Der Ritt in die Berge von Onlyknow3 (Winnetou) ================================================================================ Kapitel 2: Aufbruch und Befreiung --------------------------------- Aufbruch und Befreiung Was war mit Scharlih los? Nicht nur dass er blass wurde, als er erfuhr, was geschehen war. Nein, er drängte sogar zum sofortigen Aufbruch. Wie gut, dass ich auch Hatatitla mitgenommen hatte, der seit einiger Zeit nicht mehr im Pueblo zu halten gewesen war. Hatte ich erst angenommen, dass er einfach Bewegung brauchte, war ich mir jetzt sicher, dass er gespürt hatte, dass Scharlih wieder hier war. Das Wiehern, das er jetzt hören ließ, ließ Scharlih den Kopf heben. „Winnetou, woher wusstest du, dass du mich treffen würdest?“ „Hatatitla war es, der dich schon vor Wochen am Pecos spürte, ohne dass ich wusste, dass du in der Nähe warst. Je näher wir den Bergen kamen, umso unruhiger wurde er. Seit wir hier angekommen sind, wollte er keinen Schritt mehr weitergehen. Jetzt weiß Winnetou auch warum. Hatatitla hat gespürt, das wir dich hier treffen würden, er steht da hinten bei den anderen Pferden und mit Iltshi zusammen. Noch einmal hörten wir Hatatitlas Wiehern, und schon kam das edle Tier zu Scharlih gelaufen. „Na, du hast wohl wieder mal nicht warten können, bis ich zu dir komme, mein Freund! Aber jetzt sind wir wieder zusammen, lass uns reiten, wir müssen los!“ „Wenn Old Shatterhand weiter will, sollten wir aufbrechen, also satteln wir die Pferde!“, gab ich die Anordnung an die Krieger weiter. Scharlih war uns schon voraus geritten, es schien, als ob er keine Spur dahin brauchte, wo er hin wollte, er ritt vorne weg. Es wurde schon dunkel, doch von einer Pause wollte er nichts hören, also folgten wir ihm weiter. Aus dem drei Tage ritt, machte Scharlih eineinhalb, da wir die Nacht den Tag und die zweite Nacht durch ritten. Erst am Mittag des nächsten Tages legte Scharlih dann eine Pause ein. Er schien weit fort mit seinen Gedanken, dennoch setzte ich mich neben ihn. Leise, so dass nur ich es verstand, erklärte er mir, dass die Verschleppten seine Familie waren, sein Bruder mit Frau, Tochter und Sohn. Dass er sie besuchen wollte, dass er deshalb hier oben in den Bergen wäre und erst im Frühjahr zu uns an den Pecos gekommen wäre. Darum also war er so blass und erschrocken gewesen, als er die Nachricht von der Gefangennahme des Bärenjägers gehört hatte! Nun verstand ich auch, dass er in Eile war und sie retten wollte. Darum auch das Durchreiten bei Nacht. Nach etwa einer halben Stunde brachen wir wieder auf, wichen aber von der Spur noch weiter ab. Was nicht nur mich wunderte, doch ich fragte ihn nicht, ich brauchte keine Erklärung dafür. Nach drei weiteren Stunden hielt Scharlih in einem Waldstück an. „Ruht euch aus, wir sind am Ziel. Macht aber kein Feuer, es könnte dem Feind verraten, dass wir hier sind. Haltet euch bedeckt, Winnetou wird mich begleiten. Danach werden wir beraten, wie wir die Gefangenen befreien.“ Scharlihs Stimme klang dumpf und belegt, aber nur ich, der ihn genau kannte, hörte es heraus. Es belastete ihn so sehr, dass er mit seinen Gefühlen kämpfen musste. Ich wusste nicht, was in ihm vorging, dennoch hatte ich das Gefühl, etwas übersehen zu haben. Ich folgte Scharlih, so wie er es gewollt hatte, und er führte mich einen Hang hinauf. Er bat mich, vorsichtig zu sein, damit sich keine Steine lösten. Es war die Rückwand eines Kraters. Als wir oben ankamen, musste ich ein Uff unterdrücken. Denn die Wand endete mit einer senkrechten Schnittkante! Unter uns lag ein freier runder Platz, und an der Rückwand lagen noch die vier Gefangenen, gefesselt und geknebelt. Scharlih erklärte mir, dass der Eingang östlich lag, dass man dort aber wegen der Wachen nicht eindringen konnte. Dass man nur hier über die Wand den Abstieg machen konnte, dass wir aber die Wachen mit einem Präriefeuer ablenken mussten, bevor wir hier den Abstieg wagen konnten. Danach begaben wir uns zu den anderen, erklärten ihnen unseren Plan, und kurz darauf verließ Scharlih unseren Lagerplatz. Er stand an einen Baum gelehnt, schien in Gedanken weit weg zu sein. Dennoch wusste er aber, dass ich es war, der sich ihm näherte. Er drehte sich zu mir um und sagte: „Winnetou kommt, um nach seinem Bruder zu sehen, er tut recht daran, denn bald wird er vergeblich nach ihm Ausschau halten!“ „Lagern Schatten auf dem Gemüt meines Bruders, so mag er sie verjagen! Sie gründen sich aus den Anstrengungen der letzten Tage!“ „Dort flammte soeben noch das Abendrot, jetzt ist es verschwunden. Kann Winnetou diese Schatten verjagen, die dort heraufziehen?“ „Die Sonne wird morgen die Schatten verjagen, mit einem neuen Tag!“ „Die Sonne wird morgen für den Hancock Berg wieder aufgehen, meine irdische Sonne aber wird verlöschen, wie diese dort. Meine Seele wird heute zu den Sternen gehen, wohin mir Winnetou einst folgen wird.“ „Scharlih ist erschöpft, er darf sich solchen Todesahnungen nicht hingeben, er sollte bei denen bleiben, die bei den Pferden wachen. Winnetou kennt den Plan, er kann ihn allein ausführen.“ „Nein, Winnetou, verlange das nicht von mir, denn ich könnte diesem Old Shatterhand, der ruhte, als alle anderen kämpften, nie wieder in die Augen sehen. Winnetou weiß, dass wir schon oft dem Tod ins Auge blickten, und ich war immer darauf vorbereitet. Heute aber, wo ich die Nähe des Todes spüre, muss ich davon sprechen. Wenn ich gestorben bin, nimm meinen Kalender, der sich in der rechten Satteltasche befindet, und lies die Einträge. Begrabe mich am Ufer des Pecos, gegenüber der Stelle, wo ich damals mein Leben aus deiner Hand zurück erhielt. Aber Hatatitla soll leben, ich möchte es ihm nicht nehmen. Willst du mir diesen letzten Freundschaftsdienst erweisen?“ „Scharlih kann mich doch jetzt nicht allein lassen, wie soll Winnetou denn ohne ihn weitermachen?Was wenn ich dich um unserer Freundschaft willen bitte, nicht an diesem Kampf teilzunehmen?“ Doch Scharlih schüttelte den Kopf und bat erneut eindringlich:„Winnetou, wirst du mir meinen letzten Wunsch an dich erfüllen?“ „Ja. Winnetou wird so handeln, wie Scharlih es in den Kalender eingetragen hat.“ „Dann lass uns jetzt Abschied nehmen, die Zeit zum Angriff ist gekommen, den dein Scharlih nicht überleben wird. Gott möge dir vergelten, was du mir gewesen bist, Bruder, Freund und Gefährte. Lass mich dich segnen, weil du mir ein Segen warst.“ Ich riss Scharlih in meine Arme, was gäbe ich darum, wenn es einen Ausweg geben würde, doch egal was ich vorbringen konnte, es würde nichts nützen. Scharlih hauchte mir einen Kuss auf die Stirn, dann löste er sich von mir und wandte sich dem Lager zu. Als er die anderen jetzt aufforderte, uns zu folgen, hörte ich seine Stimme noch zittern. Was konnte ich denn noch tun, nichts, gar nichts gab es, was ich ausrichten konnte. Als wir oben ankamen, befestigten wir ein Seil an einem in der Nähe stehenden Baum. Wir hatten Lassos aneinander geknotet, so dass das Seil lang genug war. Es dauerte nicht lange, schon konnten wir die ersten Feuer im Osten ausmachen, die die Wachen ablenkten, so wie wir es gedacht hatten. Ich griff das Seil, doch Scharlih nahm es mir ab. „Ich bin der Anführer, so werde ich auch der Erste sein, und ihr anderen folgt mir nach.“ Scharlih war bis zur Hälfte gekommen, da folgte ich ihm auch schon. Es ging schneller als gedacht, weshalb sich Steine von der Kante lösten, was die Wachen wohl gehört hatten. Kaum kam Scharlih unten an, blitzten die ersten Kugeln um ihn herum und er brach zusammen. Er war getroffen worden! Sofort sprang ich hinab, riss seinen Stutzen hoch und schoss auf alles, was sich im Eingang sehen ließ. Jetzt da die Unseren immer mehr wurden, konnte ich mich um Scharlih kümmern. Ich schnitt seinen Jagdrock auf und sah mir die Wunde an. Doch es war zu spät. Die Kugel war Scharlih in die Lunge gedrungen, er würde innerlich verbluten! So nahm ich seinen Kopf in meinen Schoß, damit er den Kampf erkannte, den er kämpfen musste, und auch spürte, dass ich bei ihm war. Doch sein Körper erschlaffte, ohne dass er das Bewusstsein noch einmal erlangt hatte, und nach einiger Zeit kam der Rote Büffel und verkündete: „Sie sind alle ausgelöscht!“ „Dieser hier ist auch ausgelöscht! Keiner kann ihn mir ersetzen!“ Niemand sprach ein Wort. Inzwischen war der Tag angebrochen, und die Krieger hatten eine Trage hergestellt, mit der wir nun Scharlih von hier wegbrachten, denn es war nicht sicher, ob nicht noch mehr Sioux hierher kamen. Scharlih tot! Diese zwei Worte machten verständlich, in welchem Zustand ich mich auf dem Weg zum Pecos befand. Scharlihs Tod löste bei allen Stämmen der Apachen eine Welle der Wut gegen die Ogellallah aus. Seit jenem Tag, als wir am Pecos angekommen waren, träumte ich jede Nacht denselben Traum. Der Traum begann immer am Hancock Berg und begann mit dem Schuss, und endete damit, dass ich Scharlih retten konnte und dass wir zusammen an den Pecos zurückkehrten. Doch es war nur ein Traum, und er zeigte mir jede Nacht, was ich verloren hatte. Wieder lag ich auf meinem Lager im Zelt, das ich neben dem Grab errichtet hatte. Wieder hatte ich diese Bilder vor Augen von unserem Kampf, der mir das Liebste genommen hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)