Schwarzer Kaffee von -Krone- ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Es war ganz einfach, Severus Snape hasste seinen Job, da gab es nichts zu diskutieren und auch nichts zu beschönigen. Das Problem war, dass er gut darin war und in sonst nichts, also kochte er eben professionell Kaffee. Barista nannte man das heutzutage. Snape hasste diese Bezeichnung. Er hasste es auch, dass seine Kollegen ihn Sev nannten. Er hätte sie darum bitten können, seinen vollen Namen zu benutzen, aber wozu die Mühe. In seinem alten Job, den er ebenso gut gemacht und ebenso inbrünstig gehasst hatte, hatte es auch nichts gebracht. Sev also. Immerhin stand das nicht auf seinem Namensschild. Es war nicht so, als wäre ihm der Gedanke nie gekommen, dass er mit seinem Leben auch einfach etwas anderes anfangen konnte, aber ihm fiel nichts ein, was er weniger hassen würde und so blieb er einfach bei dem, was er schon immer gemacht hatte. Manch einer würde sagen, Kaffee kochen sei keine große Kunst und eventuell würde Severus dem sogar zustimmen, um eine Diskussion zu vermeiden, aber seine Kunden waren definitiv anderer Meinung. "Unfreundliche Bedienung, aber der Kaffee war einsame Spitze! 4/5 Sternen" Wo wir gerade davon sprechen, Severus hasste Kunden. Immer hatten sie irgendwelche Sonderwünsche, obwohl sie nichts von Kaffee verstanden. Immer diskutierten sie. "Nein, ich kann Ihnen keinen Mocha ohne Schokolade machen. Der Manager wird Ihnen auch nichts anderes sagen als ich, ein Mocha ohne Schokolade ist ein Latte Macchiato. Von mir aus. Al, kannst du mal kommen und der Dame erklären, was ein Mocha ist?" Am schlimmsten waren die Typen, die schon telefonierend hereinkamen, ohne einen Gruß oder ein "Bitte" einen schwarzen Kaffee bestellten und dann für die nächsten Stunden an ihre Handys und ihre MacBooks geklebt einen Tisch für vier blockierten, als wären sie der verdammte Mittelpunkt des Universums. Severus hatte genug von ihren schicken Aktentaschen, ihren frisierten Bärten und ihrer großkotzigen Attitüde. Hatte auch nur einer von ihnen schonmal selbst versucht verdammte Hafermilch aufzuschäumen? Sowas Bescheuertes. Immer die gleichen Gesichter, jeden Tag von sechs bis zwei und dann durfte sich ein anderer mit ihnen rumschlagen. "Welchen Namen soll ich draufschreiben?" "Für Harry, bitte." Heute hatte er Iced Espresso bestellt, zum Mitnehmen. Das hieß, es war ein guter Tag. Er kam fast täglich hierher, blieb selten und versuchte keine Konversation zu führen. Ein sportlicher Typ, jung, attraktiv, wahrscheinlich beliebt. Selbstbewusste Ausstrahlung. Trug Sportschuhe und bedruckte Shirts zu einer Anzughose, der Inbegriff des modernen, erfolgreichen Businesstypen. Severus stellte sich vor, dass solche Typen in Start-ups arbeiteten mit einem Kickertisch und kostenlosen Getränken im Pausenraum und am Freitag nach der Arbeit gab es Freibier für alle und dann verglichen sie untereinander, wer in dieser Woche die meisten Überstunden gemacht hatte und klopften sich dafür gegenseitig auf die Schultern. Ihm selbst käme nie in den Sinn, Überstunden zu machen und er trug auch keine Sportschuhe zu Anzughosen. Auf der Arbeit trug er schwarz, weil sein Chef das so wollte und weil es nichts gab, wo er nach der Arbeit hingemusst hätte, trug er auch danach noch schwarz, weil es eben praktisch war. Er gab sowieso wenig auf sein Äußeres, meist machte er sich noch nicht einmal die Haare zusammen, selbst wenn sie ihm in langen Strähnen ins Gesicht fielen. Es gab Wichtigeres im Leben, auch wenn er noch nicht herausgefunden hatte, was das war. "Welcher Name?" "Harry. Solltest du das nicht langsam wissen?" Severus zuckte die Schultern und machte sich an die Zubereitung eines White Chocolate Mocha mit extra Sahne. Ein gemütlicher Tag also. Erst letzte Woche hatte er eine Kundin gehabt, die auf laktosefreie, fettreduzierte Milch bestanden hatte "um sich die Sahne leisten zu können". Er hatte es aufgegeben, mit den Leuten zu diskutieren, aber das bedeutete nicht, dass er sie innerlich nicht verurteilte. Und wahrscheinlich konnte man ihm das von der Nasenspitze ablesen, wenn er an die Reaktion der Kundin zurückdachte, aber das war ihm ziemlich egal. Heute regnete es und der junge Businesstyp – Harry – setzte sich ans Fenster, um seinen Kaffee zu trinken. Kein Meeting gleich am Anfang des Tages? Severus beobachtete ihn, während er mechanisch das Geschirr spülte. Natürlich kannte er inzwischen seinen Namen, immerhin kam er fast jeden Tag ins Café, bestellte etwas Passendes zu seiner Stimmung und ließ ein freundliches Lächeln da. Severus würde einen Teufel tun, das zuzugeben, sonst wurde als nächstes von ihm verlangt, dass er sich die Bestellungen aller Stammkunden merkte und für ihn gab es keinen schlimmeren Alptraum, als jemanden, der "das Übliche" bestellte. Harry also. Severus gab nicht viel auf seine Mitmenschen schon gar nicht auf Kunden. Aber irgendetwas faszinierte ihn an diesem speziellen jungen Mann und er ertappte sich dabei, dass er jeden Morgen darauf wartete, dass er ins Café kam und an Tagen, an denen er nicht kam, ertappte er sich dabei, dass er enttäuscht deswegen war. Sowas Albernes. Er war noch nicht mal sein Typ. Zu hip, zu beschäftigt, zu fucking freundlich. Und dieser alberne out-of-bed Look. Severus vermutete, dass es ihn morgens mindestens eine Stunde kostete, so auszusehen, als sei er gerade erst aufgestanden, so gewollt lässig. Das war doch wirklich zu albern. Und dennoch. "Zweimal Cappuccino zum Mitnehmen bitte. Für Harry, falls du wieder fragen willst." Heute war er in Begleitung. Eine junge Frau, ungefähr im gleichen Alter. Lange rote Haare, gleiche lässige Startup-Ausstrahlung. Wahrscheinlich seine Freundin, vielleicht ein Date, Cappuccino war ein unverfängliches Getränk. Er spürte einen kleinen Stich bei dem Gedanken. Albern. Sie wirkten vertraut miteinander, sahen gut zusammen aus. Schön für dich, Harry, dachte er und musste sich selbst davon überzeugen, dass er es auch so meinte. Seine kleine Träumerei hatte nichts mit der Realität zu tun, die war so wie sie immer war, langweilig, ereignislos, deprimierend. Nicht wie in einem dieser Filme, wo eines Tages dein Traumprinz durch die Tür kommt und dich auf ein Abenteuer entführt und dann musst du nie wieder zurück in deinen öden Job. So funktionierte das Leben nicht und Severus wusste das. Sein Leben bestand aus schmerzenden Füßen, Mikrowellenessen und Kaffee und eigentlich war das auch in Ordnung. Naja, in Ordnung. Ertragbar vielleicht. Aber erfahrungsgemäß machten weder Freunde noch Liebschaften das Leben ertragbarer. Also flüchtet man sich in Fantasien um nicht zu viel darüber nachdenken zu müssen, wie ätzend eigentlich alles ist. Manchmal sogar unerträglich. "House Coffe, schwarz." "Schlechter Tag heute?" "Was meinst du?" Severus zuckte die Schultern und machte sich an die Zubereitung das Kaffees. Er hatte ihn ein paar Tage nicht gesehen und sich schon gefragt, ob er vielleicht umgezogen war. In einen anderen hippen Stadteil mit noch mehr Startups. Oder ob er vielleicht auf einem Businesstrip war. Oder ob er vielleicht einfach ein besseres Café mit einer netteren Bedienung gefunden hatte. "Nein, ernsthaft, was meinst du?" "Keine Ahnung, mir ist nur aufgefallen, dass der Kaffee immer zu deiner Stimmung passt und schwarzer Kaffee erschien mir ein bisschen düster." "Also erinnerst du dich doch an mich?" Severus zuckte wieder die Schultern und stellte Harry seinen schwarzen Kaffee hin. Der lehnte sich an den Tresen und blickte Severus unverwandt an. "Naja, du kommst schließlich jeden Tag her, oder?" "Und du fragst mich jeden Tag nach meinem Namen." Severus wusste nicht, was er darauf antworten sollte, also füllte er die Stapel mit den Pappbechern und den Plastikdeckeln auf. Honig und Zucker mussten eigentlich auch nachgefüllt werden, aber dafür hätte er ins Lager gemusst und dafür hätte er Harry hier stehen lassen müssen und das wollte er gerade nicht. "Also um deine Frage zu beantworten, kein schlechter Tag, aber auch kein guter." "Streit mit deiner Freundin?" "Ich habe keine Freundin", lachte Harry, doch Severus konnte nicht mehr darauf eingehen, denn schon kam der nächste Kunde durch die Tür und verlangte nach seiner Aufmerksamkeit. Als er die Bestellung von vier Frappuccino (alle mit unterschiedlichem Sirup, alle mit unterschiedlichem Milchersatz) endlich zubereitet hatte, war Harry schon verschwunden. Natürlich. Keine Freundin also. Severus wusste nicht so recht, was er mit der Information jetzt anfangen sollte, wahrscheinlich gar nichts, weil am Ende nichts von Bedeutung war. Es würde keinen Unterschied machen. Weil Fantasie keine Realität ist, auch wenn man es sich noch so sehr wünscht. Und so sehr wünschte er sich noch nicht einmal irgendwas. Fantasie war angenehm, weil sie einen von der Realität ablenkte, nicht weil sie einem zeigte, was hätte, könnte, würde. Wenn er etwas wusste, dann das. Und dennoch war es interessant. "Einen Erdbeer-Acai-Shake mit Kokosmilch und frischen Beeren. Und extra Sahne. Na, was sagt das über meine Stimmung heute aus?" Severus musste fast lachen. "Sehe ich etwa aus, als würde ich bei Starbucks arbeiten?" "Okay, dann halt einfach nur einen Erdbeer-Frappuccino, das habt ihr da, oder?" "Welcher Name?" Severus grinste schief, als er fragte und Harry begann selbst zu lachen. "Schreib von mir aus Dudley drauf, wenn dich das glücklich macht, ich weiß ja, welcher Drink meiner ist." Und er wusste nicht, woran es lag, ob er heute morgen mit dem falschen Fuß aufgestanden war oder ob irgendetwas in der Luft lag, aber plötzlich überkam ihn der Drang, seiner Realität einen Schubs zu geben. "Hast du heute nach der Arbeit schon was vor? Ich könnte dich auf einen Kaffee einladen, ich kenne da einen guten Laden." Und Harry sagte ja. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)