The Tiger and the Wolf von SuperCraig ================================================================================ Kapitel 32: Lukes Form der Entschuldigung ----------------------------------------- Derek war stinksauer. Das hatte Scott am Telefon mitbekommen. Stiles´ Erzählungen nach war der Alpha komplett ausgetickt. Ohne eine Intervention seitens seines Gefährtens hätte er Jackson wohl windelweich geprügelt. Normalerweise wäre Scott selbst aufgetaucht und hätte sich als Streitschlichter angeboten, doch dazu fehlte ihm der nötige Antrieb. Er war dazu übergegangen sich in sein Zimmer einzuschließen und mit dem Rücken gegen die Tür gelehnt nachzudenken. Warum fühlte eigentlich er sich schlecht? Luke hatte einen Fehler gemacht und nicht er. Diesen trüben Gedanken hing er schon den ganzen Nachmittag, seit dem Heimkommen, nach. Er begriff es einfach nicht: Sein Freund hatte sogar selbst zugegeben, sich daneben benommen zu haben und doch war er es, der fast auf dem Zahnfleisch kroch. Das letzte Mal hatte er sich so gefühlt als… als sich Allison von ihm getrennt hatte. Sie hatte natürlich die richtige Entscheidung getroffen, nicht nur wegen ihrer Familie, sondern auch ob Isaac, nur machte es das nicht wirklich besser. Sollte er Allison anrufen? Sie waren immerhin noch immer gute Freunde und sie kannte sich mit Liebeskummer aus. Oder Lydia? Sie schien einen Zugang zu seinem Freund zu besitzen. Stiles vielleicht? Sogar Derek kam Scott kurz in den Sinn. Er war älter und erfahrener. Isaac? Die Entscheidung wurde ihm durch ein Vibrieren seines Handys abgenommen. Verwundert zog er es aus der Hosentasche und staunte nicht schlecht, als der Name der Beacon Hills Werkstatt auf seinem Display aufleuchtete. Es war 22:30 und seit dem Tod des letzten Mechanikers arbeitete niemand mehr gerne nachts. Jackson hatte ganze Arbeit geleistet, was das anging. „Ja?“, meldete sich Scott zu Wort. „Ich, ähm… ich bin richtig bei Scott McCall, oder?“, fragte eine männliche Stimme zögerlich. „Ja, sind Sie.“ „Hier ist Billy, ich… mh, also – Ihr Bike wäre fertig.“ Scott blinzelte mehrmals perplex. „Es ist halb elf Uhr abends. Mal abgesehen davon, sind Sie nicht der Auszubildende?“ „Bin ich“, bestätigte ihm Billy. „Wir haben uns sogar einmal kurz gesehen, wenn Sie sich erinnern.“ Schweigen. Dieser Billy klang ein wenig verschüchtert. Der Werwolf rechnete mit dem Schlimmsten, doch Jackson war kein Kanima mehr und würde sich wahrscheinlich auch einen Dreck um sein reparaturbedürftiges Bike scheren. „Die Reparatur sollte doch noch eine Weile dauern?“, durchbrach er die Stille. Das hatte man ihm auch so kommuniziert, sehr zu seinem Leidwesen, bedeutete es doch, auf eine Fahrgemeinschaft angewiesen zu sein. „Ja, also… der Auftrag wurde in der Prioritätsliste nach oben gereiht. Mehr kann ich nicht sagen.“ Das klang schon wieder so mysteriös, dass Scott die Augen verdrehte. Warum konnte in dieser verdammten Stadt nicht ein einziges Mal etwas seinen gewohnten Gang gehen? Beacon Hills hatte einfach, auch ohne übernatürliche Wesen, einen Hang dazu, Probleme zu schaffen wo keine waren und sie auch zeitgleich zu lösen. Er würde gut eine halbe Stunde brauchen, um zu Fuß zur Werkstatt zu gelangen. Stiles zu fragen kam nicht in Frage, denn er war zweifelsohne mit Derek beschäftigt und den Rest seiner Freunde wollte er deswegen auch nicht wirklich belästigen, zumal so ein Spaziergang sicher seinen Kopf freibekommen würde. „Ist gut, ich tauche in einer halben Stunde auf.“ Der Fußweg von einer halben Stunde war gut geschätzt. Draußen war es kalt und nur die schwache Beleuchtung der Straßenlaternen vermochte die Dunkelheit ein wenig zu vertreiben. Nicht, dass Scott es nötig gehabt hätte, auf eine externe Lichtquelle angewiesen zu sein; seine Werwolfsaugen konnten sich auch im Dunkeln zurechtfinden. Das war es auch nicht, was ihn beschäftigte. Es lag vielmehr an den Umständen, die sich in den letzten Stunden aufgetan hatten. Nachdenklich kickte er ein paar Kieselsteine beiseite. Er fühlte sich noch immer nicht besser, im Gegenteil. Kurz war ihm der Gedanke gekommen Luke zu bitten, ihn zur Werkstatt zu fahren, doch hatte er auch diese Idee sogleich wieder verworfen. Sein Freund hatte ihm unmissverständlich klargemacht, dass er lieber alleine sein wollte und diesem Wunsch wiederum wollte Scott selbst entsprechen. Das Rennen war bescheuert gewesen, doch irgendwo hatte er es ja für sie beide getan. Eigentlich hätte der Werwolf stocksauer sein müssen, doch das war er nicht. Es tat ihm irgendwo leid, Luke alleine zu lassen. Zu streiten war Scott sowieso verhasst. Das hatte er bei Allison nicht wirklich vertragen und schien auch bei ihrem Cousin ähnliche Schwierigkeiten zu haben. Dieser Ausdruck in Lukes Gesicht, dieses Schuldbewusstsein… etwas in ihm war dabei kurzzeitig zerbrochen. Vielleicht war es dem Briten ja peinlich gewesen, dass Jackson ihre Beziehung öffentlich gemacht hatte? Lag es eventuell daran? Weil Luke einfach zur „Oberschicht“ gehörte? Gutaussehend, reich, sportlich – da gehörte es sich wohl nicht, wenn man mit einem Durchschnittschüler ausging. Hatte Luke ihm nicht erst vor Kurzem gesagt, dass er gar nicht wollte, dass sein Vater und er miteinander in Berührung kamen? Leise seufzend hielt er inne, die Hände in die Hosentaschen geschoben, als er vor der Werkstatt angekommen war. In neonfarbenen Lettern stand der Name des Besitzers über dem Eingang. Von drinnen drangen die Geräusche eines Kugelschreibers, der viel zu fest über ein Stück Papier kratzte. Sämtliche Alarmglocken schrillten bei dem gesteigerten Herzschlag, den der Werwolf vernahm. Da war jemand nervös. Scott spitzte die Ohren ein wenig mehr, konnte aber sonst nichts hören und auch kein weiteres Lebewesen im Inneren wahrnehmen. Vorsichtig drückte er die Tür auf und ein lautes Klingeln verriet seine Ankunft. Innerlich fluchte er und konnte Schritte vernehmen, die sich über die knarrenden Holzdielen auf ihn zubewegten. Er war schon gefasst darauf angegriffen zu werden, als ein strohblonder Junge, ungefähr in seinem Alter, den Kopf durch den Rahmen der zweiten, weitgeöffneten Tür, links von ihm, steckte. Das musste Billy sein. Er erinnerte sich noch flüchtig an ihn. „Du bist Scott, oder?“ „Bin ich“, nickte er und lächelte aufmunternd. Das war eindeutig der Junge vom Telefon. „Gut, dann…“ Billy bedeutete ihm in die Werkstatt zu folgen. Er war sichtlich nervös und angespannt. Verwunderlich war dieser Umstand nicht, wenn man bedachte, was dem letzten Mechaniker passiert war, der um diese Uhrzeit gearbeitet hatte. Scotts Augen wurden größer beim Anblick seines Bikes. Es sah ganz anders aus als erwartet. Das Grün der Kotflügel wirkte satter und kräftiger, während das Weiß der restlichen Teile deutlich heller zu sein schien, fast schon glänzte. Sogar die Radspeichen hatte man auf Hochglanz poliert. Hinzu kamen noch neue Reifen, ein neuer Lenker und ein neuer Auspuff. Eigentlich schien alles an seinem Bike neu zu sein, bis auf die Tatsache, dass man die äußeren Teile wohl gleichgelassen hatte. Ein neuer schwarzer Motorcrosshelm, mit einem anständigen Visier und einem spitzen Mundschutz, hing über dem linken Lenker. Gleiches galt für ein nigelnagelneues Paar Handschuhe, ebenfalls in der gleichen Farbe. „Ähm, Billy, bist du dir sicher, dass du nicht etwas verwechselt hast? Ich meine, das da ist zwar mein Bike, aber…“ Scott schüttelte ungläubig den Kopf. Er hatte nur ein paar Kleinigkeiten machen lassen wollen, nicht eine Generalsanierung mit neuem Equipment. „Bin ich. Der Typ, der am Nachmittag in die Werkstatt gekommen ist, war da eindeutig. Meinem Chef sind die Dollarzeichen förmlich aus den Augen gesprungen, als er mich fragte, ob ich eine Nachtschicht einlegen würde.“ Billy rieb sich verlegen den Oberarm. „Bei 150 Dollar war das natürlich klar.“ Der Werwolf verschmälerte die Augen und starrte Billy eindringlich an. „Ein Typ? Wie meinst du das? 150 Dollar? Das ist ja fast die Hälfte von den Reparaturkosten.“ „Ja, so heute, gegen fünf, ist ein Junge aufgetaucht, ungefähr in deinem Alter. So einen Wagen wie den habe ich noch nie gesehen, der muss sündhaft teuer gewesen sein. Alleine schon die Karosserie hat wahrscheinlich mehr gekostet als unser gesamtes Inventar und der Lagerbestand an Ersatzteilen. Jedenfalls ist er schnurstracks zum Chef und hat ihm wohl ein hübsches Sümmchen in Aussicht gestellt dafür, dass wir die Reparatur deines Bikes vorrangig bearbeiten. Der Chef ist sogar extra nach Sacramento gefahren, um die Ersatzteile noch heute in die Finger zu bekommen. Der Junge muss ihn verdammt gut bezahlt haben, wenn du mich fragst.“ Billy lächelte schüchtern. „Ich hoffe, du bist zufrieden?“ Scott war einerseits überglücklich sein Bike wiederzuhaben, aber andererseits auch fassungslos und entsetzt, da es nur einen Jungen in Beacon Hills in ihrem Alter geben konnte, der vermögend genug war, und auch verrückt genug, als dass er wahrscheinlich ein paar Riesen springen ließ, um ein Dirtbike, welches seine besten Jahre schon hinter sich hatte, in einen Topzustand zu versetzen. „Was war es denn für eine Automarke? Kannst du den Jungen beschreiben?“ Scott wollte dennoch sicher gehen. „Mh, ein Mercedes. Keine Ahnung wie der Typ an den Wagen gekommen ist. Das Kennzeichen war aber komisch, keine kalifornische Nummer, wahrscheinlich nicht mal eine aus den Staaten. Ja und der Junge… mh, lass mich mal überlegen. Er war etwas kleiner als du, dunkelblond und er hatte eine Zahnspange. Ja, genau, daran erinnere ich mich, weil er mir einen giftigen Blick zugeworfen hat, als ich eine Sekunde zu lange in sein Gesicht gestarrt habe. Da hat sie aufgeblitzt, ganz eindeutig.“ Scott massierte sich die Schläfen. Das war wohl Lukes Form einer Entschuldigung. Er fischte gleich sein Handy heraus, um seinen Freund anzurufen, doch dieser nahm natürlich nicht ab. Alles andere wäre auch zu einfach gewesen. Seufzend ließ er das Smartphone wieder in seine Jackentasche gleiten und bemerkte dabei Billy, der ein ziemlich niedergeschlagenes Gesicht machte. „Das hat mit dir nichts zu tun. Ich bin nur ein wenig… überrumpelt.“ „Weil dir der Junge das Bike reparieren hat lassen?“ „Das ist eindeutig übertrieben und auch völlig unnötig“, sagte der Werwolf, mehr zu sich selbst als an Billy gewandt. „Deine Arbeit ist aber nicht zu bekritteln. Ich bin mehr als zufrieden.“ Dabei lächelte er ihn an. „Ich komme dieser Tage vorbei, um dich zu bezahlen, okay?“ „Aber wir sind doch schon bezahlt worden?“ Billy legte den Kopf leicht schief und schob die Hände in die Hosentaschen. „Ja, aber ich komme für meine Sachen selbst auf und zumindest du solltest den versprochenen Lohn bekommen, okay?“ „Na, von mir aus.“ Der Auszubildende zuckte mit den Schultern. „Ich wünsche jedenfalls eine gute Heimfahrt – das Teil hat jetzt deutlich mehr Leistung. Du wirst in Windeseile zuhause sein.“ Ein Grinsen stahl sich auf Billys Züge. Scott stimmte in das Grinsen ein und bestieg sein Bike. Er schob einmal sämtliche Gedanken an etwaige Kosten und auch an Luke beiseite, zumindest für die anstehende Heimfahrt. Trotz allem war er eben doch nur ein Teenager, der sich für schnelle Fahrzeuge, seien es jene mit vier oder mit zwei Rädern, begeistern konnte. Diesen Rückweg würde er genießen und sich dann wieder dem Grübeln hingeben, aber nicht vorher. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)