Hinamizawa, Oktober 1983 (Halloween) von _Lif_ ================================================================================ Kapitel 1: - Fragen - --------------------- Keiichi und Rena waren mit ihren Fahrrädern vom Dorf Hinamizawa zur Nachbarstadt Okinomiya herübergefahren, um die letzten Besorgungen für die Party am Abend zu erledigen. Für die Party hatten sie sogar die Erlaubnis, den Klassenraum ihrer kleinen Dorfschule zu benutzen. Doch Mion hatte den beiden Freunden eine Einkaufsliste mit allerlei exotischen Dingen in die Hand gedrückt, sodass sie eine halbe Ewigkeit brauchten, ehe sie alles beisammen hatten. Mit einem tiefen Seufzer verließen die beiden das letzte Ladengeschäft. Keiichi streckte sich samt der Einkaufsbeutel. "'Puh! Die Zeit für Feuerwerke ist doch längst vorbei! Ob sich Mion mit den paar Knallfröschen und Wunderkerzen zufriedengeben wird?"' Rena kicherte hinter vorgehaltener Hand. "'Wenn sie einen Grund für ein Bestrafungsspiel braucht, wird sie einen finden."' Die beiden traten neben ihre Fahrräder. "'Moment mal."' Rena sah nach unten. Jemand hatte ihnen die Reifen aufgeschlitzt. Keiichi ließ eine Schimpftirade los, während Rena versuchte, ihn zu beruhigen. "'Aber wir kommen zu spät! Mion wird uns die Leviten lesen!"' "'Wir können doch nichts dafür, Keiichi-kun. Lass uns einfach in der Schule anrufen und Bescheid geben."' Beide eilten zur nächsten Telefonzelle und warteten gespannt darauf, dass jemand ans Telefon ging, doch nichts dergleichen geschah. "'Sind wohl mit den Vorbereitungen beschäftigt. Na gut, dann beeilen wir uns einfach, Rena."' Die beiden ließen ihre Fahrräder zurück und traten den Rückweg zu Fuß an. Nach einer guten Stunde erreichten sie das Schulgebäude in Hinamizawa. Mittlerweile war es dunkel und ein leichter Neben aufgezogen - nichts Ungewöhnliches für diese Jahreszeit. Von draußen sah man Licht im Klassenzimmer brennen. Als sie das Gebäude betraten, hörten sie auch schon die stimmungsvolle Musik durch den Korridor hallen, den sie nun eiligen Schrittes durchquerten. Keiichi riss die Tür auf. "'Leute, wir sind wieder da-ha! 'Tschuldigt, dass es so lange—"'. Es war niemand im Klassenzimmer, doch die Tische und Stühle lagen herum, als hätte sie jemand durch den Raum geworfen. "'Leute? Das ist nicht lustig!"', rief Keiichi unsicher. "'Keiichi-kun! Es sieht aus, als hätte hier jemand gekämpft!"' Rena strich besorgt über eine fiese Delle in ihrem Tisch, die bislang nicht darin gewesen war. Dann lief sie zu ihrem Spind hinüber und zog einen braun-karierten Mantel heraus. Im nächsten Moment hatte sie sich auch schon in ein Abbild von Sherlock Holmes verwandelt – samt Mütze, Pfeife und Lupe. "'Lassen Sie und überlegen, was passiert sein könnte. Doktor Watson, die Fakten bitte."' Keiichis linkes Auges zuckte. "'Das ist nicht witzig, Rena!"' Sie machte ein schmollendes Gesicht. "'Aber genau das hatte ich auf meinen Wunschzettel für die Spiele heute Abend geschrieben! Ich wollte ein Rätsel lösen!"' Keiichi verlor allmählich die Geduld. "'Aber das hier geht zu weit! Erst die Fahrräder, dann geht keiner ans Telefon. Und dann sind wirklich alle verschwunden und überall diese üblen Kampfspuren?!"' Rena zeigte mit dem Pfeifenende auf ihn. "'Scharf beobachtet, Doktor Watson."' Keiichi ballte wütend die Hand zur Faust. "'Was für ein übler Scherz. Ich zerr die anderen aus ihren Verstecken."' Er drehte sich in der Tür um und hielt inne. Plitsch, plitsch, plitsch. Er kniff die Augen zusammen, um etwas im schummrigen Korridor erkennen zu können. Von der Decke tropfte es in einen Blecheimer. Das Seltsame daran war, dass über dem Flur kein undichtes Dach lag, sondern noch ein Stockwerk folgte. "'Du... Rena..."' Sie kam näher und folgte seinem Blick. Alarmiert sahen sich die beiden an. Ohne ein Wort zu wechseln, sprinteten sie in den ersten Stock hinauf. Keiichi legte den Lichtschalter am oberen Ende der Treppe um, doch nichts geschah. Sie tasteten sich ein paar Schritte vor, während sich ihre Augen bereits an die Dunkelheit gewöhnten. Rena krallte Keiichi in die Schulter, um ihn zurückzuhalten. Dann flüsterte sie ihm ins Ohr: "'Da vorne, Keiichi-kun. Siehst du das? Sitzt da jemand?"' "'Rika-chan!"' Ohne Nachzudenken, rannte Keiichi zu der jungen Mitschülerin herüber und legte ihr die Hände auf die Schultern. Ihre Augen blieben geschlossen, auch als er sie sanft rüttelte. "'Rika-chan, mach die Augen auf! Das ist wirklich nicht mehr lustig!"' Sie reagierte nicht. Nun sah Keiichi auch, dass ihr scheinbar Blut über die Stirn lief. Mit böser Vorahnung fasste er auf den Boden. Der zerschlissene Teppich war feucht. Als er die Hand dicht vor sein Auge hielt, erkannte er, dass an seinen Fingern ebenfalls eine dunkle Flüssigkeit klebte. Rena war derweil neben ihn getreten. Im nächsten Moment spürten die beiden eine geisterhafte Präsenz ganz nah bei Rika. Mit einem spitzen Aufschrei wichen sie zurück. Keiichi ergriff Renas Hand, stolperte mit ihr die Treppe hinunter und dem Haupteingang entgegen. Schwungvoll stieß er die Tür auf. Der Nebel hatte sich verdichtet. Nah bei ihnen klirrte Metall auf Metall. Eine Gestalt trat aus dem Nebel und hielt ein Katana in der Hand. Keiichis Nackenhaare richteten sich auf, doch er stellte sich schützend vor Rena. "'Lauf! Sag den Erwachsenen Bescheid!"' "'Nein, Keiichi-kun!"' Rena riss ihn mit sich, doch die Gestalt blieb ihnen dicht auf den Fersen. "'Du nach rechts, ich nach links! Ich verspreche, ich finde dich, Keiichi-kun!"' Damit schubste sie seine Hand beiseite, damit sie sich aufteilten. Keiichi rannte, so schnell er konnte. Dann wagte er es, hinter sich zu blicken – die Gestalt war verschwunden. Ein Schauer lief ihm über den Rücken. Oh nein! Ist sie Rena gefolgt? Keuchend blieb er stehen und schaute zurück, in der Hoffnung, dass Rena ihn einholte, denn die sicheren Häuser waren nicht mehr fern. Das Beste wäre, ich hole Hilfe! Aber wenn ich sie jetzt zurücklasse..! Tapp Tapp. Er verharrte und schaute zurück. Aus dem Nebel näherte sich eine schlanke Gestalt – es war Rena. Erleichtert atmete Keiichi auf. Doch Rena wirkte verändert. Mit weit aufgerissenen Augen blickte er auf die Machete in ihrer Hand. "'Rena..?"' "'Was ist, Keiichi-kun?"' Ein verzerrtes Grinsen erschien auf ihrem Gesicht. "'Ich habe dir doch versprochen, dass ich dich finde."' Keiichi wich einen Schritt zurück. Dann noch einen. Dann rannte er los, doch im nächsten Moment verfing sich sein Fuß und er stürzte mit einem Aufschrei zu Boden. Unvorbereitet schlug er hart mit dem Kopf auf. Sein letzter Gedanke war blankes Entsetzen, dann verlor er das Bewusstsein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)