Adventskalender 2020 von tobiiieee (All I Want For Christmas ...) ================================================================================ Kapitel 11: Türchen 11: Let It Go (Yuffie) ------------------------------------------ ~ Le vent qui hurle en moi ne pense plus à demain. Il est bien trop fort, j'ai lutté en vain ... ~ „Ja, ich bin wieder da“, sprach Yuffie ins Telephon. „Ich komm dann morgen wieder zur Arbeit und erklär dir alles.“ „Du kannst dir auch noch einen Tag freinehmen, weißt du, du musst erschöpft sein.“ „Das ist lieb, Reeve, aber ich glaube, an die Arbeit zurückzukehren ist genau die Ablenkung, die ich jetzt gebrauchen kann. Ich muss dann auch Schluss machen, bis morgen.“ Sie legte auf und schloss die Wohnungstür auf. „Mama!“ Kaum hatte sie die Tür hinter sich wieder geschlossen, hatten sich schon Kinderarme um ihren Bauch geschlungen. Yuffie drückte ihre Tochter und warf Vincent am Esstisch einen erleichterten Blick zu. Sie seufzte. Endlich wieder an einem Ort, den sie Zuhause nennen konnte. Es war schon lange dunkel, als sie May ins Bett gebracht und sich bei einem Gläschen an den Tisch gesetzt hatten. Yuffie, das Glas in der Hand, starrte nur wie betäubt auf die Tischplatte. In ihrem Innern war nichts. Oder alles. „Und?“, fragte Vincent nach einer Weile düster. „Wie war’s?“ Eine lange Stille trat ein. Yuffies Blick bewegte sich nicht. Wie war es gewesen? Warm war es in Wutai gewesen, grün, bekannt, aber auch vergangen. Sie konnte all die Wege immer noch im Schlaf gehen, kannte jedes Detail. Erinnerungen überkamen sie an allen Ecken, die Midgar in der Zwischenzeit hatte überdecken können. Erinnerungen, die zu haben sie sich überhaupt nicht mehr erinnern konnte. Wutai hatte Bevölkerung verloren, Landstriche waren verlassen. Ihr Erbe hohl. Die Menschen überquerten das Meer, um bei den Siegern zu leben, so wie sie ja auch. Verließen die Traditionen, die sie so lange geprägt hatten, um sich den Vorteilen der Moderne zu unterwerfen mit all ihren Ketten. Ohne Wiederkehr. Sie dachte an den Schmerz, den es ihre Seele früher gekostet hatte, immer wieder zu gehen und doch immer wieder zurückzukehren, bis sie nicht mehr konnte. Bis ihr Körper so sehr protestierte, dass sie mehrere Jahre wortwörtlich nicht mehr zurückkehren konnte. Wie sie es niemanden sehen lassen wollte, weil es so wehtat. Wie sie immer weitere Ausreden erfand und sich mehr und mehr selbst verlor. Wie sie davon träumte, dass alles wieder gut werden würde und wie sie dann in der Realität aufwachte. Und wie sie schließlich zurückgekehrt war und nichts ausrichten konnte. Danach hatte sie lange auf der windgepeitschten Klippe verweilt, unschlüssig: Sollte sie gehen? Sie wusste, dieses letzte Mal würde es für immer sein. Wenn sie diesmal ging, würde ein Teil ihrer Identität für immer verloren sein, verblasst zwischen ehemaligen Erinnerungen und untergegangen zwischen den Wellen. Wenn sie hingegen blieb, würde es da immer diesen lähmenden Schmerz geben, der Teil ihres Lebens bleiben würde. Sie dachte an das Gefühl, die Klippe und die gesamte Insel zu verlassen. Wie war es? Wie sollte sie es beschreiben? Das Gewicht, das von ihrer Brust verschwunden war, das Gefühl, atmen zu können, sich aufzurichten, den Rücken zu kehren und ohne Reue, ohne einen einzigen Blick zurück einfach zu gehen? Und mit jeder Sekunde, jedem Schritt, jedem Meter mehr zu realisieren, dass es vorbei war? „Es war ...“, sagte sie dann doch, „... ein Abschluss.“ ~ Je suis là comme je l'ai rêvé Perdue dans l'hiver Le froid est pour moi le prix de la liberté. ~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)