kaution für dich beantragen und wenn´s gut läuft, dann musst du keine weitere Nacht mehr in diesem netten Luxusetablissement verbringen.“
 

„Wirklich? Das geht?“ fragte Isaac fassungslos.

Er hatte inzwischen den Kugelschreiber ergriffen und überflog das Schriftstück, ehe er seinen Namen darunter setzte: „Danke, Sir... ähm... ich meinte, danke Peter! Tausend Dank! Ich... ich weiß gar nicht, was ich sagen soll?“
 

„Du musst überhaupt nichts sagen, Kleiner. Halt´ einfach noch ein bisschen durch, genieß´ dein letztes Mittagessen auf Staatskosten und wir sehen uns nachher.“ versicherte Peter, ehe er sich zum gehen wandte, um das nötige zu tun, um seine Versprechen gegenüber seinem Klienten in die Tat umzusetzen.

I think I ought to walk with you for a ways

Beim Kautionsgericht war eine Summe in Höhe von 8000 Dollar für die vorläufige Freilassung von Isaac Lahey festgelegt worden.
 

Der Akte zum Fall, in welche Peter Hale mittlerweile Einsicht erhalten hatte, war nicht viel zu entnehmen. Wie bereits von Stiles angekündigt, gab es nur eine sehr schwache Beweismittellage. Das Opfer Mr. Lahey war mit einer Beretta 92 erschossen worden. Der Täter hatte hier das gesamte Magazin, insgesamt 15 Kugeln, verschossen. Sechs der Schüsse waren hierbei potenziell tödlich gewesen, war dem Bericht des Gerichtsmediziners zu entnehmen. Es gab weder Zeugen für die Tat, noch weitere Verdächtige. Die Polizei war aufgrund des Übermaßes an Gewalt von einem persönlichen, rachegeleiteten Motiv ausgegangen. Da Isaac jahrelang massiv von seinem Vater misshandelt worden war, passte er hier natürlich perfekt ins Profil. Es kam erschwerend hinzu, dass man die Tatwaffe, schlecht versteckt, in einem Gebüsch, auf dem Campus des Colleges von Isaac und Stiles gefunden hatte. Es hatten sich zwar keine Fingerabdrücke auf der Waffe finden lassen, doch die Indizien hatten dennoch ausgereicht, dass man Isaac verhaftet hatte.
 

Das mit der Tatwaffe hatte Stiles Peter zuvor noch nicht verraten, vermutlich hatte er es auch nicht gewusst, doch es machte Peter dennoch keine allzu großen Kopfschmerzen. Sollte die Staatsanwaltschaft doch erst einmal beweisen, dass es tatsächlich Isaac gewesen war, der die Tat begangen hatte!
 

Nun war der Rechtsanwalt ein zweites Mal an diesem Tag im Untersuchungsgefängnis, um seinem Klienten die frohe Kunde zu überbringen, dass er vorerst wieder auf freiem Fuß war, doch nun saß ein Isaac vor ihm, welcher nicht nur ein Veilchen hatte und sich die Seite hielt, als habe er Schmerzen, er sah überdies auch überhaupt nicht glücklich über die Neuigkeiten aus:
 

„Was ist dir passiert, Isaac?“ verlangte Peter zu wissen und blickte sein Gegenüber eindringlich an:
 

„Bin gestolpert.“ behauptete der Jüngere:
 

„Gestolpert?“ fragte der Anwalt zweifelnd: „Über was? Über einen muskelbepackten Fleischberg namens Butch, der deinen Nachtisch haben wollte, aber nicht wusste, wie man höflich danach fragt?“
 

„Ja, etwas in der Art. Tja, dann werde ich wohl besser lernen, netter zu meinen Mitinsassen zu sein, den Kopf einzuziehen und alles zu tun, was sie von mir wollen, denn... 8000 Dollar? Die habe ich nicht. Ich habe gerade mal 4000 auf dem Konto und das ist auch mein absoluter Notgroschen. Schade! Ich hatte mich schon gefreut rauszukommen. Ich danke ihnen... ähm... ich meine dir trotzdem für deine Bemühungen.“ erwiderte Isaac schulterzuckend.
 

Es sah Peter überhaupt nicht ähnlich das zu machen, was er als nächstes tat: Er zückte sein Handy, tippte ein wenig darauf herum und sagte dann:

„Erledigt. Wollen wir dann los, Junge?“
 

Isaac blickte ihn ratlos an:

„W-was? Was ist erledigt?“
 

„Die Kaution. Is´ bezahlt. Kommst du nun?“ gab Peter zurück:
 

„Was ist los?“ Isaac wirkte vollkommen fassungslos und versuchte immer noch zu verstehen, was gerade geschehen war: „Wer hat bezahlt? Du etwa? Das... das geht nicht! Das kann ich nicht annehmen.“
 

„Zu spät. Die Überweisung ist raus. Und nun komm´ endlich! Ich habe wirklich keine Lust, länger hier zu bleiben, als unbedingt nötig.“ erwiderte der Anwalt unwirsch:
 

„Aber ich... ich zahle ihnen das zurück, Sir.“ stammelte der Gefangene, als er sich endlich erhob:
 

„Ich habe doch gesagt, du sollst das mit dem `Sir´ sein lassen. Ich bin Peter! Und das mit dem Geld... vergiss es einfach!“ knurrte der Ältere:
 

„Sorry!“ murmelte Isaac und folgte Peter, begleitet von dem Schließer, welcher ihn auch hereingeführt hatte: „Aber ich glaube nicht, dass ich das kann. Vielleicht eine Ratenzahlung?“
 

„Schauen wir mal.“ erwiderte Peter, der erreichen wollte, dass der Junge endlich aufhörte, über das dumme Geld zu quatschen.
 

Sie erledigten den Papierkram, Isaac erhielt seine Besitztümer, die er bei der Festnahme dabei gehabt hatte, sowie seine Zivilkleidung zurück und nachdem er sich umgezogen hatte, wurden die großen Stahltore für sie beide geöffnet und der Student konnte nach tagelanger Gefangenschaft endlich wieder in die kalifornische Sonne blinzeln.

Der junge Mann atmete tief durch, hob seinen Kopf, schloss die Augen und genoss einen Augenblick lang einfach nur die wärmenden Strahlen auf seinem Gesicht.
 

Beiläufig fiel es Peter bei einem Blick auf seinen Nebenmann auf, wie unglaublich attraktiv dieser Bursche doch war. In diesem Augenblick hatte er tatsächlich eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Marmorabbild irgendeines antiken Gottes, wie zum Beispiel Appolo, nur eben in Jeans, Hoodie und Turnschuhen.
 

Und mit einem üblen blauen Auge.
 

Peter verstand selbst immer noch nicht recht, was ihn bloß geritten hatte, einfach so Isaacs Kaution zu bezahlen? Andererseits hatte er es irgendwie einfach nicht zulassen können, dass der Junge dort im Knast von irgendwelchen Brutalos vollkommen zerlegt wurde. Isaac hatte für ein Leben ja wohl bereits genügend Schläge eingesteckt, oder nicht?

Vielleicht hatten die unzähligen Leute, welche Peter in seinem Leben bereits als herzlos bezeichnet hatten, am Ende ja Unrecht und er konnte sich unter gewissen Umständen gelegentlich eben doch einmal selbstlos für einen anderen Menschen einsetzen?
 

Als sie beim Wagen des Anwalts ankamen, gingen Isaac die Augen über:

„ Wow! Was für eine Schönheit?“ staunte er.
 

Peter Hale hatte eine Schwäche für schnelle, teure Autos, und er besaß einen recht ansehnlichen Fuhrpark, doch das knallrote Jaguar F-Type-Cabrio war in der Tat sein Lieblingswagen:

„Ja, das ist sie.“ bestätigte er und tätschelte liebevoll die Motorhaube: „Steig´ ein und sag´ mir einfach, wohin ich dich fahren soll. Zu deinem Wohnheim vielleicht?“
 

Isaac wirkte kurz wie erstarrt und schüttelte dann den Kopf:

„Nein, dahin kann ich nicht zurück. Das College hat mich rausgeworfen, als ich festgenommen wurde. Ich... ich weiß nicht, wohin?“
 

Peter wartete einfach ein wenig ab, ob dem Jungen wohl doch noch eine Idee käme, wo er ansonsten vorerst bleiben könnte.

Und in der Tat stieg Isaac schließlich ein und nannte ihm eine Adresse.
 

Peter wollte die Straße gerade in sein Navigationsgerät eingeben, doch dann stutze er. Er kannte diese Anschrift:

„Wen willst du denn da besuchen?“ erkundigte er sich, um Sicherheit zu erhalten:
 

„Dort lebt jemand, der mich vielleicht eine Weile bei sich aufnehmen würde. Das hat er schon einmal gemacht, damals als ich bei meinem Vater raus musste.“ erwiderte Isaac, ohne Peter in die Augen zu sehen:
 

„Ein Freund?“ forschte der Anwalt weiter: „Ein Kommilitone vielleicht?“
 

Isaac lachte leise, doch es klang irgendwie freudlos:

„Nein, Gerard studiert nicht mehr. Er ist eigentlich schon ziemlich alt, über sechzig, oder so.“
 

„Gerard? Gerard Argent etwa?“ fragte Peter mit zusammengebissenen Zähnen

Eine bis dahin erfolgreich verdrängte Erinnerung tauchte von ganz unten aus seinem Bewusstsein auf.
 

Peter war damals sechzehn Jahre alt gewesen und hatte bei seinem besten Freund Chris Argent übernachtet, weil sie beide ein Schulprojekt zu Ende bringen mussten. Mitten in der Nacht, als Peter sich ein Glas Wasser aus der Küche holen wollte, war er Chris Vater Gerard begegnet. Es hatte ganz harmlos angefangen. Erst hatten sie einfach bloß geredet und Peter, ständig auf der Suche nach einer positiven Vaterfigur, hatte es sehr gefallen, dass ein erwachsener Mann sich für ihn interessierte, ihm zuhörte, seine Sorgen ernst nahm.

Doch was Gerard Argent als nächstes versucht hatte, hatte ihm ganz und gar nicht gefallen!
 

Gerard hatte Peter danach dazu bringen wollen, über diesen Vorfall zu schweigen. Er hatte Druck ausgeübt, dem Jungen, der er damals gewesen versucht einzureden, alles sei ganz harmlos gewesen, hatte ihm auch auf subtile Art und Weise gedroht, hatte behauptet niemand würde ihm glauben, hatte ihn davor gewarnt, dass es die Freundschaft zwischen ihm und Chris mit Sicherheit daran zerbrechen würde, wenn er solche unglaublichen Behauptungen aufstellen würde.
 

Doch Peter hatte dennoch nicht geschwiegen, zumindest nicht sehr lange. Er hatte es seiner großen Schwester Talia erzählt, denn bei ihr und ihren Kindern hatte er zu dieser Zeit gelebt.
 

Und Talia Hale, Trägerin des 8. Dans in Karate, hatte ihm zugehört, hatte ihm versichert, dass es nicht seine Schuld gewesen sei, hatte ihm versprochen, mit Gerard Argent zu sprechen.

Sie hatte auch versprochen, keine Anzeige zu erstatten, weil Peter sie angefleht hatte, ihm dieser Tortur nicht auszusetzen.
 

Doch Chris Vater hatte daraufhin mehrere Wochen im Krankenhaus zubringen müssen, mit diversen Knochenbrüchen, Hämatomen und Platzwunden. Angeblich sei er überfallen worden, hatte Chris Peter später berichtet.

Eine Anzeige hatte Argent daraufhin allerdings nicht erstattet und Peter hatte das Elternhaus seines Freundes nie wieder betreten.

Die Freundschaft zwischen Chris und ihm war nie wieder dieselbe gewesen, weil Peter nie ganz sicher sein konnte, ob sein Mitschüler nicht doch irgendwie gewusst hatte, was sein Vater für ein Mensch war.
 

„Ich kenne den Mann.“ erklärte Peter, in die Gegenwart zurückkehrend, finster: „Und ich weiß, dass bei ihm keine Freundlichkeit ohne Gegenleistung ist. Du hast also damals bei ihm gewohnt? Was hat er dafür von dir verlangt?“
 

Isaac war mit einem Mal weiß wie eine Wand. Er schluckte schwer und beeilte sich dann zu versichern:

„Ich habe ihn mich nicht von ihm ficken lassen, oder so. Es... es waren bloß ein paar Hand-Jobs. Halb so wild!“

Er verstummte darauf eine ganze Weile und murmelte schließlich:
 

„Nun hältst du mich vermutlich für eine ziemliche Nutte, richtig?“
 

Peter atmete tief durch, ehe er versicherte:

„Nein Isaac, das tue ich nicht. Du hast überhaupt nichts falsch gemacht. Doch Gerard könnte ich für das, was er gemacht hat umbringen.“
 

Er startete den Wagen:
 

„Und wohin fahren wir jetzt?“ piepste Isaac kleinlaut:
 

Ein zweites Mal an diesem Tag tat Peter etwas, was vollkommen uncharakteristisch für ihn war, indem er verkündete:

„Wir fahren zu mir. Ich habe ein Gästezimmer.“
 

„Wie? Nein! Das kann ich nicht annehmen!“ erwiderte Isaac entschieden:
 

„Doch das wirst du! Und du musst dir keine Sorgen machen, denn dafür musst du nämlich nicht bezahlen, weder mit Geld, noch in Naturalien, kapiert? Und außerdem ist das der reine Eigennutz.“ behauptete Peter: „Immerhin habe ich deine Kaution bezahlt. Ich würde doch ziemlich dumm dastehen, wenn du nun einfach über alle Berge verschwinden würdest, also behalte ich dich wohl besser im Auge.“
 

Der Anwalt wendete seinem Beifahrer kurz den Kopf zu und schenkte ihm ein schelmisches Zwinkern.

I think you ought to walk with me and be safe

Isaac gingen beinahe die Augen über, als sie Peters luxuriöse Penthousewohnung betraten.

Er ließ seinen Blick schweifen, durch den großzügigen Eingangsbereich mit den hohen Decken welcher direkt in das weitläufige Wohnzimmer mit dem üppigen, L-förmigen Sofa, den dazu passenden Sesseln in cremefarbenem Wildledern und dem großen Esstisch mündete. Es gab große Fenster, welche viel Licht hereinließen. Die Einrichtung, die Wände, alles strahlte in kühlem Weiß, welches von gelegentlichen, innenarchitektonisch wohldurchdachten, goldenen Akzenten erwärmt und durch wenige stilvolle und wunderschöne Kunstobjekte aus Keramik oder Bronze, in beleuchteten Glasvitrinen aufgewertet wurde. Es gab eine riesige Heimkinoanlage und kostbare Perserteppiche in zurückhaltenden Farben waren hier und da auf dem weißem Marmorboden platziert. An den Salon schloss sich eine große, offene Küche an und an dieser Schnittstelle befand sich auch eine Treppe hinauf zu einer weiteren Ebene, wo sich weitere Räume befanden:
 

„Wow! Und hier lebst du ganz allein?“ fragte Isaac ungläubig: „Das ist ja riesig?“
 

Peter zuckte lediglich mit den Schultern und antwortete:

„Ich habe eben gern viel Platz.“ Er legte eine Schlüsselkarte und einen kleinen Zettel in die Hand des Jüngeren: „Für die Haus- und die Wohnungstür.“ kommentierte er: „Und die Nummer ist der Code für die Alarmanlage. Du kannst selbstverständlich kommen und gehen, wie du es willst, solange du die Stadt nicht verlässt, weil du dann gegen deine Bewährungsauflagen verstoßen würdest. Bitte keine Besucher, ohne es vorher mit mir zu besprechen. Du kannst hier alles benutzen, an den Kühlschrank gehen, fernsehen und so weiter. Oben ist ein Fitnessraum, falls du ein wenig Bewegung brauchst und auf der Dachterrasse befindet sich ein Whirlpool, falls dir der Sinn nach einem Sonnenbad steht. Es gibt zwei Badezimmer, eines hier unten und eines oben. Oben ist auch das Gästezimmer und das zeige ich dir jetzt.“
 

Isaac folgte dem Anwalt treppauf zu einer Tür und als Peter Gästezimmer sagte, hatte der Jüngere an einen kleinen, dunklen, verstaubten Raum mit schmalem, harten Bett und vielleicht einem kleinen Schränkchen für seine Sachen gedacht, womit er auch vollkommen zufrieden gewesen wäre, denn immerhin wäre es dann keine Gefängniszelle gewesen, doch dieses Gästezimmer unterschied sich sehr deutlich von dem in seiner Phantasie. Die Wände waren in einem zarten hellblau getüncht, das Bett war groß, überspannt von einem orientalisch anmutenden Baldachin aus roséfarbenem Taft. Decke und Kissen waren eingeschlagen in apricotfarbene Bezüge aus hochwertigem Satin. Das arabische Flair des Bettes wurde aufgenommen von weißen Wandornamenten und einer Deckenleuchte aus Metall, in welches hübsche Muster eingestanzt waren. Wenn die Lampe am Abend leuchtete, würde sie bestimmt wunderschöne Licht-und-Schatten-Elemente an Decke und Wände projizieren. An einer Wand befand sich ein Kleiderschrank aus Olivenholz mit künstlerischen Schnitzereien in dessen Türen und gegenüber vom Bett hing ein riesiger Flachbildfernseher, für das perfekte Kinoerlebnis zuhause:
 

„Ich denke, ich habe noch nie in so einem schönen Zimmer geschlafen?“ erklärte Isaac überwältigt: „Das ist... der Wahnsinn!“
 

„Es ist okay.“ erwiderte Peter achselzuckend: „Fühl´ dich wie zuhause, richte dich ein, in dem Schrank da ist Platz für deine Sachen. Versuche dich ein bisschen auszuruhen. Die letzten Tage waren sicherlich anstrengend für dich. Ich gehe gleich wieder los, denn ich muss heute noch ein bisschen arbeiten. Ich bin gegen zwanzig Uhr wieder da. Bis später!“
 

„Bis später!“ gab Isaac immer noch ziemlich fassungslos zurück. Dann schob er noch ein „Danke! Vielen, vielen Dank!“ hinterher, welches dramatischer klang, als der Jüngere es beabsichtigt hatte und ihn peinlich berührt erröten ließ:
 

„Nichts zu danken.“ behauptete Peter zwinkernd, ehe er verschwand.
 

Isaac war in der Tat vollkommen erschöpft, doch bevor er sich hinlegen konnte, musste er sich zuvor dringend noch den Knastgeruch abwaschen, welcher sich in jede seiner Poren eingebrannt hatte, wenn er wirklich zur Ruhe kommen wollte. Er machte sich also auf die Suche nach dem Badezimmer. Hinter der ersten Tür, die er geöffnet hatte, hatte sich Peters Schlafzimmer befunden, gleich gegenüber dem von Isaac gelegen und ähnlich eingerichtet wie das Gästezimmer, nur doppelt so groß und mit einem riesigen begehbaren Kleiderschrank im hinteren Bereich.

Es juckte Isaac in den Fingern, hinter dessen Türen ein wenig zu stöbern, sich die schicken Anzüge, die teuren Hemden, Schuhe und Krawatten einmal anzuschauen, doch das wäre eine Verletzung von Peters Privatsphäre gewesen, also ließ er es sein, schloss schnell wieder die Zimmertür hinter sich und ging duschen.
 

Wohlriechend dank Peters hochwertigem Duschgel und mit einem großen, weißen, flauschigen Handtuch um die Hüften, kehrte er wenig später in sein neues Zimmer zurück. Er schlüpfte in Boxershorts und T-Shirt und dann rasch unter die leichte Decke.
 

Isaac hatte in seinem Leben schon häufig schlecht gelegen, zum Beispiel wenn er von seinem Vater in der Kühltruhe eingesperrt und über Nacht dort drinnen gelassen worden war, oder wie zuletzt auf der harten Pritsche im Gefängnis, doch in diesem Bett lag er so wunderbar geborgen, wie in Abrahams Schoß. Die Matratze war weder zu hart noch zu weich, das Kissen war genau richtig, der Satinstoff fühlte sich auf der Haut an, wie kühle, streichelnde Hände, es war einfach nur wundervoll. Und deshalb dauerte es auch keine fünf Minuten, ehe Isaac den ersten, friedlichen und sorglosen Schlaf in Wochen fand.
 

Als er wieder erwachte konnte er es beim Blick auf die Uhr am Nachttisch kaum fassen, dass es bereits kurz nach fünf am Nachmittag sein sollte? Er hatte ganze vier Stunden geschlafen.

Er reckte und streckte sich, schwang die Beine über die Bettkante und fühlte sich unglaublich.
 

Als er nun überlegte, was er als nächstes tun könnte, kam ihm ein großartiger Gedanke. Er mochte Peter vielleicht nicht in Form von Geld zurückerstatten können, was dieser bis zu diesem Augenblick bereits alles für ihn getan hatte, doch er konnte wenigstens im Rahmen seiner Möglichkeiten versuchen, ihm eine Freude zu machen.
 

Noch hatte Isaac nicht gewagt, seinen Rucksack auszupacken, für den Fall dass er in Kürze schnell wieder verschwinden müsste, weil Peter vielleicht irgendwann genug von seiner Gesellschaft hatte, oder weil er irgendetwas falsch machen würde und deswegen rausflog. Er zog sich als einfach Jeans, Socken und Shirt aus den Tiefen seiner Tasche, kleidete sich an und schon konnte es losgehen.

Als er die Alarmanlage scharf machte, war Isaac unglaublich nervös, weil er fürchtete dabei etwas falsch zu machen und dann Schuld daran zu sein, dass eingebrochen wurde und Peter durch ihn Schaden erlitt, doch es lief zum Glück alles problemlos und er verließ das Haus.
 

Etwa eine Stunde später kehrte Isaac mit zwei vollen Tüten vom Supermarkt zurück, überwand auch hier einmal mehr das Hindernis der Alarmanlage, diesmal in der Panik einen Fehlalarm auszulösen und in wenigen Minuten in den Lauf einer Waffe von Polizei, oder Sicherheitspersonal zu blicken, doch auch diesmal klappte alles ohne Zwischenfälle. Er atmete aus und wischte sich den Angstschweiß von der Stirn.
 

Isaac schleppte die Tüten in die Küche und machte sich ans Werk.

Er hatte das Kochen nach dem Tod seiner Mutter lernen müssen, denn sein Vater konnte es weder, noch sah er es als seine Aufgabe an, eine Mahlzeit auf den Tisch zu bringen, immerhin sorge er mit seiner Arbeit ja bereits dafür, das Geld hierfür zur Verfügung stünde. Sein Teil sei damit getan, wie er häufig wiederholte.
 

Auch wenn es aus dieser Notwendigkeit entstanden war, hatte Isaac dennoch schnell Gefallen daran gefunden Mahlzeiten zuzubereiten und er war sich beinahe sicher, dass er im Laufe der Zeit auch recht gut darin geworden war, auch wenn es niemals jemand wirklich anerkannt hätte.
 

Es war gut möglich, dass Peter bereits gegessen hätte, wenn er heimkam, weswegen Isaac eine Mahlzeit zubereitete, welche ebenso gut auch noch am nächsten Tag eingenommen werden könnte, doch heimlich hoffte er natürlich, dass sein Retter hungrig nachhause kommen würde und hocherfreut darüber wäre, dass das Abendessen bereits auf ihn wartete.

Und Isaac hatte sich bei der Wahl seines Rezepts und der Zutaten wirklich Mühe gegeben. Dieser Peter war offensichtlich ein kultivierter Mann und daher vermutlich auch nur die beste Küche gewöhnt. Irgendwie war es Isaac verdammt wichtig, ihn nicht zu enttäuschen. Der Bonus bei der ganzen Kochaktion war, dass die Ausstattung der Küche wirklich keine Wünsche offen ließ. Viele der Gerätschaften hatte Isaac noch nie im Leben gesehen, war jedoch neugierig darauf, diese in der Zukunft möglicherweise einmal auszuprobieren, sofern er sich heute als würdig erwies.
 

Das Herz des Kochs machte einen kleinen Hüpfer, als er den Anwalt heimkehren hörte. Er hatte seine Zimmertür offen gelassen, um dessen Ankunft nicht zu verpassen und nun eilte er die Treppen herunter, um ihn zu begrüßen:
 

„Hey Junge, hast du dich ein wenig erholen können?“ wollte Peter wissen, während er seine teuer aussehenden Budapester von den Füßen streifte, sein Jacket auszog und seine beengende Krawatte lockerte:
 

„Ich habe ein wenig geschlafen. Das Bett ist der Hammer!“ erwiderte Isaac: „Nochmals vielen Dank dass ich hier sein darf.“
 

„Hör´ auf dich dauernd zu bedanken, das ist anstrengend.“ knurrte der Ältere.
 

Isaac ließ den Kopf hängen und stand da, wie ein getretener Hund.
 

Peter bemerkte es und seufzte:

„Entschuldige, Kleiner. Ich bin einfach unterzuckert und dann werde ich zum Arschloch. Hast du auch Hunger? Wir könnten uns etwas liefern lassen. Worauf hast du Lust?“
 

Nun wagte Isaac es langsam, den Kopf wieder zu heben:

„Ich... ich habe etwas vorbereitet. Es muss nur noch für zwanzig Minuten in den Ofen und dann können wir essen. Also... nur wenn du möchtest, meine ich.“
 

„Du hast gekocht?“ fragte Peter erstaunt: „Womit? Ich habe doch gar nichts im Haus?“
 

„Ich war einkaufen.“ piepste Isaac: „Ich wollte einfach etwas Nettes für dich machen. Du warst immerhin auch echt nett zu mir.“
 

Peter lächelte:

„Wow, Danke Junge! Zwanzig Minuten sagst du? Dann kann ich ja schnell noch duschen gehen.“
 

Nun strahlte Isaac wieder über das ganze Gesicht:

„Ich beeile mich. Willst du Wein zum Essen. Ich habe welchen gekauft. Ich weiß nicht ob er gut ist, aber ich habe mich im Geschäft beraten lassen.“
 

„Wein klingt gut.“ bestätigte Peter und stieg die Treppen hinauf.
 

Isaac machte sich mit Feuereifer ans Werk, stellte den Ofen an, deckte den Tisch ein, inklusive Tischtuch, echter Stoffservietten, welche er faltete, wie er es einmal in einem Restaurant gesehen hatte und zweier Kerzenleuchter. Er holte den Riesling aus dem Kühlschrank und schenkte ein, damit der Wein noch ein wenig atmen konnte, denn so machte man das ja wohl, soweit er wusste.
 

Als Peter nach einer Weile mit feuchten Haaren, in Jeans und weißem T-Shirt mit V-Ausschnitt die Treppen herunter kam, war alles bereit, nur das Essen musste noch aus dem Ofen.

Beiläufig bemerkte Isaac, dass der Anwalt in seiner Freizeitkleidung jünger wirkte.
 

„Ich hoffe, du hast Fleisch für mich? Ich habe Hunger wie ein Wolf.“ sagte Peter und ließ sich an seinem Platz nieder.
 

Isaac wurde blass:

„Ich... ich... ich fürchte nicht. Ich wusste das nicht... also ich... bin Vegetarier.“
 

„Also kein Fleisch.“ erwiderte Peter in einem neutralen Tonfall.
 

Einem Tonfall, der Isaac an etwas aus früherer Zeit erinnerte.

So fing es immer an, ehe der Sturm losbrach.
 

Und als Peter nun sein Glas in die Hand nahm, wusste der Jüngere bereits, was kommen würde und so zog er dann Kopf ein und hielt sich schützend die Hände über den Kopf.
 

Peter stutzte erst kurz, doch er verstand schnell.
 

Ein Trigger!
 

Oh ja und ob er verstand.
 

Er stellte sein Glas wieder ab und sagte so sanft wie möglich:

„Ist gut, Kleiner. Ist gut! Du bist in Sicherheit. Hier geschieht dir nichts. Und vegetarisch ist vollkommen in Ordnung. Mein Arzt wäre begeistert, wenn ich weniger Fleisch essen würde. Atme, okay? Atme einfach tief durch.“
 

„Ich dachte du würdest...“ sagte Isaac gepresst:
 

„Du dachtest, ich würde mein Glas nach dir werfen. Das würde ich aber niemals tun, Isaac.“ beteuerte Peter und wiederholte dann noch einmal:

„Du bist hier in Sicherheit.“
 

„Okay.“ gab der Jüngere beschämt zurück: „Ich... hole dann mal das essen.“
 

Peter nickte und verstand, dass es nun an der Zeit war, es damit vorerst bewenden zu lassen:
 

„Was ist das denn Gutes?“ fragte er also, als Isaac wenig später einen dampfenden Teller vor ihn hinstellte:
 

„Es ist ein Kartoffelauflauf mit Shitake-Pilzen in einer Sahne-Sherry-Sauce, ein Brunnenkressesalat mit Pinienkernen und eine Artischocke überbacken mit Gorgonzola.“ berichtete Isaac, dankbar über den Themenwechsel: „Es gibt auch noch Nachtisch, einen Fruchtsalat mit Vanilleeis und kandierten Walnüssen.“
 

„Das klingt fantastisch. Und echt aufwendig und teuer?“ gab Peter zurück:
 

„Das Vanilleeis habe ich nicht selbstgemacht, dabei hast du eine Eismaschine.“ gestand Isaac, als würde er eine Todsünde beichten.
 

Anstatt darauf einzugehen, fragte Peter:

„Habe ich? Wusste ich gar nicht?“
 

Isaac hatte sich mittlerweile auch gesetzt und blickte überrascht auf:

„Kochst du selbst denn gar nicht? Ich dachte...? Also bei der Küche...?“
 

„Die Küche habe ich, so wie sie ist vom Vorbesitzer übernommen. Alle anderen Räume habe ich nach meinem Geschmack anpassen lassen, aber der Raum war mir irgendwie ziemlich egal. Ich kann nämlich nicht kochen. Ich gehe dort höchstens mal rein, um mir einen Eiweißshake, einen Kaffee, oder ein Sandwich zu machen.“ erwiderte Peter.
 

„Ehrlich? Das ist aber schade.“ urteilte Isaac: „Wollen wir es dann vielleicht so machen, dass ich für dich koche, solange ich hier bin? Mir macht das nämlich wirklich Spaß und ich würde mich so gern irgendwie bei dir revanchieren.“
 

Peter sah aus als müsse er ernsthaft darüber nachdenken. Dann sagte er mit einem kleinen, verschmitzten Grinsen:

„Warte kurz, ehe ich hier die Katze im Sack kaufe!“

Er begann die Komponenten auf seinem Teller nacheinander zu probieren, wobei er von Isaac aufmerksam beäugt wurde.

Schließlich nickte der Ältere zufrieden und beteuerte:

„Das ist ausgezeichnet. Wir haben einen Deal, Kleiner.“
 

„Ehrlich? Es schmeckt dir?“ versicherte sich Isaac noch einmal:
 

„Ich sage niemals etwas, dass ich nicht auch so meine.“ stellte Peter klar: „Und nun iss! Es wäre doch schade, wenn es kalt werden würde.“

You sure are looking good

Es war gestern reichlich spät geworden, denn nach ihrem ausgiebigen Dinner und nachdem sie gemeinsam zwei Flaschen Wein geleert hatten, hatte Peter deutlich gespürt, dass Isaac offensichtlich Angst vor der Nacht zu haben schien, so wie er immer weiter versuchte, ihr Gespräch fortzusetzen und den Abend nicht enden zu lassen.
 

Peter erinnerte sich gut daran, wie das war.
 

Die Nacht war die Zeit, in der die nicht zu ende gedachten Gedanken des Tages einen ratlos anzustarren begannen, wo sich Schatten leicht in Ungeheuer verwandelten und Ängste aller Art sich von hinten an einen heranzuschleichen begannen.

Dieser Junge hatte einiges hinter sich und er hatte überdies den ungewissen Ausgang des Prozesses noch vor sich. So etwas konnte einem den Schlaf rauben, weswegen Peter kurzerhand vorgeschlagen hatte, dass sie noch gemeinsam einen Film anschauen könnten.
 

Isaac war sofort begeistert auf dieses Angebot eingestiegen und hatte wissen wollen, ob sein Gastgeber wohl seinen Lieblingsfilm „Interview mit einem Vampir“ nach der Romanvorlage von Anne Rice kennen würde? Als Peter dies verneinte, konnte der Jüngere es kaum glauben und bestand darauf, dass sie diese Bildungslücke nun aber dringend schließen müssten.

Peter hatte widersprechen wollen, da er eher ein Realist war und ihm Geschichten über übernatürliche Wesen wie Vampire, oder Werwölfe nicht so sehr lagen, doch hatte er es angesichts Isaacs Enthusiasmus nicht übers Herz gebracht Nein zu sagen.
 

Es ging am Ende um die toxische Liebe eines jungen Tom Cruise zu einem noch jüngeren Brad Pitt, welchen Ersterer durch den ewigen Kuss in einen Vampir verwandelte. Um seinen Liebling ewig an sich zu binden, hängte er ihm dann noch einen Vampir-Balg, gespielt von einer kindlichen Kirsten Dunst an und das Ganze endete selbstverständlich im riesigen Drama.

Für Peters Geschmack war das Ganze zwar ein bisschen drüber gewesen, aber letztlich hatte es sich dennoch als recht unterhaltsam erwiesen und er konnte nachvollziehen, warum einen romantischen Jungen mit trauriger Herkunft eine solche Story fesselte.

Nach dem Film war es bereits weit nach Mitternacht gewesen und Isaac daher so müde, dass er sicherlich rasch einschlafen würde, womit Peter sein Ziel erreicht hatte, dem Jüngeren einen unbeschwerten Nachtschlaf zu verschaffen.
 

An diesem Morgen hätte Peter theoretisch ein wenig länger schlafen können, denn sein erster Termin an diesem Tag, ein Mandantengespräch in der Kanzlei, war erst auf zehn Uhr terminiert, doch sein Telefon machte ihm einen Strich durch die Rechnung, indem es bereits um halb sieben klingelte:
 

„WAS?“ knurrte er zornig in den Hörer:
 

„Bist du schon wach?“ Stiles am anderen Ende der Leitung klang ein wenig kleinlaut:
 

„NEIN!“ behauptete der Ältere: „ICH LEGE WIEDER AUF.“
 

„Aber wenn du doch schon mal wach bist...“ begann Stiles, welcher sein Selbstvertrauen schnell wiedergefunden hatte: „...sag mir doch wenigstens kurz, ob du in Isaacs Fall schon etwas erreichen konntest?“
 

Peter stellte sich vor, wie er Stiles durch die Telefonleitung zog, um ihm eins auf die Nase zu geben:

„Und deswegen weckst du mich in aller Herrgottsfrühe, du Spinner?“ bellte er in den Hörer:
 

„Na ja, es beschäftigt mich eben. Ich mache mir Sorgen um meinen Freund.“ erwiderte der Jüngere und schien dabei recht unbeeindruckt vom gerechten Zorn des Rechtsanwalts, angesichts der Störung zu so früher Stunde:
 

„Ich hasse dich!“ ließ Peter Dereks Partner wissen: „Aber nur zu deiner Beruhigung... Isaac geht es bestens, also entspann´ dich wieder, du kleiner Blödmann. Ich habe ihn aus dem Knast geholt. Er ist draußen.“
 

„Er ist... was?“ stutzte Stiles: „Wie? Wieso? Wo ist er denn? Er hat doch gar keine Bleibe mehr? Du hast ihn doch nicht etwa zu diesem alten Sack gehen lassen, bei dem er damals nach seinem Auszug von seinem Vater gelebt hat, oder? Isaac hat zwar nie etwas gesagt, aber ich bin sicher, da ist damals irgendetwas ganz Mieses gelaufen. Scheiße Peter, wieso hast du denn nichts gesagt? Ich hätte mir doch etwas einfallen lassen. Wie finde ich ihn den jetzt? Fuck, fuck, fuck!“
 

Peter seufzte, betete um Geduld und versicherte:

„Beruhige dich, Stiles! Isaac ist hier bei mir.“
 

„BEI DIR? ETWA IN DEINEM BETT?“ tönte es nun entsetzt vom anderen Ende der Leitung:
 

„Ich lege jetzt auf.“ erklärte Peter und das tat er auch.

Und zur Sicherheit schaltete er sein Telefon stumm, ehe er sich im Bett herumdrehte und die Augen noch einmal schloss.
 

Etwa eine Stunde später klingelte Peters Wecker und diesmal fühlte er sich auch tatsächlich bereit zum Aufstehen. Er schwang die Beine über den Bettrand, zog seine Trainingskleidung an und machte sich auf den Weg in sein privates Gym. Er hatte sich gerade auf dem Laufband warm gemacht und war bereit für sein Krafttraining, als er hinter sich das Tapsen nackter Füße vernahm.
 

Er wendete sich um und blickte in Isaacs verschlafenes Gesicht unter dem zerzausten Lockenschopf:

„Morgen Kleiner, gut geschlafen?“ erkundigte er sich grinsend.
 

Der Junge nickte:

„Wie ein Baby.“ versicherte er gähnend und wollte wissen: „Was willst du zum Frühstück? Ich laufe schnell los zum Einkaufen.“
 

„Entspann´ dich und werd´ erst einmal in Ruhe wach.“ gab der Ältere lachend zurück: „Ich esse morgens nichts. Intermittierendes Fasten, so halte ich meine Figur.“
 

„Das erklärt einiges.“ gab Isaac zurück und bewunderte seinen Gastgeber unverhohlen, wie er gerade dabei war Langhanteln zu bewegen, wobei er langsam ein wenig vom Schweiß zu glänzen begann:
 

„Von nichts kommt nichts.“ bestätigte der Anwalt, beendete seinen Satz und ließ grinsend seine beeindruckenden Brustmuskeln tanzen.
 

Isaac blickte ein wenig unzufrieden an seiner eigenen schlanken Gestalt hinab und Peter kommentierte lachend:

„Du kannst dich gerne auch ein bisschen hier austoben, wenn du später Lust hast, Kleiner.“
 

„Warum nennst du mich eigentlich immer Kleiner?“ fragte Isaac ertappt und ein wenig mürrisch: „Ich bin mindestens zehn Zentimeter größer als du.“
 

„Da hast du natürlich vollkommen recht. Ich werde mir wohl etwas anderes für dich überlegen müssen.“ stimmte Peter zu.
 

Mit einem Mal sah Isaac ziemlich zerknirscht aus:

„Entschuldige bitte, Peter.“
 

„Wofür entschuldigst du dich?“ erkundigte sich der Anwalt erstaunt:
 

„Weil ich so unfreundlich zu dir bin. Das hast du echt nicht verdient. Ich bin so ein Stinktier, bevor ich morgens meinen ersten Kaffee hatte. Bitte verzeih´ mir!“ murmelte der Jüngere unglücklich:
 

„Wann warst du denn unfreundlich zu mir?“ fragte Peter lachend: „Das ist mir beim besten Willen nicht aufgefallen. Aber wenn du einen Kaffee brauchst, dann geh doch in die Küche und mach´ dir einen. Mein Kaffeevollautomat ist das einzige Küchengerät, das ich neu angeschafft habe, als ich hier eingezogen bin und das Ding macht den besten Kaffee der Stadt. Es macht den fähigsten Barista arbeitslos.“
 

Isaac wirkte nicht wirklich so, als könne er sich schon selbst seine vermeintliche Stinktierhaftigkeit verzeihen, doch er zog sich zurück. Er verschwand in seinem Zimmer, um sich anzuziehen und folgte dann Peters Empfehlung den Kaffeeautomaten auf die Probe zu stellen, nur um festzustellen, dass der Hausherr wirklich nicht gelogen hatte, denn der Kaffee war in der Tat fantastisch. Isaac war bereits bei der zweiten Tasse, als Peter ihm frisch geduscht und bereit für seinen Arbeitstag in die Küche folgte.
 

Isaac stand abrupt von seinem Hocker an seinem Küchentresen auf und sagte:

„Ich mache dir auch einen, okay? Setz´ dich bitte! Geht sofort los.“
 

„Ganz ruhig, Klei... ich meinte, Isaac. Setz´ dich wieder. Ich bin bestens in der Lage, mir meinen Kaffee selbst kochen.“ versicherte Peter: „Du bist doch nicht das Hauspersonal.“

Der Anwalt drückte die Knöpfe an seinem Kaffeeautomaten, entnahm anschließend die dampfende Tasse und bereitete sich dann einen Eiweißshake in einem Plastikgefäß, welches dann in seine Aktentasche wanderte:

„Mittagessen.“ kommentierte er:
 

„Davon kann man doch nicht leben?“ erwiderte Isaac zweifelnd.

Dann fragte er zaghaft: „Aber unser Deal steht doch noch, oder? Ich darf dir etwas zu essen machen, wenn du später heimkommst?“
 

„Ich freue mich schon darauf.“ bestätigte Peter mit einem schelmischen Grinsen: „Was gibt es denn Gutes?“
 

„Ich hatte an selbstgemachte grüne Bandnudeln gedacht? Du hast da diese Pastamaschine. Und dazu vielleicht eine Steinpilz-Sahne-Sauce?“ erwiderte Isaac unsicher fragend, nur um schnell hinzuzufügen: „ Ich kann aber auch etwas ganz anderes kochen, wenn du so etwas nicht magst?“
 

„Nein, klingt super.“ versicherte Peter, seinen Kaffee trinkend und in sein Handy vertieft.

Stiles hatte heute Morgen in seiner bekannt-nervtötenden Hartnäckigkeit bereits siebenundzwanzig mal versucht anzurufen, um dann schließlich eine Nachricht schreiben.
 

Peter erkundigte sich seufzend: „ Denkst du, du kannst heute eventuell auch die doppelte Menge kochen, Isaac? Ich schätze wir Zwei bekommen später noch Besuch.“
 

„Wer kommt denn?“ wollte der Jüngere wissen.
 

Peter verzog grimmig das Gesicht:

„Die spanische Inquisition!“



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