The Boyfriend Experience von GingerSnaps ================================================================================ Kapitel 1: The Boyfriend Experience ----------------------------------- Agent Mieczyslaw Stilinski lag auf seinem Bett und drehte die Visitenkarte der Agentur wieder und wieder nachdenklich in den Händen. Eigentlich war heute ein guter Tag. Ein wirklich guter! Der große Fall war endlich abgeschlossen, er hatte eine Belobigung erhalten, eine Beförderung in Aussicht gestellt bekommen, auf der Karrieretreppe beim FBI würde es für ihn damit gleich mehrere Stufen bergauf gehen und er hatte nun erst einmal einige Wochen wohlverdienten Erholungsurlaub vor sich. Es lief im Grunde alles bestens für ihn und dennoch wollte sich das erwartete Hochgefühl einfach nicht einstellen. Vor einer Weile hatte er sich mit seinem ehemaligen Partner Steiner auf einen Drink getroffen. Sie hatten 5 Jahre miteinander gearbeitet, bis Stilinski vor einem Jahr Agent Tate zugeteilt worden war, doch sie hatten in diesen Jahren eine echte Freundschaft entwickelt. An diesem Abend hatte Ethan Steiner ihm auch diese Visitenkarte mit den Worten in die Hand gedrückt: "Komm´ schon Mitch! Du weißt, dass es in unserem Job beinahe unmöglich ist, jemanden kennenzulernen. Aber ganz ehrlich, es ist nicht gesund, dass ein junger Mann wie du, Anfang dreißig, attraktiv und voller Leben, immer nur allein schläft! Und die Typen die da vermittelt werden, sind echtes Spitzenniveau, nicht irgendwelche Stricher von der Straße. Man muss es sich zwar etwas kosten lassen, doch es ist die Sache wert. Probier es aus! Leb´ mal und hab´ Spaß!" "Ich weiß nicht Ethan...?" hatte Stilinski darauf geantwortet: "Es ist doch nicht dasselbe, wie jemanden zu haben, den man tatsächlich liebt und mit dem man sein Leben teilt." "Sicher ist es nicht dasselbe und du brauchst ein bisschen Fantasie und die Bereitschaft, dich auf die Sache einzulassen. Diese Typen verkaufen nicht die Realität, aber dennoch eine ziemlich glaubhafte Illusion. Diese Agentur heißt ja nicht zufällig `The Boyfriend Experience´. Es geht nicht bloß ums schnöde Vögeln allein. Du kannst alles haben, was du auch in einer Beziehung hättest, genau das richtige für einen altmodischen, romantischen Jungen wie dich, Mitch." Stilinski hatte die Karte im Grunde bloß eingesteckt, weil er wollte, dass sein Freund Ruhe gab. Niemals hatte er vorgehabt, von dieser Dienstleistung tatsächlich Gebrauch zu machen, doch nun saß er hier, hatte allen Grund zum Feiern und fühlte sich dennoch leer und niedergeschlagen. Er konnte sich nichts vormachen: Er war einsam! Er brauchte mehrere Anläufe, wählte die Nummer, legte wieder auf, ehe eine Verbindung zustande kam und versuchte es erneut, bis er schließlich all seinen Mut zusammennahm und tatsächlich anrief. Das Gespräch dauerte eine ganze Weile. Die freundliche Stimme am anderen Ende der Leitung klärte mit ihm nicht bloß kurz und knapp das Geschäftliche, nein die junge Frau nahm sich wirklich Zeit, ihn ausgiebig zu seinen Wünschen, Vorlieben und Interessen zu befragen, erklärte ihm, dass seine Privatsphäre in jedem Fall gewährleistet sei und dass er bei fehlender Sympathie jederzeit die Möglichkeit hätte, nach einem anderen Dienstleister zu verlangen. Es wurde eine Location und ein Termin für eine erste Verabredung vereinbart und damit war das Gespräch beendet. Stilinski legte das Telefon weg und schlagartig brach ihm der kalte Schweiß aus. Was hatte er nur getan? Er war ein Gesetzeshüter und hatte gerade eine Verabredung zu käuflichem Sex getroffen? Wenn das je herauskäme, dann wäre es das vermutlich gewesen mit seiner Karriere! Er streckte die Hand nach dem Telefon aus, um alles wieder rückgängig zu machen, doch dann holte er tief Luft und ließ es bleiben. Es würde nicht herauskommen, sagte er sich. Man sei diskret, hatte man ihm versprochen und seine Verabredung selbst würde nichts von ihm wissen, nicht einmal seinen Namen. Es war sicher, denn sonst hätte Ethan ihm schließlich nicht dazu geraten. Ein weiterer tiefer Atemzug und Stilinski beruhigte sich wieder. Heute Nacht hatte er eine Verabredung und alles würde gut laufen. Und falls nicht, dann hatte er es wenigstens versucht. Dem Agent war es nicht möglich vor seinem Blinddate noch etwas zu essen. In seinem Magen war ganz einfach kein Platz, neben diesem riesigen Bienenschwarm, welcher sich dort nach allen Regeln der Kunst austobte. Er stand stattdessen ratlos vor seinem Kleiderschrank und überlegte fieberhaft, was er anziehen sollte. Designerjeans und Seidenhemd wurden anprobiert, doch schnell wieder verworfen, in Stoffhose und Wollpullover war es ihm zu warm, denn er schwitzte vor Aufregung ja jetzt bereits wie ein Affe. Am Ende entschied sich Stiles für eine enge Anzughose und einen figurbetonten Zweireiher in schwarz, ein blütenweißes Oberhemd und eine dezente schmale Krawatte. Er überprüfte seinen Look noch einmal vor dem Spiegel und entschied dann, dass er so vermutlich niemandes Auge beleidigte. Er mochte ja für diese ganze Sache zahlen, doch es schadete sicher nicht, wenn sein Date nicht direkt wieder weglaufen wollte, sobald er ihn sah. Eine Dreiviertelstunde später traf Stillinski am vereinbarten Treffpunkt, in der Bar eines großen Hotels ein und blickte sich suchend um. Die Agentur hatte ihm vorab ein Foto geschickt, damit er wusste, nach wem er Ausschau halten musste. Es war noch früh und aus diesem Grund noch recht leer und Stilinski hatte seine Verabredung rasch an der Theke, auf einem Barhocker sitzend erblickt. Er straffte sich noch einmal, nahm seinen Mut zusammen und machte sich dann auf den Weg. Er hockte sich neben den Fremden und fragte nervös: „Hi! Kann es sein, dass wir verabredet sind?“ Sein Mund war trockener, als die Wüste Gobi. Der Unbekannte drehte sich um und präsentierte ein spektakuläres Lächeln: „Ja, ich denke, bei mir bist du richtig. Ich bin Derek und wie darf ich dich nennen?“ Stilinski rutschte das Herz in die Hose. Das Foto wurde seinem Gegenüber nicht gerecht. Vor ihm saß der absolut schönste Mann, den er je gesehen hatte, groß, athletisch, ohne beladen zu wirken, große, grüne Augen und ein nahezu vollkommenes, markantes Gesicht mit gepflegtem Dreitagebart: „Ich bin Stiles.“ stellte er sich vor, dankbar, dass ihm die Stimme nicht versagte. Er wusste selbst nicht so genau, warum er ausgerechnet diesen Namen wählte? Stiles, das war der Junge von der Highschool gewesen, der mit Mädchen ausgegangen war, weil er sich einfach nicht eingestehen konnte, dass er schwul war. Stiles war der junge Mann, der am College seinen alten Schulfreund Danny wiedergetroffen, sich in ihn verliebt und dreieinhalb Jahre lang eine Beziehung mit ihm geführt hatte. Und Stiles war damals gemeinsam mit dieser Verbindung gestorben und wurde zu Grabe getragen. Ab da gab es nur noch Mieczyslaw Stilinski, der von allen Mitch genannt wurde, weil niemand außerhalb Polens diesen Vornamen auszusprechen vermochte. Lediglich diejenigen, die ihn von früher kannten, seine Freunde Lydia und Scott und sein Dad nannten ihn heute noch Stiles, weil sie sich einfach nicht an sein neues Ich gewöhnen konnten. „Freut mich, dich kennenzulernen, Stiles!“ sagte der Fremde und irgendwie klang es vollkommen aufrichtig, so als hätten sie hier tatsächlich ein echtes Date. Dieser Derek war wirklich gut in seinem Job, dachte Stilinski im Stillen: „Mich freut es auch.“ erwiderte er und nahm neben Derek Platz: „Ich würde gern hier erst einmal hier etwas trinken, ist das in Ordnung? Darf ich dir etwas bestellen?“ „Gern!“ erwiderte sein Gegenüber: „Ich nehme einen Martini.“ Stiles gab die Bestellung auf und orderte für sich selbst eine Weißwein-Schorle. Er hatte einen leeren Magen und wollte nicht riskieren kurz nach ihrem Zusammentreffen bereits volltrunken vom Stuhl zu fallen. Die beide Männer prosteten sich zu, nahmen einen Schluck und Stiles dachte fieberhaft darüber nach was er als nächstes sagen könnte, damit kein unangenehmes Schweigen entstand, doch Derek nahm ihm diese Last ab, indem er ihm Fragen zu seiner Person stellte. Ob er hier in San Francisco leben würde, oder nur auf der Durchreise sei? Stiles lächelte erleichtert, weil sein Gegenüber es ihm so leicht machte: „Ich bin im Grunde ein echter Kleinstadt-Junge, doch ich bin mit Anfang Zwanzig zum Arbeiten hierher gekommen. Ich mag die Stadt, doch es ist immer nicht der erste Ort, an den ich bei dem Wort „Zuhause“ denke. Irgendwie ist es seltsam?“ „Ich finde es gar nicht seltsam. Mir geht es ähnlich wie dir.“ gab Derek zurück: „Ich bin auch in der Kleinstadt groß geworden, lebe nun schon seit über 15 Jahren hier und dennoch wird mir der Trubel hier oft zu viel und ich fahre hinaus auf´s Land und genieße dort die Ruhe und das vollkommen andere Tempo. Die Leute auf dem Land haben scheinbar einfach viel mehr Zeit.“ Stiles strahlte, weil er endlich jemanden gefunden hatte, dem es so ging, wie ihm selbst. Die Menschen welche er sonst traf, konnten ihn in diesem Punkt nicht verstehen. Scheinbar liebte jeder außer ihm selbst den Trubel der Großstadt: „Ich weiß genau, was du meinst.“ erwiderte er: „Ist es erlaubt zu fragen, in welchem Teil der Stadt du lebst?“ hakte Derek nach. Stiles dachte kurz darüber nach, doch im Grunde sprach wohl nichts dagegen, auf diese Frage eine Antwort zu geben: „Ich habe mir drüben in Nob Hill ein kleines Häuschen gekauft, damals als die Immobilienpreise noch nicht der vollkommene Irrsinn waren. Es ist recht schön, viktorianischer Stil, mit Blick über die Stadt, ruhig gelegen und mit einem hübschem kleinen Gärtchen dahinter. Der perfekte Ort, um von meinem Job abzuschalten.“ „Was arbeitest du denn?“ wagte Derek sich weiter vor. Stiles zögerte. Er hatte nicht die Absicht, diesem vollkommen Fremden mitzuteilen, dass er beim FBI tätig war und so antwortete er vage: „Ich bin beim Staat angestellt.“ Derek gab sich mit dieser Auskunft zufrieden und hakte nicht weiter nach. Stiles atmete auf, weil seine Verabredung die Wahrung seiner Privatsphäre, welche ihm von der Agentur zugesichert worden war, auch tatsächlich respektierte. Stattdessen fragte Derek: „Was würdest du heute eigentlich gern tun? Willst du hier bleiben? Wir könnten uns ein Zimmer nehmen? Oder hast du etwas anderes im Sinn?“ Stiles wand sich unbehaglich auf seinem Barhocker: „Ich... uhm... ich glaube, dabei brauche ich deine Hilfe. Ich habe so etwas wie das hier noch nie in meinem Leben getan. Ich weiß gar nicht, was möglich ist? Wo sind deine Grenzen? Was würdest du nicht wollen? Ich... Gott ist das peinlich!“ stammelte der Derek lächelte, bedeckte Stiles Hand, welche nervös auf dem Tresen herumzappelte, mit der seinen und dieser wurde sogleich ein wenig ruhiger: „Ist in Ordnung, Stiles. Dir muss überhaupt nichts peinlich sein.“ erklärte Derek mit sanfter Stimme: „Als erstes ist es für dich wichtig zu wissen: Du bist der Boss! Was du sagst, wird gemacht. Es geht darum, dass es für dich gut wird. Und solltest du tatsächlich Vorlieben haben, bei denen ich nicht mitgehen kann, dann würde ich dich das auf respektvolle Weise wissen lassen. In diesem Fall hoffe ich, dass es dich nicht beschämt. Denn deine Wünsche sind in jedem Fall in Ordnung, aber Vorlieben sind eben unterschiedlich gelagert, verstehst du?“ Stiles schoss das Blut in seinen Kopf: „Was? NEIN! Ich... ich bin ein ganz gewöhnlicher Typ. Ich stehe auf ganz normale Sachen, aber...“ Er atmete tief durch und rang darum, seine Fassung wiederzugewinnen: „Ist es denn pervers, wenn ich vorerst gar nichts machen will? Wenn wir einfach nur etwas essen gehen würden und einen angenehmen Abend verbringen? Versteh´ mich nicht falsch, es liegt nicht an dir. Du bist ein Traum, mehr als ich zu hoffen gewagt hätte, aber ich fürchte ich kann das nicht. Ich hatte noch nie Sex mit einem vollkommen Fremden. Bevor ich mich auf so etwas einlassen könnte,muss ich erst wissen, wen ich eigentlich vor mir habe. Ist das blöd?“ Derek lachte amüsiert und verschränkte ihre Finger: „Entschuldige, ich habe dich überfordert. Natürlich ist es okay, uns erst einmal kennenzulernen. Ich würde sehr gern mit dir essen gehen.“ Dann legte er den Kopf schief, blickte Stiles intensiv an und fügte mit einem kleinen Lächeln an: „Du bist wirklich süß, weißt du das?“ Es klang aufrichtig und Stiles errötete zu seinem eigenen Ärger erneut: „Danke.“ erwiderte er verunsichert. Dann fragte er: „Ist italienisch okay?“ „Gern!“ versicherte Derek. Stiles zog sein Handy hervor, reservierte einen Tisch in seinem Lieblingsrestaurant, zahlte ihre Drinks und sie brachen auf. „Ich bin mit dem Wagen da. Fahren wir zusammen?“ wollte Stiles wissen: „Das wäre schön. Ich bin mit dem Taxi gekommen.“ stimmte Derek zu. Und so bestiegen sie wenig später Stiles nagelneuen mintfarbenen Jeep Wrangler JL: „Das ist nicht der Wagen, den ich bei jemandem wie dir erwartet hätte, Stiles. Ich war sicher, dass etwas sportlicheres eher dein Ding wäre?“ kommentierte Derek. Stiles erklärte, er habe ihn sich aus nostalgischen Gründen angeschafft, denn er erinnere ihn an seinen ersten Wagen als jugendlicher, einen CJ5 Robins Egg. Dieses Auto habe er sehr geliebt. Der Verkehr auf den Straßen war überschaubar und zehn Minuten später hielten sie bereits auf dem Parkplatz des Restaurants. Sie bekamen einen ruhigen Tisch, abgeschieden in einer Nische, wo sie vor neugierigen Blicken geschützt waren und Stiles begann sich wieder ein wenig anzuspannen, nun wo es nur noch sie beide und keinerlei Ablenkung zu geben schien. Erneut streckte Derek seine Hände aus und nahm die von Stiles: „Hey du! Du musst keine Angst haben. Du bist in Sicherheit!“ versicherte er: „Du bestimmst, wie weit dies hier geht und du kannst es jederzeit abbrechen, wenn es nicht das ist, was du dir vorgestellt hast. Obwohl Stiles rational klar war, dass Derek diese Dinge nur aus rein geschäftlichem Interesse sagte, bewirkte es dennoch, dass er sich tatsächlich ein wenig sicherer fühlte. Er nickte und lächelte schwach über den Tisch hinweg. In diesem Moment kam der Kellner mit den Speisekarten, und der Agent nahm sie dankbar entgegen, da sie ihm etwas zu tun gaben und ihn dadurch von seiner Nervosität ablenkten. Nachdem Stiles seine Wahl getroffen hatte, warf er einen Blick auf seinen Tischnachbarn, welcher mit irgendetwas zu ringen schien, woraufhin der Agent erklärte: „Du kannst dir bestellen, was immer du willst. Der Tintenfisch soll hier gut sein, auch wenn ich persönlich keinen mag.“ „Ich denke, ich werde den gemischten Salat nehmen.“ gab Derek zurück und Stiles meinte ein gewisses Bedauern in seiner Stimme zu vernehmen: „Einen Salat? Bist du sicher?“ versicherte er sich daher noch einmal: „Von diesem Hasenfutter wird man doch nicht satt? Und du bist ein großer, stattlicher Kerl!“ Derek blickte seufzend von der Karte auf und entgegnete: „In meinem Job muss ich auf meine Figur achten, weißt du?“ „Du siehst unglaublich gut aus. Daran wird sich auch nichts ändern, wenn du einmal über die Stränge schlägst.“ beteuerte Stiles: „Warum gönnst du dir nicht einfach, wonach immer es dir gerade verlangt und dann stehst du später glücklich und zufrieden vom Tisch auf. Ich verrate es auch keinem, versprochen!“ „Was ich wirklich gern essen würde ist Spaghetti in Gorgonzola-Soße. Eine schlimmere Todsünde gibt es für einen figurbewussten Hobbysportler wie mich wohl kaum, weißt du?“ erwiderte Derek unglücklich: „Wow, das klingt toll!“ stellte Stiles fest: „Also bestelle ich das zweimal und dann vielleicht noch Tiramisu zum Dessert?“ Ein weiterer schwerer Seufzer von Derek: „Du bist ein echter Verführer, weißt du das? Hinterher werde ich mit Sicherheit an meinen Schuldgefühlen sterben.“ „Wirst du nicht!“ ordnete Stiles an und nun war er es, der, all seinen Mut zusammennehmend, nach Dereks Hand griff: „Du wirst es mit allen Sinnen genießen und dich daran erfreuen. Und morgen zum Frühstück gibt es dann wieder einen Eiweißshake und ein rigoroses Workout, richtig?“ Er lächelte und sein Gegenüber ließ sich davon anstecken: „Also gut, einverstanden.“ erwiderte Derek, schob jedoch noch ein: „Ich werde das so was von bereuen!“ hinterher. Als der Kellner eine Weile später mit ihren dampfenden, duftenden Tellern wiederkam, hatte Stiles die Gelegenheit, seinen Tischnachbarn dabei zu beobachten, wie er seine Spaghetti, triefend in fettiger, sahniger Käsesoße zelebrierte, als mache er soeben eine religiöse Erfahrung, oder habe gerade den Orgasmus seines Lebens. Stiles schmunzelte still in sich hinein: „Was denn? Schmeckt es DIR denn gar nicht?“ fragte Derek ein wenig verlegen. „Es ist lecker.“ bestätigte der Angesprochene: „Doch es kommt längst nicht an meine hausgemachte Gorgonzola-Soße heran. Und ICH würde die Pasta dann auch selbst herstellen und nicht dieses Zeug aus der Packung verwenden.“ „Du kochst?“ fragte Derek überrascht: „Selten. Für mich allein macht es mir keinen Spaß. Aber früher habe ich es für meinen Dad getan. Er und ich waren allein. Meine Mom ist bereits früh gestorben und Dad kam oft erst spät von der Arbeit nachhause.“ gab Stiles zurück und erst nachdem er zu ende gesprochen hatte, wurde ihm klar, dass er gerade einen ziemlich private Einblick in sein Leben gegeben hatte. Verdammt! Er fühlte sich offensichtlich ein wenig zu Wohl bei diesem Fremden! Doch dann sagte Derek: „Ich habe meine Mom auch verloren. Nicht nur sie, sondern im Grunde meine ganze Familie. Als ich sechzehn war, kam ich zu meinem Onkel. Warme Mahlzeiten gab es bei uns eigentlich nie. Peter war...“ er räusperte sich: „Ach nicht so wichtig.“ Stiles spürte genau, dass auch Derek offensichtlich nicht vorgehabt hatte, etwas so Persönliches von sich preiszugeben. Es war wohl auch ihm einfach so herausgerutscht. Einem Impuls folgend ergriff Stiles nun ein zweites Mal die Hand seines Gegenübers und sagte sanft: „Nun ja... jetzt gibt es eine warme Mahlzeit. Genieß´ sie! Es ist nämlich echt schön, dir dabei zuzuschauen.“ Derek wirkte verlegen. Er lächelte und nahm einen weiteren Bissen. Von der professionellen Nonchalance bei ihrer Begrüßung war in diesem Moment nichts mehr zu spüren. Stiles gefiel das. Nach dem Hauptgang gönnten sich die beiden Männer tatsächlich noch den angekündigten Nachtisch, untermalt von den zufriedenen „Ohs“ und „Ahs“ Dereks, einen Kaffee und später noch einen Absacker. Sie hatten keine Eile, ihr Date beizeiten zu beenden, plauderten, ohne dass ihnen dabei je der Gesprächsstoff ausging, auch wenn sie privatere Themen ab jetzt vorsichtig umschifften. Stiles stellte fest, dass dieser Derek ihm überaus sympathisch war. Er wusste selbst nicht, was er sich von diesem Abend und seinem Gegenüber erwartet hatte, aber mit Sicherheit nicht dies hier. Er hatte wohl angenommen, irgendeinen aalglatten Schönling ohne Tiefgang und Herzlichkeit zu treffen, doch so war es ganz und gar nicht. Die Zeit mit Derek war angenehm, so als würden sie beide sich schon lange kennen. Konnte das von Dereks Seite wirklich alles nur gespielt sein? Da floss doch auch eine ganze Menge von dem, was dieser Mensch in Wirklichkeit war in ihre Begegnung mit ein, oder täuschte er sich da? Stiles beschloss, dem Rat von Ethan zu folgen, sich auf diese Sache einzulassen und sie ganz einfach zu genießen. Am Ende spielte es keine Rolle, ob es echt war, oder ob Derek im nur etwas vormachte, denn dies hier war schließlich immer noch ein geschäftlicher Deal. Stiles zahlte dafür und es ging nicht tatsächlich um Beziehungsanbahnung. Sie saßen bis kurz vor Mitternacht an ihrem Tisch. Sie waren mittlerweile längst die letzten Gäste im Restaurant, der Kellner hatte ihnen die Rechnung bereits vor einer halben Stunde gebracht und schlich nun auffällig häufig an ihrem Tisch vorbei, bis Stiles schließlich sagte: „Ich schätze, wir sollten die guten Leute wohl mal Feierabend machen lassen, was denkst du?“ „Es wäre wohl ratsam, ehe man uns mit Gewalt vor die Tür setzt, was?“ gab Derek lachend zurück. Als Stiles endlich bezahlte, atmete der Kellner sichtlich auf. Der Koch und der der Geschäftsführer verabschiedeten die beiden Männer an der Tür, ein weiteres, unfehlbares Indiz, dass ihr Aufbruch mehr als überfällig gewesen sein dürfte. Kaum ging die Tür hinter den beiden zu, hakte Stiles sich bei Derek unter und brach in Gelächter aus: „Ich schätze, in diesem Laden sollten wir uns nicht mehr allzu bald blicken lassen?“ prustete er los: „Ich finde, sie waren immer noch sehr höflich!“ gab Derek zurück und stimmte in das Lachen mit ein. Als sie sich wieder beruhigt hatten fragte er dann: „Und was möchtest du nun tun, Stiles? Wozu hast du Lust?“ Darüber musste der Befragte einen Moment nachdenken. Dann entschied er: „Ich würde es für heute gern dabei belassen. Darf ich dich nachhause fahren?“ Derek wirkte überrascht zu sein, doch er stimmte zu. Sie stiegen ein weiteres Mal in dieser Nacht in den Jeep und Stiles fuhr Derek zur angegebenen Adresse, einem Apartmentgebäude und stieg für die Verabschiedung ebenfalls aus dem Wagen aus. Sie standen eine Weile unschlüssig vor einander und schließlich fragte Derek: „Bist du sicher, dass du nicht mit hinauf kommen willst, Stiles? Die Nacht ist noch jung und ich fürchte, dass du heute nicht wirklich auf deine Kosten gekommen bist. Das fände ich sehr bedauerlich.“ Stiles versicherte lächelnd: „Ich hatte einen wundervollen Abend. Ich danke dir dafür.“ Er zögerte kurz, dann fragte er: „Darf ich dich wohl bald wieder anrufen?“ „Ich würde mich freuen.“ erklärte Derek und zückte eine Visitenkarte mit seiner eigenen Nummer: „Melde dich einfach, dann machen wir etwas aus.“ Er nahm Stiles Hand, führte sie zu seinen Lippen und küsste sie. Es war eine eigenartige, altmodische, unerwartet intime Geste, die ein aufgeregtes Ziehen in Stiles Magengrube erzeugte. Ehe er noch in irgendeiner Weise darauf reagieren konnte, hatte Derek sich bereits abgewandt und war im Gebäude verschwunden, ohne sich noch einmal umzuschauen. Stiles stieg wieder in seinen Wagen und saß noch eine Weile nachdenklich hinter dem Steuer, ehe er den Motor startete. Kapitel 2: Zweites Date – Teil 1 -------------------------------- Agent Stilinski hatte seine innere Unruhe, bedingt durch sein ADHS, heutzutage wirklich gut im Griff. Durch regelmäßige Meditation und Achtsamkeitsübungen hatte er es gar geschafft, mittlerweile ohne Adderall, oder andere Medikamente auszukommen und dennoch konzentriert arbeiten zu können. Es war eine Leistung, auf die er sehr stolz war. Am heutigen Tag jedoch war alles anders, ganz gleich was er auch versuchte. Es war nur gut, dass er Urlaub hatte, denn an Arbeit wäre in seiner gegenwärtigen Gemütsverfassung sicherlich nicht zu denken gewesen. Nach einer unruhigen Nacht mit wenig Schlaf hatte Stilinski er erst einmal ausgiebig geduscht, in der Hoffnung dadurch ein wenig herunterzukommen. Anschließend hatte er sein allmorgendliches Workout absolviert, mit welchem er damals in seiner Ausbildungszeit beim FBI begonnen hatte. Als auch dies nichts half, hatte er sich für seine Meditationsroutine auf seiner Yogamatte niedergelassen, doch hatte er schnell feststellen müssen, dass es ihm einfach nicht recht gelingen wollte, sich darauf einzulassen. Und natürlich war dem Agent vollkommen klar, welches Ereignis diese innere Unruhe in ihm bewirkt hatte und diese Erkenntnis passte ihm ganz und gar nicht! Die Sache mit diesem Derek sollte doch eigentlich Spaß und Entspannung für ihn sein und eine Möglichkeit seine Einsamkeit für eine Weile zu vergessen? Anstatt dessen hatte diese Begegnung Stilinski sehr viel mehr aufgewühlt, als es dieser Situation angemessen war. Es war schließlich kein richtiges Date gewesen, rief er sich streng in Erinnerung! Dennoch war es schön gewesen. Wirklich schön. Stilinski raufte sich die Haare. Natürlich war es schön! Wäre es das nicht, dann würde dieser Kerl doch auch nichts an ihm verdienen, richtig? Der Agent musste endlich damit anfangen, diese Angelegenheit kühl, rational und geschäftsmäßig betrachten. Erst einmal musste er sich die Frage stellen, ob er Derek überhaupt wiedersehen wollte? Stilinski schloss die Augen und beschwor das Bild seiner gestrigen Verabredung herauf und die Antwort auf diese Frage war einfach: Aber sicher wollte er das! Zum einen war dieser Mann unvorstellbar schön, das war nicht von der Hand zu weisen, doch er war auch faszinierend und irgendwie geheimnisvoll, was natürlich die Neugier in dem Gesetzeshüter weckte. Stilinski wollte mehr von diesem Derek sehen, mehr erfahren, ihm auf den Zahn fühlen, ergründen was an ihm bloß professionelle Fassade war und wo der wirkliche Mann zutage trat. Die nächste Frage war also, WANN er Derek wiedertreffen wollte? War es besser, sich ein wenig rar zu machen, um nicht ZU interessiert zu wirken? Oder war es am Ende vollkommen gleichgültig, und er dachte viel zu viel über diese Sache nach? Das sähe ihm jedenfalls wieder einmal ähnlich. Seine Unruhe wollte Stilinski den ganzen Tag lang partout nicht loslassen, bis er sich am Nachmittag endlich dazu durchringen konnte, Dereks Nummer zu wählen. Dieser hob bereits nach dem zweiten Klingeln ab und als er hörte, wer am anderen Ende der Leitung war, klang er aufrichtig erfreut: „Wie schön von dir zu hören, Stiles! Ich habe gerade an dich gedacht.“ „Ach ja?“ hakte der Agent skeptisch nach: „Wieso?“ Derek lachte: „Na weil ich mich gefragt habe, ob ich wohl noch einmal von dir hören würde. Mir hat es gestern Abend mit dir echt Spaß gemacht.“ „Ach ja?“ wiederholte Stiles noch einmal: „Habe ich dir einen Grund gegeben, an meinen Worten zu zweifeln?“ fragte Derek. Er klang beinahe ein wenig verletzt. „Nein, nein... so... so meine ich das nicht!“ ruderte Stilinski rasch zurück: „Es ist nur... diese ganze Situation ist... neu für mich. Tut mir leid?“ Es herrschte kurzes Schweigen, so dass Stiles schon fürchtete, die Verbindung sei unterbrochen worden, doch dann sprach Derek weiter: „Ich weiß, dass unsere Situation merkwürdig ist. Ich verstehe auch, dass du skeptisch bist Stiles, aber lass´ mich dir etwas über mich und meinen Beruf erklären. Ich habe durchaus auch schon Kunden abgewiesen, wenn ich gespürt habe, dass es zwischen uns überhaupt keine Chemie gab. Bei vielen anderen meiner Klienten bleibt es bei einem einmaligen Treffen. Ausgehen, dann schneller Sex und das war´s. So gut wie nie gebe ich jemandem die Karte mit meiner Handynummer. In der Regel läuft die Terminbuchung allein über die Agentur. Und außerdem bin ich ehrlich zu meinen Kunden, ich lüge niemanden an. Es ist eher so, dass ich bei fehlender Sympathie schweige, doch wenn ich dir sage, ich freue mich von dir zu hören, dann meine ich das auch genau so. Glaubst du mir?“ Stiles war zu verblüfft, um sogleich eine Antwort parat zu haben, doch er freute sich über das Gehörte. Als er endlich seine Stimme wiederfand erwiderte er „Ja, tue ich, ich glaube dir. Und ich fand´s auch schön gestern, ehrlich! Und darum wollte ich fragen, wann du wohl mal wieder Zeit für mich hast?“ „Wie wäre es mit heute Abend?“ schlug Derek vor. Stiles hatte nicht damit gerechnet, dass es schon so bald sein würde. Er hätte vermutet, dass auf der Tanzkarte eines solchen Traumprinzen ganz sicher nicht allzu viel Platz sei und darum freute es ihn umso mehr zu hören, dass sie sich bereits heute wiedersehen würden: „Das klingt gut.“ bestätigte er: „Ich habe gedacht, wir könnten eine Kleinigkeit essen, vielleicht ins Kino gehen und wenn wir dann noch Lust haben, würde ich unheimlich gern mal wieder zum Tanzen in einen Club gehen. Wäre das okay für dich?“ Derek lachte: „Wie gesagt Stiles, du bist der Boss. Aber ja, das klingt nach einem wirklich schönen Abend. Willst du mich gegen sieben abholen?“ „Ich werde da sein.“ versprach Stiles. Sie verabschiedeten sich und nach dem Auflegen fühlte der Agent sich aufgeregter als zuvor. Dennoch war es jetzt anders, denn nun war es die Vorfreude auf einen schönen Abend, welche für den Flohzirkus in seinem Magen sorgte. Ethan hatte ja so Recht gehabt, er musste dringend mal wieder ein bisschen leben. In den letzten acht Jahren hatte es für ihn doch immer bloß die Arbeit und die Karriere gegeben. Kein Spaß, kein Abenteuer, kein Herzklopfen, nichts dergleichen. Jetzt in dieser Minute spürte er überdeutlich, wie sehr ihm das gefehlt hatte. Normalerweise war Agent Stilinski in Bezug auf Mode weder besonders einfallsreich, noch eitel. Im Büro trug er einen Anzug, in der Freizeit Jeans. Er hatte sich bereits seit einer Ewigkeit nichts Neues mehr angeschafft und das bereute er in diesem Augenblick, denn er wollte gut an Dereks Seite aussehen. Die Leute denen sie begegneten sollten sich schließlich nicht fragen, wie eine Kröte wie er es geschafft hatte, sich einen solchen Adonis zu angeln. Nachdem Stiles beinahe jedes Kleidungsstück, welches er besaß einmal in der Hand gehabt hatte, entschied er sich schließlich für die eine Jeans, in der sein Hintern so gut zur Geltung kam, ein weißes Unterhemd, darüber ein kariertes Hemd, welches er offen ließ und eine kurze, enge, hellblaue Jeansjacke. Er musterte sein Spiegelbild kritisch und entschied, dass er sich in diesem Outfit durchaus sehen lassen konnte. Er war vielleicht immer noch eine Kröte, aber immerhin eine mit einem gutem Arsch. Überpünktlich hielt Stiles Jeep vor Dereks Apartmenthaus, welches dieser um genau sieben Uhr verließ. Als er Stiles hinter dem Steuer erblickte lächelte und winkte er. Er sah atemberaubend. Stiles Jeans mochte ja recht gut sitzen, doch das war nichts im Vergleich mit der von Dereks. Obenrum trug dieser ein hellblaues Henley-Shirt, welches wirkte wie aufgemalt, so eng war es und eine schwarze Lederjacke darüber. Auf seiner Nase saß eine Fliegersonnenbrille und machte den Look perfekt. Was für ein Anblick! „Du siehst toll aus!“ ließ Stiles sein Date zur Begrüßung wissen. Derek musterte ihn grinsend und erwiderte anerkennend: „Und du bist echt heiß, Stiles.“ Dem derart Angesprochenen drängte es danach heftig zu widersprechen, doch er biss sich auf die Zunge und nahm Kompliment schweigend, jedoch auch schwer errötend entgegen. Ihr erstes Ziel war eine kleine Tapas-Bar im Theater District, wo sie sich mit köstlichen Kleinigkeiten, wie gefüllten Muschelnudeln, Oliven, gebratenen Pilzen und frisch gebackenem Weißbrot, nebst verschiedenen Aufstrichen ein wenig stärkten. Von da aus ging es in ein nahegelegenes Multiplexkino, wo sie sich für den neuesten Marvel-Film entschieden. Beladen mit einer riesigen Box mit duftendem Popcorn und Softdrinks, suchten sie ihre Plätze auf. Sie hatten einen Pärchensitz mit höhenverstellbarem Fußteil, an welchem Stiles sogleich zu herumzuprobieren begann: „Ich war ewig nicht mehr im Kino. Wann sind die denn so gemütlich geworden?“ fragte er begeistert. „Das hier ist auf jeden Fall etwas anderes, als das heruntergekommene Kleinstadt-Kino mit den abgewetzten Sitzen in meiner Kindheit.“ bestätigte Derek und sie machten es sich mit hochgelegten Beinen in dem, mit rotem Kunstleder bezogenen Sessel bequem. Als es dunkel wurde, alle Gespräche im Saal nach und nach verstummten und die Trailer begannen, fragte sich Stiles im Stillen unzufrieden, ob ein Kinobesuch wirklich so eine gute Idee gewesen war? Hier konnten Derek und er sich weder anschauen, noch sich unterhalten. Sie saßen einfach nur nebeneinander und ließen sich von den Geschehnissen auf der Leinwand berieseln. Da hätte er ja ebenso gut auch allein herkommen können! Doch kaum hatte der Film begonnen, legte Derek einen Arm um ihn und Stiles änderte seine Meinung: Kino war gar nicht so übel. Nein, wirklich nicht! Er lehnte den Kopf auf die Schulter seines Sitznachbarn, genoss dessen Körperwärme, sog klammheimlich dessen Duft ein und nahm sich vor, ihn bei Gelegenheit zu fragen, welches Aftershave er trug, denn er roch einfach unverschämt gut. Stiles saß während der gesamten Vorstellung vollkommen still, um nicht zu riskieren dass es Derek einfallen könnte, seinen Arm womöglich fortzunehmen. Nach dem Film zogen sie wie verabredet weiter in einen schwulen Nachtclub. Da Stiles seit vielen Jahren nicht mehr aus gewesen war, hatte er keine Ahnung, wohin sie gehen könnten, doch Derek wusste hier wesentlich besser Bescheid und er war offenbar mit dem Türsteher, einem bulligen Riesen namens Ennis befreundet, so dass sie sich nicht in der Schlange anstellen mussten, welche einen ganzen Block weit reichte. Sie konnten sofort eintreten. Sie gaben ihre Jacken an der Garderobe ab und anschließend machte Stiles sich auf den Weg zur Bar, um ein Bier für sie beide zu besorgen. Als er sich mit den beiden Flaschen auf den Rückweg machte erkannte er, dass ein unverschämt gutaussehender Fremder bei Derek stand und sich mit diesem unterhielt. Und nun blickten beide Männer zu ihm hinüber und Stiles begann sich ausgesprochen unwohl in seiner Haut zu fühlen. Als er sich durch die Menschenmenge wieder zu Derek durchgedrängelt hatte, war der andere Mann bereits wieder verschwunden: „War das ein Freund von dir?“ wollte er von seinem Begleiter wissen. Derek grinste und nahm das für ihn vorgesehene Bier entgegen: „Nein, ich kannte ihn nicht. Es war nur irgendein Typ, der sein Interesse bekundet hat. Ich habe ihm gesagt, ich sei bereits verabredet und habe ihm auch nicht verschwiegen, wie unwahrscheinlich süß und sexy du bist. Er war meiner Meinung und hat einen Dreier vorgeschlagen. Ich hoffe, es war in deinem Sinne, dass ich diese freundliche Einladung abgelehnt habe?“ Stiles verschluckte sich an seinem Bier, als er das hörte. Als er sich endlich wieder im Griff hatte und zu husten aufhören konnte, bestätigte er: „Ja... ja, das war sehr in meinem Sinne.“ Derek amüsierte sich offensichtlich königlich über die Verlegenheit seines Begleiters, klopfte ihm den Rücken und sagte dann: „Weißt du, WAS ich so unglaublich sexy an dir finde? Dass du überhaupt nicht zu wissen scheinst, wie heiß du eingentlich bist.“ Stiles riss überrascht die Augen weit auf, hustete wieder ein wenig und erwiderte: „Sag doch nicht solche Sachen zu mir. Willst du, dass ich mich noch einmal verschlucke? Du könntest mich umbringen!“ Derek lachte wieder und versicherte: „Keine Sorge! Ich beherrsche den Heimlich-Griff und Erste Hilfe. Ich passe auf dich auf!“ Stiles grinste und um seine Verlegenheit zu überspielen, nahm einen weiteren Schluck aus seiner Flasche. „Tanzen wir!“ schlug Derek vor. Es war eigentlich keine Frage. Er nahm einfach Stiles Hand und zog ihn hinter sich her zur Tanzfläche: „Wa... warte!“ rief Stiles unbehaglich: „Wir sind doch gerade erst gekommen. Ich brauche ein wenig Zeit um warm zu werden. Und vielleicht noch ein paar weitere Biere.“ Derek blieb stehen, blickte seinem Begleiter tief in die Augen, legte ihm seine Hände auf die Schultern und wollte wissen: „Sag mal, wofür schämst du dich eigentlich? Wer hat dir bloß gesagt, dass du kein heißer Typ seist, hm? Denn das bist du! Und das zeigen wir es diesen Jungs hier, einverstanden“ Er nahm Stiles seine Flasche ab, stellte sie auf einen Tresen und streifte ihm sein Hemd von den Schultern, so dass er nur noch in seinem Unterhemd dastand: „Endlich! Den ganzen Abend frage ich mich schon, wie du wohl darunter aussiehst.“ raunte Derek in Stiles Ohr, was diesem eine Gänsehaut über den Körper jagte. Dann küsste er zart die Schlüsselbeine des Agents, zog sich sein eigenes Shirt über den Kopf, unter welchem er nichts weiter anhatte und forderte sinnlich: „Und nun tanz´mit mir!“ Kapitel 3: Zweites Date – Teil 2 -------------------------------- An Dereks Hand folgte Stiles ihm nun hinüber zur Tanzfläche. Er war sich der vielen Fremden um sie herum überdeutlich bewusst und begann klamm und unbehaglich damit, sich vorsichtig zur Musik zu bewegen und hin und wieder verstohlene Blicke auf die gestählte Brust seines Tanzpartners zu werfen: „Hey, es war deine Idee tanzen zu gehen.“ rief Derek nach einer Weile gegen die laute Musik in das Ohr seines Gegenübers: „Es wirkt nicht so, als hättest du wirklich Spaß dabei?“ „Ich schätze, ich bin ein bisschen unsicher und aus der Übung.“ erwiderte Stiles: „Na dann lass mich dir helfen!“ Derek griff nach Stiles Hüften und zog ihn nahe zu sich heran: „Vergiss die Anderen! Hier sind nur wir beide.“ Stiles musste schlucken. Auf einmal waren sie einander sehr, sehr nah. Unsicher platzierte er eine seiner Hände auf Dereks Rücken und die andere auf dessen Schulter. Eine Sekunde lang schloss er die Augen und ließ den Sinneseindruck auf sich wirken; unter seinen Fingerspitzen die glatte Haut, welche sich über den gut definierten Muskeln spannte. Ihm fehlte Sex, wurde Stiles mit einem Mal klar. Und er war doch wohl auch noch zu jung, um mit diesem Kapitel seines Lebens abzuschließen, richtig? Und nun war da Derek. Stiles bräuchte einfach nur zuzugreifen. Sie könnten jetzt sofort in einer Klokabine verschwinden und er könnte es sich endlich mal wieder nach allen Regeln der Kunst besorgen lassen. Derek wäre sicherlich dazu bereit. Doch etwas hielt Stiles davon ab. Er hätte selbst nicht genau sagen können, was es war. Vielleicht war es einfach die Angst, dass er nicht sicher sein konnte, dass es Derek nicht im Grunde total anwiderte, diese intime Sache mit ihm zu tun, wenn er ihn doch dafür bezahlte? War das lächerlich? Möglicherweise, doch Fakt war, dass er es einfach nicht tun konnte. Vielleicht irgendwann einmal, wenn sie sich besser kannten, doch jetzt, hier und heute würde es nicht geschehen. „Du siehst ernst aus. Worüber denkst du nach?“ wollte Derek wissen. „Nichts wichtiges!“ erwiderte Stiles schnell: „Lass´ uns einfach bloß tanzen. Ich glaube, ich erinnere mich langsam wieder daran, wie es geht.“ Er ließ Derek los, entfernte sich ein klein wenig von diesem und tanzte nun mit halb geschlossenen Augen für sich allein. Er war sich des Blickes Dereks nicht bewusst, bis dieser schließlich in sein Ohr raunte: „Verdammt bist du heiß, Stiles. Diese Body-Roll-Sache, die du da mit deiner Hüfte machst, macht mich echt an.“ Stiles grinste und wurde ein wenig rot, doch er ließ sich nicht beirren, sondern tanzte, durch Dereks Worte angefeuert, noch ein wenig enthemmter. Mit einem Mal fühlte er sich wieder so jung, wie er in Wirklichkeit war. Er kam sich sinnlich, beinahe unsterblich und sogar attraktiv vor und das war herrlich! `Das sind bloß die Endorphine!´ plapperte die rationale Seite seines Wesens sogleich los, doch Agent Stilinski entschied, wenigstens dieses eine Mal nicht auf diese kleine Arschgeige zu hören, sondern ganz einfach Spaß zu haben. Er hatte es sich immerhin wirklich verdient. Er konnte wieder der Vorzeige-FBI-Mann sein, wenn dieser Urlaub vorbei war, doch nicht jetzt! Stiles erinnerte sich zurück an seine Jugend, als er ganz neu in der Stadt war und Danny und er ein frisch verliebtes Paar. Damals waren sie an jedem Wochenende tanzen gewesen. Nicht in so einem großen Schuppen wie hier, sondern in einer niedlichen, kleinen, altmodischen Disco ebenfalls hier im Castro-Distrikt, welche lange schon nicht mehr existierte, die sich jedoch damals für das junge Paar wie ein zweites Wohnzimmer angefühlt hatte. Sie hatten dort Freunde getroffen, es wurde viel gelacht und getrunken und wenn Danny und er dann nachhause kamen, hatten sie gefickt, bis die Sonne aufging. Damals hatte Stiles gemeint, es würde für immer so sein, doch dann waren sie irgendwie erwachsen geworden, seine Arbeit hatte immer mehr von seiner Zeit gefordert, die gemeinsam durchfeierten Wochenenden wurden immer seltener, man verlor die alten Freunde aus den Augen und Danny begann zu streunen. Am Anfang hatten sie sich noch gesagt, dass sie eben Männer seien und sexuelle Treue daher nicht so wichtig für sie, denn sie wüssten auch ohne dieses heteronormative Korsett, dass sie zueinander gehörten. Doch irgendwann konnte Stiles sich selbst nichts mehr darüber vormachen, dass dieses pseudoliberale Gequatsche nichts weiter als ein Haufen Bullshit war. Denn Stiles wollte sehr wohl eine monogame Beziehung! Er wollte einen Freund, der da war, wenn er nachhause kam, wollte dass man sich gegenseitig von seinem Tag erzählte, gemeinsame Mahlzeiten einnahm, zusammen etwas unternahm und sich den Anforderungen des Lebens gemeinsam stellte. Fuck, vielleicht wollte er ja sogar heiraten und irgendwann eine Familie gründen? Was er aber nicht wollte, war ein Kerl, der ihm Filzläuse mit nachhause brachte! Danny und er hatten darüber geredet, sie hatten verhandelt, versucht, einander ihre Standpunkte näher zu bringen, sie hatten gestritten, sich angebrüllt, miteinander gekämpft und schließlich hatten sie gemeinsam um ihre Liebe geweint. Mit einem Mal war Stiles überhaupt nicht mehr nach Tanzen zumute und er sagte es Derek. Die beiden zogen sich wieder an, kämpften sich zur Bar durch und es gelang ihnen sogar, sich zwei Barhocker zu sichern. Sie bestellten Drinks und Derek wollte wissen: „Was ist denn mit dir? Du hast plötzlich so traurig gewirkt,Stiles.“ Und da erzählte Stiles ihm die ganze Geschichte seiner ersten und einzigen Liebe und wie diese zu Ende gegangen war: „Es hat mir das Herz gebrochen.“ schloss er: „Ich konnte mir danach irgendwie nicht mehr vorstellen, mit jemand anderem von neuem anzufangen. Und so kommt es wohl auch, dass ich mittlerweile mit meinem Beruf verheiratet bin. Ich habe meine ganze Energie in diese Richtung umgelenkt.“ „Dreieinhalb Jahre?“ sagte Derek anerkennend: „So lange habe ich es noch nie mit ein und derselben Person ausgehalten. Ich war mit vielen zusammen, doch im Grunde war es immer bereits wieder vorbei, ehe es überhaupt richtig angefangen hatte.“ nachdenklich fügte er hinzu: „Vielleicht bin ich einfach nicht dafür gemacht, eine Beziehung zu haben?“ Stiles blickte hinab in seinen Drink und erwiderte: „Du darfst nicht lachen, aber ich denke, ein Teil von mir träumt immer noch vom Leben zu zweit und dem `Sie-lebten-glücklich-bis-ans-Ende-ihrer-Tage´. Ist das nicht dumm?“ „Nein, ich finde das nicht dumm, Stiles. Ich finde es irgendwie total süß und wünsche dir, dass es für dich in Erfüllung geht.“ gab Derek aufrichtig zurück und drückte seinem Sitznachbarn einen kleinen Kuss auf die Wange. „Danke!“ sagte Stiles mit einem kleinen Lächeln. Dann wollte er wissen: „Darf ich dir eine persönliche Frage stellen?“ Dereks Gesicht verschloss sich ein wenig: „Lass´ mich raten: Du willst wissen, wie jemand wie ich in so einem Job gelandet ist, richtig? Das interessiert sie immer alle brennend.“ Sein Tonfall war schneidend. „So etwas fragen dich die Leute? Das ist ja ganz schön unverschämt!“ stellte Stiles überrascht fest: „Nein, danach wollte ich dich mit Sicherheit nicht fragen. Du hast sicher deine Gründe und die gehen mich überhaupt nichts an, es sei denn, du wolltest irgendwann selbst gern darüber sprechen. Nein, ich wollte dich etwas ganz anderes fragen und zwar nach der Bedeutung deines Tattoos. Ich habe es gesehen, als wir zur Tanzfläche hinübergegangen sind. Es gefällt mir.“ Derek sah zunächst sehr überrascht aus, dann lächelte er sein unglaubliches Lächeln: „Das Tattoo ist eine Triskele, ein keltisches Symbol.“ erklärte er: „Es steht für die Dreifaltigkeit des Lebens, zum Beispiel für Geburt-Leben-Tod, Mutter-Vater-Kind oder Körper-Geist-Seele. Allerdings muss ich gestehen, dass ich von dieser Bedeutung keine Ahnung hatte, als ich es mir damals habe stechen lassen. Ich fand es einfach bloß schön.“ Er lachte: „Ich war sechzehn, hatte gerade meine ganze Familie verloren, musste bei meinem Onkel einziehen, der auch bloß sechs Jahre älter war, als ich selbst. Ich war ein aufsässiges, nervtötendes, kleines Arschloch, welches unbedingt rebellieren wollte. Ich kam mir so toll vor, als ich meinem Onkel Peter zeigte, was ich getan hatte, doch der hat bloß gelacht. Was ich damals noch nicht wusste war, dass man schon wirklich kreativ werden müsste, um meinen Onkel zu schockieren. Er ist ein hedonistischer, selbstverliebter, polyamouröser Mistkerl, dem es damals herzlich egal war, was ich so trieb. Durch ihn hatte ich ein Dach über dem Kopf und musste nicht in einer Pflegefamilie leben, aber das war auch schon alles, was von ihm zu erwarten war.“ Plötzlich stockte Derek: „Verdammt, ich weiß gar nicht, warum ich dir diesen Blödsinn erzähle. Das interessiert dich mit Sicherheit überhaupt nicht. Du wolltest nur wissen, was mein Tattoo bedeutet, richtig?“ Er wirkte verlegen. Stiles nahm Dereks Hände in seine und versicherte: „Doch, natürlich interessiert mich das. Danke dass du mir davon erzählt hast. Und es tut mir leid, dass du niemanden hattest, als du jemanden gebraucht hättest. Das muss Scheiße gewesen sein.“ Derek nickte nur. Dann straffte er sich und sagte bemüht munter: „Hören wir damit auf Trübsal zu blasen. Wir sind schließlich hier, um Spaß zu haben. Willst du vielleicht noch einmal tanzen?“ Stiles schüttelte den Kopf: „Nein, irgendwie bin ich nun nicht mehr in der Stimmung, aber das ist okay. Es ist sowieso schon spät. Lass´ uns austrinken und dann nachhause fahren.“ Derek nickte, doch irgendwie wirkte er nicht recht zufrieden. Da sie beide getrunken hatten, ließ Stiles den Wagen stehen und sie nahmen ein Taxi. Als dieses vor Dereks Apartmentgebäude hielt, wollte dieser wissen: „Bist du sicher, dass du schon nachhause willst? Ich habe einen tollen kalifornischen Weißwein im Kühlschrank und würde dich gern noch mit hinauf bitten.“ Als er Stiles unbehaglichen Blick bemerkte versicherte er: „Keine Sorge, ich habe verstanden, dass du es langsam angehen willst, Stiles. Ich spreche wirklich nur von einem Glas Wein.“ Stiles rang kurz mit sich, stellte dann jedoch fest, dass er auch noch nicht wollte, dass ihr Zusammensein jetzt schon vorüber wäre, also sagte er: „Also gut, gehen wir! Ich bin wirklich neugierig zu sehen, wie du so wohnst.“ Er bezahlte den Taxifahrer und folgte Derek in das Gebäude. Sie nahmen den Aufzug und fuhren hinauf in den einundzwanzigsten Stock. Der Architekt hatte dieses Apartment im Stil eines Lofts gestaltet. Es gab hohe Decken, die Stirnseite bestand aus einer einzigen großen Panoramafensterfront und im Grunde bestand die ganze Wohnung lediglich aus einem einzigen riesigen Raum. Dereks Einrichtungsstil war clean und sehr reduziert auf das Notwendigste. In der hintersten Ecke stand ein riesiges Bett mit schwarzem Baldachin direkt vor dem Fenster. Es gab eine kleine Küchenzeile mit einem Esstisch für zwei, ein paar wenige Schränke und Regale, einen Fitnessbereich mit Hantelbank, Gewichten, einem Laufband, einen Spinninrad und Kraftgeräten, einen Basketballkorb an einer der Wände und eine riesige Sitzlandschaft nebst zwei Sesseln in dunklem Grau. Was jedoch völlig fehlte, war jegliche Art von Dekoration. Es gab nicht eine Zimmerpflanze und kein einziges Bild an der Wand; nichts, was die Persönlichkeit des Bewohners in irgendeiner Weise abbildete. „Setz dich doch. Ich hole den Wein.“ sagte Derek, nachdem Stiles sich ein wenig umgesehen hatte und sein Gast folgte der Einladung und hockte sich auf die Kante eines der Sessel. Derek verschwand kurz und kehrte wenig später mit zwei gut gefüllten, durch die Kälte des Inhalts schwitzenden Weißweingläsern und einer Schale Nüssen zurück. Er stellte beides auf den Couchtisch aus Glas, sie stießen miteinander an und Stiles nippte an seinem Wein: „Der ist wirklich sehr gut.“ bestätigte er: „Und deine Wohnung ist der absolute Wahnsinn. Die Miete muss doch unerschwinglich sein?“ „Die Wohnung gehört mir. Ich habe sie mir von meinem Erbteil gekauft, als er mir an meinem einundzwanzigstem Geburtstag ausgezahlt wurde. Ich liebe vor allem diesen Blick über die Stadt, den man von hier oben hat. Man sieht sogar die Golden Gate Bridge.“ Stiles verdrehte seinen Kopf, um aus dem Fenster schauen zu können. Derek, welcher sich ihm gegenüber auf dem riesigen Sofa ausgestreckt hatte, fragte: „Warum kommst du nicht her zu mir? Von hier aus hat man nämlich den besten Blick.“ Er hatte seinen Arm gehoben als Einladung an Stiles, es sich bei ihm bequem zu machen. Stiles rutschte das Herz in die Hose, doch er nahm seinen Mut zusammen, ging zu Derek hinüber schmiegte sich an dessen Seite und legte den Kopf auf der Brust des Hausherren ab: „Schön.“ murmelte er und ließ dabei unklar, ob damit die Aussicht, oder die Körpernähe gemeint war: „Finde ich auch.“ bestätigte Derek und für mit den Fingern sanft durch Stiles Haar. Der Wein war nicht einmal ausgetrunken, da waren die beiden Männer bereits eingeschlafen. Kapitel 4: Ernüchtert --------------------- Stiles erwachte davon, dass ein Sonnenstrahl ihn auf der Nase kitzelte. Er öffnete die Augen, ließ seinen Blick wandern und im ersten Moment hatte er Mühe sich zu erinnern, wo er überhaupt war. Die Erinnerung kehrte zurück und er realisierte auch, dass er noch immer auf Dereks Oberkörper lag, also setzte er sich abrupt auf: „Verdammt, ich bin eingeschlafen.“ murmelte er benommen. Davon erwachte nun auch Derek und richtete sich mühsam auf: „Oh Mann, mir tun die Knochen weh.“ klagte er, reckte und streckte sich und fügte mit einem Zwinkern hinzu: „Bei deinem nächsten Übernachtungsbesuch gehen wir aber rüber ins Bett, okay Stiles?“ Er schenkte dem Angesprochenen ein schiefes, verschlafenes Grinsen: „Aber... das war doch gar nicht geplant.“ versicherte Stiles verlegen, erhob sich rasch vom Sofa und wirkte als sei er zum Sprung bereit und wollte sogleich aus der Tür verschwinden: Derek nahm seine Hand und beteuerte: „Das weiß ich doch. Es war bloß ein Scherz, Stiles.“ Dann fügte er noch hinzu: „Und hab keine Sorge wegen Geld. Ich werde dir diese Übernachtung selbstverständlich nicht berechnen.“ Schlagartig war Stiles hellwach. Diese Worte trafen ihn wie ein Schlag mit der flachen Hand ins Gesicht, auch wenn das im Grunde total lächerlich war. Diese Sache zwischen ihnen war nun einmal geschäftlich und da war es doch ein nettes Angebot von Derek, wenn er ihm die Zeit, in welcher sie beide geschlafen hatten, nicht in Rechnung stellen wollte. Dennoch war es ein unangenehmes Gefühl, mit dieser Tatsache so unvermittelt konfrontiert zu werden: „Mach dir wegen des Geldes keine Sorgen. Es war immerhin deine Zeit und es ist nur fair, wenn ich dafür bezahle.“ sagte Stiles schnell, um sein Unbehagen zu überspielen. Derek entging dabei völlig der kleine verletzte Unterton seiner Stimme und der Ausdruck von Trauer und Kränkung, welcher kurz über das Gesicht seines Gastes huschte, denn er war mittlerweile damit beschäftigt, mittels eines, sauteuer aussehenden Kaffeevollautomaten mit Chromverblendung einen Wachmacher für sie beide zu brauen: „Milch oder Zucker?“ wollte der Hausherr wissen: „Schwarz für mich.“ forderte Stiles, seiner bitteren Stimmung entsprechend, denn cremig oder süß fühlte sich gerade verkehrt an. Derek kehrte mit zwei dampfenden Tassen zum Sofa zurück und wollte wissen: „Willst du vielleicht zuerst duschen? Ich könnte dir etwas Frisches zum Anziehen leihen, auch wenn es dir vielleicht nicht so ganz passen wird.“ „Ich denke, ich werde zuhause duschen, aber danke!“ erwiderte Stiles und nippte vorsichtig an seiner Tasse: „Wie du meinst, aber ich muss auf jeden Fall gleich unter die Dusche. Ich stinke!“ stellte Derek fest: „Ich frage mich, wie du es die ganze Nacht in meiner Nähe ausgehalten hast?“ „Du stinkst überhaupt nicht.“ entgegnete Stiles: „Der einzige Geruch den ich wahrnehmen konnte, war der deines Aftershaves und das riecht echt toll. Was ist das für ein Duft?“ Derek blickte ihn überrascht und amüsiert an: „Ich trage weder Aftershave noch Parfum, weil ich diese künstlichen Gerüche nicht leiden kann, also nehme ich das mal als Kompliment. Vielen Dank! Aber dennoch habe ich das Gefühl, jetzt unbedingt unter die Dusche springen zu müssen. Wartest du einen Augenblick auf mich? Wenn ich fertig bin, dann mache ich uns ein Frühstück. Ich habe nicht viel im Haus, aber wie klingen Rührei und Vollkorntoast für dich?“ Ohne wirklich eine Antwort abzuwarten erhob er sich und verschwand in Richtung Bad. Stiles blieb mit seiner Kaffeetasse auf dem Sofa sitzen und blickte versonnen aus dem riesigen Fenster hinunter auf die San Francisco Bay, welche sich zu dieser frühen Stunde noch in vornehme Nebelschleier hüllte, wie in ein edles Gewand. Wenig später kehrte Derek barfuß, mit nassem Haar, in eine Trainingshose gekleidet und mit nacktem Oberkörper zurück und machte sich am Kühlschrank zu schaffen. Er war ganz einfach umwerfend schön! Stiles kam zu ihm herüber, stellte seine leere Tasse in die Spülmaschine und fragte zaghaft: „Wollen wir später am Tag vielleicht gmeinsam etwas unternehmen?“ Derek kramte, vor einem Unterschrank hockend, nach einer Bratpfanne und erwiderte über seine Schulter hinweg: „Nein, das tut mir leid. Ich bin heute schon verabredet. Besser wäre es morgen oder übermorgen.“ Derek konnte nicht sehen, dass Stiles schwer schluckte. Er war also verabredet? Das bedeutete wohl mit einem anderen Kunden, richtig? Und natürlich traf sich Derek nicht bloß mit ihm, dass verstand sich doch von selbst. Und dennoch wurde es plötzlich so real. Dies war die zweite Portion ernüchternde Realität, welche Stiles so kurz nach dem Aufwachen serviert bekam und nun wollte er nur noch eines und das war so weit weg von Derek und diesem Ort zu sein, wie nur irgend möglich: „Weißt du was, du musst dir keine Umstände wegen des Frühstücks machen. Ich habe so früh am Morgen im Grunde noch gar keinen Hunger. Ich will jetzt einfach schnell nachhause, mich frisch machen und dann vielleicht noch ein Stündchen in meinem eigenen Bett schlafen. Wir sehen uns!“ Derek richtete sich irritiert auf und wollte wissen: „Oh...kay? Aber wollen wir dann vielleicht für morgen etwas verabreden?“ Stiles streifte sich hektisch seine Jacke über und erwiderte auf dem Weg zur Tür: „Ich... ich weiß es nicht. Muss in meinen Kalender schauen. Wir... wir telefonieren einfach irgendwann. Danke für letzte Nacht. Es war schön. Ciao!“ „Stiles...?“ begann Derek irritiert, doch er kam nicht dazu, seinen Satz zu beenden, denn da war sein Besucher bereits durch die Tür verschwunden. Stiles rief sich ein Taxi und ließ sich von diesem zu seinem Auto fahren. Er war im Begriff, den Schlüssel ins Schloss zu stecken, doch er warf zuvor noch einen raschen Blick zurück auf den Nachtclub, welchen sie gestern besucht hatten. Bei Nacht, angestrahlt von vielen grellbunten Lichtern, hatte er glamourös und sexy gewirkt, doch im Lichte des Tages sah die Sache vollkommen anders aus, das Gebäude machte einen verkommenen und schäbigen Eindruck. Stiles seufzte, stieg in seinen Jeep und fuhr heim. Frisch geduscht, in ein gemütliches, verwaschenes T-Shirt und Boxershorts , verkrümelte er sich mit einer riesigen Tüte Kartoffelchips, allem Süßkram, den er finden konnte und einer großen Flasche Fruchtsaft anstelle eines vernünftigen Frühstücks in seinem Bett, schaltete den Fernseher ein und schaute Cartoons, wie ein Zehnjähriger, den man unbeaufsichtigt allein zuhause gelassen hatten. Er zappte gelangweilt durch die Kanäle, stopfte sich mit dem ungesundem Zeug voll, legte irgendwann einen Porno ein und wichste dazu, bis ihm auffiel, dass einer der Darsteller große Ähnlichkeit mit Derek hatte. Ab da war er irgendwie zu traurig, um es sich weiter selbst zu besorgen. Er schaltete einen Sender mit Dauerwerbesendungen ein und schlief darüber ein. Am frühen Nachmittag, als ihm so langsam der Rücken von der ganzen Faulenzerei schmerzte und seine Bauchspeicheldrüse kurz vor dem Kollaps stand entschied er, dass er nun lange genug in seinem Selbstmitleid gebadet hatte. Er wälzte sich also aus dem Bett und ging ins Bad, um sich ein wenig frisch zu machen. Dann nahm er sein Telefon zur Hand und schrieb ein paar Nachrichten. Als nächstes griff er sich seine kleine Reisetasche, packte ein paar Sachen zusammen, verließ das Haus, stieg in sein Auto und sauste los. Schon als er die Stadtgrenze passierte, spürte Stiles, wie es ihm deutlich besser ging. Er fuhr beinahe zwei Stunden und als das Ortsschild von Beacon Hills in sein Blickfeld geriet strahlte er bereits über das ganze Gesicht. Seinen ersten Stopp machte Stiles an der Tierklinik, wo sein bester Freund Scott gerade einen hinkenden, beleidigt wirkenden Königspudel und sein erleichtertes Herrchen, welcher seinem Friseur offensichtlich ein Bild seines Hundes vorlegte, wenn dieser ihn fragte, welchen Haarschnitt er wünschte, verabschiedete. Als das seltsame Paar die Praxis verlassen hatte, begrüßte ihn der Tierarzt mit einem strahlenden Lächeln und einem langgezogenen: „BROOO! Wieso hast du denn nicht gesagt, dass du in die Stadt kommst?“ „Es war eine spontane Idee. Aber ich habe dir eine Nachricht geschrieben.“ rechtfertigte sich der Agent und zog den Veterinär in eine herzhafte, knochenbrecherische Umarmung: „Sorry, ich habe noch gar nicht auf mein Handy geschaut.“ erwiderte Scott: „Ich habe in den letzten beiden Stunden einen preisgekrönten Pudel mit Darmverschluss operiert, der einfach nicht auf die verdammte Narkose reagiert und ein paar Mal nach mir geschnappt hat. Und sein Herrchen war auch keine große Hilfe. Der arme Kerl war so hysterisch, dass ich befürchtet habe, er kollabiert mir gleich hier in der Praxis.“ „Verstehe. Und bedeutet das, du hast jetzt Feierabend?“ wollte Stiles wissen: „Noch nicht ganz. Da wartet noch eine Boa auf mich, die ein Plastikhuhn gefressen hat. Ich muss sehen, wie ich ihr helfen kann.“ gab Scott bedauernd zurück: „Ein Plastikhuhn? Nicht dein Ernst?“ lachte sein bester Freund: „Also gut, meinst du, Allison und die Mädchen können dich nach dem Abendessen so gegen neun für ein paar Stunden entbehren?“ „Ich denke, das sollte wohl drin sein?“ bestätigte der Tierarzt lachend. „Fein, dann hole ich dich ab. Ich brauche nämlich heute Abend dringend eine große Portion brüderliche Liebe.“ kündigte Stiles an und wendete sich zum Gehen. Ehe er durch die Tür schritt sagte er noch: „Tut echt gut, dich zusehen, Bro!“ „Dito!“ bestätigte Scott mit seinem unvergleichlichen, knopfäugigen Lächeln. Stiles nächster Halt war die Sheriff-Station von Beacon Hills. Sein Dad der Sheriff der Stadt, obwohl bereits kurz vor dem Ruhestand, sah immer noch verdammt gut aus in seiner Uniform, stellte Stiles im Stillen fast. Er stand mit dem Rücken zu ihm und holte sich gerade einen Kaffee aus dem Automaten: „Hey Dad.“ begrüßte Stiles ihn zaghaft. Noah Stilinski fuhr herum und auf seinem lieben, von der kalifornischen Sonne gebräunten, ein wenig zerknitterten Gesicht, erschien ein breites, wunderbares Lächeln: „Junge? Was machst du denn hier? Mit dir habe ich ja überhaupt nicht gerechnet?“ „Liest denn hier niemand seine Nachrichten? Ich habe dir doch geschrieben!“ gab Stiles ein wenig verschnupft zurück: „Du weißt doch, dass ich mit meinem verdammten neuen Telefon nicht umgehen kann.“ bekannte der Sheriff: „Aber verdammt, ist das schön dich zu sehen!“ Er stellte seinen Kaffee beiseite und zog Stiles in eine herzliche Umarmung: „Schaut mal her, Leute!“ rief er seinen Deputys zu: „Mein Sohn, der berühmte FBI-Mann ist in der Stadt !“ „Ach Dad!“ kicherte Stiles gegen das Diensthemd seines Vaters: „Wirst du je aufhören, mich den Leuten auf diese Weise vorzustellen?“ „Niemals!“ erwiderte Stilinski senior: „Dafür bin ich viel zu stolz auf dich!“ Stiles lachte, machte sich los und verkündete: „Ich wollte ein paar Tage, oder so in der Stadt bleiben. Ist das okay für dich?“ „Machst du Witze? Ich freue mich wahnsinnig, dich zu sehen!“ versicherte sein Vater. Stiles seufzte erleichtert. Ganz egal was in seinem Leben auch geschah und wie einsam er sich manchmal fühlte, hier gab es Menschen, die ihn ohne jedes Wenn und Aber liebten. Er war zuhause und das tat verdammt gut. Kapitel 5: Auszeit ------------------ Als Sheriff Stilinski die Türschwelle seines Hauses übertrat, begrüßte ihn ein bereits der Duft seines Abendessens. Er hängte also seine Uniformjacke an die Garderobe und marschierte schnurstracks in die Küche: „Wow Stiles, das riecht gut. Was hast du denn da Gutes für deinen alten Vater?“ „Das sind Grünkohl-Quinoa-Burger mit Süßkartoffel-Ecken. Hausgemacht!“ verkündete der Koch stolz. Der Sheriff verzog das Gesicht: „Was zur Hölle ist denn bitteschön Quinoa? Und wieso hasst du mich so Sohn, dass du mich zwingst so ein Zeug zu essen? War ich denn nicht immer gut zu dir?“ „DA-AD!“ mahnte der Jüngere streng: „Es wird wirklich Zeit, dass du damit anfängst dich gesünder zu ernähren. Du bist kein junger Mann mehr. Dein Blutdruck ist zu hoch, deine Blutfettwerte außer Kontrolle und du bist bloß einen Schokoriegel von einem Diabetes entfernt!“ „Ich bin in großartiger Form.“ behauptete der Sheriff schmollend: „Warum kann ich also keine echten Burger mit einer großen Portion Curly-Fries haben?“ „Dies hier SIND echte Burger, nur eben aus Quinoa und Grünkohl und ich werde sie sogar mit Käse überbacken. Hier schau!“ erwiderte der Sohn geduldig und zeigte ihm, wie er die gelben Scheiben auf den Bratlingen platzierte: „Ist das echter Käse, oder wieder dieses fiesen vegane Zeug, dass du mir immer wieder andrehen willst?“ fragte der Ältere misstrauisch: „Denn du kannst sagen was du willst, ich schmecke den Unterschied!“ „Es ist echter Käse.“ beruhigte ihn Stiles: „Und nun geh dich umziehen, denn wir können gleich essen.“ „Ja `Dad´!“ erwiderte der Sheriff verschnupft: „Du hast übrigens vergessen mir zu sagen, dass ich mir vorher auch brav die Finger waschen muss.“ Stiles grinste und kehrte dem Herd für einen Augenblick den Rücken, um seinen Vater zu umarmen: „Ich will dich doch nicht ärgern. Ich will bloß, dass du noch lange gesund weiterlebst, aber daraus wird nichts, wenn du im Hausschweinmodus immer nur irgendwelchen Fast-Food-Müll in dich hineinstopfst. Ich hab´ dich lieb, Dad!“ „Und ich hätte dich wesentlich lieber, wenn du Curly-Fries für mich hättest, Sohn.“ brummte der Vater und drückte seinem Jungen einen Kuss auf die Schläfe. Später am Tisch musste der Sheriff kleinlaut zugeben, dass sowohl die Burger, als auch die Süßkartoffeln gar nicht so übel waren, insbesondere in Kombination mit der Alioli, die sein Sohn als Dip zu diesem Gericht zusammengerührt hatte. Hinterher rieb er sich zufrieden den Bauch und wollte wissen: „Und was hast du heute noch vor? Wollen wir später vielleicht zusammen das Spiel sehen?“ Stiles schenkte seinem Vater einen entschuldigenden Blick: „Sorry Dad, aber ich bin gleich noch mit...“ „... Scott verabredet.“ vollendete Noah Stilinski den Satz mit einem gutmütigen Grinsen: „Das hätte ich mir denken können. Na dann hau schon ab. Ich sehe doch, dass du es kaum erwarten kannst. Ich kümmere mich auch um den Abwasch, denn immerhin hast du gekocht.“ „Danke Dad, du bist der Beste!“ erwiderte Stiles lächelnd und lief los. Der Sheriff blickte ihm kopfschüttelnd hinterher. Wenig später hielt Stiles Wagen vor dem Haus der McCalls. Es war immer noch seltsam für ihn, dass nun Scott mit seiner Familie hier allein lebte. Scotts Mutter Melissa war bereits kurz vor dessen Hochzeit ausgezogen und lebte jetzt mit Allisons Vater Christopher Argent in dessen Haus. Diese beide waren ein Jahr nach der Scheidung der Argents ein Paar geworden, doch sie hatten es lange geheim gehalten, um ihre Kinder nicht zu verunsichern. Allerdings war irgendwann Allison ihnen auf die unangenehmste Weise auf die Schliche gekommen, die man sich vorstellen konnte, indem sie nämlich ihren eigenenVater mit Scotts Mutter inflagranti erwischt hatte. Da war die Katze dann aus dem Sack gewesen und Melissa und Chris hatten die Sache offiziell gemacht. Mittlerweile waren sie beinahe genau so lang miteinander verheiratet, wie ihre Kinder. Von einer Doppelhochzeit hatte man damals dennoch abgesehen, denn das wäre einfach zu merkwürdig gewesen. Stiles klingelte und es war Allison, welche ihm öffnete und kurz sah der Agent das Mädchen von damals vor sich, die Neue an der Highschool, in welche sich sein bester Freund auf der Stelle verliebt hatte. Dasselbe lange, dunkle, gewellte Haar, das schelmische Grinsen, die funkelnden Augen und die schlanke Gestalt. Sie hatte sich wirklich kaum verändert, außer das sich vielleicht die Linien in ihrem Gesicht sich ein klein wenig vertieft hatten und ihr Haar kaum sichtbar von ersten silbernen Fäden durchzogen war: „Stiles, wie schön, dich endlich mal wiederzusehen!“ begrüßte sie ihn herzlich und zog ihn sogleich in ihre Arme: „Ich bin froh hier zu sein. Du siehst toll aus, Ally!“ gab er zurück und konnte über ihre Schulter hinweg bereits die zweijährigen Zwillingsmädchen sehen, welche ihren Lieblingsonkel längst ausgemacht hatten und nun schrill kreischend auf ihn zu geflitzt kamen. Allison gab Stiles frei, damit dieser die beiden angemessen begrüßen konnte. Er ging auf die Knie und öffnete sein Arme und die beiden Kinder sprangen ihn mit solcher Wucht an, dass sie ihn beinahe zu Boden rissen. Nun plapperten sie wie wild auf ihn ein, denn immerhin hatten sie ihn eine Weile nicht gesehen und hatten viele äußerst wichtige Mitteilungen zu machen; zum Beispiel welches Spielzeug sie neu hinzubekommen hätten und welche Kinder im Kindergarten gemein zu ihnen gewesen seien. Stiles hörte sich das alles geduldig an und ließ sich derweil in das Zimmer der Mädchen entführen, wo er sogleich mit Spielsachen bombardiert wurde, welche er angemessen zu bewundern hatte: „Na ihr wilden Mäuse. Ärgert ihr euren Onkel Stiles?“ wollte Scott wissen, welcher nun ebenfalls das Kinderzimmer betreten hatte: „Onkie S-ssiles Freund mit Lou!“ entrüstete sich Louisa, die selbstbewusste Erstgeborene der beiden Zwillinge und baute sich mit in die Seiten gestemmten Fäustchen vor ihrem Vater auf: „Das verstehe ich. Mein Freund ist er auch.“ versicherte Scott und nahm das Mädchen hoch. Lillian, ihre Schwester, kletterte auf Stiles Schoß und schlang besitzergreifend ihre Arme um dessen Hals: „Meiner S-ssiles!“ erklärte sie ihrem Vater: „Schlaft heute bei Lilly und Lou!“ Der Agent lachte: „Ach mein Engelchen, das geht leider nicht. Aber ich habe eine noch bessere Idee. Daddy und ich spielen jetzt mit euch Ponyreiten, bis es Zeit für´s Bettchen wird, einverstanden?“ Die Mädchen jubelten und als die beiden Freunde nun auf alle Viere niedergingen, krabbelten sie in Windeseile geschickt auf deren Rücken, um auf ihnen durch´s Haus zu reiten und herrisch „Hüa!“ und „Snella!“ zu rufen. Die beiden Männer wurden eine halbe Stunde später von Mama Allison erlöst, welche die Kinder unter schwerem Protest zum Zähneputzen abholte. Sie gaben erst Ruhe, als ihr Onkel Stiles ihnen versprach, dass er sie morgen vom Kindergarten abholen und mit ihnen auf den Spielplatz gehen würde. Damit und mit reichlich Gute-Nacht-Küsschen wurden Scott und er dann gnädig für heute entlassen und die Freunde machten sich zum Aufbruch bereit. Stiles steuerte auf den Jeep zu, doch Scott rief ihm zu: „Den lassen wir vielleicht besser stehen.“ Er blickte sich um, um sicherzugehen, dass seine Nachbarn gerade nicht aus dem Fenster schauten, öffnete dann kurz seine Jacke und zum Vorschein kam eine Flasche `Jack Daniels´ in seiner Innentasche. „Wie in alten Zeiten also?“ lachte der Agent: „Ich brauche doch etwas, um deine Zunge zu lockern, wenn ich herauskriegen will, wieso du einfach so außer der Reihe und vollkommen spontan hier in der Stadt aufschlägst. Eines ist ja wohl klar: Irgendetwas muss vorgefallen sein und ich will wissen, was das ist.“ Stiles seufzte geschlagen: „Du kennst mich echt, Mann.“ gab er zurück, doch er beließ es für´s erste dabei. Bei Sonnenuntergang betraten die beiden Freunde das Beacon-Hills-Reservat, etwas das laut der Schilder welche die Stadtverwaltung hier überall aufhängen ließ verboten war, doch daran hatten die Zwei sich auch schon früher nie gehalten. Sie sprachen über Belangloses, als sie Seite an Seite durch den dunkler werdenden Wald marschierten, über Scotts Job, alte Freunde und was diese heute so trieben und was es Neues in der Stadt gab. Nach einer Weile waren sie am Ziel, dem Aussichtspunkt mit einem perfekten Panoramablick auf Beacon Hills unten im Tal. Die Freunde nahmen auf dem felsigen Untergrund Platz, ließen die Beine baumeln und Scott öffnete den Whiskey, nahm einen kräftigen Schluck, reichte die Flasche weiter und forderte: „Und nun erzähl!“ „Du verschwendest keine Zeit, was Bro?“ seufzte Stiles. Anstelle einer Antwort zwinkerte sein Freund ihm zu und Stiles gab sich geschlagen. Er begann seinen Bericht ganz harmlos und erzählte von seinen jüngsten beruflichen Erfolgen. Dann begann der schwierige Teil, in dem er vor seinem besten Freund bekennen musste, wie unglaublich einsam er in letzter Zeit gewesen war und wie wenig ihm seine Karriere im Grunde bedeutete, solange er niemanden hatte, mit dem er sein Leben teilen konnte. Scott nickte Anteil nehmend und legte ihm einen Arm um die Schulter, was es ihm nur umso unangenehmer machte, mit der ganzen Wahrheit herauszurücken. Dennoch sprach er weiter, erzählte Scott von Derek und ließ dabei nichts aus. Als er geendet hatte, schaute er verstohlen hinüber zu seinem besten Freund; dem Familienvater, dem Ehemann, dem Tierarzt, dem geachteten Mann in seiner Gemeinde und er fürchtete Abscheu und Verurteilung in dessen Blick zu sehen. Allerdings konnte er nichts dergleichen in dessen Giesicht lesen. Anstatt dessen war da bloß so etwas wie Überraschung und Belustigung: „Sag´ mal lachst du mich etwa aus?“ fragte Stiles also empört: „Ich schütte dir hier mein Herz aus und du machst dich lustig über mich? Ich fühle mich lausig, verstehst du das denn nicht?“ Scott stellte die halbvolle Flasche neben sich ab und drückte seinen Herzensbruder fest an sich: „Ich lache dich doch nicht aus, du keiner Spinner. Ich liebe dich wie verrückt, das weißt du doch. Es ist nur... das ist so eine typische Stiles-Aktion! Und damit meine ich den alten Stiles; den leichtsinnigen, impulsiven Teufelskerl, den ich aus unserer Jugend kenne und nicht den disziplinierten, überkontrollierten, karriereorientierten Agent Mieczyslaw `Mitch´ Stilinski, den sie aus dir gemacht haben. Dieser alte Stiles, das ist der Kerl, den ich vermisst habe, Mann. So hättest du früher auch gehandelt: Du bist mit deiner Situation unzufrieden und ohne hunderttausend Mal darüber nachzudenken und das Für und Wider abzuwägen, handelst du endlich einfach mal. Gott sei Dank! Ich hatte schon Angst, das FBI hätte dich vollkommen auf links gekrempelt und ich kriege diese Seite von dir nie wieder zu Gesicht.“ Stiles blickte seinen Freund mit offenem Mund an: „Sag´ mal, verarschst du mich? Ist das hier die Twilight-Zone, oder was? Findest du es etwa gut, dass ich einen Callboy engagiert habe, oder was ist los?“ fragte er, als er seine Stimme wiedergefunden hatte. Scott lachte: „Wer bin ich, darüber ein Urteil zu fällen? Die Frage ist ja wohl eher wie DU das findest? Was hast du gedacht? Dass ich den moralischen Zeigefinger erheben und sagen würde `Du böser Junge, du! So etwas macht man aber nicht!´ Für wie spießig hältst du mich? Ich weiß doch, dass du bereits seit Jahren das Leben einer Klosterschülerin führst. Ich hatte schon Sorge, dass dir dein Schwanz durch die ganze Untätigkeit und Langeweile abgefallen sein könnte.“ „DR. McCALL!“ rief Stiles entsetzt aus: „Was ist denn das für eine Ausdrucksweise?“ Scott ließ sich davon nicht beirren, sondern sprach einfach einfach weiter: „Ist doch wahr! Du bist jung und gesund... und man hat doch Bedürfnisse! Und nun erzähl endlich! Ist dieser Derek gut im Bett? Kann er irgendwelche besonderen Tricks, oder so? Bringt er dich zum Schreien? Also versteh´ mich nicht falsch, ich brauche keine Details, oder so. Ich will nur sicher gehen, dass du in dieser Angelegenheit auf deine Kosten kommst.“ Stiles begann unbehaglich auf seinem Sitzplatz herumzurutschen, daher stellte sein bester Freund überaus einsichtig fest: „Ihr habt es noch überhaupt nicht getan, richtig? Verdammt, wieso nicht? Was tut ihr Zwei denn die ganze Zeit miteinander, wenn es nicht das ist?“ „Du nervst, Alter!“ brummte Stiles übellaunig: „Ich weiß doch auch nicht, warum ich es nicht tun kann. Irgendwie schäme ich mich wohl dafür, oder ich habe am Ende wirklich vergessen, wie es geht? Was weiß ich denn? Aber mit Derek war es auch ganz ohne vögeln so richtig schön. Wir waren im Kino, sind tanzen und essen gegangen... solche Sachen eben. „ „Aha?“ machte Scott ratlos: „Und das reicht dir?“ „Im Moment schon, ja. Derek ist echt ein netter Kerl. Ich hatte irgendwie gar nicht damit gerechnet, jemanden wie ihn kennenzulernen.“ gab sein Stiles zurück. Im Licht des Vollmondes konnte er sehen, wie Scott die Stirn runzelte: „Sag´ mal kann es sein, dass du gerade dabei bist, dich in diesen Kerl zu verlieben?“ hakte der Tierarzt nach: „WAS? NEIN!“ entgegnete sein Freund rasch: „Das wäre doch total bescheuert! Was denkst du denn? Also... nein!“ „Stiles, komm´ schon!“ sagte Scott in diesem eindringlichen Tonfall, den er sich angewöhnt hatte, seit er Vater war: „Mit wem sprichst du denn hier gerade? Ich weiß dass das nicht stimmt. Stiles begann sich nervös das Gesicht zu kneten und schließlich gab er seufzend zu: „Also gut, ich bin vermutlich emotional nicht vollkommen unbeteiligt. Aber weißt du, Derek ist einfach richtig toll! Er sieht nicht nur verdammt gut aus, nein er ist auch echt lieb und irgendwie unerwartet offen. Aber verliebt bin ich nicht, nein! Wie könnte ich denn auch? Wir hatten gerade mal zwei Dates, da kann man doch noch nicht von Liebe sprechen!“ „Ich habe Allison nur einmal ansehen müssen und wusste sofort, dass sie die Eine es!“ erinnerte ihn sein Freund: „Sag´ mal willst du mich hier etwa zu etwas ermutigen? Solltest du mir als mein Bruder diese verrückte Sache nicht ausreden?“ fragte Stiles verwirrt. Der Tierarzt zuckte ratlos mit den Schultern: „Das sollte ich vermutlich. Ich habe keine Ahnung? Dazu muss ich erst eine Sache wissen: Besteht denn eine klitzekleine Chance, dass dieser Derek deine Gefühle erwidert?“ Stiles schwieg eine Weile, denn darüber musste er nachdenken: „Also... ich weiß es nicht?“ gab er ehrlicherweise zurück: „Derek ist sehr einsam, denke ich, wahrscheinlich noch mehr, als ich in meinem Leben je war, oder jemals sein werde. E hatte eine schwere Jugend mit sehr vielen Verlusten, die er hinnehmen musste. Er mag mich, das hat er selbst gesagt und er hat beteuert, dass er so etwas nicht behaupten würde, wenn es nicht stimmt. Dann wiederum war er aber gestern total geschäftsmäßig und nüchtern und damit hat er mich echt verletzt. Ach verdammt, wenn ich mir so zuhöre, dann merke ich selbst wie idiotisch das klingt. Ich bin scheinbar bloß ein einfältiger Trottel, der alles für bare Münze nimmt, was so ein hübsches Gesicht ihm weiszumachen versucht.“ Scott lachte: „Ein Trottel bist du wirklich, aber nur weil du so ein dummes Zeug redest! Du bist der toughe, wahnsinnig schlaue Agent Stilinski. Niemand macht dir so leicht etwas vor. In deinen Verhören sind schon die härtesten Verbrecher zerbröselt, wie Mürbeteigplätzchen. So ein Mann bist du! Und wenn dich das nicht überzeugt, dann habe ich nur einen Namen für dich: Theo Raeken! Er hat uns damals alle an der Nase herumgeführt. Selbst seine Eltern und deinen Dad, der immerhin der Sheriff dieser Stadt, hat er monatelang an der Nase herumgeführt. Liam wäre seinetwegen seinerzeit um ein Haar im Jungendknast gelandet, wenn du nicht Theo am Ende wegen des Mordes an seiner Schwester überführt hättest. Du hast ihn von Anfang an durchschaut, hast uns alle gewarnt, keiner wollte dir glauben, doch du hast dich nicht beirren lassen. Dieser Kerl war ein echter Soziopath, der einfach jeden manipulieren konnte, nur dich eben nicht!“ Der Tierarzt hatte sich richtig in Rage geredet. Stiles lachte und hob beschwichtigend die Hände: „Okay, okay, du hast mich überzeugt. Ich habe also eine gute Menschenkenntnis. Aber es ist trotzdem so, dass ich Derek für seine Gesellschaft bezahle. Wir haben keine Beziehung, selbst wenn es wahr ist, dass wir uns irgendwie gegenseitig mögen. Was soll ich also tun? Soll ich die Sache abhaken, ehe es zu spät für mich ist und es mir richtig wehtut? Was meinst du?“ Scott lächelte: „Du willst meinen Rat? Hier ist er: Nichts und niemand hat dein kleines Herz seit langer Zeit in Gefahr gebracht. Und wenn da endlich mal wieder einer ist, der dieses Kunststück fertigbringt, dann riskiere es, egal wie wahnwitzig diese ganze Sache dir vorkommt. Vielleicht bricht er dir ja dein Herz, aber das ist immer noch besser, als wenn es irgendwann versteinert, weil aufhörst es zu benutzen!“ Er reichte Stiles die Flasche: „Hier Bro, der letzte Schluck ist für dich und dann machen wir uns auf den Heimweg, einverstanden?“ Stiles nickte nachdenklich, stürzte den restlichen Whiskey hinunter und als sie Seite an Seite betrunken durch den dunklen Wald heimwärts stolperten, spürte er mit einem Mal eine Leichtigkeit, die er bereits seit Ewigkeiten nicht mehr gefühlt hatte. In seinem Apartment in San Francisco schlich Derek bereits seit einer Weile um sein Telefon herum, welches einfach nicht klingeln wollte. Er ließ sich auf sein Bett fallen und blickte nachdenklich zum Vollmond hinauf. Kapitel 6: Wiedersehen am Meer ------------------------------ Stiles verbrachte noch einige schöne und friedliche Tage in Beacon Hills. Er spielte mit den Zwillingen Louisa und Lillian, badetete seine Seele in deren Unschuld und kindlicher Lebensfreude, wie in einer Quelle klaren Wassers und vermied es nach Möglichkeit sich zu fragen, ob er wohl eines Tages auch eigene Kinder haben würde. Er saß am Tisch der Argent-McCall-Familie, genoss die Gemeinschaft und die Wärme, welche er fort fand und versuchte der Frage aus dem Weg zu gehen, welcher Teil dieser Familie er denn eigentlich war? Da waren ein Vater, eine Mutter, zwei Kinder und ein Stiles. Er verbrachte Zeit mit seinem Dad und wohnte in seinem ehemaligen Kinderzimmer. Vater und Sohn neckten einander, lachten viel, oder unternahmen etwas gemeinsam, wenn der Sheriff frei hatte. Es war beinahe so wie damals als Junge in den Sommerferien. Nur war Stiles schon lange kein Junge mehr. Er war ein Bundesagent, ein erwachsener Mann. Und am vierten Tag musste Stiles sich eingestehen, dass es an der Zeit war , wieder nachhause zu fahren und sich seinem Leben in San Francisco zu stellen. Es war schön in Beacon Hills für eine Weile Zuflucht zu finden und Urlaub zu machen, doch im Grunde gehörte er nicht mehr hierher. Also packte er seine Sachen zusammen, verabschiedete sich von allen und fuhr heim. Stiles betrat sein stilles, leeres, für einen Menschen allein im Grunde viel zu großes Haus, stellte seine Reisetasche ab, ließ sich im Wohnzimmer erst einmal auf dem Sofa nieder und hing seinen Gedanken nach. Er hatte nun immer noch mehr als zwei Wochen Urlaub übrig. Was also wollte er mit dieser Zeit anstellen? Er zückte sein Handy und rief Dereks Nummer auf, doch ehe er auf wählen drückte, hielt er noch einmal inne. Er befand sich inmitten des Spannungsfelds zwischen dem kühlen, sachlichen, kontrollierten und professionellen FBI-Agent von heute und dem leichtsinnigen, lustigen, ungeschickten, übermütigen Spaßvogel mit dem todesmutigem Kamikazeherzen, welcher er früher einmal gewesen war. Mitch und Stiles. Und plötzlich war es ihm klar was er wollte: Er wollte einfach noch einmal eine Weile Stiles sein! Er wählte die Nummer. Derek ging bereits nach dem ersten Klingeln dran: "Stiles?" fragte er. Es klang irgendwie zögerlich. Irgendwie misstrauisch. Irgendwie nervös. "Hey! Ja, ich bin es." gab der Anrufer zurück: "Störe ich dich bei etwas? Es ist so laut bei dir im Hintergrund?" "Ich bin gerade beim Fishermans Wharf am Pier 39 und beobachte die Seelöwen." erklärte Derek. Stiles lachte: "Du tust WAS? Wieso? Da wimmelt es doch nur so von Touristen. Kein Einheimischer verirrt sich um diese Tageszeit dorthin." "Ich mag Seelöwen." gab Derek kleinlaut zurück: "Und die Menschen blende ich einfach aus." Er zögerte kurz und fügte dann hinzu: "Ich freue mich, dass du anrufst." "Ich wollte fragen, wann wir uns mal wieder sehen können." fiel Stiles mit der Tür ins Haus, da der letzte Satz seines Gesprächspartners verunsicherte: "Gern!" versicherte Derek: "Wie wäre es denn jetzt gleich?" "Aber du bist doch gerade beschäftigt. Da will ich nicht stören." erwiderte Stiles schnell, denn er wollte nicht zu bedürftig wirken: "Magst du Seelöwen? Dann könntest du einfach hierher kommen." schlug Derek vor. An seiner Stimme war zu hören, dass er lächelte. Stiles lächelte ebenfalls und er musste zugeben, dass das nett klang: "Ich kann in einer halben Stunde da sein." versprach er und damit war es abgemacht und sie legten auf. Es dauerte eine Weile, ehe Stiles Derek in dem Trubel ausfindig gemacht hatte und fand ihn schließlich auf einer Art Bank sitzend, wie er tatsächlich die Seelöwen mit einem kleinen Theaterglas beobachtete, die dicht an dicht gedrängt auf den Pontons auf dem Wasser faulenzten. Derek hatte ihn offenkundig gar nicht kommen sehen und so setzte sich Stiles einfach leise neben ihn und wartete erst einmal ab. Es dauerte einen Augenblick, ehe Derek den Kopf zur Seite drehte, ihn entdeckte und dabei ein wenig zusammenzuckte: "Also diese Seelöwen müssen ja wirklich faszinierend sein, so vertieft wie du warst?" neckte ihn Stiles grinsend: "Hey, da bist du ja! Wieso sagst du denn nichts, Mann?" lachte Derek, steckte sein kleines Fernglas in die Innentasche seiner Lederjacke und beugte sich zu Stiles für eine kurze Umarmung herüber. Dann wurde er wieder sehr ernst: "Ich habe in den letzten Tagen oft an dich gedacht, weißt du? Irgendwie habe ich nicht geglaubt, dass ich dich wiedersehen würde. Ich denke, ich habe bei unserem letzen Treffen irgendetwas falsch gemacht, ich weiß nur nicht, was das war? Ehrlich, ich habe mir den Kopf zerbrochen, womit ich dich verletzt haben könnte, doch ich weiß es einfach nicht. Du bist so plötzlich verschwunden und dann hast du dich tagelang nicht gemeldet. Ich war drauf und dran dich anzurufen, um dich zu fragen, wie es dir geht. Ich habe es nur deswegen nicht getan, weil das total unprofessionell gewesen wäre und mir in meiner Position nicht zusteht, aber es hat mich dennoch sehr beschäftigt. Du bist ein sehr netter Kerl. Was immer ich getan oder gesagt habe, ich wollte dir nicht wehtun, ehrlich. Ich mag dich, Stiles." Stiles lächelte und bedeckte Dereks Hand mit der eigenen: "Du hast nichts falsch gemacht, ehrlich!" stellte er klar: "Ich brauchte einfach mal eine kleine Auszeit von allem. Es tut mir leid, dass ich dir Sorgen bereitet habe. Ich habe meinen Dad besucht und das hat sehr gut getan. " Derek Lächeln bekam etwas Melancholisches: "Es ist bestimmt schön, wenn man so einen Ort hat, an den man zurückkommen kann." "Ja, das ist es." bestätigte Stiles und schalt sich innerlich selbst, dass er nicht daran gedacht hatte, dass Derek so ein Zuhause selbst nicht mehr hatte. "Und fühlst du dich jetzt besser?" hakte Derek nach. Der Befragte nickte und eine Weile saßen die beiden schweigend Seite an Seite und blickten auf´s Meer hinaus. Irgendwann verkündete Derek: "Ich habe Hunger wie ein Wolf. Hast du Lust, etwas essen zu gehen? Die servieren hier eine Suppe mit Krebsfleisch in einem ausgehölten Sauerteigbrot. Da freue ich mich schon den ganzen Tag drauf." "Klingt sehr gut!" betätigte Stiles. Sie erhoben sich und er folgte Derek zum Restaurant. Obwohl es überall brechend voll war, gelang es ihnen dennoch ohne Wartezeit, einen Tisch für Zwei im `Waterfront Restaurant´ zu ergattern und Stiles musste zugeben, dass die Suppe hervorragend war. Zum Nachtisch gönnten die Männer sich dann noch ein Softeis in einer nahegelegenen Eisdiele und anschließend flanierten sie eine Weile die hölzernen Wege entlang, vorbei an Buden, Souvenirshops und Gaststätten. Irgendwann erkundigte sich Derek: "Ist dir langweilig? Willst du von hier verschwinden?" Stiles grinste: "Nein, eigentlich nicht. Ich meine wenn ich schon mal hier bin, quasi als Tourist in meiner eigenen Stadt, dann will ich auch ins Spiegellabyrinth. Hast du Lust?" "Im Ernst? Ist das nicht eher etwas für Kinder?" fragte Derek amüsiert: "Du hast wohl Angst, dass du nicht mehr hinaus findest, richtig?" neckte Stiles ihn. Derek zuckte mit den Achseln und erwiderte mit einem Zwinkern: "Vielleicht. Aber du bist ja bei mir und passt auf, richtig?" "Sehr richtig." bestätigte Stiles großspurig und besorgte zwei Tickets für sie. Sie betraten das Labyrinth und wurden empfangen von hektischer Techno-Musik und Säulen, Bögen und Spiegeln, welche mal von Schwarzlicht bestrahlt, mal flackernd und farbwechselnd durch indirekte Lichtquellen beleuchtet wurden. Es war beinahe unmöglich, sich im Inneren zu orientieren, denn alles hier war darauf ausgelegt, die Sinne zu verwirren. Die beiden Suchenden trugen Einmalhandschuhe aus Plastik, um nicht überall Fingerabdrücke auf den Spiegeln zu hinterlassen, während sie sich an den Wänden entlang tasteten. Um einander nicht zu verlieren, hielten sie sich fest bei den Händen. Ihre Suche nach dem Ausgang war tatsächlich irgendwie aufregend und Stiles war froh, dass er nicht allein hier war, denn obwohl er seine ADHS-Symptome heutzutage recht gut im Griff hatte, war diese Reizüberflutung eine Herausforderung für sein Hirn. Irgendwann hakte er sich bei Derek unter und klammerte sich an dessen Bizeps, um sich wieder ein ein wenig herunterzubringen. Dies blieb von seinem Begleiter nicht unbemerkt und er quittierte es mit einem warmherzigen Lächeln und der Versicherung: "Ist okay, Süßer. Wir finden den Ausgang." Und das taten sie natürlich auch. Zwanzig Minuten später tauchte ein wenig Tageslicht vor ihnen auf, sie strebten darauf zu und hatten es geschafft. "Das hat tatsächlich Spaß gemacht." kommentierte Derek gut gelaunt. Stiles atmetete auf, als sie wieder den blauen Himmel über sich hatten und stimmte zu. Sie setzten ihren Bummel über den Fishermans Wharf fort, kamen nach einer Weile an die `Center Stage´ wo sie eine Weile innehielten, um den Performancekünstlern, Clowns und Zauberern zuzuschauen. Die Sonne stand bereits tief und Derek erkundigte sich: "Sollen wir vielleicht langsam von hier verschwinden?" Stiles grinste und erwiderte mit Blick auf das altmodische Karussell direkt hinter der Bühne: "Eine Sache würde ich gern noch machen." "Das ist nicht dein Ernst, oder?" fragte sein Gegenüber mit ungläubigen Lachen. Stiles zuckte mit den Achsel, nahm Derek bei der Hand und zog ihn hinter sich her: "Ich steige aber nicht auf so ein albernes Holzpferdchen!" ließ der Größere seinen Quasi-Entführer wissen, in dem hilflosen Versuch, sich wenigstens ein Stückchen seiner männlichen Würde zu bewahren. Stiles lenkte ein und sicherte ihnen eine der Gondeln für Zwei. Um sie herum waren fast nur Kinder auf dem Karussell, doch das schien ihn keineswegs zu stören. Derek legte einen Arm um Stiles und ließ ihn wissen: "Du bist echt ein kleiner Verrückter, weißt du das?" "Und findest du das schlimm?" erkundigte Stiles sich vorsichtig. Derek schüttelte den Kopf: "Ich finde das überhaupt nicht schlimm. Im Gegenteil, ich weiß gar nicht, wann ich das letzte Mal so viel Spaß hatte?" Mit einem zufriedenen Lächeln lehnte Stiles seinen Kopf an die Schulter seines Begleiters. Nach dieser Karussellfahrt beschlossen die beiden Männer aufzubrechen. Als sie dem Getümmel einigermaßen entkommen waren, erkundigte sich Derek: "Wo steht denn dein Auto? Ich könnte dich noch dorthin begleiten, um sicherzugehen, dass du heil dort ankommst." Stiles musste über dieses unerwartet ritterliche Angebot lächeln und gab zurück: "Das ist nett aber ich bin mit dem Taxi gekommen, weil ich befürchtet habe, hier keinen Parkplatz zu finden." "Na dann könnte ich dich doch zurückfahren, was hältst du davon? Mein Auto steht drüben im Parkhaus." bot Derek an. Stiles zögerte kurz, denn eigentlich hatte er sich ja vorgenommen, möglichst anonym in dieser ganzen Sache mit Derek zu bleiben. Dann jedoch musste er an die Worte von Scott denken, welcher ihm eine ausgezeichnete Menschenkenntnis bescheinigt hatte. Und ja, Stiles vertraute Derek. Er konnte spüren, dass dieser ein anständiger Kerl war, ganz gleich, wie er sein Geld verdiente: "Ja, das wäre echt nett." bestätigte er also und folgt Derek ins Parkhaus zu seinem Wagen und ihm gingen beinahe die Augen über, als er den pechschwarzen `Chevrolet Camaro´erblickte, den Derek sein eigen nannte: "Wow! Was für eine Schönheit!" kommentierte er angemessen beeindruckt. Das Model hatte sicherlich bereits zehn Jahre auf dem Buckel, dennoch es glänzte wie beinahe wie fabrikneu. Es war nicht zu übersehen, dass sein Halter diesen Wagen liebte und peinlich genau pflegte: "Dieser Wagen ist wie du, Derek." behauptete Stiles: "Dunkel und verdammt sexy." Derek grinste verlegen, legte beide Arme um Stiles und kurz dachte dieser, er würde ihn nun küssen, doch da ertönte hinter ihnen unvermutet eine feindselige Stimme, welche befahl: "Wenn ihr weiterleben wollt, dann gebt mir eure Brieftaschen und die Autoschlüssel, ihr verdammten Schwuchteln!" Die beiden Männer ließen voneinander ab, drehten sich sehr langsam um und blickten nun in den stählernen Lauf einer auf sie gerichteten `Sig Sauer Skeleton´. Kapitel 7: Ihr Einsatz Agent Stilinski! --------------------------------------- Es galt nun die Ruhe zu bewahren und die Situation richtig einzuschätzen. Im Bruchteil einer Sekunde schaltete Stiles innerlich um und Agent Stilinski übernahm das Ruder. Der Mann welcher die Waffe auf sie richtete, war ein Kerl Anfang fünfzig, ungepflegt, ein wenig untersetzt, mit einem gemeinen Zug um die Mundwinkel. Seine fahle, teigige Haut, die Schatten unter seinen Augen und auch seine Figur deuteten auf eine beginnende Herzerkrankung hin. Vermutlich war er körperlich in eher schlechter Verfassung und das war die gute Nachricht. Doch an seiner Mimik, der Körperhaltung und der selbstsicheren Art wie er die Waffe trug, konnte der Agent deutlich erkennen, dass dieser Mann dies hier nicht zum ersten Mal tat. Sein Gesicht verriet eine gewisse Selbstzufriedenheit. Es war unverkennbar, dass er das Gefühl von Macht und Überlegenheit, welches ihm seine Waffe verlieh, genoss. Da waren kein Zucken oder Zittern an seiner Hand, den Mundwinkeln, oder irgendwo sonst am Körper des Angreifers auszumachen. Er machte so etwas nicht zum ersten Mal und der Agent hätte wetten können, dass dieser Mann auch bereits bei früherer Gelegenheit getötet hatte und keine großen Skrupel kannte, es wieder zu tun. Aus dem Augenwinkel konnte Stilinski erkennen, dass Derek neben ihm erstarrt war vor Schreck. Seine Pupillen waren geweitet, der Blick glasig, das Gesicht aschfahl, die Schultern leicht hochgezogen, es stand ihm kalter Schweiß auf der Stirn und seine gesamte Muskulatur war gespannt. In diesem Moment bellte ihr Angreifer: „Sagt mal, spreche ich spanisch, Leute? Ich habe gesagt, ich will eure Brieftaschen und den Schlüssel für diesem Wagen hinter euch, aber ein bisschen plötzlich!“ Stiles erkannte, dass sich der Finger des Mannes am Abzug minimal bewegte. Er musste jetzt schleunigst etwas unternehmen: „Hey Mann, ist in Ordnung. Wir kooperieren!“ versprach er mit beschwichtigend ausgestreckten Händen, um den Angreifer in Sicherheit zu wiegen: „Ich hole jetzt ganz langsam meine Geldbörse heraus, einverstanden? Und du tust das doch auch, richtig Derek? Du wirst keinen Widerstand leisten?“ Er warf einen Blick zur Seite auf seinen Begleiter und dieser nickte fahrig und begann mit klammen, nervösen Fingern an seinen Taschen zu nesteln, um der Aufforderung Folge zu leisten. Stiles griff behutsam in die Innentasche seiner Jacke, zog wie versprochen seinen Geldbeutel hervor und hielt den Blick des Angreifers mit seinem eigenen fest, während er fortfuhr: „Siehst du, wir tun, was du sagst. Es gibt keinen Grund, uns zu verletzen.“ Während er sprach, bewegte er sich kaum merklich auf den Gangster zu und brachte sich dadurch zugleich zwischen diesen und Derek, um seinen Begleiter aus dem direkten Schussfeld zu holen. Gleichzeitig hielt er dem Angreifer seine Brieftasche am lang ausgestreckten Arm hin und sagte: „Da sind ungefähr fünfhundert Dollar drin.“ Er spreizte behutsam den ledernen Geldbeutel mit Daumen und Zeigefinger auf, so dass der Dieb die Geldscheine sehen konnte. Dieser erlaubte sich einen kurzen, gierigen Seitenblick auf das Geld und das war genau die kurze Ablenkung, auf die Agent Stilinski gewartet hatte. Während der Ganove nach seiner Brieftasche grapschte, griff der FBI-Agent blitzschnell mit seiner freien Linken nach der Hand mit der Waffe und richtete sie nach oben. Ein Schuss ging los, direkt in die Decke über ihnen und es rieselten ein wenig Putz und Beton auf sie nieder. Stilinski nahm seine zweite Hand zu Hilfe und hatte den Angreifer im Nu entwaffnet. Mit dem Fuß kickte er die Pistole geschickt fort, so dass sie für den Ganoven nicht mehr zu erreichen war. Nun startete er seinen Angriff, um den Fremden schnell und effektiv außer Gefecht zu setzen: Ein fester Schlag mit dem Handballen gegen dessen Nase, welche sofort mit einem befriedigenden Krachen brach, ein Faustschlag gegen das Sonnengeflecht, ein Hieb mit dem Knie in den Schritt und ein Tritt in die Kniekehle, so dass der Angreifer schließlich nach vorne auf den Betonuntergrund fiel. Stilinski war sogleich über ihm, hatte ihm beide Arm auf dem Rücken verdreht und fixierte seine Beine, indem er auf ihnen kniete. Der Angreifer war wehrlos, wimmerte vor Schmerz und der Agent sagte seinen Text auf, welchen er bereits so viele Male zuvor gesprochen hatte: „Ich bin Agent Stilinski, FBI. Sie sind festgenommen, Sir!“ Dann blickte Stiles hoch zu Derek, versuchte dessen Blick einzufangen und sagte so ruhig, wie er konnte: „Alles ist okay, es ist vorbei. Du bist in Sicherheit. Kannst du nun bitte die Polizei anrufen, ihnen sagen wo wir sind, was passiert ist und sie bitten, einen Wagen zu schicken?“ Derek nickte mechanisch, zückte sein Telefon und setzte den Anruf ab. Als die Beamten wenig später eintrafen und den Dieb in Handschellen legten, wandte sich Stiles Derek zu, legte ihm beruhigend beide Hände auf die Schultern und sagte sanft: „Setz´ dich ruhig schon in den Wagen. Ich regele das mit der Polizei. Ich bin gleich bei dir, in Ordnung?“ Wieder kam lediglich ein Nicken von Derek. Dann öffnete dieser die Fahrertür seines Autos und nahm auf dem Sitz Platz. Stiles ging hinüber zu den Beamten, stellte sich vor und zeigte seine Dienstmarke, gab einen kurzen Bericht darüber ab, was vorgefallen war, zeigte die Einschussstelle in der Decke und wies auf die Waffe am Boden, welche von den Polizisten sogleich in Gewahrsam genommen wurde. Der Verhaftete blickte ihn finster durch die Scheibe des Polizeiwagens an. Seine Nase blutete noch immer und die rote Suppe tropfte stetig auf sein einstmals weißes T-Shirt. Agent Stilinski hatte kein Mitleid mit ihm. „FBI?“ fragte Derek, als Stiles neben ihm im parkenden Wagen saß. Der Agent ließ den Kopf hängen: „Ich hatte irgendwie gehofft, das hättest du nicht mitbekommen.“ „Ich bin ja nicht taub. Ich bin bloß ein vollkommen nutzloser, dämlicher Feigling, wie man gesehen hat.“ murrte Derek. Stiles nahm die Hände seines Sitznachbarn in die eigenen und verschränkte ihre Finger: „Red´ doch nicht so einen Blödsinn. Du bist überhaupt kein Feigling, du standest lediglich unter Schock und das ist eine ganz normale, natürliche Reaktion darauf, wenn man in den Lauf einer Waffe blickt.“ „Dich hat es nicht aufgehalten. Du bist nicht erstarrt, wie das Kaninchen vor der Schlange.“ gab sein Begleiter unzufrieden zurück. Stiles legte ihm einen Arm um die Schulter und fuhr mit den Fingern durch das schwarze Haar: „Das liegt daran, dass ich jahrelang für Ernstfälle wie diesen trainiert habe. Das ist mein Job! Ich bin in verschiedenen Kampfsportarten ausgebildet, hatte bereits eine Unmenge gefährlicher Einsätze und dies eben war auch wahrlich nicht das erste Mal, dass ich in die Mündung einer Waffe geblickt habe. Auf mich wurde sogar bereits mehrfach geschossen. Vielleicht zeige ich dir bei Gelegenheit mal die Narben. Du siehst, du kannst uns beide wirklich nicht vergleichen. Seien wir einfach dankbar, dass die Sache so glimpflich ausgegangen ist, einverstanden?“ Plötzlich wechselte Dereks Gesichtsfarbe von blass zu grünlich. Er riss hektisch die Autotür auf, beugte sich nach draußen und übergab sich. Stiles zog ein Papiertaschentuch aus seiner Jackentasche und reichte es Derek, zusammen mit einer Flasche Wasser, welche auf dem Armaturenbrett des Wagens gelegen hatte. Sein Sitznachbar wischte sich den Mund ab, nahm einen kräftigen Schluck aus der Flasche und warf einen Pfefferminzbonbon ein, welchen er aus einer kleinen Schachtel in der Ablage hinter der Kupplung genommen hatte: „Gott diese Situation kann wohl echt nicht mehr peinlicher werden. Ich wünschte, die Erde würde sich auftun und mich verschlucken.“ klagte Derek und ließ den Kopf hängen. Stiles lachte leise und fuhr die schönen, kantigen Gesichtszüge seines Nachbarn nach: „Dir muss wirklich nichts peinlich sein. Du stehst unter Schock, das ist alles.“ Derek schluckte schwer: „Ja, da hast du wohl Recht. Weißt du, mir ist gerade klar geworden, dass ich jetzt vermutlich tot wäre, wenn du vorhin nicht bei mir gewesen wärst. Man verdrängt immer, wie schnell das gehen kann.“ „Wie gesagt, es ist alles gut gegangen. Daran solltest du jetzt denken und an nichts anderes.“ gab Stiles zurück und zog den Größeren in seinen Arm: „Was hältst du davon, wenn ich ans Steuer wechsele, dich zu dir nachhause fahre und mir dann von dort aus ein Taxi nehme? Ich denke du solltest in deinem Zustand nicht fahren. Und es wird dir bestimmt sehr viel besser gehen, wenn du dich erst einmal ein wenig ausgeruht hast.“ Derek zögerte kurz und fragte dann kläglich: „Könnte ich vielleicht auch mit zu dir kommen? Ich glaube, ich mag gerade nicht allein sein. Wäre das okay?“ Stiles war klar, dass er damit all seine Vorsätze aufgab, welche er in Bezug auf Derek gehabt hatte. Dieser kannte nun seinen richtigen Namen, seinen Beruf und er würde ihn jetzt auch noch mit in sein eigenes Heim nehmen. Dennoch zögerte er keine Sekunde: „Ja sicher.“ bestätigte er: „Fahren wir zu mir, wenn du das gern möchtest.“ Kapitel 8: I'm not meant to live alone, turn this house into a home... ---------------------------------------------------------------------- Während der Autofahrt schwiegen die beiden Männer. Stiles blickte dann und wann verstohlen zu seinem Beifahrer hinüber, welcher tief in seinen Sitz gesunken war, seine Lederjacke eng um sich geschlungen und die Arme fest vor der Brust verschränkt hatte. Derek starrte stur geradeaus durch die Windschutzscheibe und schien vollkommen in Gedanken versunken. Erst als sie in Stiles Straße einbogen, schien er wieder zu erwachen. Er blickte neugierig in die Vorgärten, um ein Bild von der Nachbarschaft zu gewinnen. Schließlich kam der Wagen zum Stehen und Stiles verkündete: „Hier ist es, hier wohne ich.“ Er parkte den Wagen direkt vor dem Haus und sie stiegen aus. „Wow!“ entfuhr es Derek beeindruckt und er verweilte einen Moment, um sich einen Eindruck des Gebäudes zu verschaffen: „Wie zur Hölle hast du dir so ein Haus in solch einer Gegend leisten können. Verdient man beim FBI denn so viel besser, als ich immer vermutet habe.“ Stiles lachte: „Nein, sicher nicht, aber wie gesagt habe ich das Haus zu einem günstigen Zeitpunkt gekauft. Außerdem war es in wirklich erbärmlichem Zustand, als ich es erworben habe. Ich habe sehr viel daran machen müssen und das meiste konnte ich allein tun, alles bis auf die Elektrik und einige Sanitärarbeiten. Darauf bin ich unheimlich stolz. Sogar das Dach habe ich eigenhändig repariert. Ich bin wohl irgendwie ein Autodidakt und auch ein klein wenig besessen, wenn ich mir einmal ein Projekt vorgenommen habe. Ich musste für den Hauskauf allerdings immer noch einen Kredit aufnehmen, den ich noch immer abzahle. Das macht aber nichts, denn für gewöhnlich lebe ich ziemlich sparsam. Wollen wir reingehen?“ Derek nickte und schaute sich alles ganz genau an. Man durchschritt ein Rosenspalier, wenn man das Grundstück betrat. Die Zuwegung, welche die kleine Rasenfläche teilte, war links und rechts gesäumt von Margeriten, in welchen sich Bienen und allerhand anderes Getier tummelte. Die Hausfassade war in einem blassen Rot gestrichen, wovon sich Tür- und Fensterrahmen in blendendem Weiß abhoben. Der Sonnenuntergang tauchte alles in goldenes Licht. Vor dem Haus gab es eine kleine Veranda, auf welcher sich zwei Korbstühlen und eine, an der Decke verankerte, hölzerne Hollywoodschaukel befanden. Derek stellte sich vor, wie Stiles hier am Morgen mit seinem ersten Kaffee saß und in aller Ruhe den Tag begrüßte: „Die Fenster sind unheimlich schön.“ stellte er fest und deutete auf die eingelassenen floralen Ornamente in rot und grün rings um die klaren Scheiben: „Die waren schon da, als ich einzog. Diese Fenster sind richtig alt. Und halt´ mich nicht für verrückt, aber sie waren das Zünglein an der Waage, als ich mich damals für den Hauskauf entschieden habe. Ich habe mich in diese Fenster verliebt. Ist das nicht dumm?“ fragte Stiles mit einem verlegenen kleinen Grinsen. Derek lächelte ebenfalls und versicherte: „Es ist überhaupt nicht dumm. Es ist... irgendwie total süß.“ Stiles, welcher gerade dabei war aufzusperren, wandte sich um und blickte ihn schmunzelnd über die Schulter hinweg an: „Hereinspaziert!“ rief er aus, als die Tür aufschwang und machte eine einladende Geste mit seinen Armen. Der Hausherr knipste das Licht an, so dass sein Gast auch etwas sehen konnte. Im Inneren gab es unheimlich viel zu entdecken. Wenn man den kleinen Vorflur passiert hatte, stand man sofort in Stiles Wohnzimmer. Die Einrichtung hier bestand aus modernen Schränken und Regalen aus unbehandeltem Holz. Stiles besaß eine Unmenge von Büchern. Ein bestimmtes Thema war bei der Literatur nicht auszumachen, da waren Sachbücher zu unterschiedlichsten Fachgebieten, Kochbücher, Krimis und ebenso viele Klassiker und Derek fragte beeindruckt: „Hast du die etwa alle gelesen?“ „Die meisten.“ bestätigte Stiles: „Mein Kopf braucht irgendwie immer Beschäftigung. Und ich mag echte Bücher, die ich in der Hand halten, fühlen und riechen kann und nicht diese elektronischen Dinger, egal wie praktisch die sein mögen. Ich weiß, es ist total altmodisch.“ „Ich kann das verstehen.“ versicherte Derek und blickte sich weiter um. Überall standen, oder hingen Fotos, von Stiles mit Leuten in seinem Alter, die vermutlich seine Freunde waren, insbesondere von einem hispanisch aussehenden jungen Mann mit Grübchen, Knopfaugen und süßem Lächeln und einer hübschen Erdbeerblondine, die auf jedem der Bilder stets perfekt geschminkt und in Positur geworfen schien, wie ein Model. Daneben fanden sich noch Fotos von Personen, bei denen sich vermutlich um Stiles Eltern handeln musste. An Wänden, auf Kommoden und in Regalen waren Dekorationsgegenstände platziert, ohne dass es überladen oder kitschig wirkte. Da waren zum Beispiel eine große aufgebrochene Amethystdruse, welche dem Betrachter ihr prächtiges, violett schimmerndes Innenleben präsentierte und ein versteinerter Ammonit in derselben Größe daneben. An einer Wand hingen ein antikes japanisches Schwert, ein Aquarellgemälde, welches eine Strandlandschaft abbildete und ein Filmplakat des Klassikers von 1941 `The Wolf Man´. Es gab einen kleinen, gusseisernen Ofen, auf dem geölten Dielenboden lag ein hübscher Perserteppich in zarten Blau- und Grüntönen und ein royal-blaues Chesterfieldsofa mit zwei dazu passenden Sesseln, luden zum Ausruhen ein. Alles wirkte unwahrscheinlich gemütlich und Derek liebte es! Er dachte an sein eigenes nüchternes, cleanes und geradliniges Zuhause, welches mit Stiles Heim überhaupt nicht zu vergleichen war. Sicherlich war es so, dass Minimalismus zu Dereks Persönlichkeit passte, doch andererseits hätte er wohl auch gar keine Idee gehabt, mit welchen dekorativen Stehrumseln er seinem Apartment ein wenig mehr Wärme, Persönlichkeit und Behaglichkeit hätte verleihen können? Und einen kurzen Augenblick lang wollte er all dies; die Hollywoodschaukel, die Hausbibliothek, die Dekoration, das Kuschelsofa, den Ofen, einfach alles. Einen flüchtigen Moment lang stellte er sich vor wie es wohl war, hier zu wohnen und sich einfach nur geborgen zu fühlen: „Gefällt´s dir?“ fragte Stiles passenderweise in diesem Moment, da er Derek die ganze Zeit dabei beobachtet hatte, wie dieser sich umgesehen hatte: „Sehr!“ bestätigte sein Gast: „Du hast wirklich Geschmack.“ Ein stolzes Grinsen zeigte sich auf dem Gesicht des Hausherren. Er bedankte sich und erklärte: „Es hat eine Ewigkeit gedauert, bis alles so war, wie ich es haben wollte. Jetzt ist es endlich perfekt.“ Derek stimmte zu, doch eine Stimme in seinem Inneren widersprach dennoch. Ja es war perfekt, zumindest beinahe, doch eine Sache fehlte dennoch und es schien ihm etwas sehr Wichtiges zu sein, trotzdem kam er nicht drauf, was es war? „Setz´ dich doch bitte!“ forderte ihn der Gastgeber auf und Derek folgte der Einladung nahm auf dem Sofa Platz: „Ist dir noch immer kalt? Ich könnte den Ofen anmachen?“ schlug Stiles vor. Derek wollte keine Umstände machen und so erwiderte er: „Ein wenig, aber ich denke, das wird nicht nötig sein.“ Stattdessen zog Stiles nun jedoch eine große lindgrüne Häkeldecke aus einer Holztruhe, breitete diese über seinen Besucher und kündigte an: „Also gut, aber dann werde ich uns wenigstens einen heißen Tee machen. Ich bin gleich wieder da! Willst du vielleicht inzwischen ein wenig Musik hören?“ Als sein Besuch nickte, legte Stiles eine Schallplatte auf. Eine echte Schallplatte! Derek hatte keine Ahnung, dass es tatsächlich noch Leute gab, welche Plattenspieler besaßen? Es knisterte ein wenig und wenig später erklang aus den Lautsprechern die samtig-liebliche Stimme von Ella Fitzgerald und Stiles verschwand in der Küche. Beruhigt von der Musik wickelte Derek sich noch ein wenig fester in seine Decke ein und schloss kurz die Augen. Der Schrecken des Überfalls ebbte langsam ab und er spürte, dass er erstmals wieder wirklich tief durchatmen konnte. Stiles brauchte eine Weile in der Küche, was daran lag, dass er nicht nur einen Tee für sie gekocht hatte, er hatte auch Käse-Schinken-Sandwiches für sie bereitet, einen kleinen Obstsalat und ein wenig Kuchen aufgeschnitten: „Greif´ zu wenn du magst. Du musst doch total ausgehungert sein?“ forderte der Gastgeber. Und tatsächlich stellte Derek beim Anblick der Leckereien fest, dass er einen Wolfshunger hatte, denn immerhin lag seine letzte Mahlzeit ja bereits einige Stunden zurück und hinzu kam, dass die Krebsfleischsuppe seinen Körper ja auch schon unplanmäßig früh wieder verlassen hatte: „Das sieht großartig aus!“ stellte er dankbar fest und bediente sich, während Stiles sich an seiner Seite niederließ und das Gleiche tat. Als sie beide gesättigt waren wollte Stiles wissen: „Geht es dir schon ein wenig besser?“ Derek nickte und bekannte mit einem verlegenen Lächeln: „Es geht mir bedeutend besser, bis auf ein zerschrammtes Ego, weil ich vorhin so feige und hilflos gewesen bin.“ Stiles seufzte, blickte zunächst unentschlossen zu seinem Sitznachbarn hinüber und entschied sich dann, etwas zu unternehmen. Er hockte sich rittlings auf den Schoß des Größeren, verschränkte seine Hände in dessen Nacken und blickte ihm fest in die Augen: „Du musst das abhaken, Derek.“ ordnete er an: „Schusswaffen verschaffen Angreifern einen unfairen Vorteil und wenn du da nicht ein paar gute Tricks kennst, wie ich durch mein FBI-Training, dann bist du am besten beraten, indem du dich geschlagen gibst und machst, was die wollen. Du hattest gar keine andere Wahl., als dich passiv zu verhalten.“ „Aber ich war ja wie erstarrt. Ich konnte gar nichts tun, nicht sprechen, nicht einmal machen, was dieser Kerl von uns verlangt hat, gar nichts!“ murrte Derek unzufrieden. Stiles fuhr mit zärtlichen Fingern durch sein Haar: „Also gut, dann sag´ mir doch mal, wie oft es dir bereits passiert ist, dass du in den Lauf einer Pistole geschaut hast?“ „Na ja... noch nie.“ gab Derek zu. Stiles nickte bedächtig: „Und nun stell´ dir doch mal vor, was geschehen wäre, wenn dies eine andere Angriff gewesen wäre. Was wenn ein unbewaffneter Kerl von deiner Größe...“ er streichelte die muskulösen Arme und die breite Brust seines Gastes: „... uns angegriffen hätte. Wärst du dann weggelaufen und hättest dich versteckt, oder hättest du dich gewehrt?“ „Ich hätte dich und mich natürlich verteidigt.“ räumte Derek ein. Stiles grinste auf ihn hinab und stellte fest: „Siehst du, du bist kein Feigling! Und sollten wir irgendwann mal in solch eine Situation kommen, dann lasse ich dir den Vortritt und du rettest mich, einverstanden? Denn das ist für einen großen, starken, beeindruckenden Kerl wie dich mit Sicherheit ein Leichtes!“ Derek schüttelte schmunzelnd den Kopf: „Sag´ mal, versuchst du gerade meine angegriffene Männlichkeit wiederherzustellen?“ wollte er wissen: „Funktioniert es denn?“ fragte Stiles kichernd: „Jupp, funktioniert.“ bestätigte Derek. Dann nahm er Stiles Gesicht in beide Hände, zog es zu sich heran und küsste ihn. Stiles schloss die Augen, schmolz den fremden Lippen geradezu entgegen und öffnete die seinigen für Dereks Zunge, welche um Einlass bat. „Das war... WOW!“ stammelte Stiles, als sie sich wieder von einander lösten. Er zögerte ein wenig und schließlich stellte er unsicher eine Frage, welche ihm auf der Seele brannte: „Ich... ich dachte in deinem Job küsst man nicht? Ist das nur ein dummes Vorurteil? Und... oh Mann... ist vielleicht schon diese Frage beleidigend.“ Derek lächelte: „Alles gut, die Frage ist okay.“ versicherte er: „Ich kann sie dir nur nicht richtig beantworten. Also ich persönlich habe das Küssen bislang vermieden. Es mag komisch klingen bei allem, was ich sonst so für Geld tue, aber es erschien mir immer zu... intim. Ich kann dir aber nicht beantworten, wie es andere Männer in meiner Position halten.“ Stiles runzelte die Stirn: „Und wie kommt es, dass du ausgerechnet mich jetzt küssen wolltest?“ Derek zuckte mit den Schultern: „Mit dir ist es anders. Du bist anders.“ erwiderte er nachdenklich: „Und ist das gut?“ vergewisserte sich Stiles nervös. Derek zögerte ein wenig mit seiner Antwort und seinem Gegenüber rutschte das Herz in die Hose, doch dann entgegnete er schließlich: „Es ist verwirrend. Und es ist gut.“ Stiles hätte liebend gern noch weiter gefragt, weil er genau wissen wollte was das bedeutete, doch er schwieg, stieg von Dereks Schoß herunter, schmiegte sich stattdessen an dessen Seite und dieser legte einen Arm um ihn. Sie schwiegen eine ganze Weile, tranken ihren Tee und lauschten der Musik. Es war kein unbehagliches Schweigen, eher im Gegenteil ein Zeichen dafür, dass sie sich miteinander wohlfühlten. Und bei dem Song `A House Is Not A Home´ vom Plattenspieler wurde Derek urplötzlich klar, was es war, das diesem Haus fehlte: Es war einfach nicht das Heim eines Single-Mannes. Sicherlich war Stiles der einzige Junggeselle in dieser Nachbarschaft, wo in jedem Vorgarten ein Kinderfahrrad auf dem Rasen lag, oder eine Schaukel und eine Rutsche herumstanden. Dieses Haus war wie ein Nest ohne Gelege, wie der Bau eines einsamen Wolfes. Es war im Grunde für ein Paar, oder gar eine Familie bestimmt und dennoch wohnte hier bloß ein sehr liebenswerter, sehr einsamer Junge ganz allein. Einem Impuls folgend fragte Derek: „Darf ich heute Nacht bei dir bleiben? Ich... ich meine nicht als... du weißt schon, sondern als... Freund?“ Stiles hob den Kopf und blickte ihn überrascht an. Dann nickte er. Kapitel 9: Bekenntnisse ----------------------- „Ich hatte ewig keine Übernachtungsgäste mehr. Ich bereite rasch alles vor.“ erklärte Stiles und war verschwunden, noch ehe Derek versichern konnte, dass er sich keine Umstände machen müsse. Wenig später standen die beiden Männer dann nebeneinander vor dem Badezimmerspiegel. Derek trug sein eigenes Unterhemd und eine Jogginghose seines Gastgebers, welche zwar etwas zu kurz war, aber dank Zuzugband in der Breite immerhin passte. Stiles hatte auch eine frische Zahnbürste für ihn aufgestöbert und nun gingen sie beide einhellig der Mundhygiene nach. Stiles, in einem übergroßen, verwaschenen `Nirwana´-T-Shirt und einer Pyjamahose, mit Schaum vor dem Mund, grinste ihrem Spiegelbild zu und Derek erwiderte das Lächeln. Als sie fertig waren, folgte Derek dem Hausbesitzer in dessen Schlafzimmer. Stiles hatte dort bereits ein Kissen und eine Bettdecke frisch für seinen Besuch bezogen und versicherte rasch: „Ich kann im Gästezimmer schlafen, wenn dir das angenehmer ist. Das ist überhaupt kein Problem.“ „Wieso das denn? Dein Bett ist doch groß genug für uns beide.“ versicherte Derek, ließ sich auf der Schlafstätte nieder und klopfte auf den Platz neben sich. Stiles nahm unsicher auf der äußersten Bettkante Platz und fixierte den Boden mit seinem Blick. Derek ergriff eine seiner Hände und küsste sie: „Du musst keine Angst haben.“ versicherte er sanft: „Hier passiert nichts, was du nicht willst und ich denke, ich habe mittlerweile verstanden, was los ist. Sex ist einfach nicht dein Ding, richtig? Das macht doch nichts. Es gibt eben Menschen, bei denen das so ist. Ich respektiere das und es muss dir nicht unangenehm sein.“ Stiles Augen wurden riesig: „WAS? Nein, so ist das bei mir aber gar nicht. Ich... ich liebe Sex.“ versicherte er schnell: „Es... ist einfach nur schon lange her. Also... so richtig lange!“ Er schlüpfte neben Derek unter die Decke und sie lagen einander zugewandt und blickten einander im warmen Schein der Tiffany-Nachttischlampe an. „Wie lange ist denn `lange´ für dich?“ wollte Derek wissen: „Ein paar Wochen? Ein paar Monate vielleicht? Ein Jahr?“ Stiles zog sich die Decke über den Kopf und murmelte unglücklich: „Das kann ich dir nicht sagen. Dann hältst du mich für verrückt.“ Derek lachte leise, grub den Beschämten unter seiner Zudecke hervor und fuhr mit sanften Fingern durch dessen hellbraunes Haar: „Ich werde dich sicher nicht für verrückt halten. Und es muss dir auch nicht unangenehm sein.“ beteuerte er: „Nun sag´ schon!“ Stiles seufzte schwer: „Na gut, ich erzähle es dir, auch wenn es mir echt peinlich ist. Ich habe dir ja bereits von meinem Ex-Freund Danny erzählt, richtig? Unsere Trennung ist jetzt elf Jahre her. Er war mein erster Mann.“ begann er seinen Bericht: „Es war damals wirklich schwer für mich, ihn loszulassen.“ Derek nickte Anteil nehmend und Stiles sprach weiter: „Nachdem ein Jahr ins Land gegangen war dachte ich mir, ich probiere es mal wieder aus, gehe unter Leute und sehe, ob ich vielleicht jemanden kennenlerne und das habe ich auch. Ich war in diesem Club und traf einen wirklich gutaussehenden Typen. Wir haben ein wenig geredet, gemeinsam getrunken und irgendwann fragte er mich, ob ich mit zu ihm kommen wolle und das tat ich. Ich dachte mir, was ist schon dabei? Ich war jung, single und wenn ich ehrlich bin hatte ich auch... einfach Lust. Um es kurz zu machen: Es war so richtig Scheiße! Das ganze war im Nu vorbei, es war ziemlich rau und ohne Herz und kaum war er gekommen, hatte ich auch schon das Gefühl er wollte, dass ich wieder verschwinde. Das habe ich auch getan, habe mich einfach angezogen, bin gegangen und habe zuhause eine Stunde lang geduscht. Und das war das letzte Mal, dass ich Sex hatte.“ Nun war es an Derek ungläubig zu schauen: „Oh Mann, dann ist es ja bereits zehn Jahre her!“ entfuhr es ihm ungefiltert. Stiles verschwand erneut unter seiner Bettdecke, von wo es nun kläglich murmelnd tönte: „Ich wusste es! Du denkst ich wäre vollkommen verrückt.“ Anstatt Stiles seinen Sichtschutz ein weiteres Mal zu nehmen, kroch Derek mit zu ihm unter die Decke, rollte sich dabei halb auf ihn und legte die Arme um ihn: „Tue ich nicht!“ versicherte er und küsste ihn behutsam auf die Lippen: „Mir fallen eine Menge Adjektive ein, um dich zu beschreiben. Ich finde dich zum Beispiel `süß´, `liebenswert´,`bezaubernd´,`außergewöhnlich´, `aufregend´, `sexy´, `unerwartet´ oder `großartig´. Aber `verrückt´ kommt auf dieser Liste nun wirklich nicht vor. Ich frage mich höchstens, was mit den Männern los ist, dass sie einem tollen Kerl wie dir nicht die Bude einrennen? Du bist fantastisch und je besser ich dich kennenlerne, umso großartiger finde ich dich, Stiles.“ Dem Angesprochenen stieg die Röte ins Gesicht: „Du bist lieb!“ erwiderte er: „Aber ich glaube, es liegt nicht an den Männern, sondern an mir. Ich arbeite in der Woche sechzig Stunden und mehr. Ich habe es zugelassen, dass meine Arbeit beinahe mein ganzer Lebensinhalt geworden ist. Ich hatte gar keine Zeit irgendjemanden kennenzulernen.“ „Ich verstehe.“ erwiderte Derek: „Aber... fehlt es dir denn nicht?“ „Es fehlt mir sehr.“ bestätigte Stiles leise: „Doch wie gesagt, stehe ich mir selbst im Weg. Ich bin eben nicht der Typ für unverbindlichen Spaß.“ „Also darf ich hoffen, dass wir es vielleicht irgendwann tun werden?“ wollte Derek wissen: „Ich verspreche dir auch hoch und heilig, dass sich so etwas wie dein Erlebnis mit diesem Kerl damals mit Sicherheit nicht wiederholen würde. Aber ich würde dich eines Tages wahnsinnig gern ficken.“ Nun wurde Stiles bleich, was allerdings auch damit zu tun haben könnte, dass all sein Blut sich schlagartig in seinen südlichen Regionen sammelte. Derek lachte, küsste ihn noch einmal und versicherte: „Keine Sorge, ich meine nicht jetzt sofort. Nach so vielen Jahren sollte es wirklich etwas besonderes werden. Und wenn ich ehrlich bin, dann schüchtert es mich ganz schön ein, dass du es solange nicht getan hast. Deine Erwartungen an diese Sache müssen nach all der Zeit doch mittlerweile vollkommen überhöht sein. Da kann ich nur versagen. Und...“ Derek grinste schelmisch: „...vermutlich sollte ich auch um mein Leben fürchten, oder nicht? All´ die angestaute sexuelle Energie könnte mich umbringen, schätze ich.“ „Du bist gemein!“ lachte Stiles: „Außerdem... nein, so ist das gar nicht! Meine Ansprüche sind ganz bescheiden. Ich würde mir einfach nur wünschen, dass es schön wird, zärtlich und dass ich ausreichend Zeit habe, denn die würde ich nach all den Jahren vermutlich brauchen?“ kichernd fügte er hinzu: „Oder es ist binnen Sekunden vorbei, wer weiß?“ „Das ist wohl ebenfalls nicht auszuschließen.“ stimmte Derek lachend zu und rollte sich von seinem Gastgeber herunter. Sie schwiegen eine Weile, doch dann stellte Stiles eine Frage, welche ihn schon seit geraumer Zeit beschäftigte: „Gibt oder gab in deinem Leben eigentlich jemand Besonderen? Ich meine, immerhin bist du auch auf so viele Arten wundervoll, du bist atemberaubend schön, wahnsinnig lieb und sensibel. Da muss doch mit Sicherheit irgendjemand sein, dem das ebenfalls aufgefallen ist? So blind können die Leute doch gar nicht sein.“ Derek schlug die Decke zurück und seine Miene wurde mit einem Mal sehr ernst. „Hätte ich das nicht fragen sollen?“ erkundigte sich Stiles verunsichert: „Du musst darauf selbstverständlich nicht antworten.“ Derek atmete tief ein und aus, ehe er antwortete: „Doch, ich möchte es dir erzählen, aber es ist nicht so leicht. Außerdem müsste ich ein wenig ausholen.“ Er blickte hinauf zur Zimmerdecke und rieb sich die Schläfe, als habe er schlagartig Kopfschmerzen bekommen: „Ich habe dir ja bereits von meiner Familie erzählt.“ begann er: „Was ich dir nicht erzählt habe war, dass sie nicht die Ersten waren, die ich verloren habe. Als ich fünfzehn war, hatte ich eine Freundin, ihr Name war Paige. Wir waren sehr unterschiedlich, ich war ein Sport-As, der Captain meines Basketballteams und auch recht beliebt in meiner Schule. Sie hingegen war eher eine Einzelgängerin, lebte dafür Cello zu spielen, übte ununterbrochen und soweit ich das beurteilen kann, war sie auch richtig gut. Trotz unserer Unterschiede wurden wir ein Paar und ich war unheimlich verliebt in sie. Wir hatten einige großartige Monate zusammen, verbrachten jede freie Minute miteinander, vernachlässigten unsere Freunde, die Schule und unsere Hobbys, weil wir einfach nicht genug voneinander bekamen. Es passierte ganz schleichend, dass sie nach und nach immer kraftloser wurde. Sie wurde häufig krank, bekam ohne jeden Grund Nasenbluten, ihre Haut war blass...“ Derek stockte: „Es war Leukämie. Ihre Chancen standen schlecht, denn es war ein sehr schwerer Verlauf, doch sie war eine Kämpferin. Wir dachten wirklich alle, sie schafft es. Das musste sie einfach! Sie war doch so jung und so wunderbar. Ich, meine Familie, ihre Eltern und Freunde, niemand konnte sich vorstellen, dass...“ Dereks Stimme klang belegt und er musste schlucken: „Ich war jeden Tag bei ihr im Krankenhaus und langsam wurde sie wieder rosiger im Gesicht. Ich fasste neue Hoffnung, denn es sah aus, als würde die Therapie anschlagen...? Dann, eines Morgens kam ich auf der Station an und ihre Eltern fingen mich bereits im Flur ab.“ Derek wischte sich mit dem Ärmel über die Augen: „Sie war in der Nacht gestorben, einfach so, ohne Vorwarnung!“ Er schwieg lange. Stiles wusste nicht, was er sagen sollte, legte seinem Bettnachbarn lediglich eine Hand auf das Herz, so als könne er es auf diese Weise vor weiterem Leid beschützen. Ihm standen ebenfalls die Tränen in den Augen. Als Derek unvermittelt wieder zu sprechen begann, zuckte Stiles ein wenig zusammen: „Auf ihrer Beerdigung dachte ich noch, etwas Schlimmeres könnte mir überhaupt nicht passieren. Ein halbes Jahr später starb meine gesamte Familie und ich wusste, ich hatte mich geirrt.“ Stiles hielt sich entsetzt eine Hand vor den Mund und murmelte: „Oh Gott, das ist furchtbar! Das... tut mir so wahnsinnig leid.“ Derek nickte leicht, doch wie sich zeigen sollte, war er mit seiner Geschichte noch nicht am Ende: „Ich habe lange gebraucht, um mich von diesen Verlusten auch nur halbwegs zu erholen. Meinen Schulabschluss habe ich mit Ach und Krach geschafft und höchstwahrscheinlich nur deswegen, weil die Lehrer Mitleid mit mir hatten. Danach wusste ich nicht, wie es mit mir weitergehen soll. Ich wusste nicht, welchen Beruf ich ergreifen sollte. An einen Collegebesuch war mit meinen Noten schon gar nicht zu denken. dass ich nicht verhungert bin verdanke ich meinen Eltern, die wohlhabend waren und gut vorgesorgt haben. Ich lebte in den Tag hinein, habe mit Drogen experimentiert und getrunken, doch das alles hing mir irgendwann zum Hals heraus und so habe ich von einem Tag auf den anderen damit aufgehört. Stattdessen ging ich ins Fitnessstudio und habe trainiert, wie ein Irrer. Ich bin früher ein dürrer Junge gewesen, weißt du? Doch der wollte ich nicht mehr sein. Ich wollte ein anderer sein; ein Fels, jemand dem nichts so schnell irgendwer oder irgendwas etwas anhaben konnte, jemand der allein klarkommt. Ich dachte, ich könnte mich vollkommen neu erfinden. Und so wurde ich äußerlich zu dem Mann, den du jetzt vor dir siehst. Ich habe schnell gemerkt, dass ich den Leuten gefallen habe. Außerdem habe ich festgestellt, dass ich Männer mag und von da an hatte ich viele von ihnen. Manche Fitnessstudios sind für einen schwulen Mann besser, als jedes Datingportal. Ich war ein echtes Flittchen. Weil ich jung und dumm war und mir selbst nicht viel wert, habe ich mich damals nicht geschützt. Ich hatte verdammtes Glück, denn etwas Schlimmeres als einen Tripper habe ich mir überraschenderweise nicht eingefangen. Und dann meinte es das Schicksal noch einmal gut mit mir. Einer der Kerle, mit denen ich etwas hatte, war ein Model und er meinte, ich hätte gute Chancen ebenfalls auf diese Weise mein Geld zu verdienen. Er hatte Recht, die Agentur wollte mich. Es lief sehr gut, denn ich wurde häufig gebucht. Dann traf ich Isaac. Er hat ebenfalls dort gearbeitet und... er sah aus, wie ein Engel!“ Derek lächelte versonnen: „Er hatte dieses jungenhafte Grinsen, blonde Locken und babyblaue Augen. Ich bin so wahnsinnig auf seinen britischen Akzent, seinen sarkastischen Humor und seine Verletzlichkeit abgefahren. Ich wollte ihn so sehr, doch er hat es mir echt nicht leicht gemacht. Er kannte meinen Ruf, hielt mich für einen dummen, oberflächlichen Schönling und daran war ich selbst ja nicht einmal ganz unschuldig, denn das war ja genau das, was ich die Welt glauben machen wollte, damit nur keiner den einsamen, verlorenen Jungen sehen konnte, der ich im Grunde immer noch war. Ich habe wirklich alle Register gezogen und Isaac nach allen Regeln der Kunst den Hof gemacht, ihn ausgeführt und mich um ihn bemüht. Irgendwann hat er nachgegeben. Vermutlich aus Mitleid?“ Derek lachte leise: „Wir wurden endlich ein Paar und wir waren auch wirklich verdammt glücklich. Nach einigen Monaten nahmen wir eine gemeinsame Wohnung. Es war toll, endlich wieder ein richtiges Zuhause zu haben, jemanden, dem ich von meinem Tag erzählen konnte und den das auch tatsächlich interessiert, gemeinsame Mahlzeiten, gemeinsame Reisen... das war die beste Zeit meines Lebens.“ erklärte Derek lächelnd: „Wir hatten gerade ein paar Wochen zuvor unser zweijähriges Jubiläum gefeiert, als Isaac eines Abends nicht zum Abendessen heim kam. Ich war zunächst wütend, denn ich hatte gekocht; etwas dass ich eigentlich überhaupt nicht kann und deswegen äußerst ungern tue. Ich habe versucht ihn anzurufen, doch er ging nicht ran und das war untypisch für ihn. Ich fing an, mir Sorgen zu machen und drehte beinahe durch vor Sorge. Irgendwann erhielt ich einen Anruf aus dem Krankenhaus. Isaac hätte einen Verkehrsunfall gehabt. Ein übernächtigter Lastwagenfahrer hatte ihn erwischt, hieß es. Er sei sofort tot gewesen.“ Wieder verfiel Derek in Schweigen und Stiles wusste nicht was er tun, oder sagen sollte. Was konnte man zu einer solchen Lebensgeschichte denn schon sagen, was nicht abgedroschen, unpassend oder vollkommen dämlich geklungen hätte? Er war einfach bloß todtraurig. Derek wirkte mittlerweile so, als sei er Lichtjahre weit weg, verloren in einer dunklen, traurigen Vergangenheit. Ob er wohl überhaupt schon einmal irgendwem von all diesen Verlusten berichtet hatte, fragte sich Stiles? „Nachdem Isaac gestorben war habe ich beschlossen, mich nie wieder auf eine Beziehung einzulassen, denn weißt du... jeder um mich herum... jeder wird verletzt.“ fügte Derek kaum hörbar hinzu. Lauter fuhr er fort: „Zu meinem jetzigen Job bin ich übrigens gekommen, weil mich jemand, der mich von einem Model-Auftrag her kannte dafür abgeworben hat. Und ich habe mich darauf eingelassen, weil es da ohnehin niemand mehr in meinem Leben gab, der daran hätte Anstoß nehmen können; sie waren ja alle tot. Ich habe damit auch sehr viel mehr Geld verdient. In gewisser Weise ist es perfekt, denn wenn ich niemandem wirklich gehöre und es nur ein Deal ist, dann ist der Fluch gebrochen und niemand kommt mehr zu schaden.“ Derek drehte sich zu seinem Bettnachbarn um und blickte ihn an, als warte er auf irgendeine Reaktion. Stiles fühlte sich hilflos und murmelte: „Das alles tut mir so wahnsinnig leid!“ Er wollte wissen: „Darf ich dich in den Arm nehmen?“ Derek nickte, rückte nah an seinen Nebenmann heran und legte seinen Kopf auf dessen Brust. Stiles wand schützend die Arme um ihn, streichelte ihn behutsam und konnte förmlich spüren, wie eine schwere Last von Derek abfiel. Als sich feuchte Flecken auf Stiles T-Shirt bildeten wurde ihm klar, dass Derek still, ohne jeden Laut, um all die Verluste seines Lebens weinte. Es brach ihm beinahe das Herz! Lange sprach keiner von ihnen ein Wort. Derek trauerte und Stiles war einfach nur da, um ihn festzuhalten. Es schien, als würde währenddessen eine kleine Ewigkeit vergehen. Dann urplötzlich richtete sich Derek auf, angelte sich ein Taschentuch vom Nachttisch, schnäuzte sich und erklärte verlegen: „Oh Mann, dass war jetzt ein echter Stimmungskiller, was? Tut mir leid, dass ich dich mit meinem Scheiß belaste und dir etwas vorheule. Was musst du jetzt von mir denken?“ Stiles setzte sich ebenfalls auf, zog Derek ein weiteres Mal in seine Arme, küsste ihn sacht und erwiderte sanft: „Ich empfinde es als eine große Ehre, dass du mir genug vertraust, um all diese Dinge mit mir zu teilen. Ich danke dir dafür!“ Er entfernte sich ein wenig, um Derek besser in die Augen schauen zu können: „Aber ich möchte gern etwas dazu sagen, wenn ich darf? Ich kann verstehen, dass es dir nach all diesen Verlusten schwerfällt, dich noch auf jemanden einzulassen. Du hast Angst davor, diesen Schmerz noch einmal durchmachen zu müssen. Wer hätte das nicht? Aber eines ist mir wichtig: So etwas wie einen Fluch gibt es nicht! Es ist furchtbar, dass du schon so oft geliebte Menschen verlieren musstest, doch nichts davon ist, ist deine Schuld, hörst du?“ „Das kannst du nicht wissen!“ widersprach Derek und er klang mit einem Mal sehr jung, doch Stiles beharrte: „Doch, das weiß ich! Ich weiß es ganz genau! Du bist ein wundervoller, ein guter Mensch. Aber leider passieren auch guten Menschen manchmal schlimme Dinge. In meinem Job erlebe ich das jeden Tag. Du hast es verdient glücklich zu sein und jemanden zu haben, der dich liebt, Derek. Einen Fluch gibt es nicht!“ Sein Gegenüber blickte ihn skeptisch an, doch er widersprach nicht und Stiles schlug vor: „Lass uns nun schlafen, einverstanden. Du musst ja total erschöpft sein. Es war ein langer, anstrengender Tag.“ Derek nickte und Stiles wollte wissen: „Darf ich dich dabei wieder im Arm halten? Das würde ich so gern.“ „Das wäre schön.“ bestätigte Derek beinahe flüsternd. Stiles knipste die Nachttischlampe aus und ließ seinen Bettnachbarn sich in seiner Umarmung einrichten. Sie sprachen nicht mehr, doch dafür geschah etwas anderes. Es fühlte sich beinahe so an, würden sie eins werden; ein Ding mit zwei schlagenden Herzen. Einen kurzen, kostbaren Moment lang war alles gut. Kapitel 10: Wo stehen wir? -------------------------- Als Stiles an diesem Morgen die Augen öffnete, war Derek bereits hellwach, lag ihm zugewandt und blickte ihn aufmerksam an. Es schien, als habe er bloß auf das Erwachen seines Bettnachbarn gelauert, wie ein Kater, der auf sein Frühstück wartete. Stiles fuhr sich mit einer fahrigen Bewegung durchs Haar und murmelte verschlafen und unglücklich: „Nein, guck´ weg! Ich sehe morgens Scheiße aus.“ Derek, welcher selbstverständlich auch direkt nach dem Aufwachen bereits wie ein Disney-Prinz aussah, behauptete: „Ich finde dass du toll aussiehst, Stiles.“ Er rollte sich auf seinen Gastgeber und fügte schnurrend hinzu: „Und außerdem bist du sexy., wie die Hölle!“ „Du machst dich doch lustig über mich!“ erwiderte der überrumpelte Stiles missmutig: „Meine Haare stehen in alle Richtungen, ich trage ein doofes, übergroßes T-Shirt mit Band-Logo und eine alte ausgebeulte Pyjamahose. Ich bin zum Weglaufen, ein einziges Katastrophengebiet!“ „Deine zerzausten Haare sind süß und bei der Kleidung kommt es ja wohl hauptsächlich auf den Inhalt an, also red´ keinen Unsinn! Wollen wir doch mal sehen, wie wir dich zum Schweigen bringen?“ antwortete Derek mit hungrigem Blick und beugte sich zu einem Kuss zu ihm herunter: „Warte!“ japste Stiles: „Ich habe noch nicht einmal die Zähne geputzt. Ich stinke bestimmt aus dem Mund: „Tust du nicht.“ versicherte Derek, presste seine warmen Lippen fordernd auf die von Stiles, ließ seine Hände forschend und ungeduldig über dessen Körper wandern und bewegte seine Hüfte anregend gegen die des FBI-Beamten. Stiles hatte keine Ahnung, was diesen lustvollen Ausbruch seines Gastes ausgelöst hatte, denn immerhin war der vorige Abend mit seinen erschütternden Bekenntnissen ein ziemlicher Downer gewesen und vielleicht war es lediglich die Tatsache, dass heute ein neuer Tag war, doch er spürte, wie der Funke allmählich auch auf ihn übersprang. Körpererinnerung! Es mochte bereits lange her sein, doch Stiles Leib reagierte auf die Situation vollkommen automatisch. Er öffnete seine Lippen für Dereks forschende Zunge, wand die Beine um dessen Hüfte, so dass ihre Mitten aufeinander lagen, packte mit einer Hand gierig nach Dereks Arsch, um ihn noch enger zu sich heran zu ziehen und klammerte sich mit der anderen an dessen breiten Rücken. Ihrer beider keuchender Atem, das leise Knarzen des Bettgestells, das Rascheln der Laken und der morgendliche Vogelgesang vor dem Schlafzimmerfenster vereinten sich zu einer perfekten Symphonie. Stiles war einen kurzen Moment lang zu beinahe allem bereit, fürchtete sogar er könnte bereits allein durch die Reibung an seinen Genitalien früher oder später einen peinlichen, feuchten Fleck vorne in seine Pyjamahose spritzen, als Derek ihn fragte: „Wollen wir jetzt vielleicht...? Ich meine, hast du Lust und... hast du irgendwo Kondome?“ Verdammt, verdammt, verdammt! Wieso machte Derek denn so etwas? Wieso stellte er ihm solche Fragen, anstatt einfach zu handeln, wenn dadurch doch zwangsläufig sein Verstand auf den Plan gerufen wurde? Sie hätten doch jetzt ganz wunderbar vögeln und sich erst hinterher um die Konsequenzen ihrer Taten kümmern können, doch damit hatte er alles kaputt gemacht. Denn wenn Stiles Hirn, welches doch bis gerade eben noch so erfolgreich ausgeknipst gewesen war sich jetzt dazuschaltete, dann hatte es eben auch einiges zu dem zu sagen, was hier gerade geschah. Und natürlich hatte es ein Veto einzulegen: „Warte...!“ japste Stiles also unzufrieden: „Wir... wir können nicht... das geht nicht!. Zwischen uns ist doch immer noch alles vollkommen ungeklärt. Ich muss zuerst wissen, wo wir überhaupt stehen.“ Derek stöhnte unglücklich. Alle Spannung verließ seinen Körper schlagartig und er ließ sich schwerfällig und schlaff auf Stiles unter sich sinken, wo er liegen blieb und gegen dessen Hals murmelte: „Ja! Ja, ich weiß. Irgendwie hatte ich wohl gehofft, wir könnten diesen Teil einfach überspringen und es würde sich alles von selbst klären. Also... was machen wir denn nun?“ „Also ich gehe duschen. Kalt würde ich sagen.“ seufzte Stiles unglücklich. Derek rollte sich widerwillig von ihm herunter und Stiles erhob sich. Er ging hinüber zur Tür, wo er noch einmal innehielt und über die Schulter hinweg sagte: „Aber wenn wir uns beide benehmen, dann spricht sicher nichts dagegen, wenn du mich begleitest.“ Derek grinste, stand ebenfalls auf und folgte seinem Gastgeber ins Bad. Dort ließen sie die Hüllen fallen und konnten einander nun erstmals zur Gänze bewundern: „Wow!“ war der, auf das nötigste reduzierte und dennoch hinlänglich ausdrucksstarke Kommentar von Stiles zu dieser blendenden Aussicht: „Wollte ich auch gerade sagen.“ erwiderte Derek mit einem halben Grinsen: „Du bist wirklich verdammt schön!“ Stiles verkniff sich seinen Widerspruch gegen diese offensichtlich maßlose Übertreibung, senkte stattdessen verlegen den Blick, stieg in die Dusche, drehte das Wasser auf und Derek folgte ihm. Als sie dabei waren sich gegenseitig einzuseifen, fiel Derek etwas auf. Mit den Fingerspitzen strich er sacht über eine blasse Narbe direkt über Stiles Herzen: „Ich habe dir ja erzählt, dass ich angeschossen wurde. Ich habe noch eine weitere hier.“ Er führte Dereks Hand hinab zu seiner Hüfte, wo sich die Narbe eines Streifschusses erkennen ließ: „Hier bin ich glimpflich davongekommen. Ein paar Stiche und das Thema war erledigt.“ Er schob Dereks Hand zurück auf seine Brust: „Aber hier sah die Sache schon ein wenig anders aus. Ich trug keine Schussweste bei diesem Einsatz, weil vorher nicht absehbar war, dass es derart gefährlich werden würde. Ich war nicht schnell genug, als dieser Kerl die Waffe auf mich gerichtet hat und deswegen hat er mich frontal erwischt. Ich kam damals sofort ins Krankenhaus und wurde mehrere Stunden lang am Herzen notoperiert. Man hat mir berichtet, ich sei sogar einmal zwischendurch klinisch tot gewesen. Ich habe danach mehrere Monate gebraucht, um wieder auf die Beine zu kommen. Das hat vielleicht genervt! Ich kann es nämlich überhaupt nicht leiden untätig auf meinem Arsch zu sitzen. Ich wollte so schnell wie möglich wieder arbeiten, denn...“ Während er erzählte, hatte Stiles einen Moment nicht auf Derek geachtet, doch als er nun zu ihm aufsah und den Ausdruck in seinem Gesicht sah, hielt er inne: „Ist alles in Ordnung bei dir?“ erkundigte er sich nun: „Hast du denn gar keine Angst?“ wollte Derek wissen: „Jeder deiner Einsätze könnte dein letzter sein. Denkst du nie darüber nach?“ Er war ja so ein Idiot, schalt Stiles sich innerlich selbst. Natürlich musste so eine Erzählung jemanden wie Derek, der bereits so viel Verlust und Tod erlebt hatte verstören. Oh ja, sie beide hatten wirklich einiges zu besprechen! „Hey Mann, nun schau doch nicht so!“ sagte der Agent sanft: „Ich bin echt gut in meinem Job. Außerdem kriegt man mich nicht so schnell klein. Wenn ich dies also überleben konnte, dann wüsste ich nicht, was mich aufhalten könnte?“ „Du spielst es herunter.“ gab Derek zurück und ließ den Kopf hängen. Stiles zog sein Gesicht zu eine, Kuss zu sich heran und erwiderte dann: „Nein, tue ich nicht. Das Leben ist nun einmal gefährlich und was immer wir auch tun, es endet tödlich. Es kann jederzeit alles mögliche passieren. Ich könnte hier in der Dusche ausrutschen und mir das Genick brechen. Ich könnte aber auch ebenso gut mit fünfundneunzig in einem Schaukelstuhl, mit einer Wolldecke auf den Knien, an einem Herzinfarkt sterben. Wir wissen es nicht und haben es auch nicht in der Hand. Ich gebe zu, meine Arbeit ist gefährlicher, als die vieler anderer Leute, aber du hast es gestern selbst gesehen, dass ich genau weiß was ich tue. Ich passe auf mich auf und ich habe überdies eine großartige Partnerin an meiner Seite, die mir den Rücken freihält. Also nein, ich habe keine Angst und die solltest du auch nicht haben.“ Stiles las Skepsis und Widerspruch im Blick seines Gegenübers, doch Derek sagte nichts weiter dazu und so legte er die Arme um ihn und sie ließen eine Weile einfach bloß das warme Wasser über ihre Körper rinnen. Das Gefühl von fremder Haut auf seiner eigenen,war eine weitere Erfahrung, welche Stiles Körper beinahe vergessen hatte. Dieses Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit. Dieses Gefühl einer Heimat. Da war es wieder! Er war sicher, dass es ihm körperlichen Schmerz bereiten müsste, wenn sie sich gleich wieder von einander lösen würden, also zögerte er den Moment noch ein wenig heraus. Derek schien damit sehr einverstanden zu sein. Als sie zwanzig Minuten später vollständig angezogen, mit geputzten Zähnen und gekämmten Haaren in Stiles Küche standen, ließ der Gast es sich, trotz des Widerspruchs seines Gastgebers, nicht nehmen, bei den Frühstücksvorbereitungen zu helfen. Stiles beobachtete Derek dabei, wie er den Tisch deckte, während er selbst das Rührei auf dem Herd beaufsichtigte. Sein Besucher war ernst und in sich gekehrt, mahlte mit seinen kräftigen Kiefern und wirkte in diesem Moment meilenweit entfernt. Stiles hätte gern gewusst was er dachte, oder etwas gesagt, dass das Lächeln in Dereks Gesicht zurück gezaubert hätte, dennoch spürte er deutlich, dass dieser Zeit brauchte, um die Dinge zu überdenken. „Das ist echt gut!“ erklärte Derek, als sie am Tisch saßen und ihr Rührei mit Toast verspeisten. Es war nicht viel, aber immerhin ein Zeichen, dass Stiles Gast nicht vollkommen in sich selbst versunken war. Der Koch bedankte sich. Beide Männer häuften sich eine große Portion auf ihre Teller und nahmen sich sogar zweimal nach. Es war nicht zu übersehen, dass sie einen tiefer sitzenden Hunger hatten, den sie vergeblich mit Essen zu stillen suchten. Nach ihrer Mahlzeit traute Stiles sich zu fragen: „Was hältst du davon, wenn wir uns ein paar Stunden Zeit geben, um in Ruhe über alles nachzudenken und uns heute Abend wiedertreffen, um miteinander zu sprechen? Du weißt schon, über alles... über... über uns?“ „Ich kann heute Abend leider nicht.“ gab Derek zurück und Stiles musste nicht fragen, was er vorhatte, so wie er seinen Blick vermied und den Fußboden fixierte, als gäbe es da unten irgendetwas furchtbar Interessantes zu sehen. Derek hatte heute Abend offensichtlich einen Kunden. „Verstehe.“ erwiderte Stiles knapp und suchte den Blick aus dem Fenster, als eine kleine Flucht aus dieser unbehaglichen Situation. Derek wählte seinen eigenen Ausweg, indem er vom Tisch aufsprang und ihrer beider Teller nahm, um sie in die Spülmaschine zu räumen: „Wir machen das, wir reden! Ganz bald!“ versprach er unangemessen munter: „Ich verschwinde jetzt erst mal, aber wir telefonieren! Danke für gestern, für die Nacht, für das Frühstück... einfach für alles!“ Er drückte Stiles einen kleinen Kuss auf die Wange und verschwand, ehe dieser sich in irgendeiner Weise dazu äußern konnte. Der Gastgeber blickte in die Richtung, in welche sein Besucher verschwunden war, noch lange nachdem die Haustür hinter Derek zugefallen war. Kapitel 11: Bloß ein Job... --------------------------- Derek kannte seinen heutigen Kunden nicht. Er war neu und war ihm über die Agentur vermittelt worden. Wie so oft war der verabredete Treffpunkt für ein erstes Treffen eine Hotelbar. Es war dieselbe, in welcher er sich vor nicht einmal zwei Wochen erstmals mit Stiles getroffen hatte. Derek war wie üblich ein wenig früher da, damit sein Date nicht auf ihn warten musste. Dieser kurze Leerlauf ohne jegliche Ablenkung, ließ nun auch seine innere Stimme hörbar werden. War es wirklich erst ein paar Tage her, dass Stiles und er sich kennengelernt hatten? Es kam ihm länger vor. Bedeutend länger sogar. Jede einzelne ihre Begegnungen war so intensiv und ehrlich gewesen. Derek wusste selbst nicht, warum er bereits vom ersten Tag an geglaubt hatte, Stiles vertrauen zu können, doch er hatte es nicht bereut und zwischen ihnen beiden war rasch eine große Nähe entstanden. So wie mit Stiles war es ihm noch nie mit einem Kunden ergangen. Er hatte stets die nötige professionelle Distanz gewahrt, lediglich die Illusion von Nähe verkauft. Mehr war nie von ihm erwartet worden und mehr hatte er selbst auch nie gewollt. Und er war doch auch stets gut damit gefahren, oder nicht? Warum also war es mit Stiles so vollkommen anders gekommen? Es konnte doch nicht bloß daran liegen, dass sie keinen Sex hatten? Er rief sich das Bild des Agents vor Augen; die schlanke, drahtige Gestalt, das jungenhafte, freche, ausdrucksstarke, hübsche Gesicht, mit dem schelmischen Grinsen, den warmen Tenor seiner Stimme und er ertappte sich dabei, wie er unwillkürlich lächelte. Es war wohl keine Frage mehr, ob er hier gerade Gefühle entwickelte, welche er bereits seit einer Ewigkeit nicht mehr verspürt hatte. Vielmehr musste er nun entscheiden, wie er mit diesen Emotionen umgehen wollte. Aber das musste vorerst warten, denn Derek ahnte, dass der nervöse junge Mann mit den rotglühenden Wangen, welcher gerade hereingekommen war, sein Date war. Und tatsächlich kam der Fremde nun auf ihn zu und fragte unsicher: „Hi! Kann es sein, dass wir verabredet sind?“ Deja vu! Genau so hatte Stiles ihn auch vor einer Weile begrüßt. Derek holte tief Luft und schaltete um auf den professionellen Autopiloten, denn nur so würde er diesen Abend durchstehen. „Ich bin Derek. Schön dich kennenzulernen.“ antwortete er, streckte dem Unbekannten die Hand hin und nahm ihn in Augenschein. Sein Kunde war ein Mann Anfang dreißig. In Alter, Größe und Körperbau glich er Stiles, doch damit endeten die Ähnlichkeiten auch schon. Er hatte mittelblondes Haar, ein eher durchschnittlich attraktives Gesicht, aus welchem jedoch seine schönen, lebhaft türkisfarbenen Augen hervorstachen. Insgesamt hatte er ein gepflegtes, angenehmes und sympathisches Äußeres: „Du kannst mich Greenburg nennen. Das tun alle. Immer schon.“ erwiderte der Unbekannte. Und aus der Art, wie er sich vorstellte, konnte Derek heraushören, dass er es im Grunde hasste so genannt zu werden, doch dass er sich damit abgefunden hatte. Kurz dachte Derek darüber nach, dazu eine Bemerkung zu machen, oder Greenburg gar dazu einzuladen an diesem Abend ein vollkommen anderer zu sein, doch er ließ es bleiben und fragte stattdessen, ob sie zunächst hier etwas trinken wollten: Greenburg nickte und verkündete, er werde einen Virgin-Daiqiri nehmen, da er leider keinen Alkohol vertrage und Derek schloss sich an, da im seine innere Stimme riet, heute vollständig nüchtern zu bleiben. Als sie ihre Cocktails tranken, begann Derek Greenburg ein wenig zu seiner Person zu befragen und sein Kunde berichtete davon, dass er im Grunde ein Junge vom Lande sei, der aus beruflichen Gründen vor einigen Jahren in die Großstadt gekommen sei, doch dass er sich hier im Grunde noch immer nicht wirklich heimisch fühle. Derek nickte und lauschte vorgeblich interessiert, doch innerlich dachte er wie seltsam dieser Abend war. Diese Antwort kam ihm doch allzu vertraut vor? Irgendwie hing Stiles Geist über allem und alles erinnerte Derek an ihre erste Verabredung. Eine Sache jedoch war anders und das war er selbst. An jenem Abend mit Stiles hatte er diese ungewöhnlich große Offenheit gehabt, wollte sein gegenüber wirklich kennenlernen und war zu allem bereit gewesen. Heute war das vollkommen anders. Er spielte diesem Greenberg etwas vor und heuchelte bloß Interesse, obwohl er sich im Grunde weit fort von hier, an einen anderen Ort wünschte. Verdammt! Stiles hatte alles kaputt gemacht! Wie sollte er denn auf diese Weise seinen Job erledigen? Er fürchtete, dass dieser Abend in einem Desaster enden würde, wenn er sich nicht beizeiten in den Griff bekäme, dennoch fragte er sein Gegenüber nach einer Weile: „Was würdest du heute gern tun, Greenberg? Wozu hättest du Lust?“ Halb fürchtete er, sein Kunde könne ähnliche Wünsche an ihn haben, wie Stiles damals und wolle so tun, als sei dies hier ein richtiges Date. Er wusste nicht, ob er dazu in der Lage wäre, doch zum Glück kam es anders. Der junge Mann errötete schlagartig, blickte sich hektisch um, ob niemand um sie herum zuhörte und flüsterte dann, ohne Derek in die Augen blicken zu können: „Ich würde gern... also... vielleicht können wir uns hier im Hotel ein Zimmer nehmen?“ Niemals im Leben hatte Derek weniger Lust auf Sex gehabt, dennoch sagte er: „Ja sicher, das können wir tun, wenn du möchtest. Du entscheidest. Bei all´ dem hier geht es um dich und deine Wünsche.“ Greenberg blickte ihn an, als falle es ihm schwer, sich das vorzustellen, also fügte Derek hinzu: „Vielleicht fangen wir erst einmal damit an, wie du es möchtest. Welche Vorlieben hast du?“ Greenburgs Augen wurden noch ein wenig größer und er stammelte: „Ich... ich bin ein ganz gewöhnlicher Typ. Ich stehe auf ganz normale Sachen.“ Was war denn hier nur los? Genau diesen Satz hatte Derek doch vor kurzem schon einmal gehört! Langsam kam er sich vor, wie in einer Episode `The Twilight Zone´. In diesem Moment schob Greenburg hinterher: „Also das denke ich zumindest?“ Derek stutzte: „Wie meinst du das, du glaubst? Heißt das, es gibt da etwas Neues, dass du einmal ausprobieren möchtest?“ Sein Kunde schüttelte hilflos den Kopf und da ging Derek ein Licht auf: „Aber es ist doch wohl nicht dein erstes Mal, oder?“ Der junge Mann vor ihm ließ den Kopf hängen und murmelte: „Nein! Na ja... also... zumindest nicht so ganz. Damals als Teenager habe ich manchmal mit Jungs rumgemacht, aber wir... sind nie auf´s Ganze gegangen, wenn du verstehst, was ich meine? Außerdem war ich auf der Highschool unheimlich verknallt in meinen Lacrosse-Coach, obwohl der mich gar nicht ausstehen konnte. Ich stamme aus einem ziemlich strengen, religiösen Elternhaus. Ich hatte in meiner Jugend nicht genug Mut, mich dagegen aufzulehnen. Ich habe dann ein Mädchen getroffen und wir haben uns gut verstanden. Wir sind ein paar Monate miteinander gegangen, ehe wir uns entschieden haben zu heiraten. Wir haben zwei Kinder bekommen. Unsere Tochter ist sieben und unser Sohn neun Jahre alt. SIE war es schließlich, die MIR gesagt hat, dass ich schwul bin. Ich weiß nicht, wie sie es geschafft hat, so liebevoll dabei zu sein, immerhin habe ich sie belogen und ihr mit meiner Feigheit mit Sicherheit wahnsinnig wehgetan? Wir sind seid drei Monaten geschieden. Ich sehe unsere Kinder nun an jedem zweiten Wochenende und in den Ferien. Sie hat jemand neuen kennengelernt. Ich... ich freue mich für sie.“ Greenburg wischte sich mit dem Hemdsärmel über die Augen und stammelte eine Entschuldigung für seine Tränen. Derek fluchte innerlich, denn das hatte er nun wirklich nicht erwartet. Er hatte sich vorgestellt, er würde diese Sache so schnell wie möglich professionell und ohne emotionale Beteiligung durchziehen und dann einfach wieder verschwinden, doch nun wurde ihm klar, hier vor ihm saß ein ECHTER MENSCH mit Gefühlen, ein trauriger junger Mann, der etwas Besseres verdient hatte, als einen aalglatten, eiskalten Mistkerl, der eine schnelle, lieblose Nummer gegen Geld mit ihm durchzog. Er holt tief Luft und legte eine Hand auf Greenburgs Arm und erwiderte sanft: „Es wäre also im Grunde dein allererstes Mal.“ Sein Kunde nickte, immer noch unfähig, ihn direkt anzuschauen und Derek fuhr fort: „Aber sollte dein erstes Mal denn nicht mit jemand Besonderem stattfinden, mit jemandem, der dir etwas bedeutet?“ Greenburg seufzte: „Ich bin zweiunddreißig Jahre alt, Derek. Ich habe meine Jugend vergeudet, indem ich nicht ich selbst gewesen bin. Männer in meinem Alter haben längst ihre Erfahrungen gemacht, sich ausgetobt, wissen was sie wollen und was ihnen gefällt.... Ich hätte momentan viel zu große Angst davor, mich wirklich mit jemandem zu treffen. Ich... hatte einfach die Hoffnung, dass jemand wie du, ein Profi, mir dabei helfen kann, mich kennenzulernen. Und nun habe ich dich getroffen und du bist so nett und so... Irgendwie denke ich, es könnte mit dir funktionieren?“ Derek nickte leise und versprach: „Wir kriegen das hin.“ Er hoffte, dass dies keine Lüge war. Greenburg lächelte und entschuldigte sich kurz, um auf die Toilette zu verschwinden, zweifelsohne um sich selbst ein wenig Mut zuzusprechen. Derek nutzte diese Gelegenheit, um heimlich eine der blauen Pillen einzuwerfen, welche er zu solchen Gelegenheiten stets mitführte, bislang jedoch noch nie gebraucht hatte. Irgendwie wusste er, dass er heute ein wenig pharmazeutische Hilfe nötig haben würde, doch er hatte entschieden, diese Sache durchzuziehen und alles in seiner Macht stehende tun, um diesem jungen Mann ein würdiges erstes Mal zu verschaffen. Als Greenburg zurückkehrte zahlte er ihre Drinks und ging dann hinüber an die Rezeption, um ein Zimmer für sie zu buchen. Im Fahrstuhl nach oben gestand sein Kunde: „Ich habe Angst.“ „Ich weiß.“ versicherte Derek und nahm ihn, einem Impuls folgend, in die Arme: „Denk´ einfach daran, dass du das Sagen hast. Wenn ich etwas tue, was dir nicht gefällt, oder etwas nicht tue, was du gern hättest, dann sagst du es mir einfach.“ Greenburg schmolz ihm sehnsuchtsvoll entgegen. Es war keine Frage, dass dieser junge Mann lange auf diesen Moment gewartet hatte und auch wenn Derek sich dagegen zu wehren versuchte, rührte ihn das. Als sich die Zimmertür eine Weile später hinter ihnen schloss, blickte Greenburg Derek an, wie das Lamm den Wolf und fragte: „Und was nun.“ Derek lächelte und half dem jungen Mann dabei sich auszuziehen, ehe er selbst ebenfalls seine Kleider ablegte: „Du bist unglaublich schön.“ murmelte Greenburg und blickte daraufhin verschämt an sich selbst hinab: Derek bedankte sich, zog seinen Kunden sanft zu sich heran und versprach: „Entspann´ dich und lass´ los! Du bist sicher bei mir!“ Dann führte er ihn an der Hand hinüber zum Bett. Derek ließ sich Zeit, zum einen weil er darauf wartete, dass das Potenzmittel wirkte, hauptsächlich aber deswegen, weil er ganz sicher gehen wollte, dass sein Freier ihm vertraute und keine Angst mehr verspürte, wenn er ihn fickte. Ein weiteres Mal an diesem Abend musste Derek an Stiles denken, wünschte sich von Herzen ihn an Greenburgs Stelle herbei, was verwirrend und ein wenig bedrüchend war, doch andererseits half diese Vorstellung ihm auch dabei, diese Angelegenheit durchzuziehen. Alles was er seit ihrem Kennenlernen gern Stiles gegeben hätte, all die Zärtlichkeit und die Lust, ließ er in diesen Liebesakt einfließen. „Das war unglaublich schön!“ seufzte Greenburg hinterher und richtete sich in Dereks Armen ein. Dann schreckte er jedoch wieder hoch und fragte: „Ist das überhaupt in Ordnung? Muss ich jetzt gehen?“ „Alles ist gut!“ versicherte Derek und zog ihn wieder an sich: „Lass´ uns einfach noch eine Weile hier liegen.“ Als sie beide schon beinahe dabei waren wegzudämmern, entschied Greenburg: „Ich denke jetzt wird es aber wirklich Zeit, nachhause zu gehen.“ Sie erhoben sich also und zogen sich wieder an. Sie waren bereits im Begriff zu gehen und Greenburg streckte die Hand nach der Hotelzimmertür aus, doch hielt er dann in der Bewegung inne und fragte schüchtern: „Bevor wir nun wieder auseinandergehen... darf ich dich einmal küssen?“ Derek schluckte. Es entsprach der Wahrheit, als er Stiles erzählt hatte, er würde seine Freier nicht küssen, doch wenn sie Begegnung zwischen Stiles und ihm nicht nicht stattgefunden hätte, dann hätte er hier und heute wahrscheinlich eine Ausnahme von dieser Regel gemacht, einfach um Greenburg nach seinem ersten Mal mit einem guten Gefühl gehen zu lassen. Doch er WAR Stiles begegnet und irgendwie hatten die Dinge sich dadurch verändert. Er schüttelte den Kopf. Greenburg wirkte ein klein wenig verletzt, doch dann sagte er beinahe hellsichtig: „Du gehörst zu jemandem, ist es nicht so?“ Stiles und er hatten noch nie miteinander geschlafen, sie hatten noch nicht die drei großen Worte zu einander gesagt und schon gar nicht trug er einen Ring an seinem Finger. Sie hatten nicht einmal miteinander geklärt, was da eigentlich zwischen ihnen entstanden war? Dennoch nickte Derek. Kapitel 12: Der Hausbesetzer ---------------------------- Derek war heilfroh, als er zuhause ankam und seine eigene Tür hinter sich verschließen konnte. Obwohl es nicht wirklich einen rationalen Grund dafür gab, fühlte er sich mies. Dabei hatte er Stiles niemals etwas versprochen und was mit diesem Greenberg gelaufen war, war immerhin nur ein Job gewesen. Warum also nagten plötzlich Schuldgefühle an ihm? Bloß weil Stiles ihn bei ihrem Abschied mit großen traurigen Augen angeschaut hatte? Er konnte doch wohl jetzt nicht erwarten, dass er seinen Job an den Nagel hing, bloß wegen einiger intimer Momente, in denen sie einander ihr Innenleben offengelegt hatten? Wovon sollte er den zukünftig leben? Außerdem wusste Stiles doch genau, auf wen er sich mit Derek eingelassen hatte. Er verkaufte seinen Körper und er sah keinen Grund, sich dafür zu schämen! Zu keinem Zeitpunkt hatte er Stiles gegenüber zu verstehen gegeben, dass er zu einer monogamen Beziehung bereit wäre. Im Gegenteil, er hatte ihm sogar sehr ehrlich und deutlich mitgeteilt, warum dies für ihn nicht in Frage kam. Stiles war doch selbst Schuld, wenn er sich dennoch Hoffnungen auf mehr machte. Je mehr Derek sein Schuldgefühl durch Ärger ersetzte, umso wohler fühlte er sich wieder in seiner Haut. Er blickte auf die Uhr, es war bereits weit nach Mitternacht, viel zu spät, um jetzt noch bei Stiles anzurufen, denn der schlief mit Sicherheit bereits. Er zog sich aus, warf die getragenen Kleider direkt in den Wäschekorb und stellte sich unter die Dusche, um sich ausgiebig von dem fremden Geruch auf seiner Haut zu reinigen. Dies war nichts Besonderes, er tat es immer, wenn er von einem Kunden kam, ob er nun Sex mit ihm gehabt hatte, oder nicht. Es war sein Ritual, um das Gefühl zu haben, wieder ganz sich selbst zu gehören. Bei Stiles jedoch hatte er es nie getan. Nach dem Duschen legte sich Derek direkt ins Bett, denn er war hundemüde. Er war eingeschlafen, kaum dass sein Kopf das Kissen berührt hatte. Stiles saß, in eine Wolldecke gehüllt, im Schneidersitz in seiner Hollywoodschaukel auf der nächtlichen Veranda und wiegte leicht vor und zurück. Auf einem Tischchen neben ihm flackerte die Flamme einer dicken Kerze in einem hohen Glas und spendete ihm schwaches Licht. Die sanfte Bewegung beruhigte Stiles ein wenig. In seiner Hand hielt er eine große, bauchige Tasse Kakao, welcher langsam kalt zu werden begann und in seinem Schoß lag ein dummes, nutzloses Telefon, welches einfach nicht klingeln wollte. Stiles hatte es bereits mehrfach erfolglos mit Schlafen versucht, doch sobald er die Augen schloss, tauchten vor seinem inneren Auge Bilder von Derek auf, wie er einen Fremden fickte und schon war es mit seiner Ruhe vorbei. Und darum saß er nun hier vor seinem Haus, während die Kühle der Nacht ihn frösteln machte. Er lauschte auf die Geräusche in der Ferne; die Brandung des Autoverkehrs, leise menschlichen Stimmen, Bäume, welche vom Wind bewegt wurden und er kam sich vor, wie ein Trottel. In was hatte er sich da nur hineingeritten? Er hatte doch einfach nur nicht mehr so einsam sein wollen, doch nun fühlte er sich sogar regelrecht verloren. Derek erwachte viel zu früh am kommenden Morgen von einem Geräusch, dass es eigentlich gar nicht geben dürfte. Ein Schlüssel wurde in seinem Wohnungstürschloss herumgedreht, dabei gab es doch nur einen einzigen Menschen auf der Welt, der einen Zweitschlüssel zu seinem Apartment besaß und dieser Jemand dürfte doch im Grunde überhaupt nicht in der Stadt sein? „Guten Morgen, geliebter Neffe. Gibt´s Frühstück?“ ertönte die putzmuntere Stimme von Peter Hale, welcher geräuschvoll zwei Reisetaschen auf dem Boden neben der Eingangstür absetzte und die Tür dann mit einem lauten Rumms ins Schloss fallen ließ. Derek hob mürrisch den Kopf, warf ein Blick auf den Wecker neben seinem Bett und stellte fest, dass es noch nicht einmal sechs Uhr am Morgen war: „Frühstück? Hast du den Verstand verloren? Es ist doch noch mitten in der Nacht! Wieso bist du eigentlich schon wach? Schläfst du nicht für gewöhnlich mindestens bis mittags?“ knurrte er. „Ich war noch gar nicht im Bett. Außerdem ist zu viel Schlaf gar nicht gesund. Ich schlafe nie mehr als vier bis fünf Stunden die Nacht. Und schau mich an! Bin ich nicht das blühende Leben?“ erwiderte Peter im Plauderton und mit einem Grinsen auf dem Gesicht, für welches Derek ihm am liebsten die Fresse poliert hätte: „Du bist die Pest am Arsch, das ist es, was du bist!“ beschwerte er sich stattdessen und zog sich sein Kissen über den Kopf: „Was machst du überhaupt hier? Hast du nicht immer behauptet, jemand wie du gehöre nach L.A. und unser schönes San Francisco sei ein verschlafenes Provinznest. Und was sollen die Taschen? Willst du etwa länger bleiben?“ Peter ließ sich neben Derek auf das Bett fallen und schmunzelte gerissen, als er sagte: „Heute ist dein Glückstag, Neffe! Ich habe meine Meinung über San Francisco geändert. Ich werde hier herziehen. Und bis ich eine Bleibe gefunden habe, bleibe ich bei dir und erfreue dich mit meiner Gesellschaft. Ist das nicht wunderbar?“ „Wie bitte?“ fragte Derek, mit einem Mal hellwach und setzte sich kerzengerade auf: „Du kannst hier nicht wohnen. Hier ist kein Platz. Wieso nimmst du dir kein Hotelzimmer, zum Teufel?“ „Du willst doch deinem einzigen verbliebenen Familienmitglied nicht zumuten, in einem anonymen, ungemütlichen Hotel zu leben? Nein, nein, du und ich rücken ein wenig zusammen und dann geht es schon. Das wird ein Riesenspaß.“ behauptete Peter Derek raufte sich die Haare und murmelte: „Das kann doch wohl alles nicht wahr sein?“ Peter ignorierte dies, klimperte mit einem Autoschlüssel und sagte: „Ich habe noch drei weitere Koffer im Wagen. Bitte sei ein Schatz und hole sie für mich rauf, ja?“ „Sehe ich etwa aus wie ein Gepäckträger? Hol´ sie selbst, du Faulpelz! Ich schlafe noch.“ knurrte Derek und legte sich wieder hin: „Du willst es deinem alten Onkel zumuten, sich mit schweren Koffern abzuschleppen?“ schmollte Peter: „Was bist du nur für ein Gastgeber?“ „Du bist kein Gast, du bist ein Hausbesetzer, der seinen Schlüssel für Notfälle benutzt, um hier zu nachtschlafender Zeit einzubrechen. Und überhaupt: Du bist gerade mal sechs Jahre älter als ich und ein Bodybuilder seit deiner Jugendzeit. Du kannst deine blöden Koffer selbst tragen.“ stellte Derek klar. Peter seufzte dramatisch und erhob sich wieder: „Also gut, du Unmensch. Aber denk´ dran: Falls mir eine Bandscheibe herausspringt, dann musst DU mich pflegen.“ Derek war gerade wieder dabei einzudösen und hatte sich derweil selbst davon überzeugt, dass er bloß schlecht geträumt haben konnte, da war Peter auch schon wieder da und wollte wissen: „Hast du vielleicht etwas dagegen, auf´s Sofa umzuziehen? Ich bin nun doch ein wenig müde, immerhin bin ich stundenlang gefahren und ich hätte gern ein richtiges Bett.“ „Vergiss es!“ bellte sein Neffe: „Ich bleibe hier. Du kannst tun, was immer du willst, nur lass´ mich endlich in Ruhe!“ „Also gut. Dann lege ich mich eben einfach mit zu dir. Aber weißt du was? Man könnte fast annehmen, du freust dich gar nicht, dass ich da bin.“ seufzte Peter schmollend. Derek lag es auf der Zunge zu antworten, dass sein Onkel dies ja wirklich sehr scharfsichtig erkannt hätte, doch er verkniff es sich und forderte stattdessen: „Halt jetzt die Klappe und lass´ mich einfach weiterschlafen!“ Erstaunlicherweise befolgte Peter diese Anordnung und gab Ruhe. Mehrere Stunden später saßen die beiden Männer am Küchentresen zum Frühstück. Derek hatte sich tatsächlich dazu durchringen können, seinem Onkel einen Kaffee und ein Omelett zu servieren, obgleich sein „Besuch“ ihm immer noch vielmehr wie ein Überfall vorkam. Mittlerweile wach genug für ein Gespräch, wollte er von Peter wissen: „Und verrätst du mir nun, warum du so plötzlich hierher nach San Francisco umziehen willst? Hast du etwas ausgefressen? Wirst du in L.A. vielleicht von der Polizei gesucht, oder so? Sag´ es lieber gleich.“ „Was du immer gleich denkst!“ lachte Peter unbeschwert: „Ich doch nicht! Ich bin unschuldig, wie frisch gefallener Schnee.“ „Das glaubst du doch wohl selbst nicht? Ich kenne dich nämlich rein zufällig und wenn du eine Sache nicht bist, dann unschuldig.“ konterte Derek: „Also was ist es dann? Hast du in deiner alten Heimat schon jede fickbare Person abgegrast und siehst dich nun nach neuen Weidegründen um, oder wie?“ „Etwas in der Art.“ bestätigte sein Onkel: „Du kennst mich doch. Ich langweile mich schnell und dann brauche ich eben etwas Neues: „Aha.“ machte Derek: „Und hast du schon irgendeine Vorstellung, wie lange du mich mit deiner werten Anwesenheit beglücken wirst? Weil... du und ich im selben Raum...? Das geht nicht lange gut,wie wir beide wissen.“ „Das liebe ich an dir Neffe, deine erfrischende Offenheit!“ gab Peter schmunzelnd zurück: „Aber keine Sorge, ich habe in den kommenden Tagen einige Besichtigungstermine für neue Wohnungen. Ich bin bald weg.“ Er musterte seinen Neffen eingehend und fuhr dann fort: „Aber jetzt habe ich auch mal eine Frage: Auf wessen Anruf wartest du eigentlich gerade, hm?“ Derek zuckte schuldbewusst zusammen und behauptete: „Auf niemandes. Wieso?“ Peter grinste siegessicher: „Weil du bereits zwölf mal auf dein Telefon gestarrt hast, seit wir aufgestanden sind. Was ist passiert? Hast du dich etwa endlich mal wieder verliebt?“ Verdammter Peter und seine aufmerksame Beobachtungsgabe! Denn genauso gut wie Dereks Onkel darin war zu ignorieren, wenn er Leuten auf den Sack ging, oder er penetrant über deren Grenzen hinweg trampelte, so aufmerksam war er eben auch darin zu erfassen, was in seinem Gegenüber vor sich ging, wenn er es nur wollte. Doch Derek hatte überhaupt keine Lust dazu, mit Peter über Stiles zu sprechen. Wenn es nach ihm ginge, dann sollte Peter möglichst nicht einmal von der Existenz des süßen FBI-Beamten erfahren, also sagte er schnell: „Du spinnst Peter, da ist gar nichts!“ Sein Onkel schüttelte gutmütig den Kopf: „Du warst immer schon ein mieser Lügner, Junge. Unglaublich, dass du und ich wirklich verwandt sein sollen? Aber wozu lügen? Es ist doch gut, wenn du endlich mal wieder dein kleines Herzchen für jemanden geöffnet hast. Einer wie du braucht ein wenig Liebe und Romantik in seinem Leben. Und das mit Isaac ist doch jetzt wirklich schon eine Ewigkeit her. Wie lange soll die Trauerzeit denn noch andauern?“ wollte Peter wissen. Dann fügte er hellsichtig hinzu: „Und solange du dich nicht in einen deiner Freier verliebst, ist doch alles in bester Ordnung.“ Derek erstarrte und sämtliches Blut wich aus seinem Gesicht. Kapitel 13: Worlds collide -------------------------- Derek räumte grollend die Reste des Frühstücks fort, was sein fauler Onkel natürlich nicht für nötig gehalten hatte. Der hatte sich, nachdem er gesättigt war, ganz einfach sang- und klanglos vom Tisch erhoben und war im Bad verschwunden, denn er nahm offenbar an, dass Feen, oder andere mystische Wesen existierten, welche einfach so den eigenen Scheiß hinter einem aufräumten. Aber dies hier war die Realität und es gab keine Feen. Es gab lediglich Neffen mit zwanghaftem Charakter, die es nicht leiden konnten, wenn etwas herumstand und die auch nicht darauf warten konnten, ob es einem Peter Hale vielleicht irgendwann von selbst einfiel, dass man Lebensmittel zurück in den Kühlschrank räumen musste, wenn man nicht wollte, dass daraus ein Biologieprojekt für die fünfte Klasse zur Entstehung von neuem Leben wurde! Derek hoffte inständig, dass sein Onkel zeitnah eine neue Bleibe finden würde, denn sonst müsste er ihn wohl mitsamt seinen zahlreichen Koffern zum Fenster hinauswerfen. Ob ein Richter wohl anerkennen würde, dass in seinem Fall mildernde Umstände zu berücksichtigen waren? Der Hausherr hatte gerade das Chaos beseitigt, als es unvermittelt an der Tür klingelte. Derek hatte keinen blassen Schimmer, wer das sein mochte, da er eigentlich niemals unerwarteten Besuch erhielt. Über die Gegensprechanlage fragte er, wer da sei, doch scheinbar war die Person bereits ins Haus gelangt, denn es klopfte nun zaghaft an der Wohnungstür. Derek blickte durch den Türspion und sein Herz machte einen kleinen, aufgeregten Hüpfer. Es war Stiles! Doch gleich nach der ersten Freude über sein Erscheinen war Dereks zweite Reaktion Stress. Er wollte auf keinen Fall, dass Stiles und Peter sich über den Weg liefen und außerdem hatte er doch noch überhaupt nicht entschieden, was er Stiles sagen wollte. Er öffnete die Tür und sagte: „Hey! Es ist schön dich zu sehen, doch leider passt es momentan echt schlecht.“ Der enttäuschte Blick des Agents brach Derek beinahe das Herz. „Es... es tut mir leid! Ich wollte dich nicht lange stören, nur sehen, ob es dir gut geht? Ich habe nichts von dir gehört, und ich dachte... Ach verdammt, ich hätte nicht herkommen dürfen, wie so ein verdammter Stalker. Was musst du jetzt von mit denken?“ Derek seufzte und versicherte schnell: „Du bist kein Stalker, Stiles. Es ist meine Schuld. Ich hätte anrufen sollen, aber bislang hatte ich noch nicht die Gelegenheit.“ Ausgerechnet in diesem Moment ging die Badezimmertür auf und Peter stand lediglich in ein Handtuch gewickelt im Raum. „Ach so, ich verstehe! Du warst beschäftigt. Aber ich dachte...? Hast du nicht gesagt, normalerweise bringst du deine... Verabredungen nicht nachhause und... uhm... dass es bei mir eine Ausnahme gewesen sei?“ stammelte Stiles: „Ist das etwa immer noch dein Termin von gestern? Dann hast du echt mehr Durchhaltevermögen, als ich gedacht hätte. Fuck, ich hätte echt nicht kommen sollen. Ich verschwinde wohl besser!“ Er drehte sich um und dann rannte er. „Stiles, warte doch!“ rief Derek ihm hinterher und schnappte sich seine Schuhe, weil er Stiles nicht unbedingt barfuß verfolgen wollte. Unterdessen spottete Peter hinter ihm: „Das war dann ja wohl der Freier, in den du dich verknallt hast, was? Der ist ja echt süß! Wenn ich gewusst hätte, dass die Jungs mit denen du es treibst so aussehen, dann hätte ich vielleicht auch schon längst die Branche gewechselt?“ „Oh halt die Klappe, Peter!“ rief Derek über seine Schulter hinweg, schnappte sich seinen Schlüssel, warf sich eine Jacke über und sprintete los. Im Treppenhaus drückte er versuchsweise den Fahrstuhlknopf und stellte fest, dass der Fahrstuhl noch da war. Er sprang hinein, denn nur so hatte er eine reelle Chance Stiles, der die vielen Etagen zu Fuß lief, noch einzuholen. Und tatsächlich rannte Stiles ihm atemlos direkt in die Arme, kaum dass er, unten angekommen, dem Fahrstuhl wieder entstieg. Er nahm ihn bei den Schultern und zwang ihn, ihn anzusehen: „Lass´ mich los, Derek!“ forderte der Agent unglücklich: „Alles was ich jetzt gerade will ist wie eine Assel unter einen Stein kriechen und dort vor Scham sterben!“ „Stiles, du siehst das alles vollkommen falsch. Das ist alles ganz anders.“ erwiderte Derek hilflos, ohne den Griff an Stiles Schultern zu lockern: „Ach ja? Was gab es denn da falsch zu verstehen? Ein unglaublich heißer Kerl kommt beinahe nackt aus deiner Dusche. Da ist doch wohl ziemlich eindeutig, was gelaufen ist.“ murrte Stiles und versuchte sich loszumachen. Derek verzog angewidert das Gesicht: „Du findest also, mein Onkel sei heiß? Na toll! Diese Vorstellung werde ich jetzt bestimmt nicht mehr los. Uagh!“ „Moment mal... das war dein Onkel? Der Onkel, bei dem du aufgewachsen bist?“ fragte Stiles ungläubig: „Was ist denn mit dem Genpool in eurer Familie los? Seid ihr etwa alle direkte Nachfahren der Götter des Olymps, oder wie?“ „Soll ich dich Peter vielleicht vorstellen, wenn du ihn so sexy findest? Er findet dich nämlich `süß´, wie er mir mitgeteilt hat.“ murrte Derek, verschränkte die Arme vor der Brust und gab eine perfekte Vorstellung als Grumpy-Cat-Imitator: „Dein Onkel ist schwul?“ fragte Stiles irritiert: „Polymorph-pervers nennt man das in seinem Fall. Er mag alles, was ausgewachsen ist, zwei Beine und einen Puls hat und treibt´s mit jedem, der nicht schnell genug auf dem Baum ist. Deine Chancen stehen somit gut, also nur zu!“ Dereks Stimme hatte gerade mehr von einem unzufriedenen Knurren, als von dem freundlichen Tenor, den Stiles von ihm gewohnt war. Der Agent musste gegen seinen Willen lächeln: „Wovon redest du da eigentlich, du Spinner? Was soll ich denn mit deinem Onkel? Ich bin gekommen, weil ich zu DIR wollte. Ich habe die ganze Zeit an nichts anderes denken können. Ich habe die halbe Nacht lang wach gelegen und hatte eine Scheißangst, dich nie wieder zu sehen, weil du so abrupt verschwunden bist. Ich habe echt mit mir gerungen, ob ich zu dir kommen sollte. Ich hatte Angst, dass du mich nicht sehen willst. Und im Grunde weiß ich immer noch nicht, wie du es findest, dass ich jetzt hier bin?“ „Es ist schön, dass du da bist.“ erwiderte Derek leise und zog den Agent zu einem Kuss zu sich heran. Als ihre Lippen sich berührten, viel eine große Last von Stiles ab. Er hatte so viele Szenarien in seinem Kopf durchgespielt, dass er schon gar nicht mehr gewusst hatte, ob er es sich am Ende nur eingebildet hatte, dass es da etwas Besonderes, etwas Reales zwischen ihm und Derek gab. Als ihr Kuss endete blickten sie einander eine Weile unschlüssig an, bis Derek das Wort ergriff: „Hast du noch ein wenig Geduld mit mir, Stiles? Ich weiß, du willst von mir wissen, wie es mit uns weitergeht, aber ich brauche noch Zeit zum Nachdenken. Ich... ich habe einfach nicht damit gerechnet, dass mir jemand wie du über den Weg läuft. Das wirft mein Leben ganz schön über den Haufen, weißt du?“ Stiles seufzte: „Denkst du, mir geht es anders? Ich hatte mich schon fast damit abgefunden allein durch´s Leben zu gehen und dann kamst du.“ Er ließ den Kopf hängen und fügte hinzu: „Geduld ist keine meiner Stärken, aber ich werde warten. Es tut mir leid, dass ich hierher gekommen bin und dich bedrängt habe, ich werde es nicht noch einmal tun. Ich warte auf deinen Anruf, in Ordnung?“ Er wendete sich zum Gehen, doch erneut wurde er von Derek aufgehalten, welcher seine Hand ergriff und ihn zu sich heran zog: „Warte! Noch einen für den Weg!“ flüsterte er und küsste Stiles erneut, ehe er ihn schließlich gehen ließ. Auf dem Weg zu seinem Auto stiegen dem Agent Tränen in die Augen. Derek mochte ihn, doch er war sich nicht sicher, ob es eine Zukunft für sie gab, so viel war klar. Und es gab nichts, was Stiles daran ändern konnte. Er konnte einfach nur warten. „Wie? Wo hast du denn meinen Schwieger-Neffen gelassen? Ich hatte mich doch schon darauf gefreut, ihn kennenzulernen.“ begrüßte Peter Derek schmollend: „Stiles ist weg.“ erwiderte Derek einsilbig: „Und ich will jetzt auch nicht über ihn sprechen.“ „Wieso ist er weg? Wieso willst du nicht darüber sprechen? Und wieso ziehst du so eine Fresse?“ wollte sein Onkel wissen: „Hast du den Jungen etwa schon wieder vergrault? Das wäre echt schade. Er ist bestimmt gut im Bett, richtig? Ich sehe so etwas gleich. Er ist ein kleines Raubkätzchen, richtig?“ „Peter, mach´ mich nicht wahnsinnig! Ich habe keine Ahnung, aber selbst wenn, dann ginge dich das wirklich einen Scheißdreck an!“ knurrte der Jüngere. Peter blickte ihn ratlos an: „Wie? Ihr habt es also noch gar nicht getan? Und was macht ihr dann die ganze Zeit? Quatschen und Händchenhalten etwa? Oder bringst du es etwa nicht mehr? Junge, du bist doch zu jung für erektile Dysfunktion! Und so etwas für jemanden in deiner Branche!“ Derek zählte innerlich bis zehn, um den Impuls niederzuringen, Peter eine Baseballkeule über die Rübe zu ziehen: „Was spricht denn gegen Reden und Händchenhalten, hm? Das ist im Grunde richtig schön. Und Stiles braucht eben noch Zeit. Was ist daran so schlimm?“ „Also ich finde es merkwürdig. Vielleicht steht er ja nicht auf dich?“ spekulierte Peter: „Vielleicht hältst DU jetzt endlich die Fresse!“ schlug Derek vor. Nach unschlüssigem Zögern fügte er hinzu: „Ich gehe jetzt spazieren. Du nervst mich nämlich!“ Peter blickte ihm kopfschüttelnd hinterher. Kapitel 14: Katharsis --------------------- Derek kam erst am frühen Nachmittag von seinem Spaziergang zurück und traute seinen Augen kaum, denn Peter hatte sich inzwischen offensichtlich Besuch eingeladen. Drei Männer und zwei Frauen, allesamt gutaussehend und weitaus jünger als Peter selbst, lümmelten auf Dereks Sofa herum und vertilgten Unmengen Essen vom Lieferservice, während die Luft von einer Wolke aus Marihuanarauch geschwängert war: „Was ist denn hier los, zum Teufel? Was soll das werden? Wer sind diese Pfeifen?“ pöbelte der Hausherr und riss sämtliche Fenster auf. „Nun komm´ mal runter! Wie sprichst du denn mit meinen Freunden?“ erwiderte Peter betont gelassen. Er saß mit einem fetten Joint in der Hand zwischen zwei der jungen Leute, einer Frau und einem Mann, hatte sein Hemd bis zum Bauchnabel aufgeknöpft und ließ sich von den beiden abwechselnd mit kleinen Häppchen füttern. „Freunde? Was denn für Freunde? Du bist neu in der Stadt und kennst hier doch überhaupt niemanden.“ gab Derek giftig zurück: „Ich bin eben liebenswert und schließe rasch neue Bekanntschaften.“ behauptete Peter: „Wir lernen uns gerade erst richtig kennen.“ Er küsste zunächst das Mädchen und dann den Jungen. Derek, dem gerade sein Frühstück wieder hochkam, forderte: „Widerlich! Diese Orgie hat jetzt ein Ende! Das hier ist kein Puff, sondern mein Zuhause. Zeig´ deinen „Freunden“, wo der Maurer das Loch in der Tür gelassen hat, sonst rufe ich die Bullen!“ „Du bist wirklich unhöflich, weißt du das Neffe?“ erwiderte Peter: „Warum setzt du dich nicht einfach zu uns, isst einen Happen, kommst runter und entspannst ein wenig? Wir haben auch noch reichlich Gras, falls du ein wenig Unterstützung beim Abschalten brauchst. Oder vielleicht hilft dir auch einer meiner neuen Freunde ein bisschen beim relaxen. Wie ist das heutzutage eigentlich bei dir? Bevorzugst du jetzt ausschließlich Jungs, oder darf es an und an auch mal ein Mädchen sein?“ Derek ballte die Fäuste und herrschte seinen Onkel an: „Ich höre wohl nicht richtig? Dein Besuch verschwindet jetzt und zwar sofort!“ Die jungen Leute schmollten ein wenig und Peter erklärte ihnen: „Mein Neffe ist ein furchtbarer Langweiler. Es tut mir wirklich leid Kinderchen, aber ihr solltet jetzt wohl besser gehen, ehe ihm noch eine Schlagader im Kopf platzt.“ Er erhob sich und führte die jungen Leute zur Tür: „Wir sehen uns heute Abend im Club und feiern weiter, ihr Süßen. Ich freue mich!“ Peter verabschiedete jeden einzelnen mit einem Kuss und schloss dann die Tür hinter ihnen. Dann wendete er sich zu Derek um und maulte: „Bist du jetzt zufrieden? Wir hatten es hier wirklich nett, ehe du gekommen bist. Was stimmt bloß nicht mit dir? Du wusstest noch nie, wie man Spaß hat.“ „Ich weiß sehr wohl, wie man Spaß hat, aber ich weiß auch, dass es im Leben nicht immer nur darum geht, sich zu amüsieren, koste es was es wolle. So warst du immer schon, auch damals, als ich mit sechzehn gezwungen war bei dir zu leben, obwohl du dich einen Scheiß um mich geschert hast.“ erwiderte Derek bitter. Sein Onkel seufzte: „Ja sicher, jetzt geht das wieder los. Immer nur dein Gejammer über deine schlimme Jugend. Wie lange willst du diese Kuh eigentlich noch melken, um deine trübsinnige Gegenwart zu rechtfertigen, hm? Du bist doch längst ein erwachsener Mann. Du solltest endlich anfangen, etwas aus deinem Leben zu machen, anstatt irgendwelchen armen Schweinen eine Illusion von Liebe zu verkaufen. Was glaubst du denn, wie lange du diesen Job noch machen kannst? Du wirst auch nicht jünger, Derek. Finde einen vernünftigen Job, such´ dir einen Freund, mach´ ihm ein Kind; wie du das anstellst ist deine Sache, und dann heirate und fang´ endlich an zu leben!“ „Also das sagt ja der Richtige. Du hast sie doch nicht mehr alle! Du hast nichts von alledem und hältst mir Predigten? “ fragte Derek fassungslos. Peter lachte: „Das ist der Unterschied zwischen dir und mir. Du willst all´ diese Dinge, ich aber nicht. Mir geht’s bestens als Single, denn ich komme gut klar als einsamer Wolf, was man von dir echt nicht behaupten kann. Du bist ein unglücklicher Mensch, Derek! Was glaubst du, wie dein Leben verlaufen wäre, wenn Isaac noch da wäre? Würdest du dann wohl auch deinen Körper an fremde Kerle verkaufen? Sicherlich nicht!“ „Nimm´ seinen Namen nicht in den Mund!“ zischte Derek böse: „Dazu hast du kein Recht! Nicht einmal zu seiner Beerdigung bist du gekommen. Ich war vollkommen fertig, dachte wirklich, ich überlebe das nicht. Und wo warst du? Ich hätte deinen Trost gebraucht! Genauso wie ich deinen Trost gebraucht habe, als erst Paige und kurz danach meine Familie gestorben sind. Aber dir war das scheißegal, denn es ging dabei ja schließlich nicht um dich, richtig?“ Peter sah aus, als habe man ihm ins Gesicht geschlagen. Es dauerte eine ganze Weile, ehe er darauf antwortete: „Es tut mir leid.“ sagte er schließlich leise. Derek meinte sich verhört zu haben, denn diese Worte hatte er noch nie aus dem Mund seines Onkels gehört. Ein Peter Hale entschuldigte sich nicht. „Es tut mir wirklich leid, Derek. Das habe ich richtig versaut, ich weiß. Aber ich will eines klarstellen: Dass ich nicht für dich da gewesen bin, hatte nichts damit zu tun, dass es mir egal gewesen wäre, wie es dir ging. Ich konnte es einfach nicht.“ Derek blickte seinen Onkel skeptisch an und wartete im Grunde nur auf die Pointe, denn dies war sicher wieder einmal nur einer seiner unpassenden Scherze. Nie im Leben konnte dies hier eine ernst gemeinte Entschuldigung sein! Doch Peter fuhr fort: „Ich weiß nicht, ob du einmal darüber nachgedacht hast, wie es damals für mich gewesen ist, aber Derek... auch ich habe damals meine Familie verloren! Deine Mutter Talia war meine Schwester, aber im Grunde war sie vielmehr auch für mich so etwas wie eine Mutter. Sie hat mich gemeinsam mit ihren anderen Kindern großgezogen, weil ich meine Eltern schon früh verloren habe. Und mit einem Mal waren sie alle fort; meine Schwester, dein Vater, meine Nichten und Neffen... Der einzige der noch da war warst du; ein zorniger, verlorener, trotziger, trauriger Teenager, der beschlossen hatte, mich und die ganze Welt zu hassen und für sein Unglück verantwortlich zu machen. Ich war einundzwanzig Jahre alt. Ich war nicht reif genug, um für irgendwen der Daddy zu sein. Ich wusste nicht, was ich mit dir machen sollte. Ich wollte bloß, dass du nicht in irgendein Heim, oder eine Pflegefamilie musst, auch wenn du mich wahnsinnig gemacht hast. Deswegen habe ich dich aufgenommen. Ich weiß, du hättest etwas anderes gebraucht, einen reifen, verantwortlichen Erwachsenen, der für dich da ist und dir hilft, deine Trauer zu bewältigen, doch der war ich damals nun mal nicht. Heute würde ich manches anders machen, aber ich kann die Zeit leider nicht zurückdrehen, Derek. Ich kann dir nur sagen, dass es mir leid tut.“ Derek wusste noch immer nicht, was er auf das soeben Gehörte erwidern sollte, also sagte er schlicht: „Danke!“ Peter nickte lediglich, drückte seinen Joint auf einem von Dereks Tellern aus, was vom Hausherrn mit einem unzufriedenen Blick kommentiert wurde und machte sich über die Reste des Sushi aus einer der Pappschachteln her: „Verdammter Kifferhunger. Ich muss unbedingt gleich noch ins Fitnessstudio, denn ich kann es mir nicht leisten fett zu werden.“ „Vorher bringst du aber diesen Saustall hier in Ordnung!“ bestimmte Derek. Peter verzog das Gesicht und erkundigte sich: „Hast du nicht eine Putzfrau, die sich irgendwann darum kümmern kann?“ „Habe ich nicht.“ erwiderte sein Neffe: „Doch selbst wenn, würde ich mit Sicherheit nicht warten, bis sie kommt um aufzuräumen, während den Lebensmittelresten hier langsam ein Fell wächst. Und ich werde nicht hinter dir her putzen, also bitte: Mach´ jetzt sauber!“ Peter seufzte dramatisch, machte sich widerwillig ans Werk und erklärte: „Es wird wirklich Zeit, dass ich mir eine eigene Bleibe suche. Du bist so eine unglaubliche Nervensäge!“ Derek lag es auf der Zunge zu sagen, dass ja wohl nicht er die Nervensäge war, sondern die Person, welche unangekündigt zu einem Dauerbesuch bei ihm vorbeikam und dann nichts als Chaos und Unruhe in sein sauberes, geordnetes Zuhause brachte, doch er verkniff es sich, denn irgendwie war er immer noch weichgespült von Peters Entschuldigung. Er zwinkerte lediglich grinsend und ohne selbst einen einzigen Handschlag zu tun, beobachtete er mit einer gewissen Genugtuung, wie sein Onkel aufräumte. Als Peter nach getaner Arbeit eine Weile später mit gepackter Sporttasche zum Aufbruch bereit in der Apartmenttür stand, drehte er sich noch einmal um und erkundigte sich: „Was ist das eigentlich mit dir und diesem süßen Jungen von neulich. Wird das was Ernstes?“ „Wenn ich das nur selbst wüsste.“ erwiderte sein Neffe unzufrieden. „Ruf´ ihn an!“ ordnete Peter an und verschwand, ehe Derek Widerworte geben konnte. Kapitel 15: Ein erstes letztes Mal ---------------------------------- Derek würde es seinem Onkel gegenüber zwar im Leben nicht zugeben weil er ihm die Genugtuung nicht gönnte, doch er befolgte seinen Rat und rief Stiles an. Er brauchte nun endlich klare Verhältnisse und es nützte nichts, diese Sache weiter vor sich her zu schieben. Der Agent ging bereits nach dem ersten Klingeln dran, so als habe er direkt neben dem Telefon ausgeharrt: „Hey Derek! Ich habe so bald noch gar nicht mit deinem Anruf gerechnet.“ tönte es aus Dereks Handy. „Es tut mir leid, dass ich dich jetzt schon so lange habe warten lassen. Du hast Recht, wir sollten unbedingt sprechen.“ gab er zurück: „Soll ich zu dir kommen? Vielleicht so gegen acht?“ wollte Stiles wissen: „Oder würdest du dich lieber in irgendeiner Bar treffen?“ „Wenn ich darf, würde ich gern zu dir kommen. Bei mir laufen wir Gefahr, das Peter jederzeit hereinspaziert kommen könnte und glaub mir, dass willst du nicht. Und in einer Bar ist zu viel Trubel. Ich wäre gern ungestört mit dir.“ „Ja sicher. Komm´ einfach vorbei.“ bestätigte Stiles: „Ich freue mich auf dich.“ Sie machten eine Zeit aus und legten auf. Stiles fühlte sich nach diesem Telefonat so nervös und hibbelig, als sei er wieder ein Teenager, bevor er erstmals Medikamente gegen sein ADHS erhalten hatte. Doch der Unterschied zu damals war, dass er sich heutzutage in solchen Situationen zu helfen wusste. Er zog seine Laufschuhe an, verließ das Haus und sprintete los, um überflüssige Energie abzubauen und sich innerlich zu sammeln. Als er wieder daheim war und geduscht hatte, räumte er sein ohnehin bereits ordentliches Zuhause auf und putzte imaginäre Flecken weg, als könnte dies dem bevorstehenden Gespräch zu einem positiven Ausgang verhelfen. Als Derek um fünf vor acht an seiner Tür klingelte, atmete Stiles noch einmal tief durch, ehe er öffnete. Kaum hatte Derek die Schwelle von Stiles Haus übertreten, überkam diesen dasselbe warme, behagliche Gefühl wie beim ersten Mal, als er hier war und er ließ sich von dieser wohltuenden Emotion einen Moment lang umspülen. „Hey!“ begrüßte ihn Stiles, offensichtlich unsicher, ob er Körperkontakt aufnehmen sollte, oder besser nicht. „Hey, Süßer!“ erwiderte Derek und zog ihn in eine flüchtige Umarmung. Danach standen sie eine Weile unschlüssig vor einander, wie Schauspieler ohne ein Skript, bis Derek schließlich unsicher fragte: „Wollen wir uns vielleicht irgendwo setzen?“ „Wie? Ja... ja natürlich.“ erwiderte Stiles nervös und wies Derek mit einer Handbewegung den Weg zu seinem Sofa im Wohnzimmer: „Willst du etwas trinken?“ erkundigte er sich, nachdem sein Gast sich gesetzt hatte: „Wasser wäre schön.“ gab Derek zurück: „Wasser? Ja... ja klar.“ erwiderte Stiles und verschwand in der Küche, aus welcher er wenig später mit einem Tablett mit Wasser und zwei Gläsern wiederkehrte. Es war nicht zu übersehen, dass sein Körper sich unter Hochspannung befand. Er schenkte für sie beide ein und wollte dann wissen: „Willst du vielleicht auch etwas essen? Ich habe Knabbereien, oder ich mache uns rasch ein paar Sandwiches? Ich kann auch Pizza ordern. Was immer du willst..“ „Stiles!“ sagte Derek kopfschüttelnd: „Du musst dich ein wenig entspannen, okay? Ich möchte jetzt nichts essen. Setz´ dich einfach zu mir und lass´ uns reden.“ Er klopfte auf den Platz neben sich. Stiles nickte, atmete ein weiteres mal tief ein und aus und nahm dann im Schneidersitz an Dereks Seite Platz. Beide Männer blickten einander in die Augen und es entstand ein Schweigen, in welchem man eine Stecknadel hätte fallen hören können: „Einer von uns muss nun wohl etwas sagen, was?“ fragte Stiles in normaler Lautstärke. Dennoch erschrak er sich beinahe selbst vor dem Klang, welcher die Stille zerriss. Trotzdem sprach er weiter: „Also gut, dann werde ich nun anfangen. Derek ich... ich bin verliebt in dich!“ Er senkte den Kopf: „Ich komme mir vor wie eine dumme Bitch, die sich in den erstbesten Mann verliebt, der nett zu ihr ist, selbst wenn er ihn dafür bezahlen musste. Ich fühle mich lächerlich! Mache ich mich lächerlich?“ Derek griff nach seinen Händen und versicherte: „Du bist nicht lächerlich, Stiles. Du bist wundervoll! Wenn einer dumm und lächerlich ist, dann bin ich das. Weißt du eigentlich, wie unprofessionell es ist, sich in einen Kunden zu verlieben? Denn das bin ich: Ich bin in dich verliebt! Ich habe dir von Anfang an niemals etwas vorgemacht. Alles was zwischen uns war, die Sympathie, das Lachen, unsere wunderbaren Gespräche... das war alles echt.“ Stiles ließ den Kopf hängen und entgegete leise: „Und warum fühlt es sich dann nicht besser an, wenn ich doch etwas empfinde und du ebenso? Warum fallen wir uns dann jetzt nicht in die Arme und planen unsere Zukunft? Warum bin ich so wahnsinnig traurig?“ „Du weißt warum, Stiles.“ seufzte Derek: „Du bist immerhin ziemlich clever.“ Stiles massierte sich niedergeschlagen die Stirn und erwiderte leise: „Ja, ich fürchte, ich weiß es. Du hasst meinen Job, weil er gefährlich ist und weil du Angst davor hast, dich auf jemanden einzulassen, den dir der Tod vielleicht wieder entreißen könnte.“ Er stockte kurz und fuhr dann fort: „Und andererseits fürchte ich, ich käme nicht damit klar, wenn du in deinem Job weiter arbeiten würdest. Als du deinen letzten Kunden getroffen hast, hat es mich beinahe wahnsinnig gemacht. Ich habe mir vorgestellt, was du mit ihm tust. Ich wollte es nicht, doch diese Gedanken haben sich mir förmlich aufgedrängt und es hat wehgetan. Es tut mir leid, doch ich könnte das einfach nicht. Wenn ich mich auf eine Beziehung mit dir einlassen würde, dann ginge das nur, wenn ich wüsste, dass wir ganz und gar zu einander gehören.“ „Du weißt, dass es nichts bedeutet, wenn ich mit einem Kunden schlafe, oder Stiles? Es ist doch nur ein Job, weiter nichts.“ versuchte es Derek hilflos. Stiles zog ein Kissen vor seinen Bauch und begann dann, nervös daran herum zu kneten: „Aber ist es denn wirklich so verrückt, wenn ich mit jemandem zusammen sein möchte, der diese intime Sache einzig und allein mit mir tut? Kannst du es nicht verstehen, dass ich mir das wünsche?“ Dereks Miene verfinsterte sich. Es dauerte einen Moment, ehe er antwortete: „Ich verstehe es.“ räumte er schließlich ein: „Ich wünschte wirklich, es wäre anders, doch ich kann verstehen, dass es so ist. Und vielleicht ginge es mir ja umgekehrt ebenso? Ich weiß es nicht“ „Und was nun?“ frage Stiles matt: „Ich kann schließlich nicht von dir verlangen, dass du deinen Job für mich aufgibst. Und andererseits kann ich es auch nicht ändern, dass meine Arbeit eben gewisse Gefahren birgt. Ich habe hart an meiner Karriere gearbeitet, Opfer gebracht und bin gerade an einem Punkt angelangt, wo sich all diese Mühen endlich auszahlen.“ Derek rückte näher an Stiles heran und zog dessen Kopf an seine Schulter. Der Körper des Agents spannte sich kurz an, doch dann ließ er es zu, schlang seine Arme um Dereks Körper und so saßen sie eine Weile schweigend aneinander gelehnt da und genossen schweigend den Moment der Nähe. Irgendwann richtete Stiles sich wieder auf, blickte Derek in die Augen und fragte: „Vielleicht ist es einfach nicht der richtige Zeitpunkt für uns? Vielleicht treffen wir uns ja irgendwann wieder, wenn das mit uns wirklich sein soll und dann fühlt es sich richtig an? Das wäre doch möglich, oder etwa nicht?“ Er sah einen Augenblick lang sehr jung und verletzlich aus: „Ja, das wäre möglich.“ bestätigte Derek, doch es klang nicht wirklich überzeugt. Stiles wischte sich mit dem Ärmel über die Augen, ehe Tränen daraus entkommen konnten: „Vielleicht können wir ja auch einfach Freunde sein?“ schlug er hoffnungsvoll vor. Derek schenkte ihm einen traurigen Blick und erwiderte: „Ich bin vielleicht nicht der hellste Kopf, doch eine Sache weiß ich mit Sicherheit: Zwei Menschen, die in einander verliebt sind, können keine Freunde sein. Das bedeutet Frustration und endlosen Schmerz.“ „Also ist das hier nun das Ende.“ gab Stiles zurück. Es war eine Feststellung, keine Frage. Derek schluckte. Dann nickte er: „Ich sollte wohl gehen.“ seufzte er, küsste Stiles noch einmal sanft auf die Stirn und dann erhob er sich. Er war schon beinahe durch die Tür, als Stiles ihn plötzlich einholte, am Arm fasste und wieder ins Haus zog: „Warte!“ forderte er: „Wenn das hier wirklich der Abschied ist, dann will ich, dass wir es richtig machen. Dann will ich ein erstes, letztes Mal mit dir.“ Plötzlich unsicher geworden blickte er Derek forschend an und fragte: „Ist das in Ordnung für dich?“ „Ja, das ist es.“ bestätigte Derek und ließ sich von Stiles die Treppen hinauf, in dessen Schlafzimmer führen. Kapitel 16: Was bleibt ist die Sehnsucht ---------------------------------------- Gleich beim Eintreten bemerkte Derek dass Stiles Schlafzimmer ebenso gemütlich und einladend war, wie der Rest des Hauses. Eine altmodische, hübsche, kleine Tiffany-Lampe tauchte den Raum in goldenes Licht. An den Fenstern hingen schwere, weinrot und beige gestreifte, bodenlange Vorhänge. Auf dem breiten kupferfarbenen Metallbettgestell lag eine hohe, bequem aussehende Matratze und unter der zurückgeschlagenen Tagesdecke aus dunkelrotem Leinen kamen zwei Bettdecken und zwei Federkissen zum Vorschein, so als sei dies hier überhaupt nicht die Schlafstätte eines jahrelangen Singles, sondern das gemachte Nest für zwei Menschen, die sich liebten. Schmerzhaft traf Derek die Trauer darüber, dass er leider nicht einer von beiden sein konnte. Alles was sie hatten, war diese eine Nacht. Ein Blick auf Stiles zeigte, dass dieser nun wieder deutlich nervöser war und Derek konnte es ihm auch nicht verdenken, angesichts der Ewigkeit, in welcher der Agent mit niemandem mehr intim gewesen war: „Du musst keine Angst haben, Stiles.“ versprach er sanft: „Du bist sicher bei mir und kannst dich mir ganz einfach anvertrauen.“ „Ich weiß.“ erwiderte Stiles mit einem kleinen Lächeln, doch es sollte sich alsbald zeigen, dass Derek hier und heute nicht der Lehrmeister sein würde. Stiles schien trotz seiner Unsicherheit sehr genau zu wissen, was er wollte. Bei den vielen sexuellen Kontakten, welche Derek in der Vergangenheit mit Freiern gehabt hatte, war es dabei stets um zwei Dinge gegangen: Erstens hatte er sich hierbei um die Bedürfnisse seines Bettgefährten gekümmert. Um seine eigenen Wünsche war es dabei nicht gegangen. Und zweitens war das Ziel hierbei stets die schnelle Triebbefriedigung gewesen. Es zeigte sich rasch, dass Stiles etwas vollkommen anderes mit ihm im Sinn hatte. Er begann sich selbst zu entkleiden, lächelte schüchtern zu Derek hinauf, half diesem dann ebenfalls dabei, sich seiner Kleider zu entledigen und zog ihn hinter sich her ins Bett. Derek, normalerweise gewohnt die Initiative zu ergreifen, ließ es überrumpelt einfach geschehen. Stiles brachte sich über ihn, ließ mit unendlicher Hingabe die Fingerspitzen auf seiner Haut auf Wanderschaft gehen, platzierte zarte Küsse überall auf ihm, doch das wirklich Aufregende war der Blick, mit welchem er ihn bedachte. Derek wusste dass er attraktiv war; es hatte schließlich genug Menschen in seinem Leben gegeben, die ihm dies bestätigt hatten, privat, während seiner Zeit als Fotomodell und natürlich heutzutage als Eskort. Doch das, was er in Stiles Blick sah, war mehr als bloß die Gier auf sein schönes Fleisch. Stiles meinte wirklich Derek, mit allem was er war, Körper, Geist, Seele, mit seinen Tugenden und seinen Unarten, einfach den gesamten Menschen. Und es war ein wundervolles, unerwartetes Geschenk, einmal wahrhaftig gesehen zu werden. Stiles ließ keinen Zweifel daran, wer in diesem Augenblick die Zügel in der Hand hatte. Wann immer Derek versuchte, in irgendeiner Weise aktiv zu werden, griff sich der Agent seine Handgelenke und drückte sie mit sanfter Gewalt zurück in die Matratze. Die Botschaft war eindeutig; Derek befand sich auf der Empfängerseite der Liebkosungen, so und nicht anders wollte es Stiles. Und so sehr Derek es auch genoss, sich einmal derart im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu befinden, so spürte er doch, dass er begann ein wenig nervös zu werden. Sie beide hatten niemals über sexuelle Vorlieben gesprochen und obwohl Derek grundsätzlich zu allem bereit war, hatte er dennoch gewisse Präferenzen. Und nun öffnete Stiles die Schublade seines Nachttisches und zog Kondome und eine Tube Gleitgel hervor. Dereks fragenden Blick beantwortete der Agent mit einem Zwinkern und einem schiefen Grinsen, ehe er ihm beides in die Hand drückte und bestimmte: „Du bist am Zug!“ Beim ersten Mal, da sie sich in dieser Nacht liebten, geschah dies sehr sanft und zärtlich; ein vorsichtiges Erkunden der Wünsche, Bedürfnisse und Grenzen; achtsam, bedächtig, rücksichtsvoll, neugierig, voller Überraschungen und mit sehr viel Zeit. Sie kamen gemeinsam und lagen anschließend überwältigt und selig Stirn an Stirn beieinander. Derek dachte nach einer Weile bereits, dass Stiles eingeschlafen sei, als plötzlich wieder das Leben in seinen Bettnachbarn zurückkehrte. Stiles kletterte auf ihn und raunte mit einem ungezogenen Blick: „Ich will mehr davon! Viel mehr!“ Derek mochte den gewaltigen Hunger, den er in seinem Gegenüber spürte und kurz musste er an Peters Bemerkung über das Raubkätzchen denken. Seine Antwort war lediglich ein kleines Nicken. Dieses zweite Mal war wild, ungezügelt, aber auch vertrauensvoll und tief, denn nun kannten sie sich bereits und was sie wollten war nicht weniger, als vollkommene Einswerdung, soweit dies Zwei Menschen auf der irdischen Ebene überhaupt möglich war. Stiles welcher sich auf Derek bewegte, kam lange vor diesem, hielt daraufhin einen Moment inne, doch machte dann einfach weiter, bis auch Derek soweit war und sie den Höhepunkt noch einmal gemeinsam erleben konnten. Als sie es zum dritten Mal taten, war dies wie ein Abschiednehmen; melancholisch, schmerzhaft, tragisch, intensiv und bestürzend. Aus Eins wurde wieder Zwei und beide spürten deutlich den Verlust, sogar noch, als sie anschließend Seite an Seite mit ineinander verflochtenen Fingern einschliefen. Stiles musste beim Erwachen am kommenden Morgen nicht einmal die Augen öffnen. Er spürte auch so, dass Derek bereits gegangen war. Derek war dankbar, dass Peter nicht zuhause war, als er die Tür zu seinem Apartment aufschloss. Er zog sich aus, warf die Kleider vom Vortag in den Wäschekorb, stieg unter die Dusche und ging von da aus direkt ins Bett. Er wusste nicht, wie lange er geschlafen hatte, doch es kam ihm nicht besonders lang vor, da wurde er wieder davon geweckt, dass seine Tür zugeschlagen wurde, sein Onkel pfeifend und putzmunter hereingetrabt kam und feststellte: „Wow, du siehst echt scheiße aus, Junge!“ „Ja, du mich auch! Was machst du überhaupt hier? Ich dachte du seist ausgezogen?“ brummte Derek unzufrieden: „Noch nicht so ganz, Sonnenscheinchen. Ich wollte erst einmal nur meine Tasche mit dem notwendigsten Sachen holen. Den Rest hole ich in ein paar Tagen. Schlaf weiter! Sieht aus, als hättest du es nötig. Hast dich heute Nacht ganz schön verausgabt, was?“ stellte Peter mit süffisantem Grinsen fest: „Aber eines musst du mir noch verraten: War es dieser süße Junge von neulich? Wie war er denn so? Er war ungezogen, habe ich Recht? So etwas sehe ich gleich.“ „Darauf erwartest du doch wohl hoffentlich keine Antwort, oder?“ knurrte Derek: „Verschwinde einfach! Ich brauche meinen Schlaf.“ „Himmel, bist du ein Spielverderber.“ behauptete Peter und schnappte sich seine Tasche: „Man sieht sich. Bis die Tage!“ Damit war er verschwunden und Derek war wieder allein. Er kuschelte sich erneut in die Kissen, nur leider war an Schlaf aus irgendeinem Grund jetzt nicht mehr zu denken. Er fühlte sich matt, unzufrieden, selbstmitleidig und das einzige woran er denken konnte waren Stiles und das was sie letzte Nacht miteinander erlebt hatten. Widerwillig erhob er sich aus dem Bett, bereitete sich einen Kaffee zu und setzte sich ans Fenster, wo er der ölig-schwarzen Flüssigkeit dabei zuschaute wie sie kalt wurde, ohne einen Schluck davon zu nehmen. Draußen hatte ein leichter Nieselregen eingesetzt und die dunkeln Wolkenberge, auf welche Derek von hier oben im dreizehnten Stock wo sein Apartment lag, einen ausgezeichneten Blick hatte, passten perfekt zu seiner düsteren Stimmung. Nachdem er eine Weile einfach bloß dagesessen hatte, traf er eine Entscheidung. Er griff nach seinem Handy und rief in der Agentur an um mitzuteilen, dass er krank sei und man ihm vorerst keine Kunden vermitteln möge. Allein bei dem Gedanken an seine Arbeit schüttelte es ihn momentan. Stiles hielt nichts im Bett. Es war leer und kalt, nun da Derek nicht mehr darin lag, also stand der Agent auf und frühstückte eine Kleinigkeit, auch wenn er keinen rechten Appetit hatte. Er fühlte sich kribbelig und unstet und auch die Mahlzeit hatte ihn nicht wie erhofft erden können, also versuchte er es mit ein wenig Hausarbeit, um überschüssige Energie loszuwerden. Schnell erkannte er, dass dies nicht ausreichte, also zog er sich Sweatshirt, Trainingshose und Laufschuhe an und verließ das Haus. Es hatte ein wenig zu regnen begonnen, doch das störte Stiles nicht. Im Gegenteil, es kam ihm gerade recht. Die kühlen Tropfen benetzten sein erhitztes Gesicht und betäubten ein wenig den Schmerz in seinem Inneren. Stiles lief bereits eine Ewigkeit scheinbar ziellos quer durch die Stadt, ehe ihm klar wurde, dass er sich beinahe schon vor Dereks Haustür befand. Die Versuchung war groß, doch dann schüttelte er heftig den Kopf. Nein, sie hatten letzte Nacht von einander Abschied genommen und das war das richtige, das vernünftigste und beste für sie beide gewesen! Wenn alles jetzt bereits derart wehtat, nachdem sie sich erst so kurze Zeit kannten, wie würde es dann erst nach ein paar Monaten Beziehung werden, wenn sie zu spüren begannen, dass ihre Wege nun einmal in unterschiedliche Richtungen führten, ganz gleich wie sehr sie sich wünschten, dass es anders wäre? Stiles kehrte auf dem Absatz um und rannte zurück, als sei der Teufel hinter ihm her. Nachdem er wieder daheim war, nahm er sein Telefon zur Hand und rief im Büro an um mitzuteilen, dass er seinen Urlaub frühzeitig abbrechen und morgen wieder da sein würde. Was Stiles jetzt am nötigsten brauchte war Ablenkung, um diese Sache zu überwinden. Und nichts lenkte ihn so wirksam ab, wie sich in seine Arbeit zu vergraben. Kapitel 17: Das beständige Flüstern des Schicksals -------------------------------------------------- Derek fühlte sich tatsächlich nicht recht wohl, es war nicht bloß eine Ausrede gewesen, um nicht arbeiten zu müssen. Wahrscheinlich war eine Erkältung im Anflug? Ja, das musste es sein. Er war schließlich im Grunde ein junger, gesunder, kräftiger Kerl. Warum sonst sollte er sich gerade fühlen, wie ein winziges, ersoffenes Kätzchen? Ihm fiel keine bessere Erklärung ein und wie dem auch sei, er würde sich vorerst einfach ein wenig schonen und in ein bis zwei Tagen ginge es ihm dann sicherlich schon besser. Statt Kaffee gab es heute Kräutertee, er würde das Haus nicht verlassen und stellte zur Sicherheit auch das Handy ab, um nicht gestört zu werden. Er fuhr jene Leinwand an der Decke herunter, welche seinen Fernseher darstellte, kuschelte sich auf seinem Sofa in eine Decke und zappte durch die Kanäle. Das Wetter draußen war ohnehin mies, denn es war noch immer bedeckt, kühl und regnerisch, also verpasste er auch nichts, zumal er sich ja durch seine Krankmeldung sämtliche möglichen Verpflichtungen vom Hals gehalten hatte. Es war vollkommen okay, sich hier drinnen einzugraben, fand er. *** Stiles spürte eine altvertraute innere Unruhe. Er war momentan nicht in seiner Mitte und so gewann sein ADHS die Oberhand. Das einzige was er dagegen tun konnte war beschäftigt zu bleiben, also suchte er fieberhaft nach Aufgaben. Es begann damit, dass er sein Gewürzregal neu sortierte. Er war mitten dabei, da fiel sein Blick hinter den Kühlschrank, wohinter sich ein wenig Dreck verirrt hatte. Dort würde er gleich im Anschluss weiter machen. Nachdem er am Abend sämtliche Küchenschränke mit neuem Schrankpapier ausgelegt, seinen Kleiderschrank aussortiert, draußen in den matschigen Beeten das Unkraut ausgerupft, eine Kommode neu lackiert, die Teppichfransen im gesamten Haus gekämmt und im Badezimmer die Kalkflecken entfernt hatte, wurde ihm klar, dass sein Urlaub wohl eindeutig vorbei war. Er machte sich also Abendessen und schlief eine Weile später vor dem Fernseher im Wohnzimmer ein. Als er am kommenden Morgen, fast zwei Wochen zu früh, wieder im Büro aufschlug, wurde er von seiner Partnerin Malia Tate mit den Worten: „Was machst du denn schon wieder hier, du verdammter Idiot?“ begrüßt. „Freut mich auch dich zu sehen, Schätzchen!“ erwiderte der Agent schmunzelnd: „Mir ist zuhause die Decke auf den Kopf gefallen, darum bin ich wieder hier. Du weißt doch, ich bin ein Arbeitstier. Also was hast du für mich? Woran arbeiten wir gerade?“ Agent Tate schüttelte ungläubig den Kopf und schob ihm einen Stapel Akten hin: „Ich verstehe dich nicht, Mitch. Ich wäre an deiner Stelle auf irgendeine Insel geflogen und hätte mir die Sonne auf den Pelz scheinen lassen. Was zur Hölle willst du schon wieder hier?“ Stiles, der nette Kerl, welcher sich verliebt und mit dem schönsten Mann der Welt ein paar Tage auf Wolke Sieben verbracht hatte, war nun wieder Teil der Vergangenheit. Agent Mieczyslaw Stilinski war zurück: „Vielleicht habe ich einfach dein liebliches Gesichtchen vermisst, Malia-Baby?“ scherzte er und schlug den Deckel der Akte auf, welche zuoberst lag, als sei er nie fort gewesen: „Nun werd´ mal nicht komisch, Alter!“ erwiderte Tate auf ihre gewohnt handfeste Art. Dann fügte sie hinzu: „Aber es ist gut, dass du da bist, denn ich muss ohnehin etwas wichtiges mit dir besprechen. Du wirst nämlich demnächst einen neuen Partner zugewiesen bekommen.“ Stilinski horchte auf: „Was? Wieso? Wirst du versetzt? Was hast du ausgefressen.“ Malia lachte auf: „Was ich ausgefressen habe? Ich habe mich mit der falschen Frau eingelassen, das ist alles. Kiras biologische Uhr tickt und sie will nun endlich eine Familie gründen, also adoptieren wir.“ Stilinskis Augen wurden groß: „Du als Mutter?“ fragte er fassungslos: „Wie hat sie dich denn dazu überredet?“ Malia zückte aus ihrer Aktentasche das Foto eines unheimlich süßen Babys japanischer Herkunft und legte es vor ihn hin: „Das hier ist Mitsuko. Meine Frau, diese raffinierte, kleine Füchsin, hat mir dieses Bild von der Adoptionsagentur in einem Moment vorgelegt, in dem ich vermutlich zu allem Ja gesagt hätte, wenn du verstehst, was ich meine? Und ist die kleine Maus nicht wirklich entzückend? Jedenfalls werden wir Mitsuko ab nächstem Monat in Pflege nehmen und wenn alles gut läuft, dann werden wir sie in einem Jahr adoptieren dürfen. Hierfür werde ich ein paar Monate Elternzeit nehmen und mich danach in den Innendienst versetzen lassen. Ein Leben im Schussfeld und die Mutterschaft vertragen sich nämlich nicht gut miteinander.“ „Wow!“ machte Agent Stilinski: „Scheinbar ist es dir richtig ernst? Aber was wird aus deiner Karriere? Ich dachte die sei dir so wichtig?“ Agent Tate grinste: „Ich mag meine Arbeit, aber sie ist nicht mein ganzes Leben, wie bei dir. Ich liebe meine Frau und Kira und dieses Baby sind meine Zukunft. Vielleicht werde ich später noch einmal ehrgeizig, wenn die Kleine größer ist? Oder ich konzentriere mich mehr auf den Profiling-Bereich? Oder ich unterrichte Anwärter? Es wird sich schon etwas finden, was mir gefällt. Aber was immer es auch sei, ich werde am Abend zu meiner Familie heimkehren und das ist es, was wirklich zählt, denkst nicht?“ „Wenn du das sagst“ erwiderte Agent Stilinski, immer noch verblüfft von den großen Neuigkeiten seiner Partnerin. *** Derek schlief gerade auf dem Sofa, als sich wieder einmal Peter unangemeldet Zutritt zu seinem Zuhause verschaffte: „Was zur Hölle ist denn hier los?“ fragte sein Onkel fassungslos und blickte sich mit gerümpfter Nase um: „Hier drinnen riecht´s ja wie in einem Puma-Käfig. Wie lange warst du denn bitteschön nicht mehr draußen?“ „Was willst du hier? Ich bin krank!“ jammerte der Hausbewohner müde und gequält: „Geh´ wieder weg!“ „Das ist echt eklig!“ tadelte Peter, die Worte seines Neffen ignorierend und riss erst einmal überall die Vorhänge und Fenster auf, um Tageslicht und Frischluft herein zu lassen. Dann sammelte er die benutzten, angetrockneten Müslischalen und Take-Away-Verpackungen von mehreren Tagen ein, räumte sie in den Küchenbereich und fuhr fort: „Von wegen krank, Neffe. Du versteckst dich hier. Sag´ mir bitte, dass es nicht wegen dieses Jungen ist! Das wäre echt erbärmlich.“ „Ich sage doch, ich bin einfach bloß krank. Grippe oder so, das ist alles. Und nun verschwinde wieder, damit ich weiterschlafen kann.“ maulte Derek wehleidig. Peter war inzwischen zu ihm zurückgekehrt, blickte prüfend auf ihn hinab und nahm schließlich an seiner Seite Platz: „Na klar, und ich kenne auch den Namen deiner Krankheit. Nur ist das hier ist nicht dasselbe, wie mit einem Schnupfen. Das geht nicht von allein wieder weg. Du musst etwas unternehmen, Junge. Du musst eine Entscheidung treffen.“ Seine Stimme klang zur Abwechslung einmal freundlich und vollkommen ironiefrei. „Ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst Peter, also bitte verschone mich!“ seufzte Derek. Sein Onkel nickte: „Das werde ich, ich nehme nur meine restlichen Koffer mit. Unten wartet ein Taxi auf mich.“ Er erhob sich wieder und griff sich seine Taschen, doch ehe er ging, wendete er sich noch einmal um und sagte: „Aber eines sage ich die: Ich schaue bald wieder nach dir und wenn deine kleine Selbstmitleids-Party dann nicht vorbei ist, rücke ich mit einem Gartenschlauch an!“ „Hau jetzt endlich ab!“ gab Derek mürrisch zurück: Peter lachte und entgegnete auf dem Weg nach draußen: „Mach ich! Man sieht sich, du Loser!“ Dann war er verschwunden. Derek wollte aufstehen und Fenster und Vorhänge wieder schließen, doch dazu war er zu träge. Er zog sich stattdessen einfach seine Decke über den Kopf. *** Irgendwie gingen Agent Stilinski die Neuigkeiten, welche seine Partnerin an seinem ersten Arbeitstag für ihn parat hatte nicht aus dem Kopf. Malia war also wirklich bereit, aus Liebe ihre gesamte Karriere und Lebensplanung über den Haufen zu werfen und ihre Zukunft noch einmal vollkommen neu zu überdenken? Er wusste nicht, ob er selbst zu so etwas imstande wäre. Sicher, er hatte immer gedacht, eines Tages würde er einen Ehemann und vielleicht sogar auch Kinder haben, doch das war stets bloß so etwas wie eine vage Vorstellung gewesen, etwas dass wie durch Zauberhand eines fernen Tages von ganz allein passieren würde. Doch die Jahre gingen ins Land und kein Prinz war in einer Kutsche vorbeigekommen, um ihn in sein Märchenland zu entführen. Und mittlerweile war Stilinski über dreißig, sein Leben verlief in regelmäßigen Bahnen und nichts deutete darauf hin, dass sich jemals grundlegend etwas darin verändern würde. Er würde seine Fälle lösen, in der Karriereleiter weiter aufsteigen und bis ans Ende seiner Tage nachts allein in ein kaltes Bett steigen, wie es aussah. Lediglich Derek hätte vielleicht alles verändern können, doch Stilinski hatte ihn gehen lassen. Er war möglicherweise einfach nicht so mutig, wie Malia, welche bereit war aus Liebe ein Opfer zu bringen? Andererseits war sie doch auch in einer vollkommen anderen Situation, oder etwa nicht. Sie und Kira waren immerhin schon jahrelang ein Paar. Was sie hatten war etwas Echtes, etwas dass sich am Alltag hatte messen müssen und Stand gehalten hatte. Er und Derek hingegen hatten bislang nichts weiter erlebt, als eine schöne Illusion. Es war leicht zu träumen, solange es nichts kostete. *** Isaacs Hand lag in der von Derek, als sie sich im Theater ihre Plätze suchten. Als sie sie gefunden hatten, ließen sie sich nebeneinander nieder und blickten einander an: „Ich hatte fast vergessen, wie schön du bist.“ ließ Derek seinen Sitznachbarn wissen: „Du bist ein Schmeichler.“ gab Isaac lachend zurück und beugte sich zu einem Kuss zu ihm hinüber. Es wurde dunkel im Saal und der Vorhang öffnete sich: „Was ist das eigentlich für ein Stück?“ wollte Derek wissen: „Das ist nicht so wichtig.“ erwiderte Isaac und seltsamerweise gab Derek sich mit dieser Antwort zufrieden. Irgendwie bekam er auch gar nicht so recht mit, was sie auf der Bühne überhaupt abspielte. Er war einfach bloß vollkommen gefangen genommen vom Anblick seines Nachbarn: „Es tut so gut, dich zu sehen.“ erklärte er und es klang irgendwie feierlich und pathetisch: „Ich habe dich so wahnsinnig vermisst!“ „Das tut mir sehr leid, Liebling.“ antwortete Isaac traurig: „Aber du weißt, was du tun musst, oder?“ Derek rieb sich angestrengt die Stirn: „Du weißt, dass ich das nicht kann. Ich könnte so einen Verlust nicht noch einmal überstehen.“ Isaac nahm sanft sein Gesicht in seine Hände: „Du verspürst den Verlust doch längst. Du spürst ihn jeden Tag. Hast du es denn nicht langsam satt?“ Derek nickte traurig: „Du fehlst mir so wahnsinnig.“ ließ er Isaac wissen. „Ich weiß.“ erwiderte Isaac: „Aber jetzt genieß´ einfach die Show, in Ordnung?“ Und da wendete Derek erstmals seine Aufmerksamkeit dem Geschehen auf der Bühne zu, wo ein Bauchredner gerade in ein hitziges Streitgespräch mit der Holzpuppe auf seinem Schoß verstrickt war. Und als er genauer hinschaute erkannte Derek, dass Stiles der Bauchredner war. Und die Puppe auf seinem Schoß hatte große Ähnlichkeit mit seinem Onkel Peter! Als Derek erwachte, hatte er Tränen in den Augenwinkeln, doch er lachte. Er lachte, bis ihm der Bauch wehtat. Was für ein total bescheuerter Traum! Er schwang die Beine über den Rand seiner Couch, um endlich aufzustehen. Er fühlte sich lebendig und voller Tatendrang. Und er hatte einiges zu tun! Kapitel 18: Im Regen -------------------- Der Alltag hatte Agent Stilinski schnell wieder und ebenso rasch stellten sich auch alte Gewohnheiten wieder ein. Beinahe jeden Tag war er der Letzte im Büro und war oft sogar dann noch dort, wenn das Reinigungspersonal bereits seine Runden machte. Aber warum auch nicht, dachte der Agent bei sich. Was erwartete ihn zuhause denn schon? Ein großes, dunkles, leeres Haus und ein Fertiggericht, oder Take-Away-Essen, weil es sich für einen allein nicht lohnte zu kochen. Und anschließend schlief er dann auf dem Sofa vor dem Fernseher ein, weil er es aufgrund der Erinnerungen an die Nacht mit Derek irgendwie nicht mehr fertigbrachte, in sein eigenes Bett zu gehen. Wann immer sich unangenehme Gedanken, oder Gefühle in seinem Inneren zu Wort melden wollten, wehrte er diese ab, indem er noch mehr arbeitete, sich beim Sport bis an seine Grenzen verausgabte, oder sich auf andere Art beschäftigte. Nur nicht stillstehen, bloß niemals zur Ruhe kommen; wenn er sich daran hielt, dann war beinahe alles in bester Ordnung. Nun ja, bis auf seine Träume, denn diese handelten stets von ein und derselben Person. Doch das war schnell vergessen, sobald der neue Tag mit seinen Aufgaben auf ihn wartete. Keine große Sache also, richtig? Es regnete nun bereits seit fast zwei Wochen nonstop, was nicht weiter ungewöhnlich war für San Francisco im November, doch als Agent Stilinski an diesem Abend um halb neun wieder einmal als Letzter das Büro verließ, schüttete es gar wie aus Eimern. Die Straßen glichen aufgrund überforderter Sielleitungen heute eher reißenden Flüssen und Stilinski war froh über seinen Jeep und dessen erhöhte Position, welche es ihm erlaubte, die chaotische Lage trockenen Fußes gut im Blick behalten zu können. Die Straßen waren vergleichsweise leer; kein Wunder bei diesen Witterungsverhältnissen, aber obwohl Stilinski es nicht erwarten konnte nachhause zu kommen und diesem Sauwetter den Rücken zuzukehren, fuhr er dennoch langsam und vorsichtig, denn er war auf seinem Weg bereits an zwei Verkehrsunfällen vorbeigekommen. Er atmete erleichtert auf, als er endlich in seine Straße einbog, parkte den Wagen direkt vor dem Haus und fasste ein wenig Mut, um auszusteigen und sich der Sintflut dort draußen zu stellen. Er zog sich sein Jackett über den Kopf und dann sprintete los, doch obwohl es nur wenig Schritte bis zu seinem Haus waren, war er bereits vollkommen durchnässt, als er die Stufen zu seiner Veranda hinaufstieg. Erst als er in der Jackentasche nach seinem Schlüssel kramte erblickte er jene Person, welche in seiner Hollywoodschaukel saß, die Arme vor der breiten Brust verschränkt, den Kopf gegen die Kälte eingezogen und offensichtlich schlafend: „Derek?“ fragte er ungläubig. Der Kopf des Angesprochenen schreckte hoch und er rappelte sich mit steifen Gliedern auf: „Hey!“ machte der Angesprochene verschlafen und beinahe schüchtern. Der Agent hatte ein Unzahl von Fragen, die er stellen wollte, doch er tat es nicht. Das einzige was er hervorbrachte waren die Worte: „Da bist du ja! Gott sei dank, du bist da!“ ganz so, als habe er mit diesem Besuch gerechnet und als hätten sie sich nicht gerade erst vor kurzem für immer von einander verabschiedet. Dann sprang er auf seinen Besucher zu und sie fielen einander in die Arme. Sie hielten sich eine kleine Ewigkeit lang einfach nur fest, bis der Agent irgendwann feststellte: „Meine Güte Derek, du bist ja klatschnass und eiskalt. Wie lange sitzt du denn schon hier draußen?“ Derek löste die Umarmung, um auf seine Armbanduhr schauen zu können: „Seit etwa fünf Stunden, würde ich sagen.“ gab er schulterzuckend zurück. „Was? Aber wieso hast du denn nicht angerufen, oder so? Willst du dir den Tod holen! Lass´ uns reingehen, damit wir dich wieder aufwärmen können!“ forderte der Hausherr besorgt, schloss die Tür auf und zog seinen Gast hinter sich her ins Haus. Derek ließ es zu, doch er wollte wissen: „Können wir reden, Stiles?“ „Später!“ bestimmte der Agent: „Jetzt wirst du erst einmal versorgt.“ Er nahm seinem Besucher die durchweichte Lederjacke ab und stellte fest: „Du brauchst etwas Trockenes zum Anziehen. Willst du vielleicht erst einmal heiß duschen?“ „Das ist echt nicht nötig.“ behauptete Derek kopfschüttelnd, Stiles zweifelndem Blick zum Trotz, also verschwand dieser nun rasch in seinem Schlafzimmer, um trockene Kleidung für seinen Besuch zu holen. Derek begutachtete die Auswahl an T-Shirts und stellte fest: „Das... passt mir nicht!“ Stiles hielt ein Kleidungsstück hoch, welches zu unterst auf dem Stapel lag, ein T-Shirt mit dicken blauen und orangefarbenen Querstreifen und schlug vor: „Probier doch das hier mal an, es ist größer! Es ist nicht wirklich deine Farbe, aber immerhin ist es trocken.“ Derek nickte und begann damit, sich aus den durchgeweichten Kleidern zu schälen. Stiles wagte einen flüchtigen Blick, doch der Anblick rief unerhörte, ungezogene Erinnerungen in ihm wach, also sagte er schnell: „Ich werde dir erst einmal einen schönen, heißen Tee kochen. Bin gleich wieder da.“ Als der Agent nach einer ganzen Weile zurückkehrte, hatte er nicht nur Tee dabei, sondern überdies ein überreichlich beladenes Tablett auf dem sich eine Schale Suppe, einige Scheiben geröstetes Brot, ein Glas Milch, ein Muffin und mehrere Chocolate-Chip-Kekse befanden. Derek, welcher inzwischen das T-Shirt, eine Trainingshose und eine Sweatjacke von Stiles trug und sich auf das Sofa gesetzt hatte, wollte wissen: „Ist das etwa alles für mich?“ „Das wird dich wieder aufwärmen!“ behauptete der Hausherr. Dann fiel sein Blick auf die nackten Füße seines Gastes und er tadelte: „Ich habe dir doch auch Socken hingelegt. Wieso trägst du die denn nicht?“ „Du meinst diese bunten, die aussehen wie selbst gestrickt? Die kann ich doch nicht anziehen! Wie sieht das denn aus.“ fragte Derek und verzog das Gesicht. Der Agent rollte mit den Augen: „Das ist doch wohl egal, solange sie dich warm halten!“ schimpfte er, stellte das Tablett auf den Tisch und kniete sich vor seinen Besucher, um diesem die Strümpfe überzuziehen: „Was machst du denn da, Stiles?“ fragte dieser überrumpelt: „Nicht doch! Das ist mir peinlich!“ „Ist mir wurscht!“ konterte Agent Stilinski und als er sein Werk vollendet hatte, erhob er sich und wollte wissen: „Und? Ist das nicht viel besser?“ Derek gab ein Knurren von sich, das alles hätte sein können, von Zustimmung und Dank bis hin zu einem `Du kannst mich mal!´. Dann wollte er wissen: „Setzt du dich jetzt endlich zu mir, damit wir sprechen können? Ich sterbe gleich, wenn ich nicht loswerde, was ich zu sagen habe.“ „Gleich.“ versprach Stiles: „Ich ziehe mich nur eben selbst um und schmeiße rasch deine Kleidung in den Trockner. Und du isst inzwischen alles auf, was ich dir hingestellt habe, hörst du?“ „Du bemutterst mich!“ murrte Derek: „Stimmt gar nicht!“ behauptete Stiles grinsend, setzte dem Ganzen die Krone auf, indem er Derek auch noch eine gehäkelte Wolldecke um die Schultern legte und fügte hinzu: „Und nun sei lieb und tu, was die Mama sagt.“ In Dereks Inneren fand ein Kampf statt, welcher an seiner Miene deutlich abzulesen war. Die widerstreitenden Parteien waren zum einen der große, starke Kerl, dem es hochnotpeinlich war, derart verhätschelt zu werden und zum anderen der verfrorene Junge, der dies unwahrscheinlich genoss. Der Junge gewann schließlich die Oberhand und Derek lächelte, dass einem das Herz aufging: „Du bist ein Spinner!“ gab er gutmütig zurück. Stiles erwiderte das Lächeln, streichelte seinem Gast sanft durch das feuchte Haar und versicherte: „Ich bin gleich wieder da.“ Derek machte sich, wie ihm geheißen, über Tee, Suppe und Süßigkeiten her und ließ dabei die Behaglichkeit von Stiles zuhause auf sich wirken, was ein übriges dafür tat, dass die Wärme Stück für Stück in seinen Körper zurückkehrte. Er hatte seine Mahlzeit gerade beendet, als Stiles zu ihm zurückkehrte, sich an seine Seite setzte und forderte: „Also gut, lass´ uns reden!“ Derek atmete erleichtert auf und wollte soeben dazu ansetzen, seinen Text abzuspulen, den er im Geiste schon mindestens tausendfach ausgesprochen, verändert, Teile verworfen und sich dann erneut vorgesagt hatte, da kam ihm Stiles zuvor, indem er erklärte: „Weißt du was? Ich fange an!“ Und ehe Derek widersprechen konnte, war Stiles auch schon mittendrin in seiner Rede: „Derek, ich kann dir gar nicht sagen, wie unglaublich glücklich ich bin, dass du heute zu mir gekommen bist. Seit wir uns voneinander verabschiedet haben, habe ich mich gefühlt, als würde die Hälfte von mir fehlen. Ich weiß dass es verrückt ist, denn immerhin kennen wir uns erst so kurze Zeit, aber ich denke ich liebe dich! Vergiss´ alles, was ich zuvor gesagt habe. Ich bin zu jedem Kompromiss bereit, wenn wir einfach nur zusammen sein können. Ich kann mich intern versetzen lassen in einen Bereich, der weniger gefährlich ist. Und mit deiner Arbeit komme ich schon irgendwie klar. Vielleicht können wir ein paar Regeln vereinbaren, wie zum Beispiel, dass du mir nichts darüber erzählst, mit wem du es tust und dass du außer mir keinen anderen küsst, oder so und dann wird es schon irgendwie gehen. Ich will einfach nicht nicht mehr ohne dich sein, in Ordnung?“ Stiles konnte den Blick, welcher in diesem Augenblick auf Dereks Gesicht erschien nicht deuten und dann sagte dieser auch noch: „Nein Stiles! Nein so... so will ich das nicht!“ Stiles erblasste. Mit dieser Reaktion hatte er nicht gerechnet und sein Mund, wie so oft schneller als sein Verstand, begann nun einfach drauflos zu plappern: „Fuck, ich habe das alles vollkommen falsch verstanden, richtig? Du bist gar nicht hier, weil du mit mir zusammen sein willst? Mein Gott, ich bin ein totaler Volltrottel, mache mich hier lächerlich, spreche von Liebe nach so kurzer Zeit. Das ist mir so peinlich! Ich hätte dich einfach sagen lassen sollen, weswegen du gekommen bist, anstatt mich hier vollkommen zum Affen zu machen.“ Und weil Stiles einfach nicht die Klappe halten wollte, nicht einmal um Luft zu holen, fiel Derek nur eine letzte Methode ein um ihn endlich zum Schweigen zu bringen und dann vielleicht endlich auch einmal zu Wort zu kommen: Er zog ihn an sich und küsste ihn! Erst erstarrte Stiles, dann erst realisierte er, was gerade geschah, entspannte sich wieder ein wenig und erwiderte den Kuss und die Umarmung. Als sie sich irgendwann wieder von einander lösten, zögerte Derek nicht lange, sondern ergriff das Wort, ehe Stiles die Chance dazu hatte: „Okay, hör´ mir zu, Stiles!“ forderte er: „Die Dinge die du mir angeboten hast sind lieb und großzügig, aber das wird nicht funktionieren. Erstens: Du liebst deine Arbeit und ich bin überzeugt, dass du verdammt gut in dem bist, was du tust, also solltest du damit weitermachen. Und Zweitens: Selbst wenn du versuchen würdest mit meiner Arbeit klarzukommen, würde es dir dennoch zwangsläufig früher oder später wehtun und ich kann das auch gut verstehen, denn mir würde es umgekehrt genauso gehen.“ Derek griff neben sich nach einer ledernen Mappe im Din-A-4-Format, von der Stiles erst jetzt bemerkte, dass sein Gast sie bereits die ganze Zeit bei sich gehabt hatte. Derek zog deren Reißverschluss auf und holte einige Dokumente hervor: „Du sagst du liebst mich, Stiles. Nun... ich liebe dich auch! Es macht mir eine Scheißangst, aber ich liebe dich! Ich will mit dir zusammen sein und um dir zu beweisen, dass es mir damit ernst ist, habe ich einiges unternommen.“ Derek drückte Stiles ein erstes Schriftstück in die Hand: „Das ist meine Kündigung bei `The Boyfriend-Experience´ mit sofortiger Wirkung. Und dies hier...“ ein weiteres Blatt Papier wechselte von Dereks in Stiles Hand: „... ist ein Vertrag bei meiner alten Modelagentur. Ich werde wieder Fotos machen, so wie früher, aber keine Nacktbilder, falls dir das Sorge bereitet, das habe ich vertraglich geregelt. Und es ist auch nur eine vorübergehende Anstellung, denn ich werde mich zum Personal-Trainer ausbilden lassen und mich dann als solcher selbstständig machen. Und was es die Gefahren deines Jobs und meine Verlustängste angeht, werde ich mich bei einem Psychotherapeuten in Behandlung begeben. Ich denke, er ist sehr gut. Ich hatte bereits ein Vorgespräch mit ihm.“ erklärte Derek und übergab dann mehrere zusammengeheftete Seiten mit dem Briefkopf eines Arztes an Stiles: „Außerdem habe ich mich von meinem Hausarzt gründlich auf jegliche Arten sexuell übertragbarer Krankheiten untersuchen lassen. Wie du hier nachlesen kannst, bin sauber. Es war mir wichtig, das vorab zu klären, wenn du und ich einen Neuanfang machen wollen. Du sollst dich absolut sicher fühlen.“ Stiles blickte Derek ungläubig an. Es dauerte einen Moment, ehe er seine Stimme wiederfand: „Das ist der Wahnsinn! Das hast du alles für MICH getan?“ „Für uns.“ verbesserte Derek: „Ich habe das für uns getan.“ „Oh Mann, ich liebe dich!“ erklärte der Agent überwältigt, kroch auf den Schoß seines Gastes, schlang die Arme um diesen und vergrub sein Gesicht an dessen Hals. Er spürte, wie sich mit einem Mal großer Friede in ihm ausbreitete. Innerlich verabschiedete er sich von Tiefkühlpizza, Überstunden und Einsamkeit. Er verabschiedete sich auch davon Mieczyslaw `Mitch´ Stilinski zu sein. Von jetzt an gab es nur noch Stiles. Und Stiles hatte endlich die Liebe gefunden. Kapitel 19: Familiy Men ----------------------- Das Erste was Stiles an diesem Morgen erblickte, als er die Augen öffnete war etwas, dass ihn lächeln ließ. Es waren die ineinander verschlungenen Finger von ihm und Derek, welcher ihn von hinten umfasst hielt, mit ihren schlichten, rotgoldenen Verlobungsringen daran. Vor einer Woche war ihr erster Jahrestag gewesen und da hatte Derek ihn gefragt, ob er sein Mann werden wollte. Stiles hatte keine Sekunden darüber nachdenken müssen, er hatte augenblicklich Ja gesagt. Das einzige was ihnen jetzt noch fehlte war ein Datum für die Trauung, doch sie hatten keine Eile damit, denn ein ganzes Leben lag noch vor ihnen, das wussten sie auch ohne einen Trauschein. Ohne sich zu bewegen, um Derek noch nicht zu wecken, ließ er seinen Blick weiter schweifen. In Dereks sonst so geordnetem, minimalistischem Apartment herrschte gerade das reinste Chaos. Überall standen beschriftete Kisten und Kartons herum, in welchen sich Dereks gesamte Habe befand, denn heute war endlich der große Tag gekommen und Derek würde zu ihm ins Haus ziehen. Stiles hatte hierfür in den letzten Wochen wie ein Besessener ausgemistet, umdekoriert und Platz geschaffen, um seinem Geliebten zu zeigen, dass es ihm wirklich ernst damit war und das sein Zuhause zukünftig ihrer beider Zuhause sein sollte. Und Derek hatte seinerseits darauf bestanden, mit dem Erlös aus dem Verkauf seines Apartments den Rest des Kredits für Stiles Haus zu tilgen, an welchem dieser ansonsten noch Jahrelang hätte abzahlen müssen. Nachdem Stiles in etwa eintausend Mal versichert hatte, dass dies nicht nötig sei, dass Derek das Geld besser in seine Selbstständigkeit investieren solle und dass es dennoch ihr gemeinsames Zuhause sein würde, hatte Derek ihm zum eintausendundundeinsten Mal erklärt, dass er es aber so wolle, dass es wichtig für ihn sei, etwas beizutragen, weil sich das in einer gleichberechtigten Beziehung eben so gehöre und er niemandes Sugarbaby sei, nein niemals wieder! Da hatte Stiles es schließlich begriffen und hatte nachgegeben. Sie hatten dann auch gleich den Grundbucheintrag geändert und nun waren sie gemeinsame Hausbesitzer. „Bist du wach?“ ertönte hinter Stiles die vom Schlafen kratzige Stimme Dereks. „Ja, bin ich.“ bestätigte sein Freund: „Wie spät ist es?“ wollte Derek wissen: „Gleich neun.“ teilte Stiles nach kurzem Blick auf den Radiowecker mit. „Noch ein paar Stunden, ehe Peter kommt.“ stellte sein Verlobter fest: „Meinst du es war ein Fehler, meinen Onkel das Speditionsunternehmen aussuchen und den Umzug beaufsichtigen zu lassen?“ „Wie meinst du das? Was könnte denn wohl dabei schiefgehen?“ fragte Stiles ratlos: „Keine Ahnung, aber bei Peter ist doch stets alles möglich. Vielleicht gab es ein Sonderangebot und er hat einen Umzugstrupp geordert, wo jeder bloß finnisch spricht und durch ein sprachliches Missverständnis wird mein gesamter irdischer Besitz nach Timbuktu oder Grönland verschifft? Oder er hat schlicht den Termin vergessen, weil er betrunken und vollgekokst nach einer wilden Orgie in irgendeinem fremden Bett in einem Meer nackter Leiber seinen Rausch ausschläft. Ich habe ganz einfach ein mieses Gefühl.“ murrte Derek: „Entspann´ dich, Baby!“ forderte sein Geliebter: „Es wird schon alles gut gehen. Ich fand es richtig nett von Peter anzubieten, uns zu unterstützen. Für mich fühlt es sich beinahe wie so etwas wie ein väterlicher, beziehungsweise in diesem Fall `onkelicher´ Segen für unser gemeinsames Leben an. Und immerhin haben wir heute ja noch einen anderen wichtigen Termin und hätten gar nicht beides an einem Tag geschafft. Es erspart uns eine Menge Stress, also mach´ dir keine Sorgen und freu´ dich einfach, Baby!.“ „Das macht mich ja so misstrauisch. Ein Peter Hale, der freiwillig seine Hilfe anbietet? Da wird man doch stutzig!“ gab Derek griesgrämig zurück. Stiles drehte sich zu ihm herum, gab ihm einen Kuss und antwortete grinsend: „Du bist auch nur dann zufrieden, wenn du dir um irgendetwas Sorgen machen kannst, oder Liebling? Aber heute wird ein schöner Tag. Alles wird gutgehen.“ „Das weißt du gar nicht.“ erwiderte der Größere maulend: „Doch das weiß ich!“ versicherte Stiles großspurig: „Heute feiert Mitsuko ihren zweiten Geburtsag und die himmlischen Heerscharen und Götter, ganz gleich ob Gaia, Odin, Jehova, Krishna oder Zeus, würden es nicht wagen am Ehrentag meines Patenkindes irgendwelche Katastrophen passieren zu lassen. Sie wissen, sie würden meinen Zorn zu spüren bekommen. Beweisführung abgeschlossen!“ Derek schüttelte gutmütig den Kopf: „Du bist ein Quatschkopf, weißt du das?“ „Bin ich gar nicht.“ stellte Stiles klar: „Ich bin süß und unwiderstehlich! Und du und ich müssen uns noch angemessen von diesem Apartment verabschieden, ehe der Wecker klingelt, findest du nicht?“ Derek hinter ihm lachte und erinnerte ihn: „Das haben wir doch bereits vergangene Nacht. Drei Mal, weißt du noch?“ „Nein, da klingelt nichts?“ behauptete Stiles schelmisch: „Was genau soll denn da passiert sein.“ „Du kleiner Frechdachs! Multipler Orgasmus, das waren deine atemlosen Worte in mein Ohr letzte Nacht.“ schimpfte Derek scherzhaft, brachte sich über seinen Geliebten, packte dessen Handgelenke über dessen Kopf und drängte seinen Unterleib gegen den von Stiles: „Hat das wirklich so wenig Eindruck auf dich gemacht?“ Stiles grinste verschmitzt und gab zu: „Ja warte... ich habe das Gefühl, bestimmte Körperregionen erinnern sich wieder daran.“ „Gut so!“ erwiderte Derek mit einem wohligen kleinen Knurren. Und so kam es, dass sich das Paar ein weiteres Mal vom Bett in Dereks Apartment verabschiedete. Und von der geräumigen Dusche. Und dann noch einmal vom Küchentresen, an welchen sie sich während eines weiteren Liebesaktes lehnten, ihre ursprüngliche Absicht vergessend, sich Bagels für´s Frühstück aufzubacken, welche daraufhin im Toastofen verbrannten. Und das war auch der Grund, warum Derek, um pünktlich zu Mitsukos Geburtstag zu erscheinen, das Gaspedal seines Wagens tief herunter trat. Und um ein Haar übersah er dabei den Lastwagen, welcher ihren Weg kreuzte und die Vorfahrt vor ihnen hatte. Dereks Camaro kam in letzter Sekunde mit quietschenden Reifen zum Stehen, die beiden Männer wurden, gebremst von ihren Gurten, in ihren Sitzen nach vorn geschleudert und der Lastwagenfahrer ließ ein wütendes, langgezogenes Hupen ertönen, als er an ihnen vorüber brauste. „Fuck!“ schnappte Stiles, nachdem er endlich seine Stimme wiedergefunden hatte und blickte hinüber zu Derek, welcher aschfahl mit glasigem Blick auf die Straße vor sich starrte. „Hey Babe, wir können hier nicht einfach stehenbleiben. Kannst du fahren?“ erkundigte er sich sanft und legte eine Hand auf den Arm seines Geliebten: „Da vorne ist ein Diner. Bring´ uns auf den Parkplatz, damit wir uns erst einmal von dem Schreck erholen können, in Ordnung?“ Derek nickte mechanisch und befolgte die Anweisung. Sie stiegen mit zittrigen Knien aus dem Wagen und standen zunächst einmal einfach bloß unschlüssig vor einander, bis Derek schließlich hervorpresste: „Verdammt, ich hätte uns um ein Haar umgebracht. Ich wusste es, ich bringe allen Menschen die ich liebe Unglück!“ Stiles zog ihn an sich, hielt ihn so fest er konnte und flüsterte in sein Ohr: „Wir leben aber noch, Liebling. Es ist alles gut gegangen. Du hast toll reagiert!“ „Aber...“ wollte Derek einwenden, doch Stiles beharrte: „Alles ist gut. Uns ist nichts geschehen. Ich will, dass du das jetzt realisierst!“ Er ergriff die Hände seines Partners und führte sie über seinen eigenen Leib: „Siehst du? An mir ist noch alles dran!“ Derek nickte und holte tief Luft, weil er erst jetzt registrierte, dass er sie die ganze Zeit mehr oder weniger angehalten hatte: „Ja, du hast Recht.“ bestätigte er schließlich. Stiles küsste die Stirn, die Augen, die Nase und die Lippen seines Liebhabers und erklärte dann: „Und wer Recht hat, gibt einen aus, richtig? Komm´ ich spendiere uns Kaffee und ein kleines Frühstück. Dann kommen wir eben ein paar Minuten später, aber essen wenigstens nicht Geburtstagstorte als erste Mahlzeit des Tages.“ Er nahm ihn bei der Hand und zog ihn hinter sich her in das Diner: „Wir brauchen etwas im Magen und dann sieht die Welt schon wieder ganz anders aus.“ Derek glaubte es zunächst nicht wirklich daran, dass ihm das helfen könnte, doch in der Tat gaben ihm zwei Spiegeleier mit Toast und ein großer Becher Milchkaffee seine Bodenhaftung zurück. Und es half auch, dass Stiles zwischen den Bissen die ganze Zeit seine Hand hielt. Es war ihm sogar möglich, sich selbst wieder ans Steuer zu setzen, als sie ihren Weg fortsetzten. Mitsukos zweiter Geburtstag wurde in einem Park auf einer großen Wiese gefeiert und erfreulicherweise war das Wetter voll und ganz auf der Seite des kleinen Mädchens. Bei angenehmen fünfundzwanzig Grad lachte die Sonne vom Himmel und schneeweiße Schäfchenwolken wie aus einem Bilderbuch trieben friedlich dahin. Derek und Stiles hatten es nicht schwer, die Partygesellschaft zu finden, denn die Hüpfburg, welche die Gestalt eines überdimensionalen, goldgelben Teddybärs hatte, sowie ein Meer aus bunten Luftballons dienten als prominente Hinweisgeber. Die Feier war bereits in vollem Gange und das Paar machte als erstes einmal die beiden Mütter des Geburtstagskindes ausfindig. Doch während Kira ihrer Freude über ihre Ankunft Ausdruck verlieh, indem sie sie begrüßte und herzlich umarmte, kam von Malia lediglich ein verschnupftes: „Da seid ihr ja endlich! Und ich dachte schon ihr zwei Pfeifen hättet es vergessen.“ Stiles nahm es mit Humor und erwiderte grinsend: „Sei froh, dass wir überhaupt hier sind. Um ein Haar hätte uns ein Lastwagen platt gemacht.“ Derek zuckte ein wenig zusammen bei der Erinnerung und Malia fragte ein wenig kleinlaut: „Shit! Seid ihr in Ordnung?“ „Wir haben Glück gehabt.“ bestätigte Stiles und ehe sie weitersprechen konnten, wurden sie vom Geburtstagskind höchstpersönlich unterbrochen, welches gerade ihren Lieblings-Patenonkel erblickt hatte und mit einem schrillen „S-ssiles!“ auf sie zugeflitzt kam. Stiles ging lächelnd vor ihr in die Knie und öffnete die Arme, in welche sie die Kleine ungebremst vertrauensvoll stürzte: „Hallo Geburtstagsmädchen!“ begrüßte er sie freundlich und knuddelte und küsste sie ausgiebig: „Du siehst aber besonders hübsch aus heute.“ Das Mädchen nickte dazu, denn sie war offensichtlich derselben Meinung. Ihre Moms hatten ihr ein rosageblümtes Sommerkleid und Riemchenlackschuhe in derselben Farbe angezogen und ihr feines, schwarzes Kleinkindhaar mit bunten Bändern zu vielen kleinen Zöpfchen friesiert, welche lustig in alle Richtungen von ihrem Kopf abstanden. „Suki Burtstag!“ betonte sie noch einmal das Offensichtliche. „Ja, ich weiß, Engelchen.“ versicherte ihr Onkel: „Wo Gessenke?“ war ihre nächste Frage. Stiles grinste breit, denn nun kam Dereks große Stunde. Mitsuko hatte nämlich noch immer eine gewisse Skepsis gegen den großen, muskulösen, bärtigen, anderen Onkel mit den dichten Augenbrauen, weshalb Stiles entschieden hatte, dass Derek der Geschenkeüberbringer sein müsse, damit das Kind ihn mit etwas Positivem in Verbindung brächte. Bei der Auswahl des Geschenks hatte Onkel Stiles zunächst die beiden Mamis eingehend befragt, was dem Geburtstagskind Freude machen könnte und diese teilten mit, dass Mitsuko gerade großes Interesse am Klogang mit gleichzeitiger Skepsis gegenüber ihren Windeln entwickelte, welcher sie sich dann auch sofort entledigte, sobald niemand hinsah. Und so fiel die Wahl auf eine Puppe, welcher man oben Wasser einflössen konnte, welches dann unten wieder herauslief. Mit zu diesem Geschenk gehörte ein Satz Puppenwindeln und ein passendes Töpfchen, auf welches man sie setzen konnte. Derek übergab dem Kind das Präsent und dieses rupfte ungeduldig das bunte Geschenkpapier herunter. Als ein großer, sperriger Karton darunter zum Vorschein kam, blickte die Kleine mit einer Mischung aus Enttäuschung und Empörung zum großen, düsteren Onkel hinauf, als wolle sie sagen `Soll das ein Witz sein? Bloß ein blöder Karton?´ „Warte, ich zeige es dir.“ versprach Derek, hockte sich neben das Mädchen ins Gras, öffnete den Karton und holte den Inhalt hervor. Dann setzte er die Puppe auf das Töpfchen und ließ mit einem Fläschchen Wasser in ihren Mund laufen. Als eben dieses Wasser durchlief und in das Töpfchen plätscherte, stieß Mitsuko einen schrillen Schrei des Entzückens aus: „Baby Pipi macht!“ rief sie begeistert, entriss Derek das Fläschchen, probierte es selbst wieder und wieder aus, beobachtete fasziniert den Ausscheidungsvorgang ihrer neuen kleinen Freundin und entschied schließlich, dass ihr unbedingt eine Windel anzulegen sei. Stiles beobachtete es amüsiert und beglückwünschte sich innerlich zu seiner Geschenkeauswahl. Doch alsbald beschlich beschlich ihn das Gefühl, der Trick Dereks Ansehen bei Mutsuko zu steigern, indem er ihn das Geschenk übergeben ließ, funktionierte ein wenig zu gut, denn nachdem das Kind genug mit ihrer neuen Puppe gespielt hatte, forderte sie Derek energisch auf: „Du! Tomm´ mit Suki! Suki hat Sweine. Tomm´ guck´ Sweine mit Suki!“ sie erhob sich schnappte sich Dereks riesige Hand und versuchte ihn hinter sich herzuziehen. „Ich komme ja schon.“ versprach Derek und erhob sich von der Erde, dem Kind zu folgen. Der coole Patenonkel Stiles, an den keine derartige Einladung ergangen war, entschied sich dennoch leicht verschnupft mit ihnen zu gehen. Und schnell sollte sich zeigen, was es mit den Schweinen auf sich hatte. Mitsukos Mütter hatten sich für den Geburtstag ihrer Kleinen wirklich ins Zeug gelegt und hatten auch einen kleinen Streichelzoo engagiert. Es gab drei muntere Ziegen, die über Tisch und Bänke sprangen, ein halbes Dutzend geduldiger Kaninchen, die sich artig von unzähligen Kinderhänden kraulen und dick und rund füttern ließen und überdies eben auch Schweine, oder um präzise zu sein, vier Hängebauchschweine und diese waren ganz offensichtlich die entspanntesten Kreaturen auf Gottes grüner Erde. Sie faulenzten in der Sonne und ließen sich von absolut nichts in ihrer Ruhe stören. Auch als Mitsuko sich halb auf eines von ihnen legte, die Ärmchen darum schlang und versicherte: „Du biss Freund mit Suki!“, nötigte dieses dem Tier bloß ein angedeutetes Heben des Kopfes und ein zufriedenes Grunzen ab. Dieser Kindergeburtstag ließ keine Wünsche für ein kleines Mädchen übrig. Alle von Mitsukos kleinen Freunden waren eingeladen, es gab eine knartschbunte, wundervolle Torte, die beinahe so groß war wie das Geburtstagskind selbst, ein abwechslungsreiches Büffet, einen Stand wo die kleinen Gäste sich schminken lassen konnten und sogar ein kleines Karussell. Mitsuko war selig und Stiles fragte sich, wie ihre Mütter diese Materialschlacht wohl bei den Geburtstagen die noch kommen würden toppen wollten? Doch er konnte sehr gut verstehen, was Kira und Malia dazu gebracht hatte, hier ein wenig über das Ziel hinauszuschießen. Mitsuko war ein echtes Wunschkind und dass sie sie nun bei sich hatten, musste den beiden Frauen sicher wie ein Wunder vorkommen. Stiles hätte es vermutlich genau so gemacht. Falls er jemals in diese Lage käme? Der Tag verging wie im Flug. Nachdem Ziegen, Kaninchen und Schweine ausgiebig gestreichelt worden waren, Stiles sich ein riesiges Stück Geburtstagskuchen einverleibt und dem figurbewussten Derek zumindest den ein oder anderen Bissen davon aufgenötigt hatte, sie beide mit dem Geburtstagskind die Hüpfburg ausprobiert hatten; etwas wozu man Derek zuvor ein wenig hatte überreden müssen und Stiles sich mit seiner Patentochter dieselben Herzchen ins Gesicht hatte malen lassen; etwas wozu man Derek bei aller Liebe NICHT hatte überreden können, hieß es für die beiden Männer schließlich Abschied nehmen. Im Auto blickte Derek seinen Geliebten mit einem liebevollen Kopfschütteln und einem zärtlichen Lächeln an und fragte ihn, auf seine Kriegsbemalung deutend: „Sag mal, willst du das so lassen?“ Stiles klappte sich den Schminkspiegel herunter, betrachtete sich und urteilte: „Also ich finde mich total hübsch.“ „Ja, das bist du.“ bestätigte Derek grinsend, zog Stiles Kopf zu einem Kuss zu sich heran und zückte dann sein Handy, um ein Foto von ihm zu machen: „Ich liebe dich, Kindskopf!“ „Ich dich auch, Grumpycat.“ versicherte Stiles: „Und nun lass´ uns fahren. Unser Nest wartet auf uns.“ „Hoffentlich hat alles geklappt.“ stöhnte Derek, mit einem Mal wieder besorgt. Er atmete ein wenig auf, als sie eintrafen und er den Umzugswagen mit seinen Sachen vor ihrem Haus stehen sahen. Als er jedoch zwei muskulöse Jungs in abgeschnittenen Jeans, oben ohne und mit vor Schweiß glänzenden rasierten Brustmuskeln auf den Verandastufen hocken und Limonade schlürfen sah, zogen sich seine dichten Augenbrauen ärgerlich zusammen und er stapfte, laut Peters Namen brüllend auf die Haustür zu. Derek fand seinen Onkel in der Küche mit einem Kerl in Tanktop und zerrissener Jeans vom Typ `Boytoy´, mindestens fünfzehn Jahre jünger als Peter selbst, wie sie miteinander flirteten und schwatzten: „Was zur Hölle ist denn hier los?“ fuhr er seinen Onkel an. Peter blickte ihn verständnislos an: „Na was denkst du wohl, was hier los ist. Diese netten Jungs schleppen deine Sachen in euer Haus. Du ziehst nämlich hier ein, hast du das etwa vergessen? Was ist das, etwa so etwas wie hysterische Verdrängung? Du kriegst doch jetzt wohl keine kalten Füße, oder? Das kannst du dem süßen kleinen Stiles nämlich nicht antun! Aus irgendeinem, mir unbegreiflichem Grund will er nämlich sein Leben mit dir teilen.“ „Was?“ knurrte Derek: „Wovon redest du, Mann? Ich spreche von diesen Typen in meinem Haus. HAST DU ETWA STRIPPER FÜR UNSEREN UMZUG ENGAGIERT?“ „Wie bitte?“ fragte Peter unschuldig: „Natürlich habe ich das nicht getan. Diese freundlichen Herren sind fleißige, redliche Säulen der Gesellschaft; Steuerzahler, Familienmenschen, Patrioten... Das hier zum Beispiel ist Brett. Er hat mir gerade erzählt, dass er nebenbei Yoga unterrichtet und Medizin studiert. Ist das nichts?“ „Öhm... ich... ich mache eine Krankenpflegeausbildung.“ gab Eyecandy-Brett mit verunsichertem Blick auf Derek zurück: „Ach, das ist doch fast dasselbe, Schätzchen!“ behauptete Peter zwinkernd. An Derek gerichtet fügte er hinzu: „Und der gute Brett hat außerdem ein Eightpack! Ist das nicht nett?“ Dereks Onkel fuhr mit den Fingerspitzen anzüglich ebenjenes Eightpack nach,bis knapp oberhalb der Scham und der Jüngere kichterte: „Ja, klar Peter, das ist spitzenmäßig. Und wieso zum Teufel arbeitet hier niemand?“ schimpfte Derek ungehalten: „Weil wir Pause machen. Schau doch wie fertig und verschwitzt der Süße hier ist.“ Peter schnupperte wie ein Raubtier auf Beutezug an dem verschwitzten Jüngling, was diesen erneut zum Kichern brauchte. Derek schüttelte sich angewidert, doch Stiles beobachtete die ganze Szene amüsiert aus dem Hintergrund: „Also gut, frage dich noch einmal.“ sagte Peters Neffe, offensichtlich darum ringend, nicht vollständig die Geduld zu verlieren: „Wo hast du diese Typen gefunden?“ „Na im Telefonbuch unter Umzugsunternehmen, was hast du denn gedacht?“ ließ Peter ihn wissen: „Telefonbuch? Was für ein Telefonbuch soll das denn gewesen sein? Etwa dein kleines schwarzes, wo du deine ganzen schnellen Nummern einträgst, oder wie?“ bellte Derek. Peter lachte: „Das wäre natürlich auch eine Möglichkeit gewesen, aber nein, ich habe sie aus den den San-Francisco-Rosa-Seiten. Ihr Motto lautet: `Wir bringen´s im Schlafzimmer´. Nett, oder nicht?“ „Wir bringen´s dir bis ins Schlafzimmer.“ korrigierte Eight-Pack-Brett hüstelnd: „Wie auch immer.“ erwiderte Peter mit einer wegwerfenden Handbewegung: „Ich finde, ich habe eine sehr gute Wahl getroffen. Immerhin unterstützen wir damit unsere Community, richtig? Außerdem konnte ich es nicht riskieren, dass ich es mit einem Haufen übergewichtiger Flegel mit Schweißrändern unterm Arm, behaarten Rücken und bleichen, teigigen Bauarbeiter-Dekoltees zu tun bekomme. Ich habe nämlich einen sehr empfindlichen Magen.“ Derek reckte seine Händen gen Himmel und gab einen verzweifelten Laut von sich und Brett ließ Peter wissen: „Also bei mir musst du da keine Sorge haben. Ich gönne mir regelmäßig ein All-Over-Brazilian-Waxing. Außerdem habe ich mich an all´ den wichtigen Stellen bleachen lassen. Also solltest du nicht vergessen, dir nachher meine Nummer zu holen. Du weißt schon, für dein schwarzes Büchlein. Aber jetzt werde ich wohl erst einmal weiterarbeiten, was?“ „Nein, das werde ich auf keinen Fall versäumen, Süßer.“ gab Dereks Onkel zurück und gab dem jungen Mann einen aufmunternden, kleinen Klaps auf sein strammes Hinterteil, was diesen ein drittes Mal zum Kichern veranlasste. „Ich könnte den Kerl umbringen!“ teilte Derek Stiles mit, doch dieser blickte sich kichernd nach Brett und seinen gut gebauten Kollegen um und riet ihm: „Du solltest dich entspannen, Baby. Alles ist in bester Ordnung. Dein Zeug ist scheinbar vollzählig und unbeschadet hier angekommen und wir haben auch noch etwas Nettes zum gucken. Das ist doch toll.“ „So, so, reiche ich dir also nicht mehr zum angucken, ja?“ murrte Derek unzufrieden. Stiles stellte sich auf die Zehen, gab ihm einen Kuss und ließ ihn dann wissen: „Du redest Bullshit, Geliebter!“ An der Hand zog er Derek mit sich hinüber zum Sofa, wo sich Peter bereits feist und bequem niedergelassen hatte, um den Rest der Show zu genießen. Stiles tat dasselbe, während sich Derek mit vor der Brust verschränkten Armen neben ihn setzte und ganz bezaubernd schmollte. Als der Lieferwagen geleert und Dereks, in Kisten und Kartons verpacktes Zeug, irgendwo auf der Treppe, im Flur und im Wohnzimmer abgestellt war, verabschiedeten sich die muskulösen Möbelspediteure und auch Peter erklärte: „Ehe ihr mich noch fragt, ob ich euch helfe, das Chaos hier zu beseitigen, verziehe ich mich wohl besser. Es war mir wie immer ein Vergnügen. Ciao, ihr Loser!“ Er deutete eine Verbeugung an und drehte sich auf dem Absatz um. Im Hinausgehen hörten Derek und Stiles dann, wie er weiter am süßen Brett herum baggerte: „Sag mal, hast du jetzt eigentlich Feierabend, Süßer?“ „Habe ich.“ bestätigte Brett: „Aber ich muss unbedingt erst einmal Duschen.“ „So ein Zufall!“ hörten sie Peter schnurren: „In meinem Apartment gibt es eine Dusche. Und weil ich ein hilfsbereiter Typ bin, könnte ich dir dabei helfen, die schwer erreichbaren Stellen gründlich zu schrubben. Was sagst du dazu?“ „Ich sage, das klingt sehr verlockend.“ bestätigte Brett. „Dieser kleine Perverse!“ knurrte Derek, marschierte hinüber zur Haustür, ließ diese krachend ins Schloss fallen und sank dann mit einem geseufzten: „Endlich allein!“ von innen dagegen. Stiles war ihm gefolgt, schlang die Arme fest um ihn und erklärte feierlich: „Willkommen zuhause, Baby!“ Und da traf Derek mit einem Mal die Erkenntnis: Es entsprach der Wahrheit, er war endlich angekommen. Dies hier war sein Zuhause! Ein großer Frieden überkam ihn. Sie lösten sich nach einer Weile wieder von einander, denn es wurde Zeit das ganze Zeug in die entsprechenden Räume des Haus zu schaffen. Zum Glück hatte Derek in seinem Ordnungszwang alle Kartons akribisch genau beschriftet, so dass immerhin kein langes Kramen, Suchen und Identifizieren notwendig war. Sie waren bereits beinahe fertig, Derek brachte gerade einen Karton mit der Aufschrift `Büro´ in den kleinen, für Dereks Selbstständigkeit von Stiles eigens freigeräumten Raum neben ihrem Schlafzimmer, als er unvermittelt auf dessen Türschwelle stehenblieb und nachdenklich vor sich hin starrte. Als Stiles ihn einen Augenblick später so erblickte, wollte er wissen: „Was ist denn mit dir? Dir kommen doch nicht etwa Zweifel, oder etwa doch?“ Derek kehrte aus seinen Gedanken zurück, wandte ihm den Kopf zu und erwiderte lächelnd: „Ach Unsinn, ganz und gar nicht. Ich habe nur gerade gedacht, dies hier wäre eigentlich der perfekte Raum für ein Kinderzimmer.“ Stiles Miene zeigte komplette Überraschung, welche sich nur einen Augenblick später in das strahlendste Lächeln verwandelte, welches Derek je an ihm gesehen hatte: „Ja, du hast Recht.“ bestätigte Stiles: „Das wäre wirklich perfekt!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)