Hand Overs von DuchessOfBoredom (Seto x Duke) ================================================================================ Kapitel 3: A coffee and some screwdrivers ----------------------------------------- Duke füllte die Kaffeekanne bis zum sechsten Strich mit Wasser, goss es in den dafür vorgesehenen Behälter der Kaffeemaschine und drückte auf den Knopf. Im Licht der neuen Erkenntnisse waren Kaibas Ärger und Frustration nur zu verständlich. Rechtfertigte es, wie er vorher mit ihm umgegangen war? Sicherlich nicht. Aber es war immerhin eine Erklärung für sein im Gegensatz zu sonst noch unfreundlicheres Verhalten, was ehrlicherweise irgendwie auch ein bisschen beruhigend war: Seto Kaiba war kein gefühlloser Automat, kein Eisklotz, wie ihn Joey immer so gern betitelte, sondern am Ende auch nur ein Mensch. Eine kritische Situation wie diese, die das Risiko barg, einen soliden Teil seines Geschäftes zu verlieren, steckte auch er nicht völlig ungerührt weg. Erst die kurzen Ausbrüche, dann der leere Ausdruck in seinen Augen … so distanziert und beherrscht, wie Kaiba sich meistens gab, war es leicht zu vergessen, dass er erst achtzehn war. Noch ein Teenager, genau wie er selbst. Und wenn er selbst schon von Zeit zu Zeit das Gefühl hatte, unter großem Druck zu stehen, wie musste es dann erst für Kaiba sein, der nicht nur fünf Mitarbeiter hatte, sondern Tausende, die im Gegensatz zu seinen auch eigene Familien hatten? Unfassbar viele Menschen hingen direkt oder indirekt von Kaibas Entscheidungen ab und davon, ob das, was er sich ausdachte, funktionierte und kommerziell erfolgreich war. Und jetzt gerade stand er mit dem Rücken zur Wand – ein Gefühl, das er selbst ebenfalls kannte und hasste, weil es ihm die eigene Jugend immer wieder schmerzlich vor Augen führte. Das Gluckern der Kaffeemaschine wurde leiser und unregelmäßiger und versiegte schließlich ganz, als die letzten Tropfen in die Kanne entlassen wurden. Noch einmal atmete Duke tief durch, füllte zwei Tassen mit dem starken, schwarzen Gebräu und ging wieder hinunter. Kaiba lehnte noch immer in nahezu unveränderter Haltung an der DDM-Arena. Mit einem vorsichtigen Lächeln kam Duke näher und händigte ihm das Getränk aus, was immerhin mit einem kurzen Nicken quittiert wurde. Ein paar Minuten lang standen sie einfach schweigend nebeneinander an die Arena gelehnt. Keine Ahnung, ob es am beruhigenden Aroma des Kaffees lag, aber Duke empfand die Stille im Gegensatz zu vorhin keineswegs als unangenehm. Sie schienen eine Art stumme Übereinkunft gefunden zu haben, auch wenn er noch nicht ganz sagen konnte, worin sie eigentlich bestand und wohin sie führte. „Nicht viele Menschen trinken um diese Zeit noch Kaffee.“, riss ihn Kaibas ruhige Stimme aus seinen Gedanken. Das ‚Außer mir.‘ hing für Duke so klar in der Luft, als hätte Kaiba es tatsächlich ausgesprochen. Schmunzelnd zuckte er mit den Schultern und nahm einen weiteren Schluck. „Kaffee geht immer.“ Er verlagerte sein Gewicht leicht nach links und erschrak beinahe ein wenig, als ihn einer der Schraubenzieher, die Kaiba noch immer in der Hand hielt, in die Rückseite seines Arms piekste. Ach ja, da war ja noch was … „Und jetzt?“, fragte er leise in die Stille hinein. „Hm.“ Der Brünette trank aus, stieß sich von der Arena ab und stellte seine leere Kaffeetasse auf den kleinen Beistelltisch neben dem Stuhl, auf dem seine Sachen lagen. Nachdenklich lief er ein paar Mal auf und ab und tippte dabei wiederholt mit der Rückseite eines der Schraubenzieher an seine Lippen. Schließlich zuckten seine Augenbrauen kurz nach oben und sein Blick hellte sich auf. Entsprechend neugierig folgten Dukes Augen jedem seiner Schritte. Kaiba ging zum Beistelltisch. Er legte das Werkzeug ab. Seine Hände wanderten zum Knoten seiner Krawatte. Unwillkürlich ließ Duke die Kaffeetasse leicht sinken. Eine fließende Bewegung. Mehr brauchte Kaiba nicht, um den Knoten zu lösen und das seidige Stück Stoff unter dem Hemdkragen herauszuziehen. Duke schluckte. Achtlos wurde die Krawatte zu Jackett und Mantel auf den Stuhl geworfen und die schlanken Finger kehrten zum Hemdkragen zurück, wo sie mit wenigen, geübten Handgriffen die obersten zwei Knöpfe öffneten und damit einen ausführlicheren Blick auf Kaibas Hals und den Beginn seiner Schlüsselbeine erlaubten. Als der Brünette das Werkzeug wieder aufnahm und zielstrebig zu einer anderen Stelle der Arena ging, entließ Duke den Atem, den er offenbar unbewusst angehalten hatte, stellte seine Tasse ebenfalls beiseite und folgte ihm. Den Rücken des weißen Hemdes zierte ein leichter Grauschleier vom Staub des Bodens und für einen kurzen Moment überkam Duke der starke Drang, darüber zu streichen und den Schmutz abzuklopfen. Kaiba musste sein fortgesetztes Starren als fragenden Blick interpretiert haben, denn er deutete mit dem Werkzeug auf die Stelle, wo er gerade erneut damit begann, zwei Außenabdeckungen abzuschrauben. „Das hier ist die zentrale Steuerungseinheit für die Animation der Hologramme. Wenn dort etwas nicht funktioniert, könnte das theoretisch Auswirkungen auf den Splitter und damit auch auf die Generatoren haben…“ Es dauerte einen Moment, bis die Worte tatsächlich zu Duke durchdrangen und die Frage verdrängten, wie sich der schlanke Rücken, den er durch den dünnen weißen Stoff leicht durchscheinen sehen konnte, wohl anfühlen mochte. (Entlang der Schulterblätter, die Wirbelsäule hinunter, bis zu den Hüften und …) Er blinzelte ein paar Mal und nickte schließlich mit leichter Verspätung, die Kaiba hoffentlich nicht bemerkt hatte. Kaum waren die Platten entfernt, rutschte der Firmenchef wieder unter die Arena und Duke erneut mit jenem merkwürdigen, nervösen Flattern im Magen links neben ihn. Der Versuch, Körperkontakt weiterhin zu vermeiden, war in diesem noch engeren Zwischenraum ein absolut aussichtsloses Unterfangen: Ihre Schultern pressten sich aneinander, Dukes Hüfte, nein, fast seine gesamte rechte Seite berührte sanft die des Brünetten. Augenblicklich schien sich jeder Millimeter aufzuheizen und begann ebenfalls zu kribbeln, so als wären sie irgendwie statisch aufgeladen. Duke entging keine noch so kleine Bewegung des Körpers neben ihm; jede einzelne gewann auf einmal eine fast unnatürliche Intensität: Die schnellen Wechsel von Anspannung und Entspannung in Kaibas Armen und Schultern, wenn er mit dem Schraubenzieher oder der Zange hantierte, die leichten Gewichtsverlagerungen seiner Hüfte, die sanfte Kontraktion seiner Bauchmuskeln, wenn er den Kopf ein wenig nach oben beugte, um ein anderes Werkzeug auszuwählen, welche er auch diesmal mangels Platz auf seinem Oberkörper abgelegt hatte. Dazu der dezente, aber durchaus angenehme Duft seines Parfüms, der Duke automatisch tiefer einatmen ließ. Sein Herz pochte laut und schnell gegen seinen Brustkorb, während Kaibas geschickte Finger Kabelklemmen lösten, Kaibas Augen konzentriert jedes der winzigen Bauteile auf das Genaueste prüften – tiefblau und ruhig, wie ein Ozean bei lauem Wind. In Ermangelung echter Alternativen suchten Dukes Gedanken ihr Heil in der Abschweifung, drifteten irgendwohin, Hauptsache weit weg von hier und den verwirrenden Eindrücken, die seine unmittelbare Umgebung in ihm auslöste. Was normale Leute um diese Zeit wohl gerade taten? … Ein leichtes Zittern des Lichtkegels verriet ihn, obwohl er eigentlich sicher war, sein Kichern ansonsten weitgehend unterdrückt zu haben. „Was?“ Der Brünette hielt in seinen Bewegungen inne und sah fragend zu ihm. „Nichts, ich dachte nur gerade …“ Mitten im Satz stockte Duke und schüttelte leicht den Kopf. „Vergiss es einfach!“ Der Brünette entließ ein genervtes Schnauben. „Jetzt spuck’ es schon aus, Devlin!“ „Nur ein bescheuerter Gedanke, nichts weiter!“ Ungewohnte Hitze stieg in seinen Kopf auf. Die blauen Augen musterten ihn ungeduldig. Wenn er nicht aufpasste, war der Sturm in ihnen ganz schnell wieder zurück – nichts mehr mit lauem Wind und Ruhe. „Okay, aber sag nicht, ich hätte dich nicht gewarnt!“ Er wich dem durchdringenden Blick aus und starrte stattdessen leicht schmunzelnd nach oben in das halb erleuchtete, halb im Schatten liegende Gewirr der Technik. „Ich hab mich nur gerade kurz gefragt, was wir eigentlich falsch gemacht haben. Ich meine, andere Leute liegen um diese Zeit mit ihrem Date auf einer Wiese und schauen in den Sternenhimmel – wir liegen hier auf einem staubigen Fliesenboden und schauen auf Kabelsalat und Halbleiter!“ Kaiba ließ den Schraubenzieher sinken und sah ihn an, als hätte er soeben behauptet, Joey sei für den Physik-Nobelpreis nominiert worden. „Hast du das hier“, er deutete mit dem Schraubenzieher zwischen ihnen hin und her, „gerade allen Ernstes mit einem Date verglichen?!“ Dukes Augenbrauen wanderten vielsagend nach oben und sein Schmunzeln wuchs zu einem schelmischen Grinsen. „Ist das allen Ernstes das, was du rausgehört hast?!“ Dem vorwurfsvollen Blick, der ihm entgegenschlug, hielt er problemlos stand und biss sich auf die Unterlippe, um nicht laut loszulachen. Das leichte Beben seines Oberkörpers konnte er allerdings nicht unterdrücken. Kaiba ein bisschen aufzuziehen war unerwartet lustig – eine Gratwanderung, ohne Zweifel, aber seit wann scheute er ein kleines Risiko? Der Brünette schüttelte nur den Kopf und wandte sich wieder der Technik zu, doch Duke glaubte, für den Bruchteil einer Sekunde auch ein kurzes Zucken seiner Mundwinkel gesehen zu haben. Das nervöse, aber gleichzeitig warme und angenehme Flattern breitete sich nach oben in seinen Brustkorb aus. Ein überschwängliches Gefühl, fast als wäre er leicht angetrunken, aber vielleicht lag das auch an seiner Müdigkeit. Nach müde kam ja bekanntlich blöd, wie man so schön sagte. Kaiba schien seinen Fokus in der Folge weit schneller wiederzufinden als er selbst, aber da seine Aufgabe ja lediglich darin bestand, einen Lichtkegel nach oben auf eine ganz bestimmte Stelle zu richten, wirkte sich diese Tatsache glücklicherweise nicht weiter störend aus. Einige Minuten vergingen, ohne, dass etwas Nennenswertes passierte, und Duke kam langsam nicht mehr umhin, sich zu fragen, ob sie heute überhaupt fertig werden würden, da bewegte sich Kaiba neben ihm leicht, um besser an eine andere Stelle zu kommen. In perfekt vorauseilendem Gehorsam richtete Duke das Licht dorthin, bemerkte jedoch aus dem Augenwinkel, wie sich ein paar der Werkzeuge auf Kaibas Brust gefährlich mitbewegten. Schneller als er oder Kaiba reagieren konnten, machte sich einer der Schraubenzieher selbstständig und folgte der Schwerkraft nach unten. Für einen kurzen Moment spürte Duke noch, wie er auf Höhe ihrer Taillen zwischen ihm und Kaiba klemmte, doch als sie sich beide im gleichen Moment reflexhaft bewegten, um den Absturz noch zu verhindern, fiel der Schraubenzieher klackernd nach unten und rollte davon. „Ver-ammd!“, fluchte Kaiba, bedingt durch den anderen Schraubenzieher in seinem Mund jedoch nur halb verständlich. Sichtlich verärgert wanderte sein Blick wieder nach oben, vermutlich um zu erurieren, ob er eine seiner Hände gefahrlos lösen konnte, um nach dem verlorenen Schraubenzieher zu suchen. Das Ergebnis schien jedoch negativ ausgefallen zu sein, denn er rückte nur ein paar Millimeter nach rechts, ohne irgendetwas loszulassen und sah Duke mit hochgezogenen Augenbrauen auffordernd an. „Oh, ja klar, warte, ich mach das schon!“, sprang er sofort darauf an, rückte ebenfalls so weit er konnte nach links, um so viel Platz zwischen ihnen zu schaffen, wie unter den räumlichen Gegebenheiten möglich war, und leuchtete mit dem Telefon in den schmalen Spalt zwischen ihnen. Leider konnte er aus seiner aktuellen Perspektive absolut nichts erkennen. Nun ja, weit konnte der Schraubenzieher nicht gekommen sein. Er hob seinen Körper ein wenig an, quetschte seinen Arm zwischen ihnen hindurch nach unten und begann, mit der rechten Hand den Untergrund unter sich abzusuchen. Da er jedoch nur ins Leere tastete, war der Schraubenzieher vermutlich doch etwas weiter nach rechts gerollt. Kaiba erkannte offenbar, wohin seine Suchbemühungen nun zielten und gab sich redlich Mühe, ihm im Rahmen seiner Möglichkeiten noch etwas mehr Platz zu machen, ohne dabei auch noch das verbliebene Werkzeug von seinem Oberkörper rollen zu lassen. Sein Erfolg hielt sich jedoch in Grenzen und Duke wurde klar, dass seine suchende Hand unweigerlich auch mit Kaibas Körper in Kontakt kommen würde. Das Blut in seinen Adern begann schneller zu rauschen. Langsam wanderte seine Hand auf dem Boden etwas weiter nach rechts oben; vorsichtig, nicht, dass er Kaiba noch versehentlich mit dem Ellenbogen in die Seite stieß. Die Wärme des Körpers neben ihm strahlte nahezu ungehindert durch den dünnen Stoff des Hemdes, das Gewicht drückte ganz leicht von oben auf seinen Handrücken. Sein Herzschlag beschleunigte sich. Die Sinneseindrücke auf der Oberseite seiner Finger waren ungewohnt, aber gerade darum auch irgendwie … aufregend: Auf Höhe von Kaibas Brustkorb gab die Haut durch die Knochen darunter nur wenig nach, dafür war das sanfte Nachbeben seines Atems umso deutlicher zu spüren. An Kaibas Taille bemerkte er die leichte Spannung der Bauchmuskeln, und doch war von dort an bis hinunter zu seinen Hüften alles weicher und strahlte weiterhin jene fast schon berauschende Wärme aus. In Dukes Bauch schien sich mittlerweile ein ganzer Insektenschwarm auszutoben. Das Gefühl war so angenehm wie es furchteinflößend war, aber am Ende überwog doch eine gewisse Dankbarkeit, dass der kleine, rote Schraubenzieher weiterhin hartnäckig verschollen blieb. Gezwungenermaßen glitt seine Hand weiter nach unten über das glatte, ebenfalls warme Leder von Kaibas Gürtel hinweg und wurde dank der Schwerkraft sanft in den etwas raueren, dünnen Stoff der Anzughose gepresst … und damit auch unweigerlich das davon umhüllte Körperteil, dessen leicht angespannte Muskulatur und sanfte Rundung er auch mit dem Handrücken noch zweifelsfrei ertasten konnte. Seine Bewegungen verlangsamten sich kaum merklich. … schlecht war definitiv anders … Duke musste schlucken. Gut, dass er das Licht gerade von sich weg hielt, denn sein Gesicht fühlte sich auf einmal sehr heiß an. Läge der Schraubenzieher dort, wo er gerade seine Hand hatte, hätte Kaiba ihn sicherlich bereits bemerkt. Vermutlich sollte er die Hand also besser dort wegnehmen, bevor Kaiba noch bemerkte, dass gerade sein Hintern befummelt wurde … Mit aller Kraft und Flexibilität, die er aufbringen konnte, beugte Duke sich noch ein paar Zentimeter zur Mitte und konnte sich dadurch noch ein Stück weiter nach unten strecken – zum Glück ohne, dass sein Kopf dabei auf Kaibas Schulter zu liegen kam. Dank ihrer aufgestellten Beine konnte er seine Hand nun auch frei und weitaus unbefangener bewegen und spürte nach ein wenig Hin und Her endlich (endlich!) das harte, rund geformte Plastik des Schraubendreher-Griffs an seinen Fingerspitzen. Noch ein paar Millimeter, und … „Ha! Hab ihn!“ Triumphierend zog er die Hand mit dem wiedergefundenen Werkzeug nach oben. Gerade wollte Duke den Schraubendreher wieder an seinen angestammten Platz zurücklegen, doch im letzten Moment zögerte er. Wie Kaiba so dalag, mit einem Schraubenzieher im Mund, weiterem Werkzeug auf der Brust und den Händen im Kabelgewirr über sich, war zwar ein durchaus amüsanter Anblick, aber … ein sanftes Lächeln stahl sich auf seine Lippen und er schüttelte den Kopf. „Lass mich das mal lieber machen!“ Die blauen Augen seines Gegenübers weiteten sich überrascht, als Duke sich ein wenig drehte, den Ellenbogen aufstützte und seinem Klassenkameraden vorsichtig den Schraubenzieher aus dem Mund nahm. Sichtlich irritiert ließ Kaiba es geschehen und sein ruheloser Blick folgte Dukes Hand, die in einem Rutsch auch das restliche Werkzeug von seinem Oberkörper klaubte. Ganz sacht strichen Dukes Fingerspitzen dabei über das Hemd und Kaibas Brust. Sein Herz machte einen kurzen Sprung. Bildete er es sich nur ein oder hob und senkte sie sich ein wenig schneller als noch gerade eben? Doch ein zweiter Blick offenbarte diesbezüglich nichts mehr, stattdessen lag nun ein spöttisches Blitzen in den blauen Augen. „Leuchten und das Werkzeug halten?! Bist du sicher, dass du das hinbekommst?“ Der offensichtlich amüsierte Tonfall des Brünetten ließ das merkwürdige Flattern in Dukes Brust erneut aufflammen. Er ließ sich davon jedoch nicht beirren, sondern antwortete nicht minder trocken und ironisch: „Deine Sorge, ich könnte mich überfordern, rührt mich wirklich zutiefst, aber ich denke schon, ja.“ Kaibas Mundwinkel zuckten verräterisch. Versuchte er da etwa ein Schmunzeln zu unterdrücken? „Also gut, dann gib mir den Zweier-Schraubenzieher!“ Etwas ratlos betrachtete Duke die drei Schraubenzieher in seiner Hand und versuchte geradezu verzweifelt, irgendwo eine entsprechende Bezeichnung zu finden. Nachdem er die Griffe ein paar Mal ergebnislos hin und her gedreht hatte, gab er seufzend auf. „Das wäre welcher?“ „Der, den ich im Mund hatte.“ „Ah!“ Sofort reichte Duke das gewünschte Werkzeug an und leuchtete bestmöglich auf die Stelle, an der Kaibas Hände weiter zu Werke gingen. Die Konzentration wurde in den folgenden Minuten beinahe körperlich spürbar, die Ruhe nur unterbrochen, wenn Kaiba ihn aufforderte, ihm ein neues Werkzeug anzureichen. Letzteres funktionierte mit der Zeit immer besser und schon bald konnte er jedes einzelne problemlos zuordnen. Manchmal hielt er dem Brünetten sogar schon das richtige Werkzeug hin, bevor er überhaupt danach fragte, was Kaiba durchaus wohlwollend zur Kenntnis zu nehmen schien. Die Zeit verging – wie viel genau, konnte Duke nicht sagen – doch langsam aber sicher holte ihn, sicherlich noch verstärkt durch die Wärme und ihre liegende Position, die Müdigkeit ein. Seine Hand mit dem Werkzeug wanderte zu seinem Mund, als er ein tiefes Gähnen nicht mehr länger unterdrücken konnte. „Was denn, Devlin, schon müde?!“, kam es wieder mit leicht spöttischem Unterton von rechts. „Hab letzte Nacht nicht wirklich geschlafen.“, erklärte er vollkommen unironisch mit einem trägen Schulterzucken, „Die Gehaltsabrechnungen waren dringend fällig und ich wegen dieses dämlichen Vortrags in Geschichte und einem Online-Workshop mit den Industrial Illusions-Leuten mal wieder viel zu spät dran. Ich glaube, in meinen Adern fließt mittlerweile wesentlich mehr Kaffee als Blut, ansonsten wäre ich heute nicht durch den Tag gekommen. Aber irgendwann hilft Kaffee eben auch nur noch begrenzt, egal wie stark er ist.“ Ein undefinierbarer Ausdruck mischte sich in das Meerblau von Kaibas Augen, sodass er schnell hinzufügte: „Aber keine Sorge, ich halte schon noch durch, ich hatte schon härtere Phasen. Also los, schraub schon weiter!“ Er fuchtelte ein wenig mit dem Telefon in seiner Hand, sodass das Licht ein paar Mal schnell über die Stelle huschte, an der Kaiba gerade zugange war. „Jeder Tag, den das Teil nicht funktioniert, kostet mich Einnahmen!“ Zum ersten Mal trat auf Kaibas Lippen ein echtes Schmunzeln, bevor er leicht den Kopf schüttelte und seine viel zu blauen Augen von ihm ab- und wieder der Technik zuwandte. Dukes Herz pochte so stark, dass es bis in seine Ohren nachhallte. Zwar kam sein Körper wieder ein wenig zur Ruhe, als die Schrauberei und Sucherei ganz wie gewohnt (wenn man denn schon von so etwas wie „Gewöhnung“ sprechen konnte) weiterging, doch führte es auch dazu, dass seine Müdigkeit nur mit umso größerer Macht wiederkehrte. Seine Augenlider wurden schwerer und schwerer, sie offen zu halten, erforderte immer mehr Kraft. Er konnte doch aber jetzt nicht einschlafen! Was würde Kaiba denn von ihm denken?! Außerdem ging es um die Arena und sein Geschäft! … Aber vielleicht konnte er die Augen ganz kurz zumachen, nur einmal, ein paar Sekunden und dann … Seine Lider schossen schlagartig nach oben, als neben ihm scharf die Luft eingezogen wurde. Beinahe wäre er zusammengezuckt. Gott, war er tatsächlich eingenickt und hatte das Telefon wieder sinken lassen?! Oder seinen Einsatz mit dem Werkzeug verpasst?! Der Lichtkegel hatte jedenfalls deutlich gewackelt, als er hochgeschreckt war. Er warf einen nervösen Seitenblick nach rechts und atmete kaum hörbar aus. Kaiba schenkte ihm überhaupt keine Beachtung, sondern schien völlig auf die Technik fokussiert. Vermutlich hatte er also nichts bemerkt. Zum Glück! Plötzlich schlossen sich erneut warme Finger um Dukes Handgelenk, führten es ein paar Zentimeter weiter nach links und ließen nicht los. Beinahe blieb ihm das Herz stehen, sein ganzer Arm kribbelte, schien mit einem Mal unter Strom gesetzt zu sein. Vergessen war die Müdigkeit, er war wieder hellwach. Kaiba verstaute den Schraubenzieher in seiner anderen Hand temporär in seiner Hosentasche und sah konzentriert auf eine ganz bestimmte Stelle irgendwo in dem Kreis, den Duke als seine halbmenschliche Taschenlampe gerade beleuchtete. „Ich wusste es!“ „Was?“ „Ich habe den Fehler gefunden!“ Ein triumphierendes Leuchten erfüllte Kaibas Blick, Stolz und seine gewohnte Selbstsicherheit schwangen in seiner Stimme. „Wo?“ Hätte Duke eine Hand frei gehabt, hätte er sie sich vor die Stirn geschlagen. Wenn er demnächst alle W-Fragen durch hatte, konnte er dann endlich einen sinnvollen und zusammenhängenden Satz bilden?! Kaibas rechte Hand, die auf einige Kabel knapp über seinem Kopf deutete, lenkte ihn jedoch wieder von seinen ungewohnt selbstkritischen Gedanken ab, wenn auch weniger effektiv als die andere, die weiterhin Dukes Handgelenk festhielt. „Hier!“ Anders als vorhin versuchte Duke noch nicht einmal, den Körperkontakt abzubrechen, war die Umklammerung doch diesmal wesentlich behutsamer und … angenehmer. „An den Kabeln?!“, fragte er unsicher, aber mehr konnte er aus seiner Perspektive nun einmal nicht erkennen. „Nein, darunter!“, gab der Brünette denn auch zurück, als sei es das Selbstverständlichste auf der Welt, „Hier!“ Kaiba drehte sich ein wenig, um es ihm noch genauer zu zeigen. Unweigerlich drückte sich sein Körper noch etwas mehr in Dukes Seite, der dünne Stoff des Hemdes strich sacht an seinem Oberarm entlang. Duke wurde heiß. „Ich seh’s nicht!“, gab er ehrlich und mittlerweile fast ein wenig verzweifelt zu. Himmel, und dabei zeigte Kaiba schon darauf! In etwa so musste sich Joey bei ihrem letzten Besuch im Zoo gefühlt haben, als alle außer ihm im Tropenhaus das Chamäleon entdeckt hatten. Mit bebendem Herzen rückte er ein kleines Stück weiter nach rechts, Kaiba entgegen, und neigte den Kopf, um endlich an den Kabeln vorbeispähen zu können. „Du meinst … das kleine quadratische Teil da?“ Sein Kopf touchierte Kaibas Schulter. Die schlanke Brust unter dem weißen Hemd hob und senkte sich in einem gleichbleibenden, beruhigenden Rhythmus. Die Wärme, der Duft des Parfüms, den er mit jedem Atemzug tiefer in sich aufnahm, drohten ihm die Sinne zu vernebeln. Er sah Kaibas Nicken nicht, sondern spürte nur, wie der Kopf des Brünetten seinen eigenen in einer leichten Auf- und Abbewegung streifte. Dukes Muskeln versteiften sich, er musste sich regelrecht zwingen weiter zu atmen. Kaibas Stimme schien direkt in seinem Kopf zu vibrieren, so nahe waren sie sich. „Diese Prozessoreinheit sieht bei Duel Monsters-Arenen anders aus. Offenbar wurde bei den DDM-Arenen eine leicht andere Baureihe verwendet. Niemand hat etwas gefunden, weil alle an der falschen Stelle gesucht haben! Nicht das Software-Update hat den Fehler verursacht, sondern das gleichzeitig ausgelieferte Firmware-Update!“ Vorsichtig drehte Duke den Kopf noch ein keines Stück, um Kaiba ansehen zu können und ihm zu bedeuten, dass er im Rahmen seiner Möglichkeiten verstand. Noch immer lag Kaibas Kopf leicht auf seinem, waren ihre Gesichter nur wenige Zentimeter voneinander entfernt. Federleichte, warme Luftzüge strichen sanft über Dukes Lippen hinweg, als der Brünette mit seiner Erklärung fortfuhr: „Das Firmware-Update hat unter anderem den Belastungsgrenzwert für die Prozessoren leicht erhöht und …“ Ihre Blicke trafen sich. Kaiba stockte. Die blauen Augen fixierten Duke, ließen ihn nicht los und er ließ sich bereitwillig in die aufpeitschende See hineinziehen. Sein eigener flacher Atem vermischte sich mit Kaibas, sein Herz raste oder setzte aus, wer konnte das schon so genau sagen. Dann war es vorbei. Überstürzt ließ Kaiba sein Handgelenk los und neigte den Kopf wieder nach rechts, weg von seinem, um etwas mehr Abstand zwischen sie zu bringen. Er räusperte sich, bevor er etwas lauter und in betont sachlichem Tonfall weitersprach: „Das bedeutet, wir müssen das Firmware-Update zurückrollen und ein eigenes für die DDM-Arenen bereitstellen.“ Kaum hatte er geendet, rutschte er hastig nach vorne und ließ Duke einmal mehr allein unter der Arena zurück. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)