The Tiger and the Wolf von SuperCraig ================================================================================ Kapitel 31: Ein Rennen mit Schuldgefühlen ----------------------------------------- Scott und Stiles hatten eigentlich nicht damit gerechnet, dass das Rennen stattfinden würde. Jackson war klargemacht worden, was sein Alpha davon hielt und ihrer beiden Hoffnungen ruhten auf Lydia, die Luke eventuell zur Vernunft bringen würde. Mehr aus einem Bauchgefühl heraus waren sie dennoch den Weg zum alten Eisenbahndepot angetreten. Den Fußweg nutzten sie aktiv für ein Gespräch unter besten Freunden. „Und wie küsst Richboy im Privaten so?“, wollte Stiles neugierig wissen. „Was geht dich das an?“, schnaubte der Werwolf und rieb sich dabei den Nacken. Das war oberpeinlich – sein bester Freund besaß einfach keine Moral und keinen Anstand. „Neugierde?“ Der Sohn des Sheriffs legte den Arm um die Schultern seines Begleiters und grinste breit. „Also?“ „Ganz gut“, seufzte Scott und gab sich dann geschlagen. „Er küsst gut.“ „Gut? Das klingt aber nicht gut?“ Stiles rückte noch ein wenig näher an ihn heran. „Besser als Allison?“ Der Alpha hatte vergessen wie nervtötend sein bester Freund sein konnte. Diese Grenzen, die man aus Anstand eigentlich nicht überschritt, waren für ihn höchstens Richtlinien, welche man je nach Belieben weiter nach hinten verschieben konnte. Was sollte er nun darauf antworten? „Ich vergleiche Luke nicht mit Allison“, gab Scott zurück und biss sich auf die Unterlippe. Das war nämlich eine glatte Lüge. Unbewusst hatte er diesen Vergleich bereits öfter gezogen. „Tust du doch!“, grinste Stilinski junior wissend. „Jetzt spann mich nicht auf die Folter.“ „Du hast doch selbst einen Gefährten? Warum interessiert dich dann mein Freund?“ Scott rieb sich über die Stirn und seufzte leise. „Ehekrise zwischen Derek und dir? Nun stahl sich auch auf die Lippen des Werwolfs ein Grinsen. „Weil es dein erster ist.“ Stiles rückte lachend näher an Scott heran. „Ich will meinen Schwager in spe schließlich alsbald von seiner netten Seite kennenlernen oder zumindest begreifen, warum er dein Herz erobern konnte, denn mir gegenüber verhält er sich wie ein Vollarsch.“ Darauf wusste der Alpha ehrlich gesagt nichts zu erwidern. Lukes ambivalentes Verhalten war nicht zu entschuldigen, aber irgendwie auch nicht zu korrigieren. Ihm gegenüber verhielt er sich handzahm, während er nahezu jedem seiner anderen Mitschüler, mit Ausnahme nun von Lydia, ein Auftreten an den Tag legte, welches es schwer machte, ihn zu mögen. „Er küsst sehr gut“, nuschelte Scott und trat damit die Flucht nach vorne an, frei nach dem Motto „Ablenkung vom eigentlichen Thema“. „Aha!“, machte Stiles triumphierend. „Ich wusste es!“ „Du wusstest was?“ „Dass er gut…“ Mitten im Satz brach sein bester Freund ab, denn sie konnten bereits von Weitem lautes Gejohle und Gegröle hören. Die Zeit bis zum Eisenbahndepot war wie im Flug vergangen oder Scott hatte sich einfach verschätzt, was die Wegdauer anbelangte. Sie beide sahen sich ungläubig an, ehe sie ihre Schritte beschleunigten. Dereks ehemaliges Versteck war noch immer genau so, wie sie es in Erinnerung hatten: Verfallen und schmutzig. Hier hatte er Erica, Boyd und Isaac an Vollmond versucht zu bändigen. Das war bevor sie ins Loft umgezogen waren. Letzteres war ein weitaus angenehmerer Ort als die kalte und unfreundliche Umgebung dieses Areals. Eigentlich hätte hier nichts los sein dürfen, das Depot war sogar abgesperrt, doch Gitter konnte man aus den Verankerungen lösen und so hatte sich bereits eine Traube um den schwarzen Mercedes und den grauen Porsche gebildet. „Das darf doch nicht wahr sein“, schimpfte Scott und drängte sich zwischen den Schaulustigen hindurch. Gefühlt war die gesamte High School anwesend. Über Geschrei und Geschnatter legten sich Motorengeräusche. Jackson sah fest entschlossen aus, seinen Kontrahenten in die Schranken zu weisen, während von Luke jedwede Spur fehlte. Die Tatsache, dass der Mercedes vor sich hin schnurrte, war Bestätigung genug, um den ungefähren Aufenthaltsort des Fahrers zu lokalisieren. Durch die getönten Scheiben konnte man nichts erkennen. Zielstrebig hielt der Alpha auf die Fahrertür des schwarzen Sportwagens zu und stellte zu seiner Entrüstung fest, dass Luke sie wohl abgeschlossen hatte. Ein kurzer Seitenblick eröffnete ihm Stiles, der die gleiche Erfahrung wohl bei Jackson machte. Er deutete auf sein Handy, welches er aus der Hosentasche zog und rief ihm irgendetwas zu, was aber in der Geräuschkulisse der Menge unterging. Scott schmerzten schon die Ohren von dem Trubel, der herrschte. „Mach auf“, zeterte er und hämmerte mit der Faust gegen die Scheibe auf der Fahrerseite. „Ich will mit dir reden.“ Als keine Reaktion folgte, überlegte er kurz, die Tür mit Gewalt aufzubrechen, doch dafür gab es hier zu viele Zeugen und auch wenn er den Ruf als der Spitzensportler an der Beacon Hills High mittlerweile weghatte, eine noch so leichte Autotür aus ihrer Verankerung zu reißen, war auch einer Sportskanone nicht möglich. „Lass ihn“, meldete sich eine weibliche Stimme hinter ihm zu Wort. Scott war in der Lage eine Hand auf seiner Schulter spüren. Er drehte sich um und konnte einer sich köstlich amüsierenden Lydia ins Gesicht schauen. „Du hast diesen ganzen Irrsinn angestiftet, also beende ihn auch wieder!“, fuhr er sie an, wobei das die Banshee nicht im Geringsten zu irritieren schien. „Sei froh, dass ich geistesgegenwärtig ihre Aggressionen auf etwas Harmloses lenken konnte“, erwiderte sie ruhig. „Oder sie hätten sich beide gegenseitig zerfleischt.“ „Harmlos? Du nennst das harmlos?“ Scotts Augenbrauen schoben sich nach unten und er streifte ihre Hand mit einem Zucken seiner Schulter ab. „Schon vergessen was Jackson ist? Das hier ist verdammt gefährlich und Luke ein viel zu stolzer Mensch, um nachzugeben. Hast du eine Ahnung, was hier passieren kann? Er kann dabei sterben!“ „Wird er nicht. Vertrau ihm einfach.“ Lydia griff Scott am Handgelenk und zog ihn vom Mercedes weg, welcher nun vollständig zum Leben erwachte. „Er weiß was er tut. Du solltest dir deine Vorwürfe für nach dem Rennen aufheben.“ Damit drehte sie sich um und stolzierte, ganz in ihrer eleganten und aufsehenerregenden Art, nach vorne, zwischen die beiden Autos. Theatralisch hob sie ihre Hände in die Höhe und zählte dann langsam von fünf herunter. Sowohl der Mercedes, als auch der Porsche, vibrierten dazu im Takt. Bei null angekommen schnellten Lydias Hände nach unten und die Hinterräder der beiden Autos gingen durch. Scott glaubte taub zu werden, bei dem Lärm, den der Wagen seines Freundes erzeugte. Der Gestank von verbranntem Gummi, in Kombination mit weißem Qualm, erzeugte ein zusätzlich unerträgliches Ambiente für einen Werwolf. Das Jubeln und Getose der Menge nahm noch einmal zu, als die beiden Sportautos sich endlich von ihrem Platz entfernen durften. Wie zwei eingepferchte Raubtiere, denen man die Freiheit aus einem bedrückenden Käfig heraus geschenkt hatte, schossen sie nach vorne und auch wenn Scott es nicht hätte hören dürfen, so war er in der Lage, einen ganz bestimmten Herzschlag zu vernehmen. Ein Klang, welcher sogar über die ohrenbetäubende Geräuschkulisse hinweg zu vernehmen war. Zum Herzschlag gesellte sich aufgeregter Atem und eine Mischung aus Trauer und Aufregung. Trauer, denn er hatte jemanden verletzt, jemanden der ihm sehr viel bedeutete und Aufregung, denn gerade wegen dieser Tatsache durfte er nicht verlieren. Da war aber auch noch Angst: Angst diesen Jemanden zu enttäuschen. Dies würde bedeuten den Fehler einzugestehen, den man gemacht hatte. Hinzu kam noch verletzter Stolz. Genau an jenem Punkt tat sich der Alpha schwer nur wütend auf seinen Freund zu sein. Natürlich war es eine riesige Dummheit, sich überhaupt auf dieses Rennen einzulassen und es war absolut unnötig, aber Lukes Angst, ihn zu enttäuschen, sie war für ihn fast greifbar. Er brauchte keinen Spiegel um zu wissen, dass er angedeutet lächelte. Sehr zu Stiles´ Missfallen, der ihm einen dezent verärgerten Blick zuwarf. Mit seinen übermenschlichen Sinnen war Scott in der Lage, das Schauspiel des Rennens von der Ferne gut beobachten zu können. Der Mercedes hatte nach kurzer Zeit die Nase vorne und war bereits um den alten ausrangierten Zug vorbei, der auf einem vereinsamten Stück Gleis Posten bezogen hatte, als ihm Jackson folgte. Dessen Augen glühten durch die Scheiben des Porsches hindurch blau auf. Innerlich betete der Alpha, dass er einfach zu weit weg war, als dass die Zuschauermenge diesen Umstand wahrnehmen konnte. Beide Wagen hielten nun mit rasanter Geschwindigkeit auf die Menge zu, der schwarze Sportwagen dem silbernen noch immer weit überlegen. Euphorie breitete sich in Scott aus, die eindeutig nicht seinen Gefühlen entsprang. Lydia stand noch immer an der Ausgangsposition des Starts und rührte sich auch nicht vom Fleck, als die Kontrahenten in Reichweite kamen. Ein kurzer prüfender Blick in Richtung Jackson offenbarte ihm wieder gewöhnliche menschliche Augen, während sich dessen Hände um das Lenkrad krallten. Die Zuschauer machten inzwischen den Rückkehrern Platz und sobald Luke Lydia passiert hatte, stieg er wohl auf die Bremse, denn der Mercedes kam kurz darauf zum Stillstand. Jackson folgte in einem Abstand von mehreren Sekunden und machte ein säuerliches Gesicht. Bevor irgendjemand auch nur Lukes Wagen zu nahe kommen konnte, quietschten die Reifen und gingen durch, wobei er einen halben Donut vollführte und die Beifahrerseite dann passgenau neben Scott anhielt. Mit einem Ruck sprang die Tür auf und er ergriff sie ohne zu zögern, um einzusteigen. Die Geräuschkulisse von draußen wurde gedämpft, sobald er eingestiegen war und wurde ein letztes Mal noch vom Aufheulen des Motors übertönt, ehe sie sich, bevor der Werwolf weiter reagieren konnte, auch schon mit halsbrecherischer Geschwindigkeit davonmachten. Luke starrte stur nach vorne, sich gelegentlich mit der Schulter über die Wange streichend. Einen Seitenblick zu ihm schien er nicht einmal in Betracht zu ziehen. „Du bist sauer“, stellte er ohne Umschweife leise fest. „Ich werde wirklich sauer, wenn du noch länger in diesem Tempo fährst“, korrigierte ihn Scott. „Das ist gefährlich, nicht nur für uns, sondern auch für die anderen Straßenteilnehmer.“ „Ich fahre besser als neunundneunzig Prozent der Leute in dieser Stadt“, gab der Brite zurück. „Und kenne meine Grenzen besser als die meisten anderen.“ „So wie beim Orientierungslauf, hm?“ Diese simple und doch durchaus scharf formulierte Frage ließ Luke tatsächlich das Tempo reduzieren. Auf seiner Stirn bildete sich eine Furche und seine Fingerknöchel traten weiß hervor, was seiner Haut an besagter Partie einen extrem blassen und ungesunden Eindruck verlieh. Es bedurfte keiner Werwolfssinne, um zu erkennen, dass sich sein Gegenüber sehr wohl schuldig fühlte, doch so konnte Scott die Verzweiflung auch noch riechen, die mit diesem Gefühl einherging. Die Angst, ihn verloren, ihn enttäuscht zu haben. „Wie kann ich es wiedergutmachen?“ Mit dieser Frage hatte der Alpha nicht gerechnet. Er war von einem Versuch der Erklärung ausgegangen, einer Rechtfertigung, dem systematischen Niedermachen von Jackson, kombiniert mit einer Schuldzuweisung an diesen, aber nicht mit einem quasi Schuldeingeständnis. Und genau deswegen war es ihm auch nicht möglich eine schlüssige Antwort zu geben: Er wusste es nämlich selbst nicht. „Du willst nicht mehr mit mir zusammen sein, oder?“ Lukes Stimme war nicht mehr als ein Flüstern und der Wehmut in seinen Worten tat sein Übriges um Scott leise seufzen zu lassen. Anstatt ihm eine Standpauke zu halten, entschloss er sich dazu, seine Hand auf die von Luke zu legen und dann den Kopf zu schütteln. „Doch, will ich noch, aber ich weiß ehrlich gesagt nicht, was ich darauf erwidern soll. Du warst hitzig, unüberlegt und hast nicht nur Jackson, sondern vor allem dich in Gefahr gebracht. Was, wenn du dich dabei verletzt hättest oder sogar gestorben wärst? Hast du daran mal gedacht, hm? Was das für deine Familie bedeutet hätte, deine Freunde, mich?“ Er bemühte sich nicht vorwurfsvoll zu klingen, doch gelang ihm das mehr schlecht als recht. Lukes Finger zuckten unter der Berührung durch seinen Freund, aber der Blick war noch immer starr auf die Straße gerichtet. Er öffnete den Mund, schloss ihn dann aber wieder und verzog das Gesicht. Seine Schultern hingen nach unten und er schüttelte sich, so als ob er frösteln würde. Nach einer Weile des Schweigens hielten sie an und Scott konnte sein Haus erkennen, vor dem sie parkten. „Macht es dir etwas aus, wenn ich allein sein möchte, Scott?“ Luke schob die Lippen nach innen und kratzte sich mit dem Daumen am rechten Nasenflügel. „Egal was ich jetzt sage oder mache, es wird die Situation nur noch verschlimmern.“ „Ich…“ Auch damit hatte Scott nicht gerechnet. Wollte er ihn alleine lassen? Sollte er? Konnte er? Warum fühlte er sich auf einmal schuldig, so als hätte er etwas falsch gemacht? Das war nicht richtig. Konnte nicht richtig sein. Die Beifahrertür schwang auf und der Brite sah auf der Fahrerseite aus dem Fenster. „Ich habe noch etwas zu erledigen, entschuldige mich.“ „Warum bist du jetzt sauer auf mich?“ Scott richtete seine Augen auf Luke und überlegte kurz, ob er ihn mit sanfter Gewalt dazu zwingen sollte, ihn anzusehen. Er wich ihm aus und doch fühlte sich der Werwolf irgendwo schuldig, weil er zu wenig Verständnis für diese Situation aufbringen konnte. „Ich bin nicht sauer, aber ich ertrage es nicht, wenn du in meiner Gegenwart niedergeschlagen bist, zumindest wegen mir“, gab Luke zurück. „Du hast nichts falsch gemacht – der Fehler liegt auf meiner Seite und ich werde mich nach Kräften bemühen, ihn wiedergutzumachen. Nur bis dahin ist es notwendig, dass ich mir überlege wie und das kann ich nicht in deiner Gegenwart.“ Seine Lippen presste er zu einem blutleeren Strich zusammen, ehe er anfügte: „Grüß deine Mutter schön von mir.“ Irgendwie war Scott klar, dass er nun überhaupt nicht zu seinem Freund durchdringen konnte und so entschied er sich, dessen Wunsch Folge zu leisten. „Du weißt aber, dass wir dieses Problem so nicht lösen können, oder?“, erkundigte er sich sanft und stieg aus. „Wir?“ Luke schüttelte den Kopf und sah ihm nun tatsächlich in die Augen, wobei er die Lider rasch niederschlug. „Ich muss dieses Problem lösen, nicht du.“ Damit schwang die Tür zu und der Wagen setzte sich in Bewegung und ließ Scott alleine zurück, der nun vollkommen überfordert war: überfordert mit der Situation, überfordert mit seiner Gefühlswelt und vor allem überfordert mit sich selbst. Er hatte nichts falsch gemacht und fühlte sich doch hundeelend. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)