Festgefahren von Phoenix-of-Darkness (Schnee, Schnee und noch mehr Schnee) ================================================================================ Kapitel 1: Winterdienst adieu~ ------------------------------ „… so kommst du wenigstens Mal aus deinem Büro und unter Leute, Kai! Vielleicht triffst du auch vor Ort auf neue Geschäftspartner. Immerhin kann man ja nie wissen, wer noch alles an dieser Veranstaltung teilnehmen wird. Abgesehen davon, würde es deiner Sozialkompetenz bestimmt zu Gute kommen…“ Ein unsicheres Lachen, gefolgt von einer langen Stille. Ja, er ließ den alten Mann zappeln und Kai war sich sicher, dass Mister Dickenson sich gerade hektisch den Schweiß von der Stirn tupfte. In Momenten wie diesen fragte er sich ernsthaft, warum dieser betagte Mann immer so ein nervöses Bündel war und vor allem wie er dennoch Chef eines solchen Konzerns wie der BBA werden konnte. Schließlich beendete er die Stille dieser Unterhaltung mit einem belanglosen, aber für ihn typischen „Hn.“ während er endlich den Laptop schloss und sich in seinem Bürostuhl zurück lehnte. Feierabend! Doch wenn er ehrlich war, war er einfach nur urlaubsreif. Doch an Urlaub war nicht zu denken. Denn mit großen Schritten neigte sich das Jahr dem Ende. Ein Großteil der Belegschaft würde sich bald in die Betriebsferien verabschieden, doch er war nun mal der Chef. Einfach Urlaub machen war nicht drin und schon gar nicht wenn bis zum Abschluss des vierten Quartales die Firmenzahlen noch nicht stimmig waren. Kai seufzte lautlos und legte seine Brille auf den Schreibtisch. „Es ist für alles gesorgt. Transfer vom Flughafen, Übernachtungsmöglichkeit, Speisen, Getränke… du müsstest nur persönlich erscheinen…“ Er rieb sich die Nasenwurzel. Warum gab der alte Mann denn nicht auf!? Merkte dieser nicht, wie leid er es war den Schoßhund der BBA zu spielen!? Konnte nicht Takao… Nein, ok… Diese Option kam nicht in Frage. Sein damaliger Rivale strahlte leider keinerlei Souveränität aus. Nun und Max war in den Staaten bei seiner Familie, Rei im letzten Winkel der chinesischen Provinz, Daichi war genauso ungeeignet wie Takao und Hiromi!? „Warum schicken Sie nicht Hiromi?“ Er war so müde und seine Augen brannten, sodass er sie kurz schloss. „Hiromi?“ Kai hörte wie Mister Dickensons Stimme warmherzig wurde und er ihn daran erinnerte, dass sie sich gerade in anderen Umständen befand und der Chef seine Flitterwochen mit Emily auf irgendeiner Tagung der NASA verbrachte. Rational betrachtet bedeutete dies für Kai jedoch lediglich nur, dass auch sie aus dem Schneider waren. Er schien wirklich nicht drum rum zu kommen und wäre es nicht Mister Dickenson, hätte er auch schon längst auf den roten Hörer seines Smartphones gedrückt. Doch irgendwie hatte er das Gefühl für immer in der Schuld dieses Mannes zu stehen. Kai seufzte erneut und zog sein Handy näher zu sich. Er minimierte die Telefon App, ließ den Leiter der BBA weiter sprechen und öffnete seinen Nachrichtendienst. Geübt glitten seine Finger über die Kontakte und er öffnete einen der letzten Chats. Gestern 22:34 Yura: Weißt du eigentlich, dass du verdammt unschuldig aussiehst wenn du schläfst!? *grinsendes Smiley* Vor allem wenn dir deine Haarsträhnen ins Gesicht fallen. 23:56 Yura: Ich hab unseren Videocall jetzt mal geschlossen…auch wenn ich mich nur schwer losreißen konnte. Übrigens redest du im Schlaf und es ist eine verdammte Unverschämtheit, dass du von anderen Typen träumst. >__> Wenn dich dein Sekretär so nervt, dann feuer ihn. 23:57 Yura: Kai… du brauchst echt mal etwas Abstand zur Firma. Komm doch über die Weihnachtsfeiertage zu mir nach Russland und bevor du jetzt die Augen verdrehst, wenn du das hier liest… Ich weiß, dass du die Kälte hasst, aber ich sorge schon dafür, dass du Hitze verspürst. *zwinkerndes Smiley* Mit einem sanften Lächeln auf den Lippen schüttelte Kai den Kopf. Der einsame Wolf der NeoBorgs konnte Süßholz raspeln, versaut sein, Fürsorge zeigen und… und… und… Doch ein Großteil seiner Bekanntschaften würde ihm diese Offenbarung vermutlich nicht abkaufen. Aber das störte Kai nicht. Immerhin war es sein Privileg und er teilte nicht gern. Zügig tippten seine Finger eine Nachricht, aber er zögerte sie abzuschicken. Heute 19:43 Kai: Lust auf ‘nen Trip nach Germany? War das zu spontan? Würde Yuriy überhaupt so kurzfristig Zeit dafür finden? Hätte dieser überhaupt Interesse mit ihm auf diese Veranstaltung zu gehen? Zumal der Andere nicht einmal offiziell zur BBA gehörte. Kai haderte mit sich selbst, doch schließlich gab er sich einen Ruck und sendete die Nachricht. Zu seiner eigenen Überraschung musste er nicht mal lange auf eine Antwort warten. 19:43 Yura: Roster lutschen nach’m Glühwein Stand auf deutschen Weihnachtsmärkten!? Mit dir doch immer ;P Kais Hand begegnete seiner Stirn und ein dezentes Klatschen war zu hören, sodass sogar Mister Dickenson kurz in seinem Redeschwall stockte. „Alles in Ordnung bei dir, Kai?“ „…nein...“ war die gedämpft, genuschelte Antwort Kais, als er seine Hand abwärts von der Stirn über sein Gesicht gleiten ließ. Er betrachtete Yuriys Antwort und las sie nochmals Wort für Wort. Es würde in einem Fiasko enden und er hatte gerade eben selbst den Stein dafür ins Rollen gebracht. Dabei hatte er nur einer fixen Idee nachgegeben. Es war nur ein Moment der Schwäche und nun hatte er den Salat. „Mister Dickenson…“ seufzte Kai. „Ja, mein Junge?“ „Ich werde auf diese Wohltätigkeitsveranstaltung gehen. Aber nur unter der Voraussetzung, dass ich mit Begleitung erscheinen kann.“ Erklärte Kai bestimmend. „M... mit Be… Begleitung?!“ kam es stotternd, aber auch verblüfft vom anderen Ende der Leitung. „Der Punkt ist nicht verhandelbar. Ich maile Ihnen alles andere. Auf Wiedersehen.“ Und noch ehe der alte Mann etwas erwidern oder gar einwenden konnte, hatte Kai das Telefonat beendet. 2 Tage später - 13. Dezember Kai war froh, dass er diese Bedingung gestellt hatte. Wohltätigkeitsveranstaltung hin oder her – es war eine verdammt trockene Veranstaltung und die überwiegend älteren Herrschaften stocksteif. Nun bei der älteren Dame in der Lounge, die mit den Unmengen an Schmuck um den faltigen Hals… …da war er sich nicht mal sicher, ob sie nicht wirklich stocksteif war. Aber zu seinem Glück hatte er Yuriy an seiner Seite und mit ihm verlief die Wohltätigkeitsveranstaltung für Kai durchaus entspannt. Denn der Ältere hatte einen sechsten Sinn dafür, wann der richtige Zeitpunkt war, Konversationen zu unterbrechen. Somit dauerten sämtliche Gespräche nie länger als 10Minuten, der Gesprächsstoff ging nicht aus und es wurde auch nicht persönlich. Des Weiteren kam auch niemand der Anwesenden dazu die Frage zu stellen, welche sich viele bei ihrer Ankunft gestellt hatten, nämlich: Weshalb er zusammen mit dem ehemaligen Leader der Neo Borgs aufgetaucht war. Was hätte er darauf auch antworten sollen? Die Wahrheit sagen? Etwa, dass sie zusammen und seit einem halben Jahr sogar verlobt waren? Wohl kaum! Denn diese Information würde wohl einschlagen wie eine Bombe, die Medien der kommenden Tage beherrschen und den Sinn und Zweck dieser Veranstaltung überschatten. „Meinst du wir können es uns erlauben jetzt zu verschwinden?“ Yuriy hatte sich zu ihm gebeugt und diese Worte in sein Ohr geflüstert. Gott wie er es liebte wenn der Ältere mit rollendem R sprach. Dieser russische Akzent, wenn Yuriy sich sprachlich außerhalb seiner Muttersprache bewegte, ließ ihn jedes Mal weiche Knie bekommen. Daher leerte Kai sein Sektglas ein wenig zu zügig und nickte schließlich bejahend. Amüsiert über diese Geste blitzten die eisblauen Augen auf, vermochte er doch in dem anderen zu lesen wie in einem offenen Buch. Doch den Jüngeren jetzt diesbezüglich weiter zu necken, vertagte er auf ein anderes Mal. Dies hier war weder der richtige Ort, noch die richtige Zeit um seinen Partner herauszufordern. Daher beließ es Yuriy dabei und seine Hand sanft, aber bestimmend an Kais Rücken und schob ihn Richtung Garderobe. Er organisierte ihre Mäntel und wollte ein Taxi ordern, als der Butler schlechte Nachrichten für sie hatte. „Tut mir leid, meine Herren. Heute werden wohl keine Taxis mehr fahren. Wir sind leider eingeschneit. Der Winterdienst ist zwar unterwegs, aber dieser kommt dem Schneetreiben nicht hinterher.“ Höflich verbeugte sich der Angestellte. „Wenn sie möchten, kann ich Ihnen 2 Gemächer im Westflügel herrichten lassen, sodass sie ihre Rückkehr zum Hotel morgen fortführen können.“ Kai stöhnte innerlich über diese Nachricht. Wirklich Lust eine Nacht im Schloss von Ralf Jürgens Familie zu verbringen hatte er nicht. Es erinnerte ihn zu sehr an die steifen Ansichten seines Großvaters und die Aussicht morgen auch noch mit Ralf zu frühstücken – Nein, danke. Er war eigentlich ganz froh über den Umstand gewesen, dass er Ralf zwar gesehen, es aber nicht zum persönlichen Gespräch gekommen war. „Der Winterdienst kommt dem Schneetreiben nicht nach?“ Yuriys eisiger Unterton war beinahe greifbar. „Die drei Flocken und euer Winterdienst kommt ins Schlingern? Wow..“ Der Ältere schüttelte fassungslos den Kopf. „Lass gut sein, Yuriy.“ „Aber Kai… Im Vergleich zu Russland…“ „Wir sind aber nun mal nicht in Russland.“ Er war angefressen und er bereute seinen scharfen Ton, welcher in seiner Aussage mit schwang. Er sah wie der Ältere die Schultern straffte und sich erneut dem Butler zuwandte. Na das konnte jetzt heiter werden. Ein bisschen hatte Kai Mitleid mit dem armen Butler. Immerhin konnte dieser nun weder etwas für die Wetterlage, noch für die restlichen Umstände. Doch der Ältere redete weiterhin auf den etwas untersetzten, kahlköpfigen Mann ein. Nach 10 Minuten wurde es Kai dann auch zu viel. Er zog sich seinen Mantel über und verließ das Anwesen wortlos. Seine Laune war im Keller und den Nerv für eine nicht zielführende Konversation hatte er auch nicht mehr. Er brauchte frische Luft – dringend - und so schritt er durch die prunkvolle Tür nach draußen. Kühle Dezemberluft umhüllte ihn und ließ ihn augenblicklich frösteln. Sein Blick ging gen Himmel, aber der Nachthimmel war verhangen. Ein Ende des Schneetreibens also nicht absehbar und so ließ er seinen Blick weiter schweifen - über die steinerne Eingangstreppe, die eingeschneiten Fahrzeuge auf den Parkflächen, hinunter zu der Allee aus Laternen bis hin zum Ausgang des Anwesens. Dabei wirbelten und tanzten kleine Schneeflocken im Licht der Laternen und der gelaugte Asphalt glitzerte eisig im Mondlicht. Zumindest auf dem Schlossgelände war etwas Winterdienst betrieben worden. Aber er bezweifelte, dass die schmale Straße durch das kleine Wäldchen, welches das Anwesenheit mit der Landstraße verband, geräumt wurde. Dann eben doch die Nacht auf dem Schloss mit Ralf Jürgens, dachte er resignierend. Er wollte schon kehrt machen und sich wieder ins Warme begeben, als ein Flackern seine Aufmerksamkeit erregte. Kai wandte sich in Richtung des Flackerns und kurz darauf erkannte er, dass es sich um zwei zügig näher kommende Scheinwerfer handelte. Der Schnee knarzte als der Jeep vor ihm zum Stehen kam und Yuriy ausstieg. Fragend wanderte die silberne Augenbraue nach oben. „Was soll das werden?“ „Na was wohl!?“ grinste der Ältere. „Ihre Kutsche zum Hotel ist startklar!“ „Echt!?“ Pure Vorfreude schwang in diesem Wort und Kai war selbst etwas von sich überrascht, doch die Aussicht nicht in diesem Schloss übernachten zu müssen, ließ Suzaku in seinem Inneren freudig flattern und dies übertrug sich nun mal auf ihn selbst. Jedoch wich diese Freude sofort wieder seiner Vernunft. „Und du bist dir sicher, dass du: a.) diesen Jeep fahren kannst? Und b.) wir damit durch den Wald kommen?“ „Ja und ja!“ grummelte Yuriy. Konnte Kai ihm nicht einmal blind vertrauen?! Gut, Vertrauen war nicht so Kais Art und doch musste Yuriy zugeben, dass der Jüngere ihm immer öfter blind vertraute seit sie zusammen waren. Aber so ein bisschen mehr, wenn es nach dem Älteren ging, durfte es schon sein. Kai seufzte und nickte schließlich einwilligend. „Ja wie? Kein C in deiner misstrauischen Ermittlung?“ stichelte Yuriy und Kai hielt augenblicklich in seiner Bewegung inne. Ihre Blicke trafen sich und wenn Blicke hätten töten können, wäre der Ältere augenblicklich umgefallen. Doch zu seinem Glück, waren Kais Blicke kein Avada Kedavra – ja er hatte eine Schwäche für diese Fantasie Reihe – und so konnte er es sich erlauben einfach nur frech zu grinsen. „Nun…“ die Stimme des Jüngeren war frostig. „…und c.) ich hoffe, dass das Ding Sitzheizung hat.“ Yuriy gluckste, verbiss sich seinen eindeutig zweideutigen Kommentar, von wegen, dass er im Hotel für einen erhitzten Po seitens Kai sorgen würde und nahm wieder hinter dem Steuer Platz. 25 Minuten später „Hattest du nicht auf a.) und b.) mit ja geantwortet!?“ giftete Kai. Er war soeben ausgestiegen und erstmal einen halben Meter eingesunken. Das lief ja prächtig, dachte er noch sarkastisch und knallte die Beifahrertür zu. Er stampfte oder besser gesagt arbeitete sich um den Jeep herum und stellte sich neben seinen Partner. Yuriy schnalzte missmutig mit der Zunge. Natürlich hatte er beides bejaht und er konnte diese Karre ja auch fahren und bis vor 2 Minuten waren sie auch super durch den Wald gekommen. Doch mit Familie Wildschwein hatte er nicht gerechnet. Mussten die ihren Mitternachtsspaziergang auch gerade jetzt machen!? Er hätte sie umnieten sollen, doch dann wäre der Jeep hin gewesen und Wildschein Ragout um diese Uhrzeit… Nee! Wobei Wolborg sich sicher gefreut hätte. Doch Yuriy war den Wildtieren ausgewichen und zu ihrem Pech hatte sich unter der Schneedecke eine zarte, umgestürzte Birke befunden, sodass es das Fahrzeug kurz ausgehebelt hatte und sie in der nächstbesten Schneewehe gelandet waren. Dies wiederrum sollte eigentlich kein Problem für einen Jeep darstellen - tja sollte. Denn das Mistding saß auf und die Vorderräder hingen in der Luft. Kai zog sein Smartphone aus der Manteltasche um nach dem nächsten Pannendienst zu googeln. Doch wie das Schicksal manchmal so spielte, gab es in dem kleinen Wäldchen vor dem Anwesen der Familie Jürgens keinen Handyempfang. „Scheiße…“ fluchte er und verstaute sein Handy wieder. „Kein Netz“ war sein knapper Kommentar. Auch das noch und was nun? Yuriy überlegte fieberhaft. Er hatte noch maximal 5 Minuten bevor Kai ihm wortwörtlich die Hölle heiß machen würde. Denn dieser, und das wusste Yuriy nur zu genau, hasste die Kälte. Der Jüngere war eine verdammte Frostbeule und obwohl der Ältere immer dachte, dass Kai übertrieb und Suzaku ihn ja wärmen könnte, lag es genau genommen am Feuervogel in dessen Inneren. Er selbst hingegen liebte die Kälte und sie machte ihm nichts aus. Daher war klar, wie die Rollenverteilung nun aussehen würde. „Hier!“ Er hielt Kai den Schlüssel hin. „Was soll ich damit?“ „Dich hinters Steuer setzen.“ „Du weißt, dass ich keinen Führerschein besitze. Außerdem sitzt das Ding doch auf.“ Yuriy seufzte. „Du setzt dich bitte hinters Steuer, steckst den Schlüssel rein, startest das Fahrzeug, machst dir die Sitzheizung an und schiebst den Ganghebel auf R! Dann gibst du vorsichtig Gas! Kriegst du das hin?“ „Ja…“ murrte Kai und kämpfte sich zurück zur Fahrertür. „…. Schlüssel rein… Sitzheizung an… Gang auf R…“ äffte er Yuriy murrend nach tat dennoch wie ihm geheißen. Der Motor tuckerte und Kai betätigte anstatt der Sitzheizung den Fensterheber. Natürlich fröstelte er bereits, doch sein Stolz verbot ihm in dieser Situation einen auf ‚Weichei‘ zu machen, daher blieb die Heizung aus und das geöffnete Fenster ermöglichte es ihm mit Yuriy zu kommunizieren. „Ok und jetzt auf R und vorsichtig Gas geben.“ Rief dieser ihm zu und legte seine Hände auf die Motorhaube. Sein Plan war es den Jeep etwas aufzuschaukeln, sobald Kai leicht Gas gab und im besten Falle den Jeep dann rückwärts rauszuschieben. Es war auch ein guter Plan. Er hatte nur eine klitzekleine Schwachstelle wie er kurz darauf feststellen musste und die war Kai. Der Motor heulte auf. Doch anstatt dass das Fahrzeug nach hinten setzte, machte es einen Satz nach vorn. Nur dank Wolborgs Kraft und dessen Reflexe schaffte es der Ältere sich gegen den Jeep zu stemmen und schließlich zur Seite weg zu springen. „KAI!“ brüllte Yuriy und das Motorgeräusch erstickte im Schnee. Was zur Hölle tat der Jüngere? Wollte er ihn umbringen?! Sauer stapfte Yuriy zur Fahrertür und schlug gegen das leicht geöffnete Fenster. „Willst du mich überfahren oder was!?“ knurrte er und er spürte Wolborg dicht unter seiner Haut. Doch ein Blick in Kais Gesicht verriet ihm, dass der Jüngere ebenso geschockt war, dass das Fahrzeug nach vorne geschossen war. Blasser als sonst, nahm Kai die Hände vom Steuer und hob sie entschuldigend in die Luft. Yuriy atmete durch und öffnete die Türe. „Rutsch rüber.“ Kommentarlos rutschte Kai auf den Beifahrersitz und Yuriy setzte sich selbst wieder hinters Steuer. Sein Blick glitt zur Gangschaltung. „Kai…“ Er atmete bedächtig und langsam aus. Nur so konnte er den Wolf in seinem Inneren wieder etwas zurück drängen. „Hmm…“ gab dieser kleinlaut von sich. „Du solltest den Hebel auf R stellen.“ „Hab ich do-“ wollte der Jüngere schon protestieren, doch Yuriy zeigte stumm mit seinem Finger auf den Ganghebel und so folgte Kais Blick diesem. Er hatte den Hebel auf D geschaltet. Kein Wunder, dass der Wagen nach vorne gesprungen war. „F*ck!“ entwich es Kai. Er hob den Blick und sah seinen Partner an. „Ich schwöre, das war keine Absicht. Warte ich stell ihn auf R und dann versuchen wir es nochmal.“ „Das bringt nichts.“ Seufzte der Ältere. „Dadurch, dass der Jeep jetzt ein ganzes Stück nach vorne geprescht ist, haben die Räder zwar wieder Bodenkontakt, aber das Getriebe liegt auf dem Schnee auf.“ „Ok und das heißt was?“ fragend blickten die roten Augen ihn an. „Nun, dies bedeutet egal welchen Gang wir einlegen… die Übertragung ist gestört… und die Räder werden nicht reagieren.“ „…ach so…“ Kai lehnte sich auf dem Sitz zurück und ließ seinen Kopf gegen die Kopfstütze lehnen. „Also sitzen wir dank mir jetzt richtig in der Scheiße und erfrieren hier.“ Yuriy wandte seinen Kopf zu dem Jüngeren. Soviel Schuldeingeständnis war er einfach nicht gewöhnt. Dennoch zeigte ihm diese Reaktion auch wie es um Kai stand. Dieser hatte blasse Lippen, die Hände zu Fäusten geballt und bei genauerer Betrachtung zitterte dieser leicht. „Wir erfrieren nicht.“ Beschloss der Ältere und drehte den Schlüssel um den Motor erneut zu starten. Kai sah ihn fragend an und tatsächlich sprang der Motor nach 3 Versuchen an, was ihm siegreiches Yes entlockte. Yuriy stellte den Ganghebel auf R “Meintest du nicht, dass die Räder nicht reagieren würden?“ und betätigte den Knopf für die Sitzheizung des Fahrersitzes. „Ja, meinte ich.“ Bestätigte er, öffnete die Fahrertür und stieg aus. Er drehte sich um, griff nach Kais Handgelenk und zog den Jüngeren wieder auf den Fahrersitz. „Also der Hebel steht jetzt auf R. Wenn ich es sage, dann trittst du vorsichtig aufs Gaspedal, ok?“ Kai nickte. Dennoch fragte er sich, was sein Freund vor hatte. Allerdings bekam er keine weitere Ausführung bezüglich Yuriys neuem Plan. Denn dieser schloss die Türe und begab sich wieder zur Motorhaube des Jeeps und verschwand aus Kais Blickfeld, als er sich hinhockte. Yuriy sah sich die vorderen Reifen an, ehe er sich schließlich hinkniete. Mithilfe seiner Unterarme und seiner Hände presste er den Schnee hinter dem Reifen zusammen und komprimierte diesen, sodass der Schnee eben und fest wurde. Dasselbe wiederholte er hinter den restlichen drei Rädern. Anschließend sah er sich suchend um. „Wonach suchst du?“ Kai hatte das Fenster komplett runtergelassen und lehnte sich leicht aus diesem. „Manchmal platzt um diese Jahreszeit etwas Rinde von den Bäumen. Die könnte ich zum Unterfüttern der Räder benutzen.“ „Geht Pappe auch?“ „Klar, aber wo soll ich die her nehmen?“ etwas spöttisch klingend, wandte sich Yuriy zu Kai. Dieser sah ihn triumphierend an und wies mit seinem Daumen über seine Schulter. Yuriy folgte diesem, spähte schließlich in den Kofferraum des Jeeps und tatsächlich lagen dort mehrere Kartons. Anscheinend hatte der Butler der Familie Jürgens vor gehabt sämtliche Kartons der riesigen und vermutlich teuren Geschenke gebündelt zum Wertstoffhof zu bringen. Ein Glück für sie, dass es dazu noch nicht gekommen war. Der Rotschopf öffnete den Kofferraum und entfernte das Seil der gebündelten Kartons. „Warte, ich helf dir. Dann geht es schneller und wir kommen vielleicht endlich aus dieser Kälte hier raus.“ Kai öffnete die Türe. „Nein, nein. Bleib du nur auf dem warmen Platz. Ich kann die Kälte ab und mach das hier schnell.“ Gesagt, getan. Während Kai sich schulterzuckend wieder richtig hinters Steuer klemmte, breitete Yuriy die Kartons hinter den Rädern aus und schob sie sogar etwas unter diese. Im Anschluss nahm er noch das Seil, befestigte das eine Ende mit einer Schlaufe an der Anhängerkupplung und ging mit dem anderen Ende um einen Baum herum bis er schließlich wieder neben Kai stand, das Ende des Seils in den Händen. „Ok, ich werde an dem Seil ziehen in der Hoffnung mit diesem und den Baum eine Art Flaschenzug Mechanismus zu erzeugen und du gibst leicht, aber kontinuierlich Gas, verstanden?“ Kai nickte und betete innerlich, dass es dieses Mal funktionieren würde. Ein Ächzen und Knarren war zu vernehmen, als das Seil sich immer tiefer in die Rinde der alten Eiche bohrte. Doch es schien zu funktionieren. Die Räder fanden Halt auf der Pappe und Yuriy zog, mit der Unterstützung von Wolborgs Stärke, immer weiter an dem Seil bis der Jeep sich kontinuierlich rückwärts schob. Der Ältere sah neben sich zu Kai, welcher mit dem Jeep auf derselben Höhe war und rief ihm zu, dass dieser weiter rückwärtsfahren sollte, bis er wieder auf der befestigten Straße angelangt sei und der Jüngere folgte dieser Anweisung. Sie hatten es geschafft. Der Jeep befand sich wieder auf der Straße und Kai war sichtlich erleichtert, dass er wieder auf die Beifahrerseite rutschen konnte. Sollte Boris ihn nochmal damit aufziehen wollen, dass er keinen Führerschein hatte, so würde der Jüngere ruhigen Gewissens antworten, dass er überhaupt kein Verlangen bezüglich dessen Erhalt hatte. Yuriy öffnete die Fahrertür und setzte sich wieder ans Steuer, nachdem er zuvor das Seil von der Anhängerkupplung entfernt hatte und die Pappe wieder im Kofferraum verstaut hatte. „Jetzt aber ohne weitere Umwege ins Hotel.“ Scherzte er und wollte die Fahrt zum Hotel wieder aufnehmen. Doch Kai stoppte ihn. Er nahm die Hände des Älteren in seine und strich über die aufgeschürften Handflächen. „Es tut mir leid.“ Flüsterte der Jüngere. Yuriy lächelte sanft und umschloss die kalten Finger, die seine Handflächen berührten. „Alles in Ordnung.“ Sanft, aber bestimmend zog er die Hände Kais zu sich. Er senkte den Kopf und seine Lippen hauchten einen zärtlichen Kuss auf diese, gefolgt von einem liebevollen: „ja ljublju tebja.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)