Beschütze ihn! von GingerSnaps ================================================================================ Kapitel 1: Beschütze ihn! ------------------------- Der Camaro kam mit quietschenden Reifen vor dem Haus der McCalls zum Stehen. Es war kurz nach Mitternacht, eine stürmische Vollmondnacht. Die dunklen Bäume bogen sich unter der Wucht des Orkans und Wolkenfetzen wurden über den Himmel gejagt. Scott war bereits eine geraume Weile unruhig vor dem Haus auf und ab gelaufen, wie ein Tier im Käfig: "Verdammt, da bist du ja endlich!" fuhr er Derek an, als dieser dem Wagen entstieg: "Ich bin so schnell gekommen, wie ich konnte." rechtfertigte sich der Beta: "Kannst du mir jetzt vielleicht einmal erklären, was hier eigentlich los ist?" "Für lange Erklärungen habe ich keine Zeit. Sie haben meine Mutter." Scott wurde bleich, als würde es ihm jetzt erst klar: "Sie haben meine Mutter! Dieses andere Rudel... sie haben meine Mum in ihrer Gewalt!" wiederholte er matt. Der Ältere legte Scott eine Hand auf die Schulter, das äußerste Maß an tröstendem Körperkontakt, zu dem ein Derek Hale fähig war und er versicherte: "Ich helfe dir! Wir finden sie. Hab´ keine Sorge!" Scott schüttelte ungeduldig den Kopf: "Nein, deswegen habe ich dich nicht gerufen. Malia, Kira, Lydia und Liam sind den Entführern bereits auf den Fersen. Ich werde ihnen gleich hinterherfahren. Aber vorher brauche ich dich für etwas anderes. Komm..." Er zog den Älteren am Arm hinter sich her ins Haus: "Ich brauche dich hierfür." Stiles lag auf dem Sofa im Haus der McCalls, bewusstlos und offensichtlich schwer verletzt: "Du... du musst ihn beschützen! Ich habe es geschafft, ihn zu befreien, doch sie dürfen ihn nicht wieder in die Finger bekommen. Die waren das; diese anderen Wölfe! Sie haben Stiles so zugerichtet. Du musst ihn irgendwo in Sicherheit bringen, aber du kannst ihn nicht ins Krankenhaus bringen, denn das habe ich bereits versucht. Dieser andere Alpha Constantin, hat seine Leute in allen Spitälern in der Umgebung postiert. Sein Rudel muss riesig sein, ich hatte keine Chance! Deaton hat mir Verbandsmaterial und Wunddesinfektion eingepackt. Bitte Derek! Stiles darf nicht sterben! Beschütze ihn und lass´ ihn nicht aus den Augen!" Scott klang verzweifelt. Derek warf einen langen, missmutigen Blick auf den Jungen auf dem Sofa und seufzte tief. Er ahnte, was es bedeutet würde, den Sack Flöhe zu hüten, welchen ein Stiles Stilinski darstellte, wenn der erst einmal wieder aus seiner Bewusstlosigkeit erwachte, darum fragte er: „Wäre ein anderer für diese Aufgabe nicht besser geeignet? Was ist denn mit Deaton, oder dem Sheriff? Wirst du mich nicht an vorderster Front brauchen, wenn du deine Mum befreien willst?“ „Sein Dad oder Deaton können Stiles nicht beschützen. Bitte Derek, du bist mein stärkster Kämpfer. Du musst es tun.“ widersprach Scott: „Und für die Befreiung meiner Mum habe ich bereits Verstärkung angefordert. Peter wird Morgen früh zu uns stoßen.“ Dereks machte große Augen: „Wie hast du meinen Onkel denn dazu überredet, an etwas so Uneigennützigem, wie einer Rettungsaktion teilzunehmen?“ wollte er wissen. „Ich habe ihn daran erinnert, dass er meiner Mutter noch etwas schuldig ist, nachdem er ihr damals kurz nach meiner Verwandlung so übel mitgespielt hat. Außerdem denke ich, er hat beschlossen für Malia ein besserer Mensch zu werden und da ist eine selbstlose Tat doch genau das Richtige. Und nun mach´ schnell. Wir müssen hier weg hier. In meinem Haus suchen sie uns als Erstes.“ rief Scott ungeduldig. Derek nickte: „Aber eine Frage habe ich noch: Was will dieser Constantin denn eigentlich von dir? Warum greifen seine Werwölfe dich an?“ „Er will Beacon Hills. Er will mein Territorium, mein Rudel... er will mich aus dem Weg haben. Dieser Kerl ist komplett irre und will die Weltherrschaft, oder was auch immer. Darum ist sein Rudel auch so groß, weil er schon so viele konkurrierende Alphas ausgeschaltet hat. Und diese vielen Betas verleihen ihm enorme Macht.“ gab Scott zurück: „Nun hat er es eben auf mich abgesehen. Und dieser Mistkerl weiß genau, wo ich am verwundbarsten bin, deswegen hat er sich als erstes auf die beiden Menschen in meinem Rudel gestürzt. Bitte Derek, hilf´ mir!“ „Ich helfe dir.“ bestätigte der Ältere und hob den bewusstlosen Stiles hoch: „Nimm´ du die Tasche, Scott!“ Der Alpha griff nach der Reisetasche, welche er selbst rasch zusammengepackt hatte und folgte seinem Beta. Sie hatten den Verletzten gerade auf die Rückbank von Dereks Wagen verfrachtet, da sprangen acht Angreifer aus dem Schatten, drei Frauen und fünf Männer und allesamt erfahrene Kämpfer, wie es schien. Derek und Scott positionierten sich Rücken an Rücken, um den Wagen mit seiner wertvollen Fracht zu verteidigen. Einer der Angreifer, ein blonder Hühne mit Muskeln wie ein junger Schwarzenegger und einem auffällig starken Überbiss höhnte: „Schaut ihn euch an, Leute! Dieses mickrige Mäuschen soll der sagenhafte wahre Alpha sein? Sogar sein Beta sieht beeindruckender aus als dieser magere Junge. Schnappen wir sie uns!“ Scott zuckte mit den Achseln und erwiderte mit einem grimmigen Lächeln: „Du hast ja so recht, Kumpel, ich bin nicht so beeindruckend. Aber das bedeutet nicht, dass ich mir nicht zu helfen weiß!“ und mit diesen Worten zog er ein sehr wirksames Elektroschock-Gerät aus der Sammlung von Christopher Argent aus der Tasche seiner Jeansjacke und ging auf den Koloss los. Scott und Derek töteten ihre Widersacher nicht. Sie waren lediglich fehlgeleitet durch ihren Alpha und verdienten es nicht zu sterben. Wie immer wählte Scott den friedfertigeren Weg und sie machten die Werwölfe lediglich kampfunfähig, denn letztlich war es das, was ihn als wahren Alpha ausmachte. Als der Kampf vorüber war blickte Scott sich noch einmal nach seinem Beta um und wiederholte: „Beschütze ihn!“ Dann sprang er auf sein hellgrünes Motorrad und brauste davon. Derek setzte sich auf den Fahrersitz seines Wagen, vergewisserte sich mit einem Blick in den Rückspiegel noch einmal davon, dass Stiles Zustand unverändert war und startete dann ebenfalls seinen Motor. Nachdem man vor vielen Jahren seine Familie getötet hatte, hatte Derek sich an verschiedenen Orten überall in Kalifornien versteckt und so wusste er auch genau, wo er Stiles nun hinbringen würde. Sie verließen Beacon County und fuhren etwa eineinhalb Stunden lang in Richtung Nordosten auf Landstraßen durch ein dicht bewaldetes Gebiet. Es stürmte noch immer und überdies hatte es nun auch noch angefangen in Strömen zu regnen. In der letzten Ortschaft vor ihrem Ziel machte Derek für ein paar Besorgungen an einen 24-7-Supermarkt halt. Als er mit seinen Einkäufen zurückkehrte, stellte er mit Entsetzen fest, dass die Hintertür seines Wagens offenstand und Stiles sich nicht mehr auf der Rückbank befand. Verdammt! Wie hatten diese Wölfe sie denn bloß gefunden? Derek hatte sich doch immer wieder davon überzeugt, dass sie nicht verfolgt wurden? Er stellte seine Tüten ab, fuhr Fänge und Klauen aus und scannte mit seinen Wolfsaugen den Parkplatz. Und da erblickte er es: Niemand war gekommen und hatte Stiles geholt, nein vielmehr war der Verwundete offenbar in seiner Abwesenheit erwacht, hatte beschlossen einen kleinen Spaziergang zu machen und war dann nach ein paar Metern wieder zusammengebrochen: „Kleine Nervensäge!“ knurrte er und hob den durchnässten Menschen hoch um ihn wieder in den Wagen zu befördern: „Derek?“ murmelte Stiles benommen: „Was ist passiert? Wo sind wir? Oh verdammt, mein Schädel explodiert gleich!“ „Ich erkläre dir gleich alles. Jetzt müssen wir aber erst einmal hier weg!“ erwiderte der Ältere und verfrachtete seinen Schutzbefohlenen auf den Beifahrersitz, wo er ihn im Blick hatte. Dann verstaute er seine Einkäufe und weiter ging´s. „Melissa wurde entführt und Scott und die anderen sind in Gefahr? Und was machen wir dann hier, zum Teufel?“ empörte sich Stiles, nachdem Derek ihm alles berichtet hatte: „Finde raus wo sie stecken und dann kehr´ sofort um! Du und ich, wir werden ihnen helfen! Mach´ schon!“ „Von wegen! Meine Anweisungen waren ziemlich eindeutig. Ich bringe dich in Sicherheit und versorge deine Verletzungen.“ erwiderte Derek ungerührt: „Mir geht’s spitze! Kehr um, verdammt! Scott braucht uns!“ ereiferte sich Stiles: „Einen Teufel werde ich tun! Hast du mal in den Spiegel geschaut?“ wollte Derek wissen: „Du siehst aus, als habe dich ein Lastwagen überfahren! Bereits an normalen Tagen stehst du in einer Kampfsituation nur im Weg herum. Heute allerdings würdest du alles noch viel schlimmer machen, indem alle sich Sorgen um dich machen müssten und sie am Ende umkommen bei dem Versuch,dich am Leben zu halten, also halt die Füße still, Stilinski. Du bist deinen Freunden eine größere Hilfe, indem du dich weit von ihnen fernhältst.“ Stiles plusterte sich auf und wollte gerade zu entrüstetem Protest ansetzen, doch etwas kam dazwischen: „Fahr´ rechts ran! Mach´ schnell! Fahr´ rechts ran!“ presste er hervor. Ein Blick auf seinen Beifahrer riet Derek, schleunigst auf ihn zu hören, wenn ihm sein Auto lieb war. Und tatsächlich, kaum kam der Wagen zum Stehen, riss Stiles die Beifahrertür auf, schnallte sich ab, beugte sich vor und erbrach sich ausgiebig auf den Asphalt. Und gerade als er dachte, er habe bereits alles, was sich in seinem Inneren befand hervorgewürgt hatte, inklusive seiner Organe, ging es noch einmal von vorne los: „Noch Frage?“ erkundigte sich Derek triumphierend und reichte Stiles ein Papiertaschentuch, damit er sich den Mund abzuwischen könnte. Stiles schnappte danach, funkelte den Älteren finster an und erwiderte hochherrschaftlich: „Also gut, ich erhole mich erst einmal für eine Nacht, oder so. Aber danach erwarte ich, dass du mich zu den anderen bringst! Ich bin nicht nutzlos! Ich bin der Mann, der einen Plan hat und am Ende den Tag rettet!“ Derek rollte entnervt mit den Augen, enthielt sich allerdings weiterer Kommentare, heftete seine Augen statdessen auf die Straße und fuhr weiter. Er hatte gewusst, dass Scotts Auftrag verdammt nervtötend werden würde. Aber immerhin ging es Stiles bereits wieder gut genug, um seine große Klappe zu weit aufzureißen. Der Werwolf atmete ein klein wenig auf und lenkte sein Fahrzeug in einen Waldweg, welcher sie zum Ziel bringen würde. Kapitel 2: Das Allerheiligste ----------------------------- „Wir sind fast da, müssen aber noch ein Stück zu Fuß.“ kündigte Derek an und fuhr seinen Wagen in eine kleine natürlich Höhle, wo dieser vor neugierigen Blicken versteckt sein würde: „Kannst du laufen, oder muss ich dich tragen?“ „Besorg´ mir fünf weitere muskulöse Kerle und einen, mit rotem Samt bezogenen Diwan und dann tragt mich durch den Wald, als sei ich Mariah Carey.“ forderte Stiles gebieterisch und fand sich furchtbar witzig. „Mit anderen Worten: du läufst, Blödmann!“ knurrte Derek, überhaupt nicht amüsiert: „Sag mal hast du eigentlich auch gelegentlich manchmal Spaß?“ wollte Stiles wissen. „Nein!“ knurrte der Werwolf und warf lautstark die Fahrertür zu. Einfach nur `Nein´, keine Erklärung, kein Samtschleifchen drumherum, bloß ein Nein. Ein klassischer Hale! „Was hat sich Scott bloß dabei gedacht, ausgerechnet dich zu meinem Bodyguard zu machen. Nun habe ich dich am Hals und ich weiß jetzt schon, dass du mich zu Tode nerven wirst!“ schimpfte Stiles. Derek sah aus als könnte er kaum glauben, was er da hörte: „DAS IST JA WOHL MEIN TEXT, DU KLEINER PENNER!“ pöbelte er: „Und nun steig´ aus und setz´ dich in Bewegung, aber ein bisschen Dalli!“ Stiles antwortete nicht, doch Derek konnte im schwachen Schein des Lämpchens der Fahrerkabine sehen, wie der Junge ihm über seine Schulter hinweg den Mittelfinger zeigte und er knurrte drohend. Kaum war Stiles draußen und machte seine ersten Schritte, konnte Derek ihn schreien und fluchen hören: „Was? Ist etwas mit deinem Fuß?“ erkundigte sich der Ältere genervt: „Weiß nicht? Tut weh!“ murrte Stiles: „Kannst du wirklich laufen?“ wollte Derek wissen: „Kann ich!“ behauptete Stiles, humpelte schwankend und katzbuckelig los und gab mit jedem neuen Schritt einen zischenden, unterdrückten Schmerzlaut von sich. Derek schüttelte verächtlich den Kopf, schnappte sich ihre Tüten und Taschen und folgte dem Glöckner von Notre Dame durch den finsteren Wald. Stiles zog sich nach einer Weile einen stabilen Knüppel aus dem Unterholz, verwendete diesen als Krücke und wankte dann hinkend und fluchend weiter. Der Werwolf schaute sich das Ganze eine Weile mit an, doch dann brachte eine Unebenheit im Boden den Verletzten zu Fall und prompt saß Stiles abgekämpft, schwitzend und leise vor sich hin weinend auf seinem Hintern im nassen Laub. Es hatte zwar mittlerweile zu regnen aufgehört, doch im Wald machte das kaum einen Unterschied, denn aus den Baumkronen tropfte es noch immer lustig auf die beiden herab: „Und nun? Willst du die ganze Nach da hocken bleiben?“ erkundigte sich Derek und blickte auf seinen Schützling hinab: „Geht gleich wieder!“ behauptete Stiles trotzig, doch er rührte sich nicht vom Fleck: „Also so viel Zeit habe ich nicht!“ entschied Derek, stellte ihr Gepäck ab und bückte sich, um Stiles hochzuheben: „Hey was wird das denn jetzt?“ protestierte dieser: „Ich schaffe das schon.“ „Tust du nicht, Stiles. Sieh´ es ein und halt´ einfach die Klappe!“ erwiderte der Werwolf. Stiles hatte erwartet, dass Derek ihn sich nun grob über die Schulter werfen würde, wie einen Sack Mehl, doch in Wirklichkeit nahm der Ältere ihn sehr sanft hoch und trug ihn nun vor sich her, beinahe wie man ein Kind trägt: „Es ist kein Diwan, aber es ist ganz okay.“ urteilte Stiles daraufhin mit einem kleinen Grinsen: „Ich habe doch gesagt, du sollst die Klappe halten; Stilinski!“ erwiderte der Werwolf, doch es klang nicht unfreundlich: „Ja sicher, als ob, Hale!“ gab Stiles zwinkernd zurück, denn er musste nun einmal das letzte Wort haben. Wenig später erreichten sie eine kleine, robust wirkende Blockhütte. Derek setzte seinen Passagier ab und wollte wissen: „Meinst du du kannst einen Moment lang ohne Hilfe stehen?“ Die blöde Antwort, die der Werwolf nun erwartet hatte blieb aus und Stiles begnügte sich mit einem Nicken. Der Junge hielt sich an einem Pfeiler der Veranda des kleinen Hauses fest und beobachtete was sein Reitwolf und Beschützer nun wohl vorhatte, denn Derek schien offensichtlich nach etwas zu suchen. Dann hatte er es gefunden; es handelte sich um einen Schlüssel und mit diesem öffnete er nun die Tür: „Sag´ mal, weißt du überhaupt, wer hier wohnt?“ erkundigte sich Stiles vorsichtig: „Brechen wir hier gerade ein, oder was? Ich wüsste gern, worauf ich mich einlasse und ob ich womöglich in den Knast komme.“ Derek hob den Jungen augenrollend wieder hoch und trug ihn ins Innere der Hütte: „Red´ nicht so einen Blödsinn, Stiles. Wir brechen nicht ein. Das Haus gehört mir. Ich habe es selbst gebaut.“ „Du kannst Häuser bauen?“ fragte der Jüngere ratlos: „Und wieso hast du dann ewig in der verkommenen Ruine deines Elternhauses gelebt.“ „Stell´ nicht so dummer Fragen!“ forderte Derek genervt und platzierte seinen Schützling auf einem stabilen Holzstuhl: „Warte hier. Ich hole unser Zeug und bin gleich wieder da.“ Er wandte sich zum Gehen: „Moment mal! Du willst mich hier allein lassen?“ erkundigte sich Stiles kläglich: „Ich bin doch gleich wieder da.“ erwiderte der Ältere verständnislos: „Aber ich mag es nicht, allein im Dunkeln zu sein und schon gar nicht an einem fremden Ort! Was wenn es hier Spinnen gibt? Oder Ratten? Oder Fledermäuse?“ protestierte der Jüngere nervös. Derek raufte sich seufzend die Haare. Dann begann er in einem Schrank zu kramen, kam mit einer Öllampe wieder, entzündete sie, stellte sie neben Stiles auf den Tisch und forderte: „Besser so? Gib mir zehn Minuten! Ich bin gleich zurück, versprochen!“ Stiles blickte den Älteren kulleräugig an und nickte dann brav. Und Derek hielt Wort und war tatsächlich wenig später vollbeladen wieder bei ihm. „So nun muss ich noch einmal hinter das Haus.“ erklärte der Werwolf und stellte sein Zeug ab und war verschwunden, ehe Stiles nervtötende, dumme Fragen stellen konnte. Es dauerte eine weitere Viertelstunde und dann war Derek wieder bei ihm, drückte einen Knopf neben der Tür und – Abrakadabra! - an der Decke ging eine Lampe an: „Du hast hier sogar Strom?“ fragte Stiles verblüfft: „Strom, Gas und fließendes Wasser.“ erklärte Derek, nicht ohne eine gewisse Selbstzufriedenheit: „Hinter dem Haus ist ein ölbetriebener Generator und ganz in der Nähe gibt einen Brunnen.“ Stiles begann sich neugierig umzuschauen und stellte staunend fest: „Wow! Es ist ja wirklich alles da. Das ist der Wahnsinn!“ Und das entsprach auch tatsächlich der Wahrheit: Es gab in dieser Hütte ein großes, bequem aussehendes Bett, den Tisch an welchem Stiles gerade saß, eine vollständig eingerichtete Kücheneinheit und eine Tür, welche zu einem kleinen Badezimmer führte. Der Werwolf hatte es hier deutlich gemütlicher, als in seinem zugigen Loft daheim in Beacon Hills. Er musste lange Zeit hier verbracht haben, stellte Stiles im Stillen fest. Derek registrierte die neugierigen Blicke des Jungen und mit einem Mal wurde es ihm klar, dass er Stiles ohne großes Nachdenken in sein Allerheiligstes eingeladen hatte. Diese Hütte war sein Rückzugsort, sein Back-Up-Plan, wenn einmal alle Stricke rissen. Dies hier war mehr sein Zuhause, als jeder andere Ort auf der Welt. Und nun wusste dieser Junge davon! Derek schluckte. Um zu verbergen was gerade in ihm vorging, befahl der Werwolf lauter als notwendig: „Und nun wirst du dich ausziehen, Stiles. Aber ein bisschen plötzlich, wenn ich bitten darf!“ „Was ist los? Einen Teufel werde ich tun!“ protestierte der Jüngere: „Du hast ja wohl einen Knall!“ „Du musst aus den nassen Klamotten raus, ehe du zu allem Überfluss auch noch eine Erkältung bekommst!“ beharrte Derek: „Außerdem muss ich mir deine Verletzungen anschauen und sie versorgen.“ „Ich will mich aber nicht ausziehen!“ jammerte Stiles: „Kann ich nicht einfach nur Schlafen gehen? Ich bin müde, mir ist kalt und mein Kopf tut weh.“ „Du kannst schlafen, NACHDEM ich dich untersucht habe!“ stellte Derek unmissverständlich klar. Und weil Stiles von sich aus keine Anstalten machte, pellte Derek ihn kurzerhand selbst aus den Kleidern. In Nullkommanichts saß der Jüngere nur noch in seiner Avengers-Boxershorts da und bedeckte mit seinen Händen verschämt seine Nippel. Derek stöhnte dramatisch und ließ ihn wissen: „Für mich ist das hier auch kein Vergnügen, aber lass´ es uns einfach hinter uns bringen!“ Als erstes inspizierte der Werwolf den linken Fuß des Verletzten, welcher um den Knöchel herum blau-gräulich verfärbt und deutlich geschwollen war. Derek nahm ihn in seine Hände und bewegte ihn ein wenig hin und her, was eine Welle von Flüchen, Beschimpfungen und Drohungen auslöste: „Gott verdammt, Derek! Was machst du denn da, du Mistkerl? Hör´ sofort auf damit, oder ich trete dich!“ „Stell´ dich nicht so an, du Jammerlappen!“ gab der Ältere ohne große Anteilnahme zurück. Dann stellte er fest: „Du hast Glück gehabt, denn der Fuß ist bloß verstaucht und nicht gebrochen.“ „Ach und woher willst du das wissen, Dr. Reißzahn? Hast du etwa Medizin studiert?“ ätzte Stiles: „Brauche ich gar nicht. Um das herauszufinden, muss ich lediglich meine Sinne einsetzen, Blödmann.“ konterte Derek und pflückte die Hände, die Stiles schützend vor die Brust genommen hatte beiseite: „Ich muss mir das anschauen!“ Stiles hatte ein großes Hämatom rechtsseitig an seinem Brustkorb und direkt darunter hatten ihn Klauen erwischt, doch zum Glück nur ganz oberflächlich. Erstaunlich sanft machte sich Derek nun daran, die Kratzspuren zu desinfizieren und zu verpflastern und verstrich anschließend großzügig Salbe auf dem blauen Fleck darüber. Dieselbe Creme verstrich er dann noch auf dem verstauchten Fuß und bandagierte diesen dann stramm. Stiles schluckte verlegen, angesichts der geradezu liebevollen Behandlung, welche ihm gerade zuteil wurde: „Du machst das gut.“ stellte er fest: „Wieso kannst du so etwas? Ich meine, du als Wolf hast es doch nur selten nötig, dich selbst zu verarzten.“ Derek senkte den Kopf und schwieg und Stiles stellte sich innerlich bereits darauf ein, dass dies wieder einmal so eine Frage war, auf die man von diesem verstockten Kerl ohnehin keine Antwort erhalten würde, doch dann sagte dieser: „Ich hatte einen kleinen Bruder, James. Er war bloß ein Mensch, doch ständig wollte er mit uns anderen Kindern mithalten. Andauernd hat er sich verletzt, doch das hat ihn niemals aufgehalten. Er war leichtsinnig, genau wie du.“ Die Stimme des Älteren war bei seiner Antwort immer leiser und leiser geworden und Stiles war klar, dass er es dieses eine Mal einfach mal gut sein lassen und die Klappe halten sollte, auch wenn er tausend Fragen hatte; zum Beispiel was mit diesem Bruder geschehen war und ob auch er im Feuer umgekommen sei, oder wie es sein konnte, dass ein Mensch in eine Familie von Werwölfen hineingeboren wurde? Stiles schwieg. Als letztes nahm Derek Stiles Kopf in Augenschein, befühlte ihn vorsichtig, gab Jod-Tinktur auf eine Abschürfung an der Schläfe und schaute, wie die Pupillen seines Patienten auf Lichtveränderung reagierten: „Ist dir immer noch schlecht?“ wollte er von Stiles wissen: „Ein bisschen.“ gab dieser zu. Derek runzelte die Stirn und kommentierte: „Was im Inneren deines Kopfes vor sich geht, kann ich nicht sagen, doch das weiß ich für gewöhnlich nie. Ich kann nur hoffen, dass du keine Hirnschwellung hast. Aber immerhin ist dein Schädel nicht gebrochen. So oder so brauchst du jetzt erst einmal Ruhe.“ Er kramte in der Tasche welche Scott für seinen besten Freund gepackt hatte und zog einen Pyjama hervor: „Anziehen!“ befahl er seinem Schützling: „Und dann ab ins Bett!“ „Apropos Bett... wo wirst du schlafen? Es gibt doch nur das eine?“ fragte Stiles mit einem nervösen Hüsteln: „Ich werde gar nicht schlafen.“ erwiderte Derek und stopfte die Federdecke mütterlich um Stiles, welcher mittlerweile ins Bett gekrabbelt war fest: „Ich halte Wache.“ Und nachdem der Werwolf im Kamin ein Feuer entfacht hatte, nahm er mit einem dicken, alten, ledergebundenen Schmöker, welchen er aus einem Regal gezogen hatte, auf einem Polsterstuhl an Stiles Bettseite Platz und begann zu lesen. Kapitel 3: Spiegelbilder ------------------------ Tatsächlich gelang es Stiles alsbald einzuschlafen, auch wenn er nicht wirklich Ruhe fand. Er stöhnte, seufzte und wand sich im Schlaf, murmelte vor sich hin und schreckte gelegentlich hoch. Derek sprach dann beruhigend auf ihn ein, versicherte dem Jüngeren, dass er in Sicherheit wäre und griff sogar einige Male nach seiner Hand, um ihm die Schmerzen zu nehmen. Wann immer Derek sicher war, dass sein Patient einen Augenblick lang ruhig war, machte er einen kurzen Gang um das Haus, um sicher zu stellen, dass sich keiner ihrer Feinde in der Nähe befand, doch im Wald war es ruhig und sie waren weit und breit die einzigen menschlichen Wesen in dieser Gegend. Es dauerte über drei Stunden, ehe Stiles endlich in einen heilsamen Tiefschlaf fiel, ruhig und gleichmäßig atmete und sich nicht mehr regte. Erst jetzt kam auch Derek innerlich zur Ruhe, konnte ein wenig in seinem Buch lesen und schloss sogar ein paar Mal die Augen, doch selbstverständlich ohne selbst einzuschlafen, denn er hatte hier einen Auftrag zu erledigen und diesen nahm er ausgesprochen ernst. Und anders als ein Mensch konnte der Werwolf, wenn nötig, bis zu drei Tage ohne Schlaf auskommen, ohne dass seine Konzentration litt. Der Verletzte schlief beinahe zehn Stunden durch, womit sein Bodyguard sehr einverstanden war, denn erstens konnte ein schlafender Stiles einem nicht auf die Testikel gehen und zweitens war der Schlaf für seinen malträtierten Körper der optimale Zustand, um den entstandenen Schaden zu reparieren. Und tatsächlich gab der Mensch nach dem Erwachen an, nur noch leichte Kopfschmerzen zu haben und weder Übelkeit noch Schwindel zu verspüren. Derek atmete erleichtert auf, denn auch wenn er es nicht zugeben wollte, die Kopfverletzung des Jungen hatte ihm große Sorgen bereitet. Der Werwolf stellte Stiles zur Sicherheit noch ein paar Fragen, um Gedächtnislücken auszuschließen, doch scheinbar hatte der Mensch den gestrigen Angriff ohne bleibende Schäden überstanden. Nun musste Derek es nur noch schaffen, dass dies auch so blieb. Wie auf´s Stichwort erklärte Stiles nun: „Siehst du, alles halb so wild.“ Dann forderte er: „Finde heraus, wo die Anderen sind und lass´ uns losfahren!“ „Du kannst nicht einmal laufen, hast höchstwahrscheinlich ein bis zwei gebrochene Rippen und deine Gehirnerschütterung braucht mindestens eine volle Woche, bis sie ausgeheilt ist, vielleicht sogar länger, solange wie du gestern bewusstlos warst. Ich es da nicht ein wenig überambitioniert, in den Krieg ziehen zu wollen?“ knurrte Derek mit aller Nachsicht, die er angesichts der Idiotie seines Patienten und Schutzbefohlenen aufbringen konnte. Hierauf entflammte ein kleiner Zwist zwischen den beiden, welcher sich in Windeseile zu einem ausgewachsenen Streit auswuchs. Stiles behauptete im Verlauf des Disputs, Derek sei eine überbeschützerische Pest am Arsch und wahrscheinlich wollte er sich am Ende wohl bloß selbst vor dem Kampf drücken, weil er für solche Auseinandersetzungen langsam zu fett, zu alt und zu träge werde? Der Werwolf sprang daraufhin derart hitzig von seinem Stuhl auf, dass dieser heftig zu Boden knallte und es ein Wunder war, dass er nicht zu Bruch ging. Grollend entgegnete Derek, dass er ja wohl keineswegs fett, sondern athletisch, im allerbesten Werwolfs-Alter und körperlich in Höchstform sei und außerdem ohne großartig darüber nachdenken zu müssen, auf Anhieb eine Millionen Dinge wüsste, die er lieber tun würde, als für ein größenwahnsinniges Kleinkind die Krankenschwester spielen, aber so hatte sein Alpha es eben angeordnet, also hatte er in den sauren Apfel gebissen. Und überhaupt, wo blieb hier eigentlich die Dankbarkeit für seine übergroße Aufopferungsbereitschaft? Der Begriff „Kleinkind“ war offensichtlich ein Reizwort für den Jüngeren, der dann ein Szenario entwarf, in welchem er sich eben jetzt gleich und sofort zu Fuß und humpelnd zur Straße schleppen werde, wo er auf den nächstbesten gruseligen Lastwagenfahrer warten würde, der ihn dann per Anhalter mitnahm. Und ja, er werde auch Süßigkeiten von diesem annehmen, sofern sie ihm angeboten würden, denn er mochte ja ein Kleinkind sein, aber immerhin würde er alles in seiner Macht stehende tun, um seine Freunde zu unterstützen! Derek hatte mittlerweile die Klauen ausgefahren, ließ seine blauen Wolfsaugen aufblitzen und versicherte, dass er Stiles für eine Woche ans Bett fesseln werde, sofern er es wagen sollte, auch nur einen Fuß vor die Hütte zu setzen! Und natürlich werde er ihn auch knebeln, weil der Junge ja ansonsten ohnehin doch nicht sein blöde, große Fresse hielt! „Ach wirklich? Hätte ich mir denken können, dass ein Kontrollfreak wie du auf Bondage steht!“ hatte Stiles ihn dann herausgefordert und noch die Frage hinterhergeschoben, ob er diese spezielle Fantasie denn eigentlich schon länger habe. „Jetzt reicht´s!“ bellte Derek nun maximal angepisst: „Ich habe die Faxen dicke! Ich bringe dich um! Ich bringe dich um, verscharre dich hier im Wald und sage Scott, die Wölfe hätten dich mit Haut und Haar aufgefressen. Und zum Trost schenke ich Scott dann ein Kapuzineräffchen, mit dem er sich anfreunden kann! Der kann dann alles, was du auch kannst, mit seiner Stimme nervtötende Geräusche erzeugen, dämlich herum hampeln und Männchen machen! Aber darüber hinaus kann man ihm, anders als dir, vielleicht auch noch ein paar nützliche Tricks beibringen. Es dauert maximal eine Woche, bis alle dich vergessen haben und den Affen lieber mögen, als sie dich je mochten!“ Stiles fiel die Kinnlade herunter und einen Augenblick lang war er tatsächlich sprachlos. Dann wurde ihm etwas klar: Dies war wohl die kreativste Bedrohung Schrägstrich Beleidigung, die er je gehört hatte und gegen seinen Willen musste er lachen. Derek blickte ihn an, als habe er nun endgültig den Verstand verloren, doch ehe er etwas sagen konnte verkündete Stiles: „Verdammt, muss ich dringend pissen! Ich mach´ mich gleich nass! Behalt´ deinen Gedanken. Bin gleich wieder da.“ Er erhob sich und humpelte in Richtung Bad: „Lass´ die Badezimmertür offen.“ befahl der Werwolf: „Wieso sollte ich? Ist das hier etwa ein Knast?“ fragte Stiles fassungslos: „Ich will sichergehen, dass du da drinnen nicht bewusstlos wirst, du kleiner Penner!“ erklärte Derek mit jenem Quentchen Restgeduld, welches er noch übrig hatte: „Ich kann aber nicht pinkeln, wenn mir jemand zuhört. Ich habe eine scheue Blase.“ jammerte Stiles: Derek schlug seine Stirn mehrfach gegen die Wand und knurrte dann: „Dann lass´ eben nebenher das Wasser laufen! Ich lausche auch nicht.“ „Wehe wenn doch!“ drohte Stiles, verrichtete dann sein Geschäft, wusch sich ein wenig und putzte sich die Zähne. Als er zurückkehrte, saß sein Leibwächter am Tisch und hatte für sie beide Schälchen mit ominösem Inhalt hingestellt: „Setz´ dich! Es gibt Frühstück.“ herrschte er den Jungen an. Stiles blickte naserümpfend in seine Schüssel und wollte wissen: „Was ist denn das für ein komisches Zeug?“ „Vollkornmüsli, ungezuckert, mit Sojamilch?“ gab der Ältere ungerührt zurück. Stiles schüttelte den Kopf: „Sojamilch? Was soll das denn sein? Wie zur Hölle melkt man eine Bohne? Und überhaupt....für mich ist es kein Müsli, wenn nicht reichlich Zucker und kleine Marshmellows drinnen sind. Dieses Vogelfutter kannst du selbst essen, Hale! Mach mir Rührei, oder so!“ Derek ballte die Fäuste, er malte mit den Zähnen und er war kurz davor hochzugehen, wie eine Atombombe. Hatte dieses mickrige Menschlein ihn gerade tatsächlich zu seinem persönlichen Lakaien degradiert? Das war doch wohl nicht möglich? Wieso in Drei-Gottes-Namen provozierte dieser kleine Mistkerl ihn in einem fort? Man kümmerte sich um ihn, versorgte und beschützte diesen Jungen, machte ihm sogar Frühstück und nun das? Es war zwar nichts Neues, dass Stiles ein anstrengendes Großmaul war und meist redete, ehe er nachdachte, doch heute Morgen reizte er Derek doch aus purer Absicht, als legte er es darauf an, den Werwolf auf die Palme zu bringen? Derek blitzte den Jüngeren zornig an, im Grunde fest entschlossen, ihm Schmerz zuzufügen, um ihn zum Schweigen zu bringen und ihn ein wenig Demut zu lehren. Doch dann musste der Werwolf ein zweites Mal in zwei Tagen an seinen kleinen Bruder denken und da wurde es ihm klar. Er atmete tief durch, um seinen Blutdruck wieder halbwegs in seinen Normalzustand zu versetzen und fragte dann sehr ruhig: „Du hasst es, oder?“ Stiles, der gerade wie gebannt in seine Müslischüssel mit ihrem grauenhaft-gesundem Inhalt gestarrt und mit dem Löffel darin herumgestochert hatte, blickte ruckartig auf: „Was meinst du?“ fragte er misstrauisch zurück: „Du weißt was ich meine. Du hasst es, verletzt zu sein; ein Opfer. Du hasst es, dass es dir schon wieder passiert.“ stellte Derek fest. Und er musste nicht näher ausfuhren was er meinte. Sie wussten es beide. Es war nicht lange her, dass ein uralter, japanischer Fuchsgeist sich in Stiles eingenistet, ihn beinahe umgebracht und einen Haufen Schrecken, Terror und Tod in seinem Umfeld verbreitet hatte. Stiles hatte noch gar nicht die Chance erhalten, diesen Horror wirklich zu verarbeiten. Der Jüngere ließ den Löffel klirrend in seine Schüssel fallen, verschränkte die Arme vor der Brust und antwortete mit finsterer Miene und antwortete: „Natürlich hasse ich es. Was ist das denn für eine blöde Frage? Wer will schon ein Opfer sein? Aber davon weißt du ja nichts, Superman! Du hast deine dicken Muskeln und deine übernatürlichen Kräfte.“ Derek musste gar nichts sagen. Sein Blick verriet bereits alles. Und da wurde es dann auch Stiles klar, was für einen Müll er gerade von sich gegeben hatte. Warum war Derek denn überhaupt jener Mann, welcher heute vor ihm saß; muskulös, hart im nehmen, trainiert in verschiedenen Kampfsportarten und mit dem eisernen Willen zu kämpfen und zu siegen? Er war so weil er es nur zu genau wusste, was es bedeutete ein Opfer zu sein, alles zu verlieren, Angst zu haben... Der unfassbare Verrat durch die Frau, die er einst geliebt hatte und die Flammen, welche beinahe jeden verschlungen hatten der ihm nahestand, hatten ihn dazu gemacht. „Sorry Mann... uhm... ich... ich habe nicht nachgedacht.“ stammelte Stiles. Derek nickte leise und forderte: „Iss´ dein Frühstück, Stiles.“ Kapitel 4: Man with a plan -------------------------- „Ich werde dich jetzt eine Weile allein lassen.“ kündigte Derek an: „Sollte sich jemand dem Haus nähern, dann gibt es einen Notausgang, den du benutzen wirst. Er führt zu einem Rettungstunnel.“ „Notausgang? Was denn für ein Notausgang?“ fragte Stiles ratlos und blickte sich suchend um: „Und überhaupt, wo willst du denn jetzt hin? Shopping vielleicht? Oder etwa eine kleine morgendliche Joggingrunde, um dir das Frühstück wieder abzutrainieren?“ Derek rollte mit den Augen, erhob sich vom Tisch und bückte sich. Was vorher gut getarnt war, von einem kleinen Läufer vor dem Bett, entpuppte sich als eine verborgene Falltür, welche in einen tiefen, dunklen Schacht führte, den man durch, in die Wand eingelassene Stufen erreichen konnte: „Der Tunnel gabelt sich nach etwa einer halben Meile. Wenn du nach links gehst, kommst du bei der Höhle raus, wo mein Wagen steht. Gehst du nach rechts, kommst du zurück zur Bundesstraße, auf der wir hergekommen sind. Hoffen wir, dass du die Tunnel niemals nutzen musst.“ führte Derek aus: „Ich werde jetzt telefonieren gehen. Ich rufe Scott an, um zu hören wie bei den anderen die Lage ist.“ „Und wieso musst du dafür weggehen? Hast du etwa Angst, dass ich lausche, oder wie?“ fragte Stiles verständnislos. Derek Miene verfinsterte sich: „Was stellst du denn für dämliche Fragen? Denkst du etwa, hier mitten im Nirgendwo hätten wir Netzempfang? Denk´ doch mal nach, Stiles!“ „Entschuldige mal!“ pumpte sich der Jüngere entrüstet auf: „Ich habe gehörig eins über die Rübe bekommen. Das erhöht nicht gerade die Denkleistung!“ Er verschränkte schmollend die Arme vor der Brust. Dann kam ihm ein Gedanke, er änderte seine Politik und bat mit Kreide in der Stimme: „Wenn du schon telefonieren gehst, kannst du dann bitte auch meinen Dad anrufen? Ich will dass er weiß, dass es mir gut geht.“ Derek freute sich nicht darauf, mit dem Sheriff zu sprechen, wo er doch praktisch der Entführer von dessen minderjährigem Sohn war. Dennoch versicherte er: „Ich sage ihm Bescheid.“ Bevor Derek sich auf den Weg machte, beschwor er seinen Schützling: „Ich werde mindestens eine Stunde fort sein. Bleib im Haus, solange ich weg bin. Du setzt keinen Fuß vor die Tür, verstanden? Setz´ dich einfach ans Fenster und behalte die Gegend im Blick! Und falls jemand kommt, dann verschwindest du durch die Falltür!“ „Aye, Sir!“ machte Stiles und salutierte spöttisch. Derek warf einen letzten strengen Blick zurück, ehe er sich auf den Weg machte. Natürlich dachte Stiles gar nicht daran, Dereks dreister Bevormundung zu folgen. Im Grunde kam es ihm ganz gelegen, dass der alte Grummelwolf für eine Weile weg war, denn er hatte einen Plan, welchen ihn sein Beschützer sicherlich nicht hätte umsetzen lassen. Stiles hatte nämlich nicht die Absicht, sich einzig darauf zu verlassen, dass Derek ihn beschützen könnte, wenn ihre Widersacher sie finden würden und es lag nicht daran, dass Stiles Zweifel an den Kampfkünsten seines Bodyguards gehabt hätte. Nein, er wusste genau, dass Derek stark, erfahren und ausgesprochen überlebensfähig war. Dennoch würden diese anderen Wölfe nichts dem Zufall überlassen und wären bei einem Angriff mit Sicherheit zahlenmäßig mehr als überlegen. Also war es ja wohl an Stiles und seinem Superhirn, dieses unfaire Ungleichgewicht irgendwie auszugleichen, denn immerhin war er derjenige, der stets einen Plan hatte und in letzter Sekunde den Karren für sein Rudel aus dem Dreck zog. So sah Stiles sich zumindest selbst und wenn die anderen ehrlich wären, dann würden sie ihm Recht geben. Er hatte sogar schon manchmal darüber nachgedacht, sich selbst Visitenkarten drucken zu lassen: `Stiles Stilinski – Der Mann mit dem Plan´! Als erstes warf er einen Blick in die Tasche, welche Scott für ihn zusammengepackt hatte. Er mochte gestern Abend zwar nicht ganz bei sich gewesen sein, dennoch war ihm doch so gewesen, als habe sein bester Freund ihm neben sauberer Unterwäsche, Zahnpasta und Co. auch noch etwas anderes, ausgesprochen Sinnvolles eingepackt. Er kramte ein wenig herum und zog einen Moment später triumphierend einen Viehtreiber hervor. 10.000 Volt in seiner Hand – ausgezeichnet! Damit ließ sich doch etwas anfangen, falls es zu einer körperlichen Auseinandersetzung kommen sollte. Effektiver im Kampf gegen Fänge und Klauen als ein Baseballschläger war so ein Ding allemal! Doch das allein reicht Stiles nicht, um sich gewappnet zu fühlen. Ihm schwebte ein wenig biologische Kriegsführung vor und glücklicherweise bot der Wald selbst ihm die effektivsten Waffen, welche es gegen feindselige Werwölfe gab. Und so versicherte sich Stiles durch die Fenster, dass keine Feinde in der Nähe waren und auch dass Derek bereits weit genug weg war, um nicht mitzubekommen, dass er seinen Anweisungen zuwider handelte, stahl sich aus der Hütte und machte sich humpelnd auf die Suche nach dem, was er brauchte. Auf einer kleinen Lichtung fand er die Nummer eins auf seiner Liste: Der blaue Eisenhut stand in schönster Blüte und Stiles pflückte einen großen Strauß davon. Um an den gesuchten Mistelzweig heranzukommen, musste Stiles sich ein bisschen mehr ins Zeug legen, denn dafür musste er hoch in die Krone einer alten Eiche klettern, wo die Pflanze parasitär wuchs. Zuletzt brach Stiles einen stabilen Ast aus einem Ebereschenbusch, aus welchem er später einen Speer fertigen würde. Nun war er bestens für alle Eventualitäten gerüstet und kehrte zur Hütte zurück, wo er seine Wolfsabwehrwaffen in Tüten verpackt unten im Fluchttunnel versteckte, weit genug weg, um seinem persönlichen Schutzwolf damit keinen Schaden zuzufügen. Nach getaner Arbeit legte Stiles sich wieder ins Bett, denn irgendwie war ihm mit einem Mal gar nicht mehr so gut. In seinem Kopf tobte sich ein Presslufthammer aus und sein Fuß puckerte fröhlich und war geschwollen, wie ein Fesselballon. Stiles war gerade dabei wegzudämmern, als sich die Tür öffnete und Derek eintrat: „Was ist denn mit dir los? Geht´s dir etwa wieder schlechter?“ frage dieser sogleich alarmiert: „Bloß ein bisschen müde.“ erwiderte Stiles leichthin. Derek knurrte leise und stellte klar: „Ich kann es hören, wenn du lügst, Stiles! Was war wirklich hier los? Was hast du wieder angestellt?“ „Also gut, ich habe gewichst, zufrieden?“ gab Stiles zurück, in der Hoffnung diese Behauptung sei peinlich genug, um den Werwolf von seiner Lüge abzulenken und zum Schweigen zu bringen. Dereks Knurren wurde bedrohlicher: „Lass´ den Quatsch! Das würde ich doch riechen. Was hast du wirklich getan, hm? Du warst draußen, richtig?“ „Ich brauchte ein paar Sachen.“ murrte Stiles ein wenig kleinlaut: „Na und? Ich war vorsichtig!“ „Du solltest dich schonen, du kleiner Idiot! Ist an dieser Forderung irgendetwas zu kompliziert für dich? Sich schonen bedeutet, sich ruhig zu verhalten, sitzen, liegen, schlafen, aber bestimmt nicht draußen herum zu hampeln, wie ein Affe! Und schon gar nicht, wenn da möglicherweise gefährliche Leute herumlaufen, die es auf dich abgesehen haben. Was zur Hölle war denn so wichtig, dass du da rausgehen musstest? Kannst du mir das mal erklären?“ pöbelte Derek. Also erklärte Stiles es und hielt sich diese Mal an die Wahrheit. „Verdammt, Stiles, ich hätte das Zeug doch genauso gut für dich holen können.“ behauptete Derek, nachdem er sich Stiles Backup-Plan angehört hatte. Der Mensch lachte verächtlich: „So, so, du wärst also mit einem hübschen Strauß Eisenhut durch den Wald spaziert, um dann auf dem Heimweg einen lustigen Erstickungstod zu sterben, ja? Nein, das musste ich allein tun und das weißt du genau. Und nur zu deiner Information: Du hast nicht das Monopol auf den Superhelden-Komplex, Mister. Ich will helfen! Ich bin eben einfach nicht der Typ, der das heimische Herdfeuer bewacht und sich aus allem heraushält. Ich will kämpfen und tue es mit den Mitteln, die mir zur Verfügung stehen. Und jetzt lass´ mich schlafen. Mir platzt gleich der Kopf!“ Überraschenderweise hatte Derek offenbar nicht die Absicht, ihren Streit fortzusetzen. Er nickte lediglich und ließ Stiles dann wissen: „Denk´ nicht ich würde dir nun deine Schmerzen nehmen. Die hast du dir selbst zuzuschreiben!“ Er deckte Stiles ordentlich zu und fügte beinahe sanft hinzu: „Bei Scott gibt es übrigens noch nichts Neues. Sie haben Melissas Spur verloren und suchen weiter. Und dein Dad grüßt dich. Er vermisst dich und macht sich Sorgen.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)