The Boyfriend Experience von GingerSnaps ================================================================================ Kapitel 18: Im Regen -------------------- Der Alltag hatte Agent Stilinski schnell wieder und ebenso rasch stellten sich auch alte Gewohnheiten wieder ein. Beinahe jeden Tag war er der Letzte im Büro und war oft sogar dann noch dort, wenn das Reinigungspersonal bereits seine Runden machte. Aber warum auch nicht, dachte der Agent bei sich. Was erwartete ihn zuhause denn schon? Ein großes, dunkles, leeres Haus und ein Fertiggericht, oder Take-Away-Essen, weil es sich für einen allein nicht lohnte zu kochen. Und anschließend schlief er dann auf dem Sofa vor dem Fernseher ein, weil er es aufgrund der Erinnerungen an die Nacht mit Derek irgendwie nicht mehr fertigbrachte, in sein eigenes Bett zu gehen. Wann immer sich unangenehme Gedanken, oder Gefühle in seinem Inneren zu Wort melden wollten, wehrte er diese ab, indem er noch mehr arbeitete, sich beim Sport bis an seine Grenzen verausgabte, oder sich auf andere Art beschäftigte. Nur nicht stillstehen, bloß niemals zur Ruhe kommen; wenn er sich daran hielt, dann war beinahe alles in bester Ordnung. Nun ja, bis auf seine Träume, denn diese handelten stets von ein und derselben Person. Doch das war schnell vergessen, sobald der neue Tag mit seinen Aufgaben auf ihn wartete. Keine große Sache also, richtig? Es regnete nun bereits seit fast zwei Wochen nonstop, was nicht weiter ungewöhnlich war für San Francisco im November, doch als Agent Stilinski an diesem Abend um halb neun wieder einmal als Letzter das Büro verließ, schüttete es gar wie aus Eimern. Die Straßen glichen aufgrund überforderter Sielleitungen heute eher reißenden Flüssen und Stilinski war froh über seinen Jeep und dessen erhöhte Position, welche es ihm erlaubte, die chaotische Lage trockenen Fußes gut im Blick behalten zu können. Die Straßen waren vergleichsweise leer; kein Wunder bei diesen Witterungsverhältnissen, aber obwohl Stilinski es nicht erwarten konnte nachhause zu kommen und diesem Sauwetter den Rücken zuzukehren, fuhr er dennoch langsam und vorsichtig, denn er war auf seinem Weg bereits an zwei Verkehrsunfällen vorbeigekommen. Er atmete erleichtert auf, als er endlich in seine Straße einbog, parkte den Wagen direkt vor dem Haus und fasste ein wenig Mut, um auszusteigen und sich der Sintflut dort draußen zu stellen. Er zog sich sein Jackett über den Kopf und dann sprintete los, doch obwohl es nur wenig Schritte bis zu seinem Haus waren, war er bereits vollkommen durchnässt, als er die Stufen zu seiner Veranda hinaufstieg. Erst als er in der Jackentasche nach seinem Schlüssel kramte erblickte er jene Person, welche in seiner Hollywoodschaukel saß, die Arme vor der breiten Brust verschränkt, den Kopf gegen die Kälte eingezogen und offensichtlich schlafend: „Derek?“ fragte er ungläubig. Der Kopf des Angesprochenen schreckte hoch und er rappelte sich mit steifen Gliedern auf: „Hey!“ machte der Angesprochene verschlafen und beinahe schüchtern. Der Agent hatte ein Unzahl von Fragen, die er stellen wollte, doch er tat es nicht. Das einzige was er hervorbrachte waren die Worte: „Da bist du ja! Gott sei dank, du bist da!“ ganz so, als habe er mit diesem Besuch gerechnet und als hätten sie sich nicht gerade erst vor kurzem für immer von einander verabschiedet. Dann sprang er auf seinen Besucher zu und sie fielen einander in die Arme. Sie hielten sich eine kleine Ewigkeit lang einfach nur fest, bis der Agent irgendwann feststellte: „Meine Güte Derek, du bist ja klatschnass und eiskalt. Wie lange sitzt du denn schon hier draußen?“ Derek löste die Umarmung, um auf seine Armbanduhr schauen zu können: „Seit etwa fünf Stunden, würde ich sagen.“ gab er schulterzuckend zurück. „Was? Aber wieso hast du denn nicht angerufen, oder so? Willst du dir den Tod holen! Lass´ uns reingehen, damit wir dich wieder aufwärmen können!“ forderte der Hausherr besorgt, schloss die Tür auf und zog seinen Gast hinter sich her ins Haus. Derek ließ es zu, doch er wollte wissen: „Können wir reden, Stiles?“ „Später!“ bestimmte der Agent: „Jetzt wirst du erst einmal versorgt.“ Er nahm seinem Besucher die durchweichte Lederjacke ab und stellte fest: „Du brauchst etwas Trockenes zum Anziehen. Willst du vielleicht erst einmal heiß duschen?“ „Das ist echt nicht nötig.“ behauptete Derek kopfschüttelnd, Stiles zweifelndem Blick zum Trotz, also verschwand dieser nun rasch in seinem Schlafzimmer, um trockene Kleidung für seinen Besuch zu holen. Derek begutachtete die Auswahl an T-Shirts und stellte fest: „Das... passt mir nicht!“ Stiles hielt ein Kleidungsstück hoch, welches zu unterst auf dem Stapel lag, ein T-Shirt mit dicken blauen und orangefarbenen Querstreifen und schlug vor: „Probier doch das hier mal an, es ist größer! Es ist nicht wirklich deine Farbe, aber immerhin ist es trocken.“ Derek nickte und begann damit, sich aus den durchgeweichten Kleidern zu schälen. Stiles wagte einen flüchtigen Blick, doch der Anblick rief unerhörte, ungezogene Erinnerungen in ihm wach, also sagte er schnell: „Ich werde dir erst einmal einen schönen, heißen Tee kochen. Bin gleich wieder da.“ Als der Agent nach einer ganzen Weile zurückkehrte, hatte er nicht nur Tee dabei, sondern überdies ein überreichlich beladenes Tablett auf dem sich eine Schale Suppe, einige Scheiben geröstetes Brot, ein Glas Milch, ein Muffin und mehrere Chocolate-Chip-Kekse befanden. Derek, welcher inzwischen das T-Shirt, eine Trainingshose und eine Sweatjacke von Stiles trug und sich auf das Sofa gesetzt hatte, wollte wissen: „Ist das etwa alles für mich?“ „Das wird dich wieder aufwärmen!“ behauptete der Hausherr. Dann fiel sein Blick auf die nackten Füße seines Gastes und er tadelte: „Ich habe dir doch auch Socken hingelegt. Wieso trägst du die denn nicht?“ „Du meinst diese bunten, die aussehen wie selbst gestrickt? Die kann ich doch nicht anziehen! Wie sieht das denn aus.“ fragte Derek und verzog das Gesicht. Der Agent rollte mit den Augen: „Das ist doch wohl egal, solange sie dich warm halten!“ schimpfte er, stellte das Tablett auf den Tisch und kniete sich vor seinen Besucher, um diesem die Strümpfe überzuziehen: „Was machst du denn da, Stiles?“ fragte dieser überrumpelt: „Nicht doch! Das ist mir peinlich!“ „Ist mir wurscht!“ konterte Agent Stilinski und als er sein Werk vollendet hatte, erhob er sich und wollte wissen: „Und? Ist das nicht viel besser?“ Derek gab ein Knurren von sich, das alles hätte sein können, von Zustimmung und Dank bis hin zu einem `Du kannst mich mal!´. Dann wollte er wissen: „Setzt du dich jetzt endlich zu mir, damit wir sprechen können? Ich sterbe gleich, wenn ich nicht loswerde, was ich zu sagen habe.“ „Gleich.“ versprach Stiles: „Ich ziehe mich nur eben selbst um und schmeiße rasch deine Kleidung in den Trockner. Und du isst inzwischen alles auf, was ich dir hingestellt habe, hörst du?“ „Du bemutterst mich!“ murrte Derek: „Stimmt gar nicht!“ behauptete Stiles grinsend, setzte dem Ganzen die Krone auf, indem er Derek auch noch eine gehäkelte Wolldecke um die Schultern legte und fügte hinzu: „Und nun sei lieb und tu, was die Mama sagt.“ In Dereks Inneren fand ein Kampf statt, welcher an seiner Miene deutlich abzulesen war. Die widerstreitenden Parteien waren zum einen der große, starke Kerl, dem es hochnotpeinlich war, derart verhätschelt zu werden und zum anderen der verfrorene Junge, der dies unwahrscheinlich genoss. Der Junge gewann schließlich die Oberhand und Derek lächelte, dass einem das Herz aufging: „Du bist ein Spinner!“ gab er gutmütig zurück. Stiles erwiderte das Lächeln, streichelte seinem Gast sanft durch das feuchte Haar und versicherte: „Ich bin gleich wieder da.“ Derek machte sich, wie ihm geheißen, über Tee, Suppe und Süßigkeiten her und ließ dabei die Behaglichkeit von Stiles zuhause auf sich wirken, was ein übriges dafür tat, dass die Wärme Stück für Stück in seinen Körper zurückkehrte. Er hatte seine Mahlzeit gerade beendet, als Stiles zu ihm zurückkehrte, sich an seine Seite setzte und forderte: „Also gut, lass´ uns reden!“ Derek atmete erleichtert auf und wollte soeben dazu ansetzen, seinen Text abzuspulen, den er im Geiste schon mindestens tausendfach ausgesprochen, verändert, Teile verworfen und sich dann erneut vorgesagt hatte, da kam ihm Stiles zuvor, indem er erklärte: „Weißt du was? Ich fange an!“ Und ehe Derek widersprechen konnte, war Stiles auch schon mittendrin in seiner Rede: „Derek, ich kann dir gar nicht sagen, wie unglaublich glücklich ich bin, dass du heute zu mir gekommen bist. Seit wir uns voneinander verabschiedet haben, habe ich mich gefühlt, als würde die Hälfte von mir fehlen. Ich weiß dass es verrückt ist, denn immerhin kennen wir uns erst so kurze Zeit, aber ich denke ich liebe dich! Vergiss´ alles, was ich zuvor gesagt habe. Ich bin zu jedem Kompromiss bereit, wenn wir einfach nur zusammen sein können. Ich kann mich intern versetzen lassen in einen Bereich, der weniger gefährlich ist. Und mit deiner Arbeit komme ich schon irgendwie klar. Vielleicht können wir ein paar Regeln vereinbaren, wie zum Beispiel, dass du mir nichts darüber erzählst, mit wem du es tust und dass du außer mir keinen anderen küsst, oder so und dann wird es schon irgendwie gehen. Ich will einfach nicht nicht mehr ohne dich sein, in Ordnung?“ Stiles konnte den Blick, welcher in diesem Augenblick auf Dereks Gesicht erschien nicht deuten und dann sagte dieser auch noch: „Nein Stiles! Nein so... so will ich das nicht!“ Stiles erblasste. Mit dieser Reaktion hatte er nicht gerechnet und sein Mund, wie so oft schneller als sein Verstand, begann nun einfach drauflos zu plappern: „Fuck, ich habe das alles vollkommen falsch verstanden, richtig? Du bist gar nicht hier, weil du mit mir zusammen sein willst? Mein Gott, ich bin ein totaler Volltrottel, mache mich hier lächerlich, spreche von Liebe nach so kurzer Zeit. Das ist mir so peinlich! Ich hätte dich einfach sagen lassen sollen, weswegen du gekommen bist, anstatt mich hier vollkommen zum Affen zu machen.“ Und weil Stiles einfach nicht die Klappe halten wollte, nicht einmal um Luft zu holen, fiel Derek nur eine letzte Methode ein um ihn endlich zum Schweigen zu bringen und dann vielleicht endlich auch einmal zu Wort zu kommen: Er zog ihn an sich und küsste ihn! Erst erstarrte Stiles, dann erst realisierte er, was gerade geschah, entspannte sich wieder ein wenig und erwiderte den Kuss und die Umarmung. Als sie sich irgendwann wieder von einander lösten, zögerte Derek nicht lange, sondern ergriff das Wort, ehe Stiles die Chance dazu hatte: „Okay, hör´ mir zu, Stiles!“ forderte er: „Die Dinge die du mir angeboten hast sind lieb und großzügig, aber das wird nicht funktionieren. Erstens: Du liebst deine Arbeit und ich bin überzeugt, dass du verdammt gut in dem bist, was du tust, also solltest du damit weitermachen. Und Zweitens: Selbst wenn du versuchen würdest mit meiner Arbeit klarzukommen, würde es dir dennoch zwangsläufig früher oder später wehtun und ich kann das auch gut verstehen, denn mir würde es umgekehrt genauso gehen.“ Derek griff neben sich nach einer ledernen Mappe im Din-A-4-Format, von der Stiles erst jetzt bemerkte, dass sein Gast sie bereits die ganze Zeit bei sich gehabt hatte. Derek zog deren Reißverschluss auf und holte einige Dokumente hervor: „Du sagst du liebst mich, Stiles. Nun... ich liebe dich auch! Es macht mir eine Scheißangst, aber ich liebe dich! Ich will mit dir zusammen sein und um dir zu beweisen, dass es mir damit ernst ist, habe ich einiges unternommen.“ Derek drückte Stiles ein erstes Schriftstück in die Hand: „Das ist meine Kündigung bei `The Boyfriend-Experience´ mit sofortiger Wirkung. Und dies hier...“ ein weiteres Blatt Papier wechselte von Dereks in Stiles Hand: „... ist ein Vertrag bei meiner alten Modelagentur. Ich werde wieder Fotos machen, so wie früher, aber keine Nacktbilder, falls dir das Sorge bereitet, das habe ich vertraglich geregelt. Und es ist auch nur eine vorübergehende Anstellung, denn ich werde mich zum Personal-Trainer ausbilden lassen und mich dann als solcher selbstständig machen. Und was es die Gefahren deines Jobs und meine Verlustängste angeht, werde ich mich bei einem Psychotherapeuten in Behandlung begeben. Ich denke, er ist sehr gut. Ich hatte bereits ein Vorgespräch mit ihm.“ erklärte Derek und übergab dann mehrere zusammengeheftete Seiten mit dem Briefkopf eines Arztes an Stiles: „Außerdem habe ich mich von meinem Hausarzt gründlich auf jegliche Arten sexuell übertragbarer Krankheiten untersuchen lassen. Wie du hier nachlesen kannst, bin sauber. Es war mir wichtig, das vorab zu klären, wenn du und ich einen Neuanfang machen wollen. Du sollst dich absolut sicher fühlen.“ Stiles blickte Derek ungläubig an. Es dauerte einen Moment, ehe er seine Stimme wiederfand: „Das ist der Wahnsinn! Das hast du alles für MICH getan?“ „Für uns.“ verbesserte Derek: „Ich habe das für uns getan.“ „Oh Mann, ich liebe dich!“ erklärte der Agent überwältigt, kroch auf den Schoß seines Gastes, schlang die Arme um diesen und vergrub sein Gesicht an dessen Hals. Er spürte, wie sich mit einem Mal großer Friede in ihm ausbreitete. Innerlich verabschiedete er sich von Tiefkühlpizza, Überstunden und Einsamkeit. Er verabschiedete sich auch davon Mieczyslaw `Mitch´ Stilinski zu sein. Von jetzt an gab es nur noch Stiles. Und Stiles hatte endlich die Liebe gefunden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)