Die Werwölfe vom Weihnachtswald von SuperCraig ================================================================================ Kapitel 1: ----------- In der Wohnung war es still. Nur das beständige Atmen seines Gastes, den er am liebsten gleich zur Tür hinauskomplementiert hätte, vermochte die Ruhe zu stören. Luke saß am Küchentisch, eine Tasse dampfenden Earl Greys vor sich, wie auch sein Gegenüber. Missmutig, fast schon griesgrämig, betrachtete er den Störenfried, wobei das nicht ganz korrekt war, denn schließlich war er nach ihm angekommen. „Was los, Richboy, hast du auf eine Reunion mit deinem Schatz gehofft?“, grinste ihm Stiles frech entgegen. „Halt die Klappe“, brummte der Brite und drehte die Tasse nachdenklich in seinen Händen. Sie zeigte das Bildnis eines kleinen Jungens, der Scott zum Verwechseln ähnlich sah. Das gleiche Gesicht, der gleiche Mund, die gleiche süße Nase, sogar die Haarfarbe war exakt gleich; nur ein einziger Aspekt passte nicht ganz. „Sie kommen sicher bald zurück. Scott und Derek wollten unbedingt selbst einen Weihnachtsbaum fällen“, erklärte ihm Stiles, während er sich freizügig an den Keksen auf dem blauen Teller bediente. „Idioten“, murmelte Luke kopfschüttelnd und nippte an seinem Tee. „Absolute Vollidioten.“ „Dir stinkt doch nur, dass du anstelle von Scott mit mir Vorlieb nehmen musst.“ Das traf den Nagel auf den Kopf. Der Brite hatte Stiles noch nie wirklich gemocht, betrachtete ihn mehr als ein notwendiges Übel, da er Scotts bester Freund war. Genauso wie er Derek nicht in seiner Nähe brauchte. Allison und Isaac waren in Ordnung, aber das lag wohl daran, dass sie zur Familie gehörten. Das taten Stiles und Derek zwar irgendwie auch, aber… „Korrekt“, bestätigte er dem Sohn des Sheriffs. „Du gehst mir auf den Geist und das jedes Mal, wenn ich deine Visage bloß sehen muss.“ „Awww, wie niedlich – du weißt ja, was sich liebt…“, wurde ihm breit entgegengegrinst. Luke ersparte sich jegliches Kommentar auf diese dumme Binsenweisheit. Er war hundemüde, was nicht nur an dem mehrstündigen Flug und auch der anschließenden Fahrt nach Hause lag. Komisch – er war hier eigentlich nicht zuhause, sein Heim befand in Großbritannien, dort war er groß geworden, in Cambridge. Doch Heimat ist dort wo das Herz wohnt und so fühlte er sich eben hier, in diesem Kaff, zuhause. „Wie war das Spiel?“, erkundigte sich Stiles und knusperte an einer Kokosmakrone herum. „Ging schon, ich werde wohl den Ligarekord brechen“, gab er gelangweilt zurück und nippte erneut an seiner Tasse. „Das steht jetzt schon fest?“ „Es werden Prognosen erstellt und ich habe bisher in nahezu jedem unserer Spiele einen Hattrick erzielt, von daher…“ Luke zuckte mit den Schultern und strich sich durch das dunkelblonde Haar, dabei fiel sein Blick wieder auf die Tasse. Nein, es waren zwei Aspekte, die den kleinen Miniaturscott von seinem erwachsenen Counterpart unterschieden. Stiles quasselte ihn weiter zu, wobei er ihm desinteressiert, möglichst einsilbig, antwortete. Hier in Amerika war Fußball keine wirklich beliebte Sportart, es gab ja schließlich Baseball oder Football. Das zeigte dem Briten nur wieder, wie fehlgeleitet diese Gesellschaft doch war – wer den Fußball nicht ehrte, der hatte keine Ahnung. „Bereust du es eigentlich?“, wechselte sein Gesprächspartner plötzlich das Thema und nickte in Richtung seiner Tasse. „Was bereuen?“ Luke blinzelte mehrmals und rieb sich mit Daumen und Zeigefinger über die Augen. Hatte er irgendetwas verpasst? „Na was wohl? Du hättest damals auch einfach anders handeln können und dir viel erspart.“ Das Mitgefühl in Stiles´ Worten klang ehrlich, doch er brauchte keine Almosen. Er hatte diese Entscheidung damals aus freien Stücken getroffen und sie nicht bereut, mal abgesehen von der Tatsache, dass die Wunde noch regelmäßig bei schlechtem Wetter schmerzte. Automatisch strich er über seine linke Brust; genau an der Stelle, wo sein Herz bedächtig vor sich hin schlug, prangte eine große Narbe. „Nein“, beantwortete Luke seine Frage ohne zu zögern. „Nichts davon.“ „Weißt du, dass er dir sehr ähnlich ist?“ Stiles schob sich einen kleinen Zimtstern in den Mund. „Ist er nicht und das ist auch gut so“, korrigierte er ihn. „Doch, denn er zögert genauso wenig wie du, das Richtige im entscheidenden Moment zu tun.“ Gerade als Luke etwas erwidern wollte, wurde der Schlüssel im Schloss herumgedreht und Stimmengewirr mischte sich unter den vertrauten weihnachtlichen Geruch einer frisch gefällten Tanne, die nur noch dekoriert werden musste. „Der Wald war so schön, verschneit und alles. Wir sollten öfter einen Weihnachtsbaum holen gehen“, plapperte eine äußerst vertraute Stimme. „Ja, dann wäre viel öfter Weihnachten!“, pflichtete ihr ein weibliches Exemplar bei. „Du bekommst doch sowieso alles, was du dir wünschst.“ Das war Scott, dessen Lächeln man quasi, trotz des leichten Tadels, förmlich hören konnte. „Gar nicht wahr! Laura hat letztes Jahr viel mehr bekommen als ich!“, meckerte die Jungenstimme. „Vielleicht war Laura auch braver als du?“ Bei Dereks Worten konnte Luke beobachten, wie in Stiles´ Gesicht ein warmer Ausdruck aufblitzte. „War sie nicht, oder, Laura?“ „Hm, weiß nicht. Onkel Scott, war ich braver als Jaden?“ Das Getrappel von Schuhen, wie auch das Geräusch von Reißverschlüssen und das Geraschel von Jacken, aus denen man sich schälte, brachte das Gespräch des Quartetts zum Erliegen. Für einen kurzen Moment war es totenstill in der Wohnung, bis zwei Gesichter um die Ecke lugten: Der kleine Miniaturscott, der sich seinen Haarschnitt mit Luke teilte und das eines kleinen Mädchens, das Stiles´ bleiche Haut und dessen karamellfarbenen Augen zu besitzen schien. Das war es auch, was den kleinen Jungen von Scott wirklich unterschied: Er hatte nicht dieses dunkle Braun geerbt, sondern ein sattes grau-grün. „Papa!“, rief der Junge und kam, in einen dicken schwarzen Pulli mit der Aufschrift „McCall“ auf Luke zugestürmt, die Arme bereits ausgestreckt. „Onkel Luke!“, folgte das Mädchen, im gleichen Pulli, nur in Rot und mit „Hale“ auf der Brust. Ehe er reagieren konnte, klebten schon zwei Kinder an ihm, wobei der Junge ihn fast erdrückte. Für seine sechs Jahre war er äußerst kräftig, genauso wie das Mädchen, welches sich ebenfalls an ihn drängte. „Da hat mich aber wer vermisst“, lächelte der Brite und nahm beide kurz in die Arme, ehe Laura von Stiles in Beschlag genommen wurde, was ihm einen leicht angefressenen Blick einbrachte, der erstaunlich dem von Derek glich. „Habe ich!“, nickte der Junge bekräftigend und legte seine Arme um seine Brust. „Ich auch!“, mischte sich Laura ein. „Ich glaube, wir alle haben Onkel Luke vermisst“, sagte Stiles und verpasste ihr einen kleinen Stupser mit seiner Nase. „Hast du mich nicht vermisst?“ „Natürlich habe ich dich vermisst, genauso wie Daddy“, entrüstete sich das Mädchen, als ob das eine dumme Frage gewesen wäre. „Du hast deinen Papa jeden Tag, Laura, ich meinen nur ganz selten.“ Jaden drehte sich zu Stiles und Laura hinüber und streckte ihr die Zunge heraus. Die beiden Kinder starteten ein ausgedehntes Wortgefecht, wobei sie sich an die jeweiligen Erwachsenen klammerten, welches wahrscheinlich sogar eine ganze Zeit lang weitergegangen wäre, hätten die zwei Werwölfe nicht damit begonnen, eine mannshohe Tanne durch die Wohnung zu schleifen. „Hallo, Babe“, strahlte Scott ihm entgegen und verpasste ihm einen Kuss auf die Wange. „Schön, dass du es doch noch geschafft hast.“ „Klar. Ich habe mich auch beeilt.“ Lukes Lächeln wurde noch ein wenig breiter und er stahl sich einen zweiten Kuss, ehe er Derek zunickte, der die Geste erwiderte. Dann nahm in der Junge auf seinem Schoß wieder in Beschlag. „Wir haben dein letztes Spiel gesehen! Du hast so toll gespielt. Das hat sogar Onkel Derek gemeint“, berichtete ihm Jaden und schmiegte sich an seinen Hals. „Hat er nicht“, brummelte besagter Onkel missmutig. „Scott, hilf mir mal eben.“ „Warst du denn zufrieden, Champ?“, wollte Luke wissen und zerstrubbelte ihm die Haare. „Klar. Ich mag es nur nicht, wenn der doofe Schiedsrichter dir eine gelbe Karte zeigt.“ „Ich auch nicht“, gluckste er und lehnte sich, mit seinem Anhängsel, das wie ein kleines Äffchen an ihm hing, im Stuhl zurück. Er ließ sich berichten, dass er beim letzten Diktat der Beste gewesen war, dass er gemeinsam mit Jonathan Kekse gebacken und Scott ihm versprochen hatte, dass sie alle Weihnachten hier feiern würden. Jaden war sein ganzer Stolz. Scott und er hatten lange Zeit überlegt, ob sie es versuchen sollten. Die moderne Medizin war mittlerweile in der Lage auch zwei Männern, unter Zuhilfenahme einer Leihmutter natürlich, ein Kind zu schenken. Darum hatten sie ihn auch Jaden genannt – Gott hat gehört und das hatte er. „Hakim hat dich auch vermisst, Papa, aber nicht so sehr wie ich!“ Jaden rieb seine Wange an der von Luke. „Ich weiß“, schmunzelte der Brite. „Wo ist er denn überhaupt?“ „Mit Onkel Jonathan bei Grandma. Sie hat dich auch ganz doll vermisst.“ Er musste ein Seufzen unterdrücken. Der kleine Junge in seinen Armen liebte ihn genauso wie Scott, genauso wie sein Hund und er hatte gedacht, das würde niemals möglich sein. Luke liebte ihn ebenso. Jedes Mal, wenn er ihn ansah, konnte er in das Gesicht seines Liebsten schauen. Mit 17 hätte er nie gedacht, dass er einmal eine eigene Familie haben würde, Menschen, die ihn tatsächlich mochten und auch brauchten. Auf Stiles und Derek hätte er zwar gut verzichten können, doch man arrangierte sich eben. „Bleibst du über Weihnachten, Papa?“, fragte Jaden plötzlich und verengte die Augen ein wenig. Für einen kurzen Augenblick schienen sie rot zu leuchten und er schnitt eine Grimasse, da Luke nicht sofort antwortete. „Möchtest du denn, dass ich bleibe?“, fragte er stattdessen und wurde mit einem heftigen Nicken bedacht. „Dann muss ich wohl bleiben, hm?“ Luke klingelten die Ohren bei dem Jubelgeschrei, welches gleich darauf ausbrach. Er beobachtete Scott und Derek, wie sie den Weihnachtsbaum präparierten und aufstellten, wobei sie sich dabei gar nicht so dumm anstellten wie gedacht. Seine Aufmerksamkeit wurde aber dann sogleich wieder von seinem Sohn beansprucht, der ihn gar nicht mehr loslassen wollte. „Hey, wisst ihr was?“, meldete sich Stiles und stoppte kurz in dem Unterfangen, die dunkelbraunen Haare seiner Tochter zu einem Zopf zu formen. „Ihr seid heute als Werwölfe in den Wald gestapft, um eine Tanne nach Hause zu schaffen – die Werwölfe vom Weihnachtswald, das klingt doch wie ein gutes Märchen, oder?“ Alle Erwachsenen im Raum stöhnten und verdrehten die Augen, ehe sie sich wieder ihrer Tätigkeit zuwandten und Stiles etwas von „Kulturbanausen“ murmelte. Es würden chaotische Weihnachten werden, vor allem, wenn Dereks Gefährte etwas anderes machen wollte als zu kochen und doch hätte Luke keine Sekunde tauschen wollen. „Ich hab dich lieb, Papa“, nuschelte Jaden ihm an den Hals. „Ich dich auch, Champ, ich dich auch, so sehr…“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)