Die Sonne, der Mond und die Wahrheit von GingerSnaps ================================================================================ Kapitel 1: Die Sonne, der Mond und die Wahrheit ----------------------------------------------- Das Lacrossefeld badete im gleißenden Licht der Sonne. Die Jungs die über den Rasen rannten, waren in ihr Spiel vertieft und hätten Derek vermutlich ohnehin nicht entdeckt, doch er wollte ganz sicher gehen. Und so verbarg er sich zwischen den Bäumen, an einem Platz, von wo aus er einen guten Blick hatte und mit seinen Augen verfolgte er das, was ihm bereits seit Wochen keine Ruhe mehr ließ. Das Tier in ihm hatte das Ziel fest fokussiert. Es war die Nummer Vierundzwanzig, seine Beute, dass schwächste Mitglied der Herde. Ihm galt Dereks ganze Aufmerksamkeit und er lag den ganzen Nachmittag auf der Lauer in seinem Versteck, bis das Training endete, die Mannschaft das Spielfeld verließ und zum Duschen ging. Und da erst trottete auch der Wolf heimwärts: unerfüllt, unzufrieden, mit erhitztem Blut und jede Faser seine Körpers bis zum Bersten angespannt. Die Nacht brach herein. Derek wälzte sich in seinem Bett und der blanke, kalte Mond, dessen silbernes Licht durch das große Fenster in seinem Loft schien, sang ihm ein Lied. Und dies wahr wahrlich keine „Kleine Nachtmusik“. Vielmehr glich es einer Oper von Wagner – donnernd, gewaltig und ohrenbetäubend. Nein, an Schlaf war auch in dieser Nacht mit Sicherheit wieder einmal nicht zu denken. Und wenn Derek nicht schlafen konnte, dann kamen die unerwünschten Gedanken. Sie suchten ihn immer öfter heim. Unerwünscht und ungebeten tauchten Bilder vor seinem geistigen Auge auf; Bilder von großen, hellbraunen, dicht bewimperten Augen, welche ihn durchdringend anblickten; von weichen, geschwungenen, zart rosafarbenen Lippen; von unverschämtesten Grinsen, dass man sich überhaupt nur vorstellen konnte; von schönen, großen Händen mit langen, kräftigen Fingern daran, von der schlanken, stets nervösen und rastlosen Gestalt. Derek stellte sich vor ihn zu packen, festzuhalten; so fest, dass ihm das freche Grinsen verging; so fest dass er endlich zu zappeln aufhörte; so fest, dass er ihm nicht mehr entkommen konnte. Weil es Derek wahnsinnig machte! Weil es endlich aufhören musste, sein Denken und Fühlen, ja seine gesamte Existenz zu beherrschen! Weil er diesen lächerlichen kleinen Burschen HASSTE! Nur dass das nicht der Wahrheit entsprach. Er hasste ihn gar nicht. Er wünschte sich lediglich, dass er ihn hassen würde. Das wäre so viel leichter. Das wäre so viel erträglicher. Doch was war die Wahrheit? Die Wahrheit war, dass Derek diese Träume hatte. Wirklich beunruhigende Träume. Wirklich seltsame Träume. Wirklich aufregende Träume. Die Wahrheit war, dass Dereks Gedanken immer nur um diese eine Sache kreisten. Um diesen Jungen. Um diesen Menschen. Um diesen dürren, wehrlosen, kleinen Nerd. Doch war Stiles das wirklich; wehrlos? Er war mutig, das war überhaupt keine Frage. Er war geradezu tollkühn, oft bis weit über die Grenzen des gesunden Menschenverstandes hinaus. Und selbst wenn dieser Junge Angst hatte, war er nie um einen dummen Spruch verlegen, nahm er den Mund immer noch viel zu voll. Irgendwann würde das wohl noch sein Ende sein, weil er damit an den Falschen geraten würde. Und irgendwer würde wohl auf ihn aufpassen müssen. Jemand der stark und mutig war. Ein Kämpfer. Andererseits hatte Stiles schon so viele Angriffe überlebt und den Wahrscheinlichkeiten getrotzt, mit nichts weiter bewaffnet als seinem Sarkasmus und einer Baseballkeule. Was war nur mit Derek geschehen? Was also war die Wahrheit? Derek musste an den buddhistischen Ausspruch aus seiner Jugend denken, von damals, als er als junger Wolf um Kontrolle gerungen hatte, über seine eigene wilde, unbändige Natur. Die Worte lauteten: "Drei Dinge können nicht lange verborgen bleiben – Die Sonne, der Mond und die Wahrheit". Und die Wahrheit war... ... Derek war verliebt. Und dabei spielte es keine Rolle, wie unwillkommen dies war, wie unglaublich ärgerlich und wie unfassbar dumm. Es spielte auch keine Rolle, dass die Sache vermutlich einseitig war, ihn der Lächerlichkeit preisgeben und ins Unglück stürzen würde. Derek war verliebt... …in Stiles. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)