The Boyfriend Experience von GingerSnaps ================================================================================ Kapitel 17: Das beständige Flüstern des Schicksals -------------------------------------------------- Derek fühlte sich tatsächlich nicht recht wohl, es war nicht bloß eine Ausrede gewesen, um nicht arbeiten zu müssen. Wahrscheinlich war eine Erkältung im Anflug? Ja, das musste es sein. Er war schließlich im Grunde ein junger, gesunder, kräftiger Kerl. Warum sonst sollte er sich gerade fühlen, wie ein winziges, ersoffenes Kätzchen? Ihm fiel keine bessere Erklärung ein und wie dem auch sei, er würde sich vorerst einfach ein wenig schonen und in ein bis zwei Tagen ginge es ihm dann sicherlich schon besser. Statt Kaffee gab es heute Kräutertee, er würde das Haus nicht verlassen und stellte zur Sicherheit auch das Handy ab, um nicht gestört zu werden. Er fuhr jene Leinwand an der Decke herunter, welche seinen Fernseher darstellte, kuschelte sich auf seinem Sofa in eine Decke und zappte durch die Kanäle. Das Wetter draußen war ohnehin mies, denn es war noch immer bedeckt, kühl und regnerisch, also verpasste er auch nichts, zumal er sich ja durch seine Krankmeldung sämtliche möglichen Verpflichtungen vom Hals gehalten hatte. Es war vollkommen okay, sich hier drinnen einzugraben, fand er. *** Stiles spürte eine altvertraute innere Unruhe. Er war momentan nicht in seiner Mitte und so gewann sein ADHS die Oberhand. Das einzige was er dagegen tun konnte war beschäftigt zu bleiben, also suchte er fieberhaft nach Aufgaben. Es begann damit, dass er sein Gewürzregal neu sortierte. Er war mitten dabei, da fiel sein Blick hinter den Kühlschrank, wohinter sich ein wenig Dreck verirrt hatte. Dort würde er gleich im Anschluss weiter machen. Nachdem er am Abend sämtliche Küchenschränke mit neuem Schrankpapier ausgelegt, seinen Kleiderschrank aussortiert, draußen in den matschigen Beeten das Unkraut ausgerupft, eine Kommode neu lackiert, die Teppichfransen im gesamten Haus gekämmt und im Badezimmer die Kalkflecken entfernt hatte, wurde ihm klar, dass sein Urlaub wohl eindeutig vorbei war. Er machte sich also Abendessen und schlief eine Weile später vor dem Fernseher im Wohnzimmer ein. Als er am kommenden Morgen, fast zwei Wochen zu früh, wieder im Büro aufschlug, wurde er von seiner Partnerin Malia Tate mit den Worten: „Was machst du denn schon wieder hier, du verdammter Idiot?“ begrüßt. „Freut mich auch dich zu sehen, Schätzchen!“ erwiderte der Agent schmunzelnd: „Mir ist zuhause die Decke auf den Kopf gefallen, darum bin ich wieder hier. Du weißt doch, ich bin ein Arbeitstier. Also was hast du für mich? Woran arbeiten wir gerade?“ Agent Tate schüttelte ungläubig den Kopf und schob ihm einen Stapel Akten hin: „Ich verstehe dich nicht, Mitch. Ich wäre an deiner Stelle auf irgendeine Insel geflogen und hätte mir die Sonne auf den Pelz scheinen lassen. Was zur Hölle willst du schon wieder hier?“ Stiles, der nette Kerl, welcher sich verliebt und mit dem schönsten Mann der Welt ein paar Tage auf Wolke Sieben verbracht hatte, war nun wieder Teil der Vergangenheit. Agent Mieczyslaw Stilinski war zurück: „Vielleicht habe ich einfach dein liebliches Gesichtchen vermisst, Malia-Baby?“ scherzte er und schlug den Deckel der Akte auf, welche zuoberst lag, als sei er nie fort gewesen: „Nun werd´ mal nicht komisch, Alter!“ erwiderte Tate auf ihre gewohnt handfeste Art. Dann fügte sie hinzu: „Aber es ist gut, dass du da bist, denn ich muss ohnehin etwas wichtiges mit dir besprechen. Du wirst nämlich demnächst einen neuen Partner zugewiesen bekommen.“ Stilinski horchte auf: „Was? Wieso? Wirst du versetzt? Was hast du ausgefressen.“ Malia lachte auf: „Was ich ausgefressen habe? Ich habe mich mit der falschen Frau eingelassen, das ist alles. Kiras biologische Uhr tickt und sie will nun endlich eine Familie gründen, also adoptieren wir.“ Stilinskis Augen wurden groß: „Du als Mutter?“ fragte er fassungslos: „Wie hat sie dich denn dazu überredet?“ Malia zückte aus ihrer Aktentasche das Foto eines unheimlich süßen Babys japanischer Herkunft und legte es vor ihn hin: „Das hier ist Mitsuko. Meine Frau, diese raffinierte, kleine Füchsin, hat mir dieses Bild von der Adoptionsagentur in einem Moment vorgelegt, in dem ich vermutlich zu allem Ja gesagt hätte, wenn du verstehst, was ich meine? Und ist die kleine Maus nicht wirklich entzückend? Jedenfalls werden wir Mitsuko ab nächstem Monat in Pflege nehmen und wenn alles gut läuft, dann werden wir sie in einem Jahr adoptieren dürfen. Hierfür werde ich ein paar Monate Elternzeit nehmen und mich danach in den Innendienst versetzen lassen. Ein Leben im Schussfeld und die Mutterschaft vertragen sich nämlich nicht gut miteinander.“ „Wow!“ machte Agent Stilinski: „Scheinbar ist es dir richtig ernst? Aber was wird aus deiner Karriere? Ich dachte die sei dir so wichtig?“ Agent Tate grinste: „Ich mag meine Arbeit, aber sie ist nicht mein ganzes Leben, wie bei dir. Ich liebe meine Frau und Kira und dieses Baby sind meine Zukunft. Vielleicht werde ich später noch einmal ehrgeizig, wenn die Kleine größer ist? Oder ich konzentriere mich mehr auf den Profiling-Bereich? Oder ich unterrichte Anwärter? Es wird sich schon etwas finden, was mir gefällt. Aber was immer es auch sei, ich werde am Abend zu meiner Familie heimkehren und das ist es, was wirklich zählt, denkst nicht?“ „Wenn du das sagst“ erwiderte Agent Stilinski, immer noch verblüfft von den großen Neuigkeiten seiner Partnerin. *** Derek schlief gerade auf dem Sofa, als sich wieder einmal Peter unangemeldet Zutritt zu seinem Zuhause verschaffte: „Was zur Hölle ist denn hier los?“ fragte sein Onkel fassungslos und blickte sich mit gerümpfter Nase um: „Hier drinnen riecht´s ja wie in einem Puma-Käfig. Wie lange warst du denn bitteschön nicht mehr draußen?“ „Was willst du hier? Ich bin krank!“ jammerte der Hausbewohner müde und gequält: „Geh´ wieder weg!“ „Das ist echt eklig!“ tadelte Peter, die Worte seines Neffen ignorierend und riss erst einmal überall die Vorhänge und Fenster auf, um Tageslicht und Frischluft herein zu lassen. Dann sammelte er die benutzten, angetrockneten Müslischalen und Take-Away-Verpackungen von mehreren Tagen ein, räumte sie in den Küchenbereich und fuhr fort: „Von wegen krank, Neffe. Du versteckst dich hier. Sag´ mir bitte, dass es nicht wegen dieses Jungen ist! Das wäre echt erbärmlich.“ „Ich sage doch, ich bin einfach bloß krank. Grippe oder so, das ist alles. Und nun verschwinde wieder, damit ich weiterschlafen kann.“ maulte Derek wehleidig. Peter war inzwischen zu ihm zurückgekehrt, blickte prüfend auf ihn hinab und nahm schließlich an seiner Seite Platz: „Na klar, und ich kenne auch den Namen deiner Krankheit. Nur ist das hier ist nicht dasselbe, wie mit einem Schnupfen. Das geht nicht von allein wieder weg. Du musst etwas unternehmen, Junge. Du musst eine Entscheidung treffen.“ Seine Stimme klang zur Abwechslung einmal freundlich und vollkommen ironiefrei. „Ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst Peter, also bitte verschone mich!“ seufzte Derek. Sein Onkel nickte: „Das werde ich, ich nehme nur meine restlichen Koffer mit. Unten wartet ein Taxi auf mich.“ Er erhob sich wieder und griff sich seine Taschen, doch ehe er ging, wendete er sich noch einmal um und sagte: „Aber eines sage ich die: Ich schaue bald wieder nach dir und wenn deine kleine Selbstmitleids-Party dann nicht vorbei ist, rücke ich mit einem Gartenschlauch an!“ „Hau jetzt endlich ab!“ gab Derek mürrisch zurück: Peter lachte und entgegnete auf dem Weg nach draußen: „Mach ich! Man sieht sich, du Loser!“ Dann war er verschwunden. Derek wollte aufstehen und Fenster und Vorhänge wieder schließen, doch dazu war er zu träge. Er zog sich stattdessen einfach seine Decke über den Kopf. *** Irgendwie gingen Agent Stilinski die Neuigkeiten, welche seine Partnerin an seinem ersten Arbeitstag für ihn parat hatte nicht aus dem Kopf. Malia war also wirklich bereit, aus Liebe ihre gesamte Karriere und Lebensplanung über den Haufen zu werfen und ihre Zukunft noch einmal vollkommen neu zu überdenken? Er wusste nicht, ob er selbst zu so etwas imstande wäre. Sicher, er hatte immer gedacht, eines Tages würde er einen Ehemann und vielleicht sogar auch Kinder haben, doch das war stets bloß so etwas wie eine vage Vorstellung gewesen, etwas dass wie durch Zauberhand eines fernen Tages von ganz allein passieren würde. Doch die Jahre gingen ins Land und kein Prinz war in einer Kutsche vorbeigekommen, um ihn in sein Märchenland zu entführen. Und mittlerweile war Stilinski über dreißig, sein Leben verlief in regelmäßigen Bahnen und nichts deutete darauf hin, dass sich jemals grundlegend etwas darin verändern würde. Er würde seine Fälle lösen, in der Karriereleiter weiter aufsteigen und bis ans Ende seiner Tage nachts allein in ein kaltes Bett steigen, wie es aussah. Lediglich Derek hätte vielleicht alles verändern können, doch Stilinski hatte ihn gehen lassen. Er war möglicherweise einfach nicht so mutig, wie Malia, welche bereit war aus Liebe ein Opfer zu bringen? Andererseits war sie doch auch in einer vollkommen anderen Situation, oder etwa nicht. Sie und Kira waren immerhin schon jahrelang ein Paar. Was sie hatten war etwas Echtes, etwas dass sich am Alltag hatte messen müssen und Stand gehalten hatte. Er und Derek hingegen hatten bislang nichts weiter erlebt, als eine schöne Illusion. Es war leicht zu träumen, solange es nichts kostete. *** Isaacs Hand lag in der von Derek, als sie sich im Theater ihre Plätze suchten. Als sie sie gefunden hatten, ließen sie sich nebeneinander nieder und blickten einander an: „Ich hatte fast vergessen, wie schön du bist.“ ließ Derek seinen Sitznachbarn wissen: „Du bist ein Schmeichler.“ gab Isaac lachend zurück und beugte sich zu einem Kuss zu ihm hinüber. Es wurde dunkel im Saal und der Vorhang öffnete sich: „Was ist das eigentlich für ein Stück?“ wollte Derek wissen: „Das ist nicht so wichtig.“ erwiderte Isaac und seltsamerweise gab Derek sich mit dieser Antwort zufrieden. Irgendwie bekam er auch gar nicht so recht mit, was sie auf der Bühne überhaupt abspielte. Er war einfach bloß vollkommen gefangen genommen vom Anblick seines Nachbarn: „Es tut so gut, dich zu sehen.“ erklärte er und es klang irgendwie feierlich und pathetisch: „Ich habe dich so wahnsinnig vermisst!“ „Das tut mir sehr leid, Liebling.“ antwortete Isaac traurig: „Aber du weißt, was du tun musst, oder?“ Derek rieb sich angestrengt die Stirn: „Du weißt, dass ich das nicht kann. Ich könnte so einen Verlust nicht noch einmal überstehen.“ Isaac nahm sanft sein Gesicht in seine Hände: „Du verspürst den Verlust doch längst. Du spürst ihn jeden Tag. Hast du es denn nicht langsam satt?“ Derek nickte traurig: „Du fehlst mir so wahnsinnig.“ ließ er Isaac wissen. „Ich weiß.“ erwiderte Isaac: „Aber jetzt genieß´ einfach die Show, in Ordnung?“ Und da wendete Derek erstmals seine Aufmerksamkeit dem Geschehen auf der Bühne zu, wo ein Bauchredner gerade in ein hitziges Streitgespräch mit der Holzpuppe auf seinem Schoß verstrickt war. Und als er genauer hinschaute erkannte Derek, dass Stiles der Bauchredner war. Und die Puppe auf seinem Schoß hatte große Ähnlichkeit mit seinem Onkel Peter! Als Derek erwachte, hatte er Tränen in den Augenwinkeln, doch er lachte. Er lachte, bis ihm der Bauch wehtat. Was für ein total bescheuerter Traum! Er schwang die Beine über den Rand seiner Couch, um endlich aufzustehen. Er fühlte sich lebendig und voller Tatendrang. Und er hatte einiges zu tun! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)