Das höllische Hotel von Dollface-Quinn ================================================================================ Epilog: Regenerierendes Resümee ------------------------------- Das Portal entließ sie direkt im Salon von Aeneas‘ halb unterirdisch gelegener, griechischer Villa an der Apollo Küste wieder in die Welt der Sterblichen. Die Einrichtung erinnerte an einen typischen Mens Club in gehobenem Stil. Große Fenster, vor denen dünne Vorhänge zugezogen waren, Wandleuchter und ein großer Kamin bildeten die Quellen des stimmungsvollen Zwielichts und durch die offene Balkontür wehte eine frische Seebrise die Geräusche des gerade erst angebrochenen Morgens herein. Schwer seufzend schleppten Chorão und Luzifer Aeneas die paar Schritte zu einem großen Ohrensessel und luden ihren mordsschweren Boss darin ab. Anschließend ließ sich der Halbdämon auf der anderen Seite des daneben stehenden Beistelltischs mit dem Kognak auf ein Sofa fallen. „Na das war ja mal voll für den Arsch.“, bemerkte der Peruaner frei heraus. Während er sich großzügig und ungezwungen einschenkte, schrumpfte sein Körper auf die Größe und Gestalt eines gut gebauten menschlichen Mannes zurück. Fragend gestikulierte er mit der Flasche in Richtung des Gorgonen, doch jener hob die weiße Hand zum Zeichen, dass er nichts trinken wollte. Luzifer verschweand derweil in den Schatten des großen Sessels und ließ die Schultern von hinten gegen dessen Rückenlehne fallen. So entwand er sich sowohl der Reichweite als auch den Blicken der Mächtigen im Raum, ohne den Saal dafür verlassen zu müssen. Aeneas lehnte sich in seinem Sessel zur Seite, um seine Schusswunde zu entlasten. Der Baron von Tross hatte sie zwar hervorragend erstversorgt und mit Magie die Heilung bereits weit vorangetrieben, aber das Gewicht des muskelbepackten Hünen lastete doch schmerzhaft darauf. Er hatte das Kinn in die Rechte gestützt und sinnierte über das Geschehene nach. Kjósa mühte sich unweit der Sitzgruppe mit Jérôme ab, dem die Rückkehr ins Diesseits überhaupt nicht bekam. Er fürchtete sich vor dem bisschen morgendlichem Sonnenlicht, das durch die sommergelben Vorhänge und die offene Balkontür ins Zimmer spähte. In der Hölle hatte es kein Sonnenlicht gegeben. Nun da er wieder all den schädlichen Einflüssen einer lebendigen Welt ausgesetzt war, da verzehrte den Blonden ein reißendes Gefühl des Verlusts. Dort unten hatte der Dämon in ihm geführt. Hier oben kämpfte der Vampir in ihm wieder gegen den Menschen, der er mal gewesen war. Jérôme war als Vampir noch sehr jung. Erst zwei Jahre war seine Verwandlung her und die pure Reizüberflutung seiner Sinne, verwirrten ihn oft noch so sehr, dass er quasi Amok lief, wenn Aeneas ihn nicht am kurzen Zügel hielt. Gequält von einer plötzlichen, erdrückenden Müdigkeit angesichts der Tageszeit, verängstigt wegen des Sonnenlichts und gequält von dem Gefühl, aus einem Paradies gerissen worden zu sein, wehrte er sich hysterisch fauchend gegen Kjósa, die ihn zwar körperlich bändigen, nicht aber am Herumlärmen hindern konnte. Als der Vampir begriff, dass sie ihn nicht loslassen würde, begann er zu jammern und zu weinen. Er flehte erst Kjósa und dann Aeneas an, Mitleid mit ihm zu zeigen, denn er konnte seine Pein nicht recht lokalisieren, um exaktere Wünsche zu äußern. Er fühlte sich sehr schlecht und wollte nur, dass dieser Zustand aufhörte. Schließlich blickte der riesenhafte Albino im Ohrensessel grimmig aus seiner versonnenen Denkerhaltung auf und befahl der Banshee, den Knaben rauszubringen. Von der Fürsorge und Zärtlichkeit, die Aeneas Jérôme in der Hölle hatte angedeihen lassen, war nichts mehr zu spüren. Kjósa tat wie ihr geheißen. Grob zerrte sie den Franzosen an seinen dürren Armen aus dem Salon und bald darauf kehrte endlich Stille ein. Die Stille währte eine ganze Weile, während der Gorgone die vergangenen Ereignisse im Kopf Revue passieren ließ. Nur das gelegentliche Klackern der Eiswürfel im Kognakglas des Halbdämons untermalte die Ruhe. Schließlich machte der Grieche Anstalten, sich aus seinen Business Klamotten schälen zu wollen und sofort kam ein Butler herbei geeilt, der sich bisher respektvoll hinter der Bar gehalten hatte. Die Tatsache, dass der Feenelf einen halben Meter über dem Boden schwebte, erleichterte ihm die Aufgabe, Aeneas aus Jackett und Hemd zu helfen, ungemein. Schließlich nahm er auch noch den Gürtel seines Herr von jenem entgegen und eilte aus dem Zimmer. In Unterhemd und Hose machte der Grieche nun einen wesentlich häuslicheren Eindruck. Auf seinen Schultern sortierten sich die Leiber der Pythons neu, die durch die Aktion nun wie aufgeweckt züngelten und durcheinander krochen. Schließlich erhob er die Stimme. „So unberechenbar diese Höllenwesen auch sein mögen, ich kann nicht leugnen, dass der Aufenthalt unter ihnen nicht spurlos an mir vorbei ging. Es war eine durchaus interessante Erfahrung.“, gab Aeneas freimütig zu, „Die Sache klang anfangs wesentlich aussichtsreicher, als sie letztendlich gewesen wäre.“, meinte er mit unverändert tiefer, raspelnder Stimme, „Aber um eins ist es dennoch schade. Das Buch, das der Imp erwähnte, jenes, das er von seinem anonymen Gönner ausleiht und welches ihm Portale in unsere Welt öffnet. Ich hätte es zu gerne einmal gesehen.“, gestand der Hüne. „Wozu denn? Wir sind doch schon hier. Und Scheiße, ich bin darüber nicht unglücklich!“, grummelte der Halbdämon unbedacht. Er leerte sein Glas und schenkte sich nach. Der Gorgone wickelte sich nachdenklich einen langen Python um den massigen Unterarm. „Rein kulturelles, um nicht zu sagen literarisches Interesse, Colt.“, erklärte Aeneas, wobei er seinen Freund und Kollegen beim Spitznamen nannte, „Ich kann nicht sagen, ob es gut ist, dass die Unterwelt dieses Werkzeug besitzt. Aber ich wüsste zu gerne, wer es verfasst hat. Außerdem schafft es auch Portale zurück in die Hölle. Wer es besitzt, kann demnach ungehemmt zwischen den Dimensionen pendeln.“, schloss er. Chorão hielt mitten im Schluck inne. Jetzt erreichte die Information auch ihn. „Du meinst, wenn wir dieses Buch hätten, könnten wir uns an den Vorteilen der Hölle einfach bedienen, ohne mit irgendwem einen Handel eingehen zu müssen? Du durchtriebener Hund!“ Er lachte. „Aber was hilft es? Wir haben das Buch nicht. Und jetzt werden wir auch garantiert nie wieder zurück können, um es zu holen. Die Sache ist gelaufen.“, meinte er und sein Tonfall hatte etwas Endgültiges. Ein leises, dreckiges Kichern, wie der keckernde Ruf einer Elster wurde in der angenehmen Stille des Raumes laut. Chorão sah auf und wandte den Kopf. Er lokalisierte das Geräusch sofort. Es kam hinter dem Sessel hervor, in dem Aeneas saß. „Ich fürchte, Kjósa hat beim Aufräumen einen vergessen.“, nuschelte Chorão abfällig in sein Glas und rümpfte die Nase. „Komm raus, Schmuckstück.“, befahl der Gorgone nebensächlich. Er machte nicht den Anschein, als habe er vergessen, dass Luzifer im Raum war und er brauchte den Verursacher des keckernden Lauts auch nicht erst aus seinem Versteck zu zerren. Luzifer trat von ganz allein hinter der Lehne des Ohrensessels hervor, an welcher er gelehnt hatte. „Kann mir schon denken, dass es ne wertvolle Erfahrung für dich war, zur Abwechslung mal zu den Kleinen und Schwachen zu gehören. Shit, ich dachte, du wärst n abgebrühtes, notgeiles Riesenreptil, aber die Gestalten da, boar ey, die hätten dich locker gefrühstückt.“, feixte der Gargoyle schamlos. Vorsichtig kam er um den Sessel herumgeschlichen, achtete aber darauf, nicht in Reichweite von Aeneas‘ langen, kräftigen Armen zu geraten. Ein dreckiges Grinsen klebte auf seinen Lippen und die violetten Augen funkelten. Der Grieche blieb gelassen sitzen und betrachtete den Gargoyle durch seine dunklen Brillengläser. Er ahnte, dass sein Junge sich diese Spottlieder auf ihn nicht erlauben würde, wenn er keinen schlagenden Trumpf im Ärmel hätte, also wartete er geduldig ab. Für seine Frechheiten bestrafen, konnte er ihn später immer noch. „Falls du dich fragst, wie mir der Ausflug in die Hölle gefallen hat...“, Aeneas warf an dieser Stelle mit ruhiger Stimmer ein gelassenes „Tue ich nicht.“ ein, „… es war zu Kotzen! Du hast mich allein gelassen! Ich wurde von Dämonen gejagt, gefangen und als Spieleinsatz verzockt! Als ich dich fand und kam, um bei dir Schutz zu suchen, hast du mich abgewiesen! Ein Feuer spuckender Leder- und Abgasfetischist wollte mich meucheln! Ich musste einen Mord vertuschen helfen, den du begangen hast. Und dann lässt du mich wieder im Hotelzimmer allein! Und zwar ans Bett gefesselt!“, zählte er dem Gorgonen all die Vorwürfe auf, die er ihm machte. Chorão stöhnte genervt. „Hört der Wicht auch irgendwann mal auf zu quaken, oder muss man ihm erst den dürren Hals umdrehen?“, fragte er und stellte schon mal sein Glas ab, als wolle er gleich aufstehen, um seine Drohung wahr zu machen. „Wo bleibt die Pointe, Schmuckstück, ich warte.“, entgegnete der Grieche gelangweilt und rieb sich mit den Fingerspitzen über die weiße Stirn. „Die Pointe?“, fragte Luzufer grinsend, „Der Witz ist doch, dass ich all diese Schikanen über mich ergehen lassen musste, während du dich mit der Höllenbrut amüsiert hast und trotzdem kommst du mit leeren Händen zurück.“ Er verstummte und sein teuflisches Grinsen wurde breiter. Aeneas nahm die Finger von der Stirn, als ereile ihn gerade die Erkenntnis. „Jetzt reicht‘s mir mit dem Wicht, Boss! Wenn du ihn nicht zum Schweigen bringst, tu ich es!“, bellte der Halbdämon gereizt und zeigte mit einer Hand, die plötzlich wieder zur schwarzen Dämonenklaue mutiert war, auf Luzifer, während er sich bereits drohend vom Sofa erhob. „Setz dich, Colt!“, peitschte Aeneas‘ Befehl durch die ruhige, morgenfrische Luft. Überrascht ließ sich Chorão auf das bequeme Polster zurückfallen und beobachtete den Gorgonen mit gerunzelter Stirn. Aeneas‘ dunkle Brillengläser dagegen fixierten den Gargoyle. „Was hast du?“, fragte der Albino mit beeindruckender Sachlichkeit. Luzifer legte artig die Hände hinter dem Rücken ineinander und schnalzte tadelnd mit der Zunge. „Tze, tze,tze. Jetzt stell dir mal vor, mir wäre da unten etwas zugestoßen. Dann würdest du jetzt hier sitzen, Trübsal blasen und dich ärgern, dass der ganze Trip für die Katz war.“, provozierte er, den Oberkörper leicht vorgebeugt und schmierig grinsend, aber immer noch weit außerhalb der Reichweite des Gorgonen. Die Stirn des schwarzhaarigen Halbdämons schlug immer tiefere Falten. Er verstand nicht, was hier vorging. Aber sein Boss hatte diese Art an sich, die Chorão sicher wissen ließ, dass er alles im Griff hatte. Luzifer hob den Kopf und sah den verstummten Chorão kurz an. Dann schwenkte sein violett leuchtender Blick zurück zu Aeneas und plötzlich hielt der Gamer etwas in der Hand, das der Mafia Boss unverwechselbar als das dunkelgrüne Notizbuch des Barons von Tross identifizierte. Offenbar hatte es unter Luzifers weitem Shirt in dessen Hosenbund gesteckt. Mit schelmischem, triumphierenden Lächeln hielt er es neben sein listiges Gesicht, damit Aeneas es sehen konnte. „Wenn du mich das nächste Mal an einen Ort ohne Internet und Spielkonsole mitschleppst, dann sorg‘ wenigstens dafür, mir gleich was zum Spielen in die Hand zu drücken, bevor du dich aufmachst, um der Herr der Hölle zu werden!“, verlangte er. Um die weißen Lippen des Gorgonen zuckte der Hauch eines Lächelns. Dann ließ er den Unterarm auf die Sessellehne fallen und hielt dem Jungen die geöffnete Hand entgegen. „Deal?“, fragte Luzifer. Sein Grinsen kippte aufgrund von Aeneas‘ Schweigen auf einmal nervös in Schräglage und seine Augen suchten hibbelig nach irgendeinem Zeichen der Reaktion im Gesicht des Alten. So langsam schien er sein freches Maul doch zu bereuen, als ihm klar wurde, dass Aeneas nur aufzustehen und drei Schritte auf ihn zuzugehen brauchte, um sich das Notizbuch zu nehmen und ihn anschließend einen Kopf kürzer zu machen. „Komm her.“, rollte der Befehl über die gespaltene Zunge des Griechen. „Deal?“, fragte Luzifer nun mit deutlich erhöhter Stimmlage. Sein Körper schien eher zurückweichen als dem Befehl Folge leisten zu wollen. An der offenen, weißen Hand krümmten sich wortlos die Finger und winkten den Italiener zu sich. Luzifer wusste aus Erfahrung, dass es nun so oder so unangenehm für ihn werden konnte, dass er für sich die Lage aber deutlich verschlimmerte, wenn er versuchte zu fliehen. Er schluckte, überwand sich und schlurfte auf den Koloss im Sessel zu, der auf ihn wartete. Dann ließ er das Notizbuch in die geöffnete Hand fallen und hoffte inständig, dass Aeneas ihm jetzt zumindest nicht weh tun würde. Der Albino fing das Büchlein geschickt auf und schlug es mit einer Geste seines Daumens auf. Es handelte sich tatsächlich um Tross‘ Notizbuch, in dem die Formel stand, mit der man Portale öffnete. „Wie?“, fragte der Koloss und hob den Blick, bis Luzifer spürte, dass er ihm in die Augen sah. Er zuckte lässig mit den Schultern. Seine Hände verschwanden in den Taschen seiner kurzen Sporthose und die Gummisohlen der Chucks scharrten lustlos über den Boden. „Denkst du, ich umarme Fremde immer zum Abschied?“, fragte er murrend zurück. Die Lippen des Albinos teilten sich und sein Grinsen entblößte die spitzen Schlangenfänge. Dann hielte er das Büchlein hoch, sodass Chorão es sehen konnte und meinte an den Halbdämon gewandt: „Hatte ich dir nicht versichert, dass er nützlich sein wird?“ Chorão knurrte. „Schon, aber ich dachte, ...“, grummelte der Peruaner vorgeführt vor sich hin. Luzifer war so frei, den Gedanken für ihn zu beenden: „..., ich sei nur zum Reinlunzen gut, was?!“ „Schnauze, Schmuckstück! Meinen Leuten gegenüber hältst du gefälligst dein Maul.“, herrschte Aeneas den Jungen an, streckte den linken Arm vor uns packte Luzifers Gesicht, bevor der Gargoyle ausweichen konnte. Schlanke Zockerfinger krampften sich Angst erfüllt um ein massives, weißes Handgelenk, aber Aeneas ließ nicht locker und schließlich wimmerte das Kunstwerk leise vor Schmerz. „Ich liebe diesen Körper, aber ich werde dich ohne zu zögern in winzige Juwelen zerbrechen, sollte sich auch nur einer meiner Leute, über dich beschweren. Klar?“, raunte er tief grollend in Luzifers gequetschtes Gesicht. „Klar, Chef. Sorry.“, wimmerte der Dieb kläglich im Griff des Kolosses. Aeneas ließ ihn los. „Geh.“, befahl er tonlos, während seine Aufmerksamkeit schon wieder dem Buch galt. Luzifer stand da, massierte sich mit den Fingern den Kiefer und warf dem Albino saure Blicke zu. „Über deine Belohnung reden wir später.“, fügte der Grieche nebensächlich hinzu. Diese Aussage, so unspezifisch sie auch dahergesagt war, zauberte dem Gargoyle sein Grinsen zurück ins Gesicht. Zufrieden verließ er den Raum. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)