Vogelfrei von lunalinn ================================================================================ Kapitel 4: Das Blut ------------------- In den darauf folgenden zwei Tagen ließ sich der Dämon nicht mehr bei ihnen blicken und sie fanden auch keine Spuren von diesem. Nicht mal die roten Federn. Seine Hoffnung darauf, dass sich seine beiden Gefährten aufgrund des gemeinsamen Trinkens in der Taverne näher gekommen waren, begrub Toshinori recht schnell wieder. Irgendwie schien vor allem Enji seit dem Überfall auf die Dörfler noch schlechter auf Aizawa zu sprechen zu sein, als es zuvor der Fall gewesen war. Dabei hatte dieser sie beide doch sogar im Kampf unterstützt, wenn er sich recht entsinnte. Er verstand wirklich nicht, was da passiert war, doch er hielt es für das Beste, sich vorerst nicht einzumischen. Schließlich waren die beiden erwachsene Männer, die so etwas bestimmt unter sich regeln konnten. Enji und er hatten früher auch viele Dispute gehabt und dennoch schützten sie heute einander den Rücken, waren sogar Freunde geworden. Bei der Erinnerung an damals musste er leicht schmunzeln, da er sofort das Bild eines jüngeren Rotschopfes, welcher ihn zum Kampf forderte, im Kopf hatte. Soweit er sich erinnerte, war Toshinori der erste Gegner in dessen Altersklasse gewesen, den er nicht hatte schlagen können. Wie hatte dies damals an Enjis Stolz gekratzt… „Was zur Hölle…?!“ Toshinori blickte auf, als ihn die Stimme seines Kameraden aus den Gedanken riss und direkt packte er Morgensterns Zügel fester, legte an Tempo zu, um zu dem anderen aufzuschließen. Aizawa, der sich mittlerweile wohl ein bisschen ans Reiten gewöhnt hatte, zuckte heftig zusammen und krallte sich abrupt an seinen Seiten fest. „Nh…was…?“, hörte er ihn brummen. Hatte dieser etwa an seinem Rücken gedöst? Irgendwie ehrte ihn dieses Vertrauen ja, auch wenn es sonderbar war, auf einem Pferd zu schlafen. Schließlich hätte er herunterfallen und sich etwas brechen können… „Was ist pa-“ Er brach seine Frage direkt ab, als er sah, was seinen Freund zum Innehalten gebracht hatte. Sie hatten den Wald in den frühen Morgenstunden verlassen, nachdem sie ihn zwei Tage lang durchkämmt und nichts gefunden hatten. Sie waren am Fuße des Berges entlang geritten, wo die Bauern ihre Tiere grasen ließen. Möglicherweise war der Dämon wieder hierher zurückgekehrt, um erneut zu wildern. Womit zumindest Toshinori nicht gerechnet hatte, war der schreckliche Anblick, der sich ihnen nun bot. Hinter ihm glitt Aizawa nicht sehr elegant vom Pferd, schaffte es aber, nicht hinzufallen, und schritt durch das blutgetränkte Gras. Sowohl Toshinori als auch Enji zögerten kurz, ehe sie ebenfalls abstiegen und näher kamen. Mit unleserlichem Gesichtsausdruck kniete sich Aizawa neben die Leiche, deren zerfleischtes Gesicht nicht mehr zu identifizieren war. Lediglich ein paar bunte Bänder um die Handgelenke und ein paar längere Haare, an denen…etwas klebte, das vielleicht…Gehirn war…ließen darauf schließen, dass dies mal eine Frau gewesen war. Die Knochen der Frau waren zersplittert, lagen teilweise ein paar Meter weiter verstreut. „…was auch immer sie erwischt hat, war riesig…und hatte scharfe Zähne“, hörte er Aizawa murmeln. Enji schnaubte angewidert. „Vermutlich unser Dämon…oder habt Ihr vergessen, was er mit dem Hirsch gemacht hat?“ Aizawa schwieg kurz, wirkte skeptisch, wenn er auch nicht gleich verneinte. „Ihr sagt es. Der Hirsch wurde von mächtigen Klauen gerissen…das hier…etwas ist anders. An ihren Überresten sind Bisswunden…das müssen gewaltige Kiefer gewesen sein.“ „Und? Die Knochen sind gesplittert, wie bei den Schafen…und wer weiß, wie scharf seine Zähne wirklich sind? Sie können sich tarnen, um uns…menschlicher zu erscheinen…“ Toshinori wandte sich mit einer Mischung aus Ekel und Bedauern ab, während die beiden weitersprachen. Er runzelte die Stirn, als ihm tiefe Rillen in der Erde auffielen…das Gras war an diesen Stellen verdorrt. Ein paar Schritte weiter lagen, inmitten der zerrissenen Schafskadaver, zwei weitere Leichen. Eine davon so klein, dass er den Kopf des Jungen nicht hätte sehen müssen, um zu erkennen, dass es sich um ein Kind handelte. Die leeren Augen waren weit aufgerissen, der Mund zu einem Schrei geformt…es war furchtbar. Was immer hier gewütet hatte, war unglaublich gierig und mordlustig gewesen. Selbst Toshinori war der Meinung, dass dies nicht die Harpyie gewesen sein konnte. Dessen Jagdverhalten mochte maßlos sein, aber nicht auf diese Weise. Jemand mit so einem starken Hang zum Töten konnte sich unmöglich derart zusammenreißen. Nicht mal die Fischer hatte er gerissen, sondern taktisch gehandelt. Nein. Etwas anderes war hier gewesen und hatte die kleine Familie und deren Tiere brutal abgeschlachtet. Toshinori kniete sich neben den abgetrennten Kopf des Jungen und schloss dessen Lider, ehe er sich wieder erhob. Dann ging er zurück zu den anderen beiden, welche immer noch diskutierten, ob es sich um die Harpyie handelte oder nicht. „Seht Euch die Haut an…sie ist violett verfärbt“, argumentierte Aizawa gerade. „Etwas muss sie vergiftet haben…und ich denke nicht, dass unsere Harpyie so etwas kann.“ Enji knirschte mit den Zähnen, weil er offensichtlich nicht widersprechen konnte. „Es ist einerlei, wer oder was es war“, meinte Toshinori ruhig. „Lasst uns diese armen Menschen begraben und Gebete für sie sprechen. Das ist…alles, was wir noch für sie tun können. Danach werden wir diese Bestie jagen.“ Sowohl Aizawa als auch Enji widersprachen ihm nicht, sondern nickten ausnahmsweise in stiller Übereinkunft. Toshinori selbst fühlte neben dem Bedauern blanke Wut; was auch immer dieses schreckliche Gemetzel angerichtet hatte, würde dafür büßen. Er würde nicht eher ruhen, bis dieses Monster erlegt war. Mit diesem Gedanken ging er zur Hütte, wollte sehen, ob er einen Spaten fand, mit dem sie leichter die Erde umgraben konnten. Nachdem sie die kleine Familie begraben und die Kadaver der Schafe beiseite geräumt hatten, ergriff Enji als Erster das Wort. „Nun, Fährtenleser? Irgendeine Idee, wohin das Vieh verschwunden ist?“, wandte er sich an Aizawa, welcher nachdenklich auf die Gräber blickte. Sie hatten Steine und Holzbretter auf den Erdhaufen platziert, sodass es halbwegs anständig aussah. Hoffentlich würden ihre gepeinigten Seelen nun in Frieden ruhen können. „Dort drüben waren Schleifspuren. Tiefe Rillen im Boden…ich denke, es bewegt sich kriechend fort“, führte Aizawa seine Überlegungen aus. „Ich habe hinter der Hütte ein ungewöhnlich großes, tiefes Loch entdeckt…daher liegt es nahe, dass es sich unterirdisch fortbewegt…“ Toshinori stockte merklich. „Ihr meint…es könnte soeben…unter unseren Füßen…?“ „Möglicherweise. Wir sollten wachsam bleiben“, meinte Aizawa bloß, woraufhin Enji schnaubte. „Ich fasse es nicht. Normalerweise sind Dämonen so selten, dass manche sie immer noch für Aberglauben halten…und wir haben es jetzt schon mit dem zweiten in nicht mal zwei Wochen zu tun. Ist diese Gegend ein Nest, oder was?“, grollte er und blickte missmutig in die Ferne, wo die Sonne bald untergehen würde. Toshinori seufzte leise, musste ihm aber innerlich zustimmen. Anscheinend war ihnen das Glück gerade nicht wohlgesonnen, aber es brachte ja nichts, sich darüber aufzuregen. „Nun, wir sollten vielleicht über Nacht hier bleiben“, schlug er vor. „Auch wenn es makaber ist…aber wir können die Pferde unterstellen und haben einen geschützten Platz. Zumal dieses Monster vielleicht in der Nähe auf uns lauert…oder zurückkommt, wenn es neue, potenzielle Beute wahrnimmt.“ Aizawa nickte, wenn er auch das Gesicht verzog. „…also machen wir uns zu Ködern.“ „Besser wir, als weitere unbescholtene Menschen sterben zu lassen“, erwiderte Toshinori, ehe er mit einem aufmunternden Lächeln anfügte: „Aber seid unbesorgt, Aizawa-san…ich versprach Euch, Euer Leben zu schützen. Daran halte ich mich.“ Eben jener blickte ihn verdutzt an, ehe er rasch den Blick abwandte. „Wie gesagt. Nicht nötig“, murrte er abweisend, was Enji mit den Augen rollen ließ. „Seid Ihr fertig? Ich habe keine Lust, weiter hier herumzustehen und Eurem Gehabe beizuwohnen. Lasst uns sehen, was die Speisekammer hergibt…ich übernehme die erste Wache.“ Toshinori lächelte schief, warf einen kurzen Blick zu Aizawa, bevor er sich daran machte, ins Innere der Hütte zu gehen. Tatsächlich schien die Speisekammer nicht geplündert worden zu sein, sodass sie dort gepökelten Schinken und andere Nahrungsmittel fanden. Nun…der Dämon schien sein Fleisch frisch zu bevorzugen… Obwohl Enji draußen Wache hielt, fiel es Toshinori schwer, ein Auge zuzumachen. Dies mochte zum Teil daran liegen, dass sie das Ehebett von Verstorbenen benutzten. Er lag neben Aizawa, welcher ihm den Rücken gekehrt hatte, und lauschte dessen leisem Atem. Durch das Fenster konnte er den sternenklaren Himmel samt Vollmond sehen. „Ich kann Euch denken hören…“ Toshinori warf einen Blick zu Aizawa, lächelte schief. „Verzeiht…die vielen Ereignisse wühlen mich wohl auf.“ „…ich nahm an, ihr wärt dergleichen gewöhnt“, hörte er ihn murmeln. „Nun, das bin ich…dennoch gibt es Dinge, an die gewöhnt man sich nie. Wären wir etwas eher hier gewesen, hätten wir sie vielleicht retten können. Ihr Schicksal betrübt mich…vor allem das des Jungen. Er hatte noch sein ganzes Leben vor sich.“ Aizawa schwieg eine ganze Weile, hielt die Lider weiterhin geschlossen…und kurz fragte sich Toshinori, ob er vielleicht eingeschlafen war. „…Ihr seid überraschend emotional.“ Der Blonde seufzte leise, als er die Worte vernahm. „Ihr seid nicht der Erste, der mir dies vorwirft. Mir wurde schon oft geraten, mich von derlei Schicksalen zu distanzieren, es nicht so nah an mich heranzulassen…aber so bin ich nun einmal.“ Aizawa schnaubte leise. „Ich sagte nicht, dass es etwas Negatives ist. Nur…dass es überraschend ist. Je mehr man erlebt, umso mehr stumpft man ab.“ Toshinori runzelte die Stirn, wandte den Kopf zu ihm. „Sprecht Ihr aus Erfahrung?“, wollte er wissen. „…möglicherweise“, kam es zögernd zurück, doch näher ausführen wollte der Dunkelhaarige dies wohl nicht. Toshinori musterte ihn einen langen Moment, ehe er lächelte, sich dann wieder umdrehte, um ebenfalls die Augen zu schließen. „Ich denke nicht, dass Ihr abgestumpft seid, Aizawa-san. Die Dörfler können Euch nicht leiden – und dennoch helft Ihr ihnen. Ihr helft uns, obwohl Ihr uns nicht wohlgesonnen seid…und Ihr verteidigt die Harpyie, anstatt sie aufgrund dessen, was sie ist, zu verurteilen. Ihr seid weit mehr, als Ihr durchblicken lasst.“ Aizawas darauffolgendes Schweigen ließ Toshinori hoffen, dass er sich nicht zu weit aus dem Fenster gelehnt hatte. Dennoch stand er zu seiner Meinung, würde diese nicht zurücknehmen. „…schlaft einfach“, murrte Aizawa schließlich nur. Hatte er ihn in Verlegenheit gebracht? Manche Leute mochten es nicht, auf ihre positiven Eigenschaften hingewiesen zu werden – was Toshinori nicht verstand. Lieber etwas Nettes sagen, als… Das plötzliche Beben, das die Hütte erschütterte, ließ sie beide hochfahren. Die Pferde wieherten schrill und zugleich hörte man Enjis lautes Fluchen von draußen. Toshinori sprang aus dem Bett, griff nach seiner Rüstung und zog sie sich, so schnell es möglich war, an, ehe er sein Schwert zog und zusammen mit Aizawa hinauseilte. Der Anblick der Kreatur ließ ihm die Haare zu Berge stehen. Sie erinnerte an einen riesigen Wurm – was nun auch die tiefen Rillen im Boden erkläre. Das Vieh hatte hinten und vorn jeweils zwei Beine mit kurzen, aber scharfen Klauen und dort…wo sich das Gesicht befinden sollte, nur ein rundes, gezahntes Maul. Speichel tropfte zwischen den Zähnen hervor, während es grunzende Laute von sich gab. Enji, der gerade einem Hieb des Monstrums ausgewichen war, holte aus und…trennte ihm eines der fragiler wirkenden Vorderbeine ab, woraufhin es schreiend zu Boden stürzte. Ihm wurde heiß und kalt, als sein Freund sich zur Seite warf, beinahe unter dem Vieh begraben wurde. „Zielt auf Beine und Brust!!“, brüllte Enji ihnen zu und sprang auf, um Abstand zu gewinnen. Beine und…Brust. Sicher. Das Ding hatte mit viel Glück ein Herz im Körper sitzen – sie hatten nicht die Kraft, ihm den riesigen Kopf abzutrennen, also mussten sie auf eine Schwachstelle hoffen. Einer von Aizawas Pfeilen traf das Ungetüm in die Seite, da es sich just in diesem Moment zu winden begann. Knapp an der Brust vorbei, doch wenigstens besaß es keine undurchdringliche Haut, sonst wäre dies bedeutend schwieriger gewesen. „Gebt uns Deckung! Nehmt unsere Armbrüste, wenn die Pfeile ausgehen!“, rief er Aizawa zu und rannte los. Wenigstens schien der Wurmdämon nicht besonders schlau zu sein, so unbeholfen, wie er am Boden lag und den Kopf hin und her warf. Sein Schwanz riss Toshinori die Beine weg, doch er rollte sich ab und sprang sofort wieder auf. Vielleicht…er warf einen Blick zu Enji, welcher verstand und sich direkt vor dem Schlund des Monsters platzierte. „Hey!! Du hässliche Missgeburt!!“ Und mit diesen Worten zog er sich das Schwert durch die Hand, was den Dämon gierig sabbern ließ. Solange der Wurm lag, würde Aizawa ihn nicht richtig treffen können…doch kaum witterte dieser das Blut, kam Leben in das Vieh. Es bäumte sich mit einem kreischenden Geräusch auf und schlingerte über die Erde – die Beine zog es dabei an, gebrauchte diese gar nicht zur Fortbewegung. Vermutlich dienten diese nur zum Festhalten der Beute… Toshinori rammte ihm das Schwert in den Schwanz, hoffte, dass es damit kurzzeitig den Fokus von Enji nehmen würde – doch es brachte nichts. Sein Freund schmiss sich abermals zur Seite, als der Wurm mit dem Kopf ausholte, um ihm den Kopf abzubeißen. „ENJI!“, brüllte Toshinori, doch in dem Moment traf der Bolzen die Kreatur direkt ins Maul. Aizawa schoss abermals, traf ihn erneut in den gewaltigen Schlund, woraufhin der Wurm sich kreischend nach hinten warf, sodass Toshinori beinahe zermalmt wurde. Er ignorierte den stechenden Schmerz in seinem Bein, zog dieses hinter sich her, während er Abstand zu gewinnen versuchte. Seltsamerweise bewegte sich der Wurm plötzlich nicht mehr, zuckte nur mit den noch verbliebenen Beinen – als würde ihn etwas paralysieren. Hatten Aizawas Bolzen eine Schwachstelle getroffen? In dessen Maul? Was es auch war, es ermöglichte Enji, auf die auf dem Rücken liegende Kreatur zu klettern…und ihr mit einem festen Ruck sein Schwert in die vermeintliche Brust zu stoßen. Toshinori rappelte sich auf und tat es ihm gleich, zog sich am Körper des Wesens hoch und stach auf es ein. Grünes Blut rann aus den Wunden, die sie dem regungslosen Wurm zufügten. Keuchend tauschte er einen Blick mit Enji, welcher ebenso außer Atem war, das Schwert noch im Fleisch des Monsters steckend. „…ich glaube…das war’s…“, entkam es seinem Freund, dem der Schweiß auf der Stirn stand. „Ja, ich denke auch, es-“ Er stockte, als ein Zittern unter ihren Füßen dafür sorgte, dass Toshinori abrutschte und fiel. Reflexartig rammte er dem Wurm erneut das Schwert in die Seite, welcher daraufhin aufbrüllte und mit der noch verbliebenen Vorderkralle um sich schlug. „Verdammtes Monstrum!!“, grollte Enji, den es beinahe wegfegte. Er holte aus und stach erneut auf das Wesen ein, welches einen letzten, schrillen Schrei von sich gab und dann wegkippte…knapp neben Toshinori auf dem Boden einschlug. Grünes Blut versickerte langsam in der Erde… Stille legte sich über den Platz, das Wiehern der Pferde verstummte ebenfalls. Toshinori nahm einen tiefen Atemzug, ehe er sich wankend erhob, dabei sein rechtes Bein so wenig wie möglich belastete. Gebrochen war es wohl nicht, da er es noch bewegen konnte…aber er wollte kein Risiko eingehen. Sein Blick glitt zu Aizawa, dessen Haare regelrecht zu Berge standen und dessen Augen stark gerötet waren. Vielleicht war es der Schock über den Anblick des Wesens, der ihn so mitnahm, obwohl er körperlich in Ordnung war? Er lächelte diesen erschöpft an, als er humpelnd näher kam. „Ihr seid wirklich ein großartiger Schütze, Aizawa-san…ohne Euch wären wir nicht so unbeschadet davon gekommen. Nicht wahr, Enji?“ Er warf einen Blick über die Schulter, wo sein Freund wankend auf sie zukam. Toshinori stutzte, als ihm das schwere Keuchen sowie die ungesunde Gesichtsfarbe seines Freundes auffielen. Dieser krallte die Hand in seinen rechten Oberarm, an welchem das Blut hinablief. Erst jetzt sah er die tiefen Wunden, die anscheinend von den Klauen des Monstrums stammten, die ihn getroffen hatten, als er sich bei ihrer Ankunft zur Seite geworfen hatte…und die violett verfärbte Haut. War das Gift etwa an den Klauen…? Aizawa eilte an ihm vorbei, als der Rothaarige wankte, und er hielt ihn gerade noch rechtzeitig, ehe er auf dem Boden aufschlagen konnte. Allein dass sich Enji nicht wehrte, machte deutlich, wie sehr es ihm zusetzte…und Panik stieg in Toshinori auf. Sie hatten kein Gegengift dabei und er wusste nicht, ob heilende Pflanzen hier helfen konnten. „Ich kümmere mich um ihn“, hörte er Aizawa sagen und nickte langsam. „Ruht Euch einen Moment aus. Ihr seid blass.“ „Es…geht mir gut, aber Enji…“ „Bleibt sitzen. Ich kümmere mich“, wiederholte Aizawa eindringlich und Toshinori gehorchte diesmal schweigend. Etwas später hatte Toshinori wenigstens die Feuerstelle vor dem Haus entzündet – er konnte nicht einfach untätig sein. Sein Bein pochte schmerzhaft, doch es war auszuhalten. Sein Blick glitt zu Aizawa, der soeben aus der Hütte kam und sich zu ihm setzte. Er sah müde aus, die Augen immer noch gerötet. „…wie geht es ihm?“, fragte der Blonde leise. Sein Begleiter seufzte, blickte in die orange lodernden Flammen. „Schlecht“, gestand er. „Er fiebert und ist nicht bei Sinnen. Ich habe die Wunden gereinigt und soweit versorgt. Ich…werde aber noch mal losgehen und nach Kräutern suchen, die helfen können. Jedoch…bin ich nicht sicher, ob sie gegen das Gift eines Dämons wirksam sind.“ Toshinori schluckte bei den ehrlichen Worten hart, schüttelte dann den Kopf. „Er ist stark. Er wird es überleben“, erwiderte er fest, auch weil er nichts anderes glauben wollte. Aizawa schwieg kurz, ehe er nickte und sich erhob. „Ich suche die Kräuter und koche ihm einen Sud daraus. Im Haus gibt es abgefülltes Trinkwasser“, murmelte er. „Ihr wartet hier.“ „Passt auf Euch auf…“, bemerkte Toshinori bitter, da er sich unnütz vorkam. Aizawa wandte sich dann auch um, nur um in der nächsten Sekunde innezuhalten. Verwirrt sah der Blonde an seinem Begleiter vorbei, erkannte dann, was dessen Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte. Auf dem toten Dämonenwurm saß, so als sei es das Selbstverständlichste, die Harpyie und putzte in aller Ruhe ihr rotes Gefieder. Obwohl er in einiger Entfernung hockte, sah man deutlich seine riesigen Schwingen. Was zur Hölle…war er gekommen, weil er ihre Schwäche erkannt hatte? Oder wollte er sich an dem Fleisch des anderen Dämons laben? Einige ihrer Art waren Kannibalen, es wäre daher nicht ungewöhnlich gewesen. Als der Dämon ihre Blicke bemerkte, sah er auf und grinste sie breit an. Dann schwang er sich von dem Leichnam herunter und kam auf sie zu, wobei er die Flügel gespreizt hielt. Eine Drohung? Aizawa legte seine Hand an seinen Bogen, die andere umfasste einen Pfeil, während Toshinori sein Schwert umfasste. „Beruhigt euch, Menschlein“, zwitscherte die Harpyie gut gelaunt. „Ich bin nicht hier, um euch aufzumischen, falls ihr das glaubt. Ha! So wie ihr ausseht, seid ihr ziemlich mitgenommen, das würde ja so gar keinen Spaß machen. Nein, nein…“ Er zwinkerte ihnen zu, woraufhin Toshinori die Augen verengte. „Was wollt Ihr hier, Dämon? Uns ist gerade nicht zum Scherzen…“ „Das kann ich mir denken. Meine Güte, hier stinkt’s ja regelrecht nach totem Wurm…und nach Krankheit. Pfui…hat wohl den mürrischen Rotschopf erwischt?“, plapperte der Dämon einfach weiter. „Seid Ihr hier, um zu spotten?“, fragte Aizawa genervt. „Falls ja…verschwindet. Ihr kostet uns Zeit.“ Die bernsteinfarbenen Raubvogelaugen richteten sich nun auf den Dunkelhaarigen…und sein Grinsen wurde breiter. „Nicht so frech…“, schnurrte er regelrecht. „Ich bin doch nicht deswegen hier, sondern natürlich, um euch zu helfen!“ Toshinori stockte der Atem bei den Worten, ehe ihn die unverhohlene Wut packte. „Was erlaubt Ihr Euch in so einer Situation…wir sollten Euch-“ „Jagen? Erschießen? Abstechen? Jaja…das habt ihr ja alles schon erfolglos versucht, nicht wahr?“, unterbrach ihn der Vogel mit einer wegwerfenden Geste. „Dass ihr noch nicht wieder geschossen habt, liegt daran, dass ihr genau wisst, dass ihr einen Kampf gegen mich verlieren würdet. Ihr seid angeschlagen, alle beide, und euer Freund ist näher am Abgrund des Todes, als euch bewusst ist. Das Gift dieses Abschaums dort drüben wird ihn umbringen. Langsam und qualvoll...und dagegen könnt ihr rein gar nichts machen. Diese Würmer mögen zwar strohdumm sein, aber ihr Gift hat es in sich. Ui…mir wiederrum…kann diese Abscheulichkeit nichts anhaben. Mein Blut ist sehr viel stärker.“ Er stolzierte vor ihnen herum, wobei der Schein des Feuers seine Federn glänzen ließ. Toshinori fragte sich, was dieses Schauspiel sollte. Wollte er sich rächen, indem er ihnen vorhielt, dass Enji sterben würde? Oder wartete er auf eine Lücke, um sie zu töten? Das Verhalten des Dämons ergab für ihn absolut keinen Sinn und auch Aizawa wirkte ratlos. „Ihr spracht von Hilfe“, meinte dieser langsam. „Was meint Ihr damit?“ Der Dämon grinste ihn amüsiert an, neigte den Kopf, was ihn einem Vogel noch ähnlicher machte. „Na, ihr habt es zwar nicht verdient…aber wie gesagt, ich bin ein nettes Vögelchen. Ich kann ihm das Gift aussaugen und ihm etwas von meinem Blut abgeben. Das wird die Reste neutralisieren und ihn retten.“ Das Angebot verschlug Toshinori die Sprache; hatte er sich verhört? Was trieb der Dämon für ein perfides Spiel mit ihnen? Er würde doch nicht wirklich…oder doch? Argwöhnisch sah er den gefiederten Jüngling an, der sie breit angrinste und dabei seine Fangzähne entblößte. Das hier war kein Mensch…man konnte einem Dämon nicht trauen, rief er sich in Erinnerung und schnaubte. „Ihr wollt Zeit schinden, um unseren Kameraden leiden zu sehen“, mutmaßte er unsicher, woraufhin die Harpyie empört mit dem Gefieder raschelte. „Also bitte! Du denkst, ich habe nichts Besseres zu tun, als hierherzukommen, um zu sehen, wie ein Totgeweihter ins Gras beißt? Toshi…du heißt doch Toshi, oder?“ „Für Euch Yag-“ „Also, Toshi…nein, ich bin nicht deswegen hier“, fuhr ihm der Vogel dreist über den Mund. „Euer grimmiger Freund stirbt so oder so, Kräuter hin oder her…das Gift wird seine Eingeweide zersetzen, langsam und schmerzhaft. Ich kann ihn retten. Letzte Chance.“ Aizawa musterte ihn skeptisch, verschränkte dann die Arme, was deutlich machte, dass er keinen Angriff des Dämons mehr fürchtete. Zugegeben…dieser machte keine Anstalten, ihnen den Tod zu wünschen, aber…der Gedanke, dass Enji durch dessen Blut…gerettet werden sollte, behagte ihm nicht. Sein Freund würde ihn verprügeln, sollte er davon erfahren, dass er das zugelassen hatte. „Dämon…was, wenn…Euer Blut eine Mutation hervorruft?“, fragte er zögerlich, was den Dämon schmunzeln ließ. „Netter Gedanke. Wäre schön, nicht mehr die einzige Harpyie im Umkreis zu sein…aber leider funktioniert das so nicht. Euer Freund wird sich ein paar Tage übermenschlich stark fühlen, doch diese Wirkung hält nicht ewig an. Es ist ein Effekt von kurzer Dauer, also keine Sorge. Ihr habt nichts zu befürchten.“ „Das…wisst Ihr…woher?“, fragte Toshinori skeptisch, woraufhin der Dämon zwinkerte. „Sagen wir, ich habe so meine Quellen...“ Toshinori haderte mit sich, ob er da noch nachfragen wollte – denn die Harpyie konnte ihnen ebenso gut Lügen auftischen, wenn sie es nicht preisgeben wollte. Sie hatten zu wenig Zeit… „Und was wollt Ihr dafür?“, erkundigte sich Aizawa ruhig. „Ihr tut so etwas doch sicherlich nicht ohne Gegenleistung.“ Der Dämon warf ihnen einen langen Blick zu, zuckte dann mit den Schultern. „Fürs Erste einen Platz bei euch am Feuer…sozusagen einen kleinen Waffenstillstand für die heutige Nacht“, meinte er und wirkte nun weniger verspielt als noch vor seinem Angebot. „Ich weiß, dass ihr mich bei Sonnenaufgang wieder jagen werdet. Das liegt in eurer Natur…von daher…“ Toshinori wusste nicht, was er darauf antworten sollte. Der Dämon wollte einen Waffenstillstand. Für diese Nacht…und dafür würde er Enji retten. Irgendwie erschien ihm das viel zu unverhältnismäßig. Warum sollte es der Harpyie wichtig sein, die Nacht bei ihnen am Feuer zu verbringen? Wie ernst dieser plötzlich war…so, als würde es ihm tatsächlich etwas bedeuten. Toshinori tauschte einen Blick mit Aizawa, welcher seufzte. „Wir haben keine Wahl, oder? Der Dämon hat Recht…es steht schlimm um Euren Freund und ich bin mir nicht sicher, ob die Kräuter helfen. Wir…sollten ihm Glauben schenken.“ Das klang so plausibel, dass man nicht widersprechen konnte. „…Enji wird mich umbringen“, murmelte Toshinori kopfschüttelnd und immer noch mit sich hadernd. Einem Dämon vertrauen…einmal hatte er dies getan und es hatte seinen Freund fast das Leben gekostet. Nun befand er sich in einer ähnlichen Situation und nichts anderes schien dessen Leben retten zu können. Was für eine Zwickmühle… „Nun gut“, ergab er sich, auch wenn an der Entscheidung ein bitterer Geschmack haftete. „Wir haben keine Zeit, um weiter zu diskutieren. Ich lege das Schicksal meines Freundes in Eure…Klauen, Dämon. Sollte er sterben, werde ich nicht eher ruhen, bis ich Euch erlegt habe, wie Ihr einst diesen Hirsch vor unseren Augen. Seid Euch dessen gewiss.“ Der Dämon verdrehte angesichts dieser Drohung bloß die Augen und winkte ab. „Schon verstanden, jaja, ich bin brav und halte mein Wort. Nun holt ihn hier raus ans Feuer…ich betrete keine menschliche Hütte. Los, los! Ihr wollt ihn doch retten?“, trieb der Vogel sie an. „Ach und übrigens…ich heiße Hawks! Nicht Dämon, nicht Harpyie…einfach Hawks!“ Toshinori blinzelte, als er so darauf beharrte, nickte dann aber. „In Ordnung…Hawks. Wartet hier.“ Er ging mit Aizawa in die Hütte, wo ihr Freund, eingewickelt in mehrere Decken, im Bett lag und rasselnd atmete. Der Schweiß glänzte auf dessen blasser Stirn, während er immer wieder unruhig zuckte, die Lider jedoch geschlossen hielt. Er hatte Enji selten so angeschlagen erlebt und es machte ihm Angst. „Es ist die richtige Entscheidung“, brummte Aizawa neben ihm. „Ich denke nicht, dass der Dämon…dass Hawks…unehrlich ist. Das ergäbe keinen Sinn.“ Toshinori nickte leicht. „Ja. Vielleicht…dennoch ist es…er ist ein Dämon. Ich kann nicht glauben, dass er uns…helfen will…das passt nicht zusammen. Aber…wir haben keine Wahl.“ Mit Aizawas Hilfe schaffte er es, Enji nach draußen ans Feuer zu tragen, wo sie ihm ein warmes Lager bauten, damit er nicht fror. Der Dämon sah ihnen dabei neugierig zu, während er mit seinen langen Vogelbeinen im Schneidersitz saß und herumwippte. „Oh oh…das sieht wirklich nicht gut aus. Ihr habt Glück, dass ich da bin, hehe...sonst könntet ihr euch jetzt von ihm verabschieden.“ Toshinori stieß beherrscht die Luft aus, ehe er den Dämon ernst anblickte. „Ich bitte Euch, redet nicht so viel und…helft ihm lieber. Ich…verzeiht, meine Ungeduld, aber er ist mein Freund. Ihr versteht vielleicht meine Sorge…“ Der Dämon sah ihn mit einem undefinierbaren Blick an, setzte sich dann aber neben den Rothaarigen, dem es zusehends schlechter ging. Er berührte dessen verbundenen Arm mit den Klauen und rümpfte die Nase, als er die Bandagen löste. „Ich habe keine Freunde, daher…nicht wirklich. Nein“, murmelte er und beugte sich herunter. Er grub seine scharfen Zähne tief in Enjis Wunde, welcher daraufhin ächzte und sich zu winden begann. Toshinori wollte ihn schon festhalten, doch da legte der Dämon eines seiner langen Beine über dessen Brust, hielt ihn so unten. Mit einem unguten Gefühl sah er zu, wie der Vogel das Blut seines Freundes trank…um diesem das Gift zu entziehen. Es dauerte viel länger, als es Toshinori lieb war, doch blieb er untätig an Enjis freier Seite sitzen, während sein Freund leise stöhnte. „So…“, kam es schließlich von…Hawks, welcher sich über den blutigen Mund wischte. „Der erste Schritt ist getan. Mh…du da, Aizawa, ja? Drück was auf seine Wunde, damit nicht noch mehr Blut rauskommt, danach kannst du sie neu verbinden…und Toshi, du stützt seinen Kopf, ja? Ist gleich vorbei.“ Aizawa, der bisher still beobachtet hatte, gehorchte auch und drückte ein sauberes Stück Stoff gegen die Wunde, während Toshinori Enjis Kopf anhob und auf seinem Schoß ablegte. So würde es einfacher sein. Wie leichenblass sein Freund aussah… Mit gemischten Gefühlen sah er Hawks dabei zu, wie dieser sich mit seinen Klauen den Oberarm aufriss und ihn gegen Enjis Lippen drückte. „Schön runterschlucken, damit du groß und stark wirst…“, säuselte der Dämon grinsend und drückte seine Haut zusammen, damit mehr Blut aus der Wunde lief. Toshinori räusperte sich. „Ist das…nicht unangenehm für Euch?“, fragte er, woraufhin Hawks schmunzelte. „Nicht im Geringsten.“ Er fütterte Enji weiter mit seinem dickflüssigen, tiefroten Blut, woraufhin sein Freund würgte und zitterte, sogar kurz die Augen öffnete. Sein Blick war nicht fokussiert, glasig…vermutlich bekam er kaum etwas mit. „Ist das…normal?“ „Ja, alles gut. Sein Körper stößt das Blut ab…wenn er ne gewisse Menge in sich hat, wird es leichter. Ist halt Dämonenblut, das verleibt man sich ja nicht alle Tage ein, hm?“, scherzte der Dämon und wackelte mit seinen buschigen Brauen. Toshinori seufzte tief. „Ich wünschte, Ihr würdet darüber keine Witze machen…“ „Ach komm…ich hab euch doch gesagt, dass ich ihm das Leben retten werde. Versprochen ist versprochen!“ Hawks strahlte ihn dabei regelrecht an und Toshinori konnte nicht fassen, dass er sich hierauf wirklich eingelassen hatte. Hoffentlich bereute er das nicht noch… Nach einer Weile war es vorbei und sein Freund lag ruhig schlafend am Feuer. Dessen Gesicht nahm langsam wieder etwas Farbe an und das Zittern verebbte, also wirkte das Blut wohl. Es erleichterte Toshinori über alle Maßen, auch wenn das Misstrauen gegenüber Hawks nicht ganz wich. Dieser saß mit ihnen am Feuer und wärmte seine krallenbesetzten…Füße am Feuer, während er auf einem Bein des Wurm-Dämons kaute. Zumindest konnten sie nun sicher sein, dass das Gift ihm nichts anhaben konnte. „Dann erzählt mal was über euch!“, forderte der Dämon sie auf und schmiss das abgenagte Bein über seine Schulter. „Reist ihr schon lange zusammen? Wie habt ihr euch kennengelernt? Habt ihr schon viele Dämonen getroffen? Eh…ihr könnt auch was anderes erzählen! Oder soll ich von mir reden? Sonst denkt ihr noch, dass ich eure Schwachstellen herausfinden will…haha…also, ich bin ja ne Harpyie, wie ihr wisst. Ich esse gern Schafe – na gut, das war jetzt nicht so das passende Thema, was? Ich bin ein guter Jäger und verdammt schnell, wie ihr ja gesehen habt. Ich bin schon als Küken hierhergekommen und darüber trotz allem sehr froh. Ihr wisst ja nicht, wie die Dämonenwelt so ist…ihr würdet da keine zehn Sekunden überleben!“ Er wedelte mit der Klaue hin und her, ehe er sie breit angrinste, sich wohl eine Antwort erhoffte. Aizawa neben ihm fing sich als Erster, runzelte die Stirn. „Ihr seid ziemlich geschwätzig“, bemerkte er monoton, woraufhin Hawks lachte. „Das wärst du auch, wenn du nie jemanden zum Reden hättest. Die meisten schreien um Hilfe oder gehen auf mich los – so wie ihr. Das ist anstrengend…und frustrierend.“ Dessen Stimme nahm einen verbitterten Unterton an, was Toshinori ernsthaft irritierte. „Dä…ich meine…Hawks, seid Ihr hier, bei uns…weil Ihr…Nähe sucht?“, fragte er ungläubig, woraufhin der Dämon schief lächelte. „Ich habe doch gesagt, dass ich keine Freunde habe. Das Leben als Dämon ist hier zwar sicherer als drüben…aber leider genauso einsam. Ich bin anders als ihr…und ich verstehe euer Handeln, denn ihr habt Angst. Trotzdem…ich bin nicht wie diese Monster, die ihr jagt. Ich habe keine Freude daran, Menschen zu reißen…bis heute habe ich nie einen Menschen gefressen. Wozu auch? Ihr seid wie ich…nur schwächer und ohne Flügel. Das wäre…falsch.“ „…Ihr habt eben einen der Euren verspeist“, bemerkte Aizawa trocken. „Das hohle Ding da drüben? Also bitte…wir unterscheiden uns ja wohl deutlich in Aussehen und Intelligenz!“ Er schnalzte mit der Zunge, spreizte seine Flügel einmal, als würde er sich strecken, und funkelte sie beide dann wieder an. „Nein, nein…ich fühle mich euch viel verbundener als diesen Viechern.“ Toshinori konnte das alles nur schwer glauben, allerdings steckte wohl keine List dahinter. Der Dämon…Hawks…hätte sie vorhin töten können – das Überraschungsmoment sowie ihre Erschöpfung wären auf seiner Seite gewesen. Stattdessen hatte er ihnen seine Hilfe angeboten und saß nun mit ihnen am Feuer, um sich mit ihnen zu unterhalten. Was für ein seltsamer Dämon… „Jemandem wie Euch bin ich auch noch nie begegnet“, gestand er ein wenig überfordert. Hawks grinste schief, setzte sich in den Schneidersitz und stützte die Klauen auf seine Oberschenkel. Er wirkte regelrecht entspannt, was Toshinori nicht nachvollziehen konnte; immerhin hatten sie ihn zu töten versucht. Wieso glaubte er ihnen, dass sie ihn nicht doch angreifen würden? Andererseits…saßen Aizawa und er selbst ja auch hier, ohne einen Angriff zu fürchten. Na ja…teilweise zumindest. Die Bedenken verschwanden nicht einfach. „Das mag daran liegen, dass sich die höheren Dämonen gar nicht erst zu erkennen geben“, bemerkte Hawks schließlich. „Einige von uns sind von Natur aus so menschenähnlich…oder in der Lage, ihre Gestalt zu verändern, dass sie gar nicht auffallen. Ohne meine Flügel und Klauen würdet ihr mich vermutlich auch nicht direkt unterscheiden können. Einige paaren sich sogar mit Menschen…und zeugen Nachwuchs.“ Toshinori runzelte die Stirn. „Ihr meint, sie verführen und vergewaltigen sie…“ „Unsinn. Klar, gibt es auch solche…aber ihr müsst euch echt mal von der Vorstellung verabschieden, dass wir alle gleich ticken. Unter euch Menschen gibt es doch auch schlechtere und bessere“, brummte Hawks und rollte dabei mit den Augen. Aizawa schnaubte. „Da hat er allerdings Recht…“ „Sag ich ja!“ Hawks strahlte den Dunkelhaarigen an, welcher darauf nicht einging, sondern sich etwas von dem Trockenfleisch nahm. Toshinori beobachtete den Dämon nachdenklich, denn dessen Worte beschäftigten ihn. So, wie Hawks es sagte, klang ihre Meinung tatsächlich sehr oberflächlich…doch wann hatte man schon Gelegenheit, einen Dämon näher kennenzulernen? Wollte er das überhaupt? Sein Sinn für Gerechtigkeit bejahte dies…seine Erfahrung sagte etwas anderes. Kein leichtes Thema…zumal sie Hawks eigentlich zur Strecke bringen sollten. „Hawks…Euch ist bewusst, dass Ihr…unser Auftrag seid? Verzeiht, aber…es ist…Ihr solltet nicht versuchen…Euch mit uns anzufreunden…dafür sind wir zu verschieden“, endete er schließlich. Die Harpyie sah ihn mit einem Ausdruck an, der Toshinori bewusst machte, wie hart seine Worte klangen. Andererseits entsprachen sie der Wahrheit. Er räusperte sich mit einem Seitenblick auf Enji, welcher immer noch schlief, nur zwischendurch zuckte oder leise brummte. „Seine Narbe stammt von einem der Euren – auch wenn Ihr meint, keine Verbindung zu ihnen zu haben, wird mein Kamerad das anders sehen. Wenn er hiervon erfährt, wird er Euch umso mehr verabscheuen. Er wird nicht ruhen, bis Ihr tot seid, und…ich werde ihn nicht daran hindern. Ich weiß, dass wir Euch einen Platz am Feuer versprochen haben…den hattet Ihr. Bis jetzt. Wir sind Euch dankbar, doch es…wäre das Beste, wenn Ihr nun geht…“ Es fiel ihm furchtbar schwer, den Dämon von ihrem Lager zu verscheuchen. Es fühlte sich falsch an und das nicht nur, weil er wusste, wie Aizawa dazu stand. Das hier war undankbar und trotzdem nahm er es nicht zurück. Es stimmte ja, was er sagte… Hawks schaute ihn einige Sekunden nur an…dann legte sich langsam ein Lächeln auf seine Lippen. Es wirkte nicht so heiter wie zuvor. „Ja. Das ist mir bewusst…sagte ich ja schon“, gab er leise zurück und schüttelte dann den Kopf. „Es ging nur um die Nacht. Etwas quatschen und so…na ja, ihr habt euer Wort gehalten, hm? Ich halte meins…von daher werde ich mich wohl mal vom Acker machen. Bevor die Sonne aufgeht und so. Nicht, dass der Große da noch mal wach wird und den Schock seines Lebens kriegt, huh? Wäre ja wirklich ungünstig, wenn ich ihm den Hintern rette und er dann doch stirbt.“ Obwohl der Dämon grinste und dabei zwinkerte, wurde Toshinori das Gefühl nicht los, dass dieser enttäuscht war. In ihm selbst machte sich das schlechte Gewissen breit, doch es ging nicht anders…oder doch? Er ignorierte Aizawas Seitenblick, der ihm irgendwie strafend erschien. „Nun denn…netter Plausch…auch wenn ihr das dem Rotschopf da besser nicht auf die Nase bindet. Versteh schon, wenn das euer kleines Geheimnis bleiben soll.“ Hawks plapperte munter weiter, als würde es ihn nicht stören, streckte dabei seine gewaltigen Schwingen mit den roten Federn aus. „Also dann…wir sehen uns bestimmt. Macht mir das Leben in Zukunft nicht so schwer, ja?“ Er bleckte grinsend die Zähne, wenn da auch so ein Ausdruck in seinen Augen war, der nicht ganz dazu passen wollte. Irgendwie…schnürte es Toshinori die Kehle zu. Auch dann noch, als sich der Dämon in die Lüfte erhob und langsam aus ihrem Sichtfeld verschwand. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)