Die Sonne scheint für alle von MariLuna ================================================================================ Kapitel 42: ------------ XLII   „Die sind heiß...“ In Chiho krampft sich alles zusammen, als sie die Worte ihrer Kollegin Keiko neben sich hört. Mit einem verzerrten Lächeln reicht sie der Kundin die Bestellung. „Oi. Fräulein, ich wollte eine Schokomilch. Das hier ist Erdbeer.“ „Ich bitte vielmals um Entschuldigung.“ Chiho verbeugt sich, hochrot im Gesicht und beeilt sich, ihren Fehler wieder auszubügeln. Doch auch dabei wandert ihr Blick immer wieder hinüber zu dem Tisch in der Ecke. „Sauladen“, murrt die Mutter, während sie die Schokomilch an das quengelnde Kind an ihrer Hand weitergibt und dann mit diesem verschwindet. „Vielen Dank, dass Sie MgRonald's gewählt haben“, leiert Chiho mit der vorgeschriebenen Abschiedsverbeugung herunter. Ihre Augen huschen wieder zur Ecke. „Mensch, Chiho, was machst du denn?“ zischt Keiko vorwurfsvoll. „Es tut mir leid“, murmelt Chiho abwesend. Da es zur Zeit keine weiteren Kunden gibt, die bedient werden wollen, wagt sie einen etwas längeren Blick. Dort sitzt Mao, zusammen mit Ashiya und … Chiho schluckt einmal schwer … Urushihara. Warum nur? Er hat jetzt einen neuen Laptop und eine Spielekonsole noch dazu – warum also, warum ist er hier? Er sollte in der Wohnung sitzen und der nerdige Computer-Freak sein, wie er es immer ist. Unwillkürlich ballt sie die Hände zu Fäusten. Womit erpresst er den armen Mao nur? Liegt es wirklich nur an Maos Schuldgefühlen? Die drei scheinen viel Spaß zu haben, stellt sie verbittert fest. Aber als Mao Lucifer auch noch mit den Fritten zu füttern beginnt, wird der Anblick zuviel für sie. Und sie bleibt nur hinter dem Verkaufstresen stehen, weil ihre Chefin gerade aus ihrem Büro tritt und sie keinen Ärger mit ihr riskieren will.     „Mao...“ Hier, an Maos Arbeitsstelle, verzichtet Alciel klugerweise auf dem ehrenvollen Suffix – sama, und obwohl seine Stimme nur ein Raunen ist, steckt sie doch voller Vorwurf. Doch sein König schenkt ihm nur ein vergnügtes Grinsen. „Lass sie ruhig alle schauen, Ashiya.“ Für einen kurzen Moment ist er abgelenkt und dies nutzt Lucifer aus, um nach der Fritte zu schnappen, mit der da so neckisch vor seinem Mund herumgewedelt wird. Ob Absicht oder nicht, seine Zähne kratzen dabei über Maos Finger, aber der kichert nur und gleich darauf noch etwas lauter, als Lucifers freche Zunge das Salz von seinen Fingern leckt. Alciel blinzelt verdutzt. Er weiß nicht wieso, aber das sieht unheimlich erotisch aus. Tapfer reißt er sich von diesem Anblick los und starrt auf seine eigenen Black Pepper Fries. Gerne würde er Lucifer auch einmal so füttern, aber er hat verstanden, dass dies hier eine Show für Chiho sein soll, also hält er sich zurück. Außerdem tröstet ihn das Gewicht von Lucifers Hand auf seinem Oberschenkel - vor allem, wenn dessen Finger wie jetzt sanft über seine Jeans kratzen. Außerdem ist es der geschiente Arm, das bedeutet, er ist schwerer, nachdrücklicher. Ein Gewicht, das man unmöglich ignorieren oder vergessen kann. Mao seinerseits hat unheimlich viel Spaß. Erstens verbringt er gerne Zeit mit seinen beiden Generälen und zweitens ist Flirten amüsanter als er dachte. Außerdem hat Lucifer auf der Stelle verstanden, was er mit dieser Einladung bezweckte und sofort mitgespielt. Und bei ihm wirkt alles so natürlich – jede noch so kleine Geste, jeder Augenaufschlag, jedes Lächeln sitzt einfach perfekt. Er hat von der ersten Sekunde an den Takt angegeben und alles, was Mao tun muss, ist, sich von ihm bei diesem Tanz führen zu lassen. Es ist eine grandiose Show für alle hier, aber es ist eben nicht nur Show. Darunter verbergen sich echte Gefühle. Es ist alles echt – die Art, wie Lucifer manchmal den Kopf schieflegt und ihn anblinzelt, wie er ihn anlächelt und das sanfte Schwirren in seiner Stimme, seine Hand an Maos Wange, wie er sich zu ihm hinüberlehnt und ihn sanft auf die Lippen küsst … uh. Mao blinzelt überrascht. Aber da läßt sich Lucifer schon wieder auf die Sitzbank zurückfallen und zwinkert ihm zu. Mao spürt, wie er errötet. Er wirft einen unsicheren Blick zu Alciel hinüber, doch der knabbert nur mit völlig unbewegter Miene an seinen letzten Fritten. Mao fühlt sich sofort schuldig. Armer Alciel. Es ist nicht fair, dass er hier das fünfte Rad am Wagen spielen muss. Mao beschließt, sobald sie wieder Zuhause sind, ganz besonders nett zu ihm zu sein. „Ich liebe euch beide“, erklärt Mao leise in Dämonensprache. Um Alciels Lippen zuckt ein kleines Lächeln, und er nickt einmal knapp, als Zeichen, dass die Botschaft angekommen ist. Doch dann runzelt er unwillig die Stirn und schnalzt tadelnd mit der Zunge, erinnert seinen Dämonenkönig daran, dass sie hier gefälligst japanisch zu reden haben. Lucifer lacht nur dieses sanfte, glockenhelle Lachen, das sie jetzt immer öfter zu hören bekommen und zwinkert ihm vergnügt zu. Mao wirft einen unauffälligen Blick zum Verkaufstresen hinüber. Chiho starrt zu ihnen herüber und der Ausdruck in ihrer Miene ist mörderisch. Neben ihr steht Kisaki Mayumi und auch der Rest der Belegschaft hat sich irgendwo in der Nähe postiert und beobachtet sie verstohlen. Es ist eben das erste Mal, dass ihr geschätzter Schichtleiter Mao Sadao sich wie ein Gast hier niederlässt und dann auch noch mit zwei heißen Kerlen im Schlepptau – jepp, sie sind heiß, alle beide, du hast so verdammt absolut recht, Keiko. Vielleicht ahnen sie aber auch, dass er etwas im Schilde führt – Menschen haben manchmal einen Riecher dafür. Nervös leckt sich Mao einmal über die plötzlich sehr trockenen Lippen. „Ich ...“, beginnt er, muss sich einmal räuspern und beginnt dann erneut. „Ich habe eine wichtige Mitteilung zu machen.“ Sofort richten sich ein violettes und ein goldbraunes Augenpaar auf ihn. Mao spürt, wie er unter diesen ernsten Blicken zu schwitzen beginnt. Es sind nicht nur ihre Blicke. Er fühlt die Blicke aller im Raum auf sich gerichtet. Er nimmt all seinen Mut zusammen. „Ich war heute in der Pause beim Juwelier.“ Und während Alciel ein langgezogenes „Maoooo...“ seufzt und in seinem Kopf wieder der Abakus rattert, greift Mao in seine hintere Hosentasche und holt ein kleines Etui heraus. Vorsichtig legt er es vor sich auf den Tisch. Seine Finger zittern. Warum zittern seine Finger? Mao räuspert sich ein weiteres Mal, setzt sich aufrecht hin und greift dann nach Lucifers linker Hand. „Urushihara Hanzo“, beginnt er mit lauter – aber zu seiner Verlegenheit auch sehr, sehr belegter - Stimme, die man bis in die letzte Ecke des Schnellrestaurants hören kann. Lucifer hebt den Blick und Mao versinkt sofort in diesem wunderschönen Violett. „Sadao?“ Erst Lucifers leise, sanfte Stimme holt ihn zurück ins Hier und Jetzt. Oh Hölle – er hat ihn angestarrt, nicht wahr? Ihn einfach nur angestarrt. Wie peinlich! Mao räuspert sich hastig und ruft sich die Worte in Erinnerung, an denen er in den letzten Stunden gefeilt hat. Sie müssen wahrhaftig sein und dürfen zugleich ihre menschliche Tarnung nicht gefährden. „Hanzo ...“, oh, wie gerne würde er ihn jetzt bei seinem richtigen Namen nennen können, „... ich habe es dir nie gesagt, aber als wir uns das erste Mal begegneten, blieb mir glatt der Atem stehen.“ Wunderschöne, große, rabenschwarze Flügel. Durchdringende, violette Augen. Und eine Aura, die soviel Macht ausstrahlte, dass er nur eines wollte: „Nichts war mir Wichtiger, als dich an meiner Seite zu wissen. Und daran hat sich bis heute nichts geändert. Du bist schön, du bist stark, verdammt witzig und unheimlich klug.“ Lucifers Augen weiten sich bei dieser Aufzählung ein wenig, während eine leichte Röte seine Wangen hinaufkriecht. Mit seiner freien Hand öffnet Mao das Schmucketui und dreht es so, dass er und Alciel den Inhalt sehen können. „Hanzo. Ich zweifle nicht daran, dass wir beide uns schon seit unserem vorherigen Leben versprochen sind.“ Damit meint er ihr Leben in der Dämonenwelt. Mao holt ein letztes Mal tief Luft und sieht tief in diese violetten Augen – beziehungsweise dieses eine, denn das andere wird wie immer vom Haar verdeckt. „Also bitte ich dich jetzt, hier und heute, und alle mögen meine Zeugen sein: Urushihara Hanzo – willst du auch ganz offiziell mein Ehemann werden?“ Lucifer sieht Mao an, dann den Ring und dann wieder Mao. „Scheiße, verdammte“, stößt er dann hervor. „Ich dachte schon, du fragst nie. Ja, zur Hölle, ja!“ Mao strahlt übers ganze Gesicht, als er den Ring unter dem Beifall seiner Vorgesetzten und Kollegen auf Lucifers Ringfinger schiebt. Er weiß gar nicht, wieso ihm so ein großer Stein vom Herzen fällt – es war schließlich von Anfang an klar, dass Lucifer nicht ablehnen würde – dies hier ist eine Inszenierung, um Chiho ein für allemal loszuwerden. Lucifer hebt sich die Hand vor Augen, um den Ring genauer zu betrachten. Gold und Silber mit einem roten und einem grünen Stein – die Farben von Maos und Alciels Magie – und um die Steine herum eine Gravur in der Form des Unendlichkeitszeichen. Es sind vier Worte in Dämonensprache: Jakobus und Alciels Schatz. Lucifer kann die Magie dahinter spüren – ein warmer, schwerer Anker, der sich mitten in sein Herz senkt. Es ist ein merkwürdiges Gefühl, selber keine Magie mehr zu besitzen, diese aber so deutlich spüren zu können. Das ist kein Theater. Nichts davon. Er blinzelt sich die störenden Tränen aus den Augen und sieht wieder in Maos überglückliches Gesicht. Aber wenn er sich nicht schleunigst auf etwas anderes konzentriert, fängt er wirklich noch an zu heulen. Und daher wendet er sich an Alciel neben sich und zeigt ihm den Ring. Dieser fühlte sich in den letzten Minuten unangenehm ausgeschlossen und zeigte eine sehr beherrschte Miene und eigentlich will er diesen Ring gar nicht genauer betrachten, aber ihm bleibt nichts anderes übrig, so nachdrücklich, wie Lucifer ihm seine Hand vor Augen hält. „Alciel, lies die Inschrift“, murmelt Lucifer dann auch noch in Alciels kaum bekannter Muttersprache und der blonde Dämon gehorcht automatisch. Und versteht. Und dann umarmt Lucifer ihn und Alciel spürt, wie ihm das Wasser in die Augen steigt, als er die Geste erwidert. Doch er weint nicht, nein, nicht in der Öffentlichkeit, da bleibt er standhaft. Das ist nur ein Staubkorn, das ihm ins Auge geriet.     „Marko!“ ruft Kisaki Mayumi zu dem glücklichen Paar hinüber. „Ich spendiere dir eine Woche Urlaub für deine Hochzeitsreise!“ „Vielen herzlichen Dank, Kachō-san!“ Neben der Managerin erklingt ein leises Wimmern. „A-aber, Mao-san...“ Kisaki Mayumi wirft ihrer jüngsten Angestellten einen mitleidigen Blick zu. Die Kleine ist wirklich völlig aufgelöst. Schon kullern ihr die ersten Tränen über die Wangen, doch insgeheim ist Kisaki Mayumi froh, dass damit diese tragische, einseitige Teenagerromanze endlich ein Ende findet. Sie mag Chiho (jeder mag Chiho), aber ihre ständige Bewunderung für Mao, dieses penetrante anschmachten, ging jedem hier auf den Sender. Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende, fährt es der Managerin durch den Kopf, als sie der inzwischen hemmungslos schluchzenden Fünfzehnjährigen ein Tablett mit drei Eisbechern in die Hände drückt. „Chiho-chan, sei ein Schatz und serviere das dem glücklichen Paar und seinem Begleiter doch bitte als Aufmerksamkeit des Hauses.“ Chiho sieht aus, als wolle sie protestieren, doch sie überlegt es sich unter Kisakis strengem Blick noch einmal anders und trottet gehorsam mitsamt Tablett zu dem Tisch hinüber. Das ist so unfair! Ihr Mao-san … ihr Sadao... warum nur? Warum? Was hat dieser verdammte Parasit, was ich nicht habe? Oh, ich wünschte, Emi hätte ihn umgebracht. Und dann, der nächste Gedanke: Das war gemein, richtig gemein. Direkt vor meinen Augen. Ihr schmerzt das Herz in der Brust, als würde es von vielen winzigen Krallen in unzählige kleine Stücke zerfetzt. Schniefend wischt sie sich mit dem Handrücken über Augen und Gesicht und zwingt sich zu einem Lächeln. Bewahre Würde, Chiho, Würde. „Ich gratuliere“, sagt sie mit zitternder Stimme, als sie die Eisbecher auf die Mitte des Tisches stellt. „Eine kleine Aufmerksam von Kisaki-san.“ Sie vermeidet es geflissentlich, Mao in die Augen zu sehen. Ihre Schuhe sind viel interessanter. „Danke, Chiho.“ Bei Maos Stimme hätte sie fast den Kopf wieder gehoben. Aber nur fast. „Cool, Eis! Karamelle gehört mir!“ Natürlich stürzt sich diese kleine Pest sofort auf das Eis. „Benimm dich, Hanzo“, tadelt Ashiya automatisch. Er klingt überraschend – sanft? Ja, natürlich, erinnert sie sich, er ist ja auch mit Urushihara verheiratet. Das ist so unfair. Wieso reichte ihm Ashiya nicht, wieso musste er ihr auch noch ihren Mao wegnehmen? „Chiho – ist noch etwas?“ Maos ruhige Stimme reißt sie aus ihren Gedanken. Erschrocken hebt sie den Kopf und senkt ihn schon nach dem ersten, flüchtigen Blick in seine rötlichen Augen wieder. „Oh. Was? Nein, ich … gratuliere...“, murmelt sie nochmal, dreht sich um und schlurft, leise vor sich hinschluchzend, zurück zu den anderen.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)