Underworld III von Tomanto (In Teufelsküche) ================================================================================ Kapitel 9: Der Gast ist König ----------------------------- ~ Marys Sicht ~ Ich habe letzte Nacht kein Auge zugemacht. Dieser Mistkerl hatte mir meinen Hans mit Teleportfeuer weggenommen und mich somit entblößt und allein in unserem Schlafzimmer stehen lassen. Und das schlimmste daran ist, dass ich nicht einmal etwas dagegen tun konnte. Ich kann keine Magie einsetzen um ihn wieder zurückzuholen. Und freiwillig würde er ihn auch nicht rausrücken. Deswegen habe ich das einzig vernünftige getan, was mir blieb. Ich habe zu Helena gebetet, so lange bis sie mir antwortete. Sie versicherte mir, dass die Gefahr fürs erste neutralisiert ist. Und obwohl es keinen Grund zur Gefahr mehr gab, gingen meine Sorgen nicht weg. Ich habe beschlossen die Sache nicht dem Zufall zu überlassen. Noch im selben Moment habe ich meiner Arbeit zukommen lassen, dass ich mich für die nächsten Tage krank melde. Heute früh habe ich meine, Klein Karens und ein paar von Hans' Sachen eingepackt. Klein Karen hatte sich geweigert bei anderen Verwandten zu bleiben, dagegen konnte ich nichts machen. Sie hat nämlich die Angewohnheit immer wieder aufzutauchen, egal wo man sie hinschickt. Also muss ich mich wohl oder übel darauf einlassen. Ich wollte unbedingt, dass sie noch etwas isst bevor wir aufbrechen, aber ich selbst habe keinen Bissen hinuntergekriegt. Allein die Vorstellung daran zu spät zu kommen und alles zu verlieren nagt genug an meinem Gewissen. Nachdem mein kleines Töchterchen ihr Frühstück aufgegessen hat, spüle ich sofort den Teller ab, damit während unserer Abwesenheit hier kein schmutziges Geschirr vor sich hin vegetiert. »Mama, wohin gehen wir nochmal?«. »Wir gehen zu Papa«. »Oh! Und wo ist Papa?«, fragt sie und guckt sich um. »Er ist bei... «, ich beiße die Zähne zusammen, ».. bei Onkel Luzifer..«. So nennt sie ihn immer. Sie hat ja keine Ahnung was hier vor sich geht und warum ich es vermeide ihn zu erwähnen. »Kann ich dann mit Dev spielen?«. »Du hattest doch letztes Mal Angst vor Dev«. »Jaaa, aber das war letztes Mal!«, erklärt sie. Unfassbar, wie schnell sie vergibt und vergisst, dass ein Teufelsjunge sie auffressen wollte.. »Geh nochmal schnell auf die Toilette und dann brechen wir auf«. »Oki«, trällert sie und hüpft davon. Ich stelle den sauberen Teller weg und setze mich aufs Sofa. Direkt vor mir auf dem Wohnzimmertisch liegt mein Koffer bereit. Ungeduldig tippe ich mit dem Fuß auf und starre das Ding an. Wir werden nur so lange bleiben wie nötig. Es ist vielleicht keine gute Idee dauerhaft in der Hölle zu bleiben. Andererseits werde ich Luzifer nicht durch einen unfairen Vorteil gewinnen lassen. Die ganze Wette ist zu riskant. Und beweist am Ende doch gar nichts. Ich muss mit Luzifer reden, den.. "Pakt".. irgendwie rückgängig machen! Helena weiß doch bestimmt etwas, sie kann mir helfen. Nur durch ihre Hilfe konnte ich meine geistige Gesundheit letzte Nacht über Wasser halten. Aber ob sie mir mehr Treue entgegen bringt als ihrem eigenen Ehemann? Ich kann nicht sicher sein. Karen kommt mit erhobenen Händchen zu mir, um zu zeigen, dass sie gewaschen sind. »Fertig!«. »Gut gemacht, mein Spätzchen«. Sie kichert und ich nehme sie an der Hand. »So«, sage ich und stehe auf, »Schließ die Augen«. Sie gehorcht und ich konzentriere mich. »Gut. Sprich mir nach, ok?«. »Ok«. »Oh große Helena von Troja, erhöre uns«, sprechen wir fast gleichzeitig, »Hole uns zu dir. Hole uns zu dir. Hole uns zu dir«. Mit jedem mal werden unsere Stimmen deutlicher. Es gibt wohl nicht viele, die heutzutage zu ihr beten, deswegen stehen wir wohl an erster Stelle in der Warteschleife. Und siehe da, Teleportfeuer tut sich im Raum auf. Ich nehme mit der freien Hand den Koffer mit unseren Sachen an mich. »Komm mit«, sage ich und trete mit Karen in die mannshohen blauen Flammen. Binnen Sekunden stehen wir auch schon vor ihr. Wir tauchen in Helenas Schlafgemach auf. Sie sitzt aufrecht im Bett, ihr Rücken und Nacken wird von großen, kuscheligen Kissen gestützt. Sie trägt ein edel aussehendes, weißes Nachtgewand und an ihrer rechten Schulter schläft Luzifer. Ich halte den Atem an, als wenn ich einem Tiger gegenüber stünde. Ich erinnere mich noch gut an letztes Mal, als ich ihn aufwecken wollte. Helena fixiert uns mit ihrem sanften Blick und streichelt behutsam mit einer Hand Luzifers Haupt. »Willkommen«, sagt sie leise. »Hallo«, antwortet Klein Karen höflich aber kleinlaut. Wie es aussieht spürt auch sie Unbehagen bei dem Anblick eines schlafenden Dämons seiner Größenordnung. »Es ist alles eingerichtet. Seid unbesorgt, ich werde für eure Sicherheit im Palast garantieren. Vor der Tür dieses Raums steht jemand, die euch in die Gästekammern begleiten wird«. »Ich wollte nochmal danke sagen, für deine großzügige Hilfe«. »Nicht der Rede wert«, sagt sie bescheiden, »Es wird dich gewiss glücklich stimmen zu erfahren, dass Hans heute Nacht allein schlief«. »Wirklich?«. »Oh ja«. Sie schaut lächelnd auf ihren Ehemann herab, »Luzifer hatte eine lange Nacht hinter sich. Er war nicht daheim und kam erst bei Tagesanbruch übermüdet zurück. Gönnen wir ihm die Auszeit, was meinst du?«. Ich lächele dankbar. »Du bist die beste, Helena!«. Luzifer gibt ein Geräusch von sich und rückt unruhig in eine bessere Position. Karen schreckt kurz auf und versteckt sich hinter meinem Bein. Zu unserem Glück ist er immer noch im Tiefschlaf und entspannt sich nun mit dem Gesicht in Helenas perfektem Dekolleté. Sie schmunzelt. »Von dort wird er sich einige Zeit nicht mehr wegbewegen, darauf kannst du dich verlassen«. »Gut«, beschließe ich leise und nehme meine Tochter wieder an die Hand, »Wünsch mir Glück«. »Das brauchst du nicht«, sagt sie und zwinkert mir zu. Sie hat recht. Ich brauche kein zusätzliches Glück. Ich habe mich, und ich habe meine Erfahrung. Was ich brauche, ist Selbstvertrauen. Denn es gibt nichts, was ich nicht schaffen kann, wenn ich es nur wirklich will! Ich bin in der Hölle verdammt, wie viele Leute können das schon von sich behaupten? 'Ne Menge, wenn ich so darüber nachdenke. Wir verlassen Helenas Zimmer und stehen im Flur einer Frau gegenüber, die bis eben noch durchs Türschloss gelugt hatte. Sie hat rückenlanges, glattes blondes Haar, trägt ein kurzes weißes Kleid und eine große, runde Brille. Sonst nichts, außer zwei stacheligen Lederarmbändern, die sich in ihr Fleisch bohren. Ich entscheide mich dafür ihre Privatsphäre zu respektieren und nicht danach zu fragen. Sie räuspert sich. »Ihr müsst dann wohl die Menschenfrau und ihre verschwundene Tochter sein«. »Genau die. Aber zum Glück haben wir sie wieder. Sag hallo, Spätzchen«. »Hallo! :3 «. »Reizend«, sagt die Dämonin tonlos, »Folgt mir«. In zügigem Tempo manövriert sie uns durch die dunklen Gänge. Wir können kaum mithalten. So viele Räume und Gänge, nur hinter welcher dieser Türen versteckt sich Hans? Eine Suche durchs gesamte Gewölbe sieht zwecklos aus. Ich muss ihn finden.. Nur wie? An einer großen, verzierten Doppeltür aus schokoladenbraunem Holz macht sie halt. »Vielleicht werdet ihr die hier brauchen«, sagt sie und reicht uns Sonnenbrillen. Wir setzen sie auf. »Wozu sind die?«. »Ashira ist für dieses Zimmer eingeteilt«. Das sagt mir zwar nichts, aber ich stelle mal lieber keine Fragen. Sie öffnet die Tür und schon finden wir uns in einem gemütlichen Raum mit Himmelbett (wie ironisch) und hohen Schränken wieder. Eine Schlangenfrau streicht nur noch eben ein Kissen zurecht und kriecht dann auf uns zu. Ihre Augen sehen furchterregend aus. »Asssssrrah«. »Ähm.. Hallo«, begrüße ich sie, obwohl ich keinen blassen Schimmer habe, was sie mir sagen will. »Das ist also unser Zimmer?«. »Sssrrrt«. »Sie sagt "Ja"«, übersetzt unsere Eskorte. Ich lasse meinen Blick über das edle Zimmer gleiten. »Cool«, sage ich gelassen und die Schlangenfrau zieht von dannen. »Ihr könnt die Brillen abnehmen, Ashira ist weg«. Ich tue wie geheißen. Verstehe. Sie ist wohl eine dieser Gorgonen mit dem versteinernden Blick. Ich wende mich an meine Tochter, die sich im ungewohnten Umfeld umsieht. »Es tut mir leid, Schätzchen, aber wir müssen nun mal für einige Zeit hier bleiben«. »Ich find's toll hier! :D«, antwortet sie und turnt vergnügt im Zimmer herum. Na wenigstens hat eine von uns Spaß. »Und ihr seid Freunde ihrer Majestät der Königin?«, fragt unsere Begleiterin. »Genau«, sage ich und mustere ihre gelb grünen Dämonenaugen, »Sag mal, wenn das keine zu persönliche Frage ist.. Was bist du? Bist du etwa auch gefährlich?«. »Na, wenn du eine Harpyie für gefährlich hältst.. «, überlegt sie und stellt sich passend hin. Mit einer leichten Bewegung wachsen ihr Federn und binnen kürzester Zeit hat sie weiß-goldene Flügel statt Armen. »Na?«. »WOOOOW! :0«, staunt Klein Karen und tätschelt ihre Federn, »Wie hüüübsch!!«. »Ich bin also nicht gruselig? Na toll...«, sagt sie enttäuscht. Sie sieht aus, als hätte sie heute auch einen harten Tag. Da fällt mir ein, dass wir einander noch nicht vernünftig vorgestellt wurden. Ich lächele sie freundlich an und strecke die Hand nach ihr aus. »Hi, ich bin Mary«. Sie schaut verwirrt auf meine Hand, ringt sich ebenfalls ein Lächeln ab und zieht ihre Federn wieder ein. »Ich bin Caren. Nett dich kennenzulernen«. Ich horche auf. »Caren? Na sowas, so heißt auch meine Tochter!«. Sie schaut verdutzt auf mein Kind und dann wieder zu mir. Das kann doch kein Zufall sein. Mir geht ein Licht auf und meine Schultern sacken ab. »Hattest du etwa auch etwas mit meinem Mann Hans?«. »Hans?! Oh!«, sie hält ein Lachen zurück, »Oh nein, keinesfalls! Dieser grünschnäblige Trottel interessiert mich in keinster Weise!«. Das heitert mich auf. »Wie kommt es dann, dass er sie nach dir benannt hat?«. Klein Karen wirft ihr ein zahnlückiges Grinsen zu. Die große Caren sieht nicht erfreut aus. »Vielleicht wollte sich mein Schützling einen Spaß mit mir erlauben«. »Schützling?«. »Hans, mein Schützling«. Ich blinzle zweimal. Sie fährt fort. »Ich bin zu seiner Mentorin geworden, als er hier ankam. Ich habe deswegen eine telepathische Verbindung mit ihm und wir können uns gegenseitig heraufbeschwören. Aber ich glaube, das hat er bis heute nicht begriffen-«. »Warte, warte! Du kannst ihn herholen?!«. »Sicher«, sagt sie und beäugt den Ausgang, »Um ihn aus Gefahrensituationen herauszuholen zum Beispiel«. »Könntest du ihn bitte hier herbringen? Ich mache mir Sorgen, dass Luzifer ihn-«. Ihr Gesicht fällt aus allen Wolken. »Schweig!«, ruft sie bestürzt, »Wie kannst du es wagen, den Namen seiner Majestät in den Mund zu nehmen?!«. »Onkel Luzifer?«, ruft Klein Karen und sieht sich um, »Wo?«. Carens Mund klappt empört auf und zu. »Hat.. Hat er es euch beiden etwa erlaubt?«. »Soweit ich weiß schon..?«. Sie beißt sich auf die Lippe und nickt säuerlich. »Verstehe«. »Das tut mir leid«, sage ich langsam, da es sie sichtlich kränkt, dass sie ihn nicht persönlich ansprechen darf, »Ich bitte dich. Ich muss Hans erreichen, bevor er noch irgendetwas mit ihm anstellt«. »Seine Majestät kann tun und lassen was er will. So weit ich weiß gehört Hans ihm, also verstehe ich nicht, warum du versuchst ihm sein Eigentum wegzunehmen«. Diese Antwort macht mich stutzig. Sind Menschenrechte hier ein Fremdwort? Wie es aussieht komme ich mit Sentimentalität bei der Dämonenzunft wirklich nicht weit. Es interessiert sie nicht, dass wir uns lieben und geheiratet haben, auch wenn es eine gültige Verbindung ist. Dann muss ich wohl auf eine Art kommunizieren, die sie versteht. Ich atme tief durch. »Hör zu, ich habe mit Lu-... mit seiner Majestät einen Pakt geschlossen«. Bei diesen Worten steht Caren die Erkenntnis ins Gesicht geschrieben. »Oh«. »Und ich verstehe, dass du auf seiner Seite bist und mir deshalb nicht helfen willst. Aber ich möchte so schnell nicht aufgeben. Ich muss Hans sehen, kannst du ihn hier herholen, bitte?«. Sie überlegt kurz, richtet die runde Brille und sieht mich dann bestimmt an. »Ich kenne die Bedingungen des Paktes nicht. Was auch geschieht, ich möchte nicht hingerichtet werden, wenn ich versehentlich etwas tue, das den Plänen seiner Majestät entgegen wirken könnte. Ich werde dir nicht helfen«. Sie sieht besorgt aus. Das ist ein überraschend gutes Zeichen. Es ist nicht viel, aber mit ihrer Antwort hat sie mir bereits geholfen. Ihre Besorgnis darüber, dass Luzifer sie bestrafen würde, wenn sie Schuld an seiner Niederlage trüge, bedeutet, dass er besiegbar ist. Das heißt, er kann die Wette verlieren! So selbstsicher er auch immer tut, aber ein Pakt mit dem Teufel scheint wohl doch kein Einweg Freifahrtschein ins Verderben zu sein. Helena hatte recht, ich brauche kein Glück. Denn ich habe eine Chance! »Danke, Caren«, sage ich und gehe von der verdutzten Harpyie hinüber zu meiner Tochter, die sich unter dem Bett versteckt hat. Ganz bestimmt wird die große Caren mir nicht einmal sagen, wo er ist, aber vielleicht kann die kleine Karen mir helfen. Sie hatte schon immer eine tiefere Bindung zu ihrem Vater und hat ihn beim Versteckspiel jedes einzelne Mal aufgespürt. Selbst an Orten, an denen sie vorher noch nie war. »Schätzchen, kann ich mal mit dir sprechen?«. »Ok Mama«, sagt sie und krabbelt unter dem Bett hervor. Sie hockt auf dem Teppich und schaut mich erwartungsvoll an. »Ich möchte, dass du mir einen Gefallen tust«. Sie nickt mit offenem Mund. »Du musst mir helfen deinen Papa zu suchen, kannst du das machen?«. Sie nickt stärker, rappelt sich auf und tapst aus dem Raum. Ich hoffe nur, dass Helena wirklich für unsere Sicherheit garantieren kann und ihr nichts in diesem vor Dämonen wimmelnden Schloss widerfährt. Kaum ist sie aufgebrochen, kommt sie auch schon wieder zurück. Sie geht gelassen zu mir und zieht an meinem T-Shirt Ärmel. »Das ging ja schnell«. »Papa schnarcht«, sagt sie und geht mit mir durch die Tür. Ich lächele der Dämonin im Vorbeigehen zu und folge meiner Tochter. Gemütlich tippelt sie über den roten Teppich, der durch den Flur verläuft, und biegt ein paar Male ab. Wir spazieren viel länger als meine kleine Spürnase brauchte um zu mir zurückzukommen. Hoffentlich weiß sie auch wirklich den Weg und rät nicht nur. Wir begeben uns in einen anderen Flur, in dem wir bisher noch nicht gewesen sind. Klein Karen steuert auf eine große Doppeltür zu, die zwar schön aussieht, sich aber nicht so sehr von den anderen unterscheidet. Sie bleibt stehen und zeigt darauf. »Da«. Verstohlen blicke ich mich um und betrachte dann die großen, ominösen Eichentüren. »Bist du ganz sicher?«. Sie nickt und wackelt mit der Nase. Den ausgeprägten Geruchssinn hat sie von mir geerbt. »Riecht nach Onkel Luzifer«. Mein Magen zieht sich zusammen. Das hier ist dann wohl sein Zimmer.. Kein Wunder, dass mir so unwohl zumute ist. Ich nehme diesen Geruch wohl eher unterschwellig wahr. Ich habe schon mindestens zweimal selbst erlebt, wie sich dämonische Pheromone auswirken. Es fühlt sich an wie eine lähmende Vorsicht. Als ob dein Instinkt dir sagt, du sollst aufpassen. Ich atme tief ein, schiebe das Gefühl beiseite und öffne die Tür. Luzifers Zimmer ist zwar groß, jedoch quadratisch und kleiner als die meisten anderen Räume hier. Es ist ordentlich, edel und alt. Mit riesigem Teppich, Eibenholz-Schränken und einem Fenster zur Südseite, aus dem Licht eindringt und das große Himmelbett an der Wandmitte gegenüber der Eingangstür erhellt. Die dunklen Bettvorhänge sind mit goldenen Kordeln an die Eckpfeiler des Bettes gebunden und gewähren uns einen Blick darauf, was sich in den weinrot-weißen Bezügen eingekuschelt hat. »Papa!«, ruft Klein Karen und springt auf das Bett, das so weich und groß ist, dass sie darüber krabbeln muss um zu Hans zu kommen. Ich seufze erleichtert und gehe außen herum. Er liegt nah genug am Rand, sodass ich ihn berühren kann. Heh, es wäre schon witzig die Wette ausgerechnet in Luzifers eigenem Bett zu gewinnen. Das wäre mal eine Demütigung! Allerdings habe ich Klein Karen dabei und bin sowasvon gar nicht in der Stimmung dazu. Na, dann wecke ich ihn mal auf. »Hans~«, singe ich leise und male mit einem Finger über sein Nasenbein bis zur Spitze und wieder von vorn. Er grummelt und tritt im Schlaf einmal mit dem Fuß aus. Klein Karen legt sich von der anderen Seite halb auf ihn drauf und stupst ihn an. ».. Nur noch 5 Minuten.. «, murmelt er und dreht sich um. Er hat wohl schlecht geschlafen. »Aufwachen, Schatz~«. »Papa? Darf ich mit Dev spielen?«. Er summt etwas zur Antwort und streckt einen Arm aus und patscht auf eine leere Stelle, wie er es normalerweise macht um den Wecker auf dem Nachttisch auszuschalten. Als er bemerkt, dass dort nichts als weiche Kissen liegt, hebt er verwirrt den Kopf. Der Raum wird ihm jetzt klar und er bemerkt seine Tochter. »Was machst du denn hier, Schlumpf?«. Sie grinst ihn an. »Dasselbe wie ich«, antworte ich und er fährt herum. »Mary!«, ruft er aus und setzt sich nervös auf, »Wie kommt ihr hierher?«. »Helena hat mich eingeladen. Also sind wir für kurze Zeit ins Gästezimmer des Palastes gezogen«. Er strahlt mich an. »Das heißt, du bleibst hier?«. »Ganz genau«. »Oh Mary!«, quiekt er und schlingt die Arme um meine Taille. »Ich muss dir alles zeigen!«. Ich lache. »Das hat noch Zeit. Aber zuerst will ich aus diesem Zimmer raus. Hast du Hunger?«. »Sag bloß du hast Essen dabei?«. »Nein, aber ich erinnere mich, dass es hier eine Küche gibt. Steh auf, dann machen wir dir Frühstück«. »Mamaaa...!«, meldet sich Klein Karen und steigt vom Bett. »Ist ja gut, wir gucken gleich ob Dev schon wach ist. Aber ich will, dass ihr in Helenas Nähe bleibt, ja?«. Sie tapst ungeduldig in die Mitte des Raums und setzt sich auf den Teppich. Hans setzt sich derweil an den Bettrand und zieht eine mir unbekannte kurze Hose an. Auch sein kurzärmeliges Hemd sieht fremd und.. altertümlich aus. »Sag mal, Hans, was hast du da überhaupt an?«. »Oh, das?«, sagt er und schaut an sich herunter, »Lange Geschichte. Ist aber sehr gemütlich. Da fällt mir ein: Wo ist Luzifer?«. »Mach dir um den keine Sorgen, der schläft bei Helena«. »Hm, na gut«. Er steht auf. »Gehen wir«. »Schon irgendwie aufregend hier so herumzuschleichen«, flüstere ich, während ich Hans durch die Gänge begleite. »Und wie!«, stimmt er zu, »Normalerweise ist Luzifer vor mir wach, ich weiß gar nicht, ob wir einfach so ohne ihn in die Küche dürfen«. »Helena hat gesagt, dass sie für unsere Sicherheit im Palast garantiert-«, fange ich an, aber dann fallen mir die Portraits ins Auge, an denen wir vorbeigehen, »Hey, warte mal«. »Hm?«. Eine Reihe von Gemälden hängt an der Wand. Das von Luzifer sieht so aus, als wäre es gemacht worden, als er noch nicht allzu lange regierte. Er sieht darauf nicht besonders jünger aus, nur unerfahren aber bemüht professionell zu wirken. Darum schert er sich heutzutage lange nicht mehr. »Das daneben ist neu«, merkt Hans an und zeigt auf ein Portrait von Helena. Darauf sieht sie wie eine geborene Königin aus. Selbstsicher, gütig und anmutig. So wie immer, eigentlich. »Es fühlt sich fast schon an, als würden wir zusammen ins Museum gehen«. Hans lächelt und nimmt meine Hand. »Meinst du, wenn ich ganz oft "bitte" sage lässt Helena auch eins von dir anfertigen?«. Ich pruste leise. »Warum sollte sie das tun?«. »Weil du ihre beste Freundin bist. Und.. weil sich die Gallerie ohne dich nicht vollständig anfühlt«. »Meinst du das wirklich?«. »Mhm. Hier sind Bilder von den Leuten, die ich am liebsten habe. Mit Ausnahme von dir und Klein Karen, das ist nicht richtig«. »Awww, das ist wirklich süß von dir«, raune ich und schmiege meine Wange an seine Schulter, »Ich denke schon, dass wir sie überreden können eins zu machen, schließlich darf Helena in der Schlossgestaltung mitentscheiden«. »Zwei«, sagt Hans. »Hm?«. »Zwei Portraits«, wiederholt er und sieht mich mit inspiriertem Blick an, »Ich will auch eins für unser Wohnzimmer!«. »Ach Hans..«, kichere ich und streiche ihm mit der freien Hand über die Wange. Er meint es ernst, das sehe ich, und irgendwie ergreift mich das zutiefst. »Ich hab dich so lieb..«. Er macht wieder so ein Gesicht, als würden die Schmetterlinge in seinem Bauch Zamba tanzen. Das tun sie wohl, denn ich höre ein Magenknurren, welches mich daran erinnert, dass wir ja auf dem Weg in die Küche waren, bevor wir uns von römischen Statuen und schönen Ölgemälden haben ablenken lassen. »Gehen wir weiter«, beschließe ich und drücke kurz seine Hand. Er nickt und führt mich durch die restlichen Gänge. »Und hier ist der Speisesaal«, stellt Hans vor und öffnet die Tür. Der Raum ist groß, gemütlich, und wie alles andere auch wunderschön. Ein langer und üppig gedeckter Tisch aus dunklem Mahagoni erstreckt sich vor uns, darüber hängt ein glänzender Kronleuchter. Wir sind allerdings nicht die einzigen, die sich in diesem Raum niederlassen wollten. Am Tisch sitzen ungefähr 15 Dämoninnen unterschiedlichster Art, Größe und Farbe. Sie würdigen uns keines Blickes. »Oh!«, sagt Hans überrascht, »Wir haben Glück, es muss wohl acht Uhr sein!«. »Was bedeutet das?«. »Frühstückszeit der Servants!«. »Einmalige Einblicke, nehme ich an?«. Er strahlt. »Das erlebe ich zum ersten Mal!«. Ich lasse meinen Blick über die Ansammlung reizender Damen schweifen, die sich alle untereinander unterhalten. Sie sehen gleichzeitig zusammengedrängt und verstreut aus. Aber kein Kerl weit und breit. »Meinst du, wir dürfen uns einfach dazusetzen?«, frage ich vorsichtig, weil ich mir nicht vorstellen will, wie es wäre, wenn man versucht einen Dämon dazu zu bringen sein Essen zu teilen. »Dürfen schon, ich jedenfalls«, sagt Hans mit einer Spur Unsicherheit in der Stimme, »Die Frage ist, ob sie mich teilhaben lassen werden«. Verständlich, diese Haltung. Hans ist kein dauerhafter Bewohner des Schlosses und ist somit, selbst wenn er schon seit Jahren für Luzifer arbeitet, in vielen Dingen ein Außenseiter und Neuling. Ich drücke ihm die Hand. »Wir haben einander. Das wird schon«. »Danke«, flüstert er und räuspert sich, »Also dann«. Mutig bewegen wir uns auf das Gelage zu und versuchen freundlich zu wirken. Vielleicht ist das ein Fehler, weil es in der Hölle als "Schwäche zeigen" angesehen werden kann. »'Morgen! :3 «, grüßt Hans die Meute. Eine Frau mit langem schwarzen Haar, Hörnern und sehr leichter Bekleidung schaut auf. »Na sieh mal einer an, wenn das nicht der Liebling ist!«. Die anderen folgen ihrem Blick und sehen abwechselnd zwischen uns hin und her. »Wer ist das?«, fragt sie und sieht verwirrt meine Kleidung an, »Du bist keine Neue«. »Äh, nein«, antworte ich verlegen. »Ich bin zu Gast hier«. »Merelyn, Leute, das hier ist meine Frau Mary«. »Hallo! :3«, begrüßt mich ein Mädchen mit kurzem, rotbraunem Haar, Löwenohren, zusätzlichem Ziegenkopf, Schlangenschweif und einem Reißverschlussmund. »Ich bin Chi-Chi«. »Ich sehe keinen Grund sich vorzustellen, Chi-Chi«, sagt eine andere mit einem Rubinauge, »Die da hält keinen Tag in der Hölle aus«. »Sei doch nicht immer so gemein, Ruby«, sagt ein blondes Mädchen mit Halsring, die weiter weg von den anderen sitzt und niemanden ansieht. »Ihr könnt euch zu Alice setzen, die mag auch niemand«, lacht eine weitere. Das Mädchen mit dem Halsring zieht die Brauen zusammen und stochert mit einer Gabel in ihrem Salat herum. Hans sieht Merelyn streng an. »Hey, das war ich nicht! Ist nicht meine Schuld, wenn sie sich nicht wehrt«. »Du als Mentorin solltest sie besser in Schutz nehmen«, sagt Hans und setzt sich zu Alice. »Alles in Ordnung?«. »Bestens..«, knirscht sie und ersticht eine Tomate. Ich setze mich dazu, auch wenn ich nicht vorhabe am Essen teilzunehmen. »Hans?«, fragt eine aus der Menge, »Stimmt es, dass du gestern gegen einen Drachen gekämpft hast?«. Ich starre ihn verblüfft an. »Ach«, winkt er ab und lädt sich einen freien Teller mit Leckereien vom Buffet voll, »Eigentlich nicht. Ich habe nur versucht zu überleben«. Die Frauen tuscheln. Mir läuft es eiskalt den Rücken hinunter. Ich lehne mich ihm zu und flüstere. »Du warst in Gefahr?«. »Nein, nein!«, antwortet er mir und beginnt zu essen, »Also.. Naja, vielleicht war es ein bisschen gefährlich. Aber das ist ok, Luzifer war da«. Die anderen schnappen nach Luft. Nur Hans' Kauen ist noch zu hören. Nach einem verwirrten Moment der Stille erklärt er sich. »Ich darf ihn so nennen, keine Sorge«. »Welch Privileg!«, erschallt es über unseren Köpfen. Dort oben sitzt eine Frau an der Decke als säße sie am Boden, und knabbert an einem Brötchen. Niemand wundert sich darüber. »Also, wenn ich ganz ehrlich bin..«, prahlt Hans und schließt schmunzelnd die Augen, ».. Hat seine Majestät mich sogar gerettet«. Einige Dämoninnen sterben gerade vor Neid, was ich ehrlich gesagt ziemlich amüsant finde. Besonders jetzt, nachdem eine von ihnen so gemein zu dem Mädchen mit dem Halsring war. »Bullshit!«. »Es ist wahr!«, betont Hans und kippt seinen letzten Bissen mit einem Schluck Wasser aus einem Kelch hinunter, »Er hat mich vor dem Sturz von einem Berg bewahrt. Er allein hat sich mit einem waschechten Drachen angelegt, nur um mich in Sicherheit zu wiegen, damit ich meinen Auftrag zu Ende ausführen kann«. »Wie romantisch.. «, sagt eine Dämonin verträumt. »Das kann ich mir nicht vorstellen«, entgegnet Merelyn zurücklehnend, »Nummer eins hin oder her, seine Majestät hatte sicherlich andere Absichten im Sinn als nur deine Sicherheit«. »Glaub was du willst«, sagt Hans schulternzuckend, »Ich jedenfalls hab meine Sache gut gemacht, und das hat er mir persönlich gesagt«. »Deswegen seid ihr doch hier«, sage ich. Ich mische mich nicht gerne in fremder Leute Gespräche ein, aber da das hier ein wichtiger Teil unseres Lebens geworden ist, sollte ich die Hölle besser kennenlernen. »Wie meinst du das?«, fragt Ruby interessiert. »Lu- ich meine, seine Majestät«, fange ich unsicher an, »Er hat euch doch aufgenommen, weil ihr in Sicherheit sein wolltet. Sicher vor.. der Hölle«. Das Mädchen mit dem Halsring stoppt in ihrer Bewegung und schaut still vor sich hin. Merelyn seufzt. »Das stimmt. Und das tut er auch. Er beschützt uns jeden Tag. Wir sind ihm wichtig«. Sie nimmt einen Schluck aus ihrem Kelch. »Mir geht nur diese Prahlerei von Kapitän Weichling hier auf die Nerven. Kleiner Tipp von einer mehrfachen Mentorin: Gib in der Hölle nie mit etwas an, sonst wird dich ein anderer lehren es zu bereuen«. Hans errötet. »Ok, schon verstanden... «. Mein Magen knurrt leise, was mir nicht aufgefallen wäre, hätte Hans mich nicht darauf angesprochen. »Hast du heute noch nichts gegessen?«. Ich erinnere mich an meinen nervenzermürbenden Morgen, an dem zwar Klein Karen versorgt wurde, ich allerdings nicht. »Mir geht es gut«. »Nein, tut es nicht«, flüstert er ernst und stellt mir einen Frühstücksteller zusammen, »Wenn du ganz entschlossen arbeitest isst du nie. Bestimmt hast du dir keine Sekunde Ruhe gegeben, bis du mich gefunden hast, richtig?«. »Naja.. Kann schon sein, aber-«. Er stellt den Teller vorsichtig vor mich und lächelt. Ich lasse den Blick über die Dämonen und die Fülle an Essen schweifen. »Hans, ich.. weiß nicht ob das so gut ist«. »Als Kapitän Weichling erlaube ich es. Bitte, ich möchte mich um dich kümmern«. Da kann man wohl nicht streiten. »Hier«. Er stellt mir seinen Kelch Wasser hin. »Danke«. Für einen kurzen Moment schleicht sich mir die Frage in den Sinn, ob Menschen Essen aus der Hölle überhaupt verdauen können, wenn der Rest der Bediensteten rein dämonischer Natur ist. Zaghaft probiere ich ein bisschen von der gebratenen Süßkartoffel und hätte in Tränen ausbrechen können so köstlich ist es. Hans lächelt, belustigt darüber, wie ich nun das Essen hinunterschlinge, wo ich mich doch eben noch so dagegen gewehrt habe. »Na, schmeckt's?«, fragt Merelyn und rupft einen Schaschlik-Spieß auseinander. »Das ist fantastisch!«. »Kann ich auch noch etwas haben?«, ertönt die Stimme der Frau an der Decke. »Ey, ich glaub Sahira hat noch Hunger«, sagt Ruby und stupst Merelyn an. Diese steht widerwillig auf. »Ugh, na schön. Bin gleich daaa!«. Merelyn schnappt sich etwas Solides vom Buffet, das nicht leicht auseinanderbröseln kann, spannt ihre Fledermausflügel und fliegt dann geschwind in einer Aufwärtsspirale zu ihr hinauf. Sie macht eine ganz schön elegante Figur in der Luft.. »Starr ihr nicht zu lange auf den Arsch, Mary«, entgegnet Ruby, »Sie ist eine Sukkubus und wird sich an dir volltanken«. ».. Hab ich doch gar nicht ¬////¬ «, murmele ich verlegen und widme mich wieder meinem Frühstück, als die Sukkubus den Rückflug antritt. »Ja klar«, murmelt Ruby und kratzt sich am Rubinauge, das im Licht des Kronleuchters schimmert. »Ähm«, fange ich an. Ich traue mich kaum zu fragen. »Dein Auge, ähm.. Wie kam es dazu?«. Ruby schnaubt und rollt mit dem Auge, das sich noch rollen lässt. »Das ist ihre Strafe«, erzählt Merelyn als sie sich wieder auf ihrem Stuhl niederlässt, »Als sie hier ankam und vor seiner Majestät beim Thron stand, beäugte sie gierig diesen großen, diamantförmigen Edelstein, der ganz oben auf dem Schatzhaufen neben den Treppenstufen lag. Tja, und seine Majestät dachte sich, wenn sie ihn so gern ansieht, dann soll sie ihn für immer ansehen. Und so bohrte er kurzerhand das spitze Ende des Edelsteins in ihren Schädel!«. »Wie du immer übertreiben musst!«, schmollt Ruby. »Ist das wahr?«, frage ich und esse weiter, auch wenn diese Geschichte mir ein bisschen den Appetit verdirbt. »...Ja, ist es. Und?«. »Das klingt... schmerzhaft«. »Ach, es gibt schlimmeres. Ich hab's überstanden, lebe seitdem im schönsten Schloss der Unterwelt, esse die feinsten Speisen und sehe dabei auch noch eine Million Drachmen wert aus«. »Mhm, seine Majestät ist sehr großzügig«, meldet sich Chi-Chi mit ein bisschen Höllenpropaganda, »Im Schloss wird gut für uns gesorgt! Es wird dir hier bestimmt gefallen, wenn.. naja«. Ich schlucke den letzten Bissen hinunter. »Wenn was?«. »Na, wenn du stirbst«, sagt sie mit einem Lächeln. Da ist es wieder. Die Sache mit dem Tod. Ich denke nicht gerne darüber nach. Aber die Frage schleicht sich doch einige Male in meinen Kopf: Wo komme ich nach meinem Tod hin? Und wird Hans bei mir sein? »Er kommt«, flüstert eine kleinere Frau mit großen Augen. Das haben die anderen gehört. Einige erheben sich und drängen sich um Hans und mich herum, als sie herumliegendes Geschirr stapeln. Andere schieben ihr Haar zurecht, klopfen sich Brötchenkrümel vom Kleid oder geben sich sonst Mühe präsentabel zu wirken. Die Tür zum Speisesaal geht auf und keiner rührt sich. Wenn man vom Teufel spricht.. »Lasst euch von mir nicht stören«, sagt Luzifer und hebt besänftigend die Hand, als er an uns vorbeigeht. Er scheint meine Anwesenheit unter der Ansammlung schöner Frauen nicht bemerkt zu haben. »Genießt euer Frühstück. Ich bin sofort wieder weg«. Ein enttäuschtes Raunen erklingt von einigen Dienerinnen. Luzifer stoppt und hebt interessiert eine Augenbraue. »So schade?«. »Wir hatten gehofft, Ihr würdet noch mit uns plaudern«, erklärt ein mutiges Mädchen. »Genau«, stimmt eine andere zu, »Nur für ein Weilchen?«. Luzifer scheint zu überlegen und überfliegt die Reihen. »Nun, bei einer so reizenden Gesellschaft«, beginnt er und scheint jede einzelne persönlich zu meinen, ».. würde ich doch niemals ablehnen~«. Das zweite Mädchen kichert verlegen. »Nundenn. Bis gleich, meine Täubchen«, sagt Luzifer und schlendert gut gelaunt durch die Küchentür. Ein gemeinsames, sehnsüchtiges Seufzen geht durch die Reihen, und als ich nun meinen Blick von ihm abwende, bemerke ich, dass Hans Teil davon ist. Er hat die Ellenbogen auf den Tisch aufgesetzt und hält mit beiden Händen seinen verträumten Kopf aufrecht. Oh bitte! Er hat sich nicht einmal vernünftig angezogen! Die sind doch alle verblendet. Ich mustere die nun leeren Teller vor uns. »Hast du genug gegessen?«. »Äh, was?«, fragt Hans und sieht mich an. »Oh! Ähm, ja, ich denke schon«. Er stapelt das von uns benutzte Geschirr und steht auf. »Ich bringe nur noch eben die Teller weg und dann-«. »Du, mein Lieber«, sage ich und nehme ihm den Stapel ab, »bist mir ein bisschen zu eifrig das Geschirr in die Küche zu bringen. Ich erledige das«. Er schmollt darüber, dass ich ihn beim Hinterherhecheln erwischt habe, und setzt sich. Mit einem lauten Klappern stelle ich das Geschirr neben die Spüle und kündige meine Anwesenheit an. Luzifer schließt eine Schranktür und schaut auf. Der Stiel eines Lutschers hüpft in seinem Mundwinkel als er mich angrinst. »Mary! Welch eine Freude«. Er scheint nicht im geringsten besorgt darüber zu sein, dass ich hier bin. Ich erinnere mich gut daran, was Caren gesagt hat. Er mag es zwar nicht zeigen, aber er ist nicht so unbesiegbar wie er immer tut. Ich muss mich nur an das halten, was ich kann. »Da sieht einer seelenruhig aus, dafür dass er meine Ankunft um Stunden verschlafen hat«. »Wieso auch nicht, es ist nichts geschehen«. Ich schnaube selbstsicher. »Ich werde den Pakt sowasvon gewinnen«. Sein Gesicht erhellt sich in interessierter Belustigung. »Ach ja?«. »Noch nie etwas von den "Mächten einer Frau" gehört?«, sage ich und deute an mir herunter. »Ts«, er nimmt den Stiel des Lutschers aus dem Mund und deutet belustigt mit dem zerkauten Ende auf meine Figur. »Nicht einmal damit kannst du mich schlagen, Mary«. »Warum nicht?«. »Du vergisst, dass ich ein Dämon bin, meine Teuerste«, sagt er und schnippt den Stiel gekonnt in den nächsten Mülleimer, »Was kann ein menschliches Weib, dazu noch ein ziemlich flachbrüstiges, gegen mich ausrichten, wenn es heißt einen Menschen zu verführen? Ich bitte dich!«. »Wer ist hier flachbrüstig?!«. Er kichert und hebt die Hände vor sich. »Hier, ich zeige es dir«. Ein kleiner Schwall schwarzer Magie lodert auf und verwandelt Luzifer augenblicklich in eine weibliche Version von sich selbst. Ihre nachtschwarzen Locken sind jetzt so lang, dass sie ihr bis zur Hüfte reichen. Ihr perfektes Gesicht hat weichere Züge und sieht femininer aus, auch wenn Luzifer sonst auch nicht gerade das Musterbeispiel einer maskulinen Erscheinung ist. Diese weibliche Luzifer ist groß, sexy - und das schlimmste von allem: gegen ihre Melonen sind meine Brüste Äpfel! ಥ_ಥ »Und~? Was sagst du dazu?«. Sogar ihre Stimme klingt bezaubernd! »Ich... wusste nicht, dass du das kannst.. «. »Wie gesagt, du hast keine Chance. Anders als du bin ich nicht nur an ein einziges Geschlecht gebunden; die Möglichkeiten sind grenzenlos. Süß, wie du versuchst mir zu trotzen«. So, wie sie mich kleinredet mit dieser dominanten Ausstrahlung, glaube ich ihr fast aufs Wort. Ich kann nicht gegen soeinen Gegner ankommen. Die Wette war ein Fehler. »Aber ich muss meine Kräfte nicht dafür verschwenden«, sagt Luzifer und verwandelt sich wieder in seine ursprüngliche Gestalt. Und jetzt wo ich ihn sehe, so wie er immer ist, kommt mir die Vernunft wieder in den Sinn. Nein, ich darf nicht aufgeben! Das käme ihm doch nur recht! »Hey! Keine miesen Tricks bei der Wette! Lass es gefälligst fair!«. »Nix da!! Dann hättest du die Bedingungen für den Pakt klüger stellen sollen. Änderungen der Regeln werden nicht geduldet!«. Er lässt seine Dämonenflügel erscheinen und setzt sich in der Luft in den Schneidersitz, wahrscheinlich weil ihn das lange Herumstehen so langsam stört. »Aber sind deine Regeln! Die musst du doch ändern können!«. Er verschränkt die Arme. »Nein, höchstens durch einen höheren Einsatz!«. Ein höherer Einsatz.. »Wenn du gewinnst...«, fange ich an und gerate jetzt schon ins Stocken. Ich habe diese blöde Wette ja nur begonnen, um herauszufinden, wen Hans mehr liebt. Sollte es Luzifer sein dann.. will ich ihm nicht länger im Weg stehen. Schließlich will ich doch, dass Hans glücklich ist. »... Dann bekommst du Hans.. für immer«. »Ich denke, das reicht noch nicht«, sagt er erwartungsvoll. Ach... Nachdem ich Hans verloren habe, kann es nicht noch schlimmer kommen... »Ich biete mich dir als Opfer an, Satan«. Er sieht zufrieden aber ernst aus. »Gut. Stelle nun deine Bedingungen«. Ok Mary, denk nach! Überleg dir gut, was du jetzt sagst und wie du es formulierst! »Ich will ein neues Ziel!«. Er horcht auf. Gut, dann mal los. »Es geht nicht mehr darum, wer Hans zuerst dazu bekommt mit der- oder demjenigen zu schlafen. Ab jetzt geht es darum, wer zuerst Hans' wahre Liebe für sich gewinnt! Folgende zusätzliche Regeln treten nun in Kraft: Keine gefühlsverändernden Verzauberungen, Manipulation, Vergewaltigungen, Morde, Handgreiflichkeiten, Gewalt oder Erpressungen! Von nun an wird es fair verlaufen«. »Ist das alles?«, fragt er geduldig. »Wenn du gewinnst, bekommst du Hans und mich«. Erst jetzt, da ich es direkt ausspreche, wird mir richtig klar, was das bedeutet. Es würde bedeuten ich müsste für immer zusehen, wie er sich an meinen Mann ranmacht, und kann nichts dagegen tun. Dieser Gedanke bringt mein Blut zum Kochen. »Aber wenn ICH gewinne, lässt du Hans und mich und meine ganze Familie für immer in Frieden und Hans gehört dir nicht mehr!«. Als er ihn verletzt hatte, war Hans so verängstigt gewesen, dass ich in seine Augen sehen und erkennen konnte, dass der Bann, in den Luzifer ihn gezogen hatte, für einen kurzen Moment gelichtet war. Ich sah die Furcht und Verwirrung eines Menschen, der jahrelang unter des Teufels Einfluss ertrank. Hans war in diesem kurzen Moment mehr er selbst als er es je gewesen ist, seit ich ihn kenne. Und er rief nach Hilfe. Ich wusste, ich muss versuchen ihn von seinen Fesseln zu befreien. »Wenn ich gewinne«, fahre ich fort und wähle meine Worte so bedachtsam wie noch nie. Wenn ich schon alles einsetze, was ich habe, soll ich auch alles bekommen, was ich will. »... Dann sicherst du Hans, Klein Karen und mir eine gute Zukunft, ohne dass wir uns jemals Sorgen machen müssen gesellschaftlich und/oder existenziell abzusinken. Und du und dein Gefolge kommt uns nie wieder in die Quere, wenn ich mich nicht persönlich melde oder ich euch besuche oder um Hilfe bitte«. Luzifer gönnt mir noch ein paar Sekunden Bedenkzeit, lächelt dann aber und legt sein Kinn auf seinem Handrücken ab. »Hmmm.. Nicht schlecht. Aber wenn ich gewinne, gehören Hans, Klein Karen und du, Mary, komplett mir«. »Nein! Meine Tochter hat damit nichts zu tun!«. »Du darfst die Bedingung ändern, dann darf ich es auch«. Meiner Tochter wollte ich all das hier ersparen. Ihr ein sorgenfreies Leben ermöglichen. Aber so wie die Dinge stehen, schaffe ich es nicht. Ich stecke schon zu tief drinnen. Allerdings habe ich keinen Zweifel an Hans' Gefühlen für mich, und das hier ist die einzige Chance, die mir bleibt, um ihn nicht zu verlieren. Wenn das hier klappen sollte, dann gehören all unsere Sorgen der Vergangenheit an. Luzifer landet und zieht damit einen Schlusstrich. »Und? Wie lautet deine Entscheidung?«. »Na gut. Wenn wir somit an ein besseres Leben kommen...«. »Gut. So sei es«. Der Raum um mich herum verschwimmt und wird dunkel. Eine Feuerwand schneidet Luzifer und mich vom Rest der Welt ab. Eine Illusion, wie mir scheint. Oder vielleicht die Manifestation der Magie des Paktes, der durch die Neuerungen neu besiegelt wird. Mein Gegenüber beschwört ein langes Pergament herauf, wo Wort für Wort alles geschrieben steht, was gesagt wurde. Ein Vertrag. Wenn mich all die Geschichten über den Teufel eines gelehrt haben, dann dass man Verträge bis ins kleinste Detail durchlesen sollte. Und das tue ich auch, was er mir nicht übel nimmt. Es sind keine faulen Tricks zu erkennen; das hier ist lediglich das, worauf wir uns geeinigt haben. Unten am Ende des Papiers ist eine Lücke, wo eine Unterschrift Platz finden kann. Statt einen Stift zu suchen nimmt Luzifer meine Hand an sich und beißt mir mit einem seiner Fangzähne in den Finger. »Au...«, entfährt es mir, als ich über den kleinen Piekser zusammenzucke. Er hält meine Hand über das Papier und drückt vorsichtig zu. Ein Tropfen meines Blutes fällt auf das Pergament hinab und landet genau auf der Unterschriftstelle. Der Pakt ist besiegelt. Es gibt kein Zurück mehr. Er lässt von mir ab und rollt den Vertrag auf magische Weise schnell und effizient wieder ein. »Drei Seelen zum Preis für ein perfektes Leben... Wie egoistisch, Mary«. »Majestät!«, erschallt eine bekannte Stimme durch den Raum und durchbricht die Illusion. Wir sind wieder zurück in der Küche des Schlosses, und die große Caren läuft besorgt auf uns zu. Als sie vor uns zum Stehen kommt, verbeugt sie sich. »Was ist los?«, fragt Luzifer ernst und lässt das Pergament verschwinden. »E-Ein Eindringling wünscht Euch zu sehen, Eure Hoheit«. »Wie konnte etwas dergleichen passieren, Caren?«. »Ihr... habt eine Wache getötet und bisher nicht ersetzt, Majestät«. »Ach ja, Peet... «, fällt es ihm wieder ein und kneift sich gestresst zwischen die Augen. »Ich kümmere mich darum«. Ohne ein weiteres Wort geht er an Caren vorbei, die sich noch einmal verbeugt und zuschaut, wie er durch die Tür von dannen zieht. Sie wendet sich an mich. »Du und deine Familie solltet euch ins innere Gewölbe zurückziehen. Es ist nicht sicher in der Nähe des Eingangsbereichs«. »Was geht hier vor?«, frage ich die Harpyie und hoffe auf beruhigendere Worte. »Jedenfalls nichts Gutes«, flüstert sie und schleicht sich zu einem Regal, in dem ganz oben ein verstaubtes Glas mit eingelegtem Meerrettich steht. Dieses hebt sie kurz an und schon erscheint ein Geheimgang an der Wand. »Hier entlang«. »Aber was ist mit—?«. »Keine Sorge, die anderen warten bereits. Ich habe Hans in Sicherheit teleportiert«. Und mit einem Mal bin ich froh darüber, dass Caren seine Mentorin ist. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)