Der Ritt in die Berge von Onlyknow3 (Winnetou) ================================================================================ Prolog: Scharlih erinnerst du dich noch? ---------------------------------------- Scharlih erinnerst du dich noch? An damals als ich dich in deiner deutschen Heimat besuchte.Als wir gemeinsam in der Orient reisten? Ja du erinnerst dich sicher noch, es war eine Reise in eine andere Welt für Winnetou. Nur kurz konnten wir dort verweilen, da eile geboten war, da es um die Familie Vogel und deren Erbe ging. Zu kurz um das Land und die Menschen dort kennen zu lernen. Dieses mal war es anders, Scharlih hatte mir zwar schon so viel über das Land erzählt, doch alles nicht, wir hatten darüber gesprochen, das wenn er wieder zu uns ins Pueblo kommt, Intschu tschuna zu fragen ob er mir diese Reise mit Scharlih erlaubt. Wie ich nun aus deinem Testament wusste, hattest du mir diese Reise in den Orient als Geschenk, zu meinem Geburtstag machen wollen. Nun aber war sie dein letzter Wunsch an mich, wie Mr. Henry den Eintrag auf deutsch erklärte. Da ich vorhatte meinen Iltshi und auch Hatatitla mitzunehmen, bedurfte es noch einiger Vorbereitungen. Auch musste ich mir andere Kleidung kaufen, in meiner Lederkluft konnte ich nicht nach New Orleans reisen, dabei war mir Mr. Henry behilflich. Da ich nicht wusste was ich alles brauchte. Welch ein Glück, dass ich deine beiden Gewehre auch mit mir führte, so hatte ich jetzt drei Gewehre, den Tomahawk und zwei Messer bei mir. Das alles wurde so im Koffer verstaut das es keinen Schaden nahm, und dann ging es los nach New Orleans wo mich Emery erwarten würde. Zwei Tage später saß ich im Zug nach New Orleans, wo ich am Ende der Woche ankam und von Emery in die Arme gezogen wurde. Auch er hatte Tränen in den Augen, nachdem ich mit meiner Schilderung zu Ende war. Etwas später, nach dem sich unser Empfindungen wieder beruhigt hatten, erklärte mir Emery was ich noch alles brauche. Scharlih hattest du auch immer so viele Sachen auf deinen Reisen bei dir? Ich war mit zwei Pferden vom Pecos aufgebrochen Scharlih! In St. Louis kam der erste Koffer dazu. Geld brauchte ich nicht, Emery half mir das Gold auf einer Bank in New Orleans in Arabische Münzen umzuwandeln, außerdem kauften wir am Hafen in einem Geschäft, noch einen Burnus ( Sackhose mit Hemd ), nebst Aba ( Übermantel ) und Gürtel, dazu noch einen Turban ( Kopfbedeckung, so eine Art Hut ) dazu. Nach den vielen Besorgungen, waren es jetzt drei Koffer, einen allein für die Waffen, Munition, Wasserflaschen und Kochgeschirr wie Becher, Teller, Töpfe, Löffel, Gabel und Messer. Scharlih du hast mir nie berichtet, was du alles mitnahmst wenn du für längere Zeit auf Reisen gingst. Bis wir an Bord des Schiffe gingen saßen Emery und ich im Hotel, oder in einem der vielen Cafés, die es in New Orleans gab, in dem letzten, so erzählte er mir wärst du sehr gerne gewesen. Da man dort auch sehr gut essen konnte. Wir haben auch viel über dich gesprochen, von euren Abenteuern, euren Erlebnissen mit und bei den Haddedin, oder mit anderen Stämmen die dort leben. Emery erzählte mir auch das ihr wieder verabredet wart, für März in diesem Frühjahr. Er habe sich gewundert, dass von dir Scharlih keine Nachricht kam, wann und wo ihr euch dazu treffen wolltet. Wir mussten wegen der Pferde auf einen Lastkahn warten, so saßen wir ganze vier Tage in New Orleans fest, bis einer eintraf der uns dann auch nach Mosul brachte. Meine Reise hatte gerade erst begonnen, und ich wusste nicht, wo sie mich hinführen würde, wann oder ob ich je wieder in den Westen zurückkommen würde. Emery war mein Begleiter, wollte mir zur Seite stehen, auch sprachen wir weiterhin viel von dir Scharlih, den Erlebnissen und wie nahe wir uns gestanden hatten. Was wollte ich dir noch erzählen? Ach stimmt das hätte ich fast vergessen. Halef hat mir einen Sohn deines Rih geschenkt, diesen durfte ich auch reiten als wir bei ihm waren. Es waren vieel Freunde da, die nach dir fragten, sie alles waren Bestürzt, das du von uns gegangen bist. Emery zeigte mir wie man auf einem Kamel reitet, das man aus deren Milch Käse und Butter machen kann. Halef besorgte mir frisches Obst von einem Basar, außerdem führte er mich als Freund durch eines der Häuser in denen er betet jeden Freitag. Scharlih ich konnte ein Wettrennen mit Iltshi gewinnen gegen einen der Araberhengste. Wenn du mich sehen könntest jetzt, du würdest mich kaum wieder Erkennen. Denn noch immer trage ich den Burnus den ich mir für die Reise gekauft habe, zu diesem sind noch drei weitere gekommen, ein Vierter hängt im Zelt, es ist deiner, den hattest du nebst einem Sattel bei Halef gelassen. Ach ja Halef, er ist wirklich ein lieber Mensch, er hat mir versucht meinen Aufenthalt bei ihnen so Angenehm wie möglich zu machen. Auch mich wollte er Bekehren zu seinem Glauben, doch belächelte ich diese versuche. Irgendwann ließ er es dann auch bleiben, dennoch muss ich jetzt schmunzeln. Scharlih ich sehe jetzt noch sein Gesicht vor mir, als ich ihm sagte, dass ich dir in die Wohnung des guten Manitou einst folgen würde, das du dort auf mich wartest. Dieses Gesicht werde ich nicht mehr vergessen. Was gab es noch was ich dir erzählen könnte, über das essen und die Getränke. Tee habe ich bei keinen getrunken nur Probiert, er war mir zu süß, dafür aber Kaffee. Das essen war für mich kaum erträglich, zu viel Fett und dann diese Fremden Kräuter, oder Gewürze. So war Emery mehrmals in Mosul, und hat dort rohes Lamm oder Kalbfleisch besorgt, was wir dann mit einigen der Kräuter und Gewürzen nur leicht gewürzt haben, dazu gab es Reis und Hirsebrei, oder Fladenbrot. Emery meinte, dass es wohl außer dem Fett, damals das Wasser war das mich auf der Rückfahrt dann krank werden ließ. Dieses mal haben wir das Wasser alles abgekocht, oder nur von dort genossen, wo wir den Quell sehen konnten. Auch bei Halef gab es Berge, die mir mit Emery zusammen und Halef angesehen habe. Winnetou dankt Scharlih für diese Reise, die er ohne dich in diese für ihn doch so fremde Welt, mit Tieren, Menschen, Gewürzen, Kräutern, Nahrung machen musste. Und doch hast du mein Bruder, Freund und Gefährte, es Ermöglicht mich zwei Sommer und Winter, von meiner Trauer um dich zu befreien, es gibt noch Momente, wo es mir schwer fällt dich los zu lassen. Emery gab mir den Rat mit dir zu sprechen, er meinte; dass würde mir vielleicht helfen. Auch Hatatitla hat sich erholt und jagt nun mit Iltshi und den anderen Pferden wieder über die Weiden. Scharlih du bist nach wie vor in meinem Herzen, kein anderer wird da jemals, außer meinem Vater, Nscho - tschi und dir Platz. In den vielen Monden die ich mit Emery verbracht, er hatte mir gezeigt, was du so sehr an manchen Orten geliebt hast. Es waren die Menschen, angefangen bei Halef bis hin zu dem Stamm, dem er angehörte. Du fragst dich sicher seit wann ich wieder hier bin? Ich sage es dir, drei Wochen! Vor drei Wochen kamen Emery und ich in New Orleans an, auf dem Weg ins Pueblo machten wir noch halt in St. Louis bei Mr. Henry. Doch diesen wirst du inzwischen bei dir dort oben getroffen haben, denn auch er ist zu den Sternen gegangen, seinen Laden hat unser alter Weggefährte Mr. Timbe übernommen. Mehr gibt es nicht zu sagen, alles andere konnte ich dir in den letzten Stunden berichten. Es wird langsam dunkel, Emery wird dir morgen seine Gebete schicken Scharlih. Jetzt brauche ich Bewgung, bin das lange Stillsitzen nicht mehr gewohnt, dennoch fehlst du mir Scharlih. Beim aufstehen liegt eine Hand auf den Steinen die dich umgeben, sie sind warm von der Sonne. . Kapitel 1: Winnetou ein ungeplantes treffen ------------------------------------------- Winnetou Seit Tagen sitze ich nun schon vor dem Grab. Noch immer kann ich es nicht fassen, dass Scharlihs Ahnung sich erfüllt hat. Auch Hatatitla kann sich nicht von seinem Herrn lösen, er leidet und nimmt kaum Nahrung auf. So vergeht Sonne um Sonne. Wie lange mein Vater noch Verständnis für meine Trauer haben wird - ich weiß es nicht. Intschu tschuna wusste allerdings auch nicht, das Scharlih und ich uns nähergekommen waren. Doch ich muss noch etwas erledigen, bevor ich mich ganz zurückziehe. Ich hatte Scharlih, so wie er es sich gewünscht hatte, an einem schönen Platz weit weg vom Pueblo und weit weg von anderen Menschen, am Ufer des Pecos begraben. Hier konnte ich allein mit ihm sein, hier hatte ich meine Berge und Scharlih für mich allein. Hier konnte ich meinen Erinnerungen nachhängen. Und dem, was mir Scharlih auf dem Ritt erzählt hatte, was mir im Kopf herumging. Scharlih war auf Umwegen wieder im Westen gelandet, durch einen seiner Aufträge, die er manchmal für ein Detektivbüro erledigte. Er hatte beschlossen, hinauf in den Yellowstone Park zu reiten. Dort oben lebte sein Halbbruder mit seiner Familie, und Scharlih hatte Zeit, denn ein Treffen mit mir war nicht ausgemacht. Auf seinem Ritt begleiteten ihn ein paar Jäger, die sich zwar an Scharlih orientierten, sich aber sonst für sich hielten. Sie wussten nicht, dass er als Old Shatterhand bekannt war, und das war Scharlih auch ganz recht. Kurz vor dem Lake Mountain trennten sich dann ihre Wege, da Scharlih zu den Schoschonen weiter reiten wollte. Avat Niha war voller Freude, Scharlih wiederzusehen. Abends beim Essen erfuhr Scharlih dann, dass ich erst am Vortag zu den Meinen an den Pecos aufgebrochen war. Das jedenfalls war mein Plan gewesen, doch es war ganz anders gekommen. Auf dem Weg aus den Bergen heraus trafen wir vier Weiße, die uns von der Gefangennahme eines Bärenjägers mit Namen Bachmann erzählten. So kehrten meine Krieger und ich um und ließen uns an den Ort führen, wo der Überfall stattgefunden hatte. Scharlih hatte Avat Nihas Angebot, mir einen Boten nachzuschicken, abgelehnt, da er erst seine Verwandten hier oben besuchen wollte und erst später zu den Mescaleros an den Pecos zu reiten gedachte. Scharlih war zwei Tage bei den Schoschonen geblieben, um sich von dem Ritt etwas zu erholen und brach am dritten Tag mit den ersten Sonnenstrahlen auf. Es war jetzt Ende September, und bis er bei seinem Bruder ankommen würde, wäre es Ende Oktober oder gar Anfang November. Scharlih rechnete sogar damit, dass schon der erste Schnee hier oben lag, weshalb es sogar März werden konnte, ehe er den Ritt zu uns an den Pecos würde antreten können. So genoss Scharlih den Ritt, die schöne Aussicht von der Höhe hinunter in die Täler, die dichten Wälder. Er hatte es nicht eilig, Scharlih konnte ja nicht ahnen, was geschehen war, und dass er dringend gebraucht wurde. Auch wusste Scharlih nicht, dass er mich hier treffen würde. So nutzte Scharlih die Zeit, und so entstanden auch einige Bilder, die er mit seinem Schreibstift gezeichnet hatte. Diese Bilder hatte ich mir in den letzten Tagen immer wieder angesehen. Sie zeigten Wasserfälle oder kleinere Quellen oder eben Täler, die er von dort oben gezeichnet hatte. Dennoch war Scharlih nicht so lange wie gedacht unterwegs zu Mark gewesen, der nicht wie er May hieß, sondern Bachmann. Marks Mutter war verwitwet gewesen und hatte sich allein und das Kind nicht versorgen können. Scharlihs Vater hatte sich ihrer angenommen, so sagte es die Familienchronik. Plötzlich wurde Scharlihs Aufmerksamkeit auf den Weg vor ihm gelenkt, denn dort sah er von Weitem einige Indianer. Schnell verließ Scharlih den Weg und ließ im Wald zunächst sein Pferd zurück. Dann näherte er sich der Stelle, an der die Indianer lagerten, und nahm nur seine beiden Waffen mit, den Bärentöter und den Stutzen, den er im Anschlag hielt. Das war der Augenblick, als Scharlih uns begegnete. Dieses unverhoffte Wiedersehen, Scharlih staunte genauso darüber wie ich. Wie freute sich mein Herz, ihn hier so unerwartet zu treffen! Wir lagen uns in den Armen, wie immer seit wir uns einig geworden waren, und er hauchte mir einen Kuss auf mein Haar, das er so sehr mochte. Ich hatte den Pfiff auch gehört, unser Erkennungszeichen, das wir verabredet hatten, wenn wir uns irgendwo trafen, dennoch zweifelte ich noch daran, ihn tatsächlich gehört zu haben. Erst als Scharlih wirklich unter den Bäumen hervor und auf unser Feuer zu trat, konnte ich glauben, dass er es war. „Wie kommt unser Weißer Häuptling hier in dieses abgelegene Tal?“, hatte ihn Til Lata aus seiner Überraschung heraus gefragt. „Was machen meine roten Brüder so weit von den Jagdgründen der Apachen?“, hatte die Gegenfrage gelautet. „Old Shatterhand wird am Feuer alles erfahren. Schnelles Wiesel wird sein Pferd holen.“ „Ist der Häuptling auch hier?“ Nur ein Nicken. So viel dazu, das er mich überraschen wollte. Überrascht hatte er mich jedoch trotz allem, denn ich hatte nicht gewusst, dass Scharlih zurück und wieder hier war. So trat Scharlih mit Til Lata in den Wald an unser Feuer, wo ich mit einigen anderen Häuptlingen aus dieser Gegend saß. Mein Blick lag voller Liebe auf ihm, das war vielleicht mehr, als er gedacht hatte. „Meine roten Brüder werden mir die Störung verzeihen. Tascha Tunga, Roter Büffel und Grauer Bär! Old Shatterhand grüßt seine roten Brüder und freut sich, sie hier so unerwartet zu treffen.“ Scharlih zog mich danach in eine herzliche Umarmung; das Wiedersehen hatte uns doch beide sehr überrascht. Doch nur kurz hielt er mich in den Armen, um mein Ansehen nicht zu zerstören. Niemand sollte die Gefühle, die wir füreinander hegten, sehen. Was für eine Freude ich spürte, als Scharlih sich nun in unserem Kreis niederließ, denn das sagte mir, dass er erst einmal bei uns bleiben würde. Ich nahm meine Pfeife, brannte sie an und reichte sie zum Willkommen für ihn noch einmal herum. Erst danach wurde weiter gesprochen. „Was führt meinen Blutsbruder in diese abgelegene Gegend? Hat er etwas Wichtiges zu tun, oder ist er Herr seiner Zeit?“ „Im Augenblick bin ich eher auf dem Weg, um einen Besuch bei Verwandten zu machen, die seit einiger Zeit hier leben. Sonst liegt nichts an, danach wollte ich an den Pecos kommen, um euch dort zu besuchen.“ „Dann hat Old Shatterhand noch nichts davon gehört? Die Ogellallah haben den Bärenjäger Bachmann gefangen, mit seiner ganzen Familie. Winnetou war auf dem Heimweg zum Pecos, als ihn die Nachricht erreichte. Aber was hat mein Bruder, er ist ja ganz blass?“ „Winnetou, seit wann sind sie in Gefangenschaft?“ „Winnetou erfuhr es vor einer Woche!“ „Weiß Winnetou, wohin man sie verschleppt hat?“ „Hinauf zur Opferstätte, wir waren gerade dabei zu beratschlagen, wie wir sie am besten befreien!“ „Lass uns erst mal dahin reiten, und dann entscheiden wir. Es sind noch drei Tage bis zum Hancock Berg, doch das müsste zu schaffen sein!“ . Kapitel 2: Aufbruch und Befreiung --------------------------------- Aufbruch und Befreiung Was war mit Scharlih los? Nicht nur dass er blass wurde, als er erfuhr, was geschehen war. Nein, er drängte sogar zum sofortigen Aufbruch. Wie gut, dass ich auch Hatatitla mitgenommen hatte, der seit einiger Zeit nicht mehr im Pueblo zu halten gewesen war. Hatte ich erst angenommen, dass er einfach Bewegung brauchte, war ich mir jetzt sicher, dass er gespürt hatte, dass Scharlih wieder hier war. Das Wiehern, das er jetzt hören ließ, ließ Scharlih den Kopf heben. „Winnetou, woher wusstest du, dass du mich treffen würdest?“ „Hatatitla war es, der dich schon vor Wochen am Pecos spürte, ohne dass ich wusste, dass du in der Nähe warst. Je näher wir den Bergen kamen, umso unruhiger wurde er. Seit wir hier angekommen sind, wollte er keinen Schritt mehr weitergehen. Jetzt weiß Winnetou auch warum. Hatatitla hat gespürt, das wir dich hier treffen würden, er steht da hinten bei den anderen Pferden und mit Iltshi zusammen. Noch einmal hörten wir Hatatitlas Wiehern, und schon kam das edle Tier zu Scharlih gelaufen. „Na, du hast wohl wieder mal nicht warten können, bis ich zu dir komme, mein Freund! Aber jetzt sind wir wieder zusammen, lass uns reiten, wir müssen los!“ „Wenn Old Shatterhand weiter will, sollten wir aufbrechen, also satteln wir die Pferde!“, gab ich die Anordnung an die Krieger weiter. Scharlih war uns schon voraus geritten, es schien, als ob er keine Spur dahin brauchte, wo er hin wollte, er ritt vorne weg. Es wurde schon dunkel, doch von einer Pause wollte er nichts hören, also folgten wir ihm weiter. Aus dem drei Tage ritt, machte Scharlih eineinhalb, da wir die Nacht den Tag und die zweite Nacht durch ritten. Erst am Mittag des nächsten Tages legte Scharlih dann eine Pause ein. Er schien weit fort mit seinen Gedanken, dennoch setzte ich mich neben ihn. Leise, so dass nur ich es verstand, erklärte er mir, dass die Verschleppten seine Familie waren, sein Bruder mit Frau, Tochter und Sohn. Dass er sie besuchen wollte, dass er deshalb hier oben in den Bergen wäre und erst im Frühjahr zu uns an den Pecos gekommen wäre. Darum also war er so blass und erschrocken gewesen, als er die Nachricht von der Gefangennahme des Bärenjägers gehört hatte! Nun verstand ich auch, dass er in Eile war und sie retten wollte. Darum auch das Durchreiten bei Nacht. Nach etwa einer halben Stunde brachen wir wieder auf, wichen aber von der Spur noch weiter ab. Was nicht nur mich wunderte, doch ich fragte ihn nicht, ich brauchte keine Erklärung dafür. Nach drei weiteren Stunden hielt Scharlih in einem Waldstück an. „Ruht euch aus, wir sind am Ziel. Macht aber kein Feuer, es könnte dem Feind verraten, dass wir hier sind. Haltet euch bedeckt, Winnetou wird mich begleiten. Danach werden wir beraten, wie wir die Gefangenen befreien.“ Scharlihs Stimme klang dumpf und belegt, aber nur ich, der ihn genau kannte, hörte es heraus. Es belastete ihn so sehr, dass er mit seinen Gefühlen kämpfen musste. Ich wusste nicht, was in ihm vorging, dennoch hatte ich das Gefühl, etwas übersehen zu haben. Ich folgte Scharlih, so wie er es gewollt hatte, und er führte mich einen Hang hinauf. Er bat mich, vorsichtig zu sein, damit sich keine Steine lösten. Es war die Rückwand eines Kraters. Als wir oben ankamen, musste ich ein Uff unterdrücken. Denn die Wand endete mit einer senkrechten Schnittkante! Unter uns lag ein freier runder Platz, und an der Rückwand lagen noch die vier Gefangenen, gefesselt und geknebelt. Scharlih erklärte mir, dass der Eingang östlich lag, dass man dort aber wegen der Wachen nicht eindringen konnte. Dass man nur hier über die Wand den Abstieg machen konnte, dass wir aber die Wachen mit einem Präriefeuer ablenken mussten, bevor wir hier den Abstieg wagen konnten. Danach begaben wir uns zu den anderen, erklärten ihnen unseren Plan, und kurz darauf verließ Scharlih unseren Lagerplatz. Er stand an einen Baum gelehnt, schien in Gedanken weit weg zu sein. Dennoch wusste er aber, dass ich es war, der sich ihm näherte. Er drehte sich zu mir um und sagte: „Winnetou kommt, um nach seinem Bruder zu sehen, er tut recht daran, denn bald wird er vergeblich nach ihm Ausschau halten!“ „Lagern Schatten auf dem Gemüt meines Bruders, so mag er sie verjagen! Sie gründen sich aus den Anstrengungen der letzten Tage!“ „Dort flammte soeben noch das Abendrot, jetzt ist es verschwunden. Kann Winnetou diese Schatten verjagen, die dort heraufziehen?“ „Die Sonne wird morgen die Schatten verjagen, mit einem neuen Tag!“ „Die Sonne wird morgen für den Hancock Berg wieder aufgehen, meine irdische Sonne aber wird verlöschen, wie diese dort. Meine Seele wird heute zu den Sternen gehen, wohin mir Winnetou einst folgen wird.“ „Scharlih ist erschöpft, er darf sich solchen Todesahnungen nicht hingeben, er sollte bei denen bleiben, die bei den Pferden wachen. Winnetou kennt den Plan, er kann ihn allein ausführen.“ „Nein, Winnetou, verlange das nicht von mir, denn ich könnte diesem Old Shatterhand, der ruhte, als alle anderen kämpften, nie wieder in die Augen sehen. Winnetou weiß, dass wir schon oft dem Tod ins Auge blickten, und ich war immer darauf vorbereitet. Heute aber, wo ich die Nähe des Todes spüre, muss ich davon sprechen. Wenn ich gestorben bin, nimm meinen Kalender, der sich in der rechten Satteltasche befindet, und lies die Einträge. Begrabe mich am Ufer des Pecos, gegenüber der Stelle, wo ich damals mein Leben aus deiner Hand zurück erhielt. Aber Hatatitla soll leben, ich möchte es ihm nicht nehmen. Willst du mir diesen letzten Freundschaftsdienst erweisen?“ „Scharlih kann mich doch jetzt nicht allein lassen, wie soll Winnetou denn ohne ihn weitermachen?Was wenn ich dich um unserer Freundschaft willen bitte, nicht an diesem Kampf teilzunehmen?“ Doch Scharlih schüttelte den Kopf und bat erneut eindringlich:„Winnetou, wirst du mir meinen letzten Wunsch an dich erfüllen?“ „Ja. Winnetou wird so handeln, wie Scharlih es in den Kalender eingetragen hat.“ „Dann lass uns jetzt Abschied nehmen, die Zeit zum Angriff ist gekommen, den dein Scharlih nicht überleben wird. Gott möge dir vergelten, was du mir gewesen bist, Bruder, Freund und Gefährte. Lass mich dich segnen, weil du mir ein Segen warst.“ Ich riss Scharlih in meine Arme, was gäbe ich darum, wenn es einen Ausweg geben würde, doch egal was ich vorbringen konnte, es würde nichts nützen. Scharlih hauchte mir einen Kuss auf die Stirn, dann löste er sich von mir und wandte sich dem Lager zu. Als er die anderen jetzt aufforderte, uns zu folgen, hörte ich seine Stimme noch zittern. Was konnte ich denn noch tun, nichts, gar nichts gab es, was ich ausrichten konnte. Als wir oben ankamen, befestigten wir ein Seil an einem in der Nähe stehenden Baum. Wir hatten Lassos aneinander geknotet, so dass das Seil lang genug war. Es dauerte nicht lange, schon konnten wir die ersten Feuer im Osten ausmachen, die die Wachen ablenkten, so wie wir es gedacht hatten. Ich griff das Seil, doch Scharlih nahm es mir ab. „Ich bin der Anführer, so werde ich auch der Erste sein, und ihr anderen folgt mir nach.“ Scharlih war bis zur Hälfte gekommen, da folgte ich ihm auch schon. Es ging schneller als gedacht, weshalb sich Steine von der Kante lösten, was die Wachen wohl gehört hatten. Kaum kam Scharlih unten an, blitzten die ersten Kugeln um ihn herum und er brach zusammen. Er war getroffen worden! Sofort sprang ich hinab, riss seinen Stutzen hoch und schoss auf alles, was sich im Eingang sehen ließ. Jetzt da die Unseren immer mehr wurden, konnte ich mich um Scharlih kümmern. Ich schnitt seinen Jagdrock auf und sah mir die Wunde an. Doch es war zu spät. Die Kugel war Scharlih in die Lunge gedrungen, er würde innerlich verbluten! So nahm ich seinen Kopf in meinen Schoß, damit er den Kampf erkannte, den er kämpfen musste, und auch spürte, dass ich bei ihm war. Doch sein Körper erschlaffte, ohne dass er das Bewusstsein noch einmal erlangt hatte, und nach einiger Zeit kam der Rote Büffel und verkündete: „Sie sind alle ausgelöscht!“ „Dieser hier ist auch ausgelöscht! Keiner kann ihn mir ersetzen!“ Niemand sprach ein Wort. Inzwischen war der Tag angebrochen, und die Krieger hatten eine Trage hergestellt, mit der wir nun Scharlih von hier wegbrachten, denn es war nicht sicher, ob nicht noch mehr Sioux hierher kamen. Scharlih tot! Diese zwei Worte machten verständlich, in welchem Zustand ich mich auf dem Weg zum Pecos befand. Scharlihs Tod löste bei allen Stämmen der Apachen eine Welle der Wut gegen die Ogellallah aus. Seit jenem Tag, als wir am Pecos angekommen waren, träumte ich jede Nacht denselben Traum. Der Traum begann immer am Hancock Berg und begann mit dem Schuss, und endete damit, dass ich Scharlih retten konnte und dass wir zusammen an den Pecos zurückkehrten. Doch es war nur ein Traum, und er zeigte mir jede Nacht, was ich verloren hatte. Wieder lag ich auf meinem Lager im Zelt, das ich neben dem Grab errichtet hatte. Wieder hatte ich diese Bilder vor Augen von unserem Kampf, der mir das Liebste genommen hatte. Kapitel 3: Winnetous Traum -------------------------- Winnetous Traum Scharlih war getroffen worden! Sofort sprang ich hinab, riss seinen Stutzen hoch und schoss auf alles, was sich im Eingang sehen ließ. Jetzt da die Unseren immer mehr wurden, konnte ich mich um Scharlih kümmern. Ich schnitt seinen Jagdrock auf und sah mir die Wunde an. Nein, sie war nicht tief, und so versuchte ich, die Kugel zu entfernen und es gelang mir auch. Bald hatte ich die Blutung gestoppt. Niemand sprach ein Wort. Inzwischen war der Tag angebrochen, und die Krieger hatten eine Trage hergestellt, mit der wir nun Scharlih von hier wegbrachten, denn es war nicht sicher, ob nicht noch mehr Sioux hierher kamen. Die Befreiten hatten sich unter den Pferden der Sioux die Ihren wieder herausgesucht, und dann brachen wir auf. Erst zu unserem Lagerplatz, und von dort ging es weiter ins Dorf von Roter Büffel, das am nächsten lag und wo wir sicherer waren als hier draußen in der Wildnis. Außerdem konnten wir Scharlih dort leichter versorgen, mit frischen Verbänden, Tees und anderen Kräutern, die dort vorrätig waren. Das war jetzt drei Tage her, und ich wich nicht einen Moment von seiner Seite. Auch heute saß ich schon seit Stunden neben Scharlih. Gerade betrat der Rote Büffel das Zelt, das man uns gegeben hatte. „Winnetou mag die Störung verzeihen! Der weiße Mann, der sich als der Bruder von Old Shatterhand ausgibt, möchte mit dem Häuptling sprechen.“ „Mein weißer Bruder mag eintreten. Er hat das Recht, seinen Bruder zu sehen, auch wenn dieser immer noch bewusstlos ist!“ Dann trat der Mann, der meinem Scharlih doch so ähnlich sah, ein, ich hatte mich erhoben und reichte dem Mann die Hand. „Winnetou weiß, dass mein weißer Bruder der Bruder von Old Shatterhand ist. Als Old Shatterhand die Nachricht von mir erhielt, was geschehen ist, hat ihn nichts mehr aufgehalten und er ist geeilt, euch, seine Familie, zu befreien. Er wusste, dass es sein Tod sein könnte, aber Winnetou hofft, das er ihn euch erhalten kann!“ „Winnetou mag sich keine Sorgen machen, wir wissen, wie sehr Karl ihm am Herzen liegt, man konnte es sehen, so wie Winnetou sich um ihn bemüht. Winnetou ist bei uns immer willkommen, egal wie das hier ausgeht! Mein Name ist Mark Bachmann, der Bärenjäger!“ „Winnetou kennt den Namen des Bärenjägers, Scharlih hat ihn während einer Rast genannt, als wir auf dem Weg waren, um euch zu retten. Der Bärenjäger möge sich setzen. Roter Büffel hat meinen Dank, dass er den Weißen Jäger zu uns gebracht hat!“ „Roter Büffel tut, was er kann. Auch er möchte, dass Old Shatterhand bald wieder aufwacht und gesund wird. Nagi Tanka fragt, ob Winnetou noch mehr Kräuter zur Wundheilung benötigt?“ Ich sann einen Moment nach, dann schüttelte ich den Kopf. „Für die Wundheilung hat Winnetou genug, doch sollte Old Shatterhand Wundfieber bekommen, wäre es gut, einen Vorrat zu haben.“ „Roter Büffel wird es Nagi Tanka mitteilen. Wird sonst noch etwas benötigt?“ „Nein, sonst fällt Winnetou nichts mehr ein. Aber danke, dass Roter Büffel fragt!“ Damit verließ der Häuptling das Zelt wieder. „Wie hat Winnetou meinen Bruder kennengelernt? Er hat es mir nie erzählt, dass er euch kennt.“ „Er war vor drei Sommern unter den Bahnarbeitern, die eine Bahnlinie vermessen sollten. Zu Beginn sah ich ihn als Feind, doch er war gekommen, um den unrechtmäßigen Bau durch unsere Jagdgründe rückgängig zu machen. Dann überschlugen sich die Ereignisse, und er wurde durch mich schwer verletzt. Auch damals kämpften wir einige Tage lang um sein Leben. Dass er diesen Stich durch die Zunge überlebte, grenzte damals wirklich an ein Wunder. Winnetou wünscht sich nichts mehr, als dass Old Shatterhand am Leben bleibt und wir zusammen ins Pueblo zurückkehren.“ Und dass er für immer bei uns bleibt... Doch das dachte ich nur, ich konnte es nicht aussprechen, es würde nur zu viel von meinen wahren Gefühlen für Scharlih verraten. Später wurde uns Essen gebracht. Für Scharlih gab es Tee und eine Brühe mit Pemmikan, damit er bei Kräften blieb. Beides trank er selbständig, ich musste ihn nur stützen. Als beides zur Hälfte geleert war, drehte er den Kopf weg, seine erste Reaktion, seit ihn vor nun schon acht Tagen diese Kugel getroffen hatte. Mark kam jeden Tag und blieb bis zur Dunkelheit bei Scharlih, so konnte ich mich dann auch etwas hinlegen und schlafen. Wir hatten inzwischen schon gehofft, Scharlih würde erwachen, doch es war keine weitere Reaktion mehr von ihm gekommen. Auch während der Nacht rührte sich Scharlih nicht mehr, doch am Morgen, als die Sonne sich gerade über die Ausläufer der Rocky Mountains schob, sah ich in offene und klare blaue Augen. Verwirrung spiegelte sich darin, warum? Ich konnte es mir denken, doch ehe er zum Sprechen ansetzte, reichte ich ihm Tee und seine Brühe, das er beides trank. Wundfieber hatte er nicht bekommen, das war mehr als gut. „Winnetou, was ist passiert, wo sind wir hier? Das letzte, woran ich mich erinnere, ist die Hölle des Hancock Berges, ein Schuss, der mich in die Brust traf, und dann war alles bis eben dunkel.“ „Winnetou war schnell bei dir, und er konnte die Kugel entfernen. Wir befinden uns im Dorf von Roter Büffel. Auch deine Familie und dein Bruder Mark sind hier, es geht ihnen gut. Sie hatten nur ein paar Kratzer und blaue Flecken von den Fesseln. Mark war die letzten fünf Tage jeden Tag hier bei dir und Winnetou.“ „Darf ich eintreten? Ich habe Old Shatterhand sprechen hören!“ „Der Rote Büffel mag hereinkommen, ebenso Mark mit seiner Familie!“ Ich hatte mich so gesetzt, dass Scharlih sich an mich lehnen konnte. Nun konnte er jeden erkennen und sehen, der vor ihm stand. „Wie geht es euch? Habt ihr alles gut überstanden?“ „Karl, wir sind dank euch allen mit dem Schrecken davongekommen, es geht uns gut. Jetzt solltest du nur noch an dich denken und gesund werden! Winnetou ist ein wirklich besserer Arzt als unsere Quacksalber in Deutschland, und bei denen bezahlst du obendrein noch einen Batzen Geld. Winnetou wollte nicht einmal meinen Dank dafür, dass er dein Leben gerettet hat.“ Ich sah Scharlih lächeln, denn er hatte damit gerechnet, und sein Blick traf mich, bevor er meine Hand drückte. „Das ist Winnetou, so reagiert er bei jedem, nehmt es ihm nicht übel, er meint es nicht böse. Aber es freut mich auch, dass ihr euch so gut miteinander versteht. Denn eins muss euch klar sein! Jetzt wo wir euch aus der Hand der Ogelallah befreit haben, gibt es kein Zurück in eure Hütte am Mountain Fall. Sie würden euch wieder verschleppen und euch vielleicht gleich töten!“ Der Rote Büffel nickte bestätigend: „Old Shatterhand hat recht mit dem, was er seinem Bruder sagt! Gerade die Ogelallah sind dafür bekannt, dass sie sich keine Beute nehmen lassen. Auch wir, die wir hier leben, müssen nun achtgeben, dass wir nicht angegriffen werden!“ Mark aber schüttelte den Kopf: „Karl, unsere Hütte kennen sie nicht, wir waren auf dem Heimweg vom Einkauf in der Siedlung, die zwei Tage von hier entfernt ist und die in der Nähe von Fort Utah liegt!“ Scharlih gab dazu zu bedenken: „Man sollte dem Kommandanten eine Warnung zukommen lassen, damit er die Wachen verstärkt!“ Ich nickte erst einmal nur zu Marks Bitte, das würden wir tun. Scharlih war mit dem Gehörten nicht zufrieden und sagte eindringlich:„Mark, lass dir eins gesagt sein, die haben dich schon länger beobachtet, ohne das du es wusstest. Ich glaube nicht, dass deine Hütte noch steht, die werden sie wohl schon niedergebrannt haben.“ Ich sah, wie sehr Scharlih diese Angelegenheit aufregte und schaltete mich nun ein: „Das reicht fürs Erste. Old Shatterhand braucht jetzt Ruhe, damit er sich erholt.“ Es war der Medizinmann, der alle hinaus schickte, während ich Scharlih wieder in die Kissen bettete. Scharlih hielt meine Hand fest, er wollte, dass ich bei ihm blieb. Dann schloss er die Augen und schlief auch kurz darauf ein. Als der Druck seiner Hand sich lockerte, trat ich nach Tagen das erste Mal wieder nach draußen, holte tief Luft. Das tat gut. Wenig später trat Til Lata zu mir und sah mich fragend an. „Old Shatterhand ist erwacht, er hat sich sehr gut erholt. Doch wird es noch einige Tage dauern, bis er reiten kann. Wie geht es Hatatitla? Hat er sich beruhigt? Er wollte sich zunächst nicht von seinem Herrn trennen lassen!“ „Winnetou sei unbesorgt, dem Hengst geht es gut. Er hat sich gut ablenken lassen.“ „Hat Roter Büffel den Boten zum Fort Utah geschickt?“ „Denkt Winnetou, dass es nötig wäre, so wie Old Shatterhand sagt?“ „Wenn Old Shatterhand das für nötig hält, dann hat er meist eine Vorahnung!“ „Dann möge mein Häuptling mir erlauben, zum Fort zu reiten und die Nachricht zu überbringen, die er aufschreiben möge.“   „Til Lata möge sein Pferd satteln und noch zwei Krieger mitnehmen. Lass dir genug Proviant für euch geben.“ So trat ich ins Zelt, holte etwas zum Schreiben, und als ich zum Lager von Scharlih sah, blickten mich seine strahlenden Augen an. Kurz nickte ich und setzte mich an den Eingang, dann schrieb ich dem Kommandanten meine Nachricht und setzte meinen Namen darunter. Schon kamen Til Lata, Kleiner Biber und Schneller Hirsch. Ich reichte Til Lata das Schreiben, das er sich in den Gürtel steckte. „Einer von euch sollte es bis ins Fort schaffen. Seid aber vorsichtig! Winnetou wünscht euch viel Erfolg!“ Sie nickten, gaben ihren Pferden die Fersen zu spüren und jagten im Galopp davon. Ich schätzte, dass sie vier Tage brauchen würden. Bis dahin müsste Scharlih wieder auf den Beinen sein. Jetzt rief er nach mir. Ich betrat das Zelt erneut und sagte: „Winnetou hat gerade einen Boten zum Fort entsandt, um dem Kommandanten die Warnung zukommen zu lassen, wie Scharlih vorhin empfohlen hat. Wie fühlt sich mein Bruder? Kann Winnetou etwas für ihn tun?“ „Winnetou könnte mir helfen, mich zu erleichtern, denn mit aufstehen ist noch nichts.“ Nagi Tanka hatte mir dafür ein Gefäß bringen lassen. Damit er ungestört war, schloss ich den Eingang. Niemand sollte jetzt hereinplatzen. Danach setzte Scharlih sich auf, sah sich erst einmal um und sah dann wieder zu mir. „Danke, mein Freund, dass du mich nicht einfach hast gehen lassen! Ich habe dich die ganze Zeit gespürt, auch deine Tränen. Das bleibt unser Geheimnis, Winnetou, versprochen. Ich liebe dich auch.“ Die letzten beide Sätze hatte er leise gesprochen. Selbst wenn jemand hier gewesen wäre, hätte es keiner gehört. Dann öffnete ich den Eingang wieder, und sofort kam der Gehilfe von Nagi Tanka, er nahm mir das Gefäß ab, während er mir frisches Wasser brachte, damit ich Scharlih waschen konnte, wobei ich auch gleich den Verband wechselte. Wie sehr er sich danach freute, endlich in saubere Kleidung schlüpfen zu können! Dann wurde uns auch das Essen gereicht. Scharlih aß sein Fleisch schon allein, und kurz darauf legte er sich wieder hin und schlief. Der Schlaf würde die Wunden weiter heilen lassen und Scharlih wieder Kraft geben. Scharlih war kein Müßiggänger, er war immer aktiv, immer in Bewegung, doch heute wenigstens würde er noch liegenbleiben. Doch schon morgen würde es ein Kampf werden zwischen seiner Sturheit und meiner Hartnäckigkeit, ihn zum Liegenbleiben zu bewegen. Ja, manchmal prallten wir da aneinander, doch auch das hat unserer Freundschaft und Liebe nie geschadet, denn wir haben trotz aller Differenzen immer wieder den Weg zueinander gefunden. „Woran denkt Winnetou?“ Ich musste schmunzeln. „Darüber wie ich morgen Old Shatterhand dazu bringe, dass er noch einen weiteren Tag liegenbleibt!“ „Ist er also auch in dieser Hinsicht nicht erwachsen geworden?“, antwortete mir Mark, der gerade eben ins Zelt trat. „Dann war er schon immer so stur?“ „Das mag wohl an unserer Erziehung liegen, die sehr lieblos war, auch Karl hat es abbekommen, manchmal artete es so aus, dass er geflüchtet ist. Erst zu unserer Tante, später dann mit mir in die Wälder rund um Ernstthal. Dabei hat er seine Liebe zur Natur und zum Schreiben und Zeichnen entdeckt. Damals begann das mit dem Schreiben, da hat er sich jeden Groschen gespart, den er damit verdiente, und seine erste Reise war hierher in den Westen.“ Dass Scharlih uns zuhörte, wussten wir beide nicht, doch jetzt sprach Scharlih aus, was ihm am Herzen lag: „Mark hat recht mit dem, was er sagt. Es stimmt, ich wollte die ganze Welt bereisen. Vom Schreiben konnte ich bisher gut leben, es hat mir gereicht. Einiges habe ich noch gespart, wollte den Orient noch erkunden, doch ich glaube, inzwischen bin ich angekommen, ich habe meinen Hafen gefunden, Mark.“ Obwohl sein Blick auf mir lag, war ich doch verwirrt. Hatte Scharlih seine Wort wirklich ernst gemeint? Was mein Vater wohl dazu sagen würde, wenn er das hörte? Ich war mir noch nicht sicher, was daraus werden würde, doch ich konnte und wollte mich nicht mehr von Scharlih fernhalten. Das war mir inzwischen unmöglich, und ich hoffte, mein Vater würde es verstehen und mir erlauben, mit Scharlih zusammen zu sein. „Was wirst du nun machen, Karl?“, fragte Mark. „Erst mal wieder gesund werden! Dann werden wir nach deiner Hütte schauen und retten, was noch geht, bis dahin werden aber noch ein paar Tage vergehen. Ihr solltet es euch trotzdem überlegen und euch woanders etwas Neues aufbauen. Es gibt noch andere Ecken, wo es wesentlich sicherer ist.“ „Wo, denkst du, wäre es besser als hier? Was denkt Winnetou darüber? Ist er auch der Meinung, dass wir hier nicht mehr sicher sind?“ Ich überlegte kurz und antwortete: „Mark sollte seinem Bruder nicht zürnen, aber wenn er es schon für nötig hält, dass man das Fort warnt, dann bedeutet das, dass er eine Vorahnung hat. Und dass er euch auch aus diesem Teil der Rocky Mountains heraus haben möchte, hat denselben Grund. Old Shatterhand gibt solche Anweisung nicht zum Spaß! Doch Mark ist erwachsen, er braucht keinen Rat von Old Shatterhand anzunehmen. Er weiß selbst, was er zu tun hat! Das ist meine Antwort, die er haben wollte!“ Scharlih sah mir meine Verärgerung an und griff nach meiner Hand. Er drückte sie kurz und wandte sich dann seinem Bruder zu. „Winnetou ist zu recht wütend, Mark! Wenn ihr wirklich hier in eurer Hütte bleiben wollt, kein Problem. Doch dann hätte ich mir die Schusswunde sparen können und hätte einfach die Hände in den Schoss legen und nichts tun können. Außerdem hätte ich Hatatitla nicht dieser halsbrecherischen Jagd aussetzen müssen, um euch noch rechtzeitig zu retten. Jeder der Krieger, die Häuptlinge, Winnetou und ich hätten uns dann dieser Gefahr nicht auszusetzen brauchen. Ich möchte nicht wissen, was deine Frau und die Kinder sagen, wenn sie erfahren, wie gefährlich es ab jetzt dort für euch sein wird. Mark, geh jetzt bitte, ich möchte noch etwas schlafen.“ Mark war sofort nach Scharlihs Aufforderung gegangen. Als auch ich mich erhob, um ihn zu verlassen, griff er nach mir, und sein Blick sagte mir, dass er mich bei sich haben wollte. So rollte ich meine Decke wieder neben der seinen aus, denn heute Nacht konnte ich ja schlafen und musste nicht mehr wachen wie die letzten Tage. Als es draußen dunkelte, kam schon eine der Squaws und brachte uns Essen. Ihre Blicke lagen so schmeichelhaft auf Scharlih, dass sich in mir alles zusammenzog. Was war das bloß für ein Gefühl? Doch als ich in mich hinein horche, spürte ich, was es war. Es war dasselbe Gefühl, das ich habe, wenn Nscho tschi sich so an Scharlih hängt. Aber er schaute die Squaw gar nicht an, sondern sah nur auf sein Essen. Wie sollte ich mit dieser Eifersucht umgehen, wenn mein Vater mir nicht erlaubte, Scharlih zu lieben? Es tat jetzt schon weh. Wir mussten bald an den Pecos zurückkehren, damit ich diese Unklarheit endlich beseitigen konnte. „Winnetou, was plagt dich, du grübelst schon die ganze Zeit vor dich hin. Iss was und dann lass uns schlafen!“ Scharlih war durch den Ärger mit seinem Bruder immer noch verletzt. Er hatte ja recht mit dem, was er Mark gesagt hatte, wir hatten alle unser Leben riskiert. Und Scharlih hätte seines beinahe verloren. „Winnetou, iss jetzt bitte, du wirst deine Kraft auch noch brauchen.“ Da es jetzt draußen langsam ruhiger wurde, zog Scharlih mich in seine Arme. Mit dem, was er dann tat, hatte ich nicht gerechnet. Scharlih küsste mich, nicht auf mein Haar oder die Stirn, nein, er legte seine Lippen auf meine. „Winnetou, ich liebe dich, und das wird sich nie mehr ändern. Wenn dein Vater es verbietet, nehme ich dich mit und wir reisen zusammen um die Welt. Ich zeige dir neue Länder, neue Kulturen und nichts wird sich zwischen uns mehr ändern.“ Wenn doch alles so einfach wäre wie dieser Kuss, den ich nicht mehr missen wollte. Danach schliefen wir ein. Am nächsten Morgen stand die Sonne schon hoch, als Scharlih noch neben mir lag. Er war bereits wach und sah mich prüfend an: „Du hast wohl kaum geschlafen, wegen meiner Verletzung. Verzeih mir, dass ich nicht besser auf mich geachtet habe.“ „Scharlih trifft keine Schuld, wir wussten beide, dass es ein Risiko birgt, sich an einem Seil da hinunter zu hangeln. Der Schuss hätte auch jeden anderen treffen können.“ Scharlih nickte, und so setzten wir uns auf. Während ich Scharlih den Verband wechselte, begann er, sich mit dem frischen Wasser Gesicht und Hände zu waschen. Danach wurde uns Frühstück gebracht, und kurz darauf erschien Mark. Er entschuldigte sich bei mir und bei Scharlih, was dieser abwinkte. Sie hatten sich entschieden: Mark und seine Familie würden ein Stück mit uns kommen und sich dann weiter unten etwas Neues aufbauen. Da konnten wir nichts machen. Dennoch war Mark einverstanden, mit dem Ritt zur Hütte zu warten, bis Scharlih wieder reiten konnte. Scharlih blieb auch an diesem Tag noch liegen, was mich wunderte, doch vielleicht hatte ihm der Schuss klar gemacht, wie sehr sein Leben am seidenen Faden gehangen hatte und wie er selbst jetzt noch mit seinem Leben spielte, wenn er sich doch zu früh zu viel zumutete. Auch am nächsten Tag blieb er noch liegen, und gegen Abend kamen meine Krieger vom Fort zurück, und ich war gespannt, was der Kommandant gesagt hatte. Til Lata reichte mir einen Brief, der an Scharlih und mich adressiert war. Mr Shatterhand, Häuptling Winnetou Wie sehr es mich freut, Ihnen beiden mitteilen zu können, dass Eure Warnung noch zur rechten Zeit eintraf. Wir konnten das Fort noch sichern und haben eine größere Gruppe der Ogelallah gefangen nehmen können, sie werden dann wohl umgesiedelt werden. Gute Besserung an Old Shatterhand, auf dass er bald wieder gesund wird. Mit freundlichen Grüßen Kommandant Tom Wilkens Scharlih lächelte, nickte und bedankte sich bei meinen Kriegern für den Botengang zum Fort. Er wäre selbst geritten, wenn er gekonnt hätte. Als wir wieder allein waren, sah er mich erst an. „Winnetou, wie steht es mit der Wunde, wird sie halten bis zum Pueblo?“ „Die Wunde heilt, sie ist geschlossen und wird auch nicht mehr aufgehen. Warum fragt Scharlih?“ „Meinst du, wir können in zwei Tagen aufbrechen? Bis dahin haben sich Til Lata, Kleiner Biber und Schneller Hirsch ausgeruht!“ Das war es also, er wollte nicht länger liegenbleiben. „Wenn Scharlih aufstehen kann, ohne dass ihn die Wunde schmerzt. Doch Vorsicht, es könnte durch das lange Liegen zunächst Schwindel auftreten!“ So war es dann auch, und ich bat Scharlih, mich anzusehen, was er auch tat. Die ersten Schritte waren noch etwas wackelig, doch dann ging es. Nach dem Frühstück war sein erster Weg zu Hatatitla, und wie dieser sich auf ihn freute, berührte mich. Es war doch immer wieder schön, die beiden miteinander zu erleben. Wie sehr ich diesen Mann doch liebte, das wurde mir in dem Moment erst bewusst. „Ja, wir können in zwei Tagen aufbrechen.“ Auch ich war erleichtert, dass es ihm wieder so gut ging, dass er hier bei seinem Hengst herumlaufen konnte. Was wäre wohl aus Hatatitla ohne Scharlih geworden... Ich glaube, ich hätte das Tier erlösen müssen, weil es so oder so eingegangen wäre. Ohne Scharlih, das hätte Hatatitla nicht ertragen. Wir ritten erst zur Hütte, doch diese war ein Opfer der Flammen geworden, und da sie noch rauchte, mussten wir davon ausgehen, dass die Sioux möglicherweise noch in der Nähe waren. Mark, Scharlih und ich hatten uns im Wald versteckt gehalten. Wir durften uns nicht sehen lassen, das verstand inzwischen auch Mark. Zurück bei den anderen griffen wir die Zügel, nahmen den Weg durch den Wald und verließen diesen auf steinigem Gelände. Um keine Spuren zu hinterlassen, ritten wir hintereinander, bis wir die Prärie erreicht hatten. Während wir weiter nach Süden wollten, ritt Mark mit seiner Familie nach Westen zum Fort Utah. Dann gaben wir unseren Rappen die Fersen. Es tat gut, mit Scharlih und den Kriegern über die Prärie zu jagen. Die ersten Tage waren noch schön, doch umso näher wir dem Pueblo kamen, um so mehr verblasste Scharlih, als ob es ihn nicht gäbe. Hier endete der Traum jedes Mal, und ich wache schweißgebadet auf. . Kapitel 4: Trauer und Emery --------------------------- Trauer und Emery Seit jenem Tag sitze ich Nacht für Nacht schweißgebadet auf meinem Lager. Scharlih war in die Brust getroffen worden und in meinen Armen gestorben, trotz all meiner Versuche, die Kugel zu entfernen. Und er hatte mir gesagt, was mit Hatatitla geschehen sollte. Doch der Hengst verweigerte auch jetzt noch jede Nahrungsaufnahme. Er stand nur stumm vor Scharlihs Grab und ließ sich nicht fortbewegen. Musste ich ihn doch noch erschießen, um ihn nicht weiter zu quälen? Ich wusste nicht, was ich tun sollte, und auch mein Vater hatte keinen Rat, was ich mit dem Rappen anfangen sollte. Scharlih, warum, warum musste deine Ahnung wahr werden? Warum hat man dich mir genommen? Den Menschen, den ich doch so sehr liebe. War es deshalb? Hat dein Manitou dich mir genommen, weil er die Liebe zwischen zwei Männern nicht duldet? Scharlih, komm zurück! Doch es geschah nichts, keine Antwort, keine Regung. Hatatila liegt inzwischen neben dem Grab, als wolle er es beschützen. Er atmet kaum mehr, er will zu seinem Herrn. Selbst Iltshi kann ihn nicht mehr aufheitern, obwohl auch er sich hier bei ihm befindet. Auch mein Herz krampft und schmerzt, kann die Trauer nicht länger verbergen, nichts ist mehr interessant. Ich ziehe mich immer mehr zurück aus dem Leben, versinke in der Dunkelheit. Es gibt keine Sonne mehr in meinem Herzen, diese ist mit Scharlih erloschen, genauso wie er es gesagt hatte. Scharlih, bitte, was kann ich tun? Ich brauche dich, ich will bei dir sein! Ich werde dir folgen, schon bald. Wieder liege ich wach, auf meinen Lager im Zelt, habe es bei meinem Vater und Nscho - tschi nicht mehr ausgehalten. Gedanken rasen durch meinen Kopf, doch ich kann sie nicht greifen. Dann fällt mir ein, dass ich Scharlih versprochen habe, sein Testament zu vollstrecken. Deshalb erhebe ich mich und greife den Kalender aus der Satteltasche. Noch einmal lese ich also seine Einträge. Mein erster Weg führt mich nach St. Louis, darum sattle ich meinen Iltschi, und plötzlich steht Hatatitla bei mir, ich nehme ihn in den Arm, drücke ihn fest an mich. „Dein Freund, Hatatila, will, dass du lebst, bitte bleib du mir also erhalten, gib nicht auf, Hatatitla.“ Dann wende ich Iltshi dem Pueblo zu und Hatatitla folgt uns, es ist als ob er plötzlich wieder Leben in sich spürt, so als ob Scharlih bei uns wäre. So jagen wir zu dritt über die Prärie, bis wir in St. Louis ankommen. Henry sieht mir direkt an, das was passiert ist, weshalb er mich einfach an sich drückt. „Was bedrückt Winnetou, was ist passiert? Ich sehe Hatatitla, aber Charly ist nicht dabei!“ „Old Shatterhand ist tot! Ich bin hier, um seinen letzten Willen zu erfüllen! Scharlih wollte, dass ich seiner Familie Bescheid gebe. Aber hier steht etwas, was Winnetou nicht lesen kann, vielleicht kann mir Mr. Henry helfen?“ „Lass mal sehen!“ Ich reichte ihm den Eintrag, und dann lächelte er mich an. „Charly hat Winnetou eine Reise geschenkt, sie ist bezahlt und du kannst sie jederzeit antreten!“ „Winnetou sagt danke!“ Das war es also, warum er wollte, dass ich sein Testament vollstrecke, denn mit dieser Reise erfüllte Scharlih mir einen Wunsch. Einen Wunsch, den er zusammen mit mir erleben wollte. Doch konnte ich einfach verschwinden? Ich konnte doch nicht einfach mit den Pferden so vereisen?! Henry schien meinen inneren Zwist zu spüren, weshalb er eine Hand auf meinen Arm legte. „Winnetou kann hier eine Nachricht an seinen Vater hinterlassen, die ich dann einem der Boten mitgeben kann!“ „Mr. Henry! Winnetou weiß gar nicht, wie er ihm jetzt danken soll.“ „Winnetou muss mir nicht danken. Er sollte sich auf dieser Reise von seiner Trauer erholen. Damit er gestärkt zu den Seinen zurückkehrt!“ „Winnetou weiß nicht, ob er das noch kann und will? So vieles erinnert ihn dort an seinen Blutsbruder!“ „Winnetou und Charly waren ein Paar, kann das sein?“ „Mr. Henry vermutet richtig. Wir wollten, wenn er zurückkommt, meinen Vater fragen, doch das konnten wir nun nicht mehr. Scharlih starb in meinen Armen, mit einer Kugel in der Brust. Nein, Winnetou wird niemandem mehr sein Herz öffnen. Scharlih war ihm mehr, als er in Worte fassen kann.“ Wir saßen in der Küche von Mr. Henry, so hörte nur er meine Worte, den Laden hatte er geschlossen. Er war mir ein Freund geworden, der alles über Scharlih und mich wusste. Scharlih hatte mir seine Muttersprache beigebracht, weshalb ich auch deutsch sprechen konnte, auch einige arabische Sätze. Himmel, da fiel mir ein, dass ich ja Emery noch benachrichtigen musste! „Hat Mr. Henry die Anschrift von Emery Bothwell noch? Er muss es auch erfahren, was geschehen ist. War Scharlih doch zuletzt mit Emery im Orient.“ „Ja, warte, dem schicken wir besser ein Telegramm, das geht schneller, Winnetou. Komm mit, wir machen das gleich, dann vergessen wir es nicht!“ . Epilog: Heimkehr und Erinnerung ------------------------------- Heimkehr und Erinnerung Scharlih erinnerst du dich noch? An damals, als ich dich in deiner deutschen Heimat besuchte? Als wir gemeinsam in den Orient reisten? Ja, du erinnerst dich sicher noch, es war eine Reise in eine andere Welt für Winnetou. Nur kurz konnten wir dort verweilen, da Eile geboten war, da es um die Familie Vogel und deren Erbe ging. Zu kurz, um das Land und die Menschen dort kennen zu lernen. Dieses Mal war es anders. Scharlih, du hattest mir zwar schon so viel über das Land erzählt, doch nicht alles. Aber wir hatten darüber gesprochen, dass wir Intschu tschuna fragen, wenn du wieder zu uns ins Pueblo kommst, ob er mir diese Reise mit dir erlaubt. Wie ich nun aus deinem Testament wusste, hattest du mir diese Reise in den Orient als Geschenk zu meinem Geburtstag machen wollen. Nun aber war sie dein letzter Wunsch an mich, wie Mr. Henry mir den Eintrag auf Deutsch erklärt hatte. Da ich vorhatte, meinen Iltschi und auch Hatatitla mitzunehmen, bedurfte es noch einiger Vorbereitungen. Auch musste ich mir andere Kleidung kaufen, in meiner Lederkluft konnte ich nicht nach New Orleans reisen. Auch dabei war mir Mr. Henry behilflich, da ich gar nicht wusste, was ich alles brauchte. Welch ein Glück, dass ich deine beiden Gewehre auch mit mir führte, so hatte ich jetzt drei Gewehre, den Tomahawk und zwei Messer bei mir. Das alles wurde so im Koffer verstaut, dass es keinen Schaden nahm, und dann ging es los nach New Orleans, wo mich Emery erwarten würde. Zwei Tage später saß ich im Zug nach New Orleans, wo ich am Ende der Woche ankam und von Emery in die Arme gezogen wurde. Auch er hatte Tränen in den Augen, nachdem ich mit meiner Schilderung zu Ende war. Etwas später, nachdem sich unsere Empfindungen wieder beruhigt hatten, erklärte mir Emery, was ich noch alles brauchte. Scharlih, hattest du auch immer so viele Sachen auf deinen Reisen bei dir? Ich war mit zwei Pferden vom Pecos aufgebrochen, Scharlih! In St. Louis kam der erste Koffer dazu. Geld brauchte ich nicht, Emery half mir, das Gold auf einer Bank in New Orleans in arabische Münzen umzuwandeln, außerdem kauften wir am Hafen in einem Geschäft noch einen Burnus (Sackhose mit Hemd) nebst Aba (Übermantel) und Gürtel, dazu noch einen Turban (Kopfbedeckung, so eine Art Hut). Nach den vielen Besorgungen waren es jetzt drei Koffer, einer allein für die Waffen, Munition, Wasserflaschen und Kochgeschirr wie Becher, Teller, Töpfe, Löffel, Gabel und Messer. Scharlih, du hast mir nie berichtet, was du alles mitnahmst, wenn du für längere Zeit auf Reisen gingst. Bis wir an Bord des Schiffe gingen, saßen Emery und ich im Hotel oder in einem der vielen Cafés, die es in New Orleans gab, in dem letzten, so erzählte er mir, wärst du sehr gerne gewesen, da man dort auch sehr gut essen konnte. Wir haben auch viel über dich gesprochen, von euren Abenteuern, euren Erlebnissen mit und bei den Haddedin, oder mit anderen Stämmen, die dort leben. Emery erzählte mir auch, dass ihr wieder verabredet wart, für März in diesem Frühjahr. Er habe sich gewundert, dass von dir, Scharlih, keine Nachricht kam, wann und wo ihr euch dazu treffen wolltet. Wir mussten wegen der Pferde auf einen Lastkahn warten, so saßen wir ganze vier Tage in New Orleans fest, bis einer eintraf, der uns dann auch nach Mosul brachte. Meine Reise hatte gerade erst begonnen, und ich wusste nicht, wo sie mich hinführen würde, wann oder ob ich je wieder in den Westen zurückkehren würde. Emery war mein Begleiter, wollte mir zur Seite stehen, auch sprachen wir weiterhin viel von dir, Scharlih, von den Erlebnissen und wie nahe wir uns gestanden hatten. Was wollte ich dir noch erzählen? Ach stimmt, das hätte ich fast vergessen. Halef hat mir einen Sohn deines Rih geschenkt, diesen durfte ich auch reiten, als wir bei ihm waren. Es waren viele Freunde da, die nach dir fragten, sie alle waren bestürzt darüber, dass du von uns gegangen bist. Emery zeigte mir, wie man auf einem Kamel reitet, dass man aus seiner Milch Käse und Butter machen kann. Halef besorgte mir frisches Obst von einem Basar, außerdem führte er mich als Freund durch eines der Häuser, in denen er jeden Freitag betet. Scharlih, ich konnte ein Wettrennen mit Iltschi gegen einen der Araberhengste gewinnen. Wenn du mich jetzt sehen könntest, würdest du mich kaum wiedererkennen. Denn noch immer trage ich den Burnus, den ich mir für die Reise gekauft habe, zu diesem sind noch drei weitere dazugekommen, ein vierter hängt im Zelt. Es ist deiner, du hattest ihn nebst einem Sattel bei Halef gelassen. Ach ja, Halef, er ist wirklich ein lieber Mensch, er hat versucht, mir meinen Aufenthalt bei ihnen so angenehm wie möglich zu machen. Tee habe ich bei ihm keinen getrunken, dafür aber Kaffee. Das Essen war für mich kaum erträglich, zu viel Fett und fremde Kräuter oder Gewürze. So war Emery mehrmals in Mosul und hat dort rohes Lamm oder Kalbfleisch besorgt, was wir dann mit einigen der Kräuter und Gewürzen nur leicht gewürzt haben, dazu gab es Reis und Hirsebrot. Emery meinte, dass es wohl außer dem Fett damals das Wasser war, das mich auf der Rückfahrt dann krank werden ließ. Dieses Mal haben wir das Wasser alles abgekocht, oder nur von dort genossen, wo wir den Quell sehen konnten. Auch bei Halef gab es Berge, die ich mir mit Emery zusammen und Halef angesehen habe. Winnetou dankt Scharlih für diese Reise, die er ohne dich in diese für ihn doch so fremde Welt mit Tieren, Menschen, Gewürzen, Kräutern und Nahrung nie unternommen hätte. Und doch hast du, mein Bruder, Freund und Gefährte, es mir ermöglicht, mich zwei Sommer und Winter von meiner Trauer um dich zu befreien. Doch es gibt noch Momente, wo es mir schwerfällt, dich loszulassen. Emery gab mir den Rat, mit dir zu sprechen; er meinte, das würde mir vielleicht helfen. Auch Hatatitla hat sich erholt und jagt nun mit Iltshi und den anderen Pferden wieder über die Weiden. Scharlih, du bist nach wie vor in meinem Herzen, kein anderer wird da jemals sein, außer meinem Vater, Nscho - tschi und dir ist dort für niemanden Platz. In den viele Monden, die ich mit Emery verbracht habe, hat er mir gezeigt, was du so sehr an manchen Orten geliebt hast. Es waren die Menschen, angefangen bei Halef bis hin zu dem Stamm, dem er angehörte. Du fragst dich sicher, seit wann ich wieder hier bin? Ich sage es dir, seit drei Wochen! Vor drei Wochen kamen Emery und ich in New Orleans an, und auf dem Weg ins Pueblo machten wir noch halt in St. Louis bei Mr. Henry. Doch diesen wirst du inzwischen bei dir dort oben getroffen haben, denn auch er ist zu den Sternen gegangen, seinen Laden hat unser alter Weggefährte Mr. Timbe übernommen. Mehr gibt es nicht zu sagen, alles andere habe ich dir in den letzten Stunden berichtet. . Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)