Milch und Mochi von Shiori-chan ================================================================================ Prolog: -------- H O R O H O R O     Für einen kurzen Moment beschleicht mich ich das dumpfe Gefühl, dass du mich womöglich nicht richtig verstanden hast.  Keine Reaktion, keine direkte Antwort. Als hätte ich mich gerade einer Wand offenbart. Lediglich ein leichtes Stirnrunzeln unter deinen karminroten Strähnen weist mich darauf hin, dass dein Hirn arbeitet, dass du vermutlich gerade abwägst, inwiefern ich dich möglicherweise nur auf den Arm nehmen will.  Verübeln kann ich es dir zumindest nicht. Dass ich diesen Satz gerade wirklich laut ausgesprochen habe, wirkt für mich genauso unreal und gleichzeitig absolut lebensmüde.   „Du verarschst mich“, schnaubst du verächtlich, trotzdem meine ich, irgendwo im dunkelsten, tiefsten Bereich deiner Stimme einen Hauch von Verunsicherung heraushören zu können.  Dein Blick ist immer noch in die Weite gerichtet, fixiert auf die in orangerotes Licht getauchte Bergkette, die sich vor uns auftürmt. Viel zu gelassen, fast schon zu ruhig, wenn man überlegt, was ich dir gerade für einen gigantischen Brocken an Chaos vor die Visage geklatscht habe. Sollte auch nur ein mikroskopisch winziger Teil von dir meinen Worten Glauben schenken, dann ist das hier eine schauspielerische Meisterleistung.  Theoretisch lieferst du mir gerade die perfekte Vorlage, um meine Aussage kurzerhand wieder zurückzunehmen.  Hahaha, hast recht, witzig von mir oder, hahaha.    „Nee.“   Vielleicht sollte ich mir endlich einen Maulkorb zulegen, denn anscheinend habe ich weder meinen Kopf noch mein bescheuertes Mundwerk im Griff. Letzterem könnte ich wenigstens durch eine Art Knebel entgegenwirken und mir somit weitere Dummheiten ersparen. Aber jetzt ist es zu spät. Als du endlich den Kopf zu mir drehst und mich ansiehst, kann ich spüren, wie plötzlich in mir kochende Hitze aufsteigt und sich meine Brust eng zusammenzieht. Dein Gesichtsausdruck befindet sich mittlerweile irgendwo zwischen angespannter Neugier und nervöser Empörung.  Jedenfalls wirkst du auf einmal nicht mehr ganz so gefasst wie soeben noch. Als könntest du nicht glauben, dass jemand wirklich so unfassbar dumm wäre, eine Freundschaft auf diese Art und Weise aufs Spiel zu setzen.   Fuck.    An der Art, wie du mich jetzt musterst, immer noch misstrauisch, zögernd, kann ich davon ausgehen, dass du nach wie vor denkst oder vielleicht sogar hoffst, Anzeichen in meinem Gesicht zu finden, die auf einen Witz schließen lassen. Auf einen bescheuerten, hirnverbrannten Witz, der besser ein scheiß Witz hätte bleiben sollen. Aber damit kann ich leider nicht dienen. Stattdessen merke ich, wie mir die Röte in die Wangen schießt und ich am liebsten im Erdboden versinken würde. Das ist kein Scherz, nein.  Und ich Vollidiot habe soeben dafür gesorgt, dass es real wird.   „Sorry“, platzt es dann aus mir heraus, weil ich diese gottverdammte Stille zwischen uns nicht mehr länger ertrage, und ich springe von der Bank auf die Beine.  „Ich, ah … das war so nicht geplant.“ War es wirklich nicht, aber irgendwas in meinem Walnuss-Gehirn hat mich wohl denken lassen, dass das hier die perfekte Gelegenheit für gefühlsduselige Scheiße ist. Während sich Yoh, Ryu und Manta am Schrein noch mit Snacks und Sake beladen, solange wir für ein paar Minuten zur Abwechslung mal nur zu zweit auf der Plattform sind. Vor uns die untergehende Sonne über den Bergen, im Hintergrund die sanften Festivalmelodien und Gesprächsfetzen der Spaziergänger und Tempelbesucher.  Eigentlich bin ich kein Stück romantisch, aber ich schätze, der beschissene Alkohol macht was mit mir. Nervös wippe ich von einem Bein auf das andere, weiß nicht so recht, wohin mit mir. Das feuchte hohe Gras, das sich durch die Öffnungen meiner hölzernen Getas bahnt, fühlt sich unangenehm kalt und nass an meinen Füßen an. Augenblicklich raffe ich mir meinen Kimono enger um meinen glühend heißen Oberkörper. Als könnte ich mich damit auch nur ansatzweise vor dem schützen, was jetzt kommt.  Mittlerweile hast du den Blick gesenkt, weil du dir wohl nicht mehr anders zu helfen weißt. Aber das schwache Licht reicht trotzdem aus, um zu erkennen, dass du mit dir haderst, dass dir absolut nicht mehr nach Feiern zu Mute ist. Sollte dir überhaupt jemals heute danach gewesen sein. Deine Arme sind fest über der Brust verschränkt, deine Fingerspitzen scheinen sich mit aller Macht in den fließenden Stoff des Kimonos bohren zu wollen.  Der winzige Hauch von Hoffnung auf eine mögliche Beidseitigkeit, den ich anfangs noch hatte, ist jetzt offiziell dahin.    „Ich weiß nicht, was ich sagen soll.“ Deine Stimme klingt auf einmal kratzig. Aber selbst jetzt, wo ich dich selten so kleinlaut und benommen erlebt habe, wirke ich neben dir immer noch wie ein Häufchen Elend. Der erbärmlichste, schmutzigste Häufchen, das sich möglicherweise aktuell in ganz Tokyo auffinden lässt. „Irgendwas wäre schon mal ein guter Anfang“, krächze ich gequält. Mittlerweile fühlt es sich so an, als würde mir jemand die Luft abschnüren. Das aggressive Pochen in meiner Brust wird mich höchstwahrscheinlich bald noch in den Wahnsinn treiben, wenn du diese Situation hier weiterhin unkommentiert lässt.   Dann höre ich, wie du plötzlich neben mir scharf einatmest. „Okay.“    Ich hebe erleichtert den Kopf, weil ich mir nichts weiter als ein schnelles Ende dieser Misere wünsche. Egal, wie auch immer das aussehen mag. Als du mich dann jedoch ansiehst, weiß ich deine Antwort schon, ohne dass du sie aussprechen musst.  Und dann will ich sie doch nicht mehr hören.  Was in aller Welt hat mich nur denken lassen, unsere ewigen Streitereien und Beschimpfungen wären auch dein scheiß Coping-Mechanismus, weil du deine Gefühle nicht anders zeigen kannst.   „Kein Sake für dich beim nächste Mal, Idiot. Der lässt dich noch mehr Schwachsinn faseln, als sowieso schon.“   Was? Ich versuche den riesigen Kloß in meiner Kehle herunterzuschlucken, doch es gelingt mir nicht. In meinem Kopf rasen die Gedanken nur so umher, weil ich absolut nicht verstehe, was du mir damit sagen willst. Aber dein Blick ist so durchdringend und ernst, als würdest du dir damit selbst bestätigen wollen, dass das hier gerade nicht stattgefunden hat.  Dass es nicht real ist.   „Kapiert?“   Deine bernsteinfarbenen Augen scheinen mich förmlich festzunageln, so stechend ist dein Blick. Festzunageln auf eine gemeinsame Übereinkunft, dass hier gerade absolut nichts passiert ist, das unsere Beziehung ins Wanken geraten lassen hätte können. Wahrscheinlich sollte ich dir sogar dankbar dafür sein, dass du mit deiner Aussage meine Schlinge soweit aufgelockert hast, sodass ich meinen Kopf wieder easy herauswinden kann. Weil du damit unsere Freundschaft rettest, die ich beinahe mit meiner impulsiven, unüberlegten, dummen Aussage zerstört hätte. Ja, sollte ich wohl.   Und dann nicke ich und zwinge mich zu einem verkrampften Lächeln.   „Total kapiert.“        Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)