Herzschmerzhelden von Maginisha ================================================================================ Kapitel 14: Die beste Idee -------------------------- Ein kühler Luftzug weckt mich. Er streicht über mein Gesicht und kitzelt mich an der Nase. Begleitet wird er von einem Rascheln und dem unangenehmen Gefühl, dass jemand nahe an mir vorbeiläuft. Derjenige wuselt geradezu um das Sofa herum, auf dem ich liege, was sich absolut störend auf meine innere Ruhe auswirkt. Grummelnd verziehe ich mich daher tiefer unter meine Decke und versuche, das Gefühl, die Störung und die verlorene Ruhe zu ignorieren. Leider meldet sich daraufhin eine Stimme.   „Hey, Schatz, bist du schon wach?“   „Nein“, behaupte ich und strafe mich damit direkt selbst Lügen, was meine Mutter natürlich sofort bemerkt. „Willst du nicht langsam mal aufstehen?“   Willst du nicht langsam mal verschwinden?   Mal ehrlich, die Frage ist so überflüssig wie Smarties und M&Ms auf einem Frozen Jogurt. Wenn man die ohne Erdnüsse drin nimmt, schmecken die vollkommen gleich!   „Bruno ist auch schon wach.“   Ach fuck!   Bei der Erwähnung seines Namens ist mein Puls sofort auf 180. Liegt vielleicht daran, dass ich gestern doch auf den nötigen Spannungsabbau verzichtet habe. Gerade als ich loswollte, kam nämlich meine Mutter aus dem Schlafzimmer, und während ich wartete, dass sie sich endlich wieder trollt, kriegte ich plötzlich Bedenken. Sollte ich jetzt wirklich zu Bruno gehen und ihn vernaschen? Mein Körper war ja all for it, aber ich war mir dann auf einmal doch nicht mehr so sicher. Mir persönlich wäre es ja egal gewesen, wenn meine Mutter uns gehört hätte, aber Bruno wäre mit ziemlicher Sicherheit ausgetickt, wenn sie uns heute mit wissendem Blick und nur schwer verborgenem Schmunzeln empfangen hätte. Oder irgendwelche Sprüche gebracht und Gott weiß, dass sie das hätte. Die Frau hat echt kein Schamgefühl! Und schließlich habe ich es ihm ja versprochen …   „Ich hab ihm Kaffee angeboten, aber er will mit dem Frühstücken lieber auf dich warten“, plappert die lästige Nervensäge derweil ungerührt weiter und versetzt mir damit den nächsten Herzinfarkt. Bruno ist nicht nur wach sondern hat auch noch mit meiner Mutter geredet?   „Er sitzt in der Küche.“   Und sitzt in der KÜCHE?   Mit einem Ruck strampele ich die Decke von mir und ziehe sie im nächsten Moment unter leidvoller Unterdrückung eines spitzen Schreis wieder an mich. Wirklich, es hat schon seinen Sinn, dass Kinder in diesem Land dazu gebracht werden, in ihrem eigenen Bett zu schlafen. Das erspart ihnen peinliche Szenen, in denen ihre Eltern Zeuge ungewollter, körperlicher Reaktionen werden. Dabei hatte ich vorher von Mondfischen geträumt. Mal ehrlich, was soll das?   „Mama!“, mache ich deswegen und hoffe gleichzeitig, dass sie nicht ahnt, weswegen ich so empört bin. Am liebsten würde ich sie ja aus dem Zimmer schmeißen, aber dummerweise ist das hier das Wohnzimmer. Und ihr Arbeitszimmer. Quasi. Deswegen steht sie auch gerade vor ihrem Schreibtisch, tippt auf ihrem Laptop herum, schlürft ihre Kaffee und sortiert gleichzeitig irgendwelche Akten in ihre Tasche. Da soll nochmal einer sagen, Frauen wären in Wahrheit gar nicht multitasking-fähiger als Männer. Ich sehe hier gerade den lebenden Gegenbeweis vor mir. Wenn ich das wäre, hätte ich längst die Aktentasche geflutet und versucht in die Tastatur zu beißen. Mir schwirrt ja allein vom Zusehen schon der Kopf.   „Hast du gut geschlafen?“, fragt sie zu all dem auch noch und hat meine peinliche Lage offenbar tatsächlich nicht bemerkt. „Ja, geht so“, muffele ich und wünsche, dass sie endlich verschwindet. Es ist doch bestimmt schon … spät, sodass sie langsam mal losmuss. „Ach ja, das neue Ektorp ist einfach nicht mehr so gut wie das alte Modell. Ich hab da zwar eine tolle DIY-Anleitung zum Aufpolstern gesehen, aber wann komme ich schon mal dazu?“   Ja ja, du hast voll den Stress. Also zisch endlich ab und lass mich in Ruhe!   Aber natürlich geht sie nicht. Nein, jetzt setzt sie sich auch noch, während die Morgenlatte zwar langsam verschwindet, sich dafür aber ein anderes Problem meldet, und in der Auseinandersetzung volle Blase vs. peinliche Enthüllung gewinnt leider erstere.   „Ich hasse dich“, murmele ich so leise, dass sie es zum Glück nicht mitbekommt, wickele mich, so gut es geht, von der Taille abwärts in meine Wolldecke und tappe so vorsichtig in Richtung Badezimmer. Leider habe ich dabei übersehen, dass ich zu dem Zweck durch die Küche muss. Wo Bruno sitzt. Verdammte Scheiße!   „Morgen“, murmele ich und halte den Blick gesenkt. Die Nummer mit der Wolldecke wird gleich noch eine ganze Ecke peinlicher und auch Bruno scheint nicht so recht zu wissen, wie er es finden soll, dass ich schon wieder im Toga-Look unterwegs bin. Er wendet den Blick ab und brummt ein „Morgen“ zurück, während ich in Erwägung ziehe, einfach den Schwanz einzuziehen – im wahrsten Sinne des Wortes – und mich rückwärts wieder aus dem Raum zu bewegen und hinter der Yucca-Palme im Wohnzimmer zu verstecken. Wenn ich mich ganz still verhalte, merkt ja vielleicht keiner, dass ich da bin. Das wäre doch die Lösung für all meine Probleme. „Ich geh dann mal … ins Bad“, sage ich stattdessen, lupfe meine Decke ein wenig und stolziere möglichst hoheitsvoll an ihm vorbei in Richtung Flur. Natürlich ist mir klar, dass er mir dabei nachsieht, aber ich bemühe mich, mir nichts anmerken zu lassen. Immerhin muss ich pinkeln und das dringend. Während ich also erledige, was die Natur nach dem nächtlichen Genuss einer ganzen Flasche Wasser so vorgesehen hat, höre ich draußen auf dem Flur meine Mutter. Im nächsten Moment klinkt die Badezimmertür. „Besetzt!“, schreie ich und rolle innerlich mit den Augen. Sie hat doch gesehen, dass ich aufgestanden bin. Was meint sie denn, wo ich hinwollte? Timbuktu?   „Ich brauch nur schnell meinen Lippenstift“, höre ich von draußen und verdrehe gleich nochmal die Augen.   „Geh ohne!“, brülle ich zurück. „Ich kann grad nicht.“   Kann ich wirklich nicht. Ich brauch nämlich noch einen Augenblick, bevor ich Bruno gegenübertreten kann. Oder auch zwei oder drei, je nachdem.   „Kannst du ihn mir nicht rausgeben?“   Ich schnaube und spüle und bin kindischerweise versucht, mir nicht die Hände zu waschen, tue es dann aber doch, bevor ich mir das gewünschte Teil aus dem Badezimmerschrank schnappe, die Tür entriegele und sie einen winzigen Spaltbreit öffne. „Wie ist das Passwort?“, knurre ich in meiner besten Türsteherstimmen-Imitation, aber meine Mutter hat heute keinen Sinn dafür. „Nun gib schon her, ich hab’s eilig“, meint sie ärgerlich, also schiebe ich den Lippenstift in den Türschlitz. Er wird mir sogleich aus den Händen gerissen, sodass ich unweigerlich an ein Löwenrudel denken muss, dem man einen Antilopenschenkel hinhält.   „Danke“, sagt die Löwin immerhin noch, bevor sie mit ihrer Beute einen schnellen Zwischenstopp am Flurspiegel einlegt, um dann in ihre Schuhe zu schlüpfen und im Schweinsgalopp die Treppe hinunterzurasen. Vielleicht sollte ich Zoowärter werden.   Dann gäbe es wenigstens einen Grund für den Affenzirkus in meinem Leben.   Das Krachen der Haustür zeigt an, dass meine Mutter nun endgültig das Gebäude verlassen hat. Somit sind Bruno und ich wohl allein in der Wohnung und mir fallen natürlich gleich wieder jede Menge Schweinereien ein, die man aus diesem Grund anstellen könnte. Aber andererseits … Bruno hat gerade echt Probleme und so sehr ihn das sicherlich auf andere Gedanken bringen und ihm zeigen würde, was für gute Seiten das andere Uferfür ihn bereithält, ist das vielleicht doch ein wenig … unsensibel? Ich sollte wenigstens abchecken, ob er erst reden oder erst ficken will. Bei beidem gleichzeitig müssten wir noch in Verhandlung gehen; ich weiß nämlich nicht, ob ich ihm einen blasen möchte, während er über seinen Vater redet. Oder seine kleine Schwester. Brr.   Um dennoch für alles gewappnet zu sein, springe ich nochmal kurz unter die Dusche. Man weiß ja nie. Außerdem ist Vorsicht besser als Nachsicht und nichts ist unsexyer, als ein heißes Vorspiel mit „ich muss da nochmal kurz ins Bad“ unterbrechen zu müssen. Oder Mundgeruch, weswegen ich auch da nochmal schnell die Bürste schwinge, bevor ich rundherum frisch das Bad verlasse und mich nun endlich der Herausforderung stellen kann, Bruno gegenüberzutreten. Der heute Nacht hier geschlafen hat. Ohne dass ich über ihn hergefallen bin. Ich bin fast stolz auf mich.   Beschwingt begebe ich mich daher zurück in die Küche, wobei ich vorher nochmal einen kurzen Abstecher in mein Zimmer mache, um mir frische Unterwäsche und eine Hose zu holen. Ganz so 'in your face' wollte ich dann nämlich doch nicht sein. Andernfalls hätte ich natürlich die Klamotten auch weglassen und gleich nackt in die Küche stürmen können, aber das würde dann vielleicht doch etwas notgeil wirken.   In meinem Zimmer ist es hell und kalt. Das Fenster steht offen, das Bett ist sorgfältig zurückgeschlagen. Ich schließe den aufdringlichen Frischluftspender und drehe die Heizung ein bisschen auf. Danach ziehe ich mir schnell was über und sehe zu, dass ich wieder ins Warme komme. Die spinnen doch alle, die Lüfter!   „Morgen“, sage ich, als ich die Küche betrete, und möchte mir im nächsten Augenblick gegen die Stirn klatschen, weil wir das ja schon hatten. Aber doppelt hält besser oder wie war das?   „Morgen“ sagt auch Bruno erneut und guckt mich von seinem Fensterplatz aus an. Eigentlich wundert es mich, dass er sich überhaupt in die Bank gequetscht bekommen hat. Allerdings hätte die Alternative aus einem Platz bestanden, bei dem er mit dem Rücken zum Raum gesessen hätte. Fand er vermutlich auch nicht so prickelnd. „Hast du gut geschlafen?“, frage ich und möchte mich gleich wieder ohrfeigen. Das ist ja nun wirklich eine Steilvorlage für ein Gespräch. Ich will aber nicht reden, ich will ficken. Daher hätte ich vielleicht lieber fragen sollen, wie der Kaffee ist, aber nun ist es zu spät dafür, denn Bruno hat bereits begonnen zu antworten.   „Ja, war okay. Dein Bett ist bequem.“   Ich weiß. Außerdem ist es leer ebenso wie die Wohnung, also …   „Wollen wir frühstücken?“   Oh. Mist. Ich glaube, ich habe da noch eine Möglichkeit übersehen, nämlich die, dass Bruno morgens etwas zu essen braucht. Ich selbst bin ja nicht so der Frühstücks-Typ, aber das heißt ja nicht, dass auch alle andere ohne was zwischen den Zähne auskommen. Dreck!   „Äh ja. Klar“, gebe ich zurück und drehe mich um, um mein dummes Gesicht zu verbergen. „Ich seh mal im Kühlschrank nach.“   Im Kühlschrank ist nichts Gescheites, davon aber reichlich. Lediglich ein paar Salamischeiben – Woher? Warum? War die im Angebot oder was? - und eine Eierpappe fristen noch ihr klägliches Dasein in den ansonsten wie ausgestorben wirkenden Regalen. Ach, und saure Gurken haben wir noch. Wie schön. Warum gab es die nicht gestern?   „Wir haben noch Eier“, verkünde ich und komme erst danach darauf nachzusehen, ob überhaupt noch was in der Pappe drin ist. Tatsächlich lachen mich aber von dort noch sieben schneeweiße Hühnereier an. Ein Glück. Ich werfe einen Blick in Richtung Küchentisch. „Magst du Omelette?“   Nicht, dass ich wirklich weiß, wie man das zubereitet, aber so schwer kann das nicht sein. Eier und ein paar Zutaten zusammenrühren und in die Pfanne schmeißen werd ich schon hinkriegen. „Ich würd lieber Spiegelei nehmen.“   Spiegelei. Ausgerechnet! Aber gut, wenn er meint.   „Okay, kriegst du.“   Ich beschließe spontan, einfach so zu tun, als wäre es vollkommen normal, dass Bruno hier geschlafen hat und jetzt Eier zum Frühstück will. Immerhin ist da Eiweiß drin und wer weiß, wofür wir das später noch brauchen können. Ich ziehe somit eine Pfanne aus dem Schrank, stelle sie auf den Herd und schalte ihn an. Im nächsten Moment kommt doch glatt ein Kommentar von der Küchenbank. „Soll ich dir helfen?“   Helfen? Bei Spiegeleiern? Nein danke, aber das schaffe ich gerade noch so alleine. Glaube ich. Andererseits wäre es wohl unhöflich, sein Angebot abzulehnen. Also nicke ich. „Klar. Du kannst schon mal Teller rausholen. Geschirr ist im Schrank neben dir.“   Während Bruno also den Tisch deckt und sich anscheinend vollkommen darauf konzentriert, warte ich darauf, dass die Pfanne heiß genug ist. Auf dem Boden ist so ein Kreis und angeblich wird der rot, wenn das der Fall ist. Noch bevor es jedoch soweit ist, steht Bruno auf einmal neben mir. „Wo ist das Besteck?“   Ich deute auf die entsprechende Schublade und sehe zu, wie er zweimal Messer und Gabel herausnimmt. Und noch bevor ich mein Mundwerk aufhalten kann, hat es sich schon in Gang gesetzt. „Ich brauch nur ne Gabel“, informiere ich Bruno, der mich daraufhin zweifelnd ansieht. „Du isst Spiegelei nur mit der Gabel?“ „Nein, aber Rührei.“   Immer noch zögert Bruno und zieht die Stirn kraus. Ehrlich, wenn ich gewusst hätte, dass die Art meines Frühstückseis so eine Debatte nach sich zieht, wäre ich lieber bei Kaffee geblieben. Nur Kaffee. „Ich mag den Glibber nicht“, sehe ich mich gezwungen, ihm die Sache zu erklären. „Auf dem Spiegelei. Das ist eklig.“   Man sagt nicht 'eklig' zu Dingen, die andere Leute noch essen wollen, höre ich daraufhin prompt meine Oma in meinem Kopf. Die alte Dame scheint es sich doch da oben gemütlich gemacht zu haben. Da bleibt nur zu hoffen, dass sie wenigstens beim Sex die Klappe hält.   „Und warum drehst du es dann nicht um? Das macht meine Mutter immer. Ich mag das nämlich auch nicht.“   Jetzt ist es an mir, eine Runde Bauklötze zu staunen. Spiegeleier umdrehen? Wie? Warum?   „Umdrehen?“, frage ich deswegen auch höchst erstaunt und sehe offenbar so aus, als wenn ich von Tuten und Blasen keine Ahnung hätte. Obwohl wir ja beide wissen, dass ich mich wenigstens mit einem davon schon recht gut auskenne.   „Ja, umdrehen. Hast du einen Pfannenwender? Ich zeig’s dir.“   Bruno scheint plötzlich Feuer und Flamme. Er sieht mich erwartungsvoll an und seine Augen leuchten geradezu. Es ist verwirrend. „Äh ja. Ich … schau mal.“   Ich krame in der Schublade mit den Kochutensilien und fische tatsächlich einen Pfannenwender heraus. Er ist dreieckig, an der Seite gezackt und vermutlich von Ikea.   „Geht der?“   Ich halte Bruno das Teil hin und er nimmt es, während er nach der Ölflasche greift, die schon neben dem Herd steht. „Ja, der ist prima. Habt ihr auch Ketchup?“   Noch einmal gehe ich zum Kühlschrank und fische die Flasche mit dem lachenden Piraten heraus. Einen Moment lang wünsche ich mir, dass meine Mutter kein Kinderketchup gekauft hätte, aber was soll’s? Weniger Zucker und so. Soll ja gesund sein.   „Wie viele Eier willst du?“   Ich gebe „zwei“ als gewünschte Anzahl an und sehe zu, wie Bruno die Eier mit fachmännischem Gesichtsausdruck aus der Packung nimmt. Als er sie jedoch auf die Tischplatte klopft, falle ich fast vom Glauben ab. „Meine Mutter macht das immer am Pfannenrand“, bluppe ich unwillkürlich. Bruno lächelt. „Wenn man sie so aufschlägt, brechen sie sauberer durch“, erklärt er mir, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt. Und tatsächlich befindet sich in dem Ei, was er gleich darauf mit nur einer Hand in die Pfanne leert, nicht ein Krümel Eierschale. Beeindruckend.   „Cooler Trick, aber schaffst du das auch nochmal?“, frage ich und grinse Bruno herausfordernd an. Er grinst zurück und schlägt doch glatt drei weitere Eier vollkommen ohne Zwischenfall in die Pfanne. Beim fünften hat er jedoch etwas zu fest zugedrückt, sodass nicht nur keine Schale, sondern überhaupt nichts davon in der Pfanne landet. Stattdessen haben wir Eiermatsch auf der Tischplatte. „Ach Scheiße!“, flucht Bruno und macht sich sogleich daran, die Bescherung wieder auseinanderzusortieren. Ich stehe daneben und grinse, bis mir auffällt, dass ich vielleicht auch mal was Sinnvolles tun könnte „Warte, ich hol dir ein Küchentuch“, biete ich an und rolle höchst hilfsbereit gleich drei Papiertücher ab. Sicher ist sicher. „Nein, passt schon. Das kann man noch essen“, wehrt Bruno jedoch ab und macht tatsächlich Anstalten, das Ei von der Tischplatte in die Pfanne zu befördern. Ich halte ihn unter Aufbietung meiner gesammelten Kräfte gerade noch auf.   „Quatsch“, mache ich und zeige ihm einen Vogel. „Wegen dem einen Ei …“   Während meine Oma in meinem Hinterkopf mosert, dass es eigentlich 'wegen des einen Eis' heißen müsste, wirkt Bruno unentschlossen.   „Meinst du wirklich?“, will er wissen und starrt erst auf die Pfanne und dann auf seine mit Eigelb verklebte Hand. „Ja, logisch. Komm her, ich wisch das weg.“   Während ich um ihn herumwusele und mich bemühe, die Bescherung mit Hilfe des weißen Zellstoffs in den Griff zu kriegen, beobachtet Bruno mich. Seine Blicke kitzeln auf meiner Haut und ich kann mich nicht gegen einige höchst pikante Bilder wehren, die sich mir unweigerlich aufdrängen. Schweinereien auf der Küchentheke. Mhm, lecker!   „Ich, äh … geh dann mal Hände waschen.“   Bruno dreht sich herum und stapft in Richtung Spüle. Die Eier in der Pfanne sind mittlerweile bereits weiß geworden, aber die Eigelbe schlabbern immer noch roh und unappetitlich herum. Na da bin ich ja mal gespannt, wie er das hinkriegen will.   „Hast du ein Handtuch?“   Ich schrecke aus meinen Gedanken hoch und sehe mich um.   „Öh ja. Natürlich.“   Irgendwo wenigstens. Ich schwöre, die Dinger sind immer weg, wenn man sie mal braucht.   Ich finde das Handtuch schließlich halb hinter der Heizung klemmend und reiche es Bruno, der sich ein wenig umständlich die großen Pranken abtrocknet. Danach kommt er wieder zu mir an den Herd und schlägt auch noch de Rest der Packung in die Pfanne. Jetzt bin ich es, der ihn beobachtet. Er wiederum beobachtet die Eier. Nach einer Weile zückt er den Pfannenwender. „Jetzt pass auf. Siehst du? So.“   Ich sehe zu, wie Bruno eines der Eier anhebt, sich konzentriert und es dann – schwupp – mit Schwung herumdreht und wieder in die Pfanne befördert. Es zischt und spritzt und ich kann förmlich dabei zusehen, wie der glibberige Teil zu einer leckeren und überhaupt nicht mehr glibberigen Kruste wird. Wenn ich gewusst hätte, dass das so einfach ist …   „Siehst du, ganz leicht“, meint jetzt auch Bruno, bevor er auch noch die restlichen Eier umdreht. Durch den Geruch, der sich in der Küche ausbreitet, kriege ich fast Hunger. Wie aufs Kommando knurrt Brunos Magen. „Oh, sorry“, murmelt er und wendet verlegen den Blick ab. Ich lächele. „Kein Problem. Schließlich sind wir die mit dem leeren Kühlschrank.“   Brunos Lippen zucken ebenfalls zu einem kurzen Lächeln, bevor er den Herd abstellt und nach der Pfanne greift. „Na los, setzt dich. Ich mach das.“   Gehorsam setze ich mich tatsächlich auf den Stuhl, auf dem sonst immer meine Mutter sitzt, und sehe zu, wie Bruno die Eier auf den Tellern verteilt. Bevor er sich das letzte Ei auftut, schaut er mich noch einmal fragend an. „Willst du wirklich nicht noch eins?“ „Nein, danke. Mir reichen die hier.“   Bruno brummt und nickt und schaufelt sich auch noch Ei Nummer vier auf den Teller. Danach trägt er die Pfanne zum Herd zurück. Als er wiederkommt, quetscht er sich erneut in die Bank, greift, ohne mich eines Blickes zu würdigen, nach der Ketchupflasche und verteilt eine unanständig große Portion davon auf seinen Eier. Der Teller sieht aus wie nach einem Massaker.   „Schmeckt das?“, frage ich. Brunos Augen zucken hoch. „Klar.“ „Bist du sicher?“ „Ja.“   Okay, ich gebe auf. Er scheint das Problem wirklich nicht zu erkennen. Na wenigstens schippert 'Captain Tomatobart' so endlich seinem Ende entgegen. Wenn Bruno nochmal hier isst, ist die Flasche leer.   Na schön, genug gekaspert. Essen wir.   Ich hebe also Messer und Gabel, doch noch bevor ich dazu komme, das Spiegelei anzuschneiden, unterbricht Bruno mich schon wieder. „Willst du auch?“   Er hebt die Ketchupflasche und die Augenbrauen und ich überlege. Ei mit Ketchup hab ich noch nie gegessen. Bruno hingegen scheint das nur so zu sich zu nehmen. Also warum nicht?   „Klar“, sage ich daher etwa im gleichen Tonfall wie er zuvor, was Bruno zum Anlass nimmt, meine Teller zu sich rüberzuziehen und doch tatsächlich Ketchup auf meinen Eiern zu verteilen. Doch noch bevor ich mich darüber amüsieren kann, wie sich der Gedanke in meinem Kopf anhört, schiebt er mir den Teller wieder rüber. Auf den Spiegeleiern sind mehrere Punkte und Striche. Das sind eindeutig Gesichter. Sein Ernst?   „Was …?“, beginne ich eine Frage, doch Bruno grinst sich bereits eins. „Das mache ich für meine Schwester auch immer“, sagt er und kriegt sich anscheinend gar nicht wieder ein. Ich runzele die Stirn und überlege, ob ich das jetzt lustig oder entwürdigend finde, aber Bruno ist noch nicht fertig. „Wenn ich Gewürzgurken hätte, hättest du auch noch Nasen bekommen.“   Gewürzgurken? Na die kann er haben.   Ohne ein Wort zu sagen, stehe ich auf, gehe zum Kühlschrank und fische das Gurkenglas heraus. Immer noch ein todernstes Gesicht machend kehre ich zum Tisch zurück und stelle das Glas vor Bruno ab. Jetzt ist er es, der erstaunt die Augenbrauen hebt. Dann jedoch grinst er. „Na gut, wie du willst.“   Er schnappt sich meine Gabel, öffnet das Glas und angelt nach einer sauren Gurke. Auf seinem Teller teilt er sie mit dem Messer in mehrere längliche Streifen, halbiert einen von ihnen und legt dann mit höchst konzentriertem Gesicht je einen Gurkenstreifen in die Mitte der Ketchupgesichter. Als er fertig ist, hebt er den Kopf und sieht mich an. „Und? So besser?“   Meine Mundwinkel zucken. Ich will nicht darüber lachen, aber ich muss. Weil es so herrlich absurd ist.   „Unglaublich“, meine ich mit mühsam beherrschtem Gesicht. „Ein wahres Meisterstück. Ja wirklich. Du solltest Koch werden.“   Ich grinse, weil Brunos Ohren prompt anfangen zu glühen. Verschämt schlägt er die Augen nieder. „Lust hätte ich ja schon, aber das würden meine Eltern nie erlauben“, sagt er. „Wer soll denn dann den Hof übernehmen?“   Mir liegt auf der Zunge zu sagen, dass das ja nun nicht sein Problem ist, aber Bruno als Koch? Das kann ich mir irgendwie nicht vorstellen. Vielleicht in ner Imbissbude, aber bestimmt nicht in so einem Nobelladen, wo er dann einzelne Zitronengrasschnippsel auf Lachshäppchen drapiert. Obwohl …   „Ach, warum nicht“, sage ich und stelle mir Bruno in weißer Uniform vor. So mit Kochmütze und allem. Und ich wäre dann der unartige Küchenjunge, der von ihm … Oh man, ich muss echt dringend Druck abbauen.   Bevor sich meine interessanten Vorstellungen schon wieder in einer handfesten Erektion manifestieren können, mache ich mich lieber daran, nun endlich das erste von Brunos Kunstwerken anzuschneiden. Kaum, dass ich den ersten Schnitt gemacht habe, fließt ein Strom sattgelben Eidotters über weißes Porzellan. Schnell versuche ich, ihm Einhalt zur gebieten, aber ich scheitere. Binnen kürzester Zeit habe ich eine riesige, gelbe Pfütze auf meinem Teller. Bruno grinst. „Jetzt wäre ne Scheibe Brot nicht schlecht“, meint er und kämpft anscheinend mit dem gleichen Problem. Aus dem Ketchup-See ist ein Schlachtfeld in gelb-rot geworden. Ich brumme abwesend und zustimmend, bin jedoch zu sehr mit meinem eigenen Teller beschäftigt. Obwohl ich zugeben muss, dass Ei mit Ketchup leckerer ist, als ich gedacht hätte, bleibt dennoch das Problem, wie ich den Kram in den Mund bekomme. Messer ablecken ist ja nicht, aber von der Gabel läuft das immer wieder runter. Da heißt es schnell sein. Und das noch ohne zu kleckern? Oh-oh.   „Meine Mutter backt immer selber. Ihr Brot ist echt lecker.“   Bruno verstummt und auch ich schlucke ein wenig schwer an meinem Ei herum. Wenn das gestern nicht passiert wäre, säßen wir jetzt wohl nicht hier. Wir würden kein Ei ohne Brot frühstücken und auch sonst nichts. Wir wären einfach nur zwei Typen, die im gleichen Ort wohnen. „Wirst du es ihr sagen?“   Ich muss nicht erklären, was ich meine. Bruno versteht mich auch so. Allerdings antwortet er nicht. Er senkt nur seinen Blick auf seinen mittlerweile leeren Teller. Hinter seiner Stirn arbeitet es und ich kann sehen, wie sich seine Haut immer weiter verhärtet.   Er macht dicht, schießt es mir durch den Kopf und der nächste Gedanke ist, dass das meine Schuld ist. Ich habe ihn gedrängt. Dabei wollte ich doch gar nicht … „Hey, ich … so war das nicht gemeint“, sage ich schnell und setze ein Lächeln auf. „War nur so ein Gedanke. Vergiss es einfach.“   Ich lache und tue so, als wenn wirklich nichts wäre. Dabei suche ich Brunos Blick und wünsche mir, ich hätte einfach die Klappe gehalten. Bruno atmet tief ein, bevor er wieder zu mir hochsieht. Sein Blick findet meinen Mund.   „Du hast da noch Ei“, sagt er und hebt die Hand, um mir die Spuren meines schlampigen Essstils aus dem Gesicht zu wischen. Vollkommen verdattert halte ich still, während sein Finger neben meinem Mundwinkel entlangfährt. Und nochmal. Und nochmal. „Okay, es geht nicht ab“, schnauft Bruno und ich muss schon wieder grinsen. „Macht nichts, ich nehm ne Serviette.“   Wieder grinsen wir beide, bevor wir uns daran machen, die Reste der Küchenschlacht in die Spülmaschine zu räumen. Bruno bietet zwar an, auch noch abzuwaschen, aber da lege ich vehement Veto ein. „Du hast immerhin schon gekocht“, erkläre ich und schmeiße die dreckige Pfanne einfach zum Rest des Geschirrs. Macht meine Mutter schließlich auch immer. Meistens.   Bruno zuckt mit den Schultern.   „Ach, na ja. Das war doch nichts Besonders“, meint er und sieht mich dabei nicht an. „Nichts Besonderes? Na klar war es das. Das war mit Abstand das beste Spiegelei, dass ich seit Jahren gegessen habe. Ganz ehrlich. Ab jetzt ess ich das nur noch so.“   Zu Brunos verlegener Miene kommen prompt auch noch rote Ohren. Jetzt scharrt er auch noch mit den Füßen. Süß!   „Danke. Trotzdem kommt mir das immer noch zu wenig vor. Immerhin hast du mich heute Nacht hier schlafen lassen und alles. Da muss ich mich doch revanchieren.“   Ich grinse und kann nicht verhindern, dass mir dabei schon wieder versaute Gedanken kommen. Aber immerhin steht er hier direkt vor mir. Da kann man ja nur schwach werden. „Und jetzt“, sage ich und schiele unter leicht gesenkten Lidern in seine Richtung. Obendrein beiße ich mir auch noch ein wenig auf die Lippen. Wenn ich will, kann ich ganz schüchtern aussehen.   Bruno schluckt und räuspert sich. „Also ich … eigentlich sollte ich wohl ausnutzen, dass mein Vater nicht zu Hause ist. Mal die Lage checken und mit meiner Mutter reden. Sie weiß ja nicht, wo ich bin.“   Die Frage, warum er ihr nicht einfach ne Nachricht schreibt, liegt mir auf der Zunge, aber ich spreche sie nicht aus. Er wird seine Gründe haben. Außerdem kommt mir da gerade eine wundervolle Idee. Meine Mutter wird zwar ausflippen, aber …   „Warum kommst du danach nicht einfach wieder her? Ich teile gerne mein Bett mit dir.“   Am liebsten jetzt gleich und sofort. Los, komm schon. Sag Ja.   „Ich weiß nicht“, sagt Bruno jedoch langsam. „Ich denke, ich sollte lieber woanders…“   Mir ist klar, was er meint. Wenn sein Alter ihn wirklich rausschmeißt, wird er zu Paul gehen. Oder zu Gustav, Gregor oder eventuell sogar zu Jakob. Jemand von seinen richtigen Freunden. Aber noch gebe ich nicht auf. Ich schürze die Lippen und stoße zischend die Luft aus. „Tja also … wenn du dir wirklich so sicher bist, dass du auch ganz bestimmt nicht wiederkommst … könntest du ja jetzt vielleicht noch ein bisschen bleiben, oder?“   Wieder trifft ihn ein unschuldiger Augenaufschlag. Mir ist klar, dass ich unmöglich bin, aber ich will nicht, dass er schon geht. Und Bruno knickt ein.   „Na schön“, sagt er und lacht halblaut. „Ein bisschen noch.“   Ich grinse und greife nach seiner Hand.   „Dann komm.“   Während ich ihn mit mir ziehe, kommt mir kurz der Gedanke, dass das albern ist, so händchenhaltend über den Flur zu laufen. Aber andererseits fühlt es sich zu gut an, um es nicht zu tun. Außerdem sieht uns ja keiner. „Wir sind da“, verkünde ich. Natürlich hat sich mein Zimmer nicht verändert, seit ich das letzte Mal da war. Trotzdem kommt es mir gerade vollkommen neu vor und als Bruno die Tür hinter sich schließt und mich aufmerksam ansieht, läuft mir ein Kribbeln den Rücken hinab und landet irgendwo zwischen meinen Beinen. Ich bin aufgeregt und geil und nervös und … alles!!   „Wollen wir … uns aufs Bett setzen?“   Bett ist gut. Bett ist nah dran an 'Sex haben'. Das ist es doch, was ich wollte. Von Anfang an.   Bekommen hast du aber sehr viel mehr. Der blöde Typ in meinem Kopf ist anscheinend zurück und ich kann mich gerade noch so zusammenreißen, um nicht das Gesicht zu verziehen. Am Ende denkt Bruno noch, ich meine ihn.   „Okay“, sagt Bruno und lässt sich tatsächlich auf dem aufgeschlagenen Bett nieder. Schnell setze ich mich dazu und verfluche im gleichen Moment meinen Aktionismus. Ich hätte mich auf seinen Schoß setzen sollen, das wäre eindeutiger gewesen. Und dass er einfach nur neben mir sitzt und mich nicht ansieht, ist auch nicht gerade hilfreich. Ich lache ein bisschen. Normalerweise müsste ich mich ja nur auf ihn stürzen, aber aus irgendeinem Grund krieg ich das grad nicht gebacken. „Ich … ich hab gestern Abend noch überlegt, ob ich zu dir kommen soll“, gestehe ich. „Aber ich war mir nicht sicher, ob du das möchtest.“   Während ich das sage, starre ich auf unsere Hände, die sich gerade noch berührt haben. Auch jetzt liegen sie nicht weit voneinander entfernt und wenn man es genau nimmt, sind seine gar nicht so viel größer. Die Finger sind nur breiter. Wie alles an ihm.   „Ich konnte auch lange nicht einschlafen“, gibt er zu und hört sich an, als würde er noch mehr sagen wollen. Ich sehe, wie seine Augen über den Teppich wandern, als würden sie dort etwas suchen. Er räuspert sich.   „Aber wenn du gekommen wärst, hätte ich wohl nichts dagegen gehabt.“   Ich grinse, denn ich hätte wohl auch nichts dagegen gehabt, wenn ich gekommen wäre. Aber natürlich sage ich das nicht, denn ich bin mir ziemlich sicher, dass er das nicht gemeint hat. Vielmehr hätte er wohl eher jemand gebraucht, der ihn hält und ihn auffängt. Worin ich definitiv nicht gut bin. Ich bin kein Teddybär, an dessen breiter Brust man sich ausweinen kann. Maximal ein Emotional Support Demon, wenn überhaupt. Trotzdem hat er gesagt, er bereut es nicht. Heißt das, er bereut auch mich nicht?   Finden wir’s raus.   „Wenn du willst, können wir das ja jetzt nachholen.“   Ein wenig erstaunt hebt Bruno den Kopf und sieht mich an und auch ich frage mich, was ich da eigentlich gerade von mir gebe. Aber andererseits mag ich es, mit ihm zusammen zu sein. Es fühlt sich gut an, wenn er da ist. Richtig.   Bruno runzelt die Stirn.   „Wird deine Mutter nicht …“   „Die ist bei der Arbeit,“ versichere ich. „Aber wenn es dich beruhigt, kann ich die Tür abschließen.“   Ich erhebe mich, gehe zur Tür und drehe mit einer demonstrativen Geste den Schlüssel herum. Anschließend gehe ich, nach einer kurzen Überlegung, auch noch zum Fenster und lasse das Rollo herunter, bis nur noch ein kleiner Spalt übrig ist. Gerade genug Licht, damit man alles erkennen, aber niemand von draußen hereinsehen kann. „So besser?“, frage ich. Bruno nickt.   „Na gut, dann … los?!“   Ich gehe zum Bett zurück und ignoriere einfach mal das „Boah, ist das cringe“-Gefühl in meinem Bauch. Stattdessen krabbele ich an Bruno vorbei Richtung Kopfkissen, lege mich hin und sehe ihn erwartungsvoll an. Er lacht und schüttelt ein wenig den Kopf, bevor er seine Beine ebenfalls aufs Bett schwingt. Die Matratze neigt sich in seine Richtung und ich rutsche, den Schwung nutzend, gleich ein Stück näher. Nase an Nase liegen wir uns jetzt gegenüber. Eine Ausgeburt an Platz ist mein Bett jetzt nicht gerade, besonders mit Bruno darin, aber es wird schon gehen. Ausweichen ist nicht. „So?“, frage ich und grinse anzüglich. „Oder willst du mich lieber von hinten.“   In Brunos Augen blitzt es auf . „Von hinten hört sich gut an.“ „Okay.“   Ich drehe mich also herum und Bruno rutscht noch ein Stück an mich heran, legt den Arm um mich und zieht mich dann so dicht, dass mir fast die Luft wegbleibt. Danach lehnt er seinen Kopf an meinen und steckt seine Nase in meine Haare. Ich reagiere, indem ich meinen Hintern fester in seinen Schritt presse. Mhm, das ist heiß. Und sexy. Und ganz schön eng.   „Gut so?“, frage ich, denn auch wenn Bruno sich zunehmend um mich schlingt wie so eine Boa Constrictor, muss das ja nicht heißen, dass es auch das ist, was er möchte. „Perfekt“, murmelt er und sein Atem streift dabei meinen Nacken. Man, der will jetzt echt kuscheln, oder? Ich verdrehe innerlich die Augen. Na gut, meinetwegen. Kuscheln wir.   Eine Weile lang liegen wir einfach nur so da und schweigen. Brunos Arm umschlingt meinen Brustkorb und ich muss zugeben, dass die Position gar nicht mal so übel ist. Der kleine Löffel zu sein, hat was. Aber je länger dieser Zustand anhält, desto nervöser werde ich. Ich bin einfach kein großer Kuschler und Stillliegen ist für mich ungefähr genauso anstrengend wie Marathon laufen. Also ruckele ich mich irgendwann aus der Umarmung los und drehe mich wieder herum, um Brunos Gesicht zu sehen. Er sieht glücklich aus und entspannt, obwohl ich mir sicher bin, dass wir das noch besser hinkriegen. Nach einer Runde wildem, hemmungslosem Sex zum Beispiel.   „So so“, beginne ich und grinse dabei ein bisschen. „Davon träumst du also nachts.“   Er schlägt kurz die Augen nieder, bevor er mich wieder ansieht. „Na ja, nicht nur“, gibt er zu. „Aber ich habe mir das schon mal vorgestellt.“   „Ach so“, frage ich und ziehe die Augenbrauen hoch. „Und was hast du dir noch so vorgestellt?“   Bruno antwortet nicht direkt. Er zieht mich nur ein wenig näher, sodass sich sein Schritt gegen meinen presst.   „Soll ich dir das wirklich verraten?“, fragt er leise und seine Stimme klingt dabei seltsam rau.   „Keine Ahnung“, gebe ich ebenso zurück. „Wenn du willst, kannst du es mir auch zeigen.“   Bruno atmet ein und wieder aus. Ich spüre seinen Herzschlag unter meiner Hand. Da ist sie wieder, diese Nähe. Der Wahnsinn. „Soll ich das wirklich?“, fragt er noch einmal so leise, dass ich es kaum verstehen kann.   „Ja, bitte.“   Zuerst küssen wir uns. Es ist gut und groß und Bruno kann anscheinend gar nicht genug davon bekommen. Immer wieder treffen seine Lippen auf meine, seine Zunge erforscht meinen Mund und ich wehre mich nicht dagegen. Ebenso wenig wie gegen die Hände, die nach einer Weile beginnen unter mein Shirt zu schlüpfen. Brunos Finger streichen über meine Haut wie Sandpapier und hinterlassen eine Spur aus Gänsefüßchen. Oder so ähnlich. Mein Gehirn funktioniert gerade nicht mehr so gut, da Brunos Hand jetzt tiefer gewandert ist und mit sanftem Druck über die Ausbuchtung in meiner Hose reibt. Seine Lippen streifen derweil meinen Hals und ich kann gerade noch ein Stöhnen zurückhalten. Das ist so gut. Ich will auch.   Ich packe alles von Bruno, was ich zu fassen bekomme. Haut, Haare, Muskeln, das ganze Programm. Gleichzeitig komme ich ihm mit meinem Becken entgegen und reibe meinen Unterkörper an seinem. Mein Oberschenkel zwischen seinen Beinen. Er ist ebenso hart wie ich, das spüre ich. Und dieser Schwanz. Alles in mir zuckt, wenn ich mir vorstelle, dass wir beide gleich nackt …   Bruno unterbricht den Kuss. Seine Augen leuchten, seine Wangen glühen und seine Lippen sind vom Küssen schon ganz rot. Ich bin mir sicher, dass ich ebenso aussehe. Nur blond. Und ein bisschen heißer.   „Wollen wir …?“, stößt er atemlos hervor, aber ich lasse ihn nicht zumWort kommen. „Auf jeden Fall.“   Grinsend lange ich nach seinem Hosenbund und ziehe ihn näher zu mir heran. Die Knöpfe sind mir kaum ein Hindernis und schon im nächsten Moment kann ich ihn vor mir sehen. Lang, prall und herrlich groß. Der Prachtschwanz. Die Preiszucchini. Oh ja, das will ich.   „Warte!“   Bruno entzieht sich mir und macht, nicht gerade zu meinem Bedauern, kurzen Prozess mit seinen Klamotten. Als er wieder zu mir aufs Bett steigt, wippt sein Schwanz hin und her. Ich folge ihm mit den Augen wie das hypnotisierte Kaninchen der Schlange. Ohne lange zu zögern greife ich zu, als er in meine Reichweite kommt, und nehme ihn direkt in den Mund. Meine Finger rechen über Brunos Hintern, während er über mir stöhnt. Eigentlich würde mir das Geräusch ja ein selbstgefälliges Grinsen entlocken, aber das funktioniert gerade nicht besonders gut. Mein Mund ist zu voll.   Wow, das ist so gut. Eine Tatsache, die mir offenbar anzumerken ist, denn Bruno lacht über mir. „Du stehst drauf, was?“   Ich lecke noch einmal über die ganze Länge, bevor ich zu ihm aufsehe. Natürlich stehe ich auf seinen Schwanz. Das sollte ich ja wohl inzwischen mehr als deutlich gemacht haben. Aber es ist nicht nur das. Es ist mehr.   Sag ich doch.   Ich ignoriere den Blödmann in meinem Kopf. Dass wir uns gerade mal einig sind, kann kein gutes Zeichen sein. Und kein gutes Ende nehmen. Aber scheiß drauf, ich sag es jetzt einfach.   „Ich steh auf dich.“   Ja, ich weiß, an dem Punkt waren wir schon mal. Gestern. Und dann ist alles zum Teufel gegangen. Aber jetzt sind wir hier. In Sicherheit. Es kann nicht passieren.   Bruno sieht mich an. Lange sieht er mich an, was ein bisschen merkwürdig ist, weil meine Hand auf seinem Oberschenkel liegt und sein Schwanz auf mein Gesicht zielt. Ich kann ihn riechen, schmecken. Ihn mit einem Blowjob um den Verstand bringen und mich dann von ihm halb besinnungslos ficken lassen. Und doch kann ich mich nicht rühren. Da ist so eine Wärme in seinem Blick. Als wäre ich das Schönste auf dieser Welt. „Ich steh auch auf dich“, sagt er irgendwann und lächelt dabei, als wären wir in irgendeinem romantischen rosa Kitschplörrenfilm. „Sehr sogar.“   Meine Mundwinkel zucken und wollen auch mitmachen bei diesem Honigkuchengegrinse, aber ich lasse sie nicht. Stattdessen zwinge ich sie in ein maliziöses Grinsen. „Ach ja? Wie sehr?“ „Sehr sehr.“ Es funktioniert nicht. Als Bruno sich zu mir runterbeugt und mich küsst, will ich eigentlich nach seinem Schwanz greifen. Ich will ihn daran erinnern, warum wir hier sind und dass er sich gefälligst beeilen soll, mich zu stopfen wie eine Weihnachtsgans. Aber ich kann nicht. Ich schmelze in seinen Armen und selbst, als er mir nach schier stundenlangem Streicheln irgendwann die Hose öffnet und mich anfasst, kann ich nicht aufhören, ihn zu küssen. Ich will auch gar nicht. Ich will, dass es immer so weitergeht. Aber ich bin auch geil und als Bruno schließlich meine Hose und mein T-Shirt zu Boden befördert hat und sich an meinem Schwanz und meinen Eiern zu schaffen macht, kann ich dann doch nicht mehr anders, als schnell das Gleitgel aus meinem Nachttisch zu fischen. Ich will ihn. In mir. Jetzt!   „Soll ich?“ „Ja, bitte.“   Bruno bereitet mich vor. Gründlich bereitet er mich vor, während wir uns in die Augen sehen und er mich immer wieder küsst und seine Finger in meinen Hintern schiebt. Erst zwei, dann drei. Scheiße, das ist so krass. „Jetzt“, sage ich, denn ich will nicht mehr warten. Mir ist klar, dass es wehtun wird, aber scheiß drauf. Ich will ihn. Sofort!   Bruno nimmt noch einmal ordentlich von dem Gel. Ein kurzer Blick zu mir. Dass er das Zeug auf die pure Haut schmiert, ist mir – und mit Sicherheit auch ihm – bewusst, und es macht die Sache noch besser. Eigentlich hätte ich das ja übernehmen können, aber ich sehe ihm nur zu, wie er sich fertigmacht und dann …   „Bereit?“ „Immer!“   Ich spreize die Beine und will ihn dazwischen lassen, doch Bruno legt sich stattdessen neben mich. Wie schon zuvor rückt er nah an mich ran, seine Hand gleitet über meinen Hintern. „Ist das so okay?“ „Sicher.“   Ich beuge mich leicht nach vorn und merke, wie er sich positioniert. Es drückt gegen den äußeren Muskelring und ich atme aktiv aus, um ihn einzulassen. Bruno erhöht den Druck, es zieht und pikt und will nicht funktionieren und dann … ja! Die dicke Spitze gleitet nach drinnen und ich sauge zischend die Luft ein. An diese Größe werde ich mich wohl nie gewöhnen. Aber es fühlt sich so geil an!   Bruno küsst meine Schulter, meinen Hals. Sein Arm schlingt sich um mich und seine Hand wandert zwischen meine Beine, während er sich nicht oder nur kaum in mir bewegt. Anscheinend hat er gemerkt, dass es nicht gut vorangeht. Aber ich will, dass es geht. Ich will. „Sch, mach langsam“, flüstert er mir in mein Ohr und ich kann nicht anders, als mich zu ihm herumzudrehen und ihn zu küssen. Er ist so gut zu mir. So aufmerksam. So lieb!   „Na los, beweg dich!“ flüstere ich. Ein atemloses Echo der Vergangenheit. Bruno küsst mich und gehorcht. Sachte und unendlich vorsichtig. Mit jedem Vorstoß, jedem Zurückziehen und wieder Hineingleiten, kommt er dabei ein kleines Stück weiter hinein. Tiefer. Und noch tiefer. Ich merke, als er den Punkt erreicht, der mich besonders erregt. Wie, um es ihm zu zeigen, bäume ich mich ihm entgegen. Ich brumme, stöhne, irgendwas dazwischen. Ein Geräusch reiner Lust.   Oh ja, mach das nochmal.   Und Bruno tut mir den Gefallen. Langsam aber stetig, fickt er mich, während er mich hält und küsst und mich und meinen Schwanz bearbeitet, als wäre er ein Schifferklavier. Ich weiß, dass ich so nicht lange durchhalten werde, aber das ist mir gerade völlig egal. Ich will nur noch kommen. Mit Bruno. In mir.   Ich merke, wie es mir kommt. Brunos Schwanz steckt mittlerweile tief in meinem Hintern und er ist definitiv nicht faul, was die Handarbeit angeht. Noch ein paar Striche und es ist um mich geschehen. Ich spüre, wie sich meine Eier zusammenziehen.   „Bruno, ich …“   Ich komme nicht weiter. Mit einem letzten tiefen Stoß über windet Bruno die letzte Hürde und schickt mich endgültig über die Klippe. Ich fliege und falle und schwebe und für einen Moment verschwimmt die Welt, verschwimmt Bruno, die Wohnung, das Bett, einfach alles, und mein Denken und Fühlen konzentriert sich nur noch auf diesen einen Punkt. Dieses explodierende Feuerwerk aus Weiß und Weiß und Weiß, das aus mir herausschießt, direkt auf Brunos Hand, meine Bettdecke, einfach überall hin. Ich glaube, so heftig bin ich noch nie gekommen. Es hört gar nicht wieder auf …   Als es doch aufhört, höre ich Bruno hinter mir keuchen. Mir ist klar, dass er kurz davor ist und mit dem letzten bisschen Verstand, dass er mir noch nicht rausgevögelt hat, schiebe ich ihm höchst entschlossen meinen Hintern entgegen.   Na los, fick mich! Fick mich!   Und er tut es. Seine Hände krallen sich in meine Haut, sein Atem wird heiß an meinem Ohr, er stößt wieder und wieder und wieder und dann endlich fühle ich das warme, feuchte Pulsieren in mir, die befriedigende Füllung, die Sahne, auf die ich schon so lange gewartet habe. Bruno kommt und ich spüre es so, wie ich es schon immer wollte. Jede Welle, jeden Tropfen. Es ist großartig. „Wow, was für ein Ritt.“   Bruno gibt sich offenbar große Mühe, nicht auf mir zusammenzubrechen. Gleichzeitig lässt er mein Bein jetzt endlich los, an das er sich geklammert hat, um genügend Halt zu bekommen. Von Außen betrachtet sah das vermutlich ziemlich dämlich aus, aber fuck und scheiß drauf. Es hat sich absolut geil angefühlt.   „Du sagst es“, schnaufe ich und lasse mich der Einfachheit halber einfach nach hinten sinken, gegen Bruno, der immer noch die Hand voller Sauerei hat. „Mhm“, macht er und wischt die Wichse doch tatsächlich an meiner Bettdecke ab. Hallo? Spinnt der? „Ey!“, meckere ich und bin gleichzeitig viel zu faul, um mich auch nur einen entrüsteten Zentimeter wegzubewegen. „Und wer macht die Ferkelei wieder weg?“   Ich spüre Bruno in meinem Nacken grinsen.   „Na du. Du hast doch mittlerweile Übung im Wäsche waschen.“ „Arschloch.“   Er lacht. Ich fühle seinen Bauch an meinem Rücken wackeln. Als Nächstes schließt er mich in seine Arme und küsst erneut meinen Nacken. „Und, was ist? Magst du jetzt kuscheln?“   Eigentlich bin ich versucht, das mit einem Nein zu beantworten wegen der Frechheit mit der Wäsche. Aber der Sex und die kurze Nacht haben beschlossen, jetzt und auf der Stelle ihren Tribut zu fordern. Also scheiß auf die Wäsche und scheiß auf die Welt da draußen. Ich bleibe heute im Bett.   „Aber nur fünf Minuten“, murmelte ich trotzdem, bevor ich mich noch einmal in seinem Arm zurecht ruckele. Dabei rutscht sein Schwanz endgültig aus mir heraus und ich beeile mich zuzukneifen, damit mir nichts auskommt. Dieses Sperma ist meins und es bleibt schön an seinem Platz, bis ich ihm sage, dass es hinaus darf.   Ob ich nochmal ins Bad gehe, überlegt mein Verstand träge und will sich gerade dagegen entscheiden, als ein Geräusch mich plötzlich zusammenfahren lässt. Es ist ein schrilles Schellen und kommt eindeutig von unserer Haustür. What the fuck?   „Was zum … ?“   Auch Bruno ist sofort in Alarmbereitschaft. In seinem Blick flackern Angst und Panik um die Wette. „Schnell, versteck dich“, raune ich, weil die das in den Filmen auch immer sagen. Dabei ist das hier meine Wohnung und außerdem wird das vermutlich nur die Post sein. Oder die Zeugen Jehovas. Irgendwer, den ich mit ein paar unfreundlichen Worten loswerden kann. Bruno hingegen zögert keinen Augenblick, sich seine Klamotten zu greifen und sich nach dem nächsten Schrank umzusehen. Schnell hebe ich beide Hände. „Keine Bange! Wer immer das auch ist, ich wimmele ihn ab.“   Bruno schaut weiter gehetzt. Er glaubt mir nicht. Schließlich schießen seine Augen runter auf den Boden, wo noch meine Sachen liegen. Ein wilder Haufen, wie nach dem Sex. Chaotisch. „Aber zieh dir was an“, sagt er mit dünner Stimme und ich denke, dass das die beste Idee ist, die er seit langem hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)